Der Weg durch die Massen von Menschen bis hin zur Arena war länger gewesen als es Tahmo wohl erwartet hatte. Und trotz seiner Verkleidung, in der ihn viele für einen Priester - also eine Respektsperson - hielten, ging es nur schleppend voran. Die Masse selbst konnte sich ja kaum bewegen.
Schließlich aber erreichte der Eselsverwandelte die Mauern der Arena und es wurde etwas "luftiger" unter den Menschen. Sie zerstreuten sich, wobei die meisten in die Arena selbst strömten. Wachmänner sorgten dafür, dass sie sich dabei nicht gegenseitig zerquetschten. Gesittet mussten sie in Zweierreihen unter den Torbögen und durch die Eingänge treten.
Tahmo ließ seinen vierbeinigen Freund in der Nähe stehen. Faro schnaubte sich die Mähne aus dem Gesicht und trottete freiwillig in die Schatten eines Erkers. Dort blieb er vor fremden Blicken ebenso verborgen wie von der Sonne geschützt. Dem Pony war der Marsch hierher wohl auch alles andere als ein Genuss gewesen. Aber es schaute stolz, dass es diese Herausforderung gemeistert hatte. Faro, das edle Ross.
Brav wartete das Tier auf Tahmos Rückkehr. Der junge Mann näherte sich unterdessen einer Tribüne, auf der im Augenblick wild gegaukelt wurde. Zwei Gaukler standen sich im Finale gegenüber. Dass einer von beiden überhaupt so weit gekommen war, erschien fast unglaublich. Er machte eher den Eindruck eines verbitterten, kleinen Männleins. Im Gegensatz stand der andere Teilnehmer - Tahmo erkannte nicht, ob es Junge oder Mädchen war, aber es handelte sich eindeutig nicht um die rotgekleidete Gauklerin. Es sei denn, sie hatte sich umgezogen, aber nein! Die Hautfarbe stimmte nicht und der Name passte auch nicht. Yann, so rief es das Publikum. In diesem Moment erinnerte sich Tahmo aber, dass die gemeine Schelmin sich als Vlune, die Schadenfreudige vorgestellt hatte. Nein, sie war wohl nicht hier ... aber vielleicht konnte ihm einer der Teilnehmer helfen.
Tahmo beobachtete das Spektakel.
Das Publikum klatschte begeistert. Yann war eine Sensation. Die soeben aus dem Hintern der Illusion gefurzte Kanonenkugel ließ die Zuschauer kreischen und Lachtränchen weinen. Alle waren schwer beeindruckt. Brodha, der Unlustige, hatte mit seinen sarkastischen und zynischen Witzen kaum mehr eine Chance.
"Jaaaa, juchuuuuu, Yann!", rief Lyrien N'ador, sprang auf und applaudierte wie eine Verrückte. Sie feuerte ihn mit all ihrem Herzblut an, denn der Junge hatte es schlichtweg verdient! Aber Yann war mit seiner Darbietung noch nicht fertig. Das Alkohol in seinem Blut hatte sich wohl endlich etwas verdünnt, er konnte wieder klarer denken. Und er wollte dem ganzen noch einen draufsetzen. So ließ er Brodhas Narrenkappe verschwinden und als weiteren Teil der Illusion auf dem unwirklichen Brodha landen.
Der richtige Gaukler patschte sich auf den Kopf. Ihm war der Spaß vergangen, sein Gesicht rötete sich vor Empörung. "Also, langsam reicht es." Nun passte sein Äußeres zu der Laune, die er verströmte. Das Publikum achtete nicht auf ihn. Sie klatschten begeistert und verlangten nach mehr Späßen des Buntschelms. Dieser verwandelte Brodhas Kappe soeben in eine Torte und reichte sie seinem Konkurrenten.
"Hier, für dich." Brodha hob die Augenbrauen. "Für mich? Na toll, soll ich mir die Torte statt der Mütze etwa auf den Kopf setzen?" Ein Lacher für den Unlustigen. Die Zuschauer gerieten ganz aus dem Häuschen. Aber Brodha nahm die Torte und biss ein Stück ab. In diesem Moment löste sich die Illusion auf und der Unlustige kaute auf seiner Narrenkappe herum. Die Zuschauer tobten. Brodha aber spuckte seine Mütze aus, wimmerte beleidigt und schnauzte plötzlich: "DAS IST NICHT KOMISCH!"
"DOOOOOCH, IST ES!", antwortete das Publikum choral und schenkte Yann einen Extra-Applaus. Brodha der Unlustige schnappte seine Kappe, machte kehrt und verließ die Bühne. Er gab auf. Gegen einen Schelm kamen gemeine Witze nun einmal nicht an.
"HURRA!", rief Lyrien und winkte ihrem kleinen Freund. Ein Herold gesellte sich gerade zu dem jungen Schelm auf die Bühne. Er nahm seinen Arm und riss ihn hoch. "Das ist wohl eindeutig. Der Sieger des Gauklerwettstreites ist ..."
"NOCH NICHT ENTSCHIEDEN!"
Tahmo durchzuckte es wie einen Geistesblitz. Die Stimme kannte er doch! Und ja, auch das Aussehen, als plötzlich eine weibliche Gestalt in rotem Harlekinskostüm aus einer Rauchwolke auf der Bühne auftauchte. Sie grinste gehässig. Das Publikum verstummte und der Herold blickte die Fremde verwirrt an.
"Es gibt eine weitere Teilnehmerin - mich!", verkündete diese. Sie trat an Yann heran, drückte ihm ihren Zeigefinger gegen die Brust. Auf ihrer Stirn war eine schwarze eintätowierte Rose zu sehen. "Nimmst du die Herausforderung an, Bursche? Ha, ich, Vlune die Schadenfreudige, Schelmin aus dem Reich der Nachtelfen, werde dich bunten Knirps mit dem kleinen Finger besiegen."
"Ihr seid nicht angemel..." "SCHNAUZE!" Vlune wischte mit der Hand in Richtung des Herolds und murmelte leise die herendianischen Worte:
"Dummheit, Dummheit!" Der Herold blickte verwirrt aus der Wäsche, Sabber lief ihm aus dem Mundwinkel und irgendwie stand er auf einmal sehr plump und dümmlich da.
"Ich bin doch angemeldet, als die geheime Finalistin, nicht wahr?", sprach Vlune ihn an.
"Öh öh öh ...", gab der Herold von sich wie ein dressierte Seehund. Vlune grinste. "Sag einfach ja."
"Einfach ja!", rief der Herold. Die Grauschelmin lachte. "Damit ist es entschieden. Na los, kleiner Buntikus! Zeig, was du kannst." Sie gab Yann einen Schubs, dass dieser nach vorn und beinahe von der Bühne taumelte. Das Publikum hielt den Atem an.