Aufbruch nach Westen

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Rascall » Freitag 22. Dezember 2006, 16:39

Rascall verzog den Mund. Seit einiger Zeit schien das Wetter noch schlechter und die Blitze zuckten wild über den Himmel, den sie nur mit lautem Donner und den pechschwarzen Wolken teilen wollten. Irgendwie vermisste Rascall die Sonne, war er sie doch jahrelang von der Wüstenstadt gewöhnt. Hier war es viel kühler. Er bekam schon eine leichte Gänsehaut. Grimmig schaute er zu den Wolken hinauf, doch diese waren nicht allein Grund für seine schlechte Laune.

<b>Immer wieder weichen mir die beiden Jungen auf meine Frage aus. Schön und gut, sie suchen ein Kloster. Aber wozu? Steckt ein so großes Geheimnis dahinter, dass sie es mir nicht sagen wollen?</b>#

Rons versuch, das Thema zu wechseln, war nahezu kläglich. Aber noch hatte Bran nichts gesagt. Vielleicht würde er ja endlich eine Antwort auf Rascalls Frage geben. Wenn nicht, würde Rascall die beiden irgendwann solange mit Fragen löchern, bis sie ihm antworten, auch wenn das eher die Methoden eines Kleinkindes waren. Das Kloster erreichten sie sicherlich bald und spätestens dann war eine Antwort fällig.
Um Bran noch mehr Zeit zu geben und Ron nicht ganz so kläglich dastehen zu lassen, entschloss sich Rascall, die Frage des Rattenjungen zu beantworten.

"Wie Blitze aussehen? Kannst du sie denn nicht erkennen? Hm, ich finde, sie ähneln gezackten Schlangen, die schnell und irgendwie eckig über den Himmel und die Wolken zucken. Und sie sehen gefährlich aus, was sie auch sind. Der gespaltene Baum dort hinten beweist es nur zu gut."

Rascall warf einen Blick zurück. Er fühlte sich seltsam. Irgendetwas stimmte auf einmal nicht, aber er konnte nicht sagen, was es war.
Zuletzt geändert von Rascall am Freitag 22. Dezember 2006, 16:39, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Erzähler » Sonntag 24. Dezember 2006, 14:43

Wie um Ron an der Fortführung seines Gedankens zu hindern, hämmerte ganz in der Nähe ein Blitz in den Boden und ein ohrenbetäubendes Donnergrollen erklang.
Der Blitz war weit genug weg gewesen um sie nicht zu gefährden, doch sie spürten ein elektrisierendes Kribbeln in den Beinen.
Doch der Blitz hatte ihre Aufmerksamkeit noch auf etwas anderes gelenkt. Weit im Norden, jenseits der Einschlagstelle, konnte man schemenhaft das Drachengebirge erkennen, wie einen dunklen Schatten vor dem ohnehin schon dunklen Himmel. Und dort schienen die schwarzen Wolken in eine Drehbewegung geraten zu sein. Sie wirbelten umeinander, doch mehr konnte man wegen der Dunkelheit nicht erkennen. Auch zu hören war nichts, denn der Wind und die beinahe ununterbrochenen Donnerschläge verschluckten jedes weitere Geräusch...nur Rons feine Ohren nahmen noch etwas anderes wahr. Ein leises Heulen, wie Wind der um eine Häuserecke jagte, und damit gemischt ein rhytmisches Hämmern, fast wie die Hufe eines Pferdes im Galopp. Es war weit entfernt, und doch war Ron sicher, dass es sich näherte.

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Rascall » Sonntag 24. Dezember 2006, 16:24

Rascall hatte Ron eben erklären wollen, dass man Blitze weniger als Wurm bezeichnen konnte und vor allem, dass man sie keinesfalls essen konnte. Schmunzelnd drehte er sich zu dem Rattenjungen um, der schon verträumt dreinschaute, angesicht möglicher Blitzwürmer, die es zu verspeisen gab.

Doch ruckartig wurde Rascall unterbrochen, ehe er überhaupt zu einer Antwort ansetzen konnte. Ein Blitz schlug in den Boden und Donner rollte sogleich hinterher, dass man das enorme Krachen wie ein schweres Drücken auf Trommelfell und Brust warhnahm. Außerdem kribbelten Rascalls Beine, vermutlich aufgrund des Blitzes.
Er schaute in die Richtung, in der das elektrische Grauen sich entladen hatte. In der Ferne erkannte er das Drachengebirge.

<b>Endlich, wir sind einen Schritt weiter.</b>

Beinahe furchteinflößend ragte es in der Ferne auf. Wie Drachenzähne wirkten die spitzen Berggipfel, die man noch sehen konnte. Einige waren von den pechschwarzen Wolken oder Nebelbänken verhüllt. Seltsam sahen nur die Wolken aus, wie ineinander verschlungen und verdreht. Rascall runzelte die Stirn. Es wurde ihm unbehaglich.
"Lasst und weitergehen", meinte er und hörte nicht den Wind, der leise heulend näher rückte.

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Rascall » Dienstag 26. Dezember 2006, 09:46

"Ein Pferd? Bist du sicher, Ron?"

Rascall zügelte seinen Braunen und schaute sich neugierig um. Er entdeckte nirgends einen Reiter, ein reiterloses Pferd oder gar eine Staubwolke, die von einem herantrabenden Tier stammen könnte. Trotzdem lag etwas in der Luft, seine Sinne bereiteten ihm Unbehagen. Rascall konnte nicht sagen, was es war, aber er ging im Kopf sämtliche Tricks und Zaubereien durch, die er mit seiner Schattenmagie beherrschte. Was immer hier nicht stimmte, er würde die beiden Brüder schützen. Ihnen würde nichts passieren, solange er mit ihnen reiste. Rascall war der Älteste, verantwortlich für die zwei Jungen. Er sah sich schon eine ganze Weile als ihr Schützer an. Nein, mehr noch, als ihr Freund. Und Freunde halfen einander.

<b>Feylin, kleiner Gott der Kleinen, du Naseweiß. Ich bitte dich, offenbare uns das, was immer da auf uns zukommt. Weihe uns in dieses Geheimnis ein, damit wir eine Chance erhalten, uns zu schützen, sollte es nötig werden. Du, oh Freund der Ungehörten, lass nicht zu, dass den Jungen etwas widerfährt. Sie stehen in der Obhut eines deiner Gläubigen.</b>

Rascall beendete sein Gebet im Stillen und schlug kurz ein heiliges Götterzeichen. Ob es das Zeichen Feylins war, wusste er nicht einmal. Er hatte es die Bettler in Sarma gestikulieren sehen, immer dann, wenn sie um Erlösung flehten. Vielleicht war es auch nur eine ihrer ausgedachten Gesten, aber Rascall hielt sich an diesem Strohhalm. Etwas Anderes hatte er nicht.

Noch einmal blickte er über die Ebene. "Ich fürchte, du irrst dich, Ron. Hier ist niemand außer uns."

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Erzähler » Dienstag 2. Januar 2007, 22:51

Das Heulen und das Hufgeklapper, welche Ron zuerst aufgefallen waren, wurden lauter.
Auch Rascall und Bran hörten nun das Heulen, welches das Hufgeklapper begleitete, nur die Hufe blieben weiter so leise, dass lediglich Ron sie vernahm.
Doch zumindest der Grund für das Heulen enthüllte sich nun. In der Entfernung erkannte Rascall, und dann kurz darauf auch Bran, einen Schlauch, der aus den Wolken zur Erde reichte und sich rasend schnell um sich selbst drehte. Er war pechschwarz, wie die Wolken über ihm, und man konnte sehen, wie er dort wo er die Erde berührte Grasfetzen, Erde und auch Büsche nach oben riss und sie auf ihrem Weg nach oben verschlang. Der unheimliche Schlauch näherte sich ihnen schnell, und das Tösen des Windes wurde immer lauter.
Ron, dessen schlechte Augen ihm den Grund für das immer unerträglicher werdende Heulen des Windes immer noch verschleierten, wurde sichtlich nervös und Rascalls Pferd begann unruhig zu tänzeln und zu schnauben.

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Rascall » Mittwoch 3. Januar 2007, 14:58

"Hmmm...", machte Ron. "Ich höhre es und ihr müsstet es eigentlich demnächst sehen können."
Und Rascall sah tatsächlich, aber was ein Stück weiter vorn seine Aufmerksamkeit erregte, gefiel ihm ganz und gar nicht.

Zunächst war dort nur ein beunruhigendes Heulen, nicht wie das eines Tieres oder schreienden Wesens. Nein, es war viel gewaltiger. Ein brausendes Heulen wie durch eine Schlucht.

<b>Ihr Götter, was schreit ihr in die Welt?! Was geschieht hier?</b>

Und schon erkannte Rascall in der Ferne einen sich windenden und drehenden Schlauch, einen Wirbel aus schwarzem Unheil und Gefahr. Gras, kleine Büsche und vereinzelte Bäumen wurden aus der Ebene in die Luft gerissen wie Insekten vom Schnabel eines Vogels. Blitzschnell griffen unsichtbare Hände nach den Pflanzen als wären sie Spielzeuge und warfen sie in den Mahlstrom aus Wolken, Wind und Finsternis.
Nun konnte sich Rascall auch das Heulen erklären. Es waren die Winde, die sich im grauenvollen Tanz um sich selbst wanden und zu einem Sturm verdrehten, der alles in sich verschlingen würde. Immer mehr näherte sich das schwarze Unheil und fegte um sich herum alles fort.

Im ersten Moment stand Rascall wie versteinert, achtete kaum auf Bran oder Ron. Erst als sein guter Brauner unruhig auf der Stelle tänzelte und sein Schnauben Rascall filzige Strähnen seines Haares ins Gesicht blies, erlangte der Mann wieder Kontrolle über seinen Körper.

Ohne sich großartig einen Plan auszudenken, schnappte er sich Ron und Bran jeweils mit einer Hand und zog sie an sich heran. "Da kommt ein Wirbelsturm auf uns zu, ich kenne dieses Phänomen von den Sandstürmen in der Wüste Sar! Wir müssen weg hier und zwar schnell!"
Rascall warf einen Blick zurück über die Schulter. Der Sturm näherte sich mit hoher Geschwindigkeit. Zu dritt würden sie ihm wohl nicht entkommen. Aber er musste die Jungen retten!
Rascall packte die Brüder wie zwei Mehlsäcke unter die Arme und hievte sie mit aller Kraft nacheinander auf das Pferd. Auch wenn Ron und Bran sich nun sträubten, sie würden schneller auf dem Rücken des Braunen sein als wenn sie rannten. Nur für zwei Jungen und einen ausgewachsenen Mann war selbst ein Hengst zu schwach. Das wurde Rascall klar.

<b>Hauptsache, die Jungen kommen in Sicherheit. Feylin, ich flehe dich an, halte deine kleine Hand schützend über Ron und Bran. Sie haben es sicher nicht verdient, in den Böen des Wirbelsturms ihr Ende zu finden.</b>

"Haltet euch fest und reitet auf einen sicheren Unterschlupf zu. Schaut nicht zurück!", rief er. Dann gab Rascall seinem Pferd einen Klaps und dieses setzte sich endlich in Bewegung. Der Mann wusste, dass er keineswegs so schnell wie das Tier sein würde, aber trotzdem würde auch er versuchen, sein Leben zu retten. Er atmete noch einmal tief durch und dann sprintete er hinter Ron und Bran her.

<b>Nicht nach hinten sehen. Bloß nicht zurückschauen</b>, mahnte er sich selbst. Wenn er zielstrebig vorweg lief, fühlte er sich dieser Katastrophe nicht so hilflos ausgeliefert.

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Rascall » Mittwoch 3. Januar 2007, 21:34

Rascall sah vor sich, dass Ron mit einer einzigen fließenden Bewegung vom Pferderücken glitt. Bran hielt sich unbeholfen im Sattel und klammerte sich an der Mähne des Tieres fest.
"Steig du auf's Pferd!", rief Ron Rascall entgegen. Er machte sich Sorgen, weil weder er noch Bran des Reitens mächtig waren und ein Unterschlupf ließ sich hier auf der Ebene wohl auch nicht finden. Damit hatte der Rattenjunge mehr als Recht.

<b>Es bleibt uns nur die Flucht. Ich hoffe, mein Brauner ist soweit ausgeruht. Das wird ein anstrengender Ritt.</b>

"In Ordnung! Ich steige zu Bran aufs Pferd. Aber wir müssen das Tempo erhöhen. Der Sturm kommt näher. Wenn er uns mitreißt, sind wir verloren!" Rascall mobilisierte seine Kräfte und spurtete los. Er rief seinem Pferd zu, langsamer zu werden. Zu Fuß würde er es sonst niemals einholen. Als das Tier schließlich leicht abbremste, schwang er sich rasch in den Sattel. Er schlang wie schon zuvor einen Arm um Brans Körper, der wackelig vor ihm saß und sich wohl wieder auf festen Boden wünschte.
Mit einem laut gebrüllten "Ho!" gab er dem Pferd seine Hacken zu spüren, dass dieses sich erneut in Bewegung setzte. Ron lief flink neben ihnen her.

"Wenn du müde wirst, sagst du es! Keine Heldentaten, verstanden?!", brüllte Rascall dem Rattenknaben zu. <b>Ein wagemutiges und risikobereites Opfer können wir uns nicht erlauben – außerdem würde ich das nicht zulassen. Wir müssen schnellstens hier weg.</b>

Rascall bezweifelte, dass ein Pferd und ein Rattenhybride schneller laufen konnten als ein wirbelnder Sturm, aber er gab die Hoffnung nicht auf. Das hatte er all die Jahre in Sarma nicht getan und diese Einstellung würde sich auch in Zukunft nicht ändern – wenn es für ihn, Bran und Ron noch eine Zukunft gab.

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Rascall » Donnerstag 4. Januar 2007, 00:20

"Wie ein Sturm aussieht? Junge, du hast vielleicht Nerven das jetzt zu fragen! Schau zurück und du siehst den wohl größten und letzten Sturm deines Lebens, wenn wir uns nicht beeilen!"

Es war das erste Mal, dass Rascall den Jungen eine ruppige Antwort gab, aber er hatte auch allen Grund dazu. Er machte sich Sorgen, schreckliche Sorgen. Der Wirbelwind kam immer näher, er holte sie langsam aber sicher ein. Und Ron warf auch noch einen Blick zurück, um herauszufinden, <i>wie</i> nah er ihnen bereits war.

Rascall wusste zwar, dass Ron nicht so gut sehen konnte, aber er hatte keine Vorstellung von dem, wie wenig der Hybride erkannte. Vor allem angesichts eines so gewaltigen Sturmwindes hinter ihnen. Für einen kurzen Augenblick war er drauf und dran, Ron einen halbblinden Idioten zu nennen. Aber Rascall besann sich.

<b>Er ist nur ein Knabe, hat weniger Erfahrung. Verspotte ihn nicht für das, was er ist, er kann nichts dafür.</b>

Rascall trieb sein Pferd an, schneller zu galoppieren. Bran vor ihm holperte auf dem Sattel schon wild auf und ab, saß aber sicher in der Umarmung des Mannes.
"Ein Sturm ist nichts, was man gesehen oder erlebt haben sollte, Ron. Sehen wir zu, dass wir so weit wie möglich fortkommen. Wenn der Wind dich erfasst, wirst du die erste Ratte sein, die wie ein Adler durch die Lüfte flie–" Rascall unterbrach sich. Er wollte dem Jungen nicht auch noch dumme Ideen in den kopf setzen. "Wahrscheinlich sind wir alle nur halbtote Fetzen, die von den Mächten des Windes in der Luft endgültig zerrissen werden, wenn sie uns packen, Keine tollen Aussichten, was?"

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 4. Januar 2007, 14:26

Der Wirbelsturm, der den drei Flüchtenden immer näher kam, änderte leicht die Richtung, was diese jedoch nicht bemerkten, da es sich hinter ihrem Rücken abspielte.
Die wirbelnde schwarze Wand aus Wind, Erde, Gras und anderen, nicht mehr zu erkennenden Dingen, raste brüllend auf sie zu...und zog an ihnen vorbei.
Weit genug, um sie nicht ebenfalls ins Verderben zu reißen, und doch viel zu nah. Der Wind zerrte wütend an ihrer Kleidung, und aufgewirbelter Staub und Dreck flog ihnen in die Augen und nahm ihnen die Sicht. Rascalls Pferd wieherte panisch, scheute und stieg schließlich. Rascall und Bran konnten sich nicht auf seinem Rücken halten und stürzen ins Gras, während das Pferd instinktiv in eine sichere Richtung rannte.
Und nun konnten auch Bran und Rascall, die im Gegenteil zu Ron mit nur einem normalen Gehör gesegnet waren, das Hämmern der Hufe hören. Mühsam richtete der Mann sich auf, schirmte mit einer Hand seine Augen ab und suchte in dem tobenden Chaos nach der Ursache für das Hufgetrappel.
Doch was er sah, ließ ihm beinahe das Blut in den Adern gefrieren. Inmitten des Wolkenwirbels, dort, wo er den Boden berührte, erkannte Rascall einen riesigen schwarzen Schatten, der einem galoppierenden Pferd glich. Doch zwei Dinge sagten ihm, das dies niemals ein Pferd war...zum einen die enorme Größe des Wesens, das sicher doppelt so groß wie das größte Pferd war, das er je gesehen hatte und zum anderen das große Horn auf der Stirn des Wesens.

Dies konnte nur ein Wesen sein! Der Bote! Faldors Einhorn!

Panik ergriff Rascall, und auch Bran und Ron zitterten am ganzen Leib, obwohl sie nichts gesehen hatten. Doch der Schrecken, den der Bote verbreitete, hatte sich auf ihre Herzen gelegt.

Erst als der Wind nachließ, erkannten die drei, das der Bote sie entweder nicht bemerkt hatte oder einfach kein Interesse an ihnen gehabt hatte.
Der Wirbel zog schnell nach Osten ab und hinterließ hinter sich eine Spur der Verwüstung.

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Rascall » Samstag 6. Januar 2007, 12:49

Der Sturm holte auf. Rascall spürte es. Er zerrte bereits heftig an seinen Kleidern oder eher Lumpen und sein Haar klatschte ihm immer wieder ins Gesicht, so dass er zwischendurch kaum etwas sah. Beißend peitschte der Wind um die Gruppe herum, dass es richtig schmerzte. Rascall legte den Arm fester um Bran, damit dieser nicht zu sehr von den heftigen Böen getroffen wurde.

Als eine erneute Brise mit fliegendem Dreck ihm in die Augen flog und Rascall kurz die Zügel losließ um sein Sichtfeld wieder frei zu bekommen, da stieg sein Brauner voller Panik. Er konnte sich nicht halten, so dass er nach hinten abgeworfen wurde. Bran verlor ebenfalls das Gleichgewicht und landete auf Rascalls Brust, das es diesem die Luft aus den Lungen presste.
"Vorsicht, Bran!", rief er dem Jungen zu und verstummte sogleich schlagartig. Sein Pferd galoppierte ein Stück weit davon, doch dessen Hufgetrappel erkannte Rascall inzwischen. Aber da war noch ein anderes, ein viel lauteres Aufschlagen von Hufen. Kam ein anderer Reiter auf sie zu. Ron hatte Recht mit seiner Annahme, dass er ein Pferd gehört hatte.

Rascall schob Bran von sich herunter und richtete sich halb auf. Er hob die Hand, um seine Augen vor dem fliegenden Staub abzuschirmen und spähte auf die Ebene hinaus in Richtung des vorbei eilenden Wirbelsturms. Glücklicherweise drehte dieser ab. Sie bleiben verschont. Aber etwas Anderes machte dem Mann nun Sorgen. Etwas Gewaltiges!

Rascall schluckte, sein Mund war auf einmal sehr trocken. Er war wie zur Salzsäule erstarrt. Sein Blick war auf das Auge des Wirbelsturms gerichtet. Darin bewegte sich etwas und es war übernatürlich groß. Ein Pferd? Nein, viel größer, ein Riesenpferd!
Aber dann erkannte Rascall mit Entsetzen das pechschwarze Fell, das das Licht selbst zu verschlucken schien. Er sah die breite Hufe und die von schwarzen Haaren umrahmten Fesseln. Er erkannte den Schweif auf Finsternis, der wie eine neunschwänzige Peitschte im Wind wehte. Und er sah die bösartigen finsteren Augen und das um sich selbst geschwungene Horn auf der Stirn des Tieres.
Es war ein Einhorn, ein schwarzes Einhorn – der Bote des Unheils, der Diener des Totengottes: Faldors Einhorn!

Rascall brach der Schweiß auf der Stirn aus. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und ein leichtes Schaudern kroch ihm über den Nacken und rutschte seinen Rücken hinab. Es hinterließ Panik und eine Gänsehaut. Rascall glaubte, sein Herz bliebe stehen. Er spürte seine Gliedmaßen nicht mehr und doch wusste er, dass er am ganzen Leibe zitterte. Eine Hand griff aus, suchte nach Bran und zog den Jungen langsam zu sich. Weniger, um diesen zu schützen, sondern vielmehr, um sich selbst zu schützen. Rascall fühlte sich plötzlich so leer, beinahe wie tot. Indem er Brans Arm berührte, wusste er, dass das Leben ihn immer noch umgab und dies nahm ihm für einen Moment die panische Furcht vor dem, was er sah.

<b>Feylin, stehe uns bei!</b>

Dann ließ der Wind endlich nach. Der Sturm drehte weiter ab und zog davon und mit ihm der Bote des Gottes. Seine düstere, Leben verschlingende Aura wurde schwächer und schwand schließlich. Seine finsteren Augen, der stechende Blick, löste sich von Rascall, Ron und Bran.

Mit zitternden Beinen erhob sich der Mann, wandte aber den Blick vom Wirbelsturm ab, der sich immer wieder entfernte. Er konnte nicht in die Richtung sehen, er wollte nicht. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie zuvor eine solche Angst verspürt. Sie erschreckte ihn und zwar so sehr, dass er sie nicht mehr ansehen wollte. Einer solchen Furcht konnte sich niemand stellen. Stattdessen versuchte Rascall sich abzulenken. Er hielt nach seinem Pferd Ausschau, auf dem sich all seine Ausrüstung befand. Zugleich fragte er mit kratziger Stimme: "Seid ihr beiden in Ordnung?"

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Rascall » Sonntag 7. Januar 2007, 11:53

Rascall und Bran standen langsam auf. Die Angst und der Schrecken waren aus ihren Knochen gewichen, als das Einhorn abgedreht und verschwunden war.

Noch etwas wackelig standen sie auf ihren Beinen. Keiner antwortete auf Rascalls Frage. Das bedeutete, dass es ihnen gut ging, schlussfolgerte der alte Halunke. Wären sie verletzt, hätten sie sofort etwas gesagt. Allerdings schaute Ron, als hätte er einen Gott gesehen. Die Kinnlade schon förmlich bis zum Bauch herunter hängend und die kleinen Rattenaugen so weit es ging aufgerissen stand er da, starrte auf den verwüsteten Teil der Stillen Ebene hinaus.

Er sprach von dem wohl gigantischsten Wurm, den er je gesehen hatte. Ganz Andunie würde mehrere Wochn von ihm zehren können, staunte der Junge.
Rascall wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Es brachte ihn zum Schmunzeln, wenn Ron alles, was er nicht zu kennen schien, mit Nahrung in Verbindung brachte. Offenbar veränderte die Tatsache, dass er ein Hybrid und somit halb Ratte war, sein Denken. Teile von ihm schienen sich immer auf Futter zu konzentrieren.

Dennoch sah Rascall es als seine Pflicht an, Ron von der Gefahr zu erklären, derer sie sich alle eben ausgesetzt hatten.
"Ja, Andunie zehrte sicher mehr als nur einige Wochen daran", murmelte er. "Wenn der Wirbelsturm die Stadtmauern niedergerissen hätte. Wenn er die Häuser in Schutt und Tümmern zurückließ. Dutzender Tote und noch mehr Verletzte. Versenkte Schiffe im Hafen ... Andunie kann froh sein, wenn dieser Kelch an ihnen vorüber geht."

Dann schüttelt Rascall den Kopf. "Aber genug der Trauer, die diese Stadt noch nicht verdient, denn sie steht noch. Und auch wir sind noch am Leben. Also weiter. Lasst uns die Stille Ebene bald verlassen und hoffen, dass uns diese gehörnte Schreckensbestie von einem Götterboten nicht verfolgt."

Er klopfte beiden Jungen auf die Schulter und wandte sich dann um. Wohin war nur sein Pferd gelaufen? Ohne seine Ausrüstung könnte die Reise mehr als beschwerlich sein.

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Erzähler » Sonntag 7. Januar 2007, 16:02

Nicht nur Rascall, Ron und Bran erholten sich langsam von dem Schrecken, den der Wirbel und die Nähe von Faldors Boten bei Ihnen hinterlassen hatte, auch Rascalls Pferd beruhigte sich wieder.
Der Braune war in seiner Panik nach Süden gelaufen, doch sobald er sich etwas sicherer fühlte, hatte er gestoppt und abgewartet.
Nun war der Sturm abgezogen und außer dem Fluchttrieb des Tieres meldeten sich nun auch wieder seine anderen Instinkte. Der Braune fühlte sich alleine…und suchte nach seiner Herde, die derzeit nun einmal aus Rascall, Ron und Bran bestand.
Das Pferd lief den Weg zurück, den es gekommen war und suchte nach den dreien.

Rascall sah sich um und versuchte, sein Pferd zu finden, doch die allgegenwärtige Dunkelheit auf der Ebene schränkte seinen Sichtbereich stark ein.
Doch dann drang ein leises Geräusch an sein Ohr, ein Geräusch, das er gut kannte. Es war das Wiehern seines Braunen. Offenbar suchte das Pferd sie.
Rascall atmete erleichtert auf. Nun mussten sie den Weg nach Westen nicht komplett zu Fuß zurücklegen, und auch seine Sachen waren wieder da. Er stieß einen grellen Pfiff aus, der weit über die Ebene hallte.

Kurz darauf vernahm er das gewohnte Trappeln der Hufe seines Pferdes. Dann schälte sich ein Schatten aus der Dunkelheit, den Rascall schnell als seinen Braunen identifizierte. Das Pferd erkannte ihn wohl auch, denn es verlangsamte seinen Schritt und trabte langsam auf Rascall zu.
Als es ihn erreichte, stupste es ihn mit den Nüstern an, als ob es ihm sagen wollte

<i>Hey, schön das ihr noch lebt!</i>

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Rascall » Montag 8. Januar 2007, 01:24

Rascall war überrascht, dass das Pferd ihm bereits so sehr vertraute. Aber er war froh, dass es zu ihm zurückgekehrt war.

<b>Schade drum, irgendwann muss es zu seinem eigentlichen Herren zurück. Ob dieser immer noch in Andunie sitzt? Nun, eigentlich sollte ich es behalten. Er ist selbst Schuld, wenn er so dumm ist, einem alten Halunken wie mir sein bestes Tier anzuvertrauen. Sicher ärgert er sich bereits jetzt grün und blau.</b>

Rascall grinste und tätschelte seinen Braunen an Nüstern und Seite. Er überprüfte rasch die Ausrüstung. Es war noch alles vorhanden, sehr gut.
Inzwischen fragte sich Ron, ob das wirklich kein Wurm gewesen sei. Daraufhin schüttelte der zerzauste Mann nur schmunzelnd den Kopf. Er hatte Ron und Bran bereits sehr ins Herz geschlossen, auch wenn letzterer von beiden nicht so redselig war wie sein Bruder.

Rascall entschloss sich, dass das Pferd für den Augenblick genug gelitten hatte. er jedenfalls würde zu Fuß weitergehen. Bran wäre das sicher auch Recht.

<b>Wer weiß, ob sich der Junge nach dem Sturz jemals wieder auf einen Pferderücken schwingen wird. Ich zwinge ihn nicht dazu – nicht mehr heute.</b>

"Müssen wir irgendwen warnen?", fragte Ron plötzlich. Rascall sah in die Ferne. Der Wirbelsturm war noch da, aber schon weit abgezogen, so dass Rascall ihm kaum mehr sehen konnte. Vielmehr spürte er ihn noch immer in jedem Muskel seines Körpers, gepaart mit einer Winzigkeit Furcht ob des Boten Faldors. Allein der Gedanke an das riesige schwarze Einhorn jagte ihm erneut einen Schauer über den Rücken.

"Nein, ich schätze angesichts dieses Sturms ist jeder sich selbst überlassen. Sehen wir lieber zu, dass wir von hier verschwinden. Und hoffen wir, dass das Wetter bald umspringt."

Rascall wunderte sich langsam nicht mehr, warum es nicht regnen wollte und weshalb diese seltsamen Wolken allgegenwärtig zu sein schienen.

<b>Wenn Faldor persönlich seine Finger im Spiel hat, dann können wir nur noch auf die Gnade der anderen Götter hoffen.</b>

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 10. Januar 2007, 16:24

Sie waren einige Zeit gelaufen, als vor ihnen einen dunkles Band am Horizont auftauchte. Dunkler als der Boden, dunkler als der Himmel und im allgemein schlechten Licht beinahe nur ein Schemen. Das musste der Fluss Ilfar sein, und wenn sie sich nicht allzu sehr in der Richtung geirrt hatten, war die Brücke über den Ilfar nicht mehr weit.
Sie hätten natürlich auch weiter nach Osten wandern können und sich erst in den Wäldern nach Norden wenden können, aber dann hätten sie mindestens zwei Flüsse, den Auwin <i>und</i> den Ilfar überqueren müssen, aber das war eigentlich zu schwierig, denn es gab nach der Brücke in der Stillen Ebene keine weiteren festen Übergänge mehr. Nur noch einige Furten, von denen Rascall nicht wusste wo genau sie waren, oder in den Wäldern umgestürzte Bäume, mit deren Hilfe sie vielleicht hinüberkamen.
Zudem war der Weg über die Ilfar-Brücke der kürzeste, und Rascall wollte Ron und Bran nicht unnötigen Gefahren aussetzen, indem er sie länger als nötig durch die Wildnis begleitete.

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Re: Aufbruch nach Westen

Beitrag von Rascall » Samstag 13. Januar 2007, 13:10

Rascall schmunzelte. Er hatte die Frage in all dem Tumult schon wieder vergessen. Verblüffend, dass sich Bran daran erinnerte.

<b>Vermutlich nur, um sich abzulenken. Der Sturm sitzt uns allen noch tief in den Gliedern. Besser, wir denken erst gar nicht darüber nach.</b>

Aus dem Schmunzeln wurde ein heiteres Lachen, als Rascall die Antwort auf seine Frage erfuhr. Das Lachen brachte Erleichterung mit sich und befreite.

"Schatzjäger, wie? Ein fabelhafter Traum. Ich wünsche euch beiden, dass es euch gelingen mag. Hoffentlich führen euch die Karte und der Schlüssel auch zu einem Schatz. Nicht, dass da jemand den Schlüssel zu seiner Kleidertruhe verloren hat. Ein Schatz in einem Kloster ist nur schwer vorstellbar. Aber ich will euch den Traum nicht nehmen. Jeder sollte die Möglichkeit haben, sein Leben zu verbessern."

Rascall marschierte eine Weile schweigend weiter. Er dachte über das Vorhaben der Jungen nach. Er hoffte, dass sie wirklich auf einen Schatz stoßen würden, denn sicherlich wären die beiden bitter enttäuscht, wenn sie am Ende nichts vorfanden. Vor allem, da der Weg zu ihrem Ziel bereits jetzt schon einiges an Nerven gekostet hatte.
Da spürte Rascall das Sonnenamulett gegen seine Brust schlagen und er erinnerte sich, weshalb er die Reise auf sich nahm.

<b>Wenn es wahr ist, was der Alte aus Andunie erzählt hat ... wenn dies ein Erbstück einer Königsfamilie ist und rechtmäßig mir gehört ... Vererbt von meiner Mutter ...</b>

Rascall grinste. Freundlich schaute er Ron und Bran an. "Ich begleite euch zum Kloster. Wenn ihr den Schatz findet, könnt ihr ein zufriedenes Leben führen. Und wenn nicht ..." Er zückte das Kettchen um seinen Hals und zeigte den beiden das Amulett daran, das wie eine Sonne aussah. "Mich zieht es deswegen nach Dessaria. Dies ist ein Erbstück von meiner Mutter. Ein alter Mann erzählte mir, es sei das Symbol einer ehemaligen Königsfamilie. Vielleicht werde auch ich bald ein schmuckvolleres Leben führen. Wenn ihr bis dahin noch keinen Schatz gefunden habt, teile ich mit euch."

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