Schwarze Segel

Das große Meer ist launisch wie das Wetter. Einmal ist es friedlich und dann wieder die reinste Gefahr. Erfahrene Seemänner befahren es mit ihren großen Schiffen. Alle Reisen sind hier verzeichnet.
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Piraten kapern alle Schiffe, die nicht dunkelelfisch oder verbündete mit sichtbarem Zeichen (Flagge) sind.
Die Mantroner versuchen, gegen die Piraten vorzugehen.
Ein Teil der Amazonen, sowie das dunkle Volk sind Verbündete der Piraten.
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Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 27. Juni 2024, 14:45

Madiha kommt von Östliches Celcia -> Die Stille Ebene -> Die Hafenstadt Andunie -> Wohnviertel Andunies -> Das Haus der Familie van Tjenn

Auch wenn sie nur das Nötigste einpackten, bestand Caleb darauf, einen Träger kommen zu lassen, sogar noch in der inzwischen hereinbrechenden Nacht. Während Madiha also die gemeinsame Garderobe zusammenstellte und in einen Reisesack quetschte, informierte der Dieb Jivvin und nicht einmal zwei Stunden später fanden sich alle in der Eingangshalle des Hauses van Tjenn ein.
"Mein Junge!" Estelle ließ sich von Jivvin zu ihrem Sohn führen und zog ihn in ihre gebrechlichen Arme. Wie üblich trug sie einen Schleier und war sittsam herausgeputzt worden. Die Dunkelelfe und jene Kinder, die um diese Uhrzeit noch nicht schliefen, hielten sich im Hintergrund. Estelle drückte Caleb innig. "Pass auf dich auf und komm bald zurück zu deiner Mutter."
"Das werde ich." Er küsste sie auf die Wange, entlockte der alten Dame damit ein Lächeln. Anschließend schob jene sich vor Madiha. Sie streckte die Finger nach ihr aus, berührte erst ihre Wangen und betastete dann ihr Gesicht. Ihre Worte richtete sie aber noch einmal an ihren Sohn. "Und pass mir vor allem auf diese schöne Blume auf. Lass das Feuer nicht erlöschen, Caleb. Hörst du?"
"Ja, Mama. Natürlich nicht. Ich werde sie mit meinem Le-"
"Nein, bitte nicht. Nicht noch mehr Tode. Achtet auf euch und dass ihr überlebt. Opfert euch nicht. Rennt nicht feige in einen Heldentod. Das machen schon zu viele. Bleibt klug genug, euch zurückzuziehen und tapfer genug, danach einen neuen Versuch zu wagen. Macht Fehler, aber seid auch bedacht genug, aus ihnen zu lernen. Tote lernen nichts." Die alte Frau schlang plötzlich ihre Arme eng um Madiha. Sie zog sie dicht an sich heran, dass die Sarmaerin die Mischung eines nicht allzu penetranten Duftwässerchens und ihres Altersgeruchs wahrnehmen konnte. Estelle drehte ihre Lippen zu Madihas Ohr. "Ich danke dir ... für all die Enkelchen, die du ins Haus gebracht hast." Sie gluckste kurz, aber warm. Dann flüsterte sie, nur für Madiha bestimmt: "Aber die Braut meines Jungen möchte ich nicht missen. Komm mir wohlbehalten zurück, kleiner Wüstenschatz." Dann löste sie sich und streckte die Hand nach hinten aus. Wo sonst Jivvin jene ergriff, um der alten Dame zu helfen, waren es nun zwei der älteren Kinder. Sie brachten Estelle in die Reihen zurück, so dass alle Caleb und Madiha noch einmal anschauen und sich stumm verabschieden konnten. Jivvin trat mit einem Räuspern vor: "Gehen wir", sagte sie pragmatisch und öffnete die Tür. Draußen wartete bereits der bestellte Träger darauf, das Gepäck bis zum Hafen zu schleppen. Er hielt gut Schritt mit der Gruppe und schon bald erreichte man die Docks.
Das Schiff, mit dem sie gen Sarma segeln würden, war in der Dunkelheit kaum auszumachen. Hätte man keine Laternen an Deck aufgehängt, wären das schwarz gestrichene Holz, die finsteren Segel und sogar die Mannschaft vollkommen von der Nacht verschluckt worden. Denn tatsächlich tummelten sich ausschließlich dunkelelfische Seefahrer und Matrosinnen an Deck. Da fiel Jakub natürlich sofort auf. Auch wenn er der einzige Mensch der Mannschaft zu sein schien, hatte Caleb ihm den Posten als Erster Maat zugeteilt. Er scheuchte die Männer und Frauen umher, brüllte einen Befehl zum Ausguck hinauf und grummelte, wenn es ihm nicht schnell genug ging. Aber man sah ihm die Freude an, endlich wieder in See zu stechen. Seine Haltung war aufrechter und ein kantiges Grinsen lag auf den Zügen des Glatzkopfes.
Unten am Steg wurden Caleb, Madiha und Jivvin bereits von Kjetell'o und Ilmy erwartet. Beide hatten Seesäcke vor sich abgestellt. Ilmy trug ein Schultertuch aus dunkelroter Wolle mit viel zu großen Bommeln daran. Der Elf hatte sich in bequeme Kleidung in den Farben der andunischen Akademie - sturmgrau und blau - gehüllt. Er lächelte, als er die Ankommenden ausmachte. Damit sie einander auch gut sahen, ließ er sofort eine kleine Flamme über seiner Handfläche auflodern. Ein knapper Blick zu Madiha forderte sie still auf, es ebenfalls zu versuchen und sofern es ihr gelang, wäre ihr ein stolzer Blick des Elfen sicher.
"Ich bin so aufgeregt", grüßte Ilmy in die Runde. Sie nestelte an den Bommeln ihres Überwurfs herum. "Wir werden Sarma retten. Madi, du wirst Sarma retten. Ich kann es kaum erwarten!"
"Sind wir denn abreisefertig?", hakte Kjetell'o nach. Caleb nickte ihm zu. Dann deutete die Planke entlang, die auf das Schiff führte. In der Dunkelheit konnte Madiha den Namen nicht einmal lesen. Da die Letter aber ohnehin in Lerium verfasst waren, würde es ihr jetzt nicht helfen. "Geh an Bord, Kjet. Such dir eine Ecke und leg deinen Seesack dort ab. Oh und nimm Madihas und meinen mit! Wo sie liegen, schlafen wir, also such eine gute Stelle aus, ja?"
Kjetell'o versuchte sich am Salutieren. Es misslang und beinahe hätte er sich die Haare mit seiner eigenen magischen Flamme verbrannt. Er schmunzelte, schüttelte das Feuer aus und griff dann nach den Säcken. Als Ilmy auch ihr Gepäck schultern wollte, hielt Caleb sie auf. "Warte", sagte er und wurde von der Pausbäckigen fragend beäugt. "Madi und ich halte es für das Beste, wenn du hierbleibst." Ilmy klappte der Mund auf. Sie schaute von Caleb zu ihrer Freundin herüber und zurück. Er ließ sich nicht beirren. "Die Flucht aus Sarma ist nicht spurlos an dir vorüber gezogen. Schau dir deine Hände an! Sie heilen noch immer ab. Du ... hast bereits eine Menge geleistet. Ilmy. Du hast Gefahren überstanden, denen wir uns nun stellen werden. Ich wäre dir dankbar, wenn du gelegenltich Jivvin besuchen kommst, um nach den Kindern und meiner Mutter zu sehen."
Ilmy blinzelte. Sie starrte nun zu der Dunkelelfe herüber. Nach wie vor hielt sie zu ihr etwas Abstand, aber beide kamen auf einer neutralen Ebene miteinander aus. Jivvin erwiderte ihren Blick ruhig, verschränkte die Arme locker vor der Brust.
"Sie kommt auch nicht mit? A-aber ich dachte", begann Ilmy und Caleb erklärte: "Es wäre von Vorteil, Jiv dabei zu haben. Aber vielmehr brauchen wir sie hier." Er schaute zur Dunkelelfe herüber. "Geh gut mit der Werft um, hab ein Auge auf Andunie."
"Halte deine Brieftauben bereit", eriwderte Jivvin nur. Sie wirkte weder gekränkt, dass sie nicht mitkam, noch verärgert. Einzig Madiha konnte eine Spur Trauer von ihren goldenen Augen ablesen. Sie würde Calebs Anwesenheit vermissen, so viel stand fest. Aber vielleicht hatte auch Caleb das gesehen und sich bewusst für diesen Weg entschieden. Er dankte der Dunkelelfe, dann wandte er sich noch einmal an Ilmy. "Ruh dich aus. Du hast es dir verdient. Anschließend solltest du deine Eltern aufsuchen. Ich weiß, du hast ihnen Briefe geschrieben, aber sie nicht abgeschickt." Ertappt zuckte Ilmengard zusammen. "Sie werden nicht enttäuscht sein", beteuerte Caleb. Er konnte schließlich aus Erfahrung sprechen. "Im Gegenteil, Gib ihnen die Chance, dich wiederzusehen. Gib euch die Chance auf die Familie, die du so lang hast missen müssen. Glaube mir, das ist jetzt der beste Weg für dich."
"Madiha..." Ilmy schwenkte den Kopf herum. Sie trat an ihre Freundin heran, ergriffen von Calebs Worten und zugleich mit schuldigem Blick. "Ich hab dir doch gesagt, wir machen das gemeinsam." Sie angelte nach ihrer Hand, wusste aber nichts zu sagen. So drückte sie diese nur, erwiderte den Blick ihrer Freundin und zog sich schließlich zurück. "Du bist so stark", wisperte sie. "Du wirst uns alle retten."
"Die Flut", bemerkte Jivvin und Caleb nickte ihr zu. "Wir müssen an Bord", wies er Madiha an. Als wenig später die Planke eingeholt wurde und Madiha und Caleb an der Reling des schwarzen Schiffes standen, blickten sie auf Jivvin und Ilmy herunter. Die Heilkundige tupfte sich mit ihrem Bommelüberwurf die Augen. Sie winkte. Schon spannten sich hinter den Abreisenden die Segel. Der Wind blies hinein, blähte sie und sorgte dafür, dass das Holz nicht nur unter seiner Kraft knarrte, sondern das gesamte Schiff sich in Bewegung setzte. Caleb hob die Hand zum Abschied. Schneller als Madiha es von der Blauen Möwe gewohnt war, schob sich das Kriegsschiff bereits aus der Hafenbucht heraus.
Als Ilmy nur noch halb so groß auf die Entfernung war, hörte Madiha sie jedoch plötzlich sehr wild rufen. Sie winkte und wedelte, aber nicht alle Worte konnte der Wind ans Ohr der Sarmaerin tragen. "... Drache! ... den Drachen ... finden ... elfen ... Sarma retten!" Ein weiterer Austausch war nicht möglich. Ilmys Worte tanzten im Wind. Ihre Farben mischten sich mit den Lichtern an den Docks. Sie wurde kleiner und kleiner, zusammen mit Andunie, das die Reisenden mit einem Meer aus schwarzen Formen und Lichtern verabschiedete. Von der Felsenklippe aus ragte die Akademie mit ihrem großen Turm über alles empor. In seiner Spitze drehte sich ein Licht, gab den Schiffen eine Orientierungshilfe, die noch weit bis auf's Meer hinaus erkennbar sein würde. Aber auch dieses Signal wurde schnell kleiner. Das Kriegsschiff war rasant unterwegs.
"Bei dem Tempo werden wir keine zwei Wochen bis nach Sarma brauchen." Jakub trat an seinen Kapitän heran, salutierte und grinste dann schief auf. "Weniger als eine Woche mit diesem Wind", entgegnete Caleb. "Ich muss ans Ruder, Madi, mit dem Navigator sprechen. Schau dich um. Ich habe dich nicht zum Helfen eingeteilt. So kannst du auch mit Kejtell'o üben, falls du möchtest. Das Deck der Schattenmuräne steht dir zur Verfügung." Er machte sich auf. Es gab kein erhöhtes Heck, dass sich darunter hätte eine Kapitänskajüte befinden können. Vielmehr war der Heckbereich nur ein seicht angehobenes Podest, so dass man sogar mit einer Treppe gespart hatte. Die hohe Stufe ließ sich mit einem beherzten Sprung überwinden. Caleb eilte zusammen mit Jakub zum Elfen am Ruder und jemandem, der daneben stand und mit einem Fernrohr den Himmel im Blick behielt.
Madiha ließ man zurück. Nun stand sie die da, an der Reling des Schiffs. Es besaß zwei Masten, wobei der vordere viel kleiner war und kein Krähennest besaß. Vielmehr hielt sich dort ein gespanntes Seitensegel, mit dem man ebenfalls lenken und so schneller Drehungen und andere Manöver auf See vollziehen konnte. Die Galionsfigur war keine barbusige Frau wie sie die meisten Schiffe gern hatten. Sie gab dem Schiff ihren Namen. Eine Muräne, einer dieser fast schlangenartigen Raubfische des Ozeans, reckte ihren gezahnten Kopf in den Wind, der bereits viele Kerben auf dem schwarzen Holz hinterlassen hatte, so dass das geschnitzte Tier ähnlich vernarbt zu sein schien wie Madiha selbst. Kjetell'o stand vorn am Bug und betrachtete die Nacht. Madiha könnte sich ihm anschließen, aber auch das übrige Schiff stand ihr offen. Die dunkelelfischen Matrosen ließen sich gewiss ausfragen, falls ihr etwas auf dem Herzen lag. Unter Deck hatte sie noch gar nicht nachgesehen. Wo sie und Caleb wohl schlafen würden? Gab es hier eigentlich eine Kombüse? Das Schiff wirkte sehr viel schmaler als die Blaue Möwe und selbst wenn sie weniger Zeit auf See verbringen würden, dürfte Madiha ihre begrenzte Umgebung schnell erkundet haben. Hoffentlich wurde es nicht allzu langweilig während der Reise. Andererseits könnte das auch einmal eine angenehme Abwechslung darstellen. Das letzte Mal auf See hatte sie Corax und Azura kennengelernt. Der Dunkelelf war ihr als gigantisches Krakenmonster erschienen und Caleb hatte ihm beherzt einen Zeh abgeschlagen, um Madiha zu schützen. Das alles fühlte sich schon weit weg an, ebenso wie Sarma. Aber die Wüstenstadt würde sie bald zurück haben. Sie wartete auf Madiha. Sie brauchte ihre Hilfe ... damit Caleb und sie den Grund für eine Welt schaffen konnten, die Sicherheit und Frieden bot. Denn mit weniger gab sich der Dieb für seine Liebste nicht zufrieden.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 3. Juli 2024, 13:37

Es gab keine Anleitung für das Leben. Für niemandem. Man musste schauen, welche Karten man zu Beginn erhielt und dann das beste daraus machen. Oder man bemühte sich, die schlechten Karten gegen gute auszutauschen. Madiha versuchte es emsig, sich ein besseres Blatt zu erschaffen. Und es war ihr bereits gut gelungen, denn sie hatte Freunde gefunden, sogar eine Liebe und vielleicht würde sie irgendwann ihren bunt zusammengewürfelten Haufen als Familie ansehen können. Madiha war immer noch vorsichtig und wer hätte es ihr auch verdenken können. Schließlich war sie noch nicht sehr lange in ihrer hart erkämpften Freiheit. Noch immer lernte sie was es hieß, wenn die Entscheidungen nur noch durch sie, statt durch ihren Herrn getroffen wurden. Madiha hatte allerdings einen Joker in ihrem Blatt. Er war der Grund, weshalb sie das Gefühl bekam, dass alles schaffbar war. Sie brauchte nur in das leicht bärtige Gesicht zu schauen. Diese kurzen Stoppeln, die ein Bisschen kitzelten, ein Bisschen kratzten. Sie musste nur die kleinen Fältchen um die Augen ansehen und das Gefühl von Freiheit stellte sich ein. Sie brauchte nur einen Blick in die tiefblauen Seen mit den grünen Farbtupfern, um sich sicher zu sein, dass sich alles zum Guten wenden konnte. Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, dass Caleb ausgerechnet unter all den wundervollen Frauen, die seinen Weg kreuzten und gewiss nicht abgeneigt waren, sie wählte. Madiha erinnerte sich daran, als sie Caleb nach Jahren wiedergesehen hatte und er in dieser Zelle saß. Damals hatte sie noch keine Narben besessen, aber er war dabei gewesen, als man sie ihr zufügte. Als man sie zu dem Vorfall mit Khasib befragte und anschließend vollkommen verwahrlost und mit höllischen Schmerzen in dieses Rattenloch zurückbrachte. Madiha erinnerte sich daran, dass sie ihm schon damals nicht böse gewesen war. Er war es, der sie in dieses Leben gebracht und gleichwohl herausgeholt hatte.

Madiha erinnerte sich ebenso daran, als Sarma angegriffen wurde und Caleb im Krankenflügel bei Dunia auftauchte. In seinen dunklen Klamotten, das Haar widerspenstig und so… Gutaussehend! Ihr Herz klopfte allein bei der Erinnerung daran. Seine Nähe hatte ihr so viel Verwirrung eingebracht. Sie erinnerte sich an ihre gemeinsame Flucht durch die Tunnel und wie sie zu Ilmy gelangen wollten. Madiha schloss für einen Moment die Augen, während ihr die Bilder in den Sinn kamen, als er schwerverletzt drohte unter ihren Fingern zu sterben. Und welche Angst sie bereits damals um ihn gehabt hatte. Wie sehr sie damals schon gemocht hatte. Sie war das vernarbte Sklavenkind, dass sich in einen Wüstendieb verliebte und dieses Mädchen hätte niemals geglaubt, dass er ihr eines Tages so unglaublich nahe war, dass es wehtat, wenn er es nicht war. Madiha betrachtete Caleb, während er mit dem Bootsmann und einem anderen Elfen sprach. Der Wind in der Bucht zu Andunie wehte ihre dunklen Haare durcheinander, doch sie strich sie ruhig zurück hinter ihr Ohr. Madiha rief sich seine Worte in Erinnerung, die er ihr noch vor ihrer Abfahrt gesagt hatte. Es ging um sie… um ihn… und um das gemeinsame Leben, dass sie in einer Welt führen wollten, die frei von Hass, angst und Vorurteilen war. Sie lächelte leicht und atmete tief durch. Sie liebte ihn aus tiefsten Herzen und war berührt von seiner Vision, seinem Blick auf die Zukunft. Es war etwas, das Madiha absolut teilte. Sie wollte das auch! Für ihn, für sich, die Geflüchteten, die Verängstigten. Sie wollte das mit ihm gemeinsam erreichen! Seine Worte hatten ihr schweres Herz angehoben und darunter kam etwas zum Vorschein, dass sie beflügelte. Sie würde nach Sarma ziehen und sie würde Sarma befreien. Sie würde dabei nicht mit aller Gewalt die Aggressoren vertreiben, aber sie wollte eine Gemeinschaft schaffen! Ein Miteinander! Madiha betrachtete die Dunkelelfen, die an Bord der Schattenmuräne waren. Sie waren hier, mit ihnen gemeinsam. Corax war ein Dunkelelf und ihr wichtigster Freund geworden. Ihr Blick glitt zu Kjetell’o. Ein Waldelf, Menschen, Dunkelelfen… Alle gemeinsam vereint, für ein Ziel. Das Mädchen aus Sarma hatte mit Caleb’s Worten verstanden, worum es ging. Es ging nicht darum, dass Madiha alle rettete. Sie drehte sich zur Reling und schaute auf das immer kleiner werdende Andunie. Es ging um Sicherheit für Ilmy… um Raum für Jivvin… um Halt für Kinder, wie die ‚Faa-Zwillinge‘. Es ging um Aufgaben für Witwen, wie Estelle. Die nach all dem Schrecken eine Perspektive brauchten. Madiha erinnerte sich mit Blick auf das Meer zwischen sich und Andunie an Ilmy’s Worte, die sie noch gerufen hatte.

Den Drachen finden… Sie würde es nicht vergessen, auch wenn sie noch nicht genau wusste, was Ilmengard damit hatte sagen wollen. War das ein Pseudonym? Oder… Madiha hob den Kopf und schaute sich erneut um. Einige Matrosen schritten an ihr vorbei und übernahmen dieselben Aufgaben, wie die Matrosen an Bord der Blauen Möwe. Es gab immer schlechte Beispiele, wie Khasib, Serpentis oder den Stockmännchen. Es würde immer schlechtes in der Welt geben. Aber war nicht Madiha das beste Beispiel, dass mit Güte und Weitblick sich die Dinge zum Guten wenden konnten? Wer stand denn dem Bösen gegenüber? Corax… Caleb, Jakub… Kjetell’o… Jivvin, Ilmy… Emmyth und Kathar, denn sie waren bereit mit ihr zu reden. Sie waren bereit zuzuhören. Auch sie gehörten in diese neue Welt, die Caleb erschaffen wollte. Madiha lächelte und sah erneut zum Kapitän der ‚Schattenmuräne‘. Es war egal, ob es die Blaue Möwe oder die Muräne war… sie waren beiden Schiffe, die Hoffnung trugen an das Ziel, das sie erwählten! Und Madiha? Die wandte sich zu Kjetell’o. Madiha trug diese Hoffnung in sich. Sie würde alles tun, was sie konnte. Aber jetzt hatte sie nicht mehr das Gefühl, dass sie allein wäre. Dass man das von ihr allein verlangte. Die Hoffnung einzig in sie und ihre Fähigkeiten legte. Ilmy mochte sie als Auslöser erkoren haben… Aber Madiha brachte so viel Hilfe mit, wie sie konnte! Noch hatte Madiha sich nicht umgesehen auf dem Schiff, aber es war auch nicht mehr wichtig. Die Zeit mit Caleb war ihr heilig, aber sie trug sie in ihrem Herzen und ihrer Erinnerung. Bis sie wieder gemeinsam im metaphorischen Krähennest sitzen und sich aneinander festhalten konnte. Madiha trat an Kjetell’o heran und lächelte sogar zuversichtlich. „Danke“, eröffnete sie das Gespräch und wartete, bis er sie bemerkte. „Für deine Hilfe, obwohl ich dir nicht bei deinem Versprechen helfen kann. Ich weiß, dass das die Bedingung gewesen ist. Aber…“, sie zögerte für einen Moment, ehe sie ihn zuversichtlich anlächelte. „Ich bin froh, dass du uns begleitest. Unabhängig von dem Unterricht…“ wollte sie ihm sagen. Vielleicht war er betroffen, weil er Azura verließ. Vielleicht, weil er ihre Mutter verließ. Madiha wusste nicht wieso, aber sie hatte das Bedürfnis Kjetell’o wissenzulassen, dass er hier unter Freunden war. Wenn er wollte. Und sie selbst strahlte eine innere Stärke und Zuversicht aus, die sie vor Caleb’s Worten noch nicht gehabt hatte. Auch in der Woche davor nicht. Caleb war es, der ihr Mut und Hoffnung gab. Und sie wollte das für diejenigen tun, die keinen Caleb hatten. Sie wollte ihnen zeigen, dass sie nicht allein waren, solange sie, Madiha, auf sie achten konnte.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Freitag 5. Juli 2024, 14:15

Die Schattenmuräne legte ab und trieb von der Flut getragen hinaus aus Andunies Hafenbucht. In der Dunkelheit der Nacht fiel sie nahezu nicht auf, denn sowohl Schiffsrumpf, Masten als auch Segel waren vollkommen schwarz. Gleiches galt für einen Großteil der Mannschaft. Fest stand, dass sie allesamt Dunkelelfen waren, abgesehen von Fjarn, dem andunischen Smutje und Bexan, einem Gnom aus Morgeria. Er war eigentlich nicht für die Seefahrt gemacht, sondern gnomischer Techniker aus Morgeria. Aber er hielt die Muräne instand und jeder Dunkelelf an Bord würde auf ihn hören, wenn Reparaturen fällig wurden. Ansonsten befolgten sie aber blind Jakubs Befehlen. Es kümmerte hier niemanden, dass er selbst keiner vom dunklen Volk, sondern ein Mensch war. Er hatte die Position des Ersten Maat inne und deshalb unterstanden ihm alle anderen. Niemand begehrte gegen die Entscheidung des Kapitäns auf, der ebenfalls Mensch war. Sie alle akzeptierten es und durften gleichen Respekt auch von ihren Vorgesetzten erwarten. Madiha konnte direkt beobachten, welchen Idealen ihr Liebster nacheiferte und auch, dass er Erfolg damit hatte. Auf Augenhöhe stand er im Heckbereich des Schiffes und unterhielt sich mit Bexan, sowie dem Ruderer. Beide nickten ihm mehrfach zu. Dann aber holte der Gnom einen Sextant hervor und berechnete irgendetwas, ehe er in die weite Schwärze des Himmels deutete. Daraufhin war es Caleb, der nickte. Wieder sprach er mit dem Dunkelelfen und jener bewegte das Ruder, so dass das Schiff sich seitlich in den Wind legte. Plötzlich nahm es Fahrt auf, deutlich intensiver als es die Blaue Möwe jemals vermocht hätte. Wie ein Pfeil jagte die Muräne durch das Meer und war dabei so unsagbar leise. Man wollte es diesem Konstrukt aus Holz und Eisen gar nicht zutrauen.
Caleb stämmte zufrieden die Hände in seine Hüften. Der Wind blies ihm um die Ohren, spielte mit seinem Haar und gerbte seine Haut. Er schaute zu Madiha herüber, konnte nicht sehen, ob sie seinen Blick erwiderte. Trotzdem winkte er ihr zu und lächelte, dass seine Zähne als weißlicher Fleck in der Nacht zu erkennen waren. Um Madiha huschten derweil die Matrosen umher. Auch sie bewegten sich interessanterweise sehr leise. Allesamt waren sie barfuß, hechteten wie Schatten die Takelage empor und lösten einen Teil des Segels, der sich etwas verfangen hatte. Alle wirkten so emsig wie die Mannschaft auf ihrer vorherigen Schiffsreise. Alle waren sie eingespielt, so dass auf Jakub nur wenig Arbeit zukommen würde. Madiha teilte man bislang überhaupt keine Pflicht zu. Sie konnte die Seele baumeln lassen und sich erst einmal an Bord umschauen. Doch statt unter Deck zu gehen, zog es sie zum Bug mitsamt der muränenartigen Galionsfigur. Dort lehnte nämlich Kjetell'o am Holz, schaute auf das Meer hinaus und wirkte angesichts der ihn umgebenden Dunkelheit wie ein kleines Leuchtfeuer mit seinem goldbraunen Teint und den nussbraunen Haaren. Er hatte sich wieder vollauf erholt. Die Triefnase war ausgetrocknet, seine Augen glänzten nicht länger fiebrig. Außerdem hatte er sich kleine schwarze Vogelfedern ins sein Haar geflochten, zusammen mit neuen Perlen und winzigen Holzringen. Eine apfelförmige Holzfibel hielt den dunkelgrünen Umhang zusammen, der ihn etwas vor dem kalten Nachtwind schützte.
Als Madiha den Elfen erreichte, zog jener sich besagten Umhang gerade etwas enger um den Leib. Er erwiderte ihre zuversichtliches Lächeln, als er sie bemerkte. Schon löste er seine sorgsame Umwicklung auf, breitete den Umhang aus, hob ihn mit einem Arm an und lud die Sarmaerin still ein, darunter Schutz zu suchen. In Kjetell'os Blick glomm nicht dieses Begehren wie sie es von Caleb inzwischen kannte. Er war nicht auf körperliche Nähe mit ihr aus, sondern bot ihr einfach nur etwas Wärme, denn die Nacht zeigte sich gerade für Sarmaer oder Elfen der Tropen als kleine Herausforderung.
"Danke." Kjetell'o schüttelte nur den Kopf, aber er interpretierte Madihas Wort auch falsch. So glaubte er, sie meinte eben jene warme Zuflucht unter seinem Umhang. Madiha klärte mit weiteren Worten jedoch schnell auf, was wirklich hinter ihrem Dank stand. Nämlich, dass der Elf sich bereit erklärte, sie noch immer zu begleiten und sie zu unterrichten, obwohl sie seine Bedingung nun nicht erfüllen und nach Azuras Ziehvater suchen würde, um ihn zu retten. Madiha traf sofort ein milder Blick aus seinen goldgeprenkelten Augen. "Der Leidträger hat sich dazu bereit erklärt. Außerdem wird er gut auf meine Tochter achten. Besser als ich es in all den Jahren habe tun können." Wieder schaute er auf das Meer hinaus. Madiha konnte den Kummer in seinen Augen erkennen. Hier stand ein Mann, der seine Hörner abgestoßen hatte, ohne an die Folgen zu denken. Hier stand jemand, der erst Jahre später erfahren hatte, dass er Vater geworden war. Hier stand eben jener Vater, dem man den Zugang zu seinem Nachwuchs verwehrt hatte und der daraufhin nur aus der Ferne nach seinem eigen Fleisch und Blut hatte schauen können. Und hier stand Kjetell'o, der nun seine Azura in Andunie zurückließ, damit sie mit einem anderen Mann als Vater reifen würde. Sie würde ein Leben ohne den Shyáner führen und ihm blieb nichts als es endlich zu akzeptieren. Es fiel ihm sichtlich schwer, aber ihm blieb keine Wahl. Dass Corax bei Azura zurückgeblieben war, musste ihn ungemein beruhigen, denn von dem rabenhaften Dunkelelfen hielt er viel. Aber nicht nur Corax weckte sein Interesse.
"Ich werde dich natürlich weiter unterrichten, Madiha." Er drehte sich ihr zu und lächelte erneut mit der Wärme eines Mannes, der trotz aller familiären Probleme genug Glück im Leben hatte finden können, um ihm eine Bestimmung zu verleihen. "Ich habe dir bereits gesagt, dass ich großes Potenzial in dir sehe. Immenses Potenzial!", betonte er noch einmal. "Natürlich möchte ich weiterhin derjenige sein, der es zu fördern versucht, es wachsen und sich entfalten sieht. Aber ... bei all deinem Talent ..." Er verstummte kurz, um den Umhang nun endgültig von seinen Schultern zu lösen und Madiha zu überlassen. Denn Kjetell'o erklomm die niedrige Bugreling neben der Galionsfigur. Er ließ seine Beine über den Rand des Schiffes baumeln, während die Wellen unter ihm zerschnitten wurden. "Ilmengard, diese emsige kleine Biene von einer Heilerin, hat dir zum Abschied etwas zugerufen. Einen Drachen finden?" Er schaute über die Schulter zu Madiha zurück, die Brauen gehoben. "Einen richtigen Drachen? Hast du denn schon einmal mit einem Drachen zu tun gehabt? Weißt du wenigstens, welcher Art er ist? Nicht alle lassen mit sich reden und einige sind sogar sehr aggressiv. Wenn ... wenn die Gegenseite einen Drachen auf Sarma hetzt, wird es nicht nur für die Stadt brenzlig." Kjetell'o wollte Madiha nicht den Mut nehmen. Trotz seiner Formulierungen klang seine Stimme dabei nicht, als verlöre er die Hoffnung. Vielmehr wirkte er nachdenklich. Ja, er grübelte. "Hast du dir Gedanken gemacht, wie du dich im Zweifelsfall gegen einen Drachen verteidigen oder ihn auf magische Weise daran hindern willst, Menschen und Bauten zu zertrümmern?" Schon hob er beschwichtigend eine Hand, ehe er sie auf den Kopf der hölzernen Muräne legte und sie streichelte, als wäre sie lebendig. "Ich erwarte keine Lösung von dir. ich bin nur daran interessiert, was in deinem Kopf vorgeht. Wie du die Lage analysierst und dich mit diesem Problem auseinandersetzt. Wie du planst, deine magischen Fähigkeiten mit einzubinden. Denn auch das ... ist Teil des Lernprozesses, damit umzugehen. Erzähl mir, was du dir vorstellst und vielleicht kann ich es dir bis zur Ankunft in Sarma beibringen." Er zwinkerte, fernab jeglicher Sorgen, die auf Madihas Schultern lasten mochten. Er war zuversichtlich, sie nicht nur unterstützen zu können, sondern auch tauglich zu machen, um wahrlich gegen einen Drachen anzutreten. Entweder war Kjetell'o vollkommen von Madihas Fähigkeiten, seinen Eigenschaften als Lehrer überzeugt oder er war sehr ... dumm.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 7. Juli 2024, 13:49

Für Madiha war es tatsächlich beruhigend, wenn sie Caleb in seinem Element beobachten konnte. Er hatte sich als junger Mann den Pflichten seiner Herkunft entzogen und doch stand ihm sein Wissen um die Seefahrt außerordentlich gut. Madiha beobachtete ihn, während er mit Bexan, dem Zwerg und den Dunkelelfen sprach und sie anscheinend die Route beredeten. Ob Caleb wusste, dass es wirkte als wäre er in seinem Element? Sie würde ihn später darauf ansprechen und ihm ihre Beobachtungen mitteilen. Vielleicht freute es ihn, dass er im Nachhinein seinen Vater doch noch alle Ehre machte und die Seefahrt nicht ohne Grund gelernt hatte. Jetzt aber wandte sich das Mädchen um und betrachtete noch einmal den Rest der Crew. Tatsächlich waren hier alle… gleich. Madiha konnte zwar keine weitere Frau erkennen, aber das war etwas, was der Samaerin nicht sonderlich auffiel. Sie war es gewohnt unter Männern zu sein, machte sich diesbezüglich schon lange keine Gedanken mehr. Zwar war es nichts, was sie gerne machte aber im Grunde hatte sie nie eine Wahl gehabt und das für sich als gegeben hingenommen. Solange sich ihr niemand aufdrängen wollte, war alles in Ordnung. Aber Madiha hatte diese Angst inzwischen gut beherrschen gelernt. Sie glaubte nicht ständig daran, dass sie einem Übergriff ausgesetzt wäre, sondern konnte inzwischen mit erhobenem Haupt klarmachen, dass sie es niemandem mehr einfach machen würde. Nun… jedenfalls redete sie sich das ein. Wie es wäre, wenn die Situation erneut brenzlig würde… musste man dann sehen. Jetzt aber hatte Madiha den Schatten ihrer Vergangenheit abgeschüttelt und war dabei einen neuen Umhang zu weben. Sie war … Feuermagierin! Also – bald. Aber sie war auf dem Weg dorthin. Und sie war Madiha al’Sarma, die sich auf machte, um ein Abenteuer zu bestehen. Caleb’s Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Sie konnte die Last der Unternehmung ein wenig lüpfen, sodass sie darunter atmen konnte. Vielleicht war es wirklich alles nur eine Einstellungssache. Vielleicht konnte sie ja wirklich etwas tun. Und dann war das doch alles wert, oder? Ihr Blick streifte Jakub, der sich ebenfalls in seinem Element befand. Er hatte die Mannschaft gut im Griff, aber wirkte dabei weitaus zufriedener. Madiha lächelte bei seinem Anblick. Ihr wurde klar, welch kleine Familie sie da an ihrer Seite hatte. Jakub war inzwischen auch nicht mehr wegzudenken. Caleb sowieso nicht und… Ihr Blick fiel auf Kjetell’o. Madiha entschied sich, das Gespräch mit ihm zu suchen, bevor sie sich mit dem Schiff vertrauter machte. Auch der Elf hatte so einige Päckchen zu tragen und ihr war es wichtig, dass er sich zumindest Willkommen fühlte. Stattdessen hieß er sie willkommen, als er seinen Umhang anhob, damit sie darunter Schutz finden konnte. Madiha hob die Augenbrauen über diese Geste, trat dann aber näher und ließ sich darauf ein. "Der Leidträger hat sich dazu bereit erklärt. Außerdem wird er gut auf meine Tochter achten. Besser als ich es in all den Jahren habe tun können." Madiha schwieg einen Moment.
Sie ahnte, dass Kjetell’o sich dafür schämte. Ihr fehlte der Vergleich und das Wissen um eine echte Familie und deren Bande, aber sie bemühte sich dennoch darum, zu verstehen und vielleicht etwas Trost spenden zu können. „Dir wurde keine Chance gelassen.“, bemerkte sie, während sie die Augen auf das Meer gerichtet hielt. „Jedenfalls denke ich das…“, räumte sie sofort ein, dass das keine allgemeingültige Antwort sein würde. „Und auch jetzt bekamst du keine Chance.“, erinnerte sie ihn daran. „Darf ich dich etwas fragen?“, sprach sie und wandte den Kopf. „Warum nennst du Corax ‚Leidträger‘ ? Also… ich verstehe grundsätzlich, die Bezeichnung aber… ist es nicht besser, ihn nicht immer daran zu erinnern, dass er einen Umhang aus Leid hat? Das angehäufte Leid von ihm selbst und anderen? Ich meine… Corax hat es doch verdient, dass er nicht immer daran erinnert wird – oder?“, fragte sie frei ihre Gedanken aussprechend. Sie tadelte Kjetell’o nicht oder sprang für Corax vehement in die Bresche. Aber sie wollte es verstehen. Gab es einen weiteren Sinn dahinter? Einen Moment ließ Madiha die Zeit verstreichen, bevor sie weitersprach und ihm für ihren Unterricht dankte. "Ich werde dich natürlich weiter unterrichten, Madiha. Ich habe dir bereits gesagt, dass ich großes Potenzial in dir sehe. Immenses Potenzial! Natürlich möchte ich weiterhin derjenige sein, der es zu fördern versucht, es wachsen und sich entfalten sieht. Aber ... bei all deinem Talent ..." Madiha lächelte scheu. „Danke..“, flüsterte sie. Im Grunde schmeichelte er ihr aber er übte auch unbekümmert Druck aus, dass sie mit diesem Potenzial auch das richtige anstellte. Madiha verlor für einige Atemzüge die Zuversicht, fand sie allerdings doch schnell wieder. „Ja?“, hakte sie nach, als er zögerte.

"Ilmengard, diese emsige kleine Biene von einer Heilerin, hat dir zum Abschied etwas zugerufen. Einen Drachen finden?", sprach er, nachdem er ihr den Umhang überlassen und die Galionsfigur erklettert hatte. Madiha drehte sich ihm zu und lehnte sich mit einem Arm auf die Reling. Sie nickte leicht auf seine Frage hin. „Ich … habe es nicht gänzlich verstehen können, aber ich glaube sie sagte etwas von… helfen?“ Madiha schüttelte den Kopf. „Unsinn… ich fürchte es gibt einen Drachen, der auf der anderen Seite kämpft…“ "Einen richtigen Drachen? Hast du denn schon einmal mit einem Drachen zu tun gehabt? Weißt du wenigstens, welcher Art er ist? Nicht alle lassen mit sich reden und einige sind sogar sehr aggressiv. Wenn ... wenn die Gegenseite einen Drachen auf Sarma hetzt, wird es nicht nur für die Stadt brenzlig." Das Mädchen zog die Brauen zusammen und schüttelte nur hilflos den Kopf. „Nein… ich… ich wusste nicht mal, dass es Drachen wirklich gibt…“, ihre Kehle fühlte sich nun doch wieder etwas eng an. Sie senkte den Blick auf ihre Finger und pulte daran herum. "Hast du dir Gedanken gemacht, wie du dich im Zweifelsfall gegen einen Drachen verteidigen oder ihn auf magische Weise daran hindern willst, Menschen und Bauten zu zertrümmern?" Nun schnellte ihr Blick zurück zu ihm und sie stand auf einmal kerzengerade vor ihm, anstatt an der Reling zu lümmeln. Der Umhang war ihr viel zu groß, sodass sie darin etwas versank. „Ehm… nein.. ich…“, stammelte sie und fühlte sich ertappt. „Ich habe mir … leider keine Gedanken dazu gemacht“, schluckte sie und bemühte sich schleunigst eine Lösung zu finden. Sie hätte sich mal lieber darüber Gedanken machen sollen, statt nur dümmlich in der Gegend zu stehen! Madiha seufzte. "Ich erwarte keine Lösung von dir. ich bin nur daran interessiert, was in deinem Kopf vorgeht. Wie du die Lage analysierst und dich mit diesem Problem auseinandersetzt. Wie du planst, deine magischen Fähigkeiten mit einzubinden. Denn auch das ... ist Teil des Lernprozesses, damit umzugehen. Erzähl mir, was du dir vorstellst und vielleicht kann ich es dir bis zur Ankunft in Sarma beibringen.", versuchte er sie zu beschwichtigen. Vielleicht fiel ihm auf, dass sie sich sofort Sorgen machte. Madiha sah wieder zu Kjetell’o auf und zog die Brauen zusammen. Dann wandte sie ihm den Rücken zu, legte beide Hände auf die Reling und starrte auf das Meer.
Einen Moment lang blickte sie auf das Wasser und ließ ihre Gedanken vom Wind klären. Eigenartigerweise war das Wasser um sie herum nicht länger ein besorgniserregendes Problem. Bei ihrer Ankunft in der Akademie zu Andunie war sie noch leicht korrumpierbar. Aber seit Kjetell’o ihr sagte, sie sollte nicht dagegen kämpfen, sondern sich vom Wasser leiten lassen, fiel es ihr deutlich leichter, dem gegenteiligen Element standzuhalten.

„Es tut mir leid, ich habe nicht sehr große Vorstellung davon, was ich in der Lage bin zu tun…“, begann sie bereits wieder mit einer Entschuldigung, dass sie nicht sofort etwas parat hatte. Vermutlich würde es noch Jahre brauchen, bis Madiha aufhörte sich sofort unzulänglich zu fühlen. Dann aber hob sie den Kopf. Während sie den Blick auf das Wasser hielt, kam ihr ein Gedanke, den sie jedoch nicht recht greifen konnte. Sie runzelte die Stirn, blickte auf ihre Hände und zurück auf das Wasser. „Hitze und Wasser erzeugt Dampf, richtig?“, fragte sie plötzlich und wandte den Kopf halb über ihre Schulter. Der Gedanke reifte erst in ihr. Er war nicht fertig und doch sprach sie weiter: „Es gibt nicht sehr viel Wasser in Sarma… aber…. Aber Wasserdampf würde vielleicht die Sicht verstellen… er ist heiß und kann verbrühen… Manchmal schlimmer als die offene Flamme. Vielleicht wenn… wenn der Drachen angreift kann ich..“, sie schüttelte den Kopf und lachte nervös und kleinlaut. „Das ist dumm!“, winkte sie ab. Sie wandte sich Kjetell’o zu. „Ich kann wohl kaum eine ganze Stadt unter Wasserdampf verstecken!“, seufzte sie und kratzte sich verlegen an der Wange. „Um ehrlich zu sein, bin ich völlig überfragt, wie ICH, ausgerechnet ich Sarma retten kann, Kjetell’o!“, gab sie plötzlich zu und trat auf den Elfen zu. „Ich… habe Ilmy nicht enttäuschen wollen und Caleb und Jivvin und… die Kinder. Und Corax… ich habe aber keinen Plan. Ich hoffe einfach, dass ich irgendetwas erreichen kann! Vielleicht solltest du mir lieber den Umgang mit einem Schwert oder Bogen beibringen… damit wäre ich wohl ein Bisschen nützlich!“, murmelte sie und ließ die Schultern hängen.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Montag 8. Juli 2024, 15:07

Caleb fügte sich wirklich sehr gut in das Bild eines Kapitäns. Ganz gleich, welche Mannschaft er unter sich hatte, er sah einfach Atem beraubend aus, wie er da im erhöhten Heckbereich am Ruder stand, schneidig in seinem dunkelblauen Seefahrermantel. Sogar den Dreispitz hatte er sich aufgesetzt, damit ihn jeder als Kapitän erkannte. Das weiße Hemd darunter wirkte etwas knitterig, hing vorn aus der dunklen Hose heraus und Madiha wusste genau, dass sich unterhalb seiner Kopfbedeckung das Haar schon widerspenstig in alle Richtungen löste. Doch gerade diese unvollkommenen Kleinigkeiten machten Caleb in ihren Augen so perfekt. Er fügte sich wie kein anderer in die Rolle des Kapitäns der Schattenmuräne ein. Und auch die Mannschaft zeigte sich als eingespieltes Team, das mit dem Schiff selbst verschmolzen zu sein schien. Es gab im Grunde nur zwei Personen, die aus der Menge herausstachen. Zum einen war das Madiha selbst - nicht nur, weil man ihr zwischen all den Dunklen die Sarmaer Herkunft einfach sofort ansah, sondern weil sie auch die einzige Frau an Bord zu sein schien. Alle Elfen ringsum schienen Männer zu sein, aber vielleicht irrte sie auch. Es gab schließlich noch sogenannte Mannsweiber, möglicherweise auch unter Dunkelelfen. Bisher fiel ihr jedoch keiner der Matrosen auf, bei dem sie nicht ein männliches Geschlecht zuordnen würde.
Die andere Person, die etwas aus dem Rahmen fiel, war Kjetell'o. Als Shyáner Waldelf hob er sich nun einmal ebenfalls vom Rest der Truppe ab. Dadurch, dass er im Moment den Bug mitsamt der Galionsfogur in Beschlag nahm, wurde dieser Umstand nur zusätzlich unterstrichen. Madiha beschloss, sich zu ihm zu gesellen. Ohnehin hatte sie noch Fragen an den Elfen. Außerdem wollte sie ihm das Gefühl geben, Willkommen zu sein. Er reiste nicht nur mit, um sie weiter zu unterrichten. Auch Kjetell'os Anwesenheit war mehr und das wollte sie ihm vermittlen. Dass sie sich diesbezüglich offenbar keine Sorgen zu machen brauchte, bewies der Elf, als er für die einladend den eigenen Umhang lupfte, damit sie ins Warme darunter kriechen konnte. So geschützt vor dem Fahrtwind und der nächtlichen Kälte ließ es sich an Deck immer noch aushalten.
Einen Moment standen sie da. Kjetell'o lehnte an der Reling und Madiha fand Zuflucht unter dem Stoff. Der Elf selbst strahlte außerdem ebenfalls eine angenehme Wärme aus, so wie sie wohl auch für ihn. Er genoss die Fahrt und ließ sich nichts über sein Innerstes anmerken. Trotzdem konnte Madiha aus seinen Worten bezüglich Corax heraushören, dass er mit dem Verlauf der Ereignisse kämpfte. Er mochte Corax, soviel stand fest. Und er schien froh, dass der rabenhafte Elf bei seiner Tochter zurückblieb, um sie zu beschützen. Mehr noch, die Perle hatte ihm und Madiha mitgeteilt, dass er sogar Azuras Ziehvater befreien wollen würde und erst wenn das Kleinod sich schwarz färben sollte, schwebte der Leidträger in ernster Gefahr.
"Warum nennst du Corax 'Leidträger'?" Kjetell'o wandte den Blick vom Meer ab, um Madiha stattdessen anzuschauen. In seinen eigenen Augen fand sie weder Verärgerung noch irgendeine andere negative Emotion, die auf Ablehnung hindeutete. Er erkannte, dass sie nur neugierig war und bedachte sie mit seinem grüngoldenen Geduldsblick, den nur er so beherrschte. "Also ... ich verstehe grundsätzlich die Bezeichnung, aber ... ist es nicht besser, ihn nicht immer daran zu erinnern, dass er einen Umhang aus Leid hat? Das angehäufte Leid von ihm selbst und anderen? Ich meine ... Corax hat es doch verdient, dass er nicht immer daran erinnert wird - oder?"
"Noch nicht", erwiderte Kjetell'o und klang ruhiger als das Meer selbst, obgleich die Wellen mittlerweile eher gemächlich gegen de Rumpf der Muräne schwappten. "Er muss lernen, all das Leid in etwas Gutes zu wandeln und solange ihm das nicht gelingt, kann ich ihn nicht anders nennen. Wenn es ihm gar nicht gelingt..." Er verstummte. Erneut beäugte er Madiha, dieses Mal durchaus kritisch. Er analysierte sie. Dann nickte er, ließ die Augen über die Umgebung huschen. Hier am Bug hatten sie ihre Ruhe. Niemand störte sie und niemand würde nun mithören, was er zu erzählen hatte. "Corax ist...", er nutzte nun tatsächlich einmal seinen richtigen Namen, "... besonders. Leider befinde ich mich nicht in Shyána Nelle oder an einem anderen Ort mit ausreichend Aufzeichnungen, um meine These zu festigen. Ich würde sie gern beweisen, aber es hängt auch so viel von ihm selbst ab." Kjetell'o drehte sich in seinem Umhang Madiha zu, bemerkte, dass er sich so nur verheddern würde und überließ ihr den Überwurf. Er löste sich daraus, um sich anschließend neben die Galionsfigur auf die Reling zu setzen. Madiha lehnte sich ihrerseits bequem an das Holz, noch immer eine Erklärung abwartend. "Madiha. Du kannst hoffentlich inzwischen einschätzen, wie viel Potenzial ich in dir sehe und wie sehr ich daran glaube, es wachsen zu lassen. Wir werden dich fördern und du wirst für menschliche Verhältnisse eine herausragende Feuermagierin werden. Das verspreche ich dir, solange du mit Eifer dabei bist." Er lehnte sich etwas zurück. Der Wind blies ihm um die Spitzohren, spielte mit den kleinen schwarzen Federn in seinem Haar. Kjetell'o schaute weit hinaus auf das Meer. Die Grenze zwischen Nachthimmel und Wasser war am Horizont nicht mehr zu unterscheiden. Dort wartete Schwärze auf sie alle. "Verglichen mit den Mächten, die im Leidträger schlummern, sind du uns ich nur einzelne Tropfen in seinem Ozean aus Magie. Und er beherrscht nicht nur eine Richtung. Im Grunde gar keine. Er hat sich die Schelmenmagie zu eigen gemacht und graue, sowie bunte finden einen fließenden Übergang in ihm. Ich würde sogar wagen zu behaupten, dass er auch Zugriff auf Feenmagie hätte - etwas, das für alle im Grunde unmöglich ist, die nicht selbst Feen oder Kobolde sind. Wie sich ein solches Potenzial in ihm sammeln konnte, weiß ich nicht, aber es lebt in ihm und die Farbe seiner Macht hängt stark von seiner Psyche ab." Mit einem Mal wurde Kjetell'o sehr ruhig. Seine Mimik war glatt, aber in seinen Augen spiegelte sich ernstes Unbehagen wider. "Wenn er sich in die falsche Richtung entwickelt, könnte er unser aller Untergang sein. Verstehst du, was ich damit sagen will? Deshalb erinnere ich ihn daran, dass er sein und das Leid anderer trägt. Er darf sich davon nicht erdrücken lassen und zum Ende Celcias werden. Er muss es tragen lernen, bis er auch in der Lage ist, vom Leid- zum Glücksträger zu werden. Sollte das aber gelingen..." Die elfischen Augen funkelten. Das Waldgrün darin spiegelte Hoffnung wider, wohingegen die goldenen Sprenkel geradezu vor Aufregung glitzerten. Kjetell'o strahlte plötzlich eine ungemeine Vitalität aus. So schauten nur jene, die tief in ihrem Inneren glaubten, was Corax so oft und gern prophezeite: Dass alles gut würde.
"Glaubst du an Götter, Madiha?", fragte der Elf plötzlich und lächelte sanft. Dann wischte er die Frage unbeantwortet und mit einem leichten Kopfschütteln beiseite. "Nein, es ist noch zu früh. Er ist bei weitem nicht soweit und ... ich habe keine Beweise. Ich werde aufhören, ihn Leidträger zu nennen, sobald er in der Lage ist, das Leid gegen Glück einzutauschen. Bis dahin ... hoffe ich, dass seine Gefühle zu Azura ihm Kraft geben. Und bis wir ihn wiedersehen, solltest auch du einiges dazugelernt haben. Der Unterricht wird auch an Bord des Schiffes fortgesetzt, wenn du möchtest sofort."
Dass Kjetell'o nun nicht von Madiha erwartete, Feuerbälle an Bord eines Schiffes zu verschießen, war schon vorab geklärt worden. Aber das Erlernen von Magie, ganz gleich welcher Richtung, erforderte auch einen theoretischen Part. Man musste ein Verständnis für sich und seine eigenen Kräfte aufbringen. Der Shyáner kombinierte die Sichtweise mit der Frage, wie Madiha sich vorstellte, in Sarma gegen einen waschechten Drachen vorzugehen. Ilmy hatte ihn schließlich erwähnt und offenbar beschäftigte es auch den Lehrmeister der Feuermagie.
Madiha hingegen hatte sich mit einer ganz anderen Information auseinanderzusetzen, ehe sie an ihre eigenen Kräfte denken konnte. "Ich ... ich wusste nicht mal, dass es Drachen wirklich gibt..."
"Damit bist du nicht allein", beruhigte Kjetell'o sie. "Gerade ihr Menschen mit der kürzeren Lebensspanne habt es schwerer. Außerdem waren die Drachen für lange Zeit von Celcias Oberfläche verschwunden. Das muss vor über zweihundert Jahren passiert sein. Ich selbst habe bis vor einigen Jahren auch keinen Drachen mit leibhaftigem Auge erblicken können. Dann verdunkelte sich der Himmel. Ich weiß nicht, ob das Ereignis bis zu Sarma durchgedrungen ist oder ob du überhaupt davon hast Notiz nehmen können. Ein Ritual verdunkelte den celcianischen Himmel und schickte schwarze Wolken über das Land, geschaffen von einem Schattenwesen äußerster Macht. Magier aus allen Ecken Celcias taten sich zusammen und suchten nach den Sagen umwobenen magischen Kristallen, die - einmal vereint - in der Lage sein sollten, die Wolkendecke zu durchbrechen. Tatsächlich gelang es einigen Tapferen auch. Das ist nun ebenfalls schon einige Jahre her und was aus den Kristallträgern wurde, wissen wohl nur ihre engsten Vertrauten. Fest steht aber, dass man seither auch wieder Drachen am Himmel, in den Gebirgshöhlen und den Tiefen der Wälder ausmachen konnte. Ich gebe zu, es reizt mich, möglicherweise einen von ihnen aus der Nähe zu sehen. Wenn es einer der intelligenteren Exemplare ist, sollte er sogar mit uns kommunizieren können." Kjetell'o ließ sich für eine Weile von seinen Träumen treiben. Er schloss die Augen und lehnte seinen Kopf an das längliche Maul der hölzernen Muräne in seinem Rücken. "Was würdest du einen Drachen fragen, wenn du die Möglichkeit hättest?", säuselte er und stellte sich wohl gerade selbst ein Gespräch mit einem der riesigen Geschuppten vor. Er schwieg daraufhin noch länger, so dass es Madiha sein musste, die die Stille nach einer Weile durchbrach. Sie war noch immer mit dem Gedanken beschäftigt wie sie neben der Invasion der dunklen Völker auch noch gegen einen Drachen auf ihrer Seite ankommen sollte. So sinnierte sie, ob man die Wüstenstadt nicht unter einer Kuppel magischen Wasserdampfes, erzeugt mit Meerwasser und ihrer Feuermagie, verbergen könnte. Plötzlich schüttelte sie jedoch den Kopf. "Das ist dumm!"
Kjetell'o öffnete die Augen und richtete sich leicht auf. Er musterte Madiha, die immer ratloser wurde.
"Um ehrlich zu sein, bin ich völlig überfragt, wie ICH, ausgerechnet ich, Sarma retten kann, Kjetell'o! Ich ... habe Ilmy nicht enttäuschen wollen und Caleb und Jivvin und ... die Kinder. Und Corax ... ich habe aber keinen Plan. Ich hoffe einfach, dass ich irgendetwas erreichen kann! Vielleicht solltest du mir lieber den Umgang mit einem Schwert oder Bogen beibringen ... damit wäre ich wohl ein bisschen nützlich!"
Der Elf setzte sich nun gänzlich auf, rutschte anschließend von seinem gemütlichen Platz an der Reling zurück hinter jene und an Deck. Er legte Madiha kurz die Hand auf die Schulter, um sie aus ihrem Sorgentaumel zu reißen und ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. "Meinst du in etwa so?" Schon streckte er seinen linken Arm nach vorn und schloss die Finger wie um einen unsichtbaren Griff. Mit der rechten Hand spannte er eine Sehne, die nicht vorhanden war, denn Kjetell'o hielt keinen Bogen. Und trotzdem flammte vor seinen Fingern plötzlich ein magisches Feuer auf. Es flackerte minimal, ehe es sich zu einem perfekten Pfeil formte. Statt des Gefieders, das seinen Flug leiten würde, züngelten hellere Flammen an seinem unteren Ende. Die Spitze des magischen Pfeils glühte weiß, so heiß musste der Scheitelpunkt dort sein. Dann ließ Kjetell'o los und Madiha glaubte, sogar das Schnalzen der Sehne zu hören. Mit einem gleißenden Schweif aus sprühenden Funken schoss der Feuerpfeil über die Meeresoberfläche hinweg und hinein in die Ferne Schwärze. Man konnte ihn gerade noch so als rotweißes Glühen erkennen, da explodierte er in einem Funkenregen, der über dem Meer niederging. Vom Mast der Muräne, das das Krähennest besaß, kamen Rufe.
"Schon gut!", brüllte Kjetell'o mit kräftiger Stimme zurück. Er wollte keinen Alarm schlagen. "Feuermagie-Übung!" Seine Worte wurden von anderen Matrosen weitergetragen, bis die gesamte Mannschaft offenbar Bescheid wusste, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gab. Kjetell'o aber widmete sich wieder Madiha. "Oder bevorzugst du das Schwert? Dazu bräuchte ich ein normales. Feuermagie können die Schneide brennen lassen, allein das schreckt schon viele Feinde ab, dich anzugreifen. Aber auch ich kann nur schwer mit einem Schwert umgehen." Er schmunzelte, ehe er sich zu Madiha herab neigte. Nun legte er ihr beide Hände auf die Schultern. "Denk nicht wie eine Soldatin oder eine Heldin aus Geschichten, die unmöglich wahr sein können. Das bist du nicht. Niemand erwartet von dir, dass du dich kämpferisch auf Dunkelelfen oder sogar Drachen stürzt, um eine Stadt zu verteidigen. Oder genauer: ich erwarte es nicht." Er schaute ihr tief und eindringlich in die Augen. Seine eigenen glühten wieder, dass sein gesamter Iridenwald zu brennen schien. "Du bist Feuermagierin. In dir schlummert das Privileg, Probleme jenseits von Klinge und Wort anzugehen. Sei kreativ - so wie mit dem Wasserdampf! Das war keine dumme Idee, sondern ein erster Ansatz. Setz dir nur Grenzen, die den Einsatz deiner eigenen Magie verhindern mögen. Sei kreativ! Wir Feuermagie können das Zünglein an der Waage sein, wenn wir es klug anstellen. Lerne, außerhalb der kleinen Schachtel zu denken, in die nichtmagische Geschöpfe gestopft werden. Du brauchst kein Schwert, du brauchst keinen Bogen." Er schob seine Hand auf Madihas Herz und sie konnte fühlen, wie magische Wärme von seiner Handfläche aus in sie selbst überging, um ihr Herz anzustacheln. "Wir sind hinreichend ausgestattet. Alles, was du noch brauchst, Madiha, ist eine Prise Mut und die nötige Übung. Sag mir, was ich dir beibringen soll. Wenn du Wasserdampf in der Größe einer Stadt erzeugen willst, dann versuchen wir genau das. Genug Material ist vorhanden." Sein Blick glitt erneut über das Meer. Der Shyáner lächelte. "Ich war lange nicht mehr so aufgeregt", sagte er mit seiner unvergleichlichen Geduld und inneren Ruhe, als könnte nicht einmal ein Berg die Oberfläche seines Sees aus Frieden stören, wenn man ihn hinein warf.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 9. Juli 2024, 21:32

Ruhig erwiderte Madiha den grüngoldenen Blick des Elfen, nachdem sie ihn nach Corax gefragt hatte. Madiha fielen manche Dinge auf, während andere darüber hinwegsahen. Wer im Hintergrund stand hatte meist eine gute Position, um sich viele Dinge zu betrachten. Das Mädchen aus Sarma aber war schlicht neugierig und stellte ihre Fragen, wenn sie das Gefühl bekam, dass sie jene stellen durfte. Bei Kjetell’o wusste sie natürlich noch nicht, ob sie wirklich so kühn sein durfte, aber sie hegte zumindest nichts Schlechtes. Sie wollte es nur verstehen. Das Leben verstehen. "Noch nicht", räumte er ein, nachdem sie fragte, ob Corax es nicht verdient hätte, wenn er nicht immer an das Leid erinnert werden würde. Ihre Stirn runzelte sich für einen Moment. Sie brauchte mehr Erklärung und der Elf war bereit, ihr diese zu geben. "Er muss lernen, all das Leid in etwas Gutes zu wandeln und solange ihm das nicht gelingt, kann ich ihn nicht anders nennen. Wenn es ihm gar nicht gelingt..." Sie hob die Augenbrauen an, während sie sich von ihm prüfen ließ. Sie folgte seinem Blick als er die Umgebung zu prüfen schien. Scheinbar wollte er nicht, dass jemand anderes mithörte. Was Madiha nur noch neugieriger machte. "Corax ist besonders. Leider befinde ich mich nicht in Shyána Nelle oder an einem anderen Ort mit ausreichend Aufzeichnungen, um meine These zu festigen. Ich würde sie gern beweisen, aber es hängt auch so viel von ihm selbst ab." Sie schnaubte lächelnd. „Was willst du noch beweisen? Natürlich ist er besonders…“, pflichtete sie so selbstverständlich bei, dass sie ein wenig über Kjetell’o lächelte. Dass er viel höhergesteckte Theorien verfolgte, ahnte sie ja nicht. Für Madiha waren die Dinge immer noch recht einfach. Ihr Geist war nie viel mit Wissen gefüttert worden, auch wenn sie scheinbar ein untrügliches Gespür für Situationen besaß. Dennoch wusste Madiha viel zu wenig über die Welt und wie sie funktionierte. "Madiha. Du kannst hoffentlich inzwischen einschätzen, wie viel Potenzial ich in dir sehe und wie sehr ich daran glaube, es wachsen zu lassen. Wir werden dich fördern und du wirst für menschliche Verhältnisse eine herausragende Feuermagierin werden. Das verspreche ich dir, solange du mit Eifer dabei bist." Sie wurde rot unter seinen Worten, behielt aber den Blick auf ihm. Ihr fielen die feinen Schmuckdinge auf und für einen Moment beobachtete sie schweigend. „Es schmeichelt mir, dass du so von mir denkst. Ich kann aber nur versprechen, fleißig zu lernen…“, relativierte sie ein wenig. Wobei sie das Lernen wirklich ernst meinte. Madiha war schon immer sehr wissbegierig und Kjetell’o würde keine große Mühe haben, sie zum Lernen zu bewegen. "Verglichen mit den Mächten, die im Leidträger schlummern, sind du uns ich nur einzelne Tropfen in seinem Ozean aus Magie. Und er beherrscht nicht nur eine Richtung. Im Grunde gar keine. Er hat sich die Schelmenmagie zu eigen gemacht und graue, sowie bunte finden einen fließenden Übergang in ihm. Ich würde sogar wagen zu behaupten, dass er auch Zugriff auf Feenmagie hätte - etwas, das für alle im Grunde unmöglich ist, die nicht selbst Feen oder Kobolde sind. Wie sich ein solches Potenzial in ihm sammeln konnte, weiß ich nicht, aber es lebt in ihm und die Farbe seiner Macht hängt stark von seiner Psyche ab. Wenn er sich in die falsche Richtung entwickelt, könnte er unser aller Untergang sein. Verstehst du, was ich damit sagen will? Deshalb erinnere ich ihn daran, dass er sein und das Leid anderer trägt. Er darf sich davon nicht erdrücken lassen und zum Ende Celcias werden. Er muss es tragen lernen, bis er auch in der Lage ist, vom Leid- zum Glücksträger zu werden. Sollte das aber gelingen..."

Madiha hörte ernst zu. Sie wusste nicht, dass es niemanden wie Corax geben sollte, doch was Kjetell’o ihr sagte, klang aufregend und besorgniserregend. "Glaubst du an Götter, Madiha?" Sie schnaubte aus einem ehrlichen Impuls auf. Madiha wandte den Blick ab von den ungewöhnlichen Augen und schüttelte den Kopf. „Wenn ja, muss ich sie äußerst verärgert haben, nicht wahr?“, brummte sie, doch dann seufzte sie gleich und es tat ihr leid, so verbittert gewesen zu sein. Sie wandte den Kopf. „Caleb sprach davon, dass er Ventha begegnet sei… Dass er sie wahrhaftig gesehen hätte. Ich weiß, dass Lysanthor in Sarma verehrt wird. Aber… ich selbst hatte nie die Gelegenheit mir darüber überhaupt Gedanken zu machen. Ich… denke, sie existieren. Ob wir an sie glauben oder nicht… Wieso?“, hob sie fragend die Schultern. "Nein, es ist noch zu früh. Er ist bei weitem nicht soweit und ... ich habe keine Beweise. Ich werde aufhören, ihn Leidträger zu nennen, sobald er in der Lage ist, das Leid gegen Glück einzutauschen. Bis dahin ... hoffe ich, dass seine Gefühle zu Azura ihm Kraft geben. Und bis wir ihn wiedersehen, solltest auch du einiges dazugelernt haben. Der Unterricht wird auch an Bord des Schiffes fortgesetzt, wenn du möchtest sofort." Die Dunkelhaarige betrachtete Kjetell’o einen Moment schweigsam. „Ich hoffe, er findet seine Stärke in sich selbst…“, murmelte sie hier auch eher die Antwort, als sie ihm wirklich und gestärkt vorzutragen. So, wie sich Azura verhalten hatte, wünschte sie Corax insgeheim mehr als das…Und sie zweifelte, ob Azura wirklich soweit war, um Corax das Leid nehmen zu können… Aber Madiha kannte auch ihren Platz. Sie war nicht überheblich oder gar gehässig. Sie schwieg dazu und würde auch nicht viel mehr sagen. Ohnehin wechselte der Waldelf das Thema und sie lauschte plötzlich der Geschichte der Drachen. Gebannt hing sie an seinen Lippen und starrte Kjetell’o dabei an. "Gerade ihr Menschen mit der kürzeren Lebensspanne habt es schwerer. Außerdem waren die Drachen für lange Zeit von Celcias Oberfläche verschwunden. Das muss vor über zweihundert Jahren passiert sein. Ich selbst habe bis vor einigen Jahren auch keinen Drachen mit leibhaftigem Auge erblicken können. Dann verdunkelte sich der Himmel. Ich weiß nicht, ob das Ereignis bis zu Sarma durchgedrungen ist oder ob du überhaupt davon hast Notiz nehmen können. Ein Ritual verdunkelte den celcianischen Himmel und schickte schwarze Wolken über das Land, geschaffen von einem Schattenwesen äußerster Macht. Magier aus allen Ecken Celcias taten sich zusammen und suchten nach den Sagen umwobenen magischen Kristallen, die - einmal vereint - in der Lage sein sollten, die Wolkendecke zu durchbrechen. Tatsächlich gelang es einigen Tapferen auch. Das ist nun ebenfalls schon einige Jahre her und was aus den Kristallträgern wurde, wissen wohl nur ihre engsten Vertrauten. Fest steht aber, dass man seither auch wieder Drachen am Himmel, in den Gebirgshöhlen und den Tiefen der Wälder ausmachen konnte. Ich gebe zu, es reizt mich, möglicherweise einen von ihnen aus der Nähe zu sehen. Wenn es einer der intelligenteren Exemplare ist, sollte er sogar mit uns kommunizieren können."
„Ist das wirklich wahr?“, flüsterte Madiha gebannt. Sie lauschte Kjetell’o mit einer solchen Neugierde, dass sie gar nicht merkte, wie sie immer nähergetreten war. Sie hing an seinen Lippen, als wäre er der beste Märchenerzähler weit und breit und hielt nicht hinter dem Berg, dass es sie brennend interessierte, was er zu berichten wusste. „Warst du schon mal woanders? Ich meine… du erwähntest vorhin einen Ort… Shanana Bell?“, fragte sie und runzelte die Stirn, weil es zwar ähnlich geklungen hatte aber nicht richtig schien. Sie erinnerte sich aber nicht an den richtigen Namen.

„Ist das deine Heimat? Wie… wie ist es dort?“, wollte sie nun wissen und blickte Kjetell’o mit so viel Neugierde an, wie sie in sich finden konnte. Einen Moment war es, als schwelgten beide in einer Traumwelt, ehe der Shyáner ihr eine Frage stellte: "Was würdest du einen Drachen fragen, wenn du die Möglichkeit hättest?" Madiha blinzelte. Sie richtete den Blick für einen Moment auf den Horizont, der Dunkel und scheinbar unerreichbar vor ihnen lag. „Warum sie sich versteckt halten…“, antwortete sie daraufhin und hob die Schultern an. „Wollen sie nichts mit uns anderen zu tun haben? Haben sie Angst? Wenn sie so mächtig sind… wieso bevölkern sie nicht diese Welt und erinnern uns daran, wie majestätisch sie sind?“ Kjetell’o führte sie an ein anderes Thema heran, das heikel zu werden drohte. Sie wusste nicht, was sie in Sarma überhaupt tun sollte. Nichts davon fühlte sich an, wie ein Plan. Sie hatte überhaupt keinen. Madiha glaubte schon, dass es besser wäre, wenn er sie schlicht in der Kunst der Waffenkunde unterrichtete. "Meinst du in etwa so?" Sie blickte auf. Plötzlich vollführte er eine Bewegung, die augenblicklich einen brennenden Bogen erzeugte. Madiha klappte der Mund auf. Sie starrte auf die Magie, die sich vor ihren Augen zu einem Bogen spannte und schließlich gar einen brennenden Pfeil abschoss. Das Mädchen verfolgte die Flugbahn vollkommen beeindruckt. Sie kriegte ihren Mund vor Staunen nicht mehr zu. "Oder bevorzugst du das Schwert? Dazu bräuchte ich ein normales. Feuermagie können die Schneide brennen lassen, allein das schreckt schon viele Feinde ab, dich anzugreifen. Aber auch ich kann nur schwer mit einem Schwert umgehen." Dann legte er ihr die Hände auf ihre Schultern, aber Madiha starrte Kjetell’o nur ehrfürchtig an. Ihr Graublau zuckte über seine Züge, verlor sich im Grün mit den goldenen Sprenkeln. „Das war… beeindruckend…“, japste sie und ließ keinen Zweifel daran, wie sehr sie von dem Elfen gerade angetan war. "Denk nicht wie eine Soldatin oder eine Heldin aus Geschichten, die unmöglich wahr sein können. Das bist du nicht. Niemand erwartet von dir, dass du dich kämpferisch auf Dunkelelfen oder sogar Drachen stürzt, um eine Stadt zu verteidigen. Oder genauer: ich erwarte es nicht." Sie schluckte und nickte fast schon etwas verträumt. „Aber damit… könnte ich es…“, wisperte sie. Madiha hatte seine Vorstellung wirklich nachhaltig beeindruckt.
"Du bist Feuermagierin. In dir schlummert das Privileg, Probleme jenseits von Klinge und Wort anzugehen. Sei kreativ - so wie mit dem Wasserdampf! Das war keine dumme Idee, sondern ein erster Ansatz. Setz dir nur Grenzen, die den Einsatz deiner eigenen Magie verhindern mögen. Sei kreativ! Wir Feuermagie können das Zünglein an der Waage sein, wenn wir es klug anstellen. Lerne, außerhalb der kleinen Schachtel zu denken, in die nichtmagische Geschöpfe gestopft werden. Du brauchst kein Schwert, du brauchst keinen Bogen." Seine Berührung ließ Madiha schlucken. Sie fühlte sich ein wenig verwirrt und somit schlug ihr Herz bedeutend schneller. Die Wärme half ihr zwar nicht, sich zu beruhigen, aber sie ließ sie wieder einen etwas klareren Gedanken fassen. Sie schloss die Augen und atmete durch. "Wir sind hinreichend ausgestattet. Alles, was du noch brauchst, Madiha, ist eine Prise Mut und die nötige Übung. Sag mir, was ich dir beibringen soll. Wenn du Wasserdampf in der Größe einer Stadt erzeugen willst, dann versuchen wir genau das. Genug Material ist vorhanden." „Ich möchte einfach alles lernen.“, gestand sie ihm und ihr Blick wanderte glitzernd und voller Eifer ebenfalls zur Seite. Madiha stand an der Reling und spürte bewusst den rauen Wind. „Du hast mir gesagt“, holte sie tief Luft, „dass ich aufhören soll, mich gegen das andere Element zu wehren. Wenn ich nun…lernen würde, wie der Wind mein Feuer zu einem Flächenbrand macht oder der Sandsturm zu einer Feuersbrunst würde… wenn Wasserdampf aufsteigt oder das Wasser zu kochen beginnt… Wenn ich lernen würde, die Umgebung einzubeziehen und nicht alles ausschließlich aus mir zu beschwören… sollte ich dann unter Umständen nicht in der Lage sein, mehr Magie zu wirken? Du formst aus dem Nichts einen Bogen und …“, ihre Wangen glühten. „Kann ich alles aus Feuer erschaffen? Kann ich… kann ich es versuchen?“, wollte sie daraufhin wissen und schaute auf ihre Hände. Madiha stellte sich vor, dass sie aus dem ihr innewohnenden Feuer etwas formen könnte. Vielleicht etwas Kleines… etwas, das in ihre Hand passen würde. Kjetell’o hatte ihr einige Formen zu Beginn gegeben, die sie üben sollte. Sie überlegte. Daraufhin stellte sie sich einen Dolch vor, den sie nach und nach mit Feuer erschaffen wollte. Es war nur ein Test, ein Versuch, ob sie grundsätzlich in der Lage dazu war. Darauf würde sie aufbauen wollen und sich voller Eifer und mutig ans Werk machen, um etwas zu finden, dass sie wirklich einsetzen konnte. Der Waldelf aber wurde Zeuge von Madiha’s innerer Neugierde, die sie viele Jahre verstecken musste. Sie wusste nicht mal, ob Kjetell’o wusste, welche Schicksal sie zuvor gelebt hatte, aber sie zeigte ihm sichtlich, dass seine Demonstration ihre Fantasie beflügelte.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 10. Juli 2024, 17:42

Kjetell'o Aschwurz hatte sich Madiha als Lehrer angeboten. Zwar bezog sich das eigentlich auf die Feuermagie, aber vielleicht würde er ihr auch darüber hinaus Wissen vermitteln wollen. Sie brauchte nur zu fragen und dass sie es tun konnte, erkannte sie schnell. Ohne Umschweife, mit der ihm vertraut gewordenen Geduld, stand der Elf ihr sofort zu Corax Rede und Antwort. Er schien seinerseits interessiert zu sein, das Band zwischen Lehrmeister und Schülerin zu festigen. Nicht umsonst lobte er ihr feuermagisches Potenzial immer wieder. Doch jetzt war er auch bereit, ihr Informationen anzuvertrauen, die andere nicht so schnell von ihm erfahren würden - vielleicht sogar niemals.
Trotzdem schaffte der Elf nicht so viel Klarheit wie sie sich es gewünscht haben mochte. Sie erfuhr den Grund, warum er Corax weiterhin nur den Leidträger nannte, aber ob Madiha sich einen Reim darauf machen konnte. Sie sah in ihrem dunkelelfischen Freund etwas Besonderes, schon immer, aber ihr Blick unterschied sich eindeutig von dem, den Kjetell'o auf ihn hatte. Er schien in Corax mehr zu sehen und es war offenbar gewaltig. Wenn jener sich in die falsche Richtung entwickelte, prophezeite Kjet sofort den Untergang ganz Celcias. Es blieb zu hoffen, dass er an Azuras Seite keinen Abgrund betrat. Madiha hatte diesbezüglich durchaus Bedenken, aber ihr blieb jetzt nichts Anderes übrig als auch darauf zu vertrauen, dass Corax stark genug war, es durchzustehen. Sie hoffte ihrerseits nicht auf Azuras Unterstützung, sondern darauf, dass Corax diese Kraft in seinem Inneren fand. Bei ihr funktionierte es. Madiha war ohnehin offener dafür, ihr Glück und Schicksal in die eigenen Hände zu legen. Sie vertraute hierbei nur bedingt auf andere - Caleb war die heilige Ausnahme - noch glaubte sie so innig an die Götter, als dass sie sich in einer Notsituation an sie gewandt hätte. Caleb hingegen...
"Caleb sprach davon, dass er Ventha begegnet sei ... Dass er sie wahrhaftig gesehen hätte. Ich weiß, dass Lysanthor in Sarma verehrt wird. Aber ... Ich selbst hatte nie die Gelegenheit mit darüber überhaupt Gedanken zu machen. Ich ... denke, sie existieren. Ob wir an sie glauben oder nicht ... Wieso?"
"Glaube ist wichtig", sinnierte Kjetell'o ein wenig philosophisch und ohne Madiha anzuschauen. Sein Blick war immer noch dem Meer zugewandt. "Jedenfalls für jegliche Gottheit. Stell dir vor, alle würden Ventha einfach vergessen ... sie würde vergehen, ungehört. Andererseits könnten doch auch neue Götter entstehen, wenn sich nur genug finden, die einen tiefen Glauben an sie haben." Er gluckste amüsiert, winkte ab und schüttelte den Kopf. Doch dann schickte er mit einem flüchtigen Blick in Madihas Richtung noch hinterher: "Ich möchte lieber an das Glück dieser Welt glauben, anstelle nur dem Leid eine Bühne zu bieten." Erneut winkte er ab. Das Thema war damit für ihn durch. Doch seine Weise, Dinge zu sehen und etwas von Celcia zu erzählen, zogen Madiha in ihren Bann. Kjetell'o entpuppte sich allein schon durch seine reichere Menge an Erfahrung als ein guter Lehrer, denn er konnte ihr auf diese Weise viel von einer Welt vermitteln, die ihr noch so fremd war ... und so aufregend.
Madiha erfuhr von jüngsten historischen Ereignissen Celcias und wie die Drachen zurück in diese Welt gelangt waren. Dass dabei gleich noch eine vollkommen neue Jahreszeit geschaffen worden war - die Zeit der dunklen Tage - fiel ein wenig unter den Tisch, aber es gab so vieles zu erzählen. Zuerst wollte sie von den Drachen wissen. Gleichzeitig lauschte Madiha aber auch gebannt der Erzählung über die Kristallträger und wie es ihnen gelungen war, mit gebündelter Magie Celcia zu retten. Sie konnte kaum glauben, dass es wirklich passiert war. In Sarma selbst hatte sie davon eigentlich nichts mitbekommen, nicht einmal von einer Zeit, in der der Himmel dunkler war. Vor Jahren noch war ihre ganze Welt dunkel, kalt und verzweifelt gewesen. Sie hatte sich durchgebissen und nur den nächsten Tag im Blick gehabt. Die Pflichten erfüllen, die Schrecken überstehen. Überleben war zu dieser Zeit alles gewesen, was sie ausmachte. Und jetzt durfte sie mit jemandem auf einem Schiff reisen, der ihr Herz im Sturm erobert hatte. Sie durfte all das sehen, was Khasib und Abbas ihr vorenthalten hatten. Sie durfte lernen. Und sie wollte alles erfahren!
"Warst du schon mal woanders? Ich meine ... du erwähntest vorhin einen Ort ... Shanana Bell?" Kjetell'o konnte ein Lachen nicht unterdrücken, aber es klang herzlich und nicht spottend. Außerdem beschenkte er Madiha mit einem so milden Blick, dass sie sich durch die Reaktion nicht eingeschüchtert oder verlacht fühlen musste. "Ist das deine Heimat? Wie ... wie ist es dort?"
Der Elf deutete mit einem Fingerzeig an, dass sie es sich bequem machen sollte. Er würde ihr nun wohl einiges erzählen, aber sie hatten Zeit dafür. Er selbst richtete ein wenig seine Kleidung. Nein, er griff sich an die Brust, wo seine Schlüsselbeine fast aufeinandertrafen. Doch dann stutzte er, lachte erneut und deutete auf Madiha. "Du trägst den Umhang ja und nicht ich! Schau dir die Fibel an, die den Stoff zusammenhält. Löse sie ruhig, wenn du willst." Es handelte sich um eine Schnitzerei aus hellem Holz. Sie war an sich schlicht, weder farblich angestrichen worden, noch durch irgendwelche Schmucksteinchen verziert. Ein STück Holz, aus dem man den Kopf eines Pferdes geschnitzt hatte. Zumindest würde es für Madiha auf den ersten Blick wie ein Pferd erscheinen. Aber sie war aufmerksam und so fiel ihr sicherlich auch schnell das verdrillte Horn auf, das man dem Tier auf die Stirn gepackt hatte.
"Das Einhorn ist das Symboltier meiner Heimat, Shyána Nelle ... oder Shýana Nelle für alle, die das elfische Lyrintha nicht sprechen können." Der Name hörte sich ähnlich an, aber das Elfische verpasste ihm einen warmen, geradezu zauberhaften Klang, der auch sprachlich die Unterschiede zwischen Menschen und Elfen hervorhob so wie es ihre unterschiedliche Optik schon schaffte.
"Shyána Nelle ist eine Talsenke inmitten eines grünen Harax der Tropen. Keine Angst, Dämonen existierten dort nicht, wohl aber Bestien von gigantischem Ausmaß. Schlangen größer als Häuser und Insekten, die lieber dich verputzen als den Nektar der zahllosen Blüten. Der Urwald Kapayu umgibt meine geliebte Heimat wie die Arme einer Mutter ihr Kind. Er ist auf seine Weise schön, aber gefährlich. Shyána, die Elfenstadt inmitten der Senke von Shyána Nelle jedoch ist ein wahres Paradies." Kjetell'o lehnte sich zurück. Erneut blickte er in die Ferne, um sich an all das Schöne zu erinnern, das er mit seiner Heimat zurückgelassen hatte. "Nirgends sind die Bäche und Seen so klar. Du kannst bis weit auf den Grund sehen und kaum ein Fisch flieht vor dir, wenn du zu ihnen ins Wasser steigst. Es gibt zauberhafte Alleen aus wilden Pinien, die durchaus auch mit den andunischen Ziergärten konkurrieren könnten. Hach, nein, könnten sie nicht. Shyána würde immer gewinnen. Wie haben saftige Wiesen, die in den milderen Jahreszeiten zu bunten Blütenmeeren werden. Unsere Architektur entspringt einem elfischen Traum. Keines unserer Häuser ist vergleichbar mit etwas, das ich im übrigen Celcia gesehen habe ... und ja, ich bin weit gekommen. Ich war lange Zeit als fahrender Händler unterwegs", erklärte er, kehrte dann aber zur Umschreibung seiner Heimat zurück. "Seit Jahrhunderten werden wir von einer Königsfamilie regiert, aktuell sitzt unsere geliebte Königin aber allein auf dem Thron, doch sie ist gerecht und gut. Und so schön wie der Palast, in dem sie lebt! Wir haben Heilhäuser, die auch für deine Freundin Ilmengard interessant sein könnten. Dort werden magische und nichtmagische Methoden gelehrt, Patienten versorgt, die andernorts schon aufgegeben wurden. Und ... in Shyána kannst du nahezu jede Richtung der Magie erlernen, abgesehen von den dunklen. Es gibt viele Meister, die um Weiten besser sind als ich und von denen selbst ich noch einiges lernen könnte." Er wandte den Kopf um, schaute zum Heckbereich, wo Caleb noch immer bei seinen Leuten am Ruder stand. "Diebe wie Caleb gibt es dort nicht. Niemand würde einen anderen in Shyána bestehlen. Es wird ... mit den Jahrzehnten recht langweilig dort." Er lachte auf. "Aber ich habe noch viele andere Orte Celcias gesehen. Königreiche, die einander feindlich gegenüberstehen, eine Stadt nur für Frauen - ich durfte mich ihr nicht wirklich nähern und musste eine Botschafterin von meinem Handelsschiff ausschicken. Oh und es gibt an der südwestlichen Küste Celcias ein Land, das dem von Sarma zumindest dem Wetter nach ähnelt. Santros würde dir gefallen. Einmal durfte ich auf einem Maskenball umher schleichen. Es ist ein wahres Erlebnis. Wusstest du, dass es auch Elfen gibt, die in einer Welt leben, welche Sarmas Gegenteil darstellt? Es ist so kalt, dass das ganze Land in weißem Schnee liegt. Weißt du, was Schnee ist?"
Da Kjetell'o kein Wassermagier war, konnte er Madiha nun keinen Schnee demonstrieren. Caleb hatte ihr versprochen, ihr eines Tages welchen zu zeigen. Vielleicht wenn Sarma gerettet wäre. Vielleicht könnte sie dann Elfen im Schnee besuchen oder die Königreiche, das Land der Frauen oder Sarmas Schwesternland Santros. Alles klang verlockend und Madiha wollte sich nur zu gern ein eigenes Bild machen, um sich verzaubern zu lassen. Wo es jedoch ein Ausflug in ferne Länder gerade nicht möglich machte, schaffte es ein magisch abgeschossener Feuerpfeil. Denn jenen konnte Kjetell'o ihr zeigen und die Schülerin daran erinnern, dass es keinen Grund gab, an ihren Fähigkeiten zu zweifeln. Die Magie steckte in ihr und nur ihre Kreativität wäre das Hindernis. Alles andere ließe sich mit genug Übung bewältigen, so die Worte des Elfen. Er schlug ihr sogar vor, sich etwas auszusuchen, was sie nun aus eigener Zauberkraft schaffen wollte. Er würde ihr dabei helfen. Madiha schloss die Augen, atmete durch und suchte in ihrem Inneren nach einer Antwort. So wie Kjetell'o an sie glaubte, könnte sie wohl jeglichen Wunsch äußern ... und sie müsste sich nicht scheuen, es zu tun. Ihr Lehrer war geduldig und verständnisvoll. Genau das, was jemand wie Madiha brauchte, um ihre Knospen zu entfalten und zu erblühen. So lachte er auch nicht, als sie zunächst antwortete, einfach alles lernen zu wollen. "Wir sollten mehr ins Detail gehen", riet er ihr lediglich und Madiha überlegte erneut.
"Du hast mir gesagt, dass ich aufhören soll, mich gegen das andere Element zu wehren." Kjetell'o nickte, unterbrach sie aber nicht. "Wenn ich nun ... lernen würde, wie der Wind mein Feuer zu einem Flächenbrand macht oder der Sandsturm zu einer Feuersbrunst würde ... wenn Wasserdampf aufsteigt oder das Wasser zu kochen beginnt ... Wenn ich lernen würde, die Umgebung einzubeziehen und nicht alles ausschließlich aus mir zu beschwören ... sollte ich dann unter Umständen nicht in der Lage sein, mehr Magie zu wirken?"
"Du machst dir direkt Gedanken, die Umgebung einzubeziehen?" Kjetell'o zeigte sich offen überrascht, aber nicht abgeneigt. Er musterte Madiha mit wachsender Faszination. Er studierte sie, als reichte ihr bloßer Anblick aus, ihm Aufschluss über ihre Fähigkeiten zu geben. Dann zuckte er mit den Schultern. "Du hast dich bereits Fremdfeuer bedient. Das war bereits die Nutzung der Elemente, die nicht deiner Magie und deinem Inneren entspringen", erklärte er. "Aber das Feuer konntest du dabei teilweise kontrollieren. Trotzdem musstest du es mit Vorsicht bändigen, nicht wahr? Nun, das mag funktioniert haben, eben weil du selbst feuermagisch begabt bist. Elemente jenseits deines eigenen sind schwieriger einzubinden. Du kannst sie nämlich nicht kontrollieren und das Gegenelement - in deinem Fall Wasser - wird sich am meisten sträuben. Man müsste schon mehrere Magie-Richtungen beherrschen, um auch mehrere Elemente zu kontrollieren." Wieder zuckte er mit den Schultern. "Aber das ist nicht einmal den Elfen in so gängiger Weise gelungen, als dass man es für normal hält. Verstehe mich nicht falsch!" Seine Augen weiteten sich etwas und die goldenen Sprenkel funkelten derart von seinem Inneren Feuer, dass sein Blick an Glühwürmchen im Unterholz erinnerte. In der nächtlichen Dunkelheit war es ein faszinierender Anblick. "Sie existieren, die Magier, welche mehr als eine Richtung in sich tragen. Die wenigsten beherrschen sie und ich rate davon ab, es bewusst erlernen zu wollen. Theoretisch sollte es gehen, kostet aber mehr Zeit und nicht jeder meistert überhaupt erst eine Magie-Art. Solche Persönlichkeiten sind eher Unglückskinder, die es gerade beim Ausüben ihrer Kräfte stets schwer haben werden." Wieder huschten seine Augen zum Meer. Dieses Mal seufzte er, sagte aber nichts.
"Du formst aus dem Nichts einen Bogen und ... Kann ich alles aus Feuer erschaffen? Kann ich ... kann ich es versuchen?"
Kjetell'os Aufmerksamkeit kehrte zu Madiha zurück. Er wandte sich ihr dieses Mal nicht nur zu, sondern trat erneut dicht an sie heran. Mit wenigen Handgriffen löste er den Umhang von ihren Schultern und erklärte nebenbei, dass jener zu leicht in Flammen aufgehen könnte. Dann aber hob einen seiner filigranen Zeigefinger - ganz der Lehrer. Die Pose stand ihm allerdings gut zu Gesicht. "Nichts wird aus dem Nichts erschaffen! Du gibst immer einen Teil deiner eigenen Kraft hinein und der Magie, dir dir innewohnt." Er senkte den Finger. "Du weißt doch bereits, wie es funktioniert. Also, Feuer hervorzurufen. Einfache Formen beherrschst du ebenfalls schon, was durchaus beeindruckend ist. Auch hier gilt, dass du theoretisch alles formen kannst. Je größer und je detaillierter es sein soll, desto schwieriger wird es jedoch, aber versuch es mal. Am besten lernt man in der Praxis. Hab keine Angst, ich beaufsichtige dich."
Madihas Idee hing immer noch an einer Waffe, mit der sie sich verteidigen könnte. Dass das Feuer selbst schon eine solche darstellte, war ihr im Moment wohl zu abstrakt. Sie wollte etwas Handfestes und als erstes fiel ihr ein Dolch ein. So rief sie ihre Kräfte an. Es war so leicht! Sie fand ihr eigenes Feuer schnell, brauchte es nur mit der mentalen Fingerspitze anzustubsen, dass es auf sie reagierte. Schon züngelte es als winzige Flamme in ihrer Handfläche. Doch hier bemerkte Madiha, dass auch sie noch würde üben müssen. Ein Dolch war eben weder eine zylindrische Form noch handelte es sich um eine Kugel. Selbst die simpelsten Dolche besaßen eine außergewöhnlichere Form. Sie musste einen Knauf schaffen, den Griff mit kleinen Parierstangen, die Klinge selbst und bei Bedarf auch eine Blutrinne. Aber da sie kein Metall schmiedete, sondern reines Feuer, blieb die Frage, ob sie sich die Schneide scharf vorstellen müsste. Doch so weit kam sie nicht. So klar das Bild eines Dolches auch vor ihrem geistigen Auge sein mochte, es stellte sich als gar nicht so leicht heraus, einen in der Hand zu schaffen.
"Alles Komplizierte lässt sich in einfache Formen aufspalten. Künstler agieren so. Sie teilen den Körper in Kugeln, Zylinder und Dreiecke ein. Die Details malen sie anschließend darum. Versuche es so", wies Kjetell'o sie an. Madiha könnte es gelingen, einen halbwegs erkennbaren Dolch zu kreieren, indem sie sich seine Bestandteile wirklich als simple Formen vorstellte und das Feuer in diese Figuren schob. Aber die Flammen züngelten. Sie wollten brennen und sich nicht in Formen pressen lassen, schon gar nicht in komplizierte. Auch nach mehreren Versuchen sah Madihas Dolch eher wie eine grob in Stein gehauene Version aus. Damit könnte sie jemanden niederschlagen, hätte Feuer eine harte Masse besessen. Vom Aufschlitzen war sie aber noch weit entfernt.
Kjetell'o beobachtete das Ganze, bis er ihr schließlich signalisierte, den Zauber fallen zu lassen. Er wirkte nicht unzufrieden, sondern nickte ihr mit Anerkennung zu. "Das war ein guter erster Versuch", lobte er. "Aber ich möchte etwas Anderes probieren, da du das Einbeziehen deiner Umgebung erwähnt hast. Dazu müssten wir jedoch eine andere Übung vorab wagen." Er schaute sich an Deck um und fand offenbar, wonach er suchte. Er stieß nämlich einen kleinen Laut des Erfolgs aus, ließ Madiha kurz stehen und suchte bei einigen Fässern und Kisten, die mit dicken Tauen an der Innenseite der Reling befestigt worden waren.
Als Kjetell'o zurückkehrte, winkte er mit einem kurzen Stück Tau. Es war kaum länger als ihr Unterarm und so dick wie zwei Finger von Madiha, aber er drückte es ihr vollständig in die Hand. "Ich möchte, dass du deine Hände in Flammen setzt. Das sollte dir leicht gelingen. Die Herausforderung wird sein, das Tau zu halten und eben nicht zum Brennen zu bringen. Du wirst das Feuer überzeugen müssen, dass es zu wichtig ist, als dass es davon zehren dürfte. Vielleicht musst du es auch zwingen oder verhandeln. Magier bedienen sich verschiedenster Methoden. Finde deine! Das ist die Übung, die du meistern musst, ehe wir weitermachen können."
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Freitag 19. Juli 2024, 21:27

"Glaube ist wichtig. Jedenfalls für jegliche Gottheit. Stell dir vor, alle würden Ventha einfach vergessen ... sie würde vergehen, ungehört. Andererseits könnten doch auch neue Götter entstehen, wenn sich nur genug finden, die einen tiefen Glauben an sie haben." Madiha beobachtete Kjetell’o fragend. Sie verstand vom Glauben nichts, hatte sie stets nur sich gehabt. Kein Gott hat ihr je geholfen – zumindest nicht, dass es ihr bewusst wäre. Madiha überdachte die Aussage des Elfen nachdenklich. Es fiel ihr schwer zu erfassen, wie sich Menschen und andere Arten derart in die Hände anderer, mythischer Wesen begeben konnten. War es nicht zu einfach, dass die Geschicke, die einem widerfuhren einzig von einem Gott gewollt wurden? War nicht jeder seines eigenen Glückes Schmied? "Ich möchte lieber an das Glück dieser Welt glauben, anstelle nur dem Leid eine Bühne zu bieten." Ihre Mundwinkel hoben sich sachte. Das wiederum konnte sie verstehen. Sie nickte leicht. „Man muss es selbst zum Guten wenden, nicht wahr?“, fragte sie rhetorisch. Dann sah auch sie auf das Meer und betrachtete es einen Moment. „Auch wenn man strauchelt… Man darf nicht aufgeben, es zu versuchen…“, murmelte sie, als würde sie zu sich selbst sprechen, um sich erneut Mut zu spenden. Kjetell’o aber schaffte es ohnehin, sie abzulenken. Sie erfuhr von Drachen und deren Geschichte. Fasziniert war sie gebannt von seinen Worten. Es waren fantastische Geschichten für ein Mädchen, wie Madiha. Sie hatte nicht oft das Privileg gehabt, sich in ferne Welten tragen zu lassen. Ihre Realität war immer präsent und nun beflügelte es sie zu erfahren, welche Möglichkeiten in dieser Welt lagen. Ein Kribbeln erfüllte sie und sie konnte nicht verhindern, dass sich ihre Augen verräterisch weiteten. Sie fragte schließlich, ob der Waldelf selbst mal woanders gewesen war und ihr Versprecher brachte ihn glatt zum Lachen. Sie hob die Augenbrauen an, musste aber gleich mit lächeln, weil sein Lachen wirklich angenehm klang. Sie folgte seinem Fingerzeig zur Fibel und musterte sie. Schließlich nahm sie sie tatsächlich ab und betrachtete sie, während er zu sprechen begann. "Das Einhorn ist das Symboltier meiner Heimat, Shyána Nelle ... oder Shýana Nelle für alle, die das elfische Lyrintha nicht sprechen können." Madiha hob erneut den Blick, als er Lyrintha sprach. Sie selbst hatte keine Ahnung, welche Sprache das war und blinzelte. „Deine Sprache klingt so… lieblich? Im Gegensatz zu Sendli… Sha… Shý…ana Neeell… Nell Shýana Nell“, probierte sie es in Sendli und lächelte ihn an. Daraufhin begann Kjetell’o tatsächlich sie in seine Heimat mitzunehmen. Madiha lehnte sich an die Reling und betrachtete ihn, während er von riesenhaften Insekten und zauberhaften Pflanzen sprach. In ihrer Fantasie regte sich ein wirres, buntes Durcheinander. Sie konnte sich das kaum vorstellen, kannte sie doch einfach zu wenig dergleichen, um Vergleiche anzustellen. Sie hatte nicht mal Bilder in Büchern sehen können, weil ihr der Zugang verwehrt blieb. Madiha aber hing an seinen Lippen und lauschte vollkommen ehrfürchtig und gebannt. Als er zu Caleb blickte, folgte sie seinem Blick.

"Diebe wie Caleb gibt es dort nicht. Niemand würde einen anderen in Shyána bestehlen. Es wird ... mit den Jahrzehnten recht langweilig dort.“ Sie schmunzelte. „Ich glaube, das wäre kein Ort für ihn…“, überlegte sie und lächelte leicht. Ihre Finger befühlten immer noch die Fibel, die Kjetell’o gehörte. Das Wesen darauf war so ungewöhnlich für sie, dass sie nicht glauben konnte, dass es sie wirklich geben sollte. Aber egal, was Kjetell’o ihr erzählte… es klang wie eine Geschichte, die kein Ende der Fantasie kannte. "Aber ich habe noch viele andere Orte Celcias gesehen. Königreiche, die einander feindlich gegenüberstehen, eine Stadt nur für Frauen - ich durfte mich ihr nicht wirklich nähern und musste eine Botschafterin von meinem Handelsschiff ausschicken. Oh und es gibt an der südwestlichen Küste Celcias ein Land, das dem von Sarma zumindest dem Wetter nach ähnelt. Santros würde dir gefallen. Einmal durfte ich auf einem Maskenball umher schleichen. Es ist ein wahres Erlebnis. Wusstest du, dass es auch Elfen gibt, die in einer Welt leben, welche Sarmas Gegenteil darstellt? Es ist so kalt, dass das ganze Land in weißem Schnee liegt. Weißt du, was Schnee ist?" Madiha hob die Augenbrauen. Maskenbälle…Eine Stadt nur für Frauen… Santros.. Das Mädchen aus Sarma hatte wirklich rein gar nichts gesehen bisher. Ihr Blick glitt erneut zur Seite und ein wenig sehnsüchtig zum Horizont. „Ich kenne Schnee nicht… Ich habe ihn auf den Hügeln gesehen, als ich aus deinem Unterrichtsraum sah. Aber ich weiß nicht, wie es sich anfühlt.“, erklärte sie und runzelte die Stirn. Ihr Blick glitt in die Richtung, aus der sie kamen. Dort lagen all die Geheimnisse, die sie erfahren wollte. Dort lag das Unbekannte. Madiha seufzte tonlos und blickte in Fahrtrichtung. Aber ihr Weg führte sie zurück nach Sarma. Ob sie dort anderes finden könnte als das, was sie schon kannte? Bevor sich die Gedanken erneut in eine unangenehme Richtung begaben, schüttelte sie sie ab und blickte zum Elfen zurück. Er schaffte es schließlich, sie erneut abzulenken und ihre Gedanken beschäftigten sich mit Feuermagie. Auch das wusste sie zu begeistern, denn sie hatte ihr Potenzial immerhin anerkannt. Und sie empfand die Magie in sich nicht länger als schwarzen Klumpen. Der magische Pfeil beflügelte sie und sie wollte sofort loslegen, um es selbst zu versuchen. Seine Frage aber beantwortete sie immer enthusiastischer.
"Du machst dir direkt Gedanken, die Umgebung einzubeziehen?" Sie lächelte schief. Zu viel? Zu wenig? Madiha wusste es nicht. Sie wusste sich nicht zu bewegen in einem echten Unterricht. Sie wollte weiterhin, dass er stolz auf sie wäre, aber sie machte vermutlich zehn Schritte zu viel. "Du hast dich bereits Fremdfeuer bedient. Das war bereits die Nutzung der Elemente, die nicht deiner Magie und deinem Inneren entspringen. Aber das Feuer konntest du dabei teilweise kontrollieren. Trotzdem musstest du es mit Vorsicht bändigen, nicht wahr? Nun, das mag funktioniert haben, eben weil du selbst feuermagisch begabt bist. Elemente jenseits deines eigenen sind schwieriger einzubinden. Du kannst sie nämlich nicht kontrollieren und das Gegenelement - in deinem Fall Wasser - wird sich am meisten sträuben. Man müsste schon mehrere Magie-Richtungen beherrschen, um auch mehrere Elemente zu kontrollieren. Aber das ist nicht einmal den Elfen in so gängiger Weise gelungen, als dass man es für normal hält. Verstehe mich nicht falsch!" Sie nickte etwas geschlagen. Sie verstand, dass das viel zu ambitioniert war und sie über das Ziel hinausschoss. Madiha dachte groß, denn sie war bisher immer kleingehalten worden. Jetzt, wo die Fesseln erstmal gelockert und teilweise gesprengt waren, da uferte ihre Fantasie ungebändigt aus und sie musste lernen zu dosieren.

"Sie existieren, die Magier, welche mehr als eine Richtung in sich tragen. Die wenigsten beherrschen sie und ich rate davon ab, es bewusst erlernen zu wollen. Theoretisch sollte es gehen, kostet aber mehr Zeit und nicht jeder meistert überhaupt erst eine Magie-Art. Solche Persönlichkeiten sind eher Unglückskinder, die es gerade beim Ausüben ihrer Kräfte stets schwer haben werden." Ihr Blick glitt zu ihm. Sie hatte das Gefühl, dass er mehr darüber wusste, aber sie fragte nicht weiter. Sie würde das nicht schaffen, das hatte sie verstanden. Madiha fühlte sich ein wenig herausgefordert, aber sie behielt das für sich. Sie würde fleißig und gehorsam lernen, was Kjetell’o ihr zutraute. Also versuchte sie ein wenig kleiner zu denken. Aber sie wollte einen Dolch erschaffen und probierte sich mutig aus. Das Feuer zu rufen war keine Hürde mehr. Es ging ihr so natürlich von der Hand, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Allerdings bemerkte sie, dass sie keine richtige Vorstellung eines Dolchs beschwören konnte. Sie erinnerte sich an den Dolch, den sie in der Hand gehalten hatte, als sie Azura verletzte und Corax sie beinahe umgebracht hatte. Madiha spürte seine Hände um ihren Hals und hustete reflexartig. Doch das war nicht die Art der Vorstellung, die sie nun brauchte. Sie hörte auf es zu versuchen und sah Kjetell’o entschuldigend an. Der Elf aber lehrte sie eine andere Methode zu versuchen. "Alles Komplizierte lässt sich in einfache Formen aufspalten. Künstler agieren so. Sie teilen den Körper in Kugeln, Zylinder und Dreiecke ein. Die Details malen sie anschließend darum. Versuche es so.“ Madiha runzelte konzentriert die Stirn und blickte wieder auf den Feuerklumpen in ihrer Hand. Sie bemühte sich, sich den Dolch in verschiedenen Formen vorzustellen, aber sie merkte, dass ihr dafür offenbar das Wissen fehlte. Es gelang ihr kaum die richtigen Formen zu wählen, sodass das, was in ihrer Hand war nicht mal als Dolch erkannt werden konnte. Sie ließ den Zauber los, als Kjetell’o es ihr bedeutete. "Das war ein guter erster Versuch. Aber ich möchte etwas Anderes probieren, da du das Einbeziehen deiner Umgebung erwähnt hast. Dazu müssten wir jedoch eine andere Übung vorab wagen." Sie hob den Blick, ein wenig geknickt, dass es ihr nicht gelungen war. Mit der Neugierde kam auch ein gewisser Ehrgeiz. Zudem hatte Madiha trotz aller Zuversicht immer noch im Nacken, dass sie aufgebrochen war, eine Stadt zu retten. Und alle hier an Bord ihr folgten… ihr. Kjetell’o riss sie aus ihrem Misserfolg, da er scheinbar etwas suchte. Sie wartete brav ab, ehe er ihr ein Tau in die Hand drückte. Fragend blickte sie darauf, als er die Erklärung lieferte: "Ich möchte, dass du deine Hände in Flammen setzt. Das sollte dir leicht gelingen. Die Herausforderung wird sein, das Tau zu halten und eben nicht zum Brennen zu bringen. Du wirst das Feuer überzeugen müssen, dass es zu wichtig ist, als dass es davon zehren dürfte. Vielleicht musst du es auch zwingen oder verhandeln. Magier bedienen sich verschiedenster Methoden. Finde deine! Das ist die Übung, die du meistern musst, ehe wir weitermachen können."
Ein wenig ratlos blickte sie ihren Lehrmeister an und senkte dann unsicher den Blick zurück auf das Tau. Ob sie das schaffen würde? Madiha holte tief Luft, räusperte sich und hielt dass Tau in einer Hand, während sie die andere davon löste. Sie rief das Feuer, aber nur in die Hand, in der das Tau nicht lag. Schließlich führte sie Tau und Feuer zusammen und spürte, wie das Feuer gierig nach dem Seil lechzte. Sie zuckte zurück, verhinderte so ein Überspringen der Flammen auf das Tau. Die Sarmaerin schluckte und konzentrierte sich noch etwas stärker. Erneut näherte sie das Tau ihrer Feuerhand an. Dieses Mal aber tastete sie nach dem Feuer und spürte, wie es ihr zuhören wollte. Sie schaffte es, dass das Feuer nicht sofort nach dem Tau schnappte. Sie spürte bereits die raue Fläche des Seils in ihrer Feuerhand, als das Feuer doch zuschnappte. Das Seil kokelte und sie japste erschrocken nach Luft. Erneut zog sie die Hände auseinander und brachte das Tau in sicheren Abstand zu ihrem Feuer. Madiha beruhigte ihr schlagendes Herz und schloss schließlich die Augen. Sie wurde ganz ruhig und richtete ihre Aufmerksamkeit nun nur auf das Feuer in ihrer Hand. Sie atmete tief durch und begann daraufhin dem Feuer zu suggerieren, dass das Tau in ihrer Linken kein Schaden nehmen dürfte. Dass es schützenswert war. Madiha appellierte am Feuer und bat es tatsächlich, dass es das Tau einschließen möge, um es zu bewahren. Sie konnte spüren, dass es nach etwas lechzte, was es schließlich dafür erhalten würde. Das Feuer wollte zehren und aufnehmen. Das Mädchen versuchte, dass das Feuer sich darauf einließ, dass sie ihm im Gegenzug für seine Hilfe später etwas geben würde, das es verzehren durfte. Das Feuer war zwar ein Teil von ihr, aber es war auch… eigenständig. Madiha verstand das und erinnerte sich an andere Gefühle in sich, während das Feuer sich zeigte. Es hatte beinahe eine Persönlichkeit und sie wollte diese nicht unterdrücken. Sie wollte es annehmen, wie es war…, so wie sie es sich für sich selbst wünschte, einen Platz in dieser ihr fremden Welt zu finden. Schließlich startete sie einen erneuten Versuch und führte Feuer und Tau zusammen, um anschließend mit beiden Händen das Tau zu greifen und mit beiden Händen Feuer zu wirken. Ob es ihr gelingen würde? Ob sich das Feuer einlassen würde?
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Sonntag 21. Juli 2024, 14:12

"Auch wenn man strauchelt ... man darf nicht aufgeben, es zu versuchen..." Madiha blickte auf's weite Meer hinaus. Kjetell'o hingegen musterte seine Schülerin mit anhaltender Ruhe. Schließlich schmunzelte er und fragte: "Weißt du eigentlich, warum alle an Bord hier - von der Mannschaft selbst einmal abgesehen, die haben sich wohl nur anheuern lassen - dir folgen?" Der Blick des Elfen wurde immer dann wärmer, wenn die goldenen Sprenkel darin tanzten. "Genau wegen solcher Worte. Nicht alle schaffen es, immer weiterzumachen, aber wenn sie Menschen wie dich sehen, die niemals aufgeben ... das macht auch andere stark." Jeder trug auf seine Weise dazu bei und jeder konnte straucheln. Nicht alle schafften es, wieder aufzustehen. Umso mehr mussten die Stärkeren ihnen ein Licht aus Hoffnung sein. Madiha war ein solches Licht. Sie brannte dafür, auch wenn sie es sich selbst noch nicht zutraute. Sie strauchelte, doch würde nicht aufgeben, weil sie geduldige Lehrmeister wie Kjetell'o und liebende Menschen wie Caleb oder Freunde wie Jakub oder Ilmy hatte. Alle halfen auf ihre Weise. Niemand gab auf, solange andere weitermachten.
Allein das wäre schon Lohn genug, aber Kjetell'o legte noch eine kleine Schippe drauf. Er beschenkte Madiha, indem er ihr von seiner Heimat erzählte, von Drachen und einem Celcia, das noch weitreichender sein musste als sie es sich auch nur ansatzweise vorstellen konnte. Sie hatte doch bereits so viel vom Turm der Wasserakademie aus gesehen! Wie konnte diese zauberhafte Welt noch mehr bereithalten und wie hatte Kjetell'o so viel davon bereits sehen dürfen? Man musste wohl ein Elfenleben haben, um ganz Celcia bis in jeden kleinsten Winkel erkunden zu können. Für die einstige Sklavin hörte sich alles einfach nur fantastisch an, sogar die Muttersprache des Elfen.
"Deine Sprache klingt so ... lieblich? Im Gegensatz zu Sendli ... Sha...Shý...ana Neeell ... Nell. Shýana Nell."
"War das Sendli?", lächelte Kjetell'o, als wüsste er die Antwort nicht bereits. "Lyrintha, die Sprache aller Waldelfen, ist die wohl lieblichste, die du je hören wirst. Nichts ist so schön wie das gleichnamige Volk in all seinen Facetten, sagt man." Dann schloss er die Augen, richtete sein fröhliches Antlitz aber auf Madiha aus. Es stimmte. Man nannte die Elfen auch das schöne Volk, ohne dabei näher auf all ihre Subkulturen einzugehen. Sie waren allesamt schön und Madiha konnte es in Kjetell'o nun sehen. Dann durfte sie es hören, als er ihr einen kleinen Monolog auf Lyrintha zum Besten gab. Die melodischen Gebilde der Silben, welche sich zu Wörtern formten, schufen eine Symphonie. Man musste ihren Inhalt nicht verstehen, um sich davon in den Bann ziehen zu lassen. "Ich war weder auf der Suche nach meiner Tochter oder nach Mächten wie sie in dir und dem Leidträger schlummern. Ich bin auf meiner eigenen Mission. Hm - und ich vernachlässige sie gerade auf's Höchste. Aber angesichts dessen, was ich sehen und erleben könnte, ist mein Auftrag vollkommen belanglos. Ach, Madiha! Du ahnst nicht, welche Kraft in dir schlummert. Du und der Leidträger seid naive Kinder mit großen Augen für eine Welt, die zu eurem Spielzeug werden könnte. So viel Potenzial! Ich möchte dabei sein. Ich möchte es sehen, erleben ... ich möchte sehen, wie ihr euch entfaltet, über Celcia ausbreitet und die Welt verändert. Und ... ich möchte nicht auf der falschen Seite sein, falls ihr den Boden unter den Füßen verliert." Er öffnete die Augen wieder, streckte seine Hand nach Madihas aus und legte die Finger auf ihre. Sie waren warm. "Ich werde euch erden, verlasst euch drauf." Plötzlich kicherte er, lachte gelöst. "Ein Feuermagier, der erden möchte, kannst du das glauben? Na, egal!" Madiha verstand wohl kaum, was er sagte, aber Kjetell'o hatte Recht. Es war egal, aktuell nicht wichtig. Denn auch wenn er ihr ein unverständliches Geständnis gemacht hatte, brauchte es noch einiges an Arbeit, bis er seine eigene Motivation würde erfüllen können. Nichts von seiner Hoffnung würde er sehen, wenn Madiha nicht lernte. Zum Glück war sie eifrig, geradezu ehrgeizig! Sie schoss fast etwas über das Ziel hinaus, bemerkte es jedoch auch selbst, als ihr die Kreation eines flammenden Dolches einfach nicht gelingen wollte.
"Gib dir Zeit, du bist erst am Anfang", riet der Lehrer, fügte gedankenversunken jedoch an", ...und dennoch schon so weit." Er war kein bisschen enttäuscht von Madihas missglücktem Versuch. Er analysierte vielmehr, wie weit sie war und suchte die Lücken, die es in ihrem Talent noch zu füllen gab. Wie ein Bildhauer einen Stein bearbeitet, um daraus die schönste Skulptur seines Könnens zu schaffen, würde Kjetell'o bei Madiha die Kanten abschleifen, kleine Details einpflegen und sie zu etwas formen, das man dem ursprünglichen Klotz niemals hätte ansehen können. So setzte der Bildhauer in Kjetell'o erneut den Meißel an, um sich seiner Arbeit - seinem Meisterwerk - zu widmen.
Er holte ein Tau. Das mochte zunächst wenig mit Madiha oder der Feuermagie zu tun haben, aber es stellte sich schnell heraus, wozu sie es gebrauchen sollte. Ihre nächste Übung bestand darin, ihr Feuer soweit unter Kontrolle zu bringen, dass es eben nicht verbrannte. War es nicht genau das, was Madiha wollte, weil sie ihre Magie einst exakt deshalb so gefürchtet hatte? Sie wollte nicht zerstörerisch sein, jedenfalls nicht unkontrolliert. Dass sie es nun lernen sollte, indem sie ein Tau instandhielt, klang irgendwie ... albern. Aber es war eine gute Übung. Sie merkte schnell, dass mehr dahinter steckte. Das Feuer - auch ihr inneres - wollte fressen. Es wollte in sich aufnehmen, was ihm Nahrung sein konnte. Nicht um des Zerstörens Willen. Es wusste, dass es wuchs, wenn es fraß. An Madiha war es nun, ihm Mäßigung beizubringen und ... kontrolliertes Wachsen.
Kjetell'o gab ihr ein paar Ratschläge, wie sie mit dem Feuer umgehen könnte, um ihren Willen als dessen Anwenderin durchzusetzen. Letztendlich musste sie diese kleine Prüfung nun aber allein bestehen. Tatsächlich geschah etwas, sobald Madiha sich voll auf ihre arkanen Kräfte konzentrierte. Es ging über ihren Willen hinaus, dem Feuer mitzuteilen, nicht auf die festen Fasern des Taus überzuspringen und diese zu versengen. Nein, um sie herum veränderte sich etwas. Die Welt ... verlor an Farbe, an Licht, an Konturen. Sie blendete sich aus und zwar im Gesamten. Außerdem schien sie sich zu verlangsamen, so dass Kjetell'os Bewegungen an ihrer Seite für Madiha nur noch wie in Zeitlupe abliefen, wenn nicht gar noch langsamer. Außerdem hatte der Elf sich in einen Fleck verwaschener Farben verwandelt, der zunehmend an Sättigung verlor. Sein einst so goldbrauner Teint wirkte fast nur noch Beige und mit einem Schatten überdeckt, als hätte jemand graue Farbe darüber verteilt. Umso heller und kräftiger strahlte das Feuer in ihr selbst. Außerdem begannen Madihas Finger zu rauchen, bis ihre Magie aus ihnen heraus zu fließen schien und für das Element Feuer doch recht fließende Bewegungen machte. Es tropfte an ihr herunter in dicken, glühend roten Klumpen. Lava...
Die Magie breitete sich als blubbernder Fleck am Boden aus, bis sie wieder an Festigkeit annahm. Nein, sie verrauchte, wurde windartig ... oder doch nicht? Flammen entstiegen der Masse am Boden, die sich dadurch nach und nach auflöste. Eine Gestalt aus Flammen formte sich vor Madiha, ohne die Umgebung zu verbrennen. Das war ohnehin nicht mehr möglich, denn die Sarmaerin stand mit diesem Feuerwesen wie in einem schwarzen Raum aus nichts, in dem nur sie beide und das Tau in ihren Händen noch existierte. Ein dumpfes Rauschen wummerte gegen ihre Trommelfelle, aber nur so schwach, dass es Konzentration erforderte, es überhaupt wahrzunehmen. Und Madiha wurde gerade reichlich abgelenkt. Denn nicht nur, dass eine Feuergestalt sich vor ihr aufbaute, ihre Konturen kamen der jungen Frau sogar mehr als bekannt vor. So oft waren ihre Augen schon den Weg an den Wangenknochen und der Kieferpartie entlanggewandert, hinunter über den Hals, das Schlüsselbein und bis zur Brust. Zahlreiche Male hatte sie inzwischen schon ihre Hand dort abgelegt, die gestählte Haut gestreichelt und Geborgenheit an ihr gefunden. Und nicht nur dort. Unter der Last dieses gesamten Körpers war sie mehr als einmal erbebt, lüstern und voller elektrisierender Anspannung, nur um von diesen kräftigen Pranken von Händen danach gehalten zu werden wie ein hauchdünnes Kristallglas von einem zärtlichen Riesen. Sie kannte fas Gefühl jeder einzelnen Fingerspitze auf ihrer Haut, den Geschmack der Lippen und den Duft, der von diesem Körper ausströmte. Er war kernig, abenteuerlustig und frei, gleichermaßen wie das ungebändigte Haar, das sich bei der Feuergestalt nun eher als wilde Flammen darstellte. Es war Caleb ... geschaffen aus bloßem Feuer. Mit einem heißglühenden Grinsen, das ganz dem seinen entsprach, lächelte es Madiha an.
"Soso, du willst mir also später etwas geben, wenn ich dieses gar brennbereite Material in deinen Händen verschone?" Es sprach sogar mit Calebs Stimme, auch wenn sie viel rauchiger klang und irgendwie eine ... wildere Persönlichkeit besaß. Anders wild als Caleb es tatsächlich war. Das Feuer besaß einen zerstörerischen Kern, doch Madiha wusste, dass es auch behütend sein konnte, indem es nur Wärme spendete. Sie musste sich auf diese Eigenschaft ihres Elements konzentrieren. Leicht war es allerdings nicht, denn allein durch die optische Präsenz löste das Feuer bei ihr eine ganz eigene Art der Hitze aus.
"Was willst du mir denn geben? Etwas von dir selbst? Vielleicht ... deine eigene Haut? Deinen ohnehin erhitzten Schoß oder ... dein Herz, das allein für meine Gestalt so sehr brennt?" Es kam näherte, waberte in einem Gewand aus Flammen, das es selbst um sich herum schuf. Es kreiste Madiha damit ein, verbrannte sie aber tatsächlich nicht, doch sie wusste durchaus, dass es dazu in der Lage wäre, wenn sie selbst - Madiha - die Kontrolle verlöre. "Ich liebe dich innig", raunte das Feuer ihr zu, mit Calebs Stimme. "Wir könnten so viel Spaß zusammen haben, wenn wir miteinander umzugehen lernen - noch mehr als schon zuvor. Ich könnte riesig werden. Wälder und ganze Landstriche fressen ... den Schnee zum Schmelzen bringen, den du gar nicht kennst ... oder dein geliebtes Sarma mithilfe meines Rivalen in eine Wand aus Nebel hüllen, die alles Leben darin dampfgart. Ich möchte spielen, mit deiner Hilfe. Führe mich und lenke mich, aber lass mich fressen. Jetzt! Das leckere Tau ... oder biete mir jetzt etwas an, nicht später. Ich bin ungeduldig, denn später könnte zu spät sein. Lass mich nicht warten. Lass uns ausbrechen und alles verbrennen. Vielleicht auch das Schiff, auf dem wir fahren? Nein, lieber nicht, hm? Wir würden sterben und ich fühle mich doch so wohl bei dir. Du weißt mit mir umzugehen. Weil du mich liebst? Sag mir doch, dass du mich liebst. Meiner Gestalt stöhnst du es jede Nacht ins Ohr. Ich möchte es auch hören, fühlen, dafür BRENNEN!"
Madiha musste aufpassen, sich nicht von der Heißglut ihres Elements gefangen nehmen zu lassen, denn es konnte auch auf seine Weise sehr verführerisch und überzeugend sein. Jedes Wort wärmte das Herz, erfüllte es mit Feuereifer oder ängstigte es und das alles zu gleichen Teilen. Wichtig blieb, dass sie nicht nachgab, nicht strauchelte. Und wenn doch? Wäre jemand da, um sie zu stärken, damit sie nicht aufgab? Im Moment schien sie allein mit sich und ihrem arkanen Element zu sein, das unbedingt fressen wollte.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 23. Juli 2024, 10:25

"Weißt du eigentlich, warum alle an Bord hier - von der Mannschaft selbst einmal abgesehen, die haben sich wohl nur anheuern lassen - dir folgen?" Madiha schüttelte ehrlich den Kopf. Sie wusste es nicht, wieso man diesen Weg doch freiwillig gehen würde. "Genau wegen solcher Worte. Nicht alle schaffen es, immer weiterzumachen, aber wenn sie Menschen wie dich sehen, die niemals aufgeben ... das macht auch andere stark." Das Mädchen runzelte die Stirn und dachte über seine Worte nach. Ihr erbitterter Kampf in dieser Welt einen Platz zu finden und nicht unterzugehen, sollte andere Inspirieren? Madiha konnte dieser Wahrheit noch nicht recht Glauben schenken, aber sie lächelte Kjetell’o trotzdem hoffnungsvoller an. Es war nett, dass er versuchte ihr ein wenig Beistand zu geben. Aber Madiha sah sich nicht so, wie andere es offenbar taten. Sie selbst bemühte sich lediglich darum, dass man sich auf sie verlassen konnte. Sie selbst wollte jene Folgende sein, wenn andere führten. Aber war sie die Anführerin? Die Antwort auf diese Frage würde wohl die Zukunft erst zeigen müssen. Vorerst blieb Madiha gelehrig und folgte Kjetell’o’s Anweisungen bezüglich ihrer Magie. Aber nicht nur diesbezüglich. Er wusste auch viel über die Welt zu berichten und Madiha fand ein wenig Zeit, sich dieser Neugierde zu widmen. Sie befragte ihn nach seinem Erlebten und lächelte über die melodische Sprache, die er verwendete. Sie bemühte sich in Sendli seine Heimat auszusprechen und hörte, wie sehr die Unterschiede waren. Kjetell’o aber setzte noch einen drauf. Er sprach einen halben Monolog in Lyrintha und Madiha hing gebannt an seinen Lippen. Es war wunderschön… so melodisch, weich und einem Singsang wohl nicht unähnlich. Dabei betrachtete sie den Elfen genauer und erstmals mit einem anderen Blick. Ihr fielen die feinen Züge auf, das weiche, das dennoch nicht unmännlich wirkte. Ebenmäßig war seine Haut und alles fügte sich in ein wunderschönes Gesamtbild. Madiha sah Kjetell’o das erste Mal an und … fand ihn schön! Sie machte sich kaum etwas aus solchen Dingen, war sie bisweilen auf ganz andere Sachen fixiert gewesen. In ihrer Welt ging es meist ums Überleben. Um das richtige Verhalten, damit sie noch einen Tag länger leben durfte. Sie hatte keine Zeit für Genuss, Schönheit oder anderen Luxus, den sich manche ständig leisteten. Madiha seufzte fasziniert und spürte ein neues Gefühl in sich, das sie noch nicht greifen konnte. Es kribbelte und ließ sich von einer neuen Faszination entfachen. Sie blickte zum Horizont. Plötzlich war die Welt nicht länger nur ein Hirngespinst für sie. Sie war da. Sie war greifbar und Madiha hatte das leise Gefühl, dass sie sie doch noch irgendwann sehen durfte. Für einen Moment schwiegen sie beide, bis sich Madiha dann wieder ihren Fähigkeiten widmen durfte. Auch das war immer noch ein Novum für das Mädchen und sie wollte gewissenhaft damit umgehen, was sie beherrschte. Man konnte ihr nicht nachsagen, dass es nicht wahrhaftig versuchte. Leider fehlte ihr für Manches dann doch die Vorstellungskraft. Sie war nie gefördert worden und somit fiel es ihr nicht leicht, gewisse Formen innerhalb eines Gegenstandes zu entdecken. Aber Kjetell’o war nicht enttäuscht, auch wenn das bei ihr kurz der Fall war.
"Gib dir Zeit, du bist erst am Anfang, und dennoch schon so weit.", ließ er sie erneut spüren, dass es keine Enttäuschung geben brauchte. Madiha nickte dankbar und schüttelte ihre Hände aus, ehe sie auch den Nacken kreiste. Sie fühlte sich manchmal noch ein wenig verkrampft in der Anwendung, auch wenn es ihr immer leichter fiel. Nun aber ging der Waldelf zu einer neuen Übung über und Madiha erkannte, dass es genau darauf abzielte, was sie instinktiv mit ihrer Magie wollte. Schützen. Wenn sie das Tau nicht verbrannte, konnte sie vielleicht irgendwann lernen, dass sie auch andere in ihr Feuer hüllte sie, aber nicht verletzte… Es wäre ein Schutzschild aus Feuer und jeder, der ihm zu nahekäme, würde verbrennen… Madiha schluckte. Sollte sie tatsächlich dazu in der Lage sein? Es war eine große Aufgabe, wie sie instinktiv wusste. Denn ein Fehler… und das Tau und alle, für die dieses Tau stehen würde, würden zu Schaden kommen.
Madiha bemühte sich um Konzentration. Sie machte kleinere Versuche, zog ihre Hand aber immer wieder weg. Sie versuchte langsam und ruhig an die Übung heranzugehen und lauschte den Anweisungen, die Kjetell’o ihr zuraunte, ohne ihre Konzentration zu stören.

Sie versuchte umzusetzen, was er sagte und doch benötigte sie erheblich viel Aufmerksamkeit darauf, mit ihrem schnell entfachten Feuer nicht die Fasern des Taus zu zerstören. Madiha ließ sich vollkommen darauf ein, sich auf diese Aufgabe zu konzentrieren. Ihr Atem wurde ruhiger…, ihr Herzschlag verlangsamte sich nach einiger Zeit und sie sah, wie alles um sie herum zu verschwimmen schien. Plötzlich wirkte die Welt etwas farbloser, während sie nur noch das lodernde Feuer in ihrem Blick hatte. Es schien hell, orange, rot und gelb. Es züngelte an ihrer Hand hoch und dennoch spürte sie keinen Schmerz. Als sich ihre Umgebung derart in den Hintergrund gezogen hatte, dass sie sie kaum noch wirklich wahrnahm, da begannen ihre Finger mit einem Mal zu rauchen. Schließlich tropfte das Feuer dickflüssig auf den Schiffsboden und Madiha riss erschrocken die Augen auf. Sie geriet in kurze Panik, weil sie glaubte, das Schiff zu verbrennen. Sie fragte sich für eine Sekunde, wieso Kjetell’o nicht einschritt, weil sie glaubte, die Kontrolle verloren zu haben. Wieder war da das Gefühl von einer Gefahr, die von ihr ausging, wenn sie es nicht schaffte, zu lernen. Madiha wollte das Feuer aufhalten, aber es war längst zu spät. Sie war wie gebannt und sah der Lava zu, wie sie zu etwas neuem wurde: „Ca…leb?“, japste Madiha und sah zu, wie sich die Gestalt mehr und mehr zu ihrem Dieb verwandelte. Ganz aus Feuer stand er vor ihr und sah…. Sie an. Madiha starrte zurück. „Du… bist wunderschön…“, japste sie ergriffen, denn das Element hatte längst angefangen zu ihr zu gehören. "Soso, du willst mir also später etwas geben, wenn ich dieses gar brennbereite Material in deinen Händen verschone?" Sie nickte leicht, hatte Tränen in den Augen, jedenfalls fühlte es sich so an. War das unter der Hitze denn überhaupt möglich? "Was willst du mir denn geben? Etwas von dir selbst? Vielleicht ... deine eigene Haut? Deinen ohnehin erhitzten Schoß oder ... dein Herz, das allein für meine Gestalt so sehr brennt?" Madiha’s Kehle war trocken und doch war sie wie gebannt davon, dass sich diese Feuergestalt materialisiert hatte. Es war beängstigend, aber gleichwohl wunderschön.
Es sprach etwas in ihr an, dass sie bisher nur in einer wahrlich abgespeckten Version kannte. Sie brannte… sie brannte voller Liebe für diesen einen Mann und das Feuer schien es genau zu wissen. Seine Worte waren pure Leidenschaft, die Madiha in sich aufsteigen fühlte. Sie begehrte diese Feuergestalt und ihre Gedanken waren nicht länger verborgen. Ihr Blick loderte scheinbar auf, während sie sich vorstellte, dass sie von den brennenden Händen berührt wurde. Unfähig gerade noch einen klaren Gedanken zu fassen, stand sie lediglich da und konnte den Blick nicht von dem Feuer lassen, das näherkam. Madiha fürchtete sich nicht, trotz der Wildheit und dem Hunger, die dieser Caleb ausstrahlten. Plötzlich wurde sie von dem Feuergewand eingehüllt und fand sich in einem brennenden Kokon wieder. Madiha war der Feuerbrust von Caleb so nahe, dass sie die Hand hob, um ihn zu berühren. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, während sich ihr Atem beschleunigte. Sie hob den Blick, um ihm in die lodernden Augen zu sehen. "Ich liebe dich innig" Sie keuchte. "Wir könnten so viel Spaß zusammen haben, wenn wir miteinander umzugehen lernen - noch mehr als schon zuvor. Ich könnte riesig werden. Wälder und ganze Landstriche fressen ... den Schnee zum Schmelzen bringen, den du gar nicht kennst ... oder dein geliebtes Sarma mithilfe meines Rivalen in eine Wand aus Nebel hüllen, die alles Leben darin dampfgart. Ich möchte spielen, mit deiner Hilfe. Führe mich und lenke mich, aber lass mich fressen. Jetzt! Das leckere Tau ... oder biete mir jetzt etwas an, nicht später. Ich bin ungeduldig, denn später könnte zu spät sein. Lass mich nicht warten. Lass uns ausbrechen und alles verbrennen. Vielleicht auch das Schiff, auf dem wir fahren? Nein, lieber nicht, hm? Wir würden sterben und ich fühle mich doch so wohl bei dir. Du weißt mit mir umzugehen. Weil du mich liebst? Sag mir doch, dass du mich liebst. Meiner Gestalt stöhnst du es jede Nacht ins Ohr. Ich möchte es auch hören, fühlen, dafür BRENNEN!"

Madiha versuchte zu unterscheiden, welche Hitze durch die Worte kamen, welche durch die Nähe und welche durch das Verlangen, das die Feuergestalt in ihr auszulösen wusste. Das Feuer war ein Teil von ihr. Nein… mehr noch, es war ihre Seele. Es brannte in ihr, seit sie denken konnte, doch erst jetzt sah sie, dass sie ohne diesen Teil nicht mehr leben könnte. Es war sie, es gehörte zu ihr, wie ihr Herz, ihre Gedanken, ihre Lungen. Madiha bebte vor Aufregung. Dann aber hob sie eine Hand langsam an, kam der brennenden Wange ihres Caleb’s näher, bis sie sich traute ihn zu berühren. Madiha hielt ihren Blick auf die Feuergestalt gerichtet und wartete ab, ob sie sich verbrennen würde. Konnte sie ihn anfassen? Wie fühlte es sich an, einen Teil von sich selbst zu berühren? Sich selbst zu fassen und zu begreifen, dass man nie wieder allein sein würde? „Ich liebe dich auch…“, platzte es vollkommen unkontrolliert aus ihr heraus. „Ich will dir die Freiheit geben, wie ich sie mir wünsche. Du bist ich… und ich bin du… wir sind eins und wir sind gleich…“, sprach sie mit einer Festigkeit in ihrer Stimme, die sie bisher nur selten gefunden hatte. Sofern sich Madiha nicht gehörig die Finger verbrannt hatte, würde sie nun auch ihre zweite Hand nehmen und sie an die andere Wange legen, um das Feuer zu sich zu ziehen. „Lass uns die schützen, die wir lieben… lass uns nicht zerstören, was es nicht verdient hat zerstört zu werden! Lass uns… brennen für alles, was wir in unserem Leben brauchen, damit wir… die Freiheit entdecken und leben können… Wir sind reinigendes Feuer… kein Inferno von katastrophalem Ausmaß. Wir wollen das Leben achten… dafür verspreche ich dir, werde ich dir keine Ketten auferlegen, die du nicht tragen willst. Ich werde dich hören und dir geben, wonach du dich verzehrst…“, versprach sie weiter und trat näher. „Angefangen bei mir, wenn du mich willst!“, sprach sie und würde die feurigen Lippen mit inniger Zuneigung, reiner Liebe küssen wollen. Madiha versprach dem Feuer sich selbst. Sie wäre ein guter Hort für es. Sie würde auf es aufpassen, es achten… niemals würde das Feuer bei ihr eingepfercht sein. Aber sie würde nicht unkontrolliert alles niederbrennen. Und wenn es ihm reichte, dann sollte er sie zum Zeichen ihrer Loyalität ihm gegenüber verbrennen, damit sie gemeinsam auferstehen konnten, wie Phönix aus der Asche…
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Dienstag 23. Juli 2024, 14:36

"Ca...leb?"
Das Feuer hatte sich eine eindeutige Form ausgesucht, um ihr gegenüberzutreten. Madiha wusste, dass es wusste, wie sehr sie für diesen Mann brannte. Ihr ganzes Sein war inzwischen auf Caleb van Tjenn - ihren Caleb - ausgerichtet. Er besaß so viel Macht über sie, auch jetzt, obwohl er gar nicht involviert war. Nur seine Form, die selbst bis in die letzte Haarspitze ein flammendes Ebenbild von ihm zu sein schien, war nötig, damit Madiha ihm sofort verfiel. Das Feuer hatte leichtes Spiel und im Gegensatz zu ihrem geliebten Wüstendieb hielt es sich nicht zurück, diesen Einfluss zu nutzen. Es kam ihr nahe, immer näher, formte einen Kreis um sie und züngelte auf. Es schloss sie in einem Kokon aus Wärme, Rot, Gelb und gleißendem Weiß ein, damit sie sich vollkommen auf ihr magisches Element konzentrieren konnte. Und dann teilte es ihr mit, wie sehr es an ihr hing. Nicht nur Caleb liebte sie. Feuer, ihr magischer Kern, liebte sie! Und es wollte seinerseits geliebt werden.
Madiha hatte es all die Jahre verstoßen, gemieden und in den Anfängen ihres Lebens einfach nicht gewusst, dass sie begabt war. Deshalb hatte es sich seinen eigenen Weg gebahnt, war aus ihr herausgebrochen, um ihr zu zeigen: Hier bin ich! Ich liebe dich! Lass uns das Leben gemeinsam angehen! Aber die Flammen waren dabei unkontrolliert und ungebändigt vorgegangen, selbst noch in unerfahrener Jugend und sich seiner eigenen Konsequenzen für das Handeln offenbar nicht bewusst. Madiha hatte eine Angst davor aufgebaut, eine Angst vor dem Zerstörerischen. Doch in letzter Zeit, gerade unter Kjetell'os weisender Führung hatte sie gelernt, die Flammen zu akzeptieren. Sie waren ein Teil von ihr, schon immer gewesen. Und sie wurde von ihnen so sehr geliebt, dass sie zumindest sie selbst nicht zerstören wollten. Sie könnten es, sie lechzten danach. Das machten die flackernden Worte des Feuers deutlich. Es begehrte Madihas brennbare Organe, ihr Haut und ihre Haut. Vielmehr aber begehrte es ihr Herz. Deshalb zeigte es sich als jemand, den sie liebte. Es wollte ebenfalls geliebt werden und sich endlich vollauf mit ihr verbunden fühlen. Nur so würden sie gemeinsam wachsen können ... und Feuer tendierte im Allgemeinen dazu, nach Wachstum zu streben.
Madiha spürte es, diese tiefe Sehnsucht, dass sie das letzte Zögern ablegen mochte, welches sie noch immer hinderte, in den Flammen ihres arkanen Seins aufzugehen. Die Ungeduld, die ihr Element benannte, rührte nicht vom Tau her. Das war uninteressant geworden, hing nun völlig außer Acht gelassen in der Hand der Sarmaerin, während sie ihre andere hob, die vorsichtig die Finger an die Wange des feurigen Caleb zu legen. Es war warm, mehr aber auch nicht. Kein Schmerz ließ sie zurückzucken. Ihre Haut färbte sich nicht rauchig schwarz und es stank auch nicht nach verbranntem Fleisch. Das Feuer suchte so sehr ihre Nähe, dass es für sie seine eigenen Eigenschaften zurückhielt. Es nahm den Kompromiss an, bevor Madiha ihn vorschlug. Sie wollte es nicht verbrennen. Es wollte durch sie brennen und deshalb behütete es sie, auch vor sich selbst. Es zeigte sich als genau das, was Madiha von Anfang an mit ihm hatte anstellen wollen. Das, was Kjetell'o versuchte, sie als erstes zu lehren: Schutz und Wärme. Das Zerstörerische war ein so geringer Aspekt geworden. Die guten überwogen alles.

Musikalische Untermalung: Spiritfarer OST - Main Theme

Feuer konnte nicht weinen. Es widerstrebte seiner eigenen Existenz. Genauso wenig konnte Wasser wohl für etwas brennen, Erde unbeschwert im Geiste dahinschweben und Luft bodenständig sein. Dennoch konnte kein Element ohne die anderen existieren. Viele, auch sehr viele Magier, sahen sich in Konkurrenz, wenn es um die elementare Magie ging. Zusammenarbeit war nicht verboten, doch genug lehnten sie ab. Dabei funktionierte es doch so gut!
Madihas Feuer weinte unter ihrer Berührung. Es flossen keine Tränen aus Wasser, denn dazu war es nicht in der Lage. Aber hitzige Funken fielen aus den weiß lodernden Augenhöhlen, glitten über Madihas Hand und hinterließen ein leichtes Prickeln. Flammen-Caleb lehnte sich in ihre Geste hinein. Er lächelte, während seine Konturen weniger wild loderten. Zahm, verliebt und noch immer sehnsüchtig suchte er Madihas Geborgenheit. Er suchte sie.
"Ich liebe dich auch ... Ich will dir die Freiheit geben, wie ich sie mir wünsche. Du bist ich ... und ich bin du ... wir sind eins und wir sind gleich..."
"Und jetzt sind wir frei."
Das Tau fiel. Madiha hob ihre zweite Hand, schloss die Wärme des Feuers mit ihren Fingern ein, berührte sie und fühlte sich selbst. Sie fühlte die Kraft, die in ihr schlummerte, nicht länger, um gemieden zu werden, sondern in harmonischem Vertrauen und bereit, für sie ebenso zu brennen wie umgekehrt. Gemeinsam würden Feuer und Seele empor züngeln, bis hinauf in den Himmel und heller lodern als Lysanthors Flammenball. Sie würden Licht bringen, Wärme und Schutz. Jetzt aber brachten sie einander die Liebe, wie sie nur zwischen einem Magier und seiner arkanen Kraft herrschen konnte. Die mächstigsten Bändiger von Elementen waren nicht zyranische Zauberer mit der höchsten Bildung. Es waren nicht begabte Wunderkinder, auch wenn Kjetell'o in Madiha ein solches sah. Es waren jene, die eins mit dem wurden, was sie führten, was in ihnen ruhte und was durch sie lebte. Es waren jene, die sich und ihre Seele in Liebe hingaben, um mit ihrer Magie zu verschmelzen.
"Wir sind reinigendes Feuer ... kein Inferno von katastrophalem Ausmaß. Wir wollen das Leben achten ... dafür verspreche ich dir, werde ich dir keine Ketten auferlegen, die du nicht tragen willst. Ich werde dich hören und dir geben, wonach du dich verzehrst ... Angefangen bei mir, wenn du mich willst!"
"Ich will dich ... so sehr, dass ich verbrenne vor Begehren ... vor Sehnsucht. Ich will dich .... endlich, Madiha." Als ihre Lippen sich an flammende Weichheit legten, die nicht brannte, wohl aber reinigte wie sie es geschworen hatte, da legten die flammenden Arme sich um ihren Leib. Sie umschlangen sie und Madiha spürte wie die Wärme anstieg. Sie spürte, dass aus Sehnsucht Freude entsprang und das Begehren über alle Grenzen hinweg wuchs. Es brach aus und loderte in alle Richtungen. Es durchbrach den Kokon, um Platz zu haben, sie aufzunehmen. Das Feuer empfing sie in einer Vereinigung, die sie auf körperlicher Ebene niemals würde begehen können. Es durchdrang und erfüllte sie, erhitzte sie und zugleich spornte es jede Pore ihres Leibes an, dafür zu brennen. Ekstase schoss mit der Temperatur geschmolzenen Seins durch ihre Adern und je näher es ihrem Herzen kam, desto mehr Wallungen überkamen ihre gesamte Existenz. Es existierte nichts Vergleichbares. Dieses Gemisch aus erregter Hitze, wilder ungezügelter Freiheit, Lust und Esktase nahm sie vollkommen ein. Das Feuer fraß sie nicht, es vereinte sich mit ihr auf eine Weise, dass Madiha gänzlich in ihm dahinschmolz. Ihre Seele würde nie wieder dieselbe sein, denn sie verbrannte zu Asche, die Nährboden für ihre Wiedergeburt wurde, welche sie als loderndes Flämmchen emporsteigen und zum Phönix werden ließ.

Was Madiha tief in ihrem Geiste erlebte, sah an Bord der Schattenmuräne ganz anders aus. Kjetell'o beobachtete aufmerksam, wie sie sich auf das Tau und ihr Innerstes konzentrierte. Er würde einschreiten, sähe er eine Gefahr, doch bisweilen focht Madiha einen eher ruhigen Konflikt mit ihrem Element aus. Der Elf achtete dennoch auf jede Regung und als die junge Frau plötzlich eine Hand inmitten ihrer eigenen hervorgerufenen Flamme hob, merkte er auf. Spätestens aber als sie das Tau fallen ließ, machte er einen Schritt auf sie zu, nur um im nächsten Moment von einer Druckwelle aus Hitze aus Madihas persönlicher Komfortzone gepresst zu werden.
"Hngh!" Kjetell'o lehnte sich gegen diese unsichtbare Mauer, drückte seine Hand hinein im Versuch, seine Schülerin zu erreichen. Dann loderten sichtbare Flammen auf. Sie wuchsen um Madihas Hand herum, breiteten sich aber nicht zu Kjetell'o hin aus. Sie wollten ihn nicht angreifen. Sie schlängelten sich am Arm der jungen Magierin entlang. Sie umhüllten erst ihre Haut, dann ihre Kleidung. Sie breiteten sich über Schultern, Brust, Kopf und Bauch aus. Dann brannten auch die Beine und schon stand Madiha Al'Sarma lichterloh in Flammen. Das Feuer war nicht mehr zu übersehen. Vom Heck aus schauten Steuermann, der Gnomentechniker, der Navigator und der Kapitän bis zum Bug herüber. Caleb rief etwas, aber es ging in den Warnschreien vom Krähennest aus unter.
"FEUER! DAS SCHIFF BRENNT! FEUER AM BUG!", ertönten die Signale, welche die gesamte Mannschaft sofort in Aufruhr versetzte. Erste der dunkelelfischen Matrosen schnappten sich Eimer und andere Behältnisse, um sie sofort an Stricke zu binden und mit Meerwasser zu füllen. Weitere bildeten bereits eine Transportkette an Deck, aber noch waren sie weit weg von der brennenden Gestalt Madihas und eines Kjetell'o Aschwurz, der soeben die Mauer bloßer Hitze endlich überwinden konnte. Bevor Madihas Füße von ihren eigenen Flammen umhüllt wurden, gelang es ihm, sie zu erreichen. Ungeachtet der Schäden, die er sich selbst zufügen könnte, packte er sie und hob sie wie eine Braut aus purem Feuer auf seine Arme. Er schrie auf ob der Hitze, dann schrie er ihren Namen: "Madiha! MADIHA!" Doch sie hörte nicht. Sie brannte, stand in vollommener Vereinigung mit ihrem Feuer. Ihr Gesicht war nicht mehr zu erkennen, denn alles loderte in rotgoldener Masse und ihr Herz als Kern war gleißend weiß geworden.
"Löschen! Löschen!", riefen einige der Matrosen.
"Helft ihr!", brüllte Caleb, als er mit großen Sprüngen an ihnen vorbei huschte. Im Lauf schnappte er sich einen der gefüllten Wassereimer, war drauf und dran, ihn einfach samt Inhalt nach Madiha und Kjetell'o zu werfen, als der Shyáner ihm Einhalt gebot. "Nicht!", rief er und seine Stimme klang fest und ... überraschend ruhig. Er wandte sich der versammelten Mannschaft und ihrem Kapitän zu. "Es ist ein Wunder", keuchte er und bewies ihnen, was er meinte, indem er bei Madihas Körper noch einmal nachgriff.
Das Feuer loderte. Es leckte über seine Arme hinweg und hätte auch das Schiff längst mit einem Brandfleck versehen haben müssen, doch es geschah einfach ... nichts. "Es ist heiß, aber nicht unerträglich", stieß der Elf überrascht aus. Seine Erleichterung konnte er allerdings ebenso wenig verbergen. Er war froh, dass dieser Versuch nicht aus dem Ruder geriet.
"Sie brennt!", keifte Caleb ihn hingegen an, doch Kjetell'o lachte nur auf und nickte. "Ja, genau das tut sie. Sie ... hat sich gefunden!" Kjetell'o setzte zum Erstaunen aller Versammelten die brennende Gestalt, welche Madiha geworden war, wieder ab. Er setzte ihre blanken Füße auf das Deck. Das Feuer züngelte über die Planken, hinterließ aber nur minimalste Rußflecken. Sie reichten nicht, um sich auch nur ansatzweise Sorgen machen zu müssen. Dann berührte er durch die flackernden Flammen hindruch Madihas Gesicht, griff ihr sanft unter das Kinn und hob es an. "Du bist erstaunlich. Aber es genügt jetzt. Ihr macht den Nichtmagiern Angst." Er lächelte im sanftesten und geduldigsten Tadel, den je ein Lehrmeister über seine Schülerin ausgesprochen hatte. Doch konnte jene ihn hören?

Madiha kreiste im Taumel der Ekstase. Kein Höhepunkt mit Caleb hatte sich jemals so angefühlt. Gleichzeitig konnte man auch keinen davon mit dem vergleichen, was sie gerade erlebte. Die Vereinigung mit ihrem Feuer zwischen Magie und ihrer Seele fand auf einer vollkommen anderen Ebene statt. Es war überwältigend, wunderbar und niemals zuvor hatte Madiha sich so ... vollkommen gefühlt. Es war unbeschreiblich.
"Ich werde dich niemals verlassen und immer für dich brennen, wenn du es auch für mich tust", versprach ihr die Magie mit der rauchigen Stimme eines brennenden Calebs. Sie spürte Küsse auf jedem Millimeter ihres Körpers. Sie fühlte seine erhitzten Hände, wie er sie berührte, streichelte, sie befriedigte. Sie spürte ... lodernde Flammenlanzen, die ihre Seele mit so viel Freude penetrierten, dass sie glaubte, in ihrem Glück gleich zerspringen zu dürfen.
Und dann fühlte sie etwas Anderes. Es war ebenfalls heiß. Es war ebenfalls ... Feuer ... und doch hätte Madiha es nur als kühlere Version ihrer eigenen Macht bezeichnen können. Im Gegensatz zu ihrem Flächenbrand versuchte gerade ein Kerzenlicht auf sich aufmerksam zu machen, aber es gelang diesem, weil es klein war und sich mild in ihrem Schein sonnte. Es existierte - stark genug, um jegliche Dunkelheit in die Schranken zu weisen, aber verglichen mit ihr so schwach, dass ihr Wunsch, Schutz zu spenden sofort darauf aufmerksam wurde. Es berührte sie unterhalb des Kinns, hob ihren Kopf an und plötzlich schaute sie in einen Wald, umgeben von goldenen Flammen. Nur leise drang eine Stimme zu ihr hindurch: "Du bist erstaunlich."
"Wir sind erstaunlich", korrigierte die Feuermagie, versuchte aber nicht, das Kerzenflämmchen zu ersticken. Auch verschlang es jenes nicht. Es blieb ruhig, umschmeichelte Madiha wie ein Gewand aus flüssiger Lust.
"Aber es genügt jetzt. Ihr macht den Nichtmagierin Angst."
"Ich werde alles schützen, was du liebst. Weil du mich liebst ... Madiha Al'Sarma. Madiha, die aus dem Feuer Geborene. Schau in dein Leben mit neuer Seele und neuen Sinnen ... und meiner Kraft."

Die Flammen vergingen. Madihas Gestalt hob sich wieder aus ihnen heraus, vollkommen unversehrt. Keine schwarz verbrannten Finger, keine Brandblasen oder geschmolzene Haut. Nicht einmal ein Haar war ihr angesengt worden. Sie tauchte einfach aus der lodernden Gestalt ihrer selbst wieder auf, stand an Deck, als wäre nie etwas geschehen. Nur das Tau, das lag vergessen und leicht rußig zu ihren Füßen.
"Madi!" Calebs Arme schlangen sich um sie. Dieses Mal war es der echte Caleb und er drückte Madiha eng an sich, während sie das Zittern in seiner Stimme hören konnte. "Geht es dir gut? Was ist passiert? Du standest in Flammen und ... ist alles in Ordnung? Ich bin so froh, dass du unverletzt bist. Bist du doch, oder?" Er hielt sie und würde nicht zulassen, dass jemand ihn jetzt von ihr löste, außer Madiha selsbt täte es.
Kjetell'o beobachtete die beiden kurz, ehe er sich an die Mannschaft wandte. "Habt ihr sie gesehen? Dies ist die Frau, die nach Sarma geht, um Veränderung herbeizuführen. Nicht mit Flammen der Gewalt, nicht mit Zerstörung. So wie sie das Schiff und auch sich selbst verschont hat, wird sie euresgleichen, das dunkle Volk verschonen. Ihr Feuer wird reinigen und Sarma ein neues Zeitalter bescheren. Segelt unter ihrer Führung und ihr werdet Teil dieses historischen Ereignisses. Wer hier an Bord mit euch reist, ist eine neue Feuerhexe Celcias!"


Mod-Hinweis: Madiha hat die letzten Ketten zwischen sich und ihres arkanen Kräften gesprengt, sich mit ihren elementaren Mächten vereint und darf ihre Feuermagie auf Stufe "gut" setzen - bitte im Profil (und bei Bedarf auch im Steckbrief) aktualisieren!
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Montag 29. Juli 2024, 10:34

Niemand hätte je geglaubt, dass in dem dürren, dreckigen Kind irgendetwas vorhanden war, außer tausende Seelenfragmente. Zerschlagen durch jahrelangen Missbrauch und Entzug von Wärme, sowie Liebe. Doch Madiha hatte den Glauben an sich nie verloren. Sie hatte den Peinigern getrotzt und sollte schließlich Recht behalten. Madiha hatte den ursprünglich schwarzen Klumpen in sich in etwas vollkommen neues verwandelt. Sie hatte aufgehört ihn als etwas Fremdes anzusehen und sich nach und nach geöffnet. Nun aber stand sie im Vollbrand auf einem Schiff in Richtung Sarma. Den Tumult um sich herum bekam sie nicht mit. Gebannt starrte sie in das lodernde Antlitz von Caleb und hieß ihre Magie auf eine Weise willkommen, die wohl niemand verstehen konnte. Madiha liebte ihre Magie, wie sie Caleb liebte. Innig, aufrichtig und mit allem, was sie geben konnte. Dass jene Magie ebenso empfand, war ebenfalls ein Wunder für das Mädchen. Noch immer hatte sie keinen Anspruch daran entwickelt, geliebt zu werden und ging behutsam mit diesem Glück um. Madiha zeigte dem Feuer aber, dass sie es ernst meinte. Wer von ihr geliebt wurde, brauchte sich keine Sorgen zu machen. Sie war aufrichtig und ehrlich und nichts anderes würde jemand erhalten, der sich an sie wandte. Madiha willigte ein das Feuer zu lieben. Es sehnte sich danach und sie war mehr als willens, ihm das zu geben.

Als sie die Feuergestalt zu sich zog und die brennenden Lippen mit ihren versiegelte wollte Madiha vor Rührung weinen. Doch das Feuer verhinderte die Bildung von Tränen. Es war nicht wichtig, denn ihr Herz schlug in einem aufgelegten Rhythmus, während es in ihrem Körper kribbelte. Madiha seufzte, ließ sich fallen und verschmolzen mit ihrem Element zu einer neuen Einheit. Diesen Moment zu beschreiben, erschien Madiha unmöglich. Zu fühlen, was sie fühlte war ein Privileg, das wusste sie. Sie drückte sich an den flammenden Körper, verlor sämtliche Barrieren, wenn es noch welche gegeben hatte. Sie wurde eins, wollte von ihrem Feuer ausgefüllt und beseelt werden. Es fühlte sich unsagbar befreiend an. So elektrisierend dieser Moment war, es war weit mehr als Leidenschaft, Hunger und Ekstase. Jedes Mal, wenn die Flammen in ihr hochzüngelten, sie liebkosten und ihren Körper aufs Neue im Brand setzten, wusste Madiha tief in ihrer Seele eingebrannt, dass sie niemals wieder allein sein würde. Es, das Feuer, wäre da. Es hatte ihr versprochen, dass es immer an ihrer Seite, in ihrer Seele sein würde und Madiha zweifelte keine Sekunde daran. Sie brannte für dieses Element und nichts würde das jemals ändern.
Was Madiha erfuhr, war einzigartig. Es sollte ewig lange dauern, sie wollte dieses Gefühl niemals wieder vergessen und schrieb mithilfe von Flammen ihre Seele neu. Sie verbrannte alles Alte und stand vollkommen nackt, unbeschrieben vor ihrem Element. Das Kind der Wüste, ohne Nachnamen, ohne Wurzeln und ohne Zukunft, schrieb ihr Schicksal neu. “Du bist erstaunlich.“
„Wir sind erstaunlich!“
„Aber es genügt jetzt. Ihr macht den Nichtmagierin Angst.“
„Ich werde alles schützen, was du liebst. Weil du mich liebst … Madiha Al’Sarma. Madiha, die aus dem Feuer Geborene. Schau in dein Leben mit neuer Seele und neuen Sinnen … und meiner Kraft.“


Madiha hatte das Gefühl aus einem langen Schlaf in den tiefsten Tiefen des Ozeans zu kommen. Als sie aus dem Taumel der Verbindung mit ihrem Element auftauchte, holte sie tief und reichlich Luft. Das Mädchen öffnete mit einem Schlag die Augen und Feuer glühte in den sonst so graublauen Augen. Madiha starrte für einige Sekunden einfach nur vor sich hin. Sie war noch gefangen in dem, was sie erlebt hatte und musste erst in die Wirklichkeit zurückfinden. “Madi! Geht es dir gut? Was ist passiert? Du standest in Flammen und ... ist alles in Ordnung? Ich bin so froh, dass du unverletzt bist. Bist du doch, oder?" Madiha blinzelte und das Feuer in ihren Augen erlosch. Ihre natürliche Farbe kehrte zurück, doch es schien, als hätten sich kleine, feine gelbgoldene Sprenkel in ihr Blau gemixt, die ihren Blick veränderten. Vielleicht würde es bleiben, vielleicht würde es gehen, aber sie hatte sich verändert. Das spürte sie deutlich. Ihr Blick fokussierte sich auf Caleb, der sie in die Arme schloss. Madiha lächelte und erwiderte die Umarmung, schließlich aber drückte sie ihn etwas von sich weg und funkelte ihn an. Ohne weiter darüber nachzudenken, zog sie Caleb an sich und küsste ihn so innig und voller Leidenschaft, dass für niemanden Zweifel daran bestehen dürfte, wie sehr sie ihn liebte. Sie nahm sich diesen Moment ohne Scheu und ohne Zurückhaltung. „Mir geht es gut!“, raunte sie ihm an seinen Lippen zu, ehe Kjetell’os Stimme erklang: “Habt ihr sie gesehen? Dies ist die Frau, die nach Sarma geht, um Veränderung herbeizuführen. Nicht mit Flammen der Gewalt, nicht mit Zerstörung. So wie sie das Schiff und auch sich selbst verschont hat, wird sie euresgleichen, das dunkle Volk verschonen. Ihr Feuer wird reinigen und Sarma ein neues Zeitalter bescheren. Segelt unter ihrer Führung und ihr werdet Teil dieses historischen Ereignisses. Wer hier an Bord mit euch reist, ist eine neue Feuerhexe Celcias!“ Sie sah zu dem Waldelf und konnte nicht anders als breit zu lächeln.

Ja! SIE war eine Feuerhexe. Das Feuer war bei ihr und würde mit ihr gemeinsam kämpfen! Madiha blickte daraufhin zuversichtlich in die Runde. „Wir werden Sarma befreien!“, rief sie und glaubte in diesem Moment daran. Sie befand sich noch in der innigen Umarmung der Flammen und genoss diese Zuversucht und Stärke, die sie spürte. Sie wollte sie übertragen, solange sie anhielt. Madiha wusste, dass es nicht immer so sein würde, aber für diesen Moment, da war sie stark, mächtig gar und willens, den anderen diese Macht zuteilwerden zu lassen. Dann aber drehte sie sich zu Caleb und stand immer noch in seiner Umarmung. „Ich bin keine Gefahr mehr!“, flüsterte sie ihm überglücklich und erleichtert zu. „Das Feuer ist meine Seele… es ist… ich, ich habe alle Ketten gesprengt, es hält mich nicht mehr fest. Und… es liebt mich, Caleb.“ Ihr Blick wanderte zu Kjetell’o „Ich habe deine Übung nicht beendet… ich wollte es, aber dann trat das Feuer hervor und ich konnte mit ihm reden… wie ist das nur möglich? Aber ganz gleich… ich fühle mich so… vollständig und … neugeboren. Ich bin gereinigt. Meine Vergangenheit ist ausgebrannt und… ich kann meine Zukunft im Feuer erkennen…“, murmelte sie. Vielleicht war es etwas überschwänglich, vielleicht etwas viel, aber Madiha war wie betrunken von dem, was sie eben erfahren durfte.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 31. Juli 2024, 08:42

Feuer galt allgemeinhin bekannt zerstörerisch. Natürlich konnten die Flammen auch wärmen und gerade in kühleren Gegenden Celcias war man auf eine Zuflucht am Kamin oder ein Lagerfeuer in der Runde angewiesen. Man wusste zu schätzen, was einem die züngelnden Flammen schenken konnten. Letzten Endes beobachtete man aber nur im Schutz der Wärme, wie sich die Flammen über ihre Opfer - Holz, Kohlebrocken oder jeglich anderes, brennbares Material - hermachten. Man schaute zu, wie es fraß, wie es ... zerstörte.
Auch Madiha wurde vom Feuer gefressen. Die Magie nahm sie in sich auf, vereinte sich mit ihrer Seele, schmolz und zersetzte sie. Aber das heißeste aller Elemente war nicht hier, um die Asche ihrer Seele zurückzulassen, denn dann würde es selbst verlöschen. Die Feuermagie aber hatte Madiha soeben nicht nur Treue geschworen, sondern auch seine Zuneigung offengelegt. Sie liebte das dürre, vernarbte Mädchen aus Sarma. Und anstatt es zu zerstören, schmolz es das Kind ein, so wie man Sand schmolz, um daraus anschließend traumhafte Kunstwerke aus Glas zu brennen. Madiha brannte, heiß und innig, voller Liebe für ihre Gabe und jene schenkte ihr eine gleichermaßen bedingungslose Liebe zurück. Sie hielten einander, tanzten zusammen, küssten und lieben sich. Sie vergingen gemeinsam, bis nur noch Asche übrig war und dann wurden sie neu geboren, als eine Einheit. Der Phönix schälte sich aus dem verbrannten Häuflein und noch ehe er seinen ersten Ton in die Welt krächzen konnte, spannte er seine Flügel auf, um sich in die Freiheit und zurück ins Leben zu stoßen. Er stob weit in den Himmel hinauf, färbte das Firmanent rotgolden mit seinem Gefieder und hinterließ dort brennende Funken wie Sterne. In einem kometenhaften Reigen jagte er am Horizont entlang, bis er sich dort zur Sonne für andere formte ... und leuchtete.

Madiha kehrte in das Hier und Jetzt zurück. Sie fühlte sich nur für den Bruchteil einer Sekunde etwas wacklig auf den Beinen. Im nächsten Moment aber spürte sie die Kraft, welche sie vollends erfüllte. Sie war schon immer vorhanden gewesen, hatte aber tief in ihrem Inneren geschlafen. Nur gelegentlich war sie hervorgebrochen, wenn die Gitterstäbe aus Emotionen sie nicht mehr im Käfig hatten halten können. Dann hatte Madiha den Shýaner Elfen Kjetell'o kennen gelernt. Er unterrichtete sie, zeigte ihr, wie man die Kraft behutsam aus dem Käfig holte und ihr Vertrauen gewann. Nun aber war sie mehr. Sie hatte keine Bestie aus ihrem Gefängnis befreit, sondern einen lange vermissten Teil ihrer selbst. Einen Freund, von Geburt an und als beide einander erkannten, waren sie wieder eins geworden. Die junge Sarmaerin fühlte es in jeder Pore, mit jedem Atemzug und jedem Augenaufschlag, den sie auf Celcia richtete. In ihr lebte und brannte es, und das tat gut!
Sie erwachte in Calebs starken Armen. Er hielt sie umschlungen, voller Sorge. Sie aber atmete tief durch und glaubte, die erfrischende Luft besser wahrnehmen zu können als jemals zuvor. Es war nicht ihr Element, aber das machte es nicht zum Feind. Sie könnte sich mit der Luft auf etwas Neues einlassen, sie einladen, mit ihr zu spielen und einen Feuersturm zu entfachen. Die Möglichkeiten breiteten sich vor ihr aus so wie Caleb sein schützendes Schild aus Liebe über sie legte. Madiha fühlte sich ... großartig!
Sie schaute Caleb an und er erstarrte. Nicht vor Schreck, das erkannte sie. Sie sah seine Fjorde, die ihre Augen musterten und sie konnte in Calebs blaugrünen Gewässern die Reflektionen ihrer eigenen Goldsprenkel erkennen. Es erinnerte an Kjetell'os von Sonnenflecken umschmeichelte Wälder, die manchmal in Flammen zu stehen schienen. Bei Madiha aber war es ein sturmgrauer Himmel, an dem brennende Sterne wie Hoffnungslichter funkelten. Caleb starrte wie gebannt darauf, dass sie sich nicht mehr zurückhalten konnte. Sie drückte ihn nur so weit von sich fort, als dass sie "Anlauf" nehmen und seine Lippen mit einem leidenschaftlichen Kuss versiegeln konnte. Unter ihrer Liebe zuckte Caleb kurz zusammen, dann erwiderte er sie, gab sie zurück und niemals zuvor hatten Madihas Lippen dabei derart warm geprickelt. Wo sie zuvor schon glaubte, mit Caleb vollkommene Liebe gefunden zu haben, wurde es durch ihre eigene Vollständigkeit mit dem Feuer nun auf eine weitere Ebene gehoben. Sie teilten den schönsten Kuss ihrer bisherigen gemeinsamen Zeit und keiner von beiden wollte sich zu früh daraus lösen.
Die Umstehenden ließen ihnen diese Zeit. Erst nach einer Weile verkündete Kjetell'o die Geburt einer neuen Feuerhexe auf Celcia. Außerdem versprach er der versammelten Mannschaft aus rein männlichen Dunkelelfen, dass man ihresgleichen in Sarma nicht zerstören und fressen würde wie Madihas Feuer es nun sicherlich könnte. Nein, man würde sie in den Schutz der Flammen holen, ihre feindseligen Gedanken reinigen und ihre Seelen wärmen. Und das alles sollte unter Madihas Kommando geschehen!
Sie löste sich von Calebs Lippen, die immer ein wenig würzig schmeckten, um in die Reihen der Elfen zu schauen. Sie erkannte skeptische Blicke, aber es waren nur wenige. Die meisten Augenpaare musterten sie ... mit Hoffnung. Sie erkannte eine Sehnsucht in den Gemütern vieler Elfen, selbst wenn sie eher unheimlich daherkamen. Aber diese Männer hatten einen Eroberungsfeldzug mitgemacht. Sie hatten Andunie belagert und schließlich fallen sehen. Sie hatten gewiss viele Leben genommen, allerdings auch ihr eigenes. Ihre Seelen hatten gelitten, weil sie den Befehl eines einzelnen ausführten, der nicht einmal die Klinge an den Hals eines Anduniers gelegt hatte. Ein einziger, der ihre Väter, Brüder, Schwestern, Bräute auch nach Sarma entsandt hatte, wo sie abgeschlachtet wurden und selbst abschlachteten. Der Großteil dieser rund zwei Dutzend Dunkelelfen an Bord hatte genug. Sie hatten genug erlebt und getan. Sie wollten zurück zu ihren Familien und mit diesen in Frieden leben. Aber vielleicht fanden sich Teile jener Familie auch in Madihas Heimat. Nichts nahm die Last mehr von den vernarbten Herzen als die Versicherung, dass man jene Familien nicht auslöschen wollte. Und so wandte auch sie sich noch einmal an die Mannschaft: "Wir werden Sarma befreien!"
"Und euch", ergänzte Kjetell'o, da einige der Elfen bereits die Brauen hoben, denn im Grunde gehörten ihresgleichen nicht zu Sarma. Noch nicht. Würden sie Calebs Mission verfolgen, die inzwischen auch Madihas geworden war, so sollte sich etwas Neues aufbauen. Sarmaer und Dunkelelfen, ob das möglich wäre? Doch es brauchte Madiha noch nicht zu kümmern. Erst einmal musste die Schattenmuräne die Insel erreichen. Für sie hingegen galt es nun, eine weitere Nachricht zu verkünden, die ihr ihrerseits immer schwer auf der Seele gelastet hatte. So schaute sie Caleb an. "Ich bin keine Gefahr mehr! Das Feuer ist meine Seele ... es ist ... ich, ich habe alle Ketten gesprengt, es hält mich nicht mehr fest. Und ... es liebt mich, Caleb."
"Konkurrenz, hm?", feixte er mit seinem einzigartigen schiefen Grinsen, das niemandem besser zu Gesicht stand als diesem Spitzbuben von einem Mann. Er hob seine Hand, fuhr Madihas Narbe nach und murmelte gedankenverloren: "Ich hab's gesehen. Durch dein Gesicht floss reinste Lava und sie brachte dich zum Glühen." Dann kehrte seine volle Aufmerksamkeit zu Madiha zurück. Er schaute sie mit ernsten Augen an. "Doch, du bist eine Gefahr, weiterhin. Die größte von allen, aber auch nur für mich. Ich verfalle dir, ich verbrenne mich an dir und ich liebe es ... ich liebe diese Gefahr. Ich liebe dich, Madi. Damit muss dein Feuer leben, einverstanden?"
"Einverstanden." Madiha spürte die Antwort als hitziges Pochen in ihrem Schoß. Da Feuer liebte Caleb ebenfalls, denn nur er schaffte es, es weiter in Madiha anzufachen. In ihrem Schoß, in ihrem Herzen. Ihre Magie hatte nichts dagegen, wenn durch Caleb neue Kraft in den Körper seiner Anwenderin getrieben wurde. Vielleicht hätten Caleb und Madiha auch genau das am liebsten jetzt getan, direkt an Deck, heiß und innig. Doch der Unterricht war noch nicht vorbei. Kjetell'o räusperte sich: "Auch wenn du nun die Macht einer jungen Feuerhexe besitzen magst, musste du weiterhin üben. Du musst eine Balance finden. Außerdem möchte ich sehen, was du kannst, Madiha." Er winkte sie auffordernd zu sich. Caleb nickte geschlagen, löste sich mit einem letzten Kuss von seiner Liebsten. Dann wandte er sich der Mannschaft zu, brüllte ein paar Befehle und schon kehrte jene zu ihren Pflichten zurück. "Bring ihr was Nützliches ein, Elf", scherzte er mit einem Wink zu Kjetell'o. Madiha schenkte er noch Blick, ein Nicken. Er musste zurück zum Ruder, doch schon bald würden sie herausfinden, wie feurig es auch körperlich zwischen ihnen nun laufen würde. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt.
Sobald Caleb sich verabschiedet hatte, trat Kjetell'o an die Seite der Sarmaerin. "Ich glaube, die Übung mit dem Tau ist nun hinfällig. Ich traue dir jetzt weitaus mehr zu." Er legte ihr eine Hand sanft in den Nacken, wie bei Corax. Er kraulte sie auch dort, wenngleich eher flüchtig. Kjetell'o besaß keinen anzüglichen Hintergedanken hierbei. "Schnee kann ich dir im Moment nicht bieten, aber ... Möchtest du das Meer sehen? Ich meine, unterhalb der Wellen?", fragte er und lächelte sie dann an. "Es wird enorm viel Kraft kosten, weil wir uns direkt in unser Kontrast-Element stürzen würden, aber ... es lohnt sich, glaube mir. Du darfst nur das Tau nicht verbrennen, dann wird es gelingen." Er musterte seine Schülerin eine Weile. "Ich schätze, zehn Minuten könnten wir schaffen, ohne in Bedrängnis zu geraten. Willst du es versuchen und bis zum Grund tauchen?"
"Das Meer? Dort ist es kalt und nass, aber ich würde uns wärmen, Liebste. Wir schaffen das!"
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Montag 5. August 2024, 13:49

Schon immer hatte sich Madiha geringer geschätzt als andere. Sie stand stets weit hinter anderen, immer im Schatten und unsichtbar für das wahre Leben. Nicht nur ihr Aufwachsen hatte für diese Gedanken gesorgt, auch der Verlust ihrer Mutter. Das Alleinsein. Niemand war da gewesen, der sich ihrer hätte auf liebevolle Weise annehmen können. Alles, was Madiha in ihrem Leben gehabt hatte war der Trotz gewesen. Der schiere Unglaube darüber, dass das das Leben wäre, das sie führen sollte. Während Madiha sich ihrer Magie vollkommen öffnete, erkannte sie nicht nur die Macht hinter dieser Liaison. Sie erkannte auch, dass es das Feuer gewesen war, das ihr diesen unbändigen Willen zum Leben gegeben hatte. Es wollte stets nur das Beste für sie und sie hatte instinktiv dafür gesorgt, dass es niemals erlöschen würde. Ihr Lebensfunke, der sich längst zu einem Flächenbrand ausweitete, gab ihr die Absolution, die sie vielleicht selbst niemals dermaßen erfahren hätte. Und sie übertrug dieses Hochgefühl auf eben jenen, den sie ganz aufrichtig, ganz ehrlich und vollkommen liebte. Caleb starrte sie an, doch Madiha ließ sich nicht mehr aufhalten und in jenem Moment nicht mehr verunsichern. Sie zog ihn an sich mit einer neuen Selbstverständlichkeit. Er gehörte zu ihr und sie zu ihm, solange er das wollte! Der Kuss, den sie Caleb schenkte, war innig, heiß prickelnd und über jeden Zweifel erhaben. Sie verlor sich darin, hätte vermutlich alles weitere ausgeblendet, wenn Kjetell’o nicht gesprochen hätte.

Ihr Atem ging schneller, während sie sich von Caleb löste und in die Gesichter der Umstehenden blickte. Sie würde ihr Schicksal erfüllen und es in den Dienst dieser und aller weiterer stellen, wenn sie sie ließen. Madiha wollte für sie kämpfen, damit sie frei sein konnte, so, wie sie es war. Sie nickte bei Kjetell’os Ergänzung und blickte daraufhin wieder Caleb an. In dem Funken geküssten Blick lag eine neue Hoffnung. Sie würde seinen Plan auch in Sarma verfolgen. Sie würde ein Sarma schaffen für alle. Und sie würde es verändern. Vermutlich war sie noch ein wenig zu euphorisch, etwas zu erhitzt von dieser neuen Wendung, aber sie hegte tatsächlich den Wunsch, dass sich die Stadt der Wüste in ein neues Gewand kleidete. So, wie es Caleb für Andunie hoffte. Konnten sie beide das schaffen? Die Stadt des Wassers, die Stadt des Feuers? Beide neue Orte, an denen jeder sein durfte, der es sich wünschte? Madiha spürte einen leisen Nachhall in sich klingen. Einen Schritt nach dem anderen. Sie durfte nun nicht übermütig werden, auch wenn sie sich größer, sichtbarer und stärker denn je fühlte. Und jene Stärke wurde aus der Gewissheit geboren, dass sie nicht länger gefährlich sein musste. Dass das Feuer sich bereiterklärte, alles zu schützen, was Madiha wichtig war. “Konkurrenz, hm?“, grinste Caleb sie an und sie hob für einen Moment fragend die Augenbrauen, ehe sie verstand. Nun lächelte sie auch, zog sich selbst in eine Umarmung ihres Diebes und lächelte. Er berührte ihre Narben, sodass sie einen Moment die Augen unter der Berührung schloss. “Ich hab’s gesehen. Durch dein Gesicht floss reinste Lava und sie brachte dich zum Glühen.“ Sie lauschte seinem Gemurmel und hatte ja keine Ahnung, wie es für die Anwesenden gewesen sein musste. Sie spürte nur diese Wärme in sich, die sich nicht mehr abschütteln ließ. “Doch, du bist eine Gefahr, weiterhin. Die Größte von allen, aber auch nur für mich. Ich verfalle dir, ich verbrenne mich an dir und ich liebe es… ich liebe diese Gefahr. Ich liebe dich, Madi. Damit muss dein Feuer leben, einverstanden?“ Madiha blickte Caleb in die Augen und schloss ihre bereits, als sie sich erneut vorneigte und dem pochenden Gefühl in ihrem Schoß nachgab. Caleb konnte es von ihren Lippen schmecken, dass das Feuer sich einverstanden erklärte. Bevor die Leidenschaft allerdings alles andere ausblendete und sich Madiha Caleb auf eine Weise hingab, für die es an Bord im Moment keinen Platz gab, unterband Kjetell’o auf seine höfliche Art und Weise, dieses Begehren. Madiha tauchte aus diesem Taumel auf.
Sie keuchte und spürte in sich dieses lodernde Verlangen nach Caleb’s Berührungen. Es fiel ihr ungemein schwer, sich nun zu lösen. Sie musste jetzt erst lernen, sich mit diesem neuen ‚Ich‘ zu arrangieren. Es war nicht gänzlich fremd, aber ungewohnt. Nie hatte Madiha dieses Gefühl von Unantastbarkeit gefühlt. Sie fühlte sich wahrlich stark und unabhängig. Aber da waren auch noch andere Gefühle, die sie so noch nicht erlebt hatte. Gerade die Liebe zu Caleb wurde noch mal auf ein anderes Level gehoben, doch davon musste sie sich nun lösen. Schließlich hatte sich nichts grundsätzlich daran geändert, dass sie lernen wollte und nun auch musste – mehr denn je!

Also erhob sich Madiha, wandte sich mit einem vielsagenden Lächeln von Caleb ab und blickte daraufhin mit geröteten Wangen zum Waldelf. “Auch wenn du nun die Macht einer jungen Feuerhexe besitzen magst, musst du weiterhin üben. Du musst eine Balance finden. Außerdem möchte ich sehen, was du kannst, Madiha.“ Sie nickte pflichtschuldig, konnte aber dennoch das feine Grinsen nicht recht ablegen. Madiha war wie beflügelt. Vielleicht berauscht. Sie bekam noch einen Kuss von Caleb, der sich daraufhin verabschiedete. Sie musterte ihn, biss sich auf die Unterlippe und schenkte ihm einen sehnsüchtigen Blick aus neuen Augen. Die Sprenkel verschwanden nicht mehr. Sie glitzerten wie der Funkenflug vor einem blaugrauen Nachthimmel. Dann aber löste sie sich endlich und widmete Kjetell’o ihre Konzentration. “Ich glaube, die Übung mit dem Tau ist nun hinfällig. Ich traue dir jetzt weitaus mehr zu.“ Als er seine Hand in ihren Nacken legte, zuckte Madiha zusammen und versteifte sich. Sie hatte ihm schon einmal gesagt, dass sie das nicht mochte. So entwand sie sich seinen Fingern und trat zum Schein auf die Reling zu. Sie schaute auf das Wasser und ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. “Schnee kann ich dir im Moment nicht bieten, aber… Möchtest du das Meer sehen? Ich meine, unterhalb der Wellen? Es wird enorm viel Kraft kosten, weil wir uns direkt in unser Kontras-Element stürzen würden, aber… es lohnt sich, glaube mir. Du darfst nur das Tau nicht verbrennen, dann wird es gelingen.“
Madiha sah Kjettel'o zweifelnd an. „Du meinst, wir… tauchen da rein?“, fragte sie und deutete auf das Meer, dessen Wellen sich am Schiffsbauch brachen. Skepsis schimmerte durch ihre Augen. Madiha zögerte. „Ich kann gar nicht schwimmen…“, murmelte sie und schluckte. Es kam ihr schon etwas sehr gewagt vor, sich jetzt in die Fluten zu stürzen. Was wollte der Waldelf erreichen? “Ich schätze, zehn Minuten könnten wir schaffen, ohne in Bedrängnis zu geraten. Willst du es versuchen und bis zum Grund tauchen?“ „Das Meer? Dort ist es kalt und nass, aber ich würde uns wärmen, Liebste. Wir schaffen das!“ Madiha blickte erneut in die Gischt. Sie spürte den Wiederwillen gegen das Wasser eine Spur deutlicher als noch auf ihrer Fahrt nach Andunie. Dort war es ein leichter Taumel gewesen, in der Akademie dann schon erheblich mehr. Das Feuer hatte sich gegen sämtliche Einflüsse wehren wollen, hatte aufgeschrien, doch Madiha hatte keine Ahnung gehabt, wie sie dem entkommen konnte. Jetzt, da sie die Verbindung eingegangen war, spürte sie die Angst vor dem anderen Element. Aber sie selbst erinnerte sich an ihre kleine Auszeit mit Caleb, als sie in den Fluten auch Schönes gefunden hatte. Dass das Meer auch eine eigene Schönheit hatte, die sie durchaus imstande war zu sehen. Ihre Hand griff nach der Muschel um ihren Hals. Sie befühlte die raue Oberfläche und lächelte mit einem Mal. „Tun wirs!“, sagte sie und schloss einen Moment die Augen. Und ich beschütze dich, dass du keine Angst haben musst zu vergehen. Wasser ist Leben. Wasser ist Kraft… ich lasse nicht zu, dass es dich auslöscht…, dachte sie an ihr Feuer gerichtet. Sie barg eine Zuversicht in diese Worte, auch wenn sie sich selbst noch etwas unsicher war, ob sie selbst – sie Madiha ohne irgendwelche Kräfte und Macht – das überstehen konnte. Würde sie schwimmen können? Oder würde Kjetell’o ihr helfen? Sie wandte sich an den Elf. Dann nickte sie. „Lass uns sehen, wozu wir im Stande sind!“, willigte sie voller Eifer ein, sich eine neue Seele mit neuer Zukunft zu schreiben.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Montag 5. August 2024, 18:59

Madihas erste frühe Jahre waren nicht leicht gewesen. Vor allem aber hatte sie Trotz zum Überleben gehabt, anstatt Liebe, nachdem ihre Mutter gestorben war und sie sich hatte allein durchschlagen müssen. Jetzt aber hatte sie gleich in doppeltem Maße Liebe gefunden. Caleb liebte und hielt sie eng an sich gedrückt, während sie ihn mit feuriger Leidenschaft küsste. Ein Feuer, das sie ebenfalls liebte. Beide würden sie schützen, unterstützen und ihrerseits Geborgenheit in jener Liebe finden, die Madiha ihnen schenkte. Vielleicht erging es all den Dunkelelfen auch so, zumindest vielen in Andunie und jenen, die derzeit an Bord der Schattenmuräne unterwegs waren. Sie stammten mutmaßlich alle aus Morgeria, einer Stadt, in der Liebe so rar gesät war wie Güte. Das bedeutete nicht, dass Dunkelelfen keine guten Herzen besaßen. Sie überlebten nur nicht lange, wenn sie diese offen zeigten. Madiha kannte es doch genau so. In ihrer Kindheit und Jugend hatte sie sich eine harte Schale schaffen müssen, die kaum Mitleid oder Nächstenliebe zuließ. Wenn doch, war sie diejenige mit dem Nachteil. Dann teilte sie ihr gestohlenes Essen oder stellte sich vor einen anderen Dieb ... und kassierte einen hungrigen Magen oder Hiebe. Morgeria und Sarma schienen sich nicht allzu unähnlich. Den Unterschied machten die Dunkelelfen aus, die sich noch nicht aus ihren harten Schalen befreien konnten. Sie wollten, aber jemand musste sie anleiten. Madiha wollte dieser jemand sein. Noch vollkommen im Rausch ihrer Vereinigung mit dem Feuer, ihrer Wiedergeburt und nicht zuletzt des Kusses mit Caleb spürte sie einen Eifer - einen Feuer-Eifer - sich auch für die Dunkelelfen einsetzen zu wollen. Sie folgte Calebs Ideal, wollte ihrerseits für seine Vision in Andunie kämpfen und sie auch in Sarma Wirklichkeit werden lassen.
Mit diesem Plan im Herzen schickte sie die Elfen an ihre Arbeit zurück und überließ Caleb die seine in der Rolle des Kapitäns, die ihm nach wie vor gut zu Gesicht stand. Auch er schien sich langsam daran zu gewöhnen. Er sah zumindest nicht unglücklich aus. Seine Haltung war aufrecht, das Grinsen ließ sich nicht mehr von seinem Gesicht nehmen und seine Schritte waren beschwingt. Auch in ihm brannte Madihas Eifer.
Kjetell'o schien hingegen nicht betroffen. Obwohl er ebenfalls feuermagisch begabt war, zeigte sich das hitzige Element kaum in seiner Persönlickeit. Maximal sah man es in seinen Augen, wenn das Gold darin brannte. Auch in Madihas Blick hatten sich nun einige Funken ihrer elementaren Gabe gegraben. Zwischen den Fluten ihrer sturmblauen Augen tanzten sie und blitzten gelegentlich auf wie blinkende Münzen im Meer. Das Augenpaar musterte Kjetell'o auf diese Weise, aber er blieb sich selbst treu und überaus ruhig.
Er ging sogar direkt wieder zum Unterricht über, wollte die Übung mit dem Tau nun jedoch hinter sich lassen. Stattdessen schlug er Madiha vor, sprichwörtlich ins kalte Wasser zu geworfen zu werden. Er wollte mit ihr das Meer unterhalb seiner Oberfläche erkunden. Das traute er ihr nun durchaus zu. Folglich nutzte er auch eine Geste, die mehr Vertrauen seinerseits bedeuten könnte und welche er bei Corax mehr als einmal schon gezeigt hatte. Madiha jedoch gefiel es nicht, seine Hand in ihrem Nacken zu spüren, als könnte er dort packen und lenken, wie es ihm beliebte. Auch dass er sie eher kraulte, bereitete ihr als einstiger Sklavin, die ihren Körper hatte hergeben müssen, eher Unbehagen. So entwand sie sich flüchtig seiner Berührung und huschte auf die Reling zu. Kjetell'o beobachtete ihre Flucht schweigend. Erst als er die Stelle neben ihr erreichte und seine Hände dieses Mal auf das gemaserte Holz des Schiffes legte anstatt auf ihre Haut, sprach er wieder. Er suggerierte, was die nächste Übung sein und wohin sie die beiden führen sollte. Den Blick richtete er dabei direkt auf das Meer.
"Du meinst, wir ... tauchen da rein?", entgegnete Madiha ein wenig verblüfft. Es bedeutete schließlich, sich mit allem, was sie hatte und ausmachte, dem Element auszusetzen, das zwar nicht ihr Feind, wohl aber Gegenpol ihrer eigenen Magie war. Außerdem gab es noch ein Problem: "Ich kann gar nicht schwimmen..."
"Nicht?" Kjetell'o Blick landete auf ihr. Er musterte sie und schien jetzt erst zu erkennen, woher sie eigentlich stammte. Sarma, auf dem verfluchten Teil einer Insel, bei dem man Wasser nur angereichert mit Salz in zahlloser Menge vorfand. Die Tage waren heiß, die Nächte kalt. Trockenheit und Sandstürme zählten eher zum Alltag als ein Wolkenbruch. Er nickte langsam. "Ich verstehe. Nun, aber du hast Glück. Wir werden nicht schwimmen, jedenfalls nicht, bis wir wieder zurück an der Oberfläche sind." Er drehte sich um, ließ seine Augen wach über das Deck wandern. Dann winkte er zwei Dunkelelfen heran. "Matrosen! Würdet ihr meiner Schülerin und mir bei der nächsten Lektion aushelfen?"
Die Elfen, schwarz wie die Nacht mit Haut und Haar, traten herbei. Der eine war rotäugig, seine Iriden schimmerten aber nicht so strahlend wie Rubine, so wie Madiha es von Corax kannte. Sie besaßen einen eher dunklen Ton wie von dickflüssigem Blut. Er trug sein schwarzes Seidenhaar lang und offen. Lediglich um seine Stirn hielt ein Stoffband die Strähnen davon ab, ihm ins Gesicht zu wehen. Der andere Elf besaß einen kurzen Schnitt, kaum länger als Madihas kleiner Fingernagel, aber auch seine Haare waren schwarz. Mit grauen Augen musterte er Kjetell'o fragend. Jener reichte ihnen nun das Tau, das er eigentlich vorab zu Übungszwecken hatte verwenden wollen.
"Würdet ihr das halten und uns wieder an Bord ziehen, wenn es zwei kurz aufeinander folgende Ruckbewegungen gibt? Madiha, hebe bitte deine Arme." Er schlang das Tau um ihre Hüften, knotete es jedoch so, dass ein großes Endstück nach wie vor vorhanden war. Jenes band er sich dann selbst um. "Also gut. Bei zweimaligem Ziehen am Seil holt uns bitte wieder hinauf." Die Dunkelelfen wirkten noch etwas unschlüssig, allerdings eher ob der Tatsache, dass Kjetell'o wohl vor hatte, ins kalte Wasser zu springen. Er erklomm bereits die Reling. Ein Wind erfasste seine Kleidung und ließ sie flattern, dass es in den Ohren rauschte. Er kümmerte sich nicht darum, sondern wandte sich Madiha zu. Sie ahnte bereits, was auf sie zukäme, fand sich derzeit jedoch noch im Zwiegespräch mit ihren arkanen Mächten. Das Feuer zeigte keine Spur von Zweifel. Es hatte keine Angst vor den Wassermassen. Es ... vertraute ebenfalls auf Madiha, so wie Kjetell'o es tat. Das schaffte natürlich Mut und so versprach sie ihrem Element, es nicht verlöschen zu lassen. Dann umklammerte sie die Muschel ihrer kleinen Halskette und erklomm ebenfalls die Reling.
"Tun wir's!" Madiha spürte sofort die Kraft des Windes. Er blies ihr stärker entgegen, als wenn ein Teil der Bordwand sie schützte. Er brachte die gesamte Muräne über das Wasser, blähte ihre Segel und trug sie voran. Sie musste sich etwas gegen dieses dritte Element lehnen, um nicht sofort zurück auf Deck gedrückt zu werden. Kjetell'o prüfte mit einem Blick, ob die beiden Matrosen das Ende des Taus hielten. Er nickte ihnen zu. "Wir vertrauen euch unsere Leben an", erinnerte er sie und konnte sehen, dass es bei beiden etwas auslöste. Schließlich waren er und Madiha keine Dunkelelfen. Dennoch gaben sie sich vertrauensvoll in die Hände jener, die zuvor Andunie attackiert und erobert hatten. Hier an Bord der Schattenmuräne galten keine Vorurteile. Wie der Shyáner bereits verkündet hatte, ging es ein Miteinander. Zumindest diese beiden Matrosen durften das nun wahrlich erkannt haben. Sie umklammerten das Seil fester. Kjetell'o aber umfasste Madihas Hand.
"Dein Feuer wird aus eigenem ... Überlebensinstinkt heraus nicht zulassen, dass es vergeht. Deshalb wird es dich schützen. Aber du kannst es unterstützen, indem du es anleitest und vorschlägst, wie dieser Schutz aussehen soll. Je weniger es selbst entscheiden muss, sondern einfach nur brennen kann, desto weniger wird es von deinen Reserven zehren." Er deutete mit ausgestrecktem Finger auf das Wasser. "Die Oberfläche zu durchbrechen wird für uns am schwierigsten. Dort wird das Meer vom Wind aufgewühlt und von den Gezeiten bewegt. Darunter herrscht kalter Frieden und eine Stille, die bange machen kann. Aber es ist auch schön. Das Wasser wird dir deinen Platz dort freiräumen und gewähren, wenn du ihn für dich einforderst. Sei nicht zu gierig, aber nimm genug Raum ein, um dich wohkzufühlen. Und vergiss nicht, dass ich an deiner Seite bin. Gut, nun zur Übung selbst!" Er sammelte sich, strahlte mit einem Mal nicht nur diese geduldige Ruhe aus, sondern verströmte auch eine gewisse Wärme. Die Luft um ihn herum flimmerte leicht. Madiha fand sich in diesem Kreis wieder, da sie Kejtell'o so nahe stand. Sie konnte die wachsende Hitze spüren, ohne das Gefühl zu bekommen, sie würde ihr schaden.
"Deine Magie muss eine schützende Form um dich schaffen. Eine Kugel ist am leichtesten, vor allem hat sie keine Kanten, die aufbrechen könnten. Versuche, dich auf einen Ball aus Hitze zu konzentrieren. Im Gegensatz zu Feuerbällen, die man durchaus auch zur Verteidigung einsetzen kann, darf dieser Ball aber seinen heißesten Punkt nicht im Zentrum haben. Versuche, die Hitze auf seine Oberfläche zu verteilen, denn sie ist die Mauer zwischen dir und dem Wasser. Sie muss unter allen Umständen standhalten." Er wartete ab, ob Madiha noch an Bord gelang, seine Forderung umzusetzen. Er vertraute darauf, dass sie Erfolg hätte und tatsächlich würde es ihr geradezu spielend gelingen, die Anweisungen in die Tat umzusetzen. Sie spürte sogar, dass das Feuer sich gezielt die Schale ihres Schutzballs suchte, um dort ungezähmt zu brennen. Als erste Flammen in einem Radius von etwa einer Armeslänger von ihr entfernt aufloderten, zog Kjetell'o an ihrem Handgelenk und ... sprang.
"MANN ÜBER BO-"
"ALLES IN ORDNUNG!", rief einer der beiden Dunkelelfen zum Ausguck empor, der schon warnen wollte. Sie winkten ihm zu und sein Mitmatrose deutete auf das Seil, das sie festhielten.
Madiha bekam davon nichts mehr mit. Es ging alles sehr schnell. Schon prallte sie auf die Oberfläche des Meeres. Sie wurde nicht nass, aber konnte den Wall aus Wasser nicht ganz durchdringen. So kugelte sie wie ein Spielball auf dem Wasser herum. Die Wellen warfen sie hin und her. Das Feuer in ihr hatte reichlich zu tun, die Kugel aufrecht zu halten. Sie spürte bereits, dass es ihre eigenen Kräfte etwas anzapfte, um mit ausbrechenden Feuerpeitschen die Wellen zurückzustoßen. Doch Madiha war zum Glück nicht allein. Kjetell'o reiste nicht zum ersten Mal in seinem Leben unterhalb der Wasseroberfläche. Er wusste, wie er es angehen musste und seine eigene Feuerkugel durchbrach die Oberfläche mühelos. Als er bemerkte, dass Madiha ihm nicht sofort folgte, formte er seinen Schutz um. Er war nun ein Kegel und schoss pfeilförmig wieder an die Oberfläche. Dort stürzte Kjetell'os Magie sich geradezu auf Madiha, spießte sie mit einem Streich aus Hitze auf und schickte sie unter Wasser. Sie konnte die Fremdmagie fühlen.
"Ich helfe", war alles, was sie mitteilte.
"Danke, Bruder", erwiderte Madihas Kraft. Das Feuer einigte sich schnell. Sie selbst musste nicht viel tun, außer sich mitziehen zu lassen. Und plötzlich schwanden Licht, aufgewühlte Wellen und Wind. Es war ... still.
Sie sanken. Sie und Kjetell'o schwebten in einer Weite aus Blau, die zum Grund hin immer dunkler zu werden schien. Als hätte jemand ihren Gehörsinn geraubt, fannd Madiha sich von einem auf den anderen Moment in dieser Ruhe wieder. Dass sie nicht taub geworden war, zeugte davon, dass sie das seichte Blubbern kleiner Luftblasen hören konnte, wie sie sich am Rand ihrer magischen Feuerkugel gen Oberfläche bewegten. Es zischte leise, aber nicht ein Tropfen durchdrang ihren Schutz. Sie schwebte in dieser Weite aus Blau, ohne nass zu werden. Im Gegenteil, sie hatte es warm und gemütlich. Je nachdem, wohin sie ihre Glieder ausstreckte, konnte sie die Richtung bestimmen und mit etwas Schwung war sie in der Lage, sich fortzubewegen.
Ein Schwarm kleiner Fische floh vor ihrem und Kjetell'os Eintauchen. Der Elf war direkt an ihrer Seite, durchbrach im Gegensatz zum Wasser ihren Schutz, aber sein Feuer vereinte sich nur mit dem ihren, als würden zwei Freunde sich zum Schunkeln beim jeweils anderen einhaken. Den Elf konnte sie auch hören, wenngleich er ein wenig dumpfer klang als gewohnt. "Wir sind doch schon weiter auf dem Meer als ich erwartet habe. Innerhalb von zehn Minuten erreichen wir den Grund wohl doch nicht. Aber wir können uns die Meereswelt anschauen. Sieh nur! Diese Aussicht ist ein Privileg." Er deutete in das tiefe Blau, das eine ganz seichte Nuance von Grün besaß, zum Grund hin aber schwärzer wurde. Es erinnerte an eine dunklere, rauchige Version von Calebs Augen, nur dass in seinem Blick keine Meereswesen umher schwammen.
Den Schwarm Fische hatten sie mit reichlich Luftblasen vertrieben, aber es gab noch genug zu entdecken. Hatte Madiha jemals in ihrem Leben eine Schildkröte gesehen? Jene fürchtete sie zumindest nicht. Sie kam dem Feuerschutz zwar nicht unmittelbar nahe, aber die Sarmaerin konnte doch sehr detailliert den zerkratzten Panzer sehen, auf dem winzige Algen hingen und wie grüne Haare auf dem Rücken dieses Wesens durch das Wasser trieben. Sie sah aber auch andere Tiere. Größere Fische und in der Ferne eine Gruppe fast schon mondförmig gebogener Graulinge, die wild umeinander her schwammen.
"Delfine", erklärte Kjetell'o, der Madihas Blick gefolgt war. "Sie sind sehr hilfsbereite, freundliche Wesen. Ihre Verwandten, die Haie, würden allerdings versuchen, uns zu fressen. Auch unter dem Meer herrschen Gefahren. Ich würde dir gern mehr zeigen, kann deine Kräfte aber nicht vollends einschätzen. Zehn Minuten sollten wir allemal schaffen. Traust du dir mehr zu? Du musst in jedem Fall Bescheid geben, wenn du müde wirst. Wir brauchen Zeit und Kraft, um wieder an die Oberfläche zu gelangen. Aber der Grund bietet so viel Schönes ... Korallen, kleine Krebse, Muscheln ... er lockt selbst mich als Feuermagus." Der Elf lächelte.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 14. August 2024, 20:36

Sich um andere zu kümmern, gehörte in Madiha’s Leben einfach dazu. Nicht, weil sie den Wunsch danach hegte, sondern, weil man ihr beibrachte, dass erst alle anderen kamen, dann lange nichts und schließlich sie selbst, sollte noch Kapazität übrig sein. Aber auch wenn sie in diesem Glauben erzogen worden war, wollte man es so nennen, hatte sie es nie wirklich geglaubt. Madiha war bereit sich für andere einzusetzen, denn sie hegte einen tiefen Sinn für Gerechtigkeit. Was sie aber nicht glaubte, war die Tatsache, dass sie nichts wert war. Und sie hatte dafür hart gekämpft in den letzten Wochen und Monaten. Sie hatte sich von ihren Ketten nicht nur gelöst, sondern regelrecht freigesprengt. Nun atmete sie das erste Mal und fühlte sich stark und ungebunden. Das Mädchen aus Sarma entfaltete ein Potenzial, das sie sich zwar gewünscht aber niemals erahnt hatte. Sie spürte die Macht des Feuers in sich und wurde davon ausgefüllt. Auf einmal fühlte sich ihr Körper nicht mehr an, wie der eines dürren Mädchens aus der Gosse. Sie fühlte sich trittsicher, machte sich unbewusst sogar gerade und hatte etwas das Kinn erhoben. Dabei war sie nicht herablassend oder blickte gar mit Genugtuung auf andere – sie war nur endlich so groß, wie sie eigentlich immer hätte sein sollen! Keine Schatten, kein Ducken. Madiha stand aufrecht, stark und bewusst. Selbst-bewusst! Erst als Kjetell’o ihr die nächste Aufgabe erklärte, schaute sie zweifelnd in die schäumende See. Sie konnte nicht schwimmen und sie spürte die Abneigung ihres Feuers nun, da sie es freigelassen hatte, sehr deutlich. Aber sie war immer noch sie. Sie war nicht die Sklavin ihrer Magie geworden, ebenso wenig, wie sie das Feuer an die Kette legen wollte. Sie waren eine Einheit und als solche behielt Madiha auch ihre Persönlichkeit. Jene wurde einfach nur gestärkt und unterstützt. Kjetell’o schien überrascht davon zu sein, dass sie nicht schwimmen konnte. Madiha kommentierte sein Nachfragen mit einem Schulterzucken, was den Elfen aber nicht davon abhielt, sich nun sofort eine Lösung einfallen zu lassen beziehungsweise zu präsentieren.
"Ich verstehe. Nun, aber du hast Glück. Wir werden nicht schwimmen, jedenfalls nicht, bis wir wieder zurück an der Oberfläche sind." Madiha schaute zu, wie Kjetell’o zwei Seemänner heranrief und musterte jene einen Moment. Noch immer war es etwas surreal, dass sie nun gemeinsam segelten, aber während Kjetell’o mit ihnen sprach, konnte Madiha nichts angsteinflößendes an ihnen feststellen. Auch sie waren einfach nur zwei Männer, die sich womöglich ein sicheres Heim und eine Familie wünschten. Sie waren bei weitem nicht alle schlecht und infolgedessen, gab es eben auch unter den Menschen sehr schlechte Exemplare. Sie hatte schließlich so einige von ihnen kennengelernt… "Würdet ihr das halten und uns wieder an Bord ziehen, wenn es zwei kurz aufeinander folgende Ruckbewegungen gibt? Madiha, hebe bitte deine Arme."

Madiha blinzelte als sie ihren Namen hörte und sah wieder auf. Sofort hob sie ihre Arme, bis ihr klar wurde, dass sie ins Wasser springen sollte. Sofort wurde sie unruhig. „Kjetell’o… bist du sicher?“, wollte sie einwenden. Ihr war der Moment, als Caleb ins eiskalte Wasser sprang und schließlich nicht mehr lebend geborgen werden konnte noch sehr gut in Erinnerung. Es war ihr ins Mark gebrannt worden. An der Reling schaute sie erneut ins Wasser und lauschte in sich hinein. Sie versprach ihrem Feuer, dass sie es schützen würde, und ihr Feuer hegte keine Zweifel daran. Madiha holte tief Luft und entschied sich dafür, es zu wagen. Der Wind peitschte ihre Haare wild durcheinander. Sie lehnte sich dagegen und hatte intuitiv die Eingebung, was passieren würde, würde sie eine Feuerwand in diesen Wind errichten und mit welchem Inferno ihre Magie lodern würde, wenn der sie sie dem Wind überließ. Doch jetzt ging es nicht darum. Sie spürte Kjetell’os Hand und hörte ihm aufmerksam zu. "Dein Feuer wird aus eigenem ... Überlebensinstinkt heraus nicht zulassen, dass es vergeht. Deshalb wird es dich schützen. Aber du kannst es unterstützen, indem du es anleitest und vorschlägst, wie dieser Schutz aussehen soll. Je weniger es selbst entscheiden muss, sondern einfach nur brennen kann, desto weniger wird es von deinen Reserven zehren. Die Oberfläche zu durchbrechen, wird für uns am schwierigsten. Dort wird das Meer vom Wind aufgewühlt und von den Gezeiten bewegt. Darunter herrschen kalter Frieden und eine Stille, die Bange machen kann. Aber es ist auch schön. Das Wasser wird dir deinen Platz dort freiräumen und gewähren, wenn du ihn für dich einforderst. Sei nicht zu gierig, aber nimm genug Raum ein, um dich wohlzufühlen. Und vergiss nicht, dass ich an deiner Seite bin. Gut, nun zur Übung selbst!" Madiha senkte den Blick zurück auf die Oberfläche des Meeres. Sie nickte über die Worte des Elfen und versuchte sich alles gut einzuprägen. Sie wollte gewiss nicht sofort sterben, weil sie in das eisige Wasser eintauchte. "Deine Magie muss eine schützende Form um dich schaffen. Eine Kugel ist am leichtesten, vor allem hat sie keine Kanten, die aufbrechen könnten. Versuche, dich auf einen Ball aus Hitze zu konzentrieren. Im Gegensatz zu Feuerbällen, die man durchaus auch zur Verteidigung einsetzen kann, darf dieser Ball aber seinen heißesten Punkt nicht im Zentrum haben. Versuche, die Hitze auf seine Oberfläche zu verteilen, denn sie ist die Mauer zwischen dir und dem Wasser. Sie muss unter allen Umständen standhalten." Madiha runzelte die Stirn. Sie versuchte das Gesagte sich vorzustellen, es umzusetzen. Es sah in ihrem Geiste reichlich komisch aus, doch davon wollte sie sich nun nicht ablenken lassen. Also bemühte sie ihre Kraft und stellte sich vor, wie sie in einem schützenden Kokon aus Wärme stand. Sie versuchte diese Wärme aus ihrem Innersten in die Ränder der Kugel zu geben, damit die Oberfläche standhalten konnte. Sie spürte, wie einfach es plötzlich war und war noch verblüfft, als sie einen Ruck spürte und plötzlich fiel.

Madiha riss die Augen auf und sah sich neben Kjetell’o von Bord fallen. Ihre Augen weiteten sich vor Angst und Schreck, doch dann erinnerte sie sich daran, dass sie sich auf den Kokon konzentrieren sollte. Sie sammelte sich so gut sie konnte, ehe sie sich zusammenkauerte, um den Aufprall zu erwarten, während sie schäumende See immer näherkam. Madiha war ein wenig durcheinander, ihr fehlte die Konzentration, weil die Angst vor der schieren Wassermasse doch ein wenig beeindruckend war. Sie war dem Meer niemals so nahe und … ausgeliefert gewesen. So verlor sie die Konzentration und kugelte etwas hilflos auf der Oberfläche herum. Sie spürte eine Panik in sich aufkommen, doch da kam schon Kjetell’o zur Hilfe und leitete sie wieder an. Er nahm sie nicht an ihrer Hand, aber die Magie des Elfen verband sich für den Moment mit ihrer. Madiha fühlte, wie sie ruhiger wurde und ließ sich darauf ein. So sank sie in ihrer Blase aus Wärme und Magie hinab in eine vollkommen fremde Welt. Madiha starrte mit großen feuergeküssten Augen auf das, was sich nur wenig später auftat. War die Oberfläche noch unruhig und direkt darunter dunkel und kalt, baute sich mit jedem Meter, den sie tiefer sank, eine faszinierende Welt auf. Madiha starrte auf die vielen Meeresbewohner. Sie blickte umher, wie das neugierige Kind, dass zum ersten Mal auf einem Markt war. Madiha hatte gewiss nicht viele Vergleiche, aber der erste Ausflug mit Caleb und Corax auf den Markt war… vergleichbar und doch völlig anders. Instinktiv griff Madiha an ihre Halskette und konnte nicht glauben, welchen Schatz sie da trug. Aus welchem Zauberreich diese Muschel stammte. Madiha bemerkte nicht mal, dass Kjetell’o neben ihr schwamm und auch nicht, ob sie sicher war in ihrem Schutzschild. Sie hatte nur noch Augen für diese Unterwasserwelt, die mit Grün- und Blautönen so viel Schönheit zu bieten hatte. Das Mädchen wollte alles aufsaugen und spürte, wie ihr vor Rührung die Tränen kamen. "Wir sind doch schon weiter auf dem Meer als ich erwartet habe. Innerhalb von zehn Minuten erreichen wir den Grund wohl doch nicht. Aber wir können uns die Meereswelt anschauen. Sieh nur! Diese Aussicht ist ein Privileg." Sie blinzelte und schaute zu Kjetell’o. Dann wurde sie aber von einer Schildkröte abgelenkt und schaute ihr nach. Nie hatte sie ein solches Tier gesehen. Madiha betrachtete die witzige Form des Kopfes, während sie gebogenen Beinchen kräftige Schwimmbewegungen machten. „Wie wundervoll…“, hauchte sie vollkommen ergriffen. Sie war wie geplättet. DAS war wirklich ein Privileg und ihr war das mehr als bewusst. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt! Dann fiel ihr Blick auf die großen ‚Fische‘ “Delfine“ Madiha blinzelte und presste die Lippen aufeinander. Ihr liefen die Tränen der Rührung über die Wangen, dann aber lächelte sie glücklich. „Das ist … das ist …“, versuchte sie ihre Gefühle zu beschreiben, konnte aber kein passendes Wort finden. "Sie sind sehr hilfsbereite, freundliche Wesen. Ihre Verwandten, die Haie, würden allerdings versuchen, uns zu fressen. Auch unter dem Meer herrschen Gefahren. Ich würde dir gern mehr zeigen, kann deine Kräfte aber nicht vollends einschätzen. Zehn Minuten sollten wir allemal schaffen. Traust du dir mehr zu? Du musst in jedem Fall Bescheid geben, wenn du müde wirst. Wir brauchen Zeit und Kraft, um wieder an die Oberfläche zu gelangen. Aber der Grund bietet so viel Schönes ... Korallen, kleine Krebse, Muscheln ... er lockt selbst mich als Feuermagus." Madiha blickte Kjetell’o nun wissbegierig an. „Es gibt noch mehr?“, fragte so schnell und schaute zum Grund an ihren Füßen. „Ich will es sehen! Alles!“, jauchzte sie vor Vorfreude. Die Warnung hat sie vermutlich nicht ganz so gut mitgehört, aber sie war auch vollkommen fasziniert von diesem Erlebnis. Für jemanden, wie Madiha, die nie etwas anderes als Matratzen und Wände gesehen hat, war alles aufregend, neu und vor allem ein echtes Geschenk. So strebte Madiha bereits nach unten, um dem Grund des Meeres näherzukommen. Kjetell’o hatte ihr diese Welt eröffnet… nun wollte sie alles in sich aufsaugen.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Montag 19. August 2024, 12:28

Für Madiha bedeutete es im Gegensatz zu anderen Feuermagierin eine größere Überwindung, sich vertrauensvoll in die Fluten zu stürzen. Selbst wenn sie gerade eher mit gemächlicher Kraft Wellen schlugen und sich am Rumpf der Schattenmuräne brachen, so weckten sie gerade bei ihr doch größere Bedenken. Natürlich musste sie als junge Feuermagierin das Risiko berücksichtigen, dass ihre innere Flamme gegen so viel Wasser nicht bestehen könnte, aber da war noch mehr. Madiha stand auf der Reling, das dicke Tau um ihren Leib gebunden, und starrte in das sich windende und wirbelnde Nass unter ihr. Kaltes Nass. So kalt wie Calebs Körper, als man ihn nach seinem gedankenlosen Rettungssprung geborgen hatte und er für lange Zeit als tot betrachtet worden war. Allein die Erinnerung sorgte dafür, dass sich Madihas Herz verkrampfte und das Wissen, dass es Caleb tatsächlich gut ging, half da nicht viel. Könnte ihr denn nicht das gleiche Schicksal bevorstehen, wenn sie nun zu unbedacht einfach über Bord sprang? Aber Kjetell'o hätte die Idee nicht vorgeschlagen, ohne das zu berücksichtigen. Ihm galt ihr letzter Blick, als sie sie auch schon im Fall wiederfand und plötzlich in das tiefe Blau eintauchte. Dank ihrer Magie und wie sie diese anzuwenden hatte, spürte sie weder die Nässe noch eine Herz verkrampfende Kälte. Stattdessen entpuppte sich dieser Sprung als genau das, was Kjetell'o ihr versprochen hatte.
Madiha wurde von einer Blase aus Wärme umgeben. Ihr Feuer formte diese schützende Kugel, in deren Zentrum sie sich warm und geborgen fühlen durfte. Sie sah die äußere Oberfläche ihrer Magie als flammenden Rand und wie das Wasser, welches dort einzudringen versuchte, mit Hitze abgehalten wurde. Ein wenig drang doch hindurch, verdampfte aber noch beim Überschreiten der Grenze. Sie war sicher und durfte sich nun anschauen, was so vielen Celcianern einfach für immer verwehrt sein würde.
Der Anblick war Atem beraubend. Nicht nur, dass die Wasserwelt unterhalb ihrer tosenden Oebrfläche geradezu bezaubernd ruhig war, sie lockte auch mit den Farben, die Madiha sonst nur von Calebs schönen Augen kannte. Das Blau überwog jedoch, war intensiver und dunkler. Außerdem wandelte es sich fast zu schwarz, wenn sie an ihren scheinbar schwebenden Füßen in die Tiefe unter sich schaute. Den Boden konnte sie nicht sehen, wohl aber das Leben rings um sie herum. Kleine Fischschwärme formten einen wilden Strudel aus silbernen und gelben Schuppen. Sie glitzerten bei jeder ihrer raschen Bewegungen und erinnerten an eine Unterwasser-Variante eines Vogelschwarms. Immer wieder stoben die kleinen Fische von einer Seite in eine andere. Sie bildeten dennoch eine Einheit, niemand dieser putzigen Schwimmer wurde zurückgelassen. Ihre Masse machte sie stark, auch gegen größere Exemplare, die sie mit hungrigem Fischblick verfolgten.
In der Ferne tanzten Delfine zusammen, als hätte Manthala ein Dutzend grauer Sichelmonde ins Meer geworfen. Und obwohl alles hier unten ein wenig dumpf und still wirkte, glaubte Madiha, das Tschirpen und Keckern dieser Meeresbewohner hören zu können. Sie hörte schließlich auch Kjetell'o. Er tauchte neben ihr auf, in einer eigenen Blase aus Hitze und Feuer, deren Rand den ihren berührte und sich dafür öffnete. Wenn sie in Gefahr schwebte, würde er einfach problemlos nach ihr greifen und sie retten können. Das hatte er versprochen und sie durfte darauf vertrauen. Jegliche Angst verflog, sie wich der Faszination, die das Leben unter Wasser in Madiha auslöste. Ihr Blick wanderte umher. Sie konnte sich kaum satt sehen, entdeckte so viele faszinierende Dinge, die sie sich im Leben nicht hätte vorstellen können. Niemals zuvor war ihr das Bild einer Schildkröte begegnet und nun schwamm dieses gepanzerte Wesen ganz dicht an ihr vorbei. Sie konnte die vielen Runzeln auf der Haut des Tieres erkennen, Risse im Panzer, auf dem sogar ein Büschel grünen Seegrases und Algen wuchs, als besäße das Tier Haare. Es strahlte eine uralte Erhabenheit aus, die man sonst eher Drachen zusprechen würde.
Die Hand der vollkommen gebannten Sarmaerin umschloss die kleine Muscheln an ihrem Band. Sie stammte von hier, aus dieser Tiefe und maß nun noch einen größeren Schatz für Madiha, über den Wert hinaus, dass es auch ein Geschenk ihres Liebsten war. Nun stand außer Frage, warum Andunie eine Akademie für Wassermagie besaß. Es gab Celcianerinnen und Celcianer, die mit diesem Element umgehen konnten oder es lernen wollten ... um vielleicht ebenfalls eines Tages zu sehen, was sie nun als Wirkerin des Konstralselements erfahren durfte. Sie vergoss Tränen der Rührung, welche aber innerhalb ihrer schützenden Wärmeblase schnell wieder trockneten. Das Gefühl aber blieb, Madiha war gerührt. Und selbst als Kjetell'o ihr mitteilte, den Grund wohl doch nicht in der verbleibenden Zeit erreichen zu können, konnte das ihre Stimmung nicht trüben. Was sie sich nun ansehen durfte, würde sie noch lange in ihren Träumen begleiten. Das celcianische Unterwasserreich war eine Welt für sich, die neben dem Realen existierte. Es war ein Traum, von dem man in Geschichten erzählte, so wie in sarmaer Märchen von zauberhaften Flaschengeistern, fliegenden Teppichen und Wüstenpalästen, in denen ein einziger Tropfen Wasser Sand zu Gold verwandeln konnte.
Madiha kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mehr noch, sie fühlte sich davon gelockt, gefangen und berauscht. Sie sog alles auf wie andere den Qualm von Rauschkraut und ließ sich davon abhängig machen. Schnell genügte ihr die Dosis nicht, obwohl ihre flammenden Augen doch noch längst nicht alles erfassen konnten. Trotzdem wollte sie mehr. Sie brauchte mehr, musste mehr sehen!
Allein Kjetell'os Aussage, dass ein solches Mehr existierte, drängte sie dazu, sich von dem Elfen zu lösen. Sie musste es sehen. Niemals könnte sie zurück an die Oberfläche gehen, ohne die Möglichkeit genutzt zu haben, alles zu entdecken. "Ich will es sehen! Alles!", gab sie unter einem freudigen Laut von sich, der Kjetell'o lächeln ließ. Aber es schwand schnell, denn auch Madiha schwand. Sie wandte sich von ihm ab, um den Weg nach unten zu nehmen. Sie wollte den Grund sehen und glaubte daran, dass es ihr schon gelänge.
"Madiha!", konnte sie ihn noch rufen hören, aber es wurde von der dumpfen Tiefe verschluckt, der sie sich mehr und mehr hingab. Langsam, gemächlich wie ein Stein sank sie herab. Kjetell'o tauchte ihr nach, doch auch seine Blase konnte nicht an Geschwindigkeit aufnehmen. Madihas Feuer hingegen erkannte schnell, dass es sich nur ein wenig zurückziehen musste, damit sie noch tiefer sänke. Ihre Blase verkleinerte sich, aber dafür glitt sie nun rascher tiefer. So schnell, dass sie den Wechsel von einem intensiven Meerblau zu einem nachtschwarzen Dunkel wie bei einem Verlauf direkt sehen konnte. Zunächst gab es kaum mehr zu entdecken. Hier und da schwammen andere Arten von Fischen, aber das Licht ließ nach und so konnte sie nach einer Weile nur noch Schemen ausmachen. Lediglich in ihrer unmittelbaren Umgebung blieb es durch ihr eigenes Feuer hell.
Wo blieb der Grund? Die Aussicht nahm eine Eintönigkeit an und blieb dennoch faszinierend. Langsam schlich sich aber auch ein gewisses Unbehagen ob der stillen Tiefe ein. Außerdem spürte Madiha einen wachsenden Druck in den Ohren. Es fiepte kurz, rauschte dann leicht. Sie konnte ihr eigenes Blut hören. Dann stürzte sich ihre Feuerblase in einen Vorhang aus Seidenschleiern und feinen Fäden. Was immer sie einhüllte, stob ob der von ihr verströmten Wärme auseinander. Schon erkannte sie, dass es keine Seide mit Fäden war, die da vor ihr im Wasser schwebte. Auch hierbei handelte es sich um irgendwelche Meereswesen. Madiha konnte zwar weder Augen noch andere Organe erkennen und doch ließ sich durch die lebendigen Bewegungen darauf schließen, dass sie es mit irgendeinem Tiefengeschöpf zu tun hatte. Nein, mit Dutzenden ... Hunderten! Sie war direkt in einen Schwarm aus tanzenden Seidenkissen getaucht, die allesamt etwas aufgebläht wirkten, als hätte man Luft in eine Stofftasche geblasen, ohne dass jene entweichen konnte. Ein Kragen und gewellter, weißer Seide wand sich um die untere Hälfte dieser Kissen wie Kranz. Er wiegte sich unter den Bewegungen und brauchte keinen Hals, um getragen zu werden. Alles, was unterhalb dieses Seidenkragens zum Vorschein kam, waren unzählige tentakelartige Arme, fein und dünn. Sie erinnerten an sehr dicke Haarsträhnen oder Pflanzenhalme, die sich eigenständig - wie Lianen - bewegen konnten. Sie tanzten, wirbelten und sorgen dafür, dass das gesichtslose Kissenwesen durch das Meer schwimmen konnte. Der Anblick war zauberhaft, vor allem in so großer Zahl.
Als wäre das nicht genug, Zeuge dieses weichen Balletts zu werden, stob es erneut wie ein Vorhang auseinander, der sich zu beiden Seiten öffnete. Die fadenartigen Beine wirbelten zu allen Seiten fort, stießen die Kissenköpfe in Sicherheit, als etwas Anderes zwischen ihnen aus dem Dunkel tauchte. Zum Glück besaß Madiha genug Luft in ihrer Wärmeblase, so konnte sie ihr nun nicht entweichen. Denn der Anblick ließ einem durchaus die Luft wegbleiben. Was sie nun zwischen den weißen Meereswesen auftauchen sah, ließ sich mit nichts vergleichen, dass ihr vertraut war. Sie erkannte lediglich etwas Humanoides in den Grundzügen deses Geschöpfs, das so dicht vor ihr aufkreuzte, dass die Schutzschicht ihrer Feuerblase es eigentlich bereits mit Hitze warnen musste. Doch es glitt keinen Deut weit zurück. Stattdessen schaute sie dieses blaue Lebewesen aus zwei gewaltigen, leicht schräg stehenden Glubschaugen an. Deren Oberfläche glänzte. Keine Lider wischten darüber. Das Wesen blinzelte nicht. Zwei schimmernd gelbe Iriden mit schlitzten Pupillen musterten sie. Darunter fanden sich leicht nach außen versetzte Nasenlöcher direkt auf dem runden Gesicht. Keine Nase wie sie eine besaß, formte sich. Es erinnerte mehr an die Kopfform einer Kröte und auch der breite Mund passte dazu. Dass das Wesen nicht quäkte, kam da beinahe überraschend. Doch es sprach irgendwie zu ihr, auch wenn Madiha kein Wort verstand. Sie sah nur, dass sich winzige Rillen - Kiemen - an den Seiten des Halses etwas blähten. Daraufhin öffnete sich der Mund, in dem eine schlierige Zunge vorzuckte und einige Blasen ausstieß.
"Was bist du?" Das Wesen schwamm einmal um Madiha herum und sie konnte dessen Körper sehen da die vielen Seidenkissentierchen bereits geflohen waren. Es handelte sich wirklich um ein sehr menschliches Geshcöpf. Es besaß zwei Arme, zwei Beine, war aber gänzlich nackt wie es schien. Die Haut zeigte sich bläulich mit dunklem Fleckenmuster. Muscheln und Algen schmiegten sich wie Kleidung an den Leib, um intime Stellen, aber auch Knie und Ellenbogen zu bedecken. Von den Unterarmen und Waden gingen Hautlappen in drachischen Zacken ab, die dem Wesen die Fähigkeit gaben, sich besser unter Wasser zu bewegen. Es besaß keinen Schwanz, aber der gesamte Unterkörper schlängelte sich irgendwie wie einer durch die Umgebung. "Gehörst du zum Luftland? Ans Oben? Hast du die Grenze überschritten?" Es kreiste noch eine weitere Runde um Madiha, bis es plötzlich eine von Schwimmhäuten gezierte Hand nach ihrer magischen Außenhülle ausstreckte. "Bist du eine Möwe? AU!" Plötzlich stieß es zahlreiche Blasen empor, die kurz ihrer beider Sicht verschwimmen ließen. Dann stieß es sich von Madiha ab und sie konnte die Genutuung ihres Feuers spüren, das stolz war, auch unter Wasser so heiß brennen zu können. Als der Wirbel an Blasen sich legte, erkannte sie das Geschöpf wieder. Es schwamm nun auf Abstand, musterte sie jedoch weiterhin, aber hielt sich die Hand. Sie erkannte, dass die sonst so blaue Haut nun eine gewisse Rötung zierte. Es hatte sich sprichwörtlich an ihr verbrannt.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 21. August 2024, 10:07

Nie in ihrem Leben hatte Madiha Möglichkeiten gehabt. Es gab den immer gleichen Tagesablauf, die immer gleichen Routinen. Da blieb keinen Platz zum Träumen, zum Dahinschwelgen, zum Leben. Madiha bewahrte sich zwar die Hoffnung, dass es eines Tages anders sein würde, aber die Jahre verrannen zäh und schier endlos. Es war hart gewesen nicht daran zu zerbrechen und es einfach zu akzeptieren. Hinzunehmen. Es war ein zusätzlicher Kampf, der ihr so viel abverlangt hatte. Madiha wollte sich niemals unterkriegen lassen und doch hatte auch sie stets das Gefühl, irgendwann würde sie aufgeben. Irgendwann. Nun aber wurde sie auf so viele Arten dafür belohnt, dass sie das Durchhaltevermögen aufgebracht hatte, dass ihr ganz schwindelig wurde. War es zu viel? Drohte Madiha nun gierig zu werden? Nein… Das Mädchen war berauscht von der Schönheit dieser versteckten Welt unter dem Wasser und sie wollte einfach nichts verpassen. Sie war nicht habgierig, wollte das nicht für sich beanspruchen. Aber sie wollte ihre Chance nutzen, so, wie sie immer nutzen wollte. Madiha veränderte sich auf eine Weise, die anderen bereits von Kindesbeinen an erlaubt wurde. Sie durften sich ausprobieren, lernen und auch scheitern. Sie durften herausfinden, was sie mochten, schön oder hässlich fanden. Wovor sie Angst hatten oder eben auch nicht. Madiha aber wurde das alles ganz klar diktiert. Sie wusste Strafen zu fürchten und Gehorsam zu zeigen. Sie wusste zu mögen, was andere ihr vorgaben. Aber jetzt lernte sie Stück um Stück, dass sie selbst entscheiden durfte. Und sie wollte nichts in ihrem Leben je wieder verpassen. Nichts unversucht lassen und ihre Chancen, die man ihr schenkte, nutzen. So reichte die bloße Erwähnung des Meeresgrundes aus, damit sie diesem Impuls nachgab. Dahin war die Warnung von Kjetell’o. Weil sie nicht hören konnte? Nicht hören wollte? Nein. Madiha hätte Vorsicht walten lassen und wäre demütig mit ihrer Magie umgegangen, wenn sie nicht eine bisher nie dagewesene, kindliche Neugierde gepackt hätte. Endlich durfte sie! Endlich… Also versuchte sie ihre Magie-Blase nach unten zu bewegen und trieb durch das Meer, das immer tiefer und tiefer zu werden schien. Allein das war etwas, das Madiha sich vorher nie bewusstgemacht hatte. Wie tief ein Meer war… wie weit und wie viel Wasser und Kraft dahintersteckte. Die Erfahrung, die sie machte, war… immens. Sie würde sie nie wieder vergessen.
Madiha glitt dahin und sah zu, wie sie die Lichtzone verließ und schließlich in die Dunkelzone des Meeres eintauchte. Hier gelangte kein Licht mehr hin und sie musste sich konzentrieren, nun nicht in Angst zu verfallen. Dieses Meer war so tief, dass sie am Grund wohl nur Kälte und Dunkelheit vorfinden würde. Aber das wusste sie nicht, denn Kjetell’o hatte gesagt, dass es wundervoll werden würde. Dass er womöglich nur von deutlich flacherem Gewässer gesprochen hatte… woher hätte sie es wissen sollen? Jetzt aber spürte Madiha ein Unbehagen in sich aufsteigen. Sie konnte die Hand kaum vor Augen sehen und sie hatte das Gefühl, dass es kälter wurde. „Kjetell’o?“, wisperte sie und hob einmal den Kopf, um zu sehen, ob der Elf in ihrer Nähe war. Dann aber lenkte etwas in ihrem Augenwinkel sie davon ab und sie riss die Augen auf, als dutzende, lange Tentakeln um sie herum erschienen und zu leuchten begannen.

Dass es eine Eigenart von Wesen in der Dunkelzone war, dass sie fluoreszierten, wusste Madiha nicht. Sie wohnte diesem faszinierenden und gleichwohl magischem Moment bei und bekam vor Staunen den Mund nicht mehr zu. In ihrer Magie-Blase drehte sie sich um sich selbst und starrte die fremden Wesen an. Sie hatte nie etwas in der Art gesehen. Gefangen in dieser Faszination, die durchaus auch gefährlich sein könnte, bemerkte Madiha nicht, wie sich noch etwas anderes auf sie zubewegte. Erneut drehte sich Madiha um sich selbst, gebannt von den Wesen, die sich immer mehr einschlossen. Eine Quallenblüte war schon etwas Enormes und hunderte dieser Tiere nahmen einem die Sicht. Einzig ihre Feuerblase hielt ein wenig Abstand aufrecht und schützte sie vor den brennenden Nesseln. Als sich Madiha wieder gedreht hatte, tauchte plötzlich etwas ganz anderes in ihrem Sichtfeld auf. So unvermittelt, dass sie zurückprallte und in ihrer Blase aufschrie vor Schreck. Sie starrte das Wesen perplex an und ihre Augen flogen über das Äußere. "Was bist du?", hörte sie es blubbern, aber sie verstand nichts. Sprach es mit ihr? Madiha begann zu beben. Es war ein Gemisch aus Angst und Aufregung, vielleicht auch Anstrengung, aufgrund der Magie, die sie nun schon eine Weile aufrechterhielt. Es umrundete sie einmal und Madiha drehte sich langsam mit. Sie wusste nicht, ob dieses Wesen sie angreifen würde oder nur neugierig war. Von ihr ging jedenfalls keine Gefahr aus, schließlich war sie viel zu erschrocken. "Gehörst du zum Luftland? Ans Oben? Hast du die Grenze überschritten? Bist du eine Möwe? AU!" Madiha zuckte. „Vorsicht!“, rief sie sofort und sah das Wesen etwas Abstand gewinnen. Ihr Blick fiel auf den roten Finger und sofort verzog sie mitleidig das Gesicht. „Verzeih mir!“, sagte sie und stob etwas auf das Wesen zu, während sie die Hände hochhielt und beschwichtigend zeigte, damit das Wesen nicht glaubte, sie würde ihm etwas tun. „Ich wollte das nicht, ich… ich habe eine Blase um mich herum, damit ich atmen kann… und nicht erfriere…“, lächelte sie leicht. Madiha biss sich auf die Unterlippe und musterte das Wesen eingehend. Diese Augen… die Farbe der Haut… Das Mädchen konnte nicht anders: „Du bist wunderschön!“, lächelte sie plötzlich und versuchte dann, ohne überhaupt zu wissen, ob dieses Wesen sie verstehen oder gar reden konnte, weiter mit ihm zu kommunizieren. Es hatte seltsame Laute von sich gegeben, aber ob das eine Sprache war? „Ich bin Madiha“, stellte sie sich vorsichtig vor. „Ich komme von einem Schiff“, sie deutete in Richtung Oberfläche „Und… ich war noch nie im Meer… ich kann nicht schwimmen, weißt du? Aber ich tu dir nichts! Ich… ich wollte mir nur den Grund ansehen…“, plapperte sie ihre Anspannung heraus und merkte gar nicht, dass sie gerade mit etwas sprach, das vielleicht gar nicht sprechen oder sie verstehen konnte. Doch Madiha war so sehr in ihrer Faszination gefangen, dass sie einfach weiterplapperte. „Deshalb habe ich meine Magie benutzt, um hier sein zu können…“, sie schaute sich plötzlich um, ob sie Kjetell’o sehen konnte, den sie völlig vergessen hatte. „Mein Lehrer zeigte mir diese Übung…“, murmelte sie und sah sich suchend um. Wo war er eigentlich?
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Samstag 31. August 2024, 00:19

Madihas junges Leben war niemals leicht gewesen. Sie hatte Schrecken erlebt und Schicksalsschläge mitmachen müssen, für die ihr Kinderherz damals sogar noch zu unschuldig war, um sie mit der Intensität zu verarbeiten wie es ein Erwachsener mit gereiftem Verstand tun würde. Ein Schutzmechanismus der Natur, damit ein Leben, das erst noch Erfahrungen sammeln und sich entfalten sollte, nicht sofort von Kummer getrieben die nächste Klippe für einen letzten Sprung aufsuchte. Dieser Schutz hatte Madihas Alltag jedoch nicht leichter gemacht. Geprägt von einer rauen Umgebung hatte sie sich Jahre lang durchbeißen müssen. Zeit zum Träumen war ihr verwehrt geblieben ... bis ... zu jenem bedeutungsvollen Tag, da sie den falschen Mann bestohlen hatte. Oder gar den Richtigen? Zwar nahm ihr Pfad einen düsteren Verlauf, doch das Wiedersehen mit eben jenem Mann schenkte ihrem geschundenen Herzen eine gewisse Hoffnung, selbst wenn sie es damals noch nicht so wahrgenommen hatte. Schließlich hatte man sie nach schmerzlicher Tortur mitsamt ihres Narben gezeichneten Körpers zurück in eine Zelle geworfen. Eine Zelle, die dem Hoffnungsbringer in der anderen gegenübergelegen hatte. Ohja, er hatte Hoffnung gebracht! Weil er in seiner Situation noch hatte lächeln können. Weil er tollkühn war und frei ... und auch ein wenig dumm. Aber er war ebenso Träumer. Auch jetzt träumte dieser Mann von Veränderung, einer besseren Welt - für sich und für Madiha, in der er wahre Liebe gefunden hatte. Jetzt, da Madiha an der Seite dieses Mannes - an Calebs Seite - war, hatte er schon einige seiner Träume in Wirklichkeit gewandelt. Er hatte Veränderung bewirkt. Ihr Leben ließ plötzlich Freiheiten zu, Freunde, Liebe ... und auch das Träumen. Sie durfte neue Dinge, neue Gegenden entdecken. Caleb ließ sie alle Erfahrungen machen, nach denen ihr gepeinigtes Herz so lange geschrien hatte. Sie sah, erlebte und lernte. Mit Hilfe des Wüstendiebes hatte sie neue Freunde gefunden, Lehrmeister! Sie lernte Feuermagie! Nein, sie beherrschte sie bereits!
Das musste zu allem Unglück nun ausgerechnet ein Wesen erfahren, das Madiha nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätte erschaffen können. Sarmaer Geschichten rangen sich nicht um Wesen im Meer. Der Ozean war nur für jene interessant, die ihn befuhren. Für einen Bewohner der Wüste bedeutete er nichts, denn sein Wasser war salzig und spendete kein Überleben wie es eine Oase könnte. Somit woben sich Sarmaer Geschichten eher darum: Zauberhafte Oasen, fliegende Teppiche, wackere Schatzjäger und Juwelen behangene Tänzerinnen, Kamelrennen oder aufregende Reisen durch den gefahrvollen Sand der Sar. Madiha kannte keine einzige Geschichte, die sich unterhalb der Wasseroberfläche abspielte. Jetzt steckte sie selbst mittendrin in einer.
Das eigenartige Froschwesen mit der bläulich gescheckten Haut musterte sie zunächst aus großen, gelben Augen. Es war ihr nahe, doch ihr Feuer schütze sie. Ein wenig zu gut, denn als das Wesen seiner Neugier folgte, verbrannte es sich. Allein das war schon überraschend und niemand würde ihr diese Geschichte abkaufen. Ein Menschen ähnliches Froschgeschöpf, das sich unter Wasser verglühte - es klang zu absurd, um wahr zu sein! Aber hier schwamm es, vor Madiha, und inzwischen auf Abstand. Sie konnte es nur noch erkennen, weil es vor dem Vorhang aus Tentakeln der leuchtenden Quallen schwamm, die es fast mystisch umgaben.
Blasen stiegen aus dem Maul des Wesens auf und Madiha glaubte, daraus sogar einen Klang zu hören. Unterielt sich dieses Geschöpf etwa mit ihr? Falls ja, so verstand sie kein Wort, aber es war ohnehin verstummt, nachdem es sich die Flossenhand verbrannt hatte. Nun beäugte es jene im Wechsel mit der Menschenfrau in der Flammenblase, die es nicht durchdringen konnte.
"Verzeih mir!" Zwar näherte Madiha sich dem Geschöpf mit aufrichtiger Besorgnis und folglich beschwichtigender Geste, aber selbst das kleinste Vorwagen ließ es nun noch weiter zurückschrecken. Es stieß sich mit Schwung und reichlich aufgewirbelten Blasen ab, so dass es ein ganzes Stück Distanz zwischen sich und die Sarmaerin brachte. Für den Moment schwand es sogar aus ihrem Sichtfeld, als die Leichtquallen ebenfalls auseinanderstoben und ihr Licht in der Weite des Ozeans verteilten. Doch sie fanden wieder zusammen und mit ihnen das geheimnisvolle Wesen. Obwohl es sich verletzt hatte, wurde es von seiner Neugier getrieben, die es schließlich wiederholt an den roten Ball mit dem Menschen in seinem Zentrum lockte. Erneut tauchte es vor Madiha aus, dieses Mal sogar wieder etwas näher, so dass sie die Flammen ihrer Blase als flackernde Reflektionen in den großen Augen ihres Gegenübers erkennen konnte.
"Du bist wunderschön!" Das Wesen reagierte nicht auf ihre Worte oder aber sie konnte es nicht deuten. Denn es bewegte durchaus den Kopf, aber auf der glatten Oberfläche seiner Haut zeigte sich keine Regung. Lediglich die Kiemen an beiden Seiten des Halses öffneten sich immer wieder wie die Lamellen eines Pilzes. Gelegentlich stießen sie winzige Bläschen aus. "Ich bin Madiha", versuchte die Namensträgerin es weiter. Dann deutete sie nach oben und erklärte, woher sie kam. Das Schiff konnte man von ihrer Position aus nicht sehen, wohl aber einen zweiten Flammenball, der sich ihr eilig näherte. Er kam nicht bedrohlich auf sie zu, doch es reichte, dass das Wesen offenbar erneut Angst bekam. Dieses Mal ergriff es gänzlich die Flucht. Ein Wirbel aus Luftblasen hüllte erst das Wassergeschöpf ein, dann Madihas Flammenblase. Sie wirbelten so heftig darum herum, dass sie einen seichten Strudel erzeugten, in dem sich die Blase selbst nun ebenfalls drehte. Madiha wurde ordentlich herumgeschleudert, bis etwas ihren magischen Schutz durchbrach. Hitze strömte in ihre Schutzkammer. Dann packte eine Hand nach ihr.
"Hilfe", knisterte ihre elementare Macht, um sie zu beruhigen. Der vertraute Griff ihres Lehrmeisters umfasste Madihas Handgelenk. Dann tauchte Kjetell'os Gesicht im Kreis ihrer Flammenblase auf. Seine eigene vereinte sich mit der ihren und beide wuchsen zu einem größeren Ball zusammen, in dem Elf und sie genug Platz hatten. Der Strudel beruhigte sich zeitgleich mit Kjetell'os Eingreifen. Ernst blickte das waldgrüne Augenpaar mit den Goldsprenkeln ihr entgegen.
"Wir müssen zurück", sagte er. "Uns geht die Zeit aus." Dann stieß Kjetell'o sich auch schon mit den Füßen ab, um genug Schwung für einen gemeinsamen Auftrieb zu schaffen. Madiha ließ er nicht los. Das Meereswesen hatte er aber offensichtlich nicht gesehen. Es blieb auch vorerst keine Zeit, mit ihm darüber zu sprechen. Wie ein Faustschlag brach die Erschöpfung über Madiha herein. Plötzlich spürte sie den Sog der Schwere, der sie mit sich in die schwarze Tiefe des Meeres ziehen wollte. Kaum, dass die Aufregung schwand, schien sie ihre Kräfte mitzunehmen. Madiha mochte nun Zugang zu deutlich mehr Macht des Feuers haben, aber den Umgang beherrschte sie noch nicht. Vielmehr war sie ihn nicht gewohnt. Es ging gar nicht unbedingt darum, die stärksten Zauber zu bändigen. Viel wichtiger war, den arkanen Fluss in seinem Inneren so zu kanalisieren, dass sie einen beim Zaubern nicht sofort die letzten Kraftreserven raubten. Kjetell'o hatte das noch rechtzeitig erkannt und wie versprochen rettete er seine Schülerin nun davor, ein unglückliches Schicksal zu erfahren. Er lieh ihr seine eigene Kraft, so gut er sie entbehren konnte. Er umhüllte sie mit seinem eigenen Feuer. Madiha spürte es, denn es fühlte sich anders als ihr eigenes an. Es ... brannte leicht, auch wenn es sie nicht verletzte. Wo sie aber mit ihrem persönlichen Anteil des Elements keine Veränderung ihrer eigenen Körpertemperatur spürte, empfand sie Kjetell'os Magie durchaus als ... heiß. Sie schwitzte und das unter Wasser! Oder lag es an ihrer wachsenden Erschöpfung.
"Wir haben es gleich geschafft", versicherte ihr der Elf, aber auch er schwamm nun etwas drängender. Außerdem festigte sich sein Griff um Madihas Handgelenk, dass es schon leicht schmerzte. Dann wurde es heller. Das Meer nahm ein immer angenehmeres Blau an, auch wenn alles in allem düster blieb, denn sie reisten noch immer bei Nacht. "Müde", verkündete ihr eigenes Feuer. Madiha fühlte die Brüche in ihrer Flammenblase mehr, als dass sie sie sah. Sie spürte, dass die einzelnen Flammenfasern mit aller Kraft versuchten, sich zu halten. Doch wie Hände von Kindern, die zuvor zu viel mit Seifenlauge gespielt hatten, entglitten die züngelnden Feuerenden einander und ... brachen auf. Wasser gluckerte durch winzige Risse in ihre schützende Blase hinein. Mit einem Mal konnte Madiha auch die Kälte des Meeres spüren, dass es ihr das Blut in den Adern gefrieren lassen wollte. Spätestens jetzt sollte sie erkennen, in welcher Gefahr sie eigentlich schwebte. Lebensgefahr.
"Wir ... brauchen jetzt ... Hilfe", keuchte Kjetell'o, den das Wasser auch sofort in Beschlag nahm. Kein noch so guter Feuermagier, vermutlich nicht einmal Cassandra die Feuerhexe, könnte gegen Venthas Tiefen allein bestehen. Sie würden ihre Schutzblasen verlieren. Sie würden in der Kälte des Meeres erfrieren, wenn sie vorab nicht bereits ertranken. Sie würden...!
Ein Ruck riss Madiha nach vorn. Das Seil! Sie hatte es wohl in all der Aufregung ganz vergessen. Jetzt aber zog Kjetell'o zwei mal daran und sogleich riss es ihn und sie näher an die Oberfläche. Die dunkelelfischen Matrosen hatten nur auf das Signal gewartet und ihr Einsatz zahlte sich aus. Kurz bevor die magischen Flammenkugeln endgültig in sich zusammenfielen, durchbrachen Elf und Sarmaerin die Wasseroberfläche. Keine zwei gekeuchten Atemzüge später hingen sie an dem Tau in der Luft und im nächsten Moment fanden sie sich erschöpft und bereits tropfnass an Deck der Schattenmuräne wieder.
"Decken", ächzte Kjetell'o. Er wusste genau, welche Konsequenz es bedeutete, wenn sie jetzt nicht schnell getrocknet und gewärmt würden. Eine wiederholte Erkältung wollte er vermeiden. Einer der Matrosen lief los. Der andere wurde bereits von einem heranstürmenden Caleb beiseite gestoßen. "HAST DU SIE NOCH ALLE, ELF?!", keifte er Kjetell'o an, aber der blieb trotz allem ruhig. Mehr noch, er winkte beschwichtigend in Calebs Richtung und grinste Madiha dann zu. "Das war aufregend, oder?" Ehe sie Gelegenheit zum Antworten erhielt, schlang ihr Dieb seine Arme bereits um ihren Körper. Er hob sie an, drückte sie trotz aller Nässe an sich. "Geht es dir gut, Madi? Seid ihr beide wohlauf?"
Der Dunkelelf kehrte mit Decken und Handtüchern zurück. Er reichte alles an Kjetell'os und Caleb weiter. Jener ließ es sich nicht nehmen, Madiha nun ordentlich abzutrocknen und sie anschließend wie die Füllung einer dieser leckeren Quarkbrötchen in ihre Decke zu rollen. "Genug Aufregung für heute, hm? Mehr steht mein Herz nicht durch!" Sein Tadel war halb so wild. Caleb schmunzelte schief. Er schien einfach froh zu sein, dass die Lektion ihres Lehrmeisters Madiha nicht das Leben gekostet hatte. Und als er der erste Schrecken vorbei war, sie gemeinam unter Deck beisammen saßen, auf Säcken, weiteren Decken und Fässern, kehrte auch wieder Ruhe in den Dieb ein. Er schnitt Brot im Schein zweiter Laternen, die zwischen den Schalen mit einer kleinen Mahlzeit aufgestellt worden waren. Es gab Trockenobst, eine inzwischen erkaltete Pampe mit Bohnen, die besser schmeckte als sie aussah und eben Brot. Es war nicht zu vergleichen mit den gemeinsamen Essen im Hause van Tjenn, aber es machte satt. Und weil Kjetell'o und Madiha sich aufwärmen mussten, hatte der Smutje des Schiffes sogar etwas Tee aufgegossen. Der Elf hockte im Schneidersitz auf seinem Seesack, die Decke um die Schultern und beide Hände um die Tasse mit dampfendem Tee geschlungen.
Caleb saß neben Madiha. Er reichte ihr gerade eine Scheibe Brot, ehe er auch sich eine großzügig abschnitt. "Nun erzähl mal, was du gesehen hast. Meine ... Reise unter Wasser gab mir keine Gelegenheit damals. War viel zu schnell tot." Er lachte auf, nahm es inzwischen mit Humor. Außerdem war er neugierig, ob es sich lohnte.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 18. September 2024, 21:29

Obwohl die Wunder dieser Welt nicht immer greifbar für Madiha gewesen waren, wusste sie sie dennoch zu bestaunen. So war es keine Gier oder gar Überheblichkeit, die die junge Feuermagierin weiter in die Tiefe des Meeres sinken ließ. Es war schlichtweg die Faszination und das Fehlen von Vorsicht, die sie weiter und weiter hinabsinken ließen. Madiha wollte ausnutzen, dass sie diese Chance erhielt. Sie wollte sie nicht ungenutzt vorüberziehen lassen und vergaß dabei, die Warnung ihres Lehrers. Kjetell’o verlor sich aus ihrem Blick, sodass die Samaerin immer tiefer und tiefer in ein stilles Grab glitt. Dabei war sie abgelenkt und doch stark genug, ihre schützende Blase aufrechtzuerhalten. Leider verletzte sie das ihr vollkommen unbekannte Wesen, ohne es je gewollt zu haben. Sie bemühte sich, ihm ein Gefühl der Sicherheit zu geben, trotz seiner Erfahrungen, aber das Wesen blieb vorsichtig. Mehr noch, es schien sie nicht recht zu verstehen, weshalb sie die Hände zur Hilfe nahm, um zu erklären, woher sie stammte. Das Wesen aber blubberte lediglich und sie war von seinem Anblick gebannt. Die leuchtenden Quallen, dieses froschähnliche Wesen… Die junge Magierin starrte einen Moment nur gebannt, versuchte zu ergründen, was das Wesen ihr sagen wollte. Aber es wich vor ihr und ihren Bemühungen zurück. Madiha hielt inne in ihrem Versuch, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Sie verstand es vermutlich mehr als gut, wenn jemand keine Nähe zulassen wollte. Also beobachtete sie, bis das Wesen plötzlich verschwand und anderswo auftauchte. Wollte es mit ihr vielleicht spielen? Oder suchte es nun nach einer Möglichkeit, ihren ungewollten Angriff zu vergelten? Madiha wusste es nicht und fand auch keine Antwort darauf, denn im nächsten Moment stob das Wesen das Wasser so sehr auseinander, dass Wirbel entstanden, die sie schließlich in einen Strudel bannten. Madiha keuchte erschrocken und spürte sofort die Panik aufsteigen. Sie konnte nicht schwimmen und hatte ob ihrer Blase vollkommen vergessen, wo sie genau war! Das Mädchen riss die Augen ängstlich auf, während es trudelte und die Orientierung zu verlieren drohte. Dann hörte sie ihr inneres Feuer und spürte im selben Moment einen Griff um ihr Handgelenk.
Madiha fand den Waldelf über sich und war erleichtert ihr zu sehen. Mit geballter Härte wurde ihr bewusst, wie tief sie eigentlich im Meer war. Sie ernüchterte schlagartig und konnte die nackte Angst in sich aufsteigen spüren. "Wir müssen zurück! Uns geht die Zeit aus." Madiha nickte verstehend und spürte mit einem Mal ein Drängen, das aus ihrem Innersten zu stammen schien. Sie hatte Angst. Todesangst. Die Wassermassen erdrückten sie beinahe und forderten eine erhöhte Atmung. Sie sah zur Wasseroberfläche, zumindest glaubte sie, dass sie in jener Richtung lag und bedeutete Kjetell’o, dass sie bereit war. Sie folgte ihm und ahmte seine Bewegung nach, um zu helfen. Auf der Hälfte ihres Weges aber wandte sie doch noch mal den Blick gen Grund. Sie würde dieses Erlebnis nicht vergessen, nie mehr. Und sie war noch immer neugierig, was für ein Wesen sie dort gesehen hatte. Dann aber spürte sie mit einem Mal, wie die Kraft sie schlagartig verließ. Madiha wurde unsagbar müde, regelrecht bleiern. Ihre Muskeln, ihr Geist nichts wollte sich mehr anstrengen. Sie wollte fast zurücksinken in die schwerelose Tiefe und einfach… hierbleiben.

Madiha verschwamm kurz der Blick, ehe sie eine knisternde Wärme spürte, die ihr noch mehr Anstrengung bescherte. Sie fühlte sich schwitzig, rieb sich mit der freien Hand über die Stirn und löste instinktiv den Kragen ihrer Kleidung etwas. Sie brauchte Luft… ihr war heiß und die Luft schien nicht mehr zu reichen. „Kjetell’o…“, murmelte sie und schaffte kaum noch eine kraftvolle Warnung. Ihr ging die Kraft aus. "Wir haben es gleich geschafft“, motivierte er sie und Madiha nickte mechanisch. Dann hörte sie ihr Feuer. “Ich weiß… ich auch… es tut mir leid…“, dachte sie bleiern und schloss für einige Sekunden die Augen. Ihre Beine versagten ihr den Dienst und sie spürte, wie Kjetell’o sie ziehen musste. Das ließ sie wieder aufschrecken und erneut alles bemühen, was sie aufwenden konnte, um den Elf zu unterstützen. Doch nach der nächsten Bewegung ihrer Beine, spürte Madiha einen Riss durch ihr Innerstes gehen. Und mit einem Schwall wurde sie schlagartig wach. Wasser strömte durch ihre Blase, übergoss sie mit eiskalter Macht. Madiha japste und hustete schließlich, weil das Wasser ihre Lungen flutete. Sie prustete, bemühte sich, die Luft anzuhalten. Dann verlor sie für einige Sekunden die Besinnung, und im nächsten Moment fand sie sich in der Luft hängend wieder und wurde allmählich gen Himmel gezogen. Sie blinzelte, ehe ihr Körper die Luft registrierte und nun gierig in die Lungen zog. Sie hustete erneut, spuckte etwas Wasser zurück in die Fluten, bevor sie schließlich über die Reling gehievt wurde und auf den harten Planken Halt fand. Madiha schlotterte erbärmlich und schlang die Arme um sich herum. “Decken“, hörte sie Kjetell’o und suchte mit ihrem Blick nach dem Elf. Es ging ihm gut… Den Göttern sei Dank. Dann aber zuckte Madiha, als sie Caleb’s Stimme poltern hörte. "HAST DU SIE NOCH ALLE, ELF?!" „Caleb“, krächzte Madiha, die ihm sagen wollte, dass es ihre Schuld gewesen war. Doch sie brauchte ihre Kraft gerade, um nicht auf der Stelle einzuschlafen. Sie fühlte sich elend, als hätte sie Wochen nicht geschlafen und noch länger nichts gegessen. Das Spektakel hatte enorm an ihren Reserven gezehrt, was ihr bereits jetzt zu denken gab. Doch vorerst besaß Caleb ihre Aufmerksamkeit, als er sie an sich drückte und anschließend eine Decke um sie schlang. „Mir geht es gut“, versicherte sie ihm und schenkte ihm gar ein Lächeln. „Ich bin nur furchtbar erschöpft“, gestand sie. "Genug Aufregung für heute, hm? Mehr steht mein Herz nicht durch!" Madiha nickte zustimmend und lehnte sich erneut gegen Caleb’s Halt spendende Brust. Sie folgte anschließend sowohl ihm als auch Kjetell’o unter Deck, um sich ebenfalls in eine Decke gewickelt eine Mahlzeit zu gönnen. Tatsächlich langte Madiha ordentlich zu und verspeiste allerhand. Sie hatte das Gefühl, ewig nichts gegessen zu haben und versuchte ihre Kraftreserven auf diese Weise aufzufüllen. So saß sie mit vollen Wangen da, starrte in eine der Flammen der Kerzen und sinnierte einen Moment über das Erlebte nach. Immer wieder zuckte sie frierend, ansonsten aber war wieder etwas Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt.

"Nun erzähl mal, was du gesehen hast. Meine ... Reise unter Wasser gab mir keine Gelegenheit damals. War viel zu schnell tot." Madiha hielt inne, als sie sich gerade den letzten Rest Trockenobst einverleiben wollte und blickte Caleb an. „Nicht witzig.“, murrte sie halbernst und stopfte sich das Obst ebenfalls in den Mund. Sie kaute, wartete aber nicht, bis sie den Mund geleert hatte, sondern begann sofort zu plappern. Essen half offenbar, das Defizit ein wenig aufzufangen. Oder sie bildete sich das ein und kippte bald aus den Latschen. „Es war so aufregend und faszinierend, ich konnte so weit hinabtauchen und fand mich in seltsamen Wesen wieder. Die waren so… bauchig oben und hatten lange Fäden unter sich hängen. Sie haben geleuchtet und es war…. Es war wundervoll. Und als sei das nicht genug, war da auf einmal dieses Wesen. Es sah aus, wie ein Mensch aber dann auch wieder nicht. Seine Haut war … grün? Blau? Vielleicht eine Mischung. Es hatte keine Haare, aber besaß Augen und Hände, auch wenn die so komische Dinger zwischen den Fingern hatten. Es hatte Beine und….“, sie redete vermutlich viel zu schnell und undeutlich, weil sie noch immer wie ein Hamster die Wangen voll hatte. Dann aber blinzelte Madiha Kjetell’o und Caleb an.
„Es hat sich an meiner Blase verbrannt…“, sagte etwas ruhiger und gleichwohl bedauernd. „Das hat ihm angst gemacht, aber ich konnte ihm nicht erklären, dass ich das nicht wollte… Es wich vor mir zurück, hatte Angst und dann… naja dann war es fort. Ich weiß nicht, was das war… ich habe noch nie gehört, dass es so etwas gibt aber…“, sie hob die von der Decke eingepackten Schultern, „Das heißt ja nichts, nicht wahr?“, sie lächelte schief und hatte endlich die Wangen von dem Essen befreit. Madiha seufzte und sah die Männer nacheinander an, ehe sie aber bei Kjetell’o hängenblieb. „Es tut mir wirklich leid, ich… ich wollte nicht unvorsichtig sein, ich war nur so… so berauscht von dieser Möglichkeit.“ Sie wirkte etwas kleinlaut und sah zu Caleb. „Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe und … und wie knapp es war…“, murmelte sie und blickte auf die Teetasse, die sie inzwischen in den Händen hielt. „Es war so wunderschön…“, murmelte sie erneut und ließ kein Zweifel offen, dass sie einzig nur der Faszination gefolgt war. Und nicht überheblich ihren eigenen Kräften gegenüber geworden war.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Montag 23. September 2024, 10:33

Nicht nur Madiha hatte an diesem Tag etwas gelernt. Auch Kjetell'o würde sich mit dem Ergebnis noch gedanklich befassen. Er hatte erfahren, wie wissbegierig seine Schülerin auf das Entdecken einer Welt war, die ihr bislang verwehrt geblieben war. Und dass sie jegliche Warnung in den Wind schlug, wenn sie sich von dieser Entdeckerlust hinreißen ließ. Natürlich hätte er es ahnen können. Es war nicht das erste Mal, dass Madiha ob eines kleinen Weltenphänomens funkelnde Augen bekam. Das hatte der Elf nun gelernt, würde seine Schlüsse daraus ziehen und seinen Unterricht entsprechend gestalten. Madiha konnte sich glücklich schätzen, einen Lehrer wie Kjetell'o erhalten zu haben. Er würde ihr keine Hindernisse in den Weg stellen oder es ihr anderweitig schwerer machen, einen Blick auf die Welt zu richten. Nein, ganz im Gegenteil! Sie sollte ja lernen. Sie sollte Dinge entdecken, sich von ihnen faszinieren lassen und Erfahrungen sammeln. Es war an ihrem Lehrmeister, die Umgebung auf ihren Wissensdurst vorzubereiten, auch wenn das bedeutete, reichlich Netze aufzuhängen, um einen Sturz abzufangen.
Gestürzt waren sie beide heute nicht und da konnten sie nur von Glück sprechen. Es war mehr als lebensgefährlich gewesen. Entsprechend wurde zumindest Kjetell'o auch sofort von Caleb begrüßt. Dagegen konnte auch der Hauptgrund seiner Sorge - Madiha - nichts ausrichten. Ihre Stimme war maximal ein Krächzen, mehr Kraft brachte sie im ersten Augenblick einfach nicht auf. Ihr Körper konzentrierte sich auf das Schlottern, um der Kälte Herr zu werden, sowie um das Atmen. Ihre Lungen lechzten nach dem Einfall des eiskalten Meerwassers darum, sich frisch zu pumpen. Ihr Herz raste noch immer, aber die Bilder in ihrer Erinnerung flogen gleichzeitig wild durch ihren Verstand. Sie würde den Anblick der schwimmenden Wesen nicht vergessen, vor allem nicht des einen Froschartigen, das sich an ihrer Schutzblase verbrannt hatte. Doch jetzt blieb keine Zeit, ausgiebiger darüber nachzudenken. Caleb setzte alles in Bewegung, um ihr Komfort zu verschaffen. Schon fand sie sich in seinen Armen, später in einer Decke wieder. Noch viel später saß sie mit ihm und Kjetell'o unter Deck auf Kisten, Boden und Seesäcken, zwischen der Ladung, sowie Hängematten, die zwischen ihren Balken im Rhythmus des Wellengangs schwankten.
Der Kapitän hatte seine Pflichten an den Ersten Maat abgegeben. Dafür war jener da und weil es sich um Jakub handelte, konnte Caleb darauf vertrauen, dass er seine Sache gewissenhaft ausführen würde. Er sorgte sich nach wie vor um Madiha. Sie hatte ihm gerade so noch mitteilen können, wie erschöpft sie war. Daraufhin hatte er ihr jegliche Anstrengung abgenommen. Wo Kjetell'o mit einem schon leicht finsteren Blick allein unter Deck schlurfen musste, da trug der Dieb seine Herzensdame, bettete sie auf zahlreichen Decken und sah zu, dass sie es warm hatte. Anschließend holte er einige Vorräte herbei, damit sie bei einer Mahlzeit wieder zu Kräften kommen könnte.
Es funktionierte. Langsam zwar, aber nach einer Weile besaß Madiha schon wieder mehr Farbe im Gesicht. Hunger trieb sie an, denn die Aufrechterhaltung der magischen Schutzblase hatte sie Kraft gekostet, gerade in den letzten Zügen, als Kjetell'o ihr noch zu Hilfe geeilt war. Sie spürte sich seltsam leer - nicht mental, sondern wirklich, was ihre Reserven anging. Vermutlich hätte sie die widerlichste Pampe vorgesetzt bekommen können und es hätte ihr im Moment wie Nektar und Ambrosia geschmeckt. Jeder Bissen aus Fett, Kohlehydraten, Zucker und Vitaminen war spürbar. Sie fühlte regelrecht, wie ihre Kräfte sich Happen für Happen in den Normalzustand zurückkämpften.
Als der Großteil der dargebotenen Rationen vertilgt war - tatsächlich langte auch Kjetell'o ordentlich zu - konnte Madiha schon wieder aufrecht sitzen. Sie griff selbstständig nach dem Brot, das Caleb ihr hinhielt und biss nun nicht nur mit Hunger, sondern auch Genuss von der Scheibe ab. Caleb beobachtete sie, bis er es nicht länger ertrug. Jetzt, da sich der Schrecken etwas gelegt hatte, wurde selbst er neugierig. So hakte er unter charmant gesetzten Witzeleien nach, was Madiha gesehen und erlebt hatte.
"Es war so aufregend und faszinierend, ich konnte so weit hinabtauchen und fand mich in seltsamen Wesen wieder. Die waren so ... bauchig oben und hatten lange Fäden unter sich hängen. Sie haben geleichtet und es war ... Es war wundervoll", plapperte Madiha drauf los. Sie schäumte beinahe über vor Begeisterung, so dass für den Moment jegliche Müdigkeit verflogen zu sein schien. Caleb lauschte ihr fasziniert. Kjetell'o beobachtete beide. Er hielt seinen Tee mit beiden Händen, um sich daran zu wärmen. Hinter der Tasse schmunzelte er. "Quallen", warf er gedämpft ein, um seiner Schülerin weiteres Wissen mit auf den Weg zu geben, ohne aber ihre Erzählungen zu unterbrechen. Doch Madiha hatte die wirbellosen Wassertiere bereits hinter sich gelassen. Schließlich hatte sie noch mehr gesehen. "Und als sei das nicht genug, war da auf einmal dieses Wesen. Es sah aus wie ein Mensch, aber dann auch wieder nicht. Seine Haut war ... grün? Blau? Vielleicht eine Mischung."
"Hast du eine Meerjungfrau gesehen?", fragte Caleb dazwischen und bekam große Augen. Als Andunier kannte er natürlich jede Menge Geschichten über das Meer und Sagen, die sich um zauberhafte Bewohner der Tiefen drehten. Dass ihm zunächst Meermenschen einfielen, war nicht überraschend. Sie strahlten eine gewaltige Faszination auf Küstenbewohner aus und nicht wenige Andunier suchten einen Beruf, der sie zur See brachten mit der Hoffnung, eines Tages einem halbnackten Halbfischmenschen zu begegnen. "Sie sollen sich auf Felsen und kleine Sanbänke im Meer setzen, um zu singen und dort ihr Haar zu kämmen", erklärte der Kapitän. Doch Madiha nahm ihm rasch die Hoffnung: "Es hatte keine Haare, aber besaß Augen und Hände, auch wenn die so komische Dinger zwischen den Fingern hatten. Es hatte Beine und... Es hat sich an meiner Blase verbrannt..." Das Bedauern der Feuermagierin, mit ihrem kleinen Zauber Schaden angerichtet zu haben, trübte etwas ihre Stimmung. Es verlangsamte so aber auch ihren Redefluss, so dass Caleb sich nun anderweitig Gedanken machen konnte. Er befand sich auf dem richtigen Weg. "Vielleicht war es ein Aquade. Sah es denn irgendwie wie ein Frosch aus? Hast du schon einmal einen Frosch gesehen." Er beschrieb die Optik einer klassischen Kröte und als Caleb demonstrieren wollte, wie jene Reptilien ihren Hals blähten, um zu quaken, da war es Kjetell'o, welcher sich an seinem Tee verschluckte und daraufhin herzlich lachen musste. Caleb grinste auf. "Kennst du denn Aquaden?", fragte er den Elfen. Kjetell'o schüttelte den Kopf. "Ich kenne vieles. Ich hatte auch viel Zeit, vieles kennen zu lernen, aber der Begriff sagt mir nichts. Auch habe ich das Wesen nicht gesehen. Madiha ist mir da etwas voraus." Er schenkte ihr ein Lächeln.
"Es wich vor mir zurück, hatte Angst und dann ... naja, dann war es fort. Ich weiß nicht, was das war ... Ich habe noch nie ghört, dass es so etwas gibt, aber ... Das heißt ja nichts, nicht wahr?" Der Shyáner nickte. Caleb stimmte ihm ebenfalls zu. "Aquaden sind die weniger schöne Version von Meeresbewohnern. Schade, ich hätte so'n Meermann oder eine schicke Meerjungfrau wirklich lieber gesehen. Aber wenn du möchtest, kann ich dir etwas von den Froschleuten erzählen - eine andunische Seefahrergeschichte."
Caleb war noch immer ein Dieb. Nun hatte er sich die Aufmerksamkeit gestohlen, nutzte sie aber, um etwas Gutes zurückzugeben. Auch das konnte man ihm stets zuschreiben und deshalb liebte Madiha ihn auch so sehr. Sie und Kjetell'o durften sich nun eine Geschichte über Aquaden anhören, wie man sie in Andunie zum Besten gab. "Wieviel davon wahr ist, weiß ich nicht. Meist erzählt man sich davon, wenn man schon gut einige Biere oder andunischen Apfelwein intus hat, aber ich hab sie mir immer gern angehört", begann Caleb. Dann rückte er dichter an Madiha heran, schlang einen Arm um sie und deutete mit dem anderen in eine unsichtbare Ferne. "Bevor Andunie seinen heutigen Namen besaß - bei der Gründung als Siedlung hieß es noch Andun - da existierte ein junger Adliger namens Armandeo Seváll. Er war reich, schön und wusste von beidem. Frauen warfen sich ihm zu Füßen und er genoss es, in ihrer Anbetung zu baden. Ha, so ein bisschen wie Azura." Caleb grinste schief auf. "Aber im Gegensatz zu deiner Tochter, Elf, wurde Armandeo dieses luxuriöse Leben schnell langweilig. Das Einzige, was ihn noch glücklich machte, war ein Blick auf die Weite des Meeres, wenn Lysanthor seine Sonne zum Horizont senkte, um Venthas feuchte Wange zu küssen, ehe er die Nacht dem Mond überließ. Er war es, dem an einem solchen Abend eine Nixe begegnete - eine Meerjungfrau. Sie war nicht sonderlich schön, verglich man sie mit vielen der Adligen, die Armandeo regelmäßig umwarben. Aber sie war die erste, die seine Schönheit abwies. Das überraschte ihn nicht nur, sondern forderte ihn auch heraus. Er wollte dieser Frau, die halb Fisch war, imponieren und ließ die besten Stücke seines Reichtums an den Strand karren. 'Schau, was ich alles besitze!', rief er ihr zu. Die Nixe aber fragte nur zurück: 'Hast du Freunde?' Dann schwamm sie zu den ihren. Armandeo erkannte, dass kein Geld der Welt ihm dieses Gut kaufen konnte. Er suchte den Strand fortan täglich auf, um sich mit der Meerjungfrau zu unterhalten. Er lernte nicht nur, sondern verliebte sich auch und setzte daraufhin all seinen Reichtum darauf, einen Weg zu finden, zu ihr ins Wasser gehen zu können. Die Legende besagt, dass es ihm gelang. Wie, das weiß niemand. Aber er soll nicht nur bei der Meerjungfrau in der Meerestadt voller Schätze und Schönheit gelebt haben, sondern mit ihr auch eine Familie gegründet haben. Aus diesen Mischwesen enstanden die ersten Aquaden, so heißt es." Er lachte auf. "Frag einen Andunier nach den Aquaden und er wird dir dieses Märchen erzählen ... und darauf aufmerksam machen, dass Andunier und Aquaden quasi verwandt sind. Oder es gänzlich abstreiten, denn die Froschmenschen sollen wirklich unansehnlich sein."
"War deine Begegnung denn hässlich?", fragte Kjetell'o nun Madiha. Sie hatte sich bei ihm entschuldigt für ihre Unachtsamkeit, doch der Elf war nicht einen Moment darauf eingegangen. Er sah es offenbar nicht als Fehler an, auch wenn sie beide gerade so überlebt hatten. Für ihn zählte, was Madiha aus diesem Abenteuer mitnahm, was sie erlebt und erfahren hatte. Und er wollte daran teilhaben, wollte aus ihr herauskitzeln, was sie nun wusste. Er wollte ihre Begeisterung weiter füttern.
"Wie auch immer", warf Caleb aber mit einem Wink ein. "Das Wesen ist fort, oder? Ich glaube nicht, dass du's nochmal wiedersiehst." Oh, wie sehr er sich doch irren sollte!

Caleb blieb in dieser Nacht bei Madiha und auch Kjetell'o gesellte sich hinzu, wenngleich der Elf zu dem verliebten Paar etwas Abstand hielt. Ganz zog er sich allerdings nicht zurück, das war unmöglich. Wie Caleb schon entschuldigend erwähnt hatte, besaß die Schattenmuräne nicht so viel Raum wie die Blaue Möwe und so tauchten im Laufe der Nacht immer mehr Matrosen auf, um sich in die Hängematten zu hauen. Wirklich tiefen Schlaf fand keiner von ihnen, denn durch den regelmäßigen Schichtwechsel der Matrosen trappelten immer irgendwelche nackten Füße über die Planken. Trotzdem fand Madiha Zeit, sich zu erholen.
Die nächsten Tage verliefen sogar überraschend ruhig. Der Alltag der Schiffsmannschaft war routiniert. Caleb wurde hier und dort mal eingespannt, immerhin musste er als Kapitän ja doch einige Dinge erledigen. Madiha stand es allerdings frei, sich auf dem ganzen Schiff nach Lust und Laune zu bewegen. Nur zu ihren Unterrichtszeiten wurde sie von Kjetell'o erwartet. Jener beschränkte die Lektionen an Bord nun eher auf das Theoretische, was auch bei der Feuermagie reichlich trocken war. Vor allem, da Kjetell'o ihr teilweise auch Allgemeines über Magieanwendung erklärte. Erst die kleinen praktischen Übungen danach lockerten den Unterricht wieder etwas auf. Der Elf hielt sich mit weiteren Ausflügen ins Meer nun jedoch zurück - nicht, weil er sie nicht noch einmal wiederholen wollte, sondern weil Caleb nun einen wachsameren Blick auf ihn hatte. Er wollte einfach nichts riskieren. Und so kam es, dass Madiha lediglich den Blick auf das Wasser richten und von der magischen Vielfalt unter seiner Oberfläche träumen konnte.
Als sie am vermutet letzten Tag ihrer Reise vor Ankunft bei Sarma wieder einmal auf das Meer herunter schaute, fiel ihr etwas auf. Zwischen den Schaumkronen schwamm ein bläulicher Farbklecks, der sich von den restlichen Wellen unterschied. Sie erkannte dort nämlich auch grünliche Flecken. Ein Muster, das ihr noch immer vertraut war, auch wenn sie es nur einmal gesehen hatte. Außerdem würde sie niemals wieder die großen, goldenen Augen vergessen, die mit Neugier zur Schattenmuräne empor starrten und einen Hüpfer machten, als sie Madiha an der Reling entdeckten. Plötzlich hob sich die farblich andersartige "Welle" etwas empor. Die Sarmaerin erkannte nun, dass sie sich wirklich nichts eingebildet hatte. Da war ein Wesen im Wasser. Ein Frosch ähnlicher, rundlicher Kopf ohne Haare oder Ohrmuscheln. Sie erkannte aus der Ferne nur zwei dunkle Punkte an den Seiten, wo die Ohren hätten sein müssen. Ähnlich flach war auch die Nase, die nur aus den Löchern zu bestehen schien. Dafür wirkte der Mund des Wesens recht breit, froschähnlich eben. Und die Augen waren groß, dass sie zwei Drittel des Gesichts einnahmen. Ein humanoid wirkender Körper von blauer Farbe mit algengrünen Flecken reckte sich etwas aus dem Wasser. Dann hob das Wesen vorsichtig eine Hand an. Zwischen den Fingern konnte Madiha Schwimmhäute erkennen, die ebenso grün waren wie das Fleckenmuster auf der Haut. Es war die Hand, die das Froschwesen - der Aquade? - sich verbrannt hatte. Aus der Ferne ließ sich nicht erkennen, ob es Narben davongetragen hatte. Handelte es sich also um einen Gruß oder die Versicherung, dass alles verheilt war? Oder hatte das Wesen ihr den Grund zeigen wollen, warum gleich eine Armee aus Meereswesen das Schiff zum Kentern brächten? Noch geschah nichts. Das Wesen wartete offenbar auf eine Reaktion, während die nachmittägliche Brise Madihas Haar zerzauste.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 25. September 2024, 14:26

Sie hatte Glück gehabt. Wieder mal. Madiha war sich dessen mehr als bewusst, auch wenn es nichts daran änderte, wie fasziniert sie von der Welt war. Schon im Turm in der Wasserakademie hatte sie für die Aussicht, die Kjetell’o ihr gewährte nur Staunen übriggehabt. Die Weite, die sie erblickte, war so immens, dass es ihr eine Gänsehaut und gar Tränen beschert hatte. Madiha hatte in ihrem Leben nie wirklich viel besessen und schlussendlich nährte das nun ihre Neugierde. Sie hatte regelrecht Hunger auf die Welt und schlussendlich würde sie lernen müssen, sich trotzdem zu hüten. Nachdem sie aus den eiskalten Fluten gerettet worden waren, spürte Madiha eine unsägliche Erschöpfung. Es war erstaunlich, wie viel Kraft sie der Einsatz ihrer arkanen Mächte doch gekostet hatte. Dabei wirkte es so… leicht und fast schon natürlich. Madiha würde lernen müssen, nicht auch innerlich zu verbrennen, wenn sie wahrlich eine Feuerhexe werden wollte. Sie musste haushalten und sie würde diesbezüglich fleißig üben, denn allein die Sorge in Caleb’s Stimme und Blick waren ihr Grund genug. Sie wollte ihm keinen Kummer machen und sie hatte zudem dem Feuer in sich versprochen, dass sie auf es aufpasste. Das konnte sie wohl nicht, wenn sie vollkommen entkräftet war, jedes Mal, wenn sie es einsetzte. Madiha aber brauchte Zeit, um sich jetzt von dieser heiklen Lehrstunde zu erholen. Dabei halfen ihr die warmen Decken, das Liegen unter Deck und das Essen. Bei den Göttern hatte sie einen Bärenhunger! Sie stopfte zeitweise regelrecht, bis sie das Gröbste gestillt hatte und endlich auch mit Appetit aß. Nun wurden ihre Bewegungen langsamer und genussvoller. Sie atmete auf und durch und schaffte es sich sogar hinzusetzen. Es war als käme das Blut zurück in ihre Gliedmaßen, nachdem sie es abgeschnürt hatte. Alles kribbelte etwas unangenehm, aber es war auszuhalten. Nun schaffte sie es auch von ihren Erlebnissen zu berichten und sofort erhielten ihre Augen wieder diesen kindlich-naiven Glanz, der zeigte, wie sehr sie von den Schätzen dieser Welt träumte. "Hast du eine Meerjungfrau gesehen?" Sie stutzte. „Weiß nicht. Hab ich?“, fragte sie dagegen. Woher sollte ausgerechnet sie das wissen? "Sie sollen sich auf Felsen und kleine Sanbänke im Meer setzen, um zu singen und dort ihr Haar zu kämmen" Sie grinste kurz auf, dann aber berichtete sie davon, dass ihr Wesen anders ausgesehen hatte.
"Vielleicht war es ein Aquade. Sah es denn irgendwie wie ein Frosch aus? Hast du schon einmal einen Frosch gesehen." Als Caleb ihr aufzeigen wollte, wie ein Frosch aussah, bekam Madiha große Augen und lachte sogar auf, weil es so lustig aussah. Sie nickte aber bestätigend, denn tatsächlich hatte das Wesen Ähnlichkeiten gezeigt. „Aquade…“, murmelte sie nachdenklich. Sie hatte noch nie gehört, dass es solche Wesen gab. "Kennst du denn Aquaden?", fragte Caleb den Elfen, der nur den Kopf schüttelte. Das überraschte Madiha doch sehr, denn in ihren Augen musste Kjetell’o bereits alles gesehen haben und kennen. Sie bedachte den Magier mit einem nachdenklichen Blick. "Aquaden sind die weniger schöne Version von Meeresbewohnern. Schade, ich hätte so'n Meermann oder eine schicke Meerjungfrau wirklich lieber gesehen. Aber wenn du möchtest, kann ich dir etwas von den Froschleuten erzählen - eine andunische Seefahrergeschichte.", wusste Caleb zu berichten, nachdem sie ihre Begegnung weiter ausgeführt hatte. Madiha’s Aufmerksamkeit kehrte zu Caleb zurück und sie nickte aufgeregt. Natürlich wollte sie eine Geschichte hören! Und Caleb wusste wirklich, eine zu erzählen. Madiha hing ihm an den Lippen – wenn dieses Mal auch nur sprichwörtlich – und sog die Worte der Geschichte in sich auf. Am Ende lächelte sie leicht. „Ich finde, das klingt wunderschön!“, urteilte sie und nickte, bevor sie einen Schluck warmen Tee nahm.

"War deine Begegnung denn hässlich?", fragte Kjetell’o und ließ Madiha aufschauen. „Was? Nein!“, sagte sie mit aller Ehrlichkeit, die sie geben konnte. „Er mag kein sonderlich langes Haar oder so gehabt haben, aber…“, das Mädchen erinnerte sich an die Begegnung und lächelte verzückt. „Ich fand ihn wahnsinnig schön und faszinierend. Ganz ehrlich, er war einfach so besonders, dass er doch nur schön sein kann, nicht wahr?“, fragte sie und blickte die beiden Männer abwartend an. "Wie auch immer. Das Wesen ist fort, oder? Ich glaube nicht, dass du's nochmal wiedersiehst." Madiha sah Caleb an, dann nickte sie leicht. „Vermutlich, ja…“, murmelte sie und nur wenig später schlief sie den Schlaf der Gerechten. Der volle Magen und die Erlebnisse bescherten ihr einen tiefen Schlaf für ein paar Stunden, bis der Wachwechsel sie immer wieder auftauchen ließ. So kam auch kein Traum zustande. Madiha aber gewöhnte sich die nächsten Tage an das eher schlechte Schlafen. Womöglich kannte ihr Körper diese Art des Ruhens auch noch, weshalb es ihr nicht so schwer fiel, durchzuhalten. In den nächsten Tagen aber wurde ihr Geist auch so gefüttert. Sie versuchte fleißig zu bleiben und zu lernen, aber nicht immer verstand sie auch die theoretische Anwendung von Magie. Es stellte sich schnell heraus, dass sie eher ihren Gefühlen folgte, als logischen Formeln. Madiha schaffte es nicht immer, den manchmal abstrakten Gebilden von Zauber, magischen Grundlagen und der Geschichte der Magie zu folgen, aber Kjetell’o hatte niemals zu beanstanden, dass sie es nicht versuchen würde. Sie stießen hierbei wohl einfach nur auf Grenzen, die ihre ungebildete Kindheit geschaffen hatte. Sie entpuppte sich als Praktikerin und zeigte diese Neigung auch bei anderen Dingen an Deck. Sobald sie nicht lernen musste und Caleb eingespannt war, ließ sie sich von der Mannschaft hier und dort einiges zum Thema Seefahrt erklären. Sie übte verschiedene Seemannsknoten und versuchte auch mal ein Segel aufzuspannen. Sie übte sich darin in die Takelage zu klettern oder ließ sich das Karten- oder Würfelspiel der Matrosen erklären. Alles in allem war Madiha sehr zufrieden und selbst die dunklen Gedanken, bezüglich ihres Ziels ließen sie weitestgehend in Ruhe. Bis sie allerdings irgendwann die Küste des heißen Landes erkannte.
Einer der Matrosen hatte sie darauf aufmerksam gemacht und Madiha spürte sofort eine innere Unruhe aufkommen. Sarma. Es war nicht leicht zurückzukehren. Die Monate, die sie in Freiheit verbracht hatte, waren ihr sehr kostbar geworden und doch hatte sie plötzlich das Gefühl, sich nicht richtig gewappnet zu haben. Nachdem Kjetell’o sie für heute entlassen hatte, saß sie dieses Mal etwas trübsinnig auf einem verzurrten Fass und hatte den Kopf auf die Reling gelegt, während ihre Arme drumherum lagen. Der Wind zerzauste ihr die Haare und spülte gleichwohl über ihre Gedanken hinweg. Sie seufzte und richtete sich gerade auf, als sie etwas in den Schaumkronen der Wellen entdeckte. Neugierig und dankbar für die Ablenkung von den Gedanken, fokussierte sie sich darauf und musterte es. Bis ihr Herz hüpfte und die Augen groß wurden. Madiha rappelte sich eilig auf, lief einige Schritte an der Reling entlang und strahlte daraufhin über beide Wangen. Ja! Er war es! Sie erkannte das Wesen aus den Tiefen der Wellen und ihr Herz schlug ihr freudig erregt bis zum Hals. Als es die Hand hob, erwiderte Madiha instinktiv die Geste, ohne darüber auch nur einen Moment nachzudenken. Sie winkte… sie winkte mit freudiger Energie und lachte dann.
Daraufhin aber hielt sie inne und deutete auf die Hand, die sich das Wesen bei ihr verletzt hatte. Es war ein Versuch nonverbal die Frage nach der Verletzung zu stellen. Klappte es? Verstand das Wesen, was sie wissen wollte? Sie kniff die Augen zusammen, um eine eventuelle Antwort zu erkennen. Erst im zweiten Moment fragte sie sich, wieso das Wesen sich ihr noch mal zeigte und das Lächeln wurde ein wenig gedämpfter. Madiha freute sich weiterhin und sie hatte auch keinen Grund zu glauben, dass es ihr schaden wollte. Aber trotzdem war da der Gedanke nach dem Warum. Plötzlich ging ein Ruck durch sie hindurch und sie wandte sich eilig nach Caleb um. Er hatte gesagt, er hätte gerne mal einen gesehen. Sie winkte Caleb eilig zu, sollte er auf sie achten, damit er zu ihr käme. Das gleich tat sie dann mit Kjetell’o, der auch sagte, er habe noch nie ein Aquade gesehen. Ganz gleich, ob die Männer auf sie aufmerksam wurden oder nicht, sie wandte sich daraufhin wieder dem Wesen im Wasser zu und lächelte erneut.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Samstag 28. September 2024, 06:54

Madiha hat sich ausruhen können, was ihren Zustand verbessert hat. Bitte ändere deine Lebensenergie im Profil auf:



Calebs Geschichte hatte einen bleibenden Eindruck bei Madiha hinterlassen. Zumindest konnte sie nun erahnen, was ihre Begegnung gewesen sein mochte. Ein Aquade - ein Meereswesen, das aus Andunier und Meeresnixe entstanden sein musste. Genauer gesagt, seine eigenen Vorfahren. Was Celcia alles hervorbrachte, war unglaublich und einmal mehr durfte das einstige Sklavenmädchen sich den Wundern dieser Welt erfreuen, die sich ihr nun offenlegten. Sie hatte so viel verpasst, aber nun durfte sie nicht nur alles nachholen. Sie erlebte sicherlich auch mehr als der durchschnittliche Bürger in Freiheit. Das verdankte sie ihren Freunden, nicht zuletzt aber auch sich selbst und ihrem inneren Feuer. Es hatte ihre die nötige Willenskraft beschert durchzuhalten und jetzt würde sie sogar lernen, bewusst damit umzugehen. Sie würde es zum Einsatz bringen, um andere zu schützen. Jedenfalls hoffte sie das, denn als der Ausguck bereits von Belfas Küste berichtete, wurde Madiha dann doch etwas flau im Magen.
Nach Sarma zurückzukehren war für sie nicht leicht. Es gehörte eigentlich ihrer Vergangenheit an und es existierte viel zu viel in ihrer Heimat, das sie an eine Zeit ohne Freiheit erinnerte. Doch nichts davon wog so schwer wie das Wissen, dass Sarma durch die dunklen Völker und mutmaßlich nun auch einen Drachen bedroht wurde. Sie würde dorthin gehen. Sie würde kämpfen - mit ihrer Feuermagie. Sie würde verletzen müssen, um andere zu retten. Es stimmte sie trübselig und so lehnte Madiha mit nachdenklicher Miene an der Reling der Schattenmuräne, um auf die Weite des Meeres zu blicken. Den Kopf hatte sie dabei auf ihre verschränkten Unterarme gestützt. Sie fühlte das glatte Holz auf ihrer Haut und den Wind, der mit ihren Haaren spielte. Sie verfolgte das Schaukeln der Wellen, bis sie dort einen Fixpunkt ausmachen konnte, der sich von allem anderen etwas abhob.
Wenig später erkannte sie diese still haltende Welle als ihre Unterwasserbegegnung wieder. Der Aquade! Er war es wirklich, denn nun streckte er eine seiner Hände empor, so dass Madiha die Schwimmhäute zwischen den Fingern erkennen konnte. Er sprach nicht mit ihr, aber die Geste war ein Zeichen. Er war nicht grundlos an die Wasseroberfläche gekommen!
Madiha winkte zurück. All der Kummer war mit dem bloßen Auftauchen des Wesen wie weggeblasen. Freude erfüllte die Sarmaerin, dass sie es überhaupt wiedersehen durfte. Mit fragendem Blick deutete sie auf ihre eigene Handinnenfläche, weil sie vom Schiff aus nicht erkennen konnte, ob jene des mutmaßlichen Aquaden wirklich verheilt war. Es funktionierte. Jedenfalls senkte das Meeresgeschöpf seine winkende Hand, um sie zu betrachten. Eine zweite kam zum Vorschein. Mit den Fingern fuhr es über den Handteller, strich irgendetwas nach. Dann reckte es die Flosse erneut empor und winkte wieder.
Madiha traf die Erkenntnis, dass sie diesen Moment nicht einfach an sich vorbeiziehen lassen durfte, ohne jene mit einzubinden, die ihn verpassen könnten. Sie hatte bei Calebs Geschichte nur zu gut heraushören können, wie gern auch er einmal einen Aquaden sehen würde - wenn schon keine Nixe! Und Kjetell'o sollte in seinem langen Elfenleben nie zuvor einem solchen Geschöpf begegnet sein? Es war unglaublich. Mehr noch aber wollte Madiha ihm diese Möglichkeit nun gewähren.
Sie ließ den Aquaden nur lang genug aus den Augen, um Caleb herbei zu rufen. Außerdem winkte sie nach Kjetell'o. Glücklicherweise standen beide gerade zusammen, so dass sie schnell auf die Aufgeregte aufmerksam wurden. "Hast du einen Fisch gesehen?", lachte Caleb auf, als er die Reling erreichte. Kjetell'o schmunzelte und trat an Madihas Seite. Das Lächeln gefor ihm auf den Lippen. "Nein, ich glaube ... Madiha, ist er das? Der Aquade?"
"WO?!" Caleb sprang sofort heran und drückte Madiha mit seinem massigen Leib ein Stück nach rechts, so dass sie ihrerseits etwas gegen Kjetell'o prallte. Der Kapitän klammerte sich mit beiden Pranken um das Holz der Reling und starrte auf das Wasser herunter. Er konnte ihn sehen, ebenso Kjetell'o. Sie beide sahen den froschartigen, blauen Kopf mit den grünlichen Flecken. Sie sahen die großen goldenen Augen mit den schlitzartigen Pupillen, über die sich die Lider nun zum Zwinkern stülpten, als fuhre eine Haut über sie hinweg, um sie zu schmieren. Das Sonnenlicht spiegelte sich in diesen Augen wieder, ließ sie bernsteinähnlich funkeln.
"Wie außergewöhnlich", hauchte Kjetell'o voller Faszination und ganz ergriffen, während Caleb einige Momente nur sprachlos auf das Meerwesen hinabstarrte. Jenes wirkte etwas verwirrt und unsicher. Es spähte zu Madiha und den beiden Männern empor, trieb unschlüssig im Wasser und blickte dann auf die Wellen herab, als überlegte es, gleich wieder in die Sicherheit der Tiefe abzutauchen. Da meldete Caleb sich endlich zu Wort. Mit ausgestreckter Hand rief er dem Wesen zu: "NEIN, nicht! Bleib noch! Wir ... wir laden dich ein." Schon warf er einen Blick über die Schulter zurück und brüllte über Deck: "Beiboot herablassen! Sofort!"
Nach kurzer Überraschung kam Bewegung an Deck. Die dunkelelfischen Matrosen folgten dem Befehl des Kapitäns, auch wenn sie ihn mit Blicken in Frage stellten. Doch Jakub war schnell auf Calebs Seite. "Ihr habt den Käpt'n gehört. Beiboot herablassen!" Das an der Seite der Muräne hängende Boot wurde von seinen Riemen gelöst, bis es nicht mehr wie eine hölzerne Ausbuchtung unterhalb der Reling klebte, sondern an den beiden kleinen Kränen und mit reichlich Kraft der Mannschaft vorsichtig zu Wasser gelassen werden konnte. An Bord des kleinen Bootes saßen nun Caleb, Kjetell'o, ein dunkelelfischer Ruderer und Madiha, die natürlich auch mit musste. Und während die Arbeiten voran gingen, das Boot Stück für Stück zu den Wellen herunterzulassen, floh der Aquade nicht. Er beobachtete, schwamm gelegentlich ein wenig hin und her, ließ das Treiben aber nicht aus den Augen. Erst als der Dunkelelf das kleinere Wassergefährt in seine Richtung steuerte, wich der Aquade zurück.
"Wir tun dir nicht! ICh vespreche es!", rief Caleb ihm zu, aber das Wesen schien ihn weder zu verstehen noch zu glauben. Es blieb auf Abstand, bis es eindeutig Madiha an Bord des Bootes erkannte. Dann wartete es mit Skepsis im Blick ab. Es war bereit, jederzeit abzutauchen und zu verschwinden. Aber irgendetwas ließ es noch zögern. Dann hob es erneut die Hand, als das Boot auf etwa zwei Armeslängen an dem Wesen heran war. Nun konnte Madiha erkennen, dass das Geschöpf eine Erinnerung an ihr Treffen zurückbehalten würde. Eine fast schon blitzförmige Brandnarbe zog sich über seine Handinnenfläche, vom Ringfinger bis hin zum Daumen. Die Haut war dort nicht schön bläulich, sondern schimmerte rosig wie das frische Fleisch unter einer Verletzung, bei der man den Schorf abgekratzt hatte. Das Wesen schaute kein bisschen rachsüchtig drein, nicht einmal verärgert. Ob es das jedoch nicht war, ließ sich schwer sagen. Es öffnete sein froschartiges Maul. Madiha und die anderen entdeckten abgerundete Zähne und eine überaus große, breite Zunge.
"Es heilt, siehst du?", blubberte es hervor. Ohne unter Wasser zu sein, klang es reichlich seltsam. Noch seltsamer aber war es, das Wesen auf celcianisch quäken zu hören. Es nutzte offenbar die wenigen Worte, die es überhaupt kannte: "Fischer? Fang? Netz auswerfen! Quade Quade QUADE!"
Kjetell'o gluckste, dann lachte er. "Ohje, die Kommunikation wird schwierig", meinte er und stupste Madiha an der Schulter an. Er schenkte ihr ein Lächeln. "Aber dich scheint er faszinierend zu finden. Versuch du es, mit ihm zu sprechen!"
"Auf jeden Fall", stimmte auch Caleb zu. "Aquaden zeigen sich normalerweise nicht. Die bleiben für sich. Einen überhaupt an der Oberfläche zu sehen, ist ein Ereignis, das man nur einmal im Leben hat. Und der hier will offensichtlich noch etwas von uns." Er brummte, blickte das Meerwesen an. Dann korrigierte er ihn: "A-Quade. Aquade. Das bist du."
"Du", quäkte das Wesen zurück, ohne wirklich zu verstehen. Es musterte Madiha, drehte den Kopf leicht und dann schwamm es bis an das Boot heran. Es streckte die Hand nach dem Holz aus. Jene Hand, in der die verheilte Wunde noch sichtbar schimmerte. Dann schien es sich zu erinnern, wie es dieses Mal erhalten hatte und zuckte sofort zurück. Stattdessen blickte es zu Madiha auf, in einer Mischung aus Faszination und Vorsicht. "Du! Aquade!", versuchte es sich verständig zu machen, ohne selbst zu verstehen.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 29. September 2024, 09:30

Madiha hatte sich entschieden, den Fremden aus dem Dunklen Volk ihre Unterstützung zuzusagen. Sie hatte sich entschieden, Ilmy und den Kindern, sowie allen, die es brauchten zu helfen. Sie hatte es ernstgemeint und trotzdem haderte dann und wann mit sich und ihrer Rolle. Schließlich war sie ‚einfach nur Madiha‘ und das war etwas, das sie erst mit der Zeit ablegen lernen würde. Madiha wollte viel und hatte bereits vieles verändert. Für sich, aber auch für andere, die sich entschlossen hatten mit ihr zu gehen. Dennoch war sie niemand, die leichtfertig mit solcher Verantwortung umging und sich immer mal wieder an dem Punkt fand, wo sie sich der Tragweite nur allzu bewusst wurde. Das Mädchen aus Sarma, das nicht mal einen eigenen Nachnamen trug, war gekommen, um ganz Sarma zu befreien? Es war grotesk und dennoch nicht minder wahr. Sie wollte das. Sie wollte das wirklich und nach der Vereinigung mit ihrem Feuer, da hatte sie auch deutlich mehr Zuversicht. Allerdings war sie niemand, der rücksichtlos war. Sie war nicht gewieft oder gar hinterhältig. Sie hatte womöglich nicht die nötige Finesse, um solch ein Unterfangen wahrlich zum Sieg zu führen. Madiha war… intuitiv. Sie fand sich innerhalb einer Situation wieder und handelte. Sie schmiedete keine langen Pläne, fasste keine weitreichenden Gedanken. Sie hätte die dunkelelfische Feuerhexe getötet, wenn sie damit alle gerettet hätte. Aber dass sie die Kontrolle verlor und beinahe alle anderen auch verletzt hätte… Madiha war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich die sein konnte, die ein Kjetell’o, Caleb, Ilmy oder wer auch immer in ihr sehen wollten. Solche erdrückenden Gedanken führte sie stets mit sich und verheimlichte sie dennoch. Es war seltener geworden, dass sie nachdenklich wurde, weil sie durch ihr Feuer und das Vertrauen in sie und ihre Fähigkeiten gestärkt wurde, aber sie war nicht übermütig und schon gar nicht überheblich. Sie wusste, dass sie ganz am Anfang stand.
Das Üben mit Kjetell’o war stets etwas Positives. Madiha lernte gern und es gab ihr Hoffnung, dass sie es zu etwas anderem bringen konnte. Dass sie, wie Phönix aus der Asche, aufsteigen und sich erneuern konnte, um endlich das alte Gefieder abzulegen. Sich reinigte, wie Corax es tat. Madiha stutzte bei ihrem Gedanken, bis sie nach der Perle fühlte, die sie in einem der Beutel stets bei sich trug. Sie hatte in den letzten Tagen immer wieder mal einen Blick auf sie geworfen und erleichtert festgestellt, dass sie noch weiß war. Ihre Gedanken wanderten nicht selten zu Corax und wie es ihm wohl gehen mochte. Dann aber gab es wieder eine Ablenkung und die gefassten Gedanken verflüchtigten sich. So wie jetzt: Madiha konnte sich nicht dagegen wehren, dass die nahende Ankunft in Sarma sie erneut in einen Strom aus Zweifeln sog. Aber sie blieb offen für die schöne Umgebung.

Das Meer war etwas, das sie durchaus faszinieren konnte. Zwar nicht so sehr ihr Feuer, aber sie selbst hatte etwas dafür übrig. Auch das Meer war unstet und mal aufbrausend, dann wieder ruhiger. Als Madiha den Kopf des Aquaden erkannte und sich sämtliches Trübsal in Wohlgefallen auflöste, machte sie Caleb und Kjetell’o aufmerksam, damit sie teilhaben konnten an dem Spektakel. Madiha lächelte und freute sich ehrlich, dass sie ihn noch einmal sah. Als die Männer sie flankierten wurde sie von Caleb etwas beiseitegeschoben, dass sie gegen Kjetell’o stieß. "Nein, ich glaube ... Madiha, ist er das? Der Aquade?" „WO?!“ Madiha lächelte entschuldigend zum Elfen hinauf, ehe sie auch wieder auf das Wasser schaute und ihnen die Richtung wies, damit sie ihn sehen konnten. "Wie außergewöhnlich", hörte sie Kjetell’o wispern und sie nickte stumm zur Bestätigung, dass sie es ähnlich empfand. Der Aquade aber schien unsicher zu sein und Madiha erkannte, dass es seltsam für ihn sein musste, dass sie auf ihn derart aufmerksam machte. Er kannte den Elfen und Andunier ja nicht und wusste nicht, dass sie niemals etwas tun würden, dass ihm schadete. Aber bevor sie beschwichtigend sein konnte, war es Caleb, der das übernahm. Es passierte alles sehr schnell und Madiha machte große Augen, als sie nur wenig später im Beiboot der Schattenmuräne saß und über die Wasseroberfläche schaukelte. "Wir tun dir nichts! Ich verspreche es!"Madiha schob sich etwas an Caleb vorbei und lächelte dem Aquaden zu, der ihren Blick auffing und scheinbar ruhiger wurde. Natürlich hatte er Angst. Hätte sie auch. Sie verstand ihn. In einem gewissen Abstand, der ihm genug Platz zum Flüchten einräumte aber auch dicht genug war, um sich zu unterhalten, trieb das Beiboot schaukelnd auf den Wellen. Madiha blickte den Froschmann an und lächelte zuversichtlich. Ihm würde nichts geschehen, dessen durfte er sich sicher sein.
Wieder überkam sie die Faszination, dass es solche Wesen gab. Madiha lehnte sich etwas vor und betrachtete daraufhin die ihr entgegen gestreckte Handfläche. Sie machte große Augen und man sah ihr an, dass sie die Narbe bedauerte. „Es tut mir sehr leid!“, wiederholte sie abermals und legte eine Hand an ihr Herz. "Es heilt, siehst du?", hörte sie die seltsamen Laute und hob die Augenbrauen. Sie beobachtete die Gestik des Wesens und meinte zu verstehen. Sie lächelte erleichtert und nickte ihm zu. „Das war keine Absicht, weißt du?“, versuchte sie dennoch mit ihm zu kommunizieren, als verstünde er, was sie sagte. Doch dann überraschte er sie, denn er blubberte in brüchigem Celcianisch. "Fischer? Fang? Netz auswerfen! Quade Quade QUADE!" Madiha runzelte die Stirn, während der Elf neben ihr gluckste. "Ohje, die Kommunikation wird schwierig. Aber dich scheint er faszinierend zu finden. Versuch du es, mit ihm zu sprechen!" Madiha lächelte etwas verschämt. "Auf jeden Fall! Aquaden zeigen sich normalerweise nicht. Die bleiben für sich. Einen überhaupt an der Oberfläche zu sehen, ist ein Ereignis, das man nur einmal im Leben hat. Und der hier will offensichtlich noch etwas von uns."

Caleb’s Einschätzung brachte Madiha wieder zum Kern der Sache. Sie blickte den Aquaden erneut ins Gesicht und musterte ihn schweigsam, wie nachdenklich. Er wollte ihnen etwas sagen…
"A-Quade. Aquade. Das bist du.", klärte Caleb ihn auf und versuchte die Worte zu ordnen, die das Wesen an sie richtete. “Du“, machte der Froschmann und Madiha fixierte stumm sein Gesicht. Sie kaute noch an den Worten und versuchte ihnen einen Sinn zu entlocken. Nun aber schwamm er auf das Boot zu und musterte Madiha. Er streckte gar seine Hand nach ihr aus, doch Madiha sah, wie er ob der Erinnerung zurückzuckte. Sie fühlte sich schlecht deswegen, aber stob nach vorn und seine Hand zu berühren. Sie wollte ihm zeigen, dass es ein Versehen war und sie nicht immer ‚verletzte‘. Madiha starrte den Aquaden am Beiboot-Rand an und hatte die Hand ausgestreckt. "Du! Aquade!" Madiha machte große Augen. „Ich?“, sie schüttelte den Kopf. „Ich bin ein Mensch…“, antwortete sie, als hätte er die Worte so bewusst gewählt. Dann legte sie den Kopf leicht schief. „Braucht einer deiner Freunde Hilfe? Vielleicht ist einer von ihnen in einem Fischernetz gefangen worden?“, teilte sie die Gedanken Caleb und Kjetell’o mit. „Vielleicht will er unsere Hilfe? Wusste nicht, wohin er sich wenden sollte… Wobei es fraglich ist, weil er mich gar nicht kennt. Er geht ein hohes Risiko ein, findet ihr nicht? Wenn sie sonst unter sich bleiben, brauchen sie gewiss nicht die Hilfe von jemandem wie… mir?“, überlegte Madiha laut, ließ dabei aber den Aquaden nicht aus den Augen. Dann zeigte sie auf sich, damit er begriff, dass sie sich selbst meinte: „Madiha. Ich heiße Madiha!“, stellte sie sich vor. Dann zeigte sie auf Caleb und anschließend auf Kjetell’o „Caleb und Kjetell’o“, sagte sie. Dann zeigte sie auf ihn und blickte ihn fragend an. „Wie heißt du?“, wollte sie wissen. „Was kann er nur wollen?“, murmelte sie nachdenklich.
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Re: Schwarze Segel

Beitrag von Erzähler » Montag 30. September 2024, 15:15

Das Boot schaukelte, aber bisher nur, weil die Wellen es leicht hin- und herschwanken ließen. Der dunkelelfische Matrose - ein kräftiger Kerl mit kurzen, weißen Haaren, schwarzen Augen und dem Namen Elre - hielt es dennoch gut auf Kurs. Trotzdem konnte jeder auf der Nussschale von Glück reden, nicht seekrank zu sein. Auf dem Schiff merkte man den Wellengang deutlich weniger intensiv. Aber weder Kjetell'o, noch Caleb oder Madiha kümmerten sich gerade um das Schaukeln. Sie alle richteten ihre Aufmerksamkeit auf den Aquaden vor sich. Ob es sich bei ihm um einen männlichen oder weiblichen Vertreter seiner Art handelte, war schwer zu sagen. Das Gesicht wirkte so androgyn, dass es sich durch die Optik allein nicht feststellen ließ und nicht einmal, als das Wesen zu sprechen begann, konnte man es eindeutig festlegen. Die Stimme klang im Geblubber wirr, als würde es mit mehreren zugleich sprechen. Das Celcianische war gebrochen, drang leicht quäkig aus dem lippenlosen Mund, hielt sich aber auf einer derart neutralen Stufe, dass sich auch hieraus keine Rückschlüsse ziehen ließen.
Dass es überhaupt zu ihnen sprach, sorgte schon für Staunen genug. Caleb würden noch die Augen aus dem Kopf herausfallen, wenn er so weiter starrte. Kjetell'o beobachtete das Meereswesen mit Faszination, aber deutlich zurückhaltender. Im Stillen schien er aufgeregt. Madiha fühlte es, denn sie spürte inzwischen den Unterschied zwischen ihrer eigenen und der Feueraura des Elfen. Seine flackerte leicht, halb hinter ihr. Er blieb beherrscht, um nicht vor Aufregung das Boot in Brand zu stecken. Wahrscheinlich zeigte er sich deshalb auch gerade eher wortkarg und forderte Madiha auf, das Sprechen zu übernehmen. Das und weil der Aquade ihr deutlich zugetan schien. Er musterte sie mit großen, goldenen Augen. Sie glänzten wie eine Schicht aus Öl, die sich über ein aufgeschlagenes Ei ausbreitete, das man in der Pfanne briet. Darunter aber verbarg sich weder Dotter noch Eigelb, sondern goldener Honig. Die Iriden allein schienen gar ein wenig zu wabern, als wären sie flüssig. Der Anblick allein konnte jeden in seinen Bann ziehen. Auch Madiha konnte sich davon nicht lösen, obwohl es ihr zweites Aufeinandertreffen war. Sie versuchte es mit Kommunikation, ohne zu wissen, ob der Aquade sie verstand. Dabei bediente sie sich auch der Gestik, denn Worte allein reichten aus ihrer Perspektive heraus nicht. Außerdem tat es ihr leid zu sehen, wie der Aquade sich seinerseits annähern wollte und dann furchtsam vor der mit ihr negativ gemachten Erfahrung zurückzuckte.
Madiha schnellte vor. Das Boot geriet leicht ins Wanken, aber nichts, was Elre nicht hätte ausgleichen können. Sie streckte ihre Hand aus, wollte die des Aquaden berühren, die mehr einer Flosse glich. Doch dann sprach er erneut, nannte die Sarmaerin eine Artgenossin.
"Ich? Ich bin ein Mensch..."
"Men...qu", ahmte er sie nach. Caleb unterdrückte ein Glucksen. "Menqu!", wiedehrolte der Aquade, sichtlich stolz, ein neues Wort gelernt zu haben. "Das hört sich furchtbar an. Eure Sprache ist furchtbar. Da blubbert überhaupt nichts. Wir nennen euch Luftatmer, Landgänger. Und du hast gar keine Schwimmhäute zwischen den Fingern!" Der Aquade trieb wieder etwas näher. Jetzt war er kaum mehr eine Armeslänge von Madiha entfernt.
"Fasst er Vertrauen?", raunte Caleb.
"Lass Madiha weitermachen, dann vielleicht", entgegnete Kjetell'o. Er nickte ihr zuversichtlich zu. So versuchte Madiha nicht nur, weiterhin mit dem Wesen zu reden, sondern auch einen Sinn hinter seinem bisher Gesagten zu ergründen. "Braucht einer deiner Freunde Hilfe? Vielleicht ist einer von ihnen in einem Fischernetz gefangen worden?"
"Fischer!", wiederholte der Aquade erneut. Dabei klatschte er mit beiden Händen, dass es sich anhörte, als schlüge jemand Gummilhandschuhe gegeneinander. Er wirkte freudig erregt, allerdings nicht besorgt.
"Meinst du, er versteht die Bedeutung des Wortes überhaupt?", hakte Kjetell'o nach, der den Froschmenschen aufmerksam beobachtete. "Ich habe eher den Eindruck, er wollte dir zeigen, welche unserer celcianischen Begriffe er kennt. Pass auf!" Der Elf räusperte sich, winkte dem Aquaden daraufhin zu, damit er dessen Aufmerksamkeit erhielt. Dann sagte er schlicht: "Fischernetz."
"Netz!", wiederholte der Blaue, wirbelte einmal im Wasser im Kreis und schaute anschließend von Kjetell'o zu Madiha hin. Es war ob seines ohnehin schon breiten Maules schwer zu sagen, aber es sah so aus, als grinste er. Die runden Zähne, die er dabei bleckte, erinnerten an Kiesel in einem ziemlich dunklen Flussbett. Kjetell'o schüttelte sanft den Kopf. "Er macht auf mich einen viel zu gut gelaunten Eindruck, als dass er uns um Hilfe anfleht. Falls ein Problem existiert, so schwebt niemand der seinen in unmittelbarer Gefahr. Ich ... kann mich allerdings auch irren. Es ist das erste Mal, dass ich versuche, einen Aquaden zu deuten."
"Quade!", ertönte das Quäken desselben. Er plapperte offensichtlich nur nach oder sprach aus, was er kannte. Auch Caleb winkte ab. Beide Männer bezweifelten, dass das Wesen Hilfe benötigte. "Aber was will er dann?", fragte der Dieb. Madiha aber ging es Schritt für Schritt an. Sie legte ihre Hand auf das eigene Herz und stellte sich vor. Dann zeigte sie auf ihre Begleiter. "Caleb und Kjetell'o." Schließlich deutete sie in Richtung des blauen Meeresgeschöpfes. "Wie heißt du?"
Plötzlich kam Bewegung in den Aquaden. Mit Schwung, reichlich Wasserpritzern und einem gewaltigen Satz sprang er aus dem Wasser wie es sonst nur Delfinen gelang. Dabei landete er auf der Bugspitze des Bootes, direkt vor Madiha. Er hockte dort, die Beine angewinkelt, und hielt sich mit seinen beiden Flossenhänden an dem kleinen Bugpfosten fest, auf dem er die Balance hielt. Nun sah er einem Frosch wirklich mehr als ähnlich. Aber wenigstens ließ sich nun ausmachen, dass es sich um einen männlichen Aquaden handelte. Zumindest, wenn man davon ausgehen mochte, dass auch männliche Aquaden keine Brüste besaßen. Seine zeigte nur die Rippenbögen, über deren Verlauf sich fast schon fächerartig einige Hautlappen zogen wie scharfe, vorstehende Klingen. Dass sie es nicht waren, sondern nur eine Art Hornhaut, ließ sich allerdings ebenso schnell erkennen. Kleidung trug er nicht, allerdings bedeckte seinen Schrittbereich eine Vielzahl bunter Muscheln, Meeresschnecken, Seesterne und ein Schurz aus dunkelgrünen Algen. Das einzig fremd Erscheinende an ihm - sah man von seiner Existenz als Aquade einmal ab - waren zwei goldene Ringe, die er wie Armbänder trug, jedoch um die Fessel seines linken Fußes. Jener endete übrigens ebenfalls in einer - gewaltigeren - Flosse mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen. Er würde niemals menschliches Schuhwerk tragen können. Darauf hatte er es aber auch nicht abgesehen. Jetzt hockte er wie ein übergroßer Meereswasserspeier vorn auf dem Boot, so dass Elre mit den Rudern um das Gleichgewicht kämpfte. Das Gefährt schwankte geraume Zeit, kenterte glücklicherweise aber nicht.
Der Aquade beäugte Madiha nun aus nächster Nähe. Er kam ganz nah an ihr Gesicht heran, so dass sie sich in seinen goldenen Augen spiegeln konnte. Sie konnte sein leicht fischiges Aroma wahrnehmen, aber auch das Farbenspiel seiner blauen Haut in Verbund mit den grünlichen Flecken darauf.
Plötzlich löste das Wesen seine linke Flossenhand und hob sie an. Es zögerte erneut. Schließlich überwand es seine Scheu, um Madihas Brust zu berühren. Er legte seine Hand auf die ihre, die noch immer an ihrem Herzen hing. "Madiqa", quakte er ihr entgegen. Sein Mundgeruch konnte einem Tränen in die Augen treiben. Er stank extrem stark nach alten Fischresten, aber wie sollte man sich unter dem Meer auch die Zähne putzen? Er gab ein freudiges, aber sehr trockenes Gurgeln von sich, als er bemerkte, dass seine Hand nicht erneut von Feuer gepackt wurde. Dennoch zog er sie nun zurück, um sie an die eigene Brust zu legen. Dann holter er Luft, streckte sich in den Stand und nahm den Schwung mit, um mit einem Rückwärtssalto zurück im Wasser zu landen. Dabei quäkte er seinen Namen laut in den Tag hinein: "Liquis!"
Sobald Elre das Boot erneut zurück ins Gleichgewicht gebracht hatte, reckte Caleb sich an Madiha vorbei, um den Bootsrand zum umfassen und einen Blick auf's Wasser zu werfen. Der Aquade war verschwunden. "Liquis?"; rief er prüfend und stob zurück, als ein munterer Wasserstrahl ihn direkt aus dem Maul des Gesuchten ins Gesicht traf. "Bah!", machte Caleb und wischte sich mit den Ärmeln das Salzwasser ab. Der Aquade lachte offenbar. Es klang wie die Geräusche eines nach Fisch bettelnden Seehundes. Er amüsierte sich köstlich über den kleinen Streich und während Caleb sich noch trocknete, legten sich Liquis' Hände um den Rand des Bootes. Er zog sich daran hoch, bis er bis zum Bauch aus dem Wasser ragte. Seinen Blick richtete er mit einem breit grinsendem Froschmaul darunter auf Madiha. "Madiqa ... magst du mein Freund sein?" Unruhig ließ er die Zunge über sein halbes Gesicht schlängeln, dass sie ihm zeitweise wie eine fleischige rosa Haarlocke vom Kopf hing. Offenbar dachte er nach. Schließlich versuchte er es erneut auf Celcianisch: "Madiqa ... nein Fischer? Nein fangen? Nein Netz?"
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