Der geschändete Tempel

Der Wassertempel zu Ehren der Göttin Ventha. Seefahrer besuchen diesen Tempel vor ihrer Abfahrt aufs Meer und beten für Wind in den Segeln, bringen sogar Opfergaben wie Seesterne oder eine Schale Wasser.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Azura » Freitag 11. Juli 2014, 13:02

Obwohl man es ihr nicht zutrauen mochte, hatte Azura durchaus hin und wieder die Anwandlung eines Sinns fürs Praktische. Vor allem dann, wenn die Situation sie dazu zwang, auch wenn es schon lange her war, seitdem dies das letzte Mal der Fall gewesen war. Aber ihre früheste Kindheit auf der Straße hatte sie geprägt und war unter der Erziehung einer Adeligen stets in einem Schlummerzustand, der sich rasch ändern konnte, sobald sie keine andere Wahl hatte. Und im Moment war dem auch so.
Sie brauchte Kleidung, die dem Wetter trotzte und nicht fürs Repräsentieren. Das Gleiche galt für die Stiefel, wenngleich sie eher für das Reiten, denn das Marschieren zu Fuß gedacht waren. Doch die Sohle war ausreichend, um eine Zeit lang durchzuhalten, bevor sie abgetragen wäre, und für die Not suchte sie genau deswegen ein zweites, ähnliches Paar Stiefel heraus, um es in dem Sack mit den Ersatzkleidern mitzuschleppen.
Zwar würde sie sich noch mit dem Problem des Ankleidens auseinander setzen müssen, aber das musste warten, bis sie die Stadt verlassen hatten und in relativer Sicherheit wären. Vorerst hatte sie eine andere, knifflige Schwierigkeit zu lösen: Sie musste die Geldreserve ihrer ehemaligen Freundin finden! Ungefähr wusste sie ja, wo sie nachsehen musste, dennoch wollte es nicht auf Anhieb klappen.
Mehrmals musste sie den ungeduldigen Kerl, der noch immer an ihr hing, zur Ruhe gemahnen, weil sie sonst nicht hören könnte, wo genau sich das Versteck befand. Plötzlich jedoch wurde sie ruppig beiseite geschoben. "Hey!", protestierte sie zwar, ließ ihn allerdings gewähren, als auch er das Ohr gegen die Wand legte.
Schmollend verschränkte sie die Arme vor der Brust und schnaubte leise, war dennoch klug genug, ihn nicht davon abzuhalten. Das hätte sie nur unnötig Zeit gekostet, das war selbst ihr klar. Und immerhin, auf einmal schien sich etwas verändert zu haben und er griff sich einen Kandelaber.
Azura wollte schon aufschreien und ihn davon abhalten, weil sie die Methode des Öffnens wusste, doch da war es bereits zu spät. Somit verdrehte sie lediglich die Augen und schnaubte wiederholt. "Ich hätte es ohne solchen Krach geschafft.", murrte sie unwillig, griff aber trotzdem genauso nach dem Geld wie er.
Da dahinter ein kleiner Beutel lag, nahm sie diesen ebenfalls an sich und ließ ihr derzeitiges, kleines Vermögen dort hinein gleiten. Schon hörte sie erneut seine Stimme und sah ihn fast schon feindselig an, ehe sie ihren Arm hob, um ihm das feine Goldkettchen zu zeigen, das sie an ihn fesselte. "Ach, und wie? Ich komm in kein Oberteil rein und gnaden dir alle Götter und Geister, wenn du auch nur daran denkst, das Kleid anzufassen und zu zerstören! Wir nehmen alles mit und draußen gibt es dann die Lösung.", bestimmte sie und zog ihn zurück in den anderen Raum, um die zwei Reisekleider und ein Stiefelpaar in einem größeren Sack zu verstauen.
Daraufhin schlüpfte sie in das andere Paar Stiefel, schob sich den Geldbeutel in den Rest ihrer Korsage und sah ihn schließlich auffordernd an, dass er ihre Sachen tragen sollte. Immerhin war er ein Kerl und Soldat, sie eine Dame, obwohl man ihr das nicht mehr sonderlich deutlich anmerken konnte. Das änderte dennoch nichts daran, dass sie in ihm wieder einen Knecht und Diener ausmachen wollte.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Das dunkle Volk » Samstag 26. Juli 2014, 07:39

Corax lehnte sich seitlich an die Wand. Er hatte sich seinen Anteil aus dem geheimen Versteck gegriffen, den Rest überließ er Azura. Nun war er es jedoch, der die Augen verdrehte. "Die Stadt ist in Aufruhr und unter unserer Herrschaft, Weib. Niemand wird auf dieses bisschen Lärm achten. Auffälliger wäre, wenn das Anwesen in friedlicher Stille läge." Er sprach aus Erfahrung. Wo sich Dunkelelfen auf einem Eroberungsfeldzug aufhielten, da musste man sich keine Gedanken über brachiale Geräusche, Schmerzensschreie und Klagelaute der Opfer Gedanken machen. Die Elfen begannen erst misstrauisch zu werden, wenn diese Klangkulisse fehlte.
Man ging nicht weiter darauf ein. Sowohl Azura als auch Corax verstanden es, den jeweils anderen ständig mit kleinen Anmerkungen zu sticheln oder auf seine Fehler hinzuweisen, da beide andere Sichtweisen der Lage besaßen. Daher kam es dem Elfen auch nicht in den Sinn, über die Unversehrtheit eines Kleidungsstücks zu lamentieren, wenn man es nun einmal nur dann tragen konnte, indem man einen Teil davon zerstörte. Er schnaubte. "Dann sollte ich wohl doch deine Hand vom Gelenk trennen ... so bleibt der geliebte Fetzen heil." Der Spott in seiner Stimme verbarg nicht die Ernsthaftigkeit, mit der er die Worte aussprach. Hätte der Kerl eine Knochensäge besessen, er wäre längst von dem Goldkettchen und auch von Azura befreit gewesen. Was kümmerte ihn diese Frau noch? Man hatte sie - ebenso wie ihn - im geschändeten Tempel Venthas zum Sterben zurückgelassen. Dies ließ für Corax Rabenschrei nur einen Schluss zu: seine Herrin war ihrer - und auch seiner - überdrüssig. Ihrer beider Leben maßen gleich viel an Wertigkeit. Nun, das musste er Azura nicht unter die Nase binden. Sie könnte auf ähnliche Ideen kommen, sich von ihm zu befreien wie es von seiner Seite aus beruhte.
Wenigstens war sie endlich fertig mit ihrer Suche. Corax starrte den gepackten Beutel an, dann Azura. Langsam aber mit einer Schärfe, die die Luft zwischen ihnen hätte zerteilen können, hob sich seine rechte, geschwungene Braue. "Was?", blaffte er, ahnte aber schon, worauf ihr Schweigen hinauslief. Nochmals flog der rubinrote Blick zu dem Tragebeutel. Dann kehrte er zu Azura zurück. "Nein", sagte er schlicht, aber betonte damit nur, dass er sich von ihr weder zum Sklaven noch zum Packesel machen ließ.

Eine Weile standen sie beide so da. Auf der einen Seite Azura, die vermutlich keinen Schritt tun würde, solange Corax nicht ihre neuen Habseligkeiten aufgeladen hatte. Und auf der anderen Seite funkelte ihr der Elf entgegen, der kein Verständnis für ihre Stellung als Adlige besaß. Für ihn war jeglicher Mensch reiner Abschaum! Einzig das rationale Denken des Soldaten bewirkte, dass endlich ein Stein ins Rollen kam. Sie würden niemals von hier verschwinden, wenn beide sich weigerten und für seine alte Herrin hatte er oftmals Schleppdienste getätigt. Allerdings würde er es ganz oder gar nicht angehen. So packte Corax schließlich nach dem Beutel, befestigte ihn an seinem Gürtel, dass er wie eine breit gewölbte Ausbuchtung seiner Hüfte dort baumelte. Die eingepackten Stiefel schlugen ihm gegen das Bein, doch es kümmerte ihn gerade nicht. "Einen von zwei unhandlichen Säcken ist verstaut. Fehlt nur noch ..." Und dann langte er unsittlich nach Azuras Hüften. Ohne große Umschweife warf er sich die junge Frau über die Schulter. Sollte sie sich wehren, hätte er nur einen durchaus harten Klaps auf ihren Hintern für sie übrig.
Corax verließ das Schlafgemach der Freundin und bewegte sich durch die verwüsteten Korridore zurück in die Eingangshalle. "Wohin jetzt?", fragte er, ohne Azura abzusetzen.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Azura » Montag 3. November 2014, 15:47

Die junge Frau verschwendete wenig Zeit und Gedanken darüber, ob es Sinn machte, leise zu sein, oder eben nicht. Es war ihr egal, da sie das Schicksal ihrer Heimatstadt sie wenig berührte, solange ihre Privilegien beachtet wurden. Sogar das offensichtliche Unglück einer ihrer Freundinnen ging ihr nicht nahe, dazu waren derartige Verbindungen viel zu oberflächlich und sie selbst viel zu egoistisch. Sie sah höchstens die Vorteile für sich darin und nichts anderes interessierte sie.
Trotzdem wollte sie nicht, dass sie erwischt werden könnten, wenn sie schon länger hier bleiben mussten als notwendig, weil das mit der Kette so umständlich war. Entsprechend finster funkelte sie ihren Begleiter bei seiner aufsässigen Reaktion an und verbiss sich gerade noch einen unflätigen Kommentar. Stattdessen griff sie sich lieber ebenfalls Geld, sodass sie nicht vollkommen von ihm abhängig wäre... oder davon, ihn zu bestehlen, sobald er unaufmerksam wäre.
Daraufhin kehrten sie ins angrenzende Gemach zurück und sie stand vor dem nächsten Problem, wie sie sich umziehen könnte, ohne, dass er gaffen oder das Kleid zerstören würde. Sein Vorschlag brachte sie dazu, ihn mal wieder mit einem Schimpfwort zu bedenken, zu ihrem Glück in einer Sprache, die er theoretisch nicht verstand. Wütend blitzten ihre Augen dabei.
"Nimm gefälligst deine eigene Hand, du Bauer!", fauchte sie, denn es war undenkbar für sie, dass sie sich schmutzig machen sollte. Nun ja... angesichts ihres derzeitigen Äußeren wohl eher eine irreale Haltung und dennoch war es nicht so einfach, jahrelange Verhaltens- und Sichtweisen so einfach abzulegen, nachdem sie sich von ihrem Schrecken nach dem Aufwachen erholt hatte.
"Oder setz den luftleeren Raum in deinem Schädel ein, wie diese Kette anders zu lösen ist!", fügte sie mit all der Arroganz hinzu, die sie einem in ihren Augen Untergebenen nur zukommen lassen konnte, während sie ihre eigene Herkunft schon längst gekonnt verdrängte.
Nichts, das sie sympathisch machen würde, doch darauf kam es Azura derzeit und bei diesem Gegenüber nicht an, schließlich befand er sich weit unter ihrem Stand und hatte keine andere Wahl, als sie zu verehren. Zumindest sollte ihm das bewusst sein, wenn er lediglich eine halbwegs angemessene Erziehung bekommen hätte. Auf der anderen Seite... was sollte man von so einem Kerl auch erwarten? Er brauchte eindeutig jemanden, der ihn auf seinen Platz verwies und solange sie an ihn gebunden war, im wahrsten Sinne des Wortes, würde sie diese Aufgabe zwangsläufig übernehmen. Selbstverständlich in aller Konsequenz, denn sollte ein Untergebener die geringste Unsicherheit bemerken, wären alle Bemühungen vergebens. Dass es auch weitaus andere, erfolgreichere und dauerhaftere Methoden geben könnte, war unerheblich für ihren Standesdünkel, sodass sie nicht den geringsten Gedanken daran verschwenden würde.
Um ihn auf seinen Platz zu verweisen, fing sie schon jetzt demonstrativ damit an, denn natürlich erwartete sie von ihm, dass er ihr Gepäck tragen würde. Sie und ihre Sachen selbst schleppen? Niemals! Eher würde sie hier festwachsen, anstatt in diesem Punkt nachzugeben. Unerbittlich war ihr Blick, selbst, als er mit seiner Miene und seinen beiden Worten deutlich machte, dass er nicht gewillt war, diese Aufgabe zu übernehmen. Aber da hatte er die Rechnung ohne ihrer Sturheit gemacht!
So war es wirklich klug von ihm, sich einsichtig zu zeigen und den Beutel zu nehmen. Die junge Frau gab ein zufriedenes Schnaufen von sich und wollte sich schon abwenden, um ihn mit sich herzuziehen in Richtung des rettenden Ausgangs in der Gartenlaube. Doch sie kam nicht weit, da er sich nicht bewegte und seine Worte obendrein ihr Misstrauen erregten.
Mit erhobener Augenbraue blickte sie über die Schulter und wollte schon Luft holen, um nachzuhaken, was dieser Bauer jetzt schon wieder ausheckte, als er es ihr demonstrierte. Sie schrie auf bei der plötzlichen Berührung und noch bevor sie ihm entkommen oder gar begreifen konnte, was er mit ihr tat, war es bereits geschehen. Azura war im ersten Moment zu sprachlos, um zu protestieren.
Dann aber ging es los, sie begann zu strampeln, mit den Händen gegen sein Rückgrat zu trommeln und zu keifen. Diesmal nicht allein in ihrer Muttersprache, sondern auch in celcianisch, wobei Sachen wie "Bauer" oder "Schuft" noch die harmlosesten Bezeichnungen waren.
Als er ihr, wie als Antwort darauf, einen kräftigen Klaps auf ihre vier Buchstaben gab, auch wenn es durch den Rock etwas gedämpft wurde, schrie sie erneut auf. Anstatt nun allerdings ruhiger zu werden, um nicht noch weitere derartige Berührungen erdulden zu müssen, kam sie jetzt erst richtig in Fahrt. "Du verdammter, verfluchter Hurensohn von einem Bauern, gezeugt von einem verseuchten Schwein, lass mich runter!", zeterte sie und schlug mit aller Macht gegen seine Wirbelsäule, auch wenn ihre Hand sich deswegen regelrecht taub anfühlte.
Danach ging es so und ähnlich weiter, ganz gleich, ob sie sich wiederholte oder nicht, wodurch sie seine Frage jedoch glatt überhörte. Sie hätte ihm wohl auch kaum eine Antwort gegeben, solange er ihrem Willen nicht nachkam... oder sie anderweitig zum Schweigen brächte. Nur... ob sie dann noch gewillt wäre, ihm den Weg zu weisen, oder eher schmollen würde, stand wiederum auf einem anderen Blatt geschrieben.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Das dunkle Volk » Dienstag 2. Dezember 2014, 16:39

Ein Grinsen bildete sich in Corax' Mundwinkeln, kräuselte diese und breitete sich schließlich auf seinem gesamten Mund aus. Azuras Schreie waren wie Musik in seinen spitzen Ohren, die einmal frohlockend aufzuckten, als er sie schulterte. "Noch etwas wehklagender und niemand schöpft Verdacht", raunte er ihr entgegen, meinte es aber durchaus ernst. Jeder vom dunklen Volk, der die Villa passieren würde und die Schreie des Weibs hörte, musste zwangsläufig glauben, dass sich hier einige der Artgenossen an einem armen Opfer vergingen. Die perfekte Tarnung, um sich unter den Schreien aus dem Staub zu machen. Niemand würde einer geschändeten Seele zu Hilfe eilen. Niemand der seinen jedenfalls.
"Halt den Rand, Weibsbild!", schnarrte Corax nun aber deutlich mahnender, als sie zu strampeln und schimpfen begann. "Sonst lass ich dich wirklich ab und sorge dafür, dass du eine Weile gar nichts mehr tun wirst als wimmernd um deine Jungfräulichkeit zu trauern." Nachdem er seinen Standpunkt klar gemacht hatte, entkam ihm ein Ächzen. Der Schlag mitten auf die Wirbelsäule hatte selbst bei ihren zarten Händen gesessen, denn der Elf trug zum einen keine Rüstung mehr und zum anderen war er vor weniger Zeit noch am Verbluten gewesen. Der Trank der Stärkung mochte seine Wunden geheilt, ihn aber nicht vollends gekräftigt haben. Noch immer musste er sich schonen und eigentlich wäre es wirklich klüger gewesen, Azura selbst laufen zu lassen. Doch dann kämen sie niemals von diesem Flecken fort, wie er mutmaßte. Zu dumm nur, dass sie mit ihrer Tirade selbst nach Klaps und Warnung nicht endete. Auf Lerium mit nicht minder erscheinenden Flüchen keifte er zurück, während der Elf sie aus dem Zimmer schleppte. Er kam verhältnismäßig gut voran, auch mit einer zappelnden Frau über der Schulter. Lediglich bei den Treppen tat selbst er sich schwer. So musste Corax Stufe für Stufe nehmen, damit sie beide nicht stürzten. Einmal taumelte er gefährlich, konnte sich aber abfangen, indem er sich gegen die Wand fallen ließ. Natürlich bekam auch Azura ihren Part davon zu spüren. Dumpf prallte sie gegen die holzgetäfelte Wandverkleidung.
Unten angekommen und nachdem Corax die letzte Treppenstufe hinter sich gelassen hatte, blickte er gen Ausgang. Seine Atmung war inzwischen hörbar. Azura mochte kein Schwergewicht sein, aber dieser Soldat zählte eher zu den schneidig drahtigen Vertretern. Dunkelelfen besaßen selten einen derart kräftigen Körperbau, dass sie auf hohe Ausdauer beim Tragen schwerer Gegenstände oder Personen zählen konnten. Sie verließen sich da eher auf ihre reflexartige Kondition, sofern sie nicht zu schwergerüsteten Kriegern ausgebildet worden waren. Corax Rabenschrei war kein Krieger. Seine Rüstung hatte aus Leder bestanden, als sie noch seinen Körper zierte. Demnach erschöpfte er durchaus schneller als die dunkelsten seiner Verwandten. Nur seine Sturheit ließ ihn die Frau noch nicht absetzen.
"Wohin?", schnaubte er, holte im nächsten Moment auch schon tiefer Luft. Dass es nicht wieder zur Pforte der Villa hinaus ging, war ihm klar. Doch noch hatte er keine Ahnung, wo sich der geheimnisvolle Fluchtweg befinden sollte. Ohne Azura säßen sie beide hier fest. Das musste er sich schließlich eingestehen, ebenso wie den Fakt, dass sie ihm nichts sagen würde, solange er sie trug. Also gab er tatsächlich und entgegen aller Erwartungen nach. Er setzte seine Begleiterin auf dem Marmor ab. Der Blick, den er ihr jedoch zuwarf, konnte in seiner Schärfe einem gewetzten Messer Konkurrenz machen. "Wohin, Weib?", wiederholte er mit wachsender Ungeduld.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Azura » Mittwoch 31. Dezember 2014, 15:40

Es war wohl das Glück des Kerls, dass sie seine Gedanken nicht erriet, sonst hätte sie ihn vermutlich erst recht umgebracht. Aber einstweilen brauchte sie ihn… so wie er sie. Doch wehe, sobald er die Augen schloss, dann würde sie zuschlagen!
Und sie würde ihn mit Freuden kastrieren… oder was ihr in jenem Moment sonst einfiele und ihr möglich wäre. Er würde leiden, das stand fest, nur das Wie war noch in der Schwebe. Er hätte sie eben angemessener behandeln sollen, sie war schließlich nicht irgendjemand!
Als wäre das allerdings noch nicht genug, verhöhnte und bedrohte er sie schon wieder, sodass sie sich erst recht gegen seinen Griff wehrte. „Wie soll ich drum trauern können, wenn du gar nichts hast, das du reinstecken kannst!“, fauchte sie wenig damenhaft oder so unwissend, wie sie eigentlich sein sollte, und versuchte, mit ihrem Knie seinen Solarplexus zu treffen, um ihn schon jetzt etwas leiden zu lassen.
Vielleicht gelang es ihr, vielleicht war es auch etwas anderes, auf jeden Fall spürte sie diese herrliche Genugtuung, als sie sein Ächzen hörte. Sie gab einen triumphierenden Laut von sich und schien ihr Kinn nun wieder höher zu halten, obwohl er sie nicht losließ, wie sie es eigentlich gefordert hatte. Also machte sie weiter, so unvernünftig es auch war.
Solange, bis er auf einer Stufe taumelte und sie mit der Schulter gegen die Wand prallte. „Au! Du Rüpel! Zu was bist du überhaupt nütze?! Wage es ja nicht zu behaupten, ihr wäre dir zu schwer, du Hornochse!“, schimpfte sie, als wäre es ihr Befehl gewesen, dass er sie trug, und als hätte sie sich bis vor wenige Sekunden nicht dagegen gewehrt.
Schließlich war es dennoch geschafft und es gefiel ihr auf der einen Seite, dass er so schnaufte. Was für ein Weichei! Jedoch machte ihr das auch Sorgen. Bisher hatte er sie nicht abgesetzt und sie hatte keine Lust, dass er sie einfach fallen ließ, sodass sie sich weh tat. „Du Schwächling, hör auf, so zu schnaufen!“, zeterte sie schon wieder weiter und überhörte seine Frage dadurch anfangs.
Solange, bis er sie ungeduldiger wiederholte und selbst merkte, dass er stehen geblieben war, ohne die rechte Richtung einzuschlagen. Natürlich hätte sie sich geweigert zu antworten, hätte er sie nicht, erstaunlich behutsam, zurück auf ihre eigenen Beine gestellt.
Ihr Kinn hob sich erneut an und ihr Blick war hochmütig, weil sie dachte, gewonnen zu haben, ohne dass sie sich von dem seinen hätte beeindrucken lassen. „Tja, so sieht es aus. Das hier ist meine Stadt und ohne mich bist du ein Nichts!“, meinte sie von oben herab, bevor sie sich allerdings klugerweise umdrehte und kurzerhand vorausging.
Dabei musste er ihr folgen, nicht nur wegen der Kette, sondern auch, weil sie sich gar nicht nach ihm umdrehte, um sich zu vergewissern. So etwas hatte sie schließlich nicht nötig! Zumindest in ihren Augen, da sie es noch immer nicht gelernt hatte, dass sie wirklich aufeinander angewiesen waren.
Sicheren Schrittes führte sie ihn durch die Halle und die unteren Präsentationsräume bis zum Durchgang zum Garten. Dort allerdings blieb sie abrupt stehen und brauchte Zeit, um den Anblick von Schneeflocken zu verarbeiten, die da draußen zu Boden fielen. Was war das denn jetzt?!
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Das dunkle Volk » Donnerstag 15. Januar 2015, 15:28

Gezwungenermaßen brauchten sie einander, da das goldene Kettchen nichts Anderes zuließ. Ohne diese Fessel hätten sie beide getrennte Wege gehen könnten. Mit ihr war es kontraproduktiv, unterschiedliche Richtungen einzuschlagen. Sie mussten zusammenarbeiten und sei es auch nur als Zweckgemeinschaft. Zumindest Corax schien dies bis zu einem gewissen Grad zu begreifen. Als Dunkelelf dachte er lediglich praktischer, fackelte nicht lange und ignorierte den Stand einer Menschin. Da kannte er sich ohnehin nicht aus, weil es ihn niemals interessiert hatte. Auch jetzt änderte sich an dieser Haltung noch nichts. Für ihn blieb Azra ein viel zu verwöhntes, viel zu dreistes Menschengör, das froh sein konnte, dass er eine so große Geduld mit ihr besaß. Wäre ich in besserem Zustand und bewaffnet ... Er beendete den Gedanken nicht, er schürte nur seinen Ärger und lenkte ihn ab. Corax wollte seine Konzentration behalten, um sie auf das eigentliche Ziel zu richten: einen sicheren Weg aus der Stadt hinaus. Aber wenn die Frau, die er soeben wieder auf ihre Füße setzte, nicht bald den Weg zu diesem ominösen Geheimgang preisgab, würden sie irgendwann doch noch gefunden werden. Um Azura sorgte er sich hierbei nicht. Sie war ihm vollkommen gleichgültig. Sein eigenes Leben war es, an dem er hing.
Ihre Blicke trafen einander, bis er mit den Augen rollte. Wenigstens unterließ er das Schnauben. Dafür war auch kaum Zeit, denn nun nahm Azura - endlich! - das Ruder in die Hand. Sie stolzierte voraus, nicht durch die Hauptforte des Anwesens, sondern wieder die Korridore und Säle entlang, um sich dem Garten zuzuwenden. Sie mussten zur Laube und in deren Nähe den geheimen Fluchttunnel aus Andunie finden.

Da brauchte man nicht überrascht sein, dass Corax ihr direkt gegen den Rücken prallte, als sie so abrupt stehen blieb. "Was soll...?!" Einen Fluch auf den Lippen verschluckte er ihn auch schon wieder und folgte Azuras Blick zum Himmel. Schnee, weiß und rein, rieselte auf ihre Häupter herab. Er konnte unmöglich gerade erst eingetroffen sein, denn den Garten bedeckte bereits eine dünne Schicht. Sie wuchs rasch an, würde wohl bald einige Zentimeter dick sein. Der Dunkelelf blinzelte. Schnee kannte er nur durch die Überquerung des Drachengebirges und da hatte er das Glück gehabt, ihn lediglich als weiße Gipfelspitzen der Berge auszumachen. Das Wetter war ihnen bei der Überquerung hold gewesen. Umso verwirrter zeigte er sich nun angesichts des Naturschauspiels. Das müssen Aschepartikel sein. Irgendwo in der Stadt bereitet wohl jemand ein Freudenfeuer.
Corax drehte den Kopf, so dass er über die Schulter zurück zum Anwesen blicken konnte. Der Himmel war mancherorts in rötlichen Schein getaucht. Es brannte nicht nur ein Feuer, aber Gebäude schienen größtenteils verschont. Er schnupperte. Der beißende Gestank schwelenenden Fleisches lag noch nicht in der Luft. Vermutlich fackelten seine Brüder und Schwestern zum Spaß einige Gegenstände ab, die nur in den Augen der Menschen von Wert erschienen. Noch hatten sie sich nicht daran gemacht, ihnen das Leben zu nehmen und die KÖrper zu entsorgen.
Seine Ohren zuckten auf, als etwas Anderes sie erreichte. Wo er mit dem Brandgeruch von Leichen gerechnet hatte, war es Glockengeläut, das die Umgebung erfüllte. Für Sekunden schien Corax alarmiert. Ein Ruck ging kaum merklich durch seinen Körper. Dann entspannte er sich. Es waren keine Sturmglocken der Stadt, die den Dunkelelfen Signal zu Gefahr oder einem Ausbruch irgendwelcher Flüchtlinge gaben. Er erkannte es schnell, weil das Geläut nicht aus der Stadt kam. Wieder wandte er den Kopf, richtete ihn auf das in der Nacht nicht auszumachende Drachengebirge aus und dann schaute er Azura an. Erstmals überhaupt lag eine Wärme in seinem Blick, der die roten Iriden wie Edelsteine funkeln ließ. Auch ein Dunkelelf konnte schöne Augen haben, wenn er nicht immer so finster dreinschaute. "Bevor wir erfrieren, sollten wir weiter, hm? Sei so gut und zeig deinen geheimen Ausweg." Auch die Art und Weise, wie er plötzlich mit ihr sprach, war schlagartig anders. Beinahe unheimlich, wenn man es mit seinem üblichen Gebaren verglich. Selbst das Celcianisch klang dieses Mal nicht so schneidend wie sonst. Dunkelelfen besaßen auch fernab ihrer Muttersprache einen scharfen Akzent. "Mit deiner Hilfe werden wir es hier heraus schaffen." Corax wirkte zuversichtlich, aber er hatte auch den Lysanthorstern am Himmel gesehen. Nur kurz und als weißes Glitzern, aber es reichte aus, um ihm neuen Mut zu geben, selbst wenn kein Anlass dazu bestand. Doch ihre Lage war ja nicht aussichtslos. Sie mussten nur die Beine in die Hand nehmen, den Fluchttunnel erreichen, bevor man ihre Fußspuren im Schnee entdecken könnte.

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Der Schnee ist noch die nächsten beiden Postings verfügbar.
Das Glockenläuten endet nach deinem nächsten Posting
Es steht noch aus: Feylins Segen über den Strohhalm.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Azura » Freitag 1. Mai 2015, 03:19

Die junge Frau hatte im Prinzip nichts gegen eine Zusammenarbeit, denn ein Mann an ihrer Seite war sicherlich nicht verkehrt. Allerdings hatte sie ihre eigenen Vorstellungen von dieser Situation, denn in ihren Augen war er nichts weiter als ungehobelter Lakai, der sich ihren Anweisungen tunlichst fügen sollte.
Umso frustrierender für sie war es, dass er es nicht tat, sondern immer wieder versuchte, selbst das Kommando zu geben. Als ob sie sich das gefallen lassen würde! Noch hatte er sie, nachdem sie sich von ihrer seltsamen Reise erholt hatte, nicht wieder ausreichend eingeschüchtert, dass sie kleinbei geben würde. Azuras Stolz war nun einmal sehr groß und wohl genährt, daran änderte auch ihr derzeitiges, angekohltes Äußeres nichts.
Vor allem erhielt sie einen gewissen zusätzlichen Aufwind, als es deutlich wurde, dass er sie brauchte, um aus der Stadt zu kommen. Sie kannte den Weg, um ungesehen hinaus gelangen zu können, er hingegen nicht. Und sie würde ihn lediglich zeigen, nicht einfach so verraten. Ein bisschen gesunden Menschenverstand besaß sie trotz allem, obwohl man ihr das nicht unbedingt zutrauen mochte, geschult von ihren frühesten Kindheitserlebnissen.
Sie selbst wollte schließlich auch lebend aus diesem Chaos, das derzeit in der Stadt herrschte und in dem ihre Mutter sowie ihr Stiefvater sie allein gelassen hatten. Ganz so, als ob sie schuld daran wären! Dabei ignorierte sie die Tatsache, dass sie darauf bestanden hatte, nicht mitzukommen, sondern allein in Andunie bleiben zu können.
Dennoch sträubte sie sich, solange, wie der Kerl ihr sein Tempo und seine Wünsche aufzwingen wollte. Erst, als sie wieder auf ihren eigenen Beinen stand und sich entsprechend über seine Behandlung beschwert hatte, war sie gewillt, sich in die rechte Richtung zu bewegen. Immerhin kannte sie den Weg und fand sich in dem großzügigen Anwesen ihrer angeblichen Freundin gut zurecht, oft genug war sie hier gewesen und hatte sich alles zeigen lassen. So hatte sie auch kein Problem mit der Orientierung und fand gezielt die richtigen Gänge, um endlich den Garten erreichen zu können.
Dort wollte sie sofort zur Laube, in dessen Nähe der Zugang hinaus aus der Stadt lag, doch der plötzliche Wetterumschwung ließ sie erstaunt abrupt inne halten. Was zur Folge hatte, dass ihr Begleiter sie anrempelte und dafür sorgte, dass sie in die weiße Pracht prompt hinein steigen musste, um ihr Gleichgewicht wieder gewinnen zu können. Kaum war ihr das gelungen, fuhr sie herum und funkelte ihn wütend an. „Pass doch auf, du Trampel!“, fauchte sie und wandte sich im nächsten Moment wieder dem Wetter zu, hob den Blick gen die Wolken.
Es war seltsam, mehr als seltsam, zu dieser Jahreszeit sollte es eigentlich keinen Schnee mehr geben und vorhin war es auch noch relativ warm gewesen. Das gefiel ihr gar nicht, denn mit dem Umschwung war auch die Temperatur zwangsläufig gesunken, sodass sie schon jetzt fröstelnd die Schultern hochzog. Am liebsten wäre sie wegen diesem Wandel umgekehrt und wieder in das warme Schlafgemach der Tochter dieses Hauses gegangen, um ein Dach über dem Kopf und ein weiches, trockenes Bett zu haben. Aber auch ihr sagte die Vernunft, dass dies äußerst unklug wäre, wenngleich nicht wegen des mit ihr verbundenen Kerls, sondern wegen dem Zustand der gesamten Stadt.
Im nächsten Moment ruckte auch ihr Kopf in Richtung außerhalb der Stadt. Zwar waren ihre Ohren bei weitem nicht so fein wie die ihres unfreiwilligen Begleiters, jedoch waren sie auch nicht so schlecht wie die von reinen Menschen, sodass sie leise, wenn auch unzweifelhaft Glockengeläut wahrnehmen konnte. Ihre Augenbraue hob sich zweifelnd an, während ihre Schultern sich senkten und ihr Blut wieder wärmend durch ihren Körper lief.
Noch darüber grübelnd, woher dieses Geräusch und das damit verbundene Gefühl kamen, hörte sie die Stimme hinter sich und nickte ohne Herumgezicke. Stattdessen warf sie ihm einen Blick zu und zeigte ihm sogar eines ihrer charmanten Lächeln, das schon einige Verehrer auf den Plan gerufen hatte. „Es ist nicht weit, nur gut verborgen, und dann sind wir so gut wie draußen.“, erklärte sie, ebenfalls erstaunlich freundlich und harmlos, als wäre zwischen ihnen nie ein Konflikt gewesen.
Dann deutete sie voraus in Richtung der Laube und wartete auf seine Reaktion, bevor sie voran ging.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Erzähler » Samstag 23. Mai 2015, 23:43

Der Schnee unter ihren Füßen knirschte schon, als sich Azura und Corax Richtung Laube begaben. Ein feines Konstrukt war das und verschönerte mit seiner Anwesenheit den Garten, der sich so nahe an der andunischen Stadtmauer befand. Hier hatte übrigens keiner der Zwerge die Mauer untergraben. Man sah nicht einmal Trümmer, die den Gartenbereich zerstört hätten können. Vielleicht lag es an den Zypressen, die nobel und hochgewachsen bis weit über die Mauer hinaus ragten. Wo eine zweite Mauer aus Grün die erste aus Gestein unterstütze, wagte kein strategisch veranlagter Anführer eines Eroberungsfeldzugs einen Durchbruch. Man suchte sich leichtere Stellen und das hatte den Garten nun tatsächlich vor Schaden bewahrt. Zumindest so weit hinten. Noch vorn bei der Veranda und der die Treppe umgebenden Rosenbüschen konnte man das Ausmaß einer Plünderung sehen. Die Dunkelelfen hatten sogar Möbel- und Kleidungsstücke aus den Fenstern in ein Beet mit Heckenröschen geworfen. Jetzt lag Schnee auf dem dunklen Kirschholz einer Kommodenschublade. Das Weiß breitete sich aber auch auf den Flüchtenden aus, weshalb sie sich nicht zu viel Zeit ließen, die Laube zu erreichen. Der Zugang musste auf der Rückseite sein, so erinnerte sich Azura. Ihre Freundin hatte dort immer zwei Sitzgelegenheiten aus Heu stehen, auf denen sie, wie sie stets voller Stolz behauptete, ihre Liebesspielchen im Schatten der Nacht pflegte. Dass hinter jenen prahlerisch schlüpfrigen Geschichten nur errötete Wangen und bisher lediglich zwei unschuldige Küsse standen, wusste Azura nicht. Das Heu machte allerdings nicht den Eindruck wilder Liebesnächte. Zu rechteckigen Ballen lag es da, zwei nebeneinander, darüber eine ausgebreitete Picknickdecke. Die Frau würde sich erinnern können, dass der Fluchttunnel unter einem der Heuballen sein musste. Man brauchte sie nur noch beiseite schieben. Das konnte ja nicht allzu schwer sein! Für Corax bestimmt nicht, aber der stand im Moment nur neben Azura. Er wartete ab, schwieg bisweilen. Das war doch schon einmal positiv zu sehen, denn er hätte auch wieder vor Ungeduld meckern können. Doch sein Blick glitt noch einmal gen Himmel und zurück zum Anwesen. Dass auch er fröstelte, zeigte sich an den feinen Härchen seiner Unterarme, die sich aufgerichtet hatten. Er selbst ließ es sich nach außen hin ansonsten nicht anmerken. Wieder funkelte das Rot seiner Augen, als er sich nun doch in der näheren Umgebung umschaute. Er suchte nach jenem Fluchtzugang, der noch freigelegt werden musste. Doch alles, was er entdeckte, waren die feinen Gartenmöbel innerhalb der Laube. Weiß gestrichen und mit Spitzenkissen aus violetter Seide verschönt. Vom Dach der Laube hing ein Windspiel, deren leichtes Klirren nicht gegen das Glockengeläut ankam. Aber das musste es auch nicht. Jeder Ton, der auf Corax und Azura aufmerksam machte, könnte sie jetzt nur noch verraten. Nun durften sie nicht weiter zögern. Es musste schnell gehen. Es war an der Zeit, zu fliehen.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Azura » Sonntag 9. August 2015, 20:43

Für die Schönheit einer unberührten, schneebedeckten Landschaft, selbst wenn es lediglich ein Garten war, hatte die junge Frau derzeit keinen Blick. Sie hatte nicht die Laune dazu, denn sie musste durch dieses Wetter und hatte sich bislang nicht passend dafür kleiden können.
Entsprechend frisch war ihr, obwohl sie sich nun bewegen und dadurch selbst ein wenig warm halten konnte. Außerdem musste sie sich auf den Weg konzentrieren, um den versteckten Ausgang zu finden, weswegen sie beide überhaupt hierher gekommen waren.
Nicht einmal die Laube musterte sie mehr als notwendig, dazu kannte sie diese bereits zu gut. Ein ideales Plätzchen für heimliche Stelldicheins, denn von dem Hauptgebäude aus konnte man kaum etwas erkennen, vor allem nicht alle möglichen Winkel, in die man sich zurück ziehen konnte, sofern man diese kannte. Obwohl Azura diesen Vorteil noch nicht hatte ausnützen können, um den ein oder anderen Galan mit ihrer Aufmerksamkeit anzulocken und um den Finger zu wickeln, ohne, dass ihre Mutter oder ihr Stiefvater etwas davon erfahren hätten. Und jetzt war ebenfalls nicht die Zeit dazu, diesen Umstand zu verändern, auch wenn sie in männlicher Begleitung war.
Aber der Kerl zählte nicht einmal im Ansatz zu ihrem Beuteschema. Unter anderen Voraussetzungen wäre ein anderes Ergebnis möglich gewesen, doch sicherlich nicht so. Wenngleich sie ihm derzeit ein bisschen wohlgesinnter war, ohne zu ahnen, woher dieser Sinneswandel gekommen war.
Auf jeden Fall konnte sie sich entsinnen, wo in etwa der Zugang zu dem Fluchtweg sein sollte. Hinter den beiden Heuballen, die Frage war lediglich, hinter welchem genau. Obwohl das ja nicht sonderlich tragisch wäre, sollten sie zuerst den falschen wegräumen. Es wäre ihr nur peinlich, weil ihr Begleiter das sicherlich wieder ausnutzen würde, um sie aufzuziehen. Dass sie nicht anders an seiner statt handeln würde, war dabei allerdings nebensächlich.
Also überlegte sie kurz und entschied sich schließlich für den Mittelweg. Sie deutete auf die beiden Ballen. „Schieb sie auseinander, dann sollte es keine Hindernisse mehr geben.“, gab sie ihm ihre Anweisung in erstaunlich freundlichem Tonfall. Es war somit kein direkter Befehl, allerdings auch keine Bitte, sondern irgendetwas dazwischen. Sie selbst hatte natürlich nicht vor, einen Finger zu rühren, auch wenn sie ebenfalls das Gefühl hatte, dass sie sich allmählich beeilen sollten.
Vielleicht wäre jetzt sogar der richtige Zeitpunkt, genauer darüber nachzudenken, was in Andunie geschehen und wo sie da wirklich hinein geraten war. Jetzt, wo der Kerl relativ freundlich war und vielleicht zu Auskünften bereit wäre. Jedoch interessierte es sie nicht wirklich, solange nicht sicher gestellt war, dass ihr kein Haar mehr gekrümmt werden würde. Und das wäre erst der Fall, wenn sie außerhalb der Stadtmauer in Sicherheit wären.
Dann könnten sie bestimmt auch darüber nachdenken, wie sie diese lästige Kette, die sie miteinander verband, loswerden könnten. Selbstverständlich ohne, dass Azura dabei eine Hand einbüßen würde. Seine hingegen war weniger wichtig, in ihren Augen. Außer, er würde sich verlässlich als ihr Beschützer erweisen, dann sähe die Sachlage gleich wieder völlig anders aus.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Erzähler » Dienstag 18. August 2015, 14:07

Ob Corax Rabenschrei der perfekte Mann für ein Stelldichein war? Galant sah er nicht aus, obgleich ihm die eng anliegende Lederrüstung gut zu Gesicht stand. Sie betonte seine Figur. Nicht übermäßig muskulös, eher agil, aber kräftig. Er konnte sicherlich fest zupacken, wenn er wollte, ohne dadurch an Beweglichkeit zu verlieren. Dieser Neid weckende Vorteil war so ziemlich allen Elfenvölkern gegeben und dennoch ließen sich die Frauen oftmals eher von den feinen Zügen des spitzohrigen Volkes anziehen. Corax besaß diese nur im Ansatz. Seine geschwungenen Brauen, das leichte Glitzern der WImpern im Schnee, das Schimmern der dunklen Haut gaben Aufschluss auf seine elfische Herkunft. Ansonsten wirkte er jedoch viel zu markant. Außerdem war seine Stirn gerunzelt. Konnte dieser Elf überhaupt lachen? Bisher hatte er sich eher grob und wenig feinfühlig gezeigt. Bisher. Immerhin zeterte er nicht länger an Azura herum. Er ließ seinen Missmut im Augenblick lediglich als ein entnervtes Brummen erklingen, als die Arbeit erneut bei ihm war. Dennoch folgte er, was Azura unwillkürlich ein Stückchen mit ihn zog. Wenigstens ihre Hand, denn noch immer verband sie dieses unsägliche Folterinstrument in Fom goldenen Armschmucks.
Corax beugte sich über die Heuballen. Er packte nach der Picknickdecke, doch anstelle sie beiseite zu werfen, reichte er sie nach hinten. "Die nehmen wir mit." Sie würde eine schützende Unterlage auf kaltem Erdboden bieten oder eben ihre Funktion als Decke zum Überwerfen erfüllen. Dann drückte der Elf das Heu beiseite. Es bereitete ihm keine Schwierigkeiten. Er stemmte den einen Ballen Richtung Büsche, den anderen lehnte er hochkant an der hölzernen Seite der Laube an.
Tatsächlich tat sich unter einzeln gefallen Strohhalmen und leichtem Moosüberwuchs der Griff einer Falltür auf. Insgeheim betete der Elf, diese möge nicht von der anderen Seite verriegelt sein, als er an dem Eisenring zog. Es kostete ihn einen kraftvollen Ruck, anschließend schwang die Luke aber auf. Sie gab die Sicht auf eine hölzerne Leiter frei, deren Sprossen in muffige Tiefe führten. Der Geruch des Erdreichs drang zu beiden herauf. Eine Lichtquelle suchten sie vergeblich.
"Wie lang ist dieser Tunnel und zweigt er irgendwo ab?", fragte Corax. Auch er wollte fliehen, denn auch er war in den Augen seiner Artgenossen nicht länger etwas wert. Somit galt er als Ausgestoßener, als Freiwild, auf das sich die Warge werfen konnten. Dennoch hatte er keine Lust, sich nun in einem finsteren Erdlabyrinth zu verlaufen und den Tod durch Folter gegen einen viel länger nahaltenden Verdursten oder Verhungern einzutauschen.

Nochmals schaute er sich um. Da fiel ihm die kleine Öllaterne auf, die auf einem Beistelltisch in der Laube stand. Perfekt. Sie würde ausreichen. Azura konnte jetzt kaum anders, als ihm zu folgen, als er sich die Lichtquelle holte. Und als wären die Götter mit ihnen fand sich daneben - unberührt vom Schnee Dank des Laubendachs - ein Päckchen Zündhölzer. Sogleich prüfte Corax, ob diese noch Feuer fingen. Der Schwefelkopf war nicht nass geworden. Er nutzte die kleine Flamme sofort, um die Laterne zum Brennen zu bringen.
Soweit so gut. Sie hatten den Tunnel gefunden, sie hatten eine Lichtquelle, wären im Erdreich vor dem Schneefall geschützt. Wenn er nur noch von Azura gelöst wäre, um anschließend allein zu fliehen, sähe die Lage richtig gut aus. "Ich steige zuerst hinunter." Der Adel machte es beim HErabschreiten einer Treppe nicht anders. Die Damen folgten hitnerdrein, damit die Herren sie auffangen konnten, sollte ein unglücklicher Schritt einen Sturz einläuten. Es blieb fraglich, ob Corax das ebenso verhindern wollte oder ob nicht einfach nur der dunkelelfische Egoismus aus ihm sprach.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Azura » Sonntag 30. August 2015, 21:04

Für welchen Typ Mann sich Azura interessieren würde, hatte sie für sich noch nicht festgelegt. Schließlich war sie noch nicht dazu gekommen, ihre Grenzen auszutesten und ihren Geschmack auszuleben. Ein schlanker, gut gebauter Kerl sollte es auf jeden Fall sein, mit edlen Zügen und er musste ihr zu Füßen liegen. Ja, das war es, worauf es ihr vorerst ankam.
Gemeinsame Interessen oder sonstiges, das ein Leben zu zweit ausmachte, waren für sie noch nebensächlich. Dazu war sie einfach zu jung, unerfahren und vor allem auch verwöhnt. Die wirklich wichtigen Werte musste sie noch kennen lernen… oder sich mit anderem zufrieden geben, das ein Ersatz sein könnte. Auch wenn sich die Frage stellte, was ihr ein Dasein ohne Liebe des Partners oder wenigstens dessen Zuneigung angenehm machen könnte.
Vor allem jetzt, wo sie aus ihrer Heimatstadt fliehen musste und nichts mehr so sein würde, wie es einmal gewesen war. Doch besser das, als wenn sie tot wäre. Dass sie es schon gewesen war, war ihr dabei nicht bewusst, da die Erinnerungen daran immer mehr verblasste und ihr wie ein wirrer Traum erschien. Die Einzelheiten konnte sie größtenteils schon nicht länger ins Gedächtnis zurück rufen, selbst dann nicht, wenn sie die Ruhe und den Willen dazu gehabt hätte.
Stattdessen widmete sie sich der Gegenwart und dem Durchgang, den sie noch ausfindig machen mussten, indem das verbergende Heu weggeschafft wurde. Körperliche Arbeit, die sie selbstverständlich nicht persönlich übernehmen würde. Das machte sie auch sofort deutlich, obwohl sie nicht gar so unverschämt befehlend wurde wie noch vorhin im Haus.
Auch wenn ihr Blick Entrüstung zeigte, als er ihr die Decke reichte und offenbar wollte, dass sie diese hielt. Denn mehr könnte er nicht verlangen, solange sie den Stoff nicht benötigte, da sie nichts tragen wollte. Sie war schließlich eine Dame und von Adel, wenn auch nicht von Geburt an, aber das zählte nicht. Azura trug einen bedeutenden Namen und somit hatte man ihr zu dienen! Später würde sie das noch einmal mehr deutlich machen und hoffen, dass ihr Begleiter endlich nicht länger so begriffsstutzig wäre, um das zu begreifen und sich entsprechend ihr gegenüber zu benehmen.
Schließlich hatte er den Gang freigelegt und es sogar geschafft, die Tür zu öffnen, von der sie nichts gewusst hatte. Immerhin hatte ihr ihre Freundin nur davon erzählt, gesehen oder gar darin gewesen war sie hingegen noch nie.
So zuckte sie bei seiner Frage auch mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass er hinaus aus der Stadt führt.“ Das war die reine Wahrheit und kam auch ohne Hohn oder Herablassung, sodass herauszuhören war, dass sie nicht mehr dazu sagen könnte. Selbst dann nicht, wenn sie es gewollt hätte.
Plötzlich zog er sie mit sich, was einen Ruck bei ihr auslöste und sie beinahe das Gleichgewicht verlieren ließ. Mit einem empörten „Hey!“ beschwerte sie sich darüber, sah jedoch neugierig zu, was er nun wieder vorhatte.
Eine Öllaterne… ja, gut, sie könnten Licht vermutlich gebrauchen. Doch wie anzünden? Da sah sie das Päckchen, das er ebenfalls entdeckte und das er prompt benutzen konnte. Azura nickte zustimmend, zufrieden mit ihrem Begleiter, dass er endlich ein wenig mitdachte und nicht ihr die gesamte Arbeit überließ.
Nun allerdings wurde es ernst und die junge Frau konnte einen feinen Schauer des Grusels nicht unterdrücken. Schließlich mochte sie derart finstere Örtlichkeiten nicht sonderlich, weil es darin eng werden konnte. Spinnen und anderes Getier wäre zu ertragen, Dreck zur Not auch, aber kleine, geschlossene Räume, in denen Luft nicht sonderlich gut hinein kam, oder wenn ihnen gar das Licht ausgehen würde…
Unwillkürlich schluckte sie schwer und wäre am liebsten umgekehrt, um einen anderen Fluchtweg zu finden. Allerdings hatte sie keine andere Wahl, denn der Kerl machte Nägel mit Köpfen und ging voran, sodass sie ihm wegen der unseligen goldenen Kette folgen musste.
Trotzdem konnte sie es nicht sein lassen:„Vielleicht sollten wir doch lieber…“ Ihr Blick fiel hinab in die finstere Tiefe, sie wurde blass um die Nase und verstummte. Ja, Azura bekam es gerade gehörig mit der Angst zu tun!
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Erzähler » Dienstag 29. September 2015, 19:08

Solange Azura nicht in einen Spiegel schaute, konnte sie sich glücklich schätzen, ihren Beinahe-Tod nur noch als verschwommenen Traumschleier wahrzunehmen. Bis ihre Haare wieder zu einer schönen Pracht nachgewachsen wären, würde sie ihr eigener Anblick noch eine Weile daran erinnern, dass etwas geschehen war. Vorausgesetzt natürlich, sie bekam von den Göttern die Zeit geschenkt, noch lange genug jetzt am Leben zu bleiben, damit ihr Haar wieder wachsen konnte. Die Lage war schließlich nicht die Beste, noch dazu, weil sie nach wie vor mit diesem Dunkelelfen verbunden war. Das Goldkettchen stellte sich als größte Last bei ihrem Fluchtversuch heraus. Es legte ihr ständig Hindernisse in den Weg. Auch jetzt, denn es galt, den Fluchttunnel zu betreten und eine Leite herabzusteigen, wenn man über eine Kette mit dem Arm eines anderen verknüpft war, machte es nicht leichter. Trotzdem blieb Azura kaum eine Wahl. Die Alternative wäre früher oder später der Tod. Niemand konnte so lange unentdeckt in einem eroberten Andunie überleben. Die dunklen Völker würden sie finden. Sie musste aus der Stadt, es half nichts.

Das goldene Kettchen spannte sich. Die Glieder glitzerten im Schein der Laterne, welche Corax mit jener Hand hielt, die sich nun nach oben streckte. Azura folgte ihm nämlich noch nicht die Leiter herab. Er hielt auf den Sprossen an und blickte aus dem Erdloch zu ihr herauf. Der Elf besaß scharfe Züge, schlank und doch kantig, als hätte ein Bildhauer ihn aus dunklem Marmor gemeißelt und ihm diese Rubinaugen eingesetzt, die ebenso vom Licht der Ölfunzel erhellt wurden. Sie strahlten noch mehr, als er sie leicht verengte. "Ja. Vielleicht sollten wir uns doch lieber noch mehr beeilen. Mir nach jetzt, wenn du keinen Sturz riskieren willst." Der Drang zur Eile sprach aus ihm. Er wollte sich die bislang geglückte Flucht nun garantiert nicht durch Aszuras Zögern oder Unetnschlossenheit zerstören lassen. Und Corax tat gut daran, nun vorankommen zu wollen. Er mochte es unten im Tunnel gar nicht mehr hören, aber die junge Frau konnte die Geräusche der Stadt noch immer besser wahrnehmen. Ihr entging nicht, dass es vom Anwesen ihrer Freundin her plötzlich krachte. Es klang, als hätte jemand einen Holzwall zum Einsturz gebracht. Vermutlich war eine Tür mit bloßer Waffengewalt zersprengt worden. Außerdem bewegten sich nun Lichter in den Schatten der Fenster. Jemand war erneut ins Haus eingedrungen, machte dabei aber keinen Hehl draus, ob man ihn entdeckte. Das konnte nur eines heißen: Wenn sich Azura nun nicht eilte, würden die Eindringlinge - höchstwahrscheinlich Dunkelelfen - den Geheimgang entdecken.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Azura » Sonntag 4. Oktober 2015, 12:30

Sobald dieses Erlebnis sein Ende gefunden hätte und sie wieder normal denken könnte, würde sie sich selbstverständlich um ihr Äußeres kümmern. Es war ihr schließlich immer wichtig gewesen und sie würde viele Hebel in Bewegung setzen, um wenigstens halbwegs ansehnlich zu sein und den Rest ihrer einstigen Haarpracht zu pflegen. Wie ihr das in der Wildnis gelingen sollte, war ihr zwar noch schleierhaft, aber ihr würden dann schon die richtigen Ideen kommen. Davon ging sie zumindest aus, denn so war es bislang stets gewesen.
Doch soweit war sie ja noch nicht, sondern musste an ihre Flucht denken. An sich nur das Beste und der einzige Weg, wenn… ja, wenn es sich dabei nicht um einen dunklen Gang gehandelt hätte, der ihr alles andere als geheuer war. Obwohl sie sich dessen selbst kaum bewusst war, hatte sie das frühe Leben auf der Straße geprägt und die weiten Räume ihres Elternhauses hatten ebenfalls dazu beigetragen, dass sie erst jetzt eine spezielle Angst bemerken konnte.
Diejenige vor engen, dunklen Öffnungen, durch die sie gehen sollte. Die Spinnen samt ihrer Netze und anderes Krabbelgetier waren noch die geringste ihrer Sorgen, während das goldene Band und die unbekannte Ausdehnung des Ganges dazu beitrugen, ihre Furcht zu verstärken. So sehr, dass sie ernsthaft überlegte, wie sie eine andere Lösung finden könnte.
Schon begann sie damit, wurde allerdings mitten im Satz korrigiert, da sie ihn nicht selbst beendet hatte. Er drängte, doch Azura blieb stocksteif und schüttelte den Kopf, egal, ob er sie dabei noch sehen konnte oder nicht.
„Nein, komm zurück, ich glaube nicht, dass…“ In diesem Moment krachte es vernehmlich. Noch war es nicht dermaßen in der Nähe, dass sie die Schuldigen hätte sehen können, aber deutlich genug, um ihr klar zu machen, dass Eile geboten wäre. Jedoch die Angst war nicht so rasch zu beseitigen.
Erst, als sie Licht hinter den Fenstern sah und diese obendrein im Erdgeschoss in Richtung Garten kamen, konnte sie sich aus ihrer Erstarrung lösen. Mit einem erstickten Laut kletterte sie rasch den Gang hinein und schüttelte sich dort so kräftig, dass die gesamte morsche Leiter sich unter ihrem geringen Gewicht bedenklich rührte.
Diese Bewegung allerdings hatte sie nicht verhindern können, zu sehr beutelte sie die Furcht trotz allem. Fest kniff sie die Augen zusammen und unterdrückte ein Schluchzen, das in ihrer Kehle hochsteigen wollte. Sie musste weiter, das war ihr klar, und dennoch hatte sie das Gefühl, als hätte sie so viel Blei in den Gliedern, dass sie noch herab stürzen würde.
Jetzt musste sie sich zusammen reißen und wieder kamen ihr die frühen Kindheitserlebnisse zugute. In den Momenten, in denen es auf sie ankam, funktionierte ihr Körper entgegen ihre Empfindungen. Blieb lediglich zu hoffen, dass diese Anspannung anhielt, bis sie in Sicherheit wären.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Erzähler » Montag 5. Oktober 2015, 17:24

Es war Azuras Erziehung in einem bislang wohl behüteten Umfeld zu verdanken, dass sie angesichts der derzeitigen Lage an banale Dinge wie ihre Haare denken konnte. Sie hatte ein, im Gegensatz zu vielen Anduniern luxuriöses Leben genossen. Bislang! Denn nun änderte sich alles. Es blieb zu hoffen, dass diese Änderungen sich auch in ihrem Kopf einstellten. Sie konnte jetzt nicht zurück. Es gab keine Alternativen zu jenem Fluchtweg mehr, in dem Corax nun verschwand, einmal abgesehen von einem langsamen, aber vermutlich qualvollem Ende. Sollten die dunklen Völker, welche soeben erneut eine Plünderungsaktion in der Villa unternahmen, sie finden, so bedeutete dies Qual. Schändung, Schmerz und Tortur würden ihren Leidensweg einleiten, bis ihre Peiniger ihrer überdrüssig würden. Dann warf man sie weg wie ein Stück Abfall - wie sie es bereits getan hatten, mit ihr und sogar dem Dunkelelfen, der nun aus dem finsteren Loch zu ihr heraufschaute. In seinem Blick lag entgeisterter Unglaube. Sie zierte sich jetzt wirklich, mit ihm in den unterirdischen Tunnel hinabzusteigen? Konnte es sein?
"Faldors in Blut getränkte Eier, Mädchen!", knurrte Corax auf. Doch noch ehe er nach ihr packen und sie über seine Schulter hieven konnte, um irgendwie mitsamt Azura, der Laterne und somit keiner freien Hand mehr eine Leiter hinab zu steigen, gingen sowohl durch sie ein Ruck als auch durch die entlegene Villa. Die Plünderer nahmen nun wohl auch großes Mobiliar auseinander. Was immer dort geschah, die aneinander geketteten Flüchtlinge würden selbst so enden, wenn sie sich nicht beeilten. Natürlicher Überlebenswillen trieb Azura somit in die Tiefe. Corax eilte sich nun ebenfalls. Das musste er auch, damit keiner von beiden die Sprossen herab fiel. Es war nicht leicht, bis zum Boden zu klettern, wenn einem der Arm ständig wieder hochgerissen wurde. Letztendlich schafften sie es aber beide und das relativ unbeschadet.
Der Elf spähte zu dem Loch herauf. Azura hatte die Klappe hinter sich nicht wieder verschlossen, aber auch er wollte kein zweites Mal eine Kletterpartie mit ihr riskieren. So nahm er die Leiter beiseite, legte sie flach auf den Boden. Er erklärte sein Tun nicht. Azura würde selbst darauf kommen müssen, dass er hier versuchte, ohnen etwas Zeit zu erkaufen. Es war möglich, dass die Plünderer das schwarze Erdloch für nichts Weiteres hielten. So ohne Leiter ließ es sich als verborgener Vorratskeller oder eben nur Loch mit Luke vermuten. Den Gang selbst sah man nicht sofort, da musste man schon ein Stück tiefer in die Höhle vordringen. Denn um nichts Anderes handelte es sich gerade. Eine ins natürliche Erdreich gegrabene Höhle mit einem einzigen abzweigenden Tunnel, der dem eines übergroßen Maulwurfs glich. Direkt neben diesem unterirdischen Fluchtweg hing ein eisernes Konstrukt. Es war in den Erdboden getrieben, diente als Halterung für Fackeln, von denen sich jedoch keine ausmachen ließ. Zum Glück hatte sich Corax die Laterne geschnappt. Diese rußte ihnen nun auch nicht den Fluchtweg voll, denn die Decke war recht niedrig. Der Gang erwies sich als schmal. Ein Ork würde Schwierigkeiten bekommen, sie zu verfolgen und Warge konnte man hier erst recht nicht herunter hetzen. Gut.
Corax stieß etwas Luft durch die Nase aus, so dass es einem zufriedenen Schnauben gleichkam. "Gehen wir", gab er das Kommando an, teilte es Azura wenigstens auf Celcianisch mit. Eine andere Wahl ließ er ihr kaum, denn schon war Corax gewillt, sie am Arm zu packen, um sie kurzerhand mit sich in den Gang zu zerren. Er würde hier nicht darauf warten, gefunden zu werden.


weiter bei Die Stille Ebene -> Unter Tage
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 14. Oktober 2015, 08:33

Thomas kommt von: Die Ruinen des Wohlstandes

Die Fahrt war nicht lang und sie verließen nicht einmal Andunie. Sie fuhren über breite Straßen, die einst einer großartigen freien und stolzen Handelsmetropole gehört hatte. Der Wind trug das Salz des Meeres in sich und klärte ihre Gedanken. Gestärkt und voller Erwartung schauten sie ihrer neuen Aufgabe entgegen und als die Häuser sich lichteten und die Küste näher kamen, passierten sie einen abgesperrten, gut bewachten Bereich. Dann sahen sie ihn:

Der geschändete Tempel der Göttin Ventha.

Geison konnte ein leises:
„Ihr Götter, steht uns bei!“
, nicht unterdrücken und auch in anderen Gesichtern stand das nackte Entsetzen. Der Wagen kam rumpelnd zum stehen und sie wurden hinaus befördert und in einer Reihe aufgestellt. Der Boden fühlte sich unter ihren Füßen feucht an. Es roch auch nach Wasser, allerdings lag da noch etwas Anderes in der Luft. Es war leicht süßlich und doch weckte es einen Würgereiz, wenn man zu lange versuchte, den Ursprung dieses Dufts zu analysieren.
Vor langer Zeit war Thomas schon einmal hier gewesen und hatte das Bauwerk bewundert. Damals hatten die Wassermagier der nahe gelegenen Akademie hatten dafür gesorgt, dass auch dieses Gebäude von einem System aus Rohren und Wassermagie geflutet wurde, so dass ein bezaubernd göttlicher Eindruck entstand. Es war eine Opfergabe für die Herrin von Wind und Wasser gewesen, die keine ihrer Launen jemals über den Tempel ausgelassen hatte. Normalerweise war es auch ein wundervolles Gebäude mit einer großen Eingangs- und Bethalle, in der viele Springbrunnen standen. Jetzt waren die Mauern an zwei Seiten eingestürzt. Früher ragte in der Mitte Venthas Statue bis knapp unter die Decke, umringt von steinernen Möwen und Delphinen, die aus ebenso steinernem Wasser sprangen und in der Luft erstarrt schienen. Die Göttin selbst hielt einen gewaltigen Tonkrug, aus dem Wasser munter in das Becken plätscherte, das sie umgab. Die Säulen des Tempels waren nicht alle aus Stein. In der großen Bethalle gab es viele gläserne Varianten, die unterirdisch mit dem Meer verbunden waren. So schwammen oftmals Fische, kleine Krebse oder Quallen in diesen durchsichtigen Säulen umher, was vor allem Kinder zum Staunen brachte. Die Beleuchtung basierte auf halbschalenförmigen Muscheln, die vor Kerzen an den Wänden befestigt worden waren. Es gab sogar einen Tempelgarten mit dutzenden von Fischteichen und einer Stelle, die zum privaten Tempel-Strand führte, wo man Möwen füttern konnte.
All diese Pracht lag noch in seinem Gedächtnis, doch war sie von den Dunkelelfen zerstört und geschändet worden. Da sie allgemein nicht an Ventha glaubten oder zumindest nicht zu ihr beteten, war ihnen auch der Tempel der Göttin nicht heilig gewesen. Dem dunklen Volk war jedoch nach der Einnahme Anduniens die Idee gekommen, den Tempel zu einem Sammelpunkt für ihre Opfer umzufunktionieren und so präsentierte sich das einstige Götterhaus seit einigen Wochen als gigantische Leichenhalle über der Stadt. Man hatte davon gehört, aber diesen Ort gemieden. Andunische Soldaten waren hier gleichermaßen achtlos abgeladen worden wie alle anderen, die sich den Dunkelelfen kühn und dumm in den Weg gestellt hatten. In ein paar Schritt Entfernung beluden gerade Orks zwei der letzten Wagen, die von Leichen nur so über quollen. Andere hatten sie kurz zuvor in anderer Richtung davon rollen sehen. Anscheinend hatte man für diesen Ort doch noch etwas anderes vor, als ihn verkommen zu lassen.

Amandin Belyal Sinth, schön und sündig wie am Vortag, trat aus dem einstigen Eingangsportal und wies die Wächter mit einer Handbewegung an die Sklavenreihe näher zu bringen. Ein Ruck ging durch die Kette und sie bewegten sich in das Innere des Tempels.
Als sie eintraten konnten sie sofort die umgestürzte Statur der Göttin sehen. Ihr Leib war mehrfach in der Mitte gebrochen und ihr halbes Gesicht starrte reglos zur Hälfte dem Himmel entgegen, als hoffte sie auf Hilfe von ihrem Geliebten Lysanthor, der sich in diesen Tagen hinter dichten Wolken verbarg. Der andere Teil ihres Antlitzes lag gut drei schritt weiter vor ihren noch aufrecht stehenden Füßen und starrte den Sklaven entgegen. Corbin, der nahe Thomas stand, zitterte sichtbar am ganzen Leib und hatte die Augen weit aufgerissen. Einige Männer zeigten ähnlich starke Emotionen und wurden von den Wächtern scharf im Auge behalten. Weiter hinten machte eine Bewegung auf sich aufmerksam und Geison verstärkte die Neugierde noch in dem er sich etwas reckte um besser sehen zu können. Für Thomas war es einfach, denn er war größer und konnte gut über die Überreste der Statur hinweg, an seiner Herrin vorbei sehen. Dort hinten beluden vier Männer einen Handkarren mit den letzten Leichen. Es waren Gideon der Steinmetz, Jan der Schmied, Hervé der Zimmermann und Maurus der Gerüstbauer.
Amandin begann zu sprechen:
„Wunderbar! Nun da alle da sind, kann ich euch endlich meine Wünsche unterbreiten, die es selbstverständlich zu erfüllen gilt.“
Sie lächelte, aber die Botschaft dahinter war kalt. Sie begann langsam auf dem Rand eines einstigen Springbrunnens hin und her zu laufen. Die ledernen Säume ihrer Kleidung wallten dabei immer wieder auf und gaben sündige Einblicke auf ihre glatten, langen Beine.
„Dies war einst ein herrliches Bauwerk, das leider dem falschen Zweck diente und ich gedenke das zu ändern. Ich überlege schon geraume Zeit wo ich einen Tempel zu Ehren Faldors errichten kann und mein lieber Verlobter meinte, hier gäbe es einige Strukturen die man noch verwenden könnte.“
Sie blieb kurz stehen und sah die Reihe der Sklaven an.
„Mir wurde gesagt, ihr seid die besten Männer die ich kriegen könnte um ein solches Werk zu vollbringen. Ich erwarte, das jeder sein ganzes Wissen auf die Verwirklichung dieses Traums verwendet und sich etwas einfallen lässt um mir diesen Wunsch zu erfüllen. Ich zähle auf eure Kreativität und werde sie belohnen! - Und wer hier und damit ein grundsätzliches Problem, ethische Bedenken oder gar einen göttliches Zerwürfnis befürchtet, dem sage ich: Sprecht frei heraus! Ich werde heute niemanden bestrafen, denn ich habe heute Geburtstag.“
Schweigen folgte, da niemand so recht den Worten vertraute.
„Ach ich sehe schon, der Doktor hatte recht. Ihr seid diesen Umgang nicht gewohnt... Beginnen wir also anders.“
Sie setzte sich wieder in Bewegung.
„Ich kenne eure Namen, die Namen derer die ihr liebt und weiß mehr über euch, als euch lieb ist. So ist es nun mal und es liegt in meiner Macht euch Segen oder Verderben zu bringen. Macht mich glücklich und ich werde euch glücklich machen.“
Sie sah die Männer der Reihe nach an und lächelte. Bei Thomas spitzte sie kurz die Lippen und fuhr dann fort:
„Euer Heil liegt in eurer Hand. Je nach dem wie ihr euch verhaltet, werdet ihr entlohnt werden.“
Sie drehte sich zu einem der Wachen und schloss mit ausladender Geste:
„Führt sie herum! Lasst sie laufen! Sie können eh nicht entkommen. Sie sollen sich umsehen und Ideen entwickeln können. Los!“
So geschah es dann auch und die Sklaven wurden von ihren Ketten, die sie miteinander verbanden befreit. Das Halsband blieb doch Hände und Beine waren frei. Sie konnten innerhalb der Begrenzungen um das scharf bewachte Tempelgebäude umherstreifen und sich unterhalten; alles unter dem strengen Blicken des dunklen Volkes.
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Thomas Mercer
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Thomas Mercer » Sonntag 18. Oktober 2015, 12:10

Wie jeder der Gefangenen hatte auch Thomas seine Schlüsse aus dem Erlebten gezogen. Er wollte daran glauben, dass die Dunkelelfen hier in Andunier weit grosszügiger und humaner waren, als jene in Pelgar. Warum auch nicht? Was mussten die Dunkelelfen denn noch beweisen? Die Stadt war geschlagen, die Bevölkerung versklavt. Wenn sie sich an diesen armen Geschöpfen ausliessen, schwächten sie doch letztlich nur ihre eigene wirtschaftliche Potenz. Schliesslich waren es die Sklaven, die ihren Reichtum mehrten und für sie die anfallenden Arbeiten verrichteten und davon gab es viele. Nicht nur die niedergebrannten Felder mussten wieder bewirtschaftet werden, sondern auch die Städte wiederaufgebaut, Waren transportiert und die Versorgung sichergestellt werden. Ob die Arbeiter wollten oder nicht, sie zählten nun zu der dunkelelfischen Gesellschaft.

Andere Mitgefangene waren da weniger optimistisch in ihrer Interpretation. Sie vermuteten hinter dem merkwürdigen Verhalten ihrer Herren ein perfides System. Was immer letztlich stimmte, es veränderte die Sklaven. Der Gruppenzusammenhalt litt unter den schweren Entscheidungen, welche die Meister getroffen hatte. Das war fatal, auf einem grossen Baubetrieb war Vertrauen unabdingbar. Man musste darauf bauen können, dass der jeweilig andere sein Handwerk verstand. Thomas spürte eine Welle des Unverständnisses in seinem Nacken. Er hatte es in den Augen vieler nicht verdient gehabt, behandelt zu werden. Im Gegensatz zu den ausselektierten Arbeitern hatte er doch offensichtliche Schwächen gezeigt. Ausserdem wussten alle, dass er Rückenprobleme hatte. Aber genau dieser Mann, hatte das Schicksal eines jungen und robusten Steinmetzen besiegelt. Doch auch den anderen Meistern wehte ein ähnlicher Wind entgegen. Es war Geison, der das ganze Verhalten in Worte fasste.
Thomas nickte betreten. Er hatte weder um dieses Los, noch um eine Sonderbehandlung gebeten. Sie hatten doch gestern alle gehört was sein Anliegen gewesen war. Er hatte für alle Kameraden einstehen wollen.

„Wir alle sind Gefangene! Wir sind Sklaven und schon lange nicht mehr Herr über unseren Willen! Das macht uns zu Brüdern! Wenn einer Heilung erfährt und der andere den Tod, dann ist das nicht unsere Entscheidung! Es ist IHR Wille, vergesst das nicht! Fallt euch nicht gegenseitig in den Rücken, dafür haben wir schon zu viele von uns verloren!“ Thomas biss sich auf die Zähne und nickte. Geison hatte Recht. Nichts lag mehr in ihrer Hand. Der riesige Steinmetz sah untröstlich aus. Seine klaren blauen Augen fixierten Thein. Thomas nickte dankbar, doch man sah ihm an wie sehr die letzten Tage seine Seele belasteten. Diese Last konnte ihm keiner nehmen. Er hatte schon viel Grausamkeiten gegenüber Sklaven in Pelgar erlebt, doch noch nie hatte er das Schicksal eines Menschen selber besiegelt.

Plötzlich wurde es im Waschsaal laut, als zwei neue Männer zu ihnen gestossen wurden. Zwei riesige, kräftige Burschen. Ein schlechtes Zeichen. Thomas verstand in diesem Moment, dass die ausselektionierten Arbeiter nicht mehr zurückkommen würden. Noch weigerte er sich zwar, es wirklich zu akzeptieren. Warum?! Warum?!
Thomas musterte die beiden eingehender. Nun war er immerhin nicht mehr der einzige Riese in der Gruppe, obwohl er den Grösseren noch immer leicht überragte. Es bleib keine Zeit für einen Wortwechsel und so machten sich die Männer daran sich zu waschen und anzukleiden. Thomas fühlte sich heute körperlich tatsächlich ziemlich gut. Sein Rücken war viel weniger Steif als sonst und schmerzte auch nicht. Mit etwas Mohnblumensaft hier und da würde er wohl bestens über die Runden kommen...
Nicht nur weil er ihm die Schmerzen nahm, sondern auch die schlimmen Gedanken. Thomas nickte den beiden freundlich zu. Als Schmiede waren sie nun die Schützlinge von Meister Thein. Keine neuen Steinmetze Dachte Thomas und ein Funken Hoffnung breitete sich in seiner Seele aus.

Schliesslich wurden die Männer in einen Wagen verladen und durch die Stadt gefahren. Thomas war ganz dankbar um die Sitzgelegenheiten, denn für grosse Männer wie ihn war es jeweils immer eine wahre Tortur sich in so kleine Räume zu zwängen und lange in dieser unnatürlichen Körperhaltung zu verharren.
Die morgendliche Stadt wirkte verlassen. Niemand flanierte durch die engen Winkel der Stadt. Keine Rufe von den Markständen, die frischen Fisch feilboten. Stattdessen sah man Sklaven die eilig und mit gesenkten Köpfen Waren transportierten. Hie und da patrouillierten Soldaten durch die Gassen. Das Leben der Dunkelelfen konzentrierte sich auf den Stadtkern, der am wenigsten zerstört war. Jenes der Sklaven spielte sich in den Ruinen und Baracken an. Wenn sie nicht arbeiteten, dann waren sie meistens weggesperrt. Obwohl die Einnahme der Stadt nun doch schon einige Zeit her war, schien sich noch keine wirkliche Normalität eingespielt zu haben. Man traute den Sklaven noch nicht weit genug, als dass man ihnen ein wenig Freiheit gönnen würde. Thomas biss die Zähne aufeinander als sie ihren Zielort erreichten.

Sein Herz pochte ihm hart gegen die Brust als er sich die Verwüstungen betrachtete. Der schlechte Geruch schlug ihm sofort auf den Magen. Ein Meisterwerg der andunischen Baukunst lag in Trümmern. Jeder auseinandergebrochene Stein erzählte Thomas seine tragische Geschichte. Aus dem einstigen Wahrzeichen der Stadt, hatten die Besatzer ein trauriges Mahnmal gemacht. Thomas schimpfte sich selbst angesichts der Verheerungen einen Narren. Wie hatte er auch nur für eine Sekunde glauben können, dass die Herren hier in Andunie gnädiger sein könnten, als in Pelgar? Brechreiz stellte sich ein, als er die Leichenberge sah. Seine Hände begannen wieder zu zittern. Das hier war Wahnsinn! Warum liessen die Götter sowas zu? Waren sie etwa auch tot? Man musste es meinen.

Sie wurden von ihrer Herrin empfangen. Trotz des ganzen Schreckens um sie herum, passierte es dennoch, dass sich Thomas in ihrem Anblick verlor. Sie war eine Schönheit und sie war sich dessen eindeutig bewusst. Im Gegensatz zu den armen Seelen auf den Totenhaufen ging es ihnen ja auch gut. Ihre Herrin hatte Wort gehalten. Sie wurden besser behandelt als andere... Seine Gefühle ihr gegenüber waren demnach entsprechend gemischt und pendelten zwischen Abscheu und dem Wunsch ihr zu gefallen hin und her.
Sie wurden durch die Ruine geführt. Die Orks und Dunkelelfen mussten hier über Tage gewütet haben. Zerbrochene Weinkrüge zeugten davon, dass sie hier einen mörderischen Reigen gefeiert haben mussten. Thomas war im Grunde mit der Begutachtung der Steine beschäftigt gewesen, als Geison seine Aufmerksamkeit auf zwei Orks richtete. Er zuckte zusammen als er Gideon und die anderen erblickte. Dem ersten Schock folgte die Erleichterung. Sie lebten! Eine Nachricht, die er nicht für sich behalten wollte. Unauffällig stiess er Geison an. „Dort. Schau. Unsere Männer.“ Die Erleichterung war ihm förmlich vom Gesicht abzulesen und er blickte mit einer Dankbarkeit zu Amadin hin, die beinahe schon unheimlich war.

„Ich überlege schon geraume Zeit wo ich einen Tempel zu Ehren Faldors errichten kann und mein lieber Verlobter meinte, hier gäbe es einige Strukturen die man noch verwenden könnte.“ Er blinzelte und sah sie nun direkt an. Tempel waren die Königsklasse der Architektur und der Traum eines jeden Arbeiters. Thomas glaubte an alle Götter, auch wenn er Lysanthor am meisten verehrte, so existieren für ihn auch die anderen... und als Götter, hatten sie alle gebührenden Respekt verdient. Die Dunkelelfen teilten seine Ansicht offensichtlich nicht und auch die anderen Männer wirkten so, als würde man von ihnen die Sünde auf Erden verlangen.
„Mir wurde gesagt, ihr seid die besten Männer die ich kriegen könnte um ein solches Werk zu vollbringen.“ Die Männer richteten sich beinahe instinktiv auf. Alle waren darum bemüht sie in diesem Glauben zu lassen, denn er sicherte ihre Existenz.

“Ich zähle auf eure Kreativität und werde sie belohnen!“ Die Männer tauschten unsichere Blicke aus. Wie sollte man an einem Ort des Todes wie diesem schon kreativ sein? Sie würden es schnell herausfinden müssen. Thomas konzentrierte sich wieder auf die Strukturen. Er spürte wie die vertrauten Gedanken um die Steine, um Architektur, Statik und Ausstattung ihn beruhigten. Ihn von den Schrecken ablenkten, die allgegenwärtig waren, wie privilegiert und glücklich waren sie doch, bei einer Herrin gelandet zu sein, die ihr Leben schonte. Inmitten all dieser Verheerungen und Verwüstungen erschein dies wahrlich wie ein kleines Leuchtfeuer.

Alle Männer hatten inzwischen gelernt mit unvorstellbaren Gräueln umzugehen. Man musste es lernen, sonst drehte man durch und wurde getötet. Sein zittern liess sich nicht verhindern, doch sein Geist war wach. „Ich werde heute niemanden bestrafen, denn ich habe heute Geburtstag.“ Thomas blickte sie eingehend an.

„Ich kenne eure Namen, die Namen derer die ihr liebt und weiß mehr über euch, als euch lieb ist. So ist es nun mal und es liegt in meiner Macht euch Segen oder Verderben zu bringen. Macht mich glücklich und ich werde euch glücklich machen.“ Er glaubte ihr. Sie bot ihnen hier mehr an, als jeder andere Herr vor ihr. Es war ein bekanntes Phänomen, dass Menschen in einer Zwangslage sich irgendwann notgedrungen mit ihren Peiniger verbündeten und um deren Wohl besorgt wurden. Was hatten sie schon für eine andere Wahl? Man konnte nicht gegen die Hand opponieren, die einen fütterte und über das eigene Leben bestimmte. Aber er konnte steuern, was für eine Art Tempel sie bauen würden. Thomas spürte plötzlich eine tiefe Entschlossenheit in sich aufkeimen. Wenn es nach ihm ging, würden sie hier ein Bauwerk erschaffen, welche der dunklelefen Architektur um Meilen überlegen wäre. Das Bauvorhaben gab ihnen schliesslich einiges an Autonomie und Würde zurück. Als Bauherren hatten sie ein Wörtchen mitzureden. Sie zählten etwas. Das war ein schönes Gefühl und ein seltenes Gut unter den Sklaven.

Man liess sie frei. Thomas durchschritt die Ruine und bewegte sich zu den Leichenbergen. Diese starrte er eine ganze Weile an. Es war so, als würde er sich gar nicht auf den Bau konzentrieren. Er spürte wie er von den Wächtern beobachtet wurde, vielleicht auch von Amadin selbst? Es waren hunderte von Toten, die aufgequollen dalagen und vor sich hinmotteten. Thomas hatte in Pelgar gesehen, was Dunkelelfen mit Toten machen konnten. Sie erweckten sie wieder zum Leben und machten sie zu Sklavensoldaten. Er wusste nicht, ob dies in Andunie auch geschah, aber keiner hier sollte so enden müssen. Keiner dieser Leichen sollte seine tote Hand gegen seinesgleichen richten müssen. Er versuchte Blickkontakt mit den Vieren aufzunehmen. Sicherlich war es eine schreckliche Arbeit die Leichen zu stapeln, aber es war noch immer besser als der Tod. Doch die Vier kehrten vorerst nicht zurück und entfernten sich aus Thomas Blickfeld.

Er wandte sich zu einem der Dunkelelfen hin und zeigte auf den Haufen. „Baustoffe.“ Erklärte er knapp. „Diese Toten weihen den Grund, auf dem wir den neuen Tempel errichten. Sie sollen an den Sieg Faldors erinnern.“

Manche seiner Männer mochten wohl glauben, dass er nun ganz übergeschnappt war. Manche mochten es gar als Totenschändung und Verrat an dem Menschengeschlecht empfinden. Doch das einzige was Thomas versuchte war, die Totenruhe zu bewahren und dafür zu sorgen, dass Menschen für sie die letzte Ruhestätte wählten und nicht irgendwelche Dunkelelfen. Er wandte sich von dem Haufen ab und betrachtete sich die Tempelreste. Für Mercer war klar, dass sie diesen Bauplatz komplett würden räumen müssen. Er bewegte sich auf die Statue der Ventha zu. Fuhr mit seinen Fingern über den behauten Stein, als wollte er Kontakt mit seinem Erschaffer aufnehmen. Tatsächlich konnte Thomas die Steine lesen. Er konnte sehen, wie der Steinmetz vorgegangen war. Welche Werkzeuge er benutzt hatte. Sogar den Takt seiner Schläge konnte er ausmachen. Doch der helle Stein war nichts für einen Faldortempel. Thomas wusste um die Bedeutung dieses Bauvorhabens. Es würde vielen hundert Menschen für ein paar Jahre die Existenz sichern. Sie durften nicht versagen. Sie mussten um ihrer Selbstwillen hier tatsächlich Grosses erschaffen. „Eine Statue der Herrin..aus Obsidian.“ Brummte Thomas vor sich hin. Es war gang und gäbe, dass man dem Stifter oder der Stifterin eines Tempels ebenfalls darin ein Denkmal setzte. Thomas sah Amadin vor seinem geistigen Auge bereits vor sich. In kriegerischer Eleganz, mit dem Warg an ihrer Seite.

Irgendwann versammelten sich die Männer und man schickte die Gesellen aus, um das Gelände abzuschreiten und zu vermessen, sowie die Fundamente zu studieren. Die Meister versammelten sich schliesslich in der Nähe der Venthastatue. Ihre Blicke ruhten erstaunlicherweise auf Thomas und nicht auf dem Architekten Geison, der für gewöhnlich in solchen Fällen wohl das Wort eröffnete. Alle hatten sie schliesslich gehört, was Thomas mit den Toten vorhatte und erwarteten eine Erklärung.

Thomas hob seinen Blick. Er hatte die Anderen noch nicht über das Schicksal ihrer Männer aufgeklärt. „Marius, Hervé, Jan und Gideon sie leben, ich habe sie gesehen.“ Damit hatte wohl keiner gerechnet. Die meisten von ihnen hatten die Männer bereits abgeschrieben gehabt. Die Erleichterung war den Meistern förmlich anzusehen und man klopfte sich gegenseitig auf die Schulter. Lysanthor sei dank sprach aus ihren Blicken, doch alle wussten, dass es vermutlich eher „Amadin sei Dank“ heissen müsste. Schliesslich thematisierte Thomas die Sache mit den Toten.

„Wir haben in Pelgar gesehen, was sie mit unseren Toten machen können. Das soll unseren guten Männern nicht widerfahren. Lieber mauere ich ihre Überreste in diesen Tempel, als sie bis in alle Ewigkeit in die Sklaverei zu schicken. Es ist das mindeste, was wir für diese armen Seelen tun können, oder? Wir können keine Schwerter führen, aber immerhin können wir unsere toten in Ehren halten.“ Er hob seinen Kopf. Sein Blick ruhte auf Geison. „Wir können hier etwas Grosses erschaffen. Einen Tempel, der so gigantisch, so majestätisch ist, dass die Dunkelelfen davor erstarren. Sie mögen unsere Herren sein, aber wir sind die Meiser der Baukunst. Wir können die Würde und Ehre unserer Völker festhalten. Wir können zeigen, dass wir noch da sind. Für die Dunkelelfen wird es ein Tempel ihres Gottes sein...für die Sklaven ein Zeichen der Hoffnung und Stärke.“ Thomas Strategie war einfach. Er versuchte seine Kameraden davon zu überzeugen, dieses Bauvorhaben zu ihrer eigenen Sache zu erklären. Denn nur mit vollem Einsatz und voller Überzeugung, würden sie Grosses leisten können – und damit überleben.

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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Erzähler » Freitag 23. Oktober 2015, 10:02

Meister Mercer und die anderen schritten durch die Ruine. Er wandte sich zu einem der Dunkelelfen hin und zeigte auf einen der stinkenden Haufen.
„Baustoffe.“
Erklärte er knapp und der Dunkelelf hob erstaunt über den Mann das Kinn. Sein Gesicht wirkte tatsächlich überrascht. Sicher hatte er diese Idee von einem Sklaven nicht erwartet.
„Diese Toten weihen den Grund, auf dem wir den neuen Tempel errichten. Sie sollen an den Sieg Faldors erinnern.“
Thomas setzte seinen Weg durch das Chaos fort und der angesprochene Dunkelelf erstatte Meldung bei seiner Herrin. Es dauerte nicht lang, bis der Steinmetz einen Schatten hatte. Amandin lief in einiger Entfernung hinter ihm her. Sie wurde von ihren Leibwächtern immer begleitet, aber er hatte wohl ihr Interesse geweckt. Einer der Begleiter seiner dunklen Herrin, ein etwas mageres Exemplar dieser finsteren Rasse, schloss zu Mercer auf, begleitete ihn und beobachtete sein Tun. Ab und an schrieb er etwas in ein kleines Heft. Es gab wohl mehr als einen Schreiber und vielleicht hoffte dieser länger zu leben, als der erste den Thomas hatte kennen lernen dürfen.
„Eine Statue der Herrin... aus Obsidian.“
Brummte Thomas vor sich hin und sein Schatten kritzelte eifrig in sein kleines Buch. Es war gang- und gäbe, dass man dem Stifter oder der Stifterin eines Tempels ebenfalls darin ein Denkmal setzte. Thomas sah Amandin vor seinem geistigen Auge bereits vor sich. In kriegerischer Eleganz, mit dem Warg an ihrer Seite. Obwohl all diese Grausamkeiten um ihn herum so offensichtlich waren, trotz allem formten sich erste Ideen aus der Dunkelheit. Das dieser Tempel, dieses Werk nichts helles, nichts gutes in sich tragen würde, war klar. Jedoch konnte auch die Dunkelheit Phantasien und Kreativität gebären. Der Stein sprach zu dem Meister und erzählte von seiner Entstehung. Ein Stein richtete nicht über Gut und Böse, er bewertete nicht seine vergangene Funktion oder seine zukünftige Bestimmung. Ein Stein war einfach nur das was er war. Die Gewalt, die den Stein der Statur geteilt hatte, hatte ihn nicht verletzt. Er hatte nur aus einem Stück viele gemacht. Es waren die Menschen und die vermeintlich intelligenten Wesen dieser Welt, die sich als Richter über das Schicksal glaubten. Selbst der feine, zertretene Sand am Boden hatte keine Wertung für sein Schicksal. Ihm war es egal woran die Menschen glaubten, die über ihn hinweg gingen. Dies war eine einfache Wahrheit.
Nach einer Weile hob Thomas seinen Blick vom Boden. Die Meister trafen sich an Venthas letztem Ruheplatz. Er hatte die Anderen noch nicht über das Schicksal ihrer Männer aufgeklärt.
„Marius, Hervé, Jan und Gideon sie leben, ich habe sie gesehen.“
Damit hatte wohl keiner gerechnet. Geison bestätigte seine Aussage vor den ungläubigen Augen der Anderen, denn die meisten von ihnen hatten die Männer bereits abgeschrieben gehabt. Die Erleichterung war ihnen förmlich anzusehen und man klopfte sich gegenseitig auf die Schulter. Lysanthor sei dank sprach aus ihren Blicken, doch alle wussten, dass es vermutlich eher „Amandin sei Dank“ heißen müsste. Schließlich thematisierte Thomas die Sache mit den Toten.
„Wir haben in Pelgar gesehen, was sie mit unseren Toten machen können. Das soll unseren guten Männern nicht widerfahren. Lieber mauere ich ihre Überreste in diesen Tempel, als sie bis in alle Ewigkeit in die Sklaverei zu schicken. Es ist das mindeste, was wir für diese armen Seelen tun können, oder? Wir können keine Schwerter führen, aber immerhin können wir unsere toten in Ehren halten.“
Er hob seinen Kopf. Sein Blick ruhte auf Geison der zustimmend nickte.
„Wir können hier etwas Großes erschaffen. Einen Tempel, der so gigantisch, so majestätisch ist, dass die Dunkelelfen davor erstarren. Sie mögen unsere Herren sein, aber wir sind die Meister der Baukunst. Wir können die Würde und Ehre unserer Völker festhalten. Wir können zeigen, dass wir noch da sind. Für die Dunkelelfen wird es ein Tempel ihres Gottes sein...für die Sklaven ein Zeichen der Hoffnung und Stärke.“
Wieder erntete er ein Nicken und weitere stimmten ein. Thomas Strategie war einfach und schien aufzugehen. Er überzeugte seine Kameraden davon, dieses Bauvorhaben zu ihrer eigenen Sache zu erklären. Denn nur mit vollem Einsatz und voller Überzeugung, würden sie Großes leisten können – und damit überleben.
„Du willst ihnen einen Tempel für ihren Gott bauen? Das kann nicht wirklich dein Ernst sein!“
Natürlich gab es Stimmen die ihm nicht folgten und natürlich war es Rasmussen der es aussprach und damit sofort das Augenmerk auf die Grausamkeiten ihrer Herren lenkte. Meister Grimm war war es der sich dazwischen schaltete:
„Entweder das, oder wir wählen den Tod. Meint ihr sie werden eine Weigerung ungestraft lassen? Ich glaube das nicht!“
Meister Thein stimmte in die Diskussion mit ein:
„Es stirbt sich leicht in diesen Zeiten. Das haben wir sicher alle schon erlebt. Ich für meinen Teil bin dafür den Tempel zu bauen und stimme Meister Mercers Worten zu, dass es auch ein Denkmal unserer eigenen Kunst sein könnte.“
Grimm, Geison, Thein und Mercer sahen Rasmussen an und dieser schüttelte leicht den Kopf.
„Das ist doch Wahnsinn!“
Seine Stimme brach zu einem Flüstern. Geison Sima legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Wir müssen uns einig sein, wenn wir überleben wollen.“
Rasmussen blickte auf und sah ihn befremdlich an, nickte dann aber langsam. Nach einem kurzen Zögern fügte er hinzu:
„Ja... Wir bauen diesen Tempel. Was bleibst uns auch anderes übrig …“
Er zog eine leichte Grimasse und fügte noch seltsam befremdlich lachend hinzu:
„Zeigen wir ihnen, dass wir die Meister sind und sie nur die Herren über unser Leben...“
An Mercer gewandt:
„Wir werden ja sehen wohin uns dein Stolz bringen wird.“
„Mercer …!“
Meister Grimm wollte ihn schon zurecht weisen, doch Rasmussen hob beschwichtigend die Hände.
„Ich mache ja mit und keine Sorge meinetwegen.“
Damit verschränkte er die Arme vor der Brust und wandte sich ein kleines Stück ab. Geison schüttelte den Kopf und wandte sich seinem Freund zu.
„Das Fundament … hätten wir also geklärt. Ich habe auch noch einige Ideen, wie man bereits vorhandene Systeme neu verwenden könnte. Ich werde mich an ein paar Entwürfe machen und sie vorlegen. Wir werden dann ja sehen, ob sie Anklang finden. Wenn ihr noch Vorschläge habt immer raus damit.“
„Die Verbindungen zum Meer könnte man vielleicht noch für ein paar Spielereien nutzen.“
, meinte Rasmussen.
„... oder etwas mit Feuer als Ausgleich zu der vorherigen Bestimmung. Das könnte den Herrn vielleicht gefallen.“
, meinte Thein. Meister Grimm rieb sich nur das Kinn und sah zum Himmel über der eingestürzten Decke hinauf. Er hatte wohl am meisten zu tun.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Thomas Mercer » Mittwoch 28. Oktober 2015, 10:13

Thomas war ganz in das Lesen der Steine vertieft, so merkte er gar nicht, dass Amandin ihm mit einiger Distanz folgte. Vielleicht war es auch besser so, ansonsten hätte er sich sicherlich verkrampft und keinen einzigen klaren Gedanken mehr gefasst. Thomas wurde immer unendlich nervös, wenn die Herrschaft ihm zu nahe kam. Das passierte schon bei männlichen Vertretern... bei attraktiven Frauen würde es wohl noch schlimmer sein. Erst als er sich von der Statue abdrehte bemerkte er, dass er schon längstens einen Begleiter hatte. Beinahe erschrocken starrte er den Schreiber an und schielte auf dessen Buch. Was in Lysanthors Namen hat sich der alles über mich notiert?! Kurz sah es so aus, als hätte der Meister etwas sagen wollen, doch Thomas schwieg und setzte seine Besichtigung fort. Offenbar gab es auch unter den Dunkelelfen eine Hierarchie. Die besonders schmächtigen Genossen, die wohl nicht wirklich zum Kämpfen taugten schienen eine eigene Art von Dienerkaste zu bilden. Dies würde doch erklären, warum Harker seinen Schreiber einfach so hatte töten können. Sie waren möglicherweise ebenfalls Sklaven. Thomas wusste praktisch nichts über die Lebensweise der Dunkelelfen. Wie auch? Als Sklave kriegte man schliesslich selten etwas erklärt.

Er kommentierte weitere wichtige Stellen für sich selsbt. Nun jedoch deutlich angespannter als zuvor. Kreativität lebte seiner Meinung nach davon, dass nicht jeder laut formulierte Gedankengang sogleich auf die Goldwaage gelegt wurde. Die Sache mit der Statue war so vor sich hingeredet gewesen. Ein einzelner Obsidianblock von der Grösse zu finden, die Thomas vorschwebte, war vermutlich reines Wunschdenken. Obwohl man sich damals in Santros unter den Steinmetzen von den ungeheuerlichen Obsidianvorkommen auf der Vulkaninsel erzählt hatte. Möglicherweise waren dies aber nur Legenden gewesen. Eine Legende, die nun offenbar Einzug in das Notizbuch des Dunkelelfen gefunden hatte. Was würde aus ihm passieren, wenn er Amandin erkären müssten, dass seine Vorschläge unrealistisch waren? Dies würde sie sicherlich verärgern... Was, wenn dieser Kerl einfach irgendwelche erfundenen Dinge notierte, um ihre etwas spektakuläres Berichten zu können? Wem würde sie dann wohl glauben? Thomas wurde blass um die Nase, doch er erkannte schnell, dass er seinen Schatten wohl nicht so schnell loswerden würde. Also konzentrierte er sich notgedrungen wieder auf seine Arbeit. Eines war sicher, der weisse Kalkstein und auch alle anderen hellen Baumaterialien kamen für einen Faldortempel nicht in Frage. Damit wurden schon viele Materialien ausgeschlossen, mit denen Thomas viel erfahrung hatte. Er hatte keine Ahnung von der Geologie Morgerias. Dort musste es doch schwarzes Baumaterial geben...

Am Schluss würde es für die Statuen und ggf. auch Säulen wohl auf schwarzen Marmor hinauslaufen, Obsidian war ihm einfach zuerst in den Sinn gekommen, weil ihm das „gläserne“ weiblicher erschien, als der harte Marmor. Er seufzte und strich über den Schaft einer zerstörten Säule. Er konnte nichts dafür. Tatsächlich beschwingte dieser traurige Ort des geschändeten Tempels seine eigene Fantasie. Er wusste selbst nicht genau warum, aber es war so. Vielleicht lag es auch daran, weil er seine Männer in Sicherheit wusste. Vielleicht lag es auch an der „Therapie“, die er letzte Nacht erfahren hatte. Thomas war sicherlich kein amoralischer Mensch und er wusste sehr wohl, was für eine tiefe Wunde die Dunkelelfen mit der Zerstörung des Tempels in jeden gläubigen Menschen gerissen hatten... Aber dafür konnte er letztlich doch nichts? Es lag nicht in seiner Macht, die Stadt von den Dunkelelfen zu befreien und die Weigerung einen neuen Tempel zu errichten würde doch nur Tod und Verderben über ihn und seine Männer bringen. Er war kein Krieger, kein Widerstandskämpfer. Er wollte leben, war dieser Wunsch so vermessen? Er seufzte. Architektur war nicht unschuldig, dies wusste er. Architektur wirkte auf seine eigene Weise auf die Lebewesen und Thomas würde etwas bauen müssen, was die Menschen wohl an ihren eigenen Göttern würde zweifeln lassen. Auf den Ruinen Venthas – der wohl mächtigsten Göttin – würde sich ein imposanter Faldortempel erheben, ein deutliches Zeichen dafür, dass der verstossene Bruder nun die Führung unter den Göttern für sich proklamierte. Eine Botschaft, die für jeden beklemmend sein musste, der sich von den Lehren Faldors abgestossen fühlte. Aber das Schöne an Architektur war, dass ein Gebäude auf unterschiedliche Art und Weise gelesen werden konnte. Dieses Bauprojekt würde das Leben seiner Freunde und Familie für einige Jahre sichern. Für einen Mann wie Thomas, der sein Beruf letztlich einfach liebte, war dieses Projekt schliesslich auch eine ungeheuerliche Herausforderung. So verwerflich man diese Haltung finden mochte, Thomas empfand es so. Sein Handwerk war das Einzige, was ihn selbst noch zu einem autonomen Menschen machte. Es war das einzige, dass ihn noch irgendwie Freiheit spüren liess. Bei den Steinen war er Zuhause, dort konnte er das triste Schicksal der Menschen für einen Moment vergessen. Momente die wichtig waren, hätte er diese nicht, dann würde er wohl in Verzweiflung versinken. Sie hatten hier ein gutes Los gezogen. Sie wurden gut ernährt, man schonte ihr Leben, man stellte sogar Belohnungen in Aussicht. Die Schlacht war verloren, nun musste man beginnen sich mit der Realität abzufinden und versuchen möglichst das Beste aus der eigenen Situation zu machen. Gedankengänge die jeder rebellische Geist wohl als reine Blasphemie empfinden würde... aber letztlich mochten ihre Stimmen zwar grollend und entschlossen sein, doch der Widerstand war zu schwach.
Man kam zusammen und beriet sich. Thomas war nicht unbedingt wohl dabei, als er seinen Kameraden die Sache mit den „Baustoffen“ erklärte. Lieber hätte er sie natürlich ordentlich bestattet... aber manchmal musste man eben improvisieren.

„Du willst ihnen einen Tempel für ihren Gott bauen? Das kann nicht wirklich dein Ernst sein!“ „Es ist ein Befehl unserer Herrin.“ Stellte Thomas klar und sah die Männer direkt an. Es war ja nicht so, dass sie eine andere Wahl hatten. Was sollten sie Amandin denn sagen? Dass sie hier lieber ein Badehaus hinstellen würden? Unter Sklaven wurde man schnell zum Kollaborateur deklariert, wenn man für die Sachen der Dunkelelfen zu viel „Begeisterung“ zeigte. Thomas nannte es Pragmatismus. „Ich will leben... und ja... wenn ich ein Bauwerk beginne, dann möchte ich, dass es ein Monument sondergleichen wird, um der Welt zu beweisen, dass die Hände der Völker zu grossem Fähig sind. Menschen, Zwergen, Elfen...“ Er seufzte und zuckte mit den Schultern. „Ich kann den Stein nicht betrügen, ich kann ihn nicht sabotieren. Er macht sich nichts aus Politik. Der Tempel trägt keine Schuld für unsere Situation.“ Er kriegte Unterstützung von den anderen Meistern, Rasmussen schien jedoch wenig überzeugt. Ausser er, der doch chronisch unter dem Verdacht stand für die Dunklen zu spitzeln.
„Ja... Wir bauen diesen Tempel. Was bleibst uns auch anderes übrig …“ „Sie haben uns sicher nicht absichtlich von Pelgar nach Andunie gekarrt, nur um uns mit diesem Bau zu demütigen. Dann hätten sie uns doch einen dunkelelfischen Architekten vor die Nase gesetzt!“ Er blickte zu Geison hin. „Sie können es nicht besser. Sie brauchen uns und dies macht unseren Wert aus. Wir sollten sie nicht enttäuschen, ansonsten verlieren wohl nicht nur wir, sondern alle Steinmetze und Architekten ihre Daseinsberechtigung.“

„Das Fundament … hätten wir also geklärt. Ich habe auch noch einige Ideen, wie man bereits vorhandene Systeme neu verwenden könnte. Ich werde mich an ein paar Entwürfe machen und sie vorlegen. Wir werden dann ja sehen, ob sie Anklang finden. Wenn ihr noch Vorschläge habt immer raus damit.“ Er nickte. Die Wassersysteme waren Einzigartig und liessen sich wohl nur an dieser Lage hier wirklich verwirklichen. Es wäre eine Schande, eine solche Technik nicht zu verwenden. „Vielleicht können wir das Wasser rot Färben. Rote Flüsse, die den Boden durchziehen, wie Adern.“ Simuliertes Blut würde möglicherweise die Dunkelelfen davon abhalten ein System von echtem zu fordern... Es wurde diskutiert und beraten. Alle gaben ihr Bestes und es kamen tatsächlich einige gute Ideen zum Vorschein. Sei es für die Nutzung der Wassersysteme, oder aber neuer Formen, wie Spitzbögen für die Arkaden des Tempels. Für einen Moment schien es so, als wären die Männer derart in ihre Arbeit vertieft, dass sie völlig vergassen, wo sie sich eigentlich befanden. Man begann Grundrisse in den Sand des Bodens zu zeichnen und Entwürfe von Bögen, Säulen, Kapitellen und Fenstern. Einige der Zeichnungen würden wohl wieder verwischt und vergessen werden, andere würden wohl in den definitiven Bauplan Einzug finden. Mercer stritt sich mit Rasmussen und den Gesellen über die Spitzbögen, sowas hatte es bisher noch nie gegeben und es gab Bedenken aufgrund der Statik. Mercer argumentierte, dass runde Formen, wie sie bei Lysanthortempeln üblich waren, nicht zu einem aggressiven Gott wie Lysanthor passten. Auch das Masswerk wollte er entsprechend verändern und zackiger, wilder und ungestümer gestalten. Neue Formen sollten für den Tempel gefunden werden, doch dies war kein einfacher Prozess.

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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 29. Oktober 2015, 09:45

„Vielleicht können wir das Wasser rot Färben. Rote Flüsse, die den Boden durchziehen, wie Adern.“
Geison nickte anerkennend und es sah so aus als machte er sich eine geistige Notiz. Simuliertes Blut würde möglicherweise die Dunkelelfen davon abhalten ein System von echtem zu fordern... Es wurde hitzig diskutiert und beraten. Alle gaben ihr Bestes und es kamen tatsächlich einige gute Ideen zum Vorschein. Sei es für die Nutzung der Wassersysteme, oder aber neuer Formen, wie Spitzbögen für die Arkaden des Tempels. Geison begann Grundrisse in den Sand des Bodens zu zeichnen und Entwürfe von Bögen, Säulen, Kapitellen und Fenstern. Einige der Zeichnungen würden wohl wieder verwischt, andere würden wohl in den definitiven Bauplan Einzug finden. Mercer stritt sich mit Rasmussen über die Spitzbögen, so etwas hatte es bisher noch nie gegeben und es gab Bedenken aufgrund der Statik. Mercer argumentierte, dass runde Formen, wie sie bei Lysanthortempeln üblich waren, nicht zu einem aggressiven Gott wie Lysanthor passten. Auch das Masswerk wollte er entsprechend verändern und zackiger, wilder und ungestümer gestalten. Rasmussen hielt dagegen, dass er doch keine Ahnung von dem Gott der Dunklen hätte, was ja auch nicht ganz falsch war, jedoch merkte man, dass ihm schnell die Argumente ausgingen und die Gruppe neu zusammen fand. Seine Art Unfrieden zu stiften konnte einfach nicht greifen und so gab er sich nach einer Weile geschlagen. Neue Formen sollten für den Tempel gefunden werden, doch dies war ohnehin kein einfacher Prozess, da brauchte es ihre Zusammenarbeit. Rasmussen brauchte deutlich länger als die anderen um dies zu erkennen, doch dann begann er ebenfalls konstruktive Vorschläge zu machen, die sogar erstaunlich gut passten. Er war einfach ein dauerhaft unzufriedener Mensch und man konnte ihm fast seine Einstellung verzeihen. Für eine Weile schien es so, als wären die Männer derart in ihre Arbeit vertieft, dass sie völlig vergaßen, wo sie sich eigentlich befanden. So war es wenig verwunderlich, dass die lautlosen Schritte ihrer Herrin nicht gehört worden waren und ihre schlanke Gestalt sich unbemerkt den Rücken der zusammen kauernden Handwerksmeistern genähert hatte. Jeder sah auf seine Zeichnung in Staub und Asche und konzentrierte sich voll auf das Vorhaben. Die geballte Kreativität die hier versammelt war förderte schnell erste Ergebnisse zu tage. Geison war der Architekt und seine Aufgabe bestand darin, den Überblick über alles zu behalten, die Statik zu berechnen und ihre Ideen auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen. Gerade malte er einen der Spitzbögen in den Sand und grübelte über die Tragfähigkeit nach. Mercer und Rasmussen diskutierten über die Form des Masswerks, als sich eine dunkle Hand zwischen Thomas und Meister Sima hindurch schob und in den Spitzbogen einen runden Kreis malte. Ihre leise Stimme überraschte die Männer:
„Mir gefallen die Spitzen, es spricht aber auch nichts gegen ein gewisses Maß an Rundungen. Das Symbol unseres Gottes ist die schwarze Sonne.“
Geison hatte vor Schreck einen kleinen Satz zur Seite gemacht und war so gegen Rasmussen gestoßen. Der wiederum war zur Seite gekippt und stemmte sich gerade wieder auf die Beine. Thein starrte sie nur wie versteinert an und Grimm hatte einen überraschten Laut ausgestoßen, den er jetzt hinter vorgehaltener Hand verstummen ließ. Mercer hatte einen eher unbewussten Vorteil, denn er hatte schon vorher gewusst, wie neugierig seine Herrin war, nur leider anscheinend über seine Arbeit wieder vergessen. Ihre körperliche Nähe in der Runde war schon fast obszön und ihr Duft erinnerte an schwere, warme Sommernächte voller wilder Kräuter.
„Um Faldor einen angemessen Tempel zu errichten, sollte wenigstens einer von euch gewillt sein ihn ein bisschen besser kennen zu lernen. Meint ihr nicht auch?“
Sie sah lächelnd und wissend über ihre Wirkung in die Runde, hockte da, als wäre sie einer von ihnen und war doch so ganz das Gegenteil!
„Wer möchte? - Freiwillig?“
Rasmussens Gesicht zuckte leicht, als ob er jeden Moment sich bereit erklären würde, aber er zögerte einen Hauch zu lange. Vielleicht war er doch nicht mutig genug. Amandin sah abschätzend in die Runde und ließ ihren Blick wandern, dann sah sie Meister Mercer herausfordernd an. Ihre dunkelroten Augen funkelten in der Dunkelheit wie teure Juwelen. Der Granat oder Rubine könnten nicht wundervoller das Licht wieder spiegeln. Hinter ihrem Gesicht sah Thomas Geisons verzerrte Mimik.Seine Zähne waren fest aufeinander gepresst und die Adern an seinem Hals und an den Schläfen traten scharf hervor. Sein Freund hatte mit sich zu kämpfen, dass er nichts unüberlegtes tat.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Thomas Mercer » Samstag 31. Oktober 2015, 15:27

Rasmussen und Thomas gerieten sich ab den neuen Formen völlig in die Haare. Als Rasmussen schliesslich laut wurde und Thomas entgegenhielt, dass er doch keine Ahnung von dem dunklen Gott hatte verstummte Mercer für einen Augenblick. Die beiden Männer starrten sich eine ganze Weile lang gegenseitig an. Thomas spürte, wie seine Lippen bebten und er seine Hände zu Fäusten geballt hatte. „Ich doch auch nicht!“ Brummte er schliesslich. „Zumindest auch nicht mehr, was in Lysanthors Schriften über ihn steht!“ Gab er schliesslich zu und liess die Schultern hängen. Er rieb sich über seine Schläfen und strich mit seiner Pranke durch sein Haar. Wie sollten sie schon die richtigen Formen finden, für einen Gott, den ihnen so fremd war wie die gesamte dunkelelfische Kultur? Dennoch, sie mussten heute zweifelsohne die eine oder andere Idee abliefern. Mercer streckte nach einer Weile seinen Rücken und verschränkte seine Arme im Nacken, während er selbstkritisch seine Spitzbogenkonstruktion betrachtete, plötzlich erschien eine feine, drahtige, dunkle Hand in seinem Blickfeld und malte einen Kreis unter den Boden.

„Mir gefallen die Spitzen, es spricht aber auch nichts gegen ein gewisses Maß an Rundungen. Das Symbol unseres Gottes ist die schwarze Sonne.“ Auch Thomas erschrak und zuckte spürbar zusammen, doch dann starrte er den Kreis an. „Ein Entlastungsbogen.“ Brummte er gedankenverloren vor sich her. So ein Bogen wäre nicht nur aus ästhetischen Gründen angebracht, sondern auch aus statischen. Mit einem solchen Entlastungsboden liesse sich das Gewicht, welches unweigerlich auf den Bögen lastete besser ableiten und verteilen. Er atmete tief durch, weil er zufrieden war mit der neuen Form. Dabei strömte unweigerlich ihr prägnanter Duft in seiner Nase und für einen Moment sah er verwirrt auf die dunkle Schönheit herab, die da neben ihm im Sand kauerte. Thomas wurde sich schnell gewahr, dass er der letzte war der noch stand. Alle andren taten es Amandin nämlich inzwischen gleich und kauerten ebenfalls neben der Zeichnung. Niemand wollte wohl eine erhöhte Position gegenüber ihrer Herrin einnehmen, weil daran etwas unnatürliches und widerrechtliches anhaftete. Ein Sklave hatte schliesslich nicht über seiner Herrin zu stehen. Weder symbolisch, noch physisch. Doch jetzt war es für Thomas zu spät für eine Korrektur, denn die Herrin richtete erneut das Wort an die Gruppe. Sich jetzt hastig zu bewegen würde doch nur den Eindruck erwecken, dass er ihr gar nicht zuhört.

Thomas trat unruhig auf der Stelle als sie geendet hatte. Er wusste, dass sie Recht hatte, doch in dem Pelgarer bereitete sich ein mulmiges Gefühl aus. Er mochte kein äusserst religiöser Mann sein, dennoch war er im Glauben an Lysanthor erzogen worden und betete auch hin und wieder zu seinem Gott. Sich eingehend mit Faldor einzulassen war natürlich für einen Pelgarer mehr als nur verpönt. Dafür hätte man in Pelgar sogar verhaftet werden können, jetzt und heute war es umgekehrt. Thomas konnte nicht leugnen, dass ihn die Sache tatsächlich interessierte. Schon auf der Walz hatte er sich gerne mit den hiesigen Traditionen und Gewohnheiten auseinandergesetzt. Er lebte nun schon seit einiger Zeit unter den Dunkelelfen und wusste eigentlich gar nichts über sie. Was zum Beispiel hatte das Mal zu bedeuten gehabt, welches man ihnen mit Blut auf die Stirn gezeichnet hatte? Warum waren die Dunkelelfen so wie sie waren?

„Wer möchte? - Freiwillig?“ Auch Thomas zögerte, bis seine Herrin ihn herausfordern ansah. Nur kurz schielte der Sklave an ihr vorbei zu Geison. Amandin einen „Freiwilligen“ bestimmen zu lassen könnte für sie alle gefährlich werden. Geison würde sich niemals auf den Faldorkult einlassen und möglicherweise sogar noch etwas blödes sagen...dies hätte Konsequenzen für ihn, und Thomas eigene Familie. Thomas biss so fest die Zähne aufeinander, dass man die angespannte Kiefermuskulatur förmlich sehen konnte. Er erwiderte Amandins Blick und nahm Haltung an. „Ich, Herrin, sofern Ihr mich für würdig erachtet.“ Entgegnete er ihr, weit unsicherer als er hatte wirken wollen. Für seine Kameraden mochte Thomas Verhalten wohl allmählich zur Belastung werden, da er nun doch immer mehr eine exponierte Stellung einnahm. Er spürte die Blicke seiner Kameraden auf sich. Manche mochten erleichtert sein, dass das Los nicht auf sie gefallen war. Andere mochten ab seiner Bereitschaft vielleicht irritiert sein. Ein Pelgarer der sich freiwillig auf Falodrs Lehren einliess? Das war eine Sünde! Manch einer mochte sich wohl ärgern, eine mögliche Chance sich bei der Herrin beliebt zu machen, verstreichen lassen zu haben. Er senkte seinen Blick und starrte demütig zu Boden, damit er nicht mehr länger auf sie herab blicken musste.

So viel Aufmerksamkeit hatte der Steinmetz in den ganzen Jahren seiner Versklavung noch nie auf sich gelenkt. Thomas war immer der Unscheinbare gewesen und nun befand er sich immer öfters im Zentrum der Aufmerksamkeit. Was war nur mit ihm los? Lag es daran, dass er seine Familie am Leben wusste und Amandin der Schlüssel zu seiner Frau und seiner Tochter darstellte?

Sein Herz raste. Was hatte er nur getan? Würde Amandin ihn etwa persönlich unterrichten? Hoffte er das insgeheim sogar? Ihre Präsenz machte etwas mit ihm. Etwas Unheimliches. Er fühlte sich unglaublich zu ihr angezogen, obwohl er es eigentlich besser wissen musste. Das hier war verdammt gefährlich. Nähe zur eigenen Herrschaft bedeutete vielleicht das eine oder andere Privileg, aber gleichzeitig auch begab man sich in ein Terrain voller Tretminen. Der Schreiber von Harker hatte doch deutlich demonstriert, dass es sich neben dem Herrn leicht starb.

Nein...nein er hatte das nicht getan weil er sich von ihr angezogen fühlte. Es konnte doch nicht wahr sein, dass er so triebhaft war, dass ihn eine einzelne Frau gleich derart aus dem Konzept brachte! So war er doch nicht...auch wenn er die Zärtlichkeiten und Wärme seiner Frau durchaus vermisste. Doch deswegen liess er sich doch nicht sogleich mit einer Teufelin ein! Oder? Nein! Das leugnete er in jenem Moment, wo sich der Verdacht in ihm selbst auftat. Er musste das tun, um dem Tempel gerecht zu werden. Um dem Stein gerecht zu werden. Um seiner Arbeit gerecht zu werden. Das war es, jawohl!
Was waren die Sklaven wohl für ihre Herrin? Was war dieses Bauprojekt? Ein Zeitvertreib etwa? Wie stand sie selbst da in der Gesellschaft? Sie war die Frau des neuen Stadtführers. Erfüllte sie diese Ehe, oder war es eher eine Zwecks Beziehung? Und da war der Blick zu Harker gewesen... Eine Affäre vielleicht? In was für ein System drohte er hier hineinzugeraten?

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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 4. November 2015, 18:25

Thomas erwiderte Amandins Blick und nahm Haltung an.
„Ich, Herrin, sofern Ihr mich für würdig erachtet.“
Entgegnete er ihr, weit unsicherer als er hatte wirken wollen. Er senkte seinen Blick und starrte demütig zu Boden, damit er nicht mehr länger auf sie herab blicken musste. So sah er auch nicht die unterschiedlichen Blicke seiner Mitstreiter. Einzig Geison hatte er kurz aus dem Augenwinkel gesehen, der erst fassungslos, dann aber verstehend genickt hatte. Geison kannte seine Aufgabe und hatte am ehesten verstanden, warum Thomas dies tat. Es war die Angst um seine Familie. Der Architekt wusste um seine zuweilen widerspenstige Art mit der öfters aneckte. Wäre die Wahl auf ihn gefallen … hier stand mehr auf dem Spiel als nur sein Leben. Er sah seinen Freund an und das Band zwischen ihnen sprach mehr als jedes Wort hätte tun können.
Sein Freund hatte sich freiwillig bereit erklärt den dunklen Gott kennen zu lernen, oder zumindest seine Lehren, damit dieser Tempel auch in Zukunft seine Funktion erfüllen konnte. Dabei gab es noch einen anderen Faktor, der den Steinmetz mehr unterbewusst beschäftigte, als dass er jemals zugeben würde, dass er darüber nachdachte. Amandin! Sie war eine schöne und äußerst faszinierende Frau. Vielleicht war es auch einfach die Andersartigkeit, ihr verwirrender Duft, die leichten, fast verspielten Bewegungen, die das Auge magisch anzogen. Es war schwer an einem Ding fest zu machen. Und Mercer fragte sich: Was waren die Sklaven wohl für ihre Herrin? Was war dieses Bauprojekt? Ein Zeitvertreib etwa? Wie stand sie selbst da in der Gesellschaft? Sie war die Frau des neuen Stadtführers, oder war sie die Nichte???. Erfüllte sie diese Ehe, oder war es eher die Verlobung mit dem Hauptmann??? War es eine Zweckbeziehung? Und da war der Blick zu Harker gewesen... Eine Affäre vielleicht? War so etwas möglich? In was für ein System drohte er hier hineinzugeraten?
Seine Verwirrung kroch in jede Pore und richtete die Härchen auf. Ein unwillkürlicher Schauer lief über seinen Körper, als Amandin auf seine Antwort hin ihn anlächelte und sich zu ihm aus ihrer hockenden Position erhob. Dabei streifte zufällig ihre Haar seinen Arm. - pure Seide! -
Deutlich kleiner reichte sie ihm gerade mal bis zur Brust und hatte deswegen ihren Kopf in den Nacken gelegt, was ihren schlanken Hals wunderbar zur Geltung brachte und alles was darunter lag. Thomas Perspektive eröffnete ihm ungeahnte Einblicke in die dunklen Tiefen seiner Herrin. Selbst wenn er stur gerade aus gestarrt hätte, wie es sonst bei den männlichen Herren getan hatte, hier hatte er den Blick gesenkt und sie hatte sich in seine Wahrnehmung geschummelt. All die weichen Rundungen, sogar der Vorhof zu seiner persönlichen Ebene des Harax, lagen offen vor ihm, obwohl man die Spitzen des Gipfels nur erahnen konnte. Besonders faszinierend waren die dunkelroten, feinen, erhabenen Linien, die diese Frau auf ihrer sonst makellosen Haut trug. Allein ihre Stimme konnte ihn aus diesem Anblick reißen.
„Meister Mercer also. Eine gute Wahl. Folgt mir.“
Dann wandte sie sich ab und schritt voran. Erst jetzt wurde einigen bewusst, dass nicht wenige der elfischen Wächter ihre Hände an den Klingen gehabt hatten und manch eine Pfeilspitze auf sie gerichtet war. Amandin kümmerte sich jedoch nicht um solche Details und spazierte förmlich durch das Ruinenfeld. Hier und da überstieg sie eine Leiche und griff sogar einmal nach Mercers Arm um besser Halt zu haben, obwohl man sich nicht wirklich vorstellen konnte, das dies nötig gewesen sei. Es geschah einfach ganz natürlich, wenn gleich wohl auch jede geschundene Seele, jeder paranoid gewordener Geist dahinter einen bösen Plan vermuten konnte. Grausam und leise kichernd rieb sich das Schicksal die Hände und verfolgte den Weg des Steinmetzmeisters.
Amandin führte den Sklaven-Arbeiter ein gutes Stück von den Anderen fort. Am Rand der Tempelanlage waren ein paar Zelte aufgebaut worden, wo acht Wächter standen und sich verbeugten, als ihre Herrin näher kam. Zwei der Wächter öffneten das Tuch des größten Zeltes und Amandin führte Thomas dort hinein. Das Innenleben dieses Raumes ließ darauf schließen, dass es hier schon etwas länger stand und für die Herrin vorbereitet worden war. Der Boden war mit Fellen ausgelegt und hier im vorderen Bereich stand neben ein paar Truhen ein großer runder Tisch, auf dem einige Skizzen und Grundrisse verteilt lagen. Geison Sima hätte hier sicher seine helle Freude gehabt, aber andererseits hätte er hier auch schnell seine Fassung verlieren können. Ein Schädel diente als Briefbeschwerer und dünne Knochen waren zu Schreib- und Zeichenutensilien verändert worden. Wie fast alles in der Welt der Dunkelelfen waren auch hier die Farbtöne eher dunkel gehalten. Nur hier und da blitze etwas blutiges Rot, giftiges Grün oder depressives Purpur, Violett oder Indigo, wie der Schimmer auf Amandins Haut im Fackelschein. Zwei große Glutschalen verbreiteten eine angenehme Wärme und Mercers Herrin ließ kaum da sie eingetreten war ihren Mantel über die Schultern achtlos zu Boden gleiten.
Sollte er ihn aufheben? Vielleicht.
Unter ihrem Mantel trug sie „fast“ nichts. Das lederne Kleid, dass vorne schon weit hatte einblicken lassen, reichte ihr hinten bis weit unter die Taille und wurde mit einzig mit dünnen silbernen Ketten zusammen gehalten. Der sanfte Schwung ihres Beckens brachte diese leise zum klingen.
„Kommt, Meister Mercer.“
Dass sie ihn so förmlich ansprach schien ihr in gewisser Weise Freude zu bereiten. Der hintere Teil des Zeltes war mit halb durchsichtigen Schleiern abgeteilt, durch die man an den Seiten hindurch treten konnte. Dazwischen in der Mitte stand eine Art Thron. Anders konnte man das imposante Möbelstück aus geschwärzten Knochen wohl nicht bezeichnen. Das es Knochen und nicht wild verdrehte Wurzelhölzer waren, sah man erst auf den zweiten Blick. Die Sitzfläche und Rückenlehne war mit violettem Samt gepolstert.
Schwungvoll ließ sich Amandin auf ihren „Sessel“ fallen und hob dabei ein Bein über eine der Armlehnen. Durch das weite Öffnen ihrer Schenkel waren nun beide Beine nackt und einzig der dünne vordere Streifen dessen, was ein Kleid sein sollte, bedeckte ihre Scham. Auch die Innenseiten ihrer Schenkel waren mit den dunkelroten Verzierungen übersät. Manche wirkten heller als andere.
„Seht euch ruhig um.“
Ob ihre kleine Aufforderung ein Hinweis enthielt, dass er sich ruhig auch seiner Umgebung widmen sollte? - und nicht nur ihr? Hatte er gestarrt? Amandins Gesicht blickte freundlich, also sah er sich weiter um. Hinter dem Schleier bewegten sich zwei Gestalten und kamen links und recht gleichzeitig nach vorne getreten. Es waren auf den ersten Blick erkennbar Sklavinnen. Das zeigten deutlich die metallenen Halsbänder und die noch weniger vorhandene Kleidung, als bei ihrer Herrin. Beide hatten blanke Oberkörper und nur so etwas wie einen kurzen Wickel um die Hüften. So viel Weiblichkeit hatte Mercer schon sehr lange nicht mehr gesehen und die beiden waren definitiv nicht unansehnlich. Die Linke war eine Dunkelelfe ähnlich hübsch wie die Herrin selbst, nur war ihr Haar schneeweiß und sie war größer und etwas knochig. Die rechte Sklavin war ebenfalls eine hoch gewachsene Elfe, aber ihre helle Haut hatte einen grünlichen Schimmer und ihre unter braunem Haar fast verborgenen Augen hatten die Farbe von Bernstein. Vermutlich eine Sklavin aus dem Neldorethischen Raum. Beide Frauen beachteten Thomas nicht. Von links wurde Amandin dunkler Wein gereicht und von rechts ein Tablett mit kleinen Köstlichkeiten. Sie nahm sich ein paar Trauben und legte sie sich auf das Polster vor ihrem Schoß. Dann zog sie die rechte Sklavin näher zu sich und leckte ihr schnell über die Lippen. Das ganze ging in einen intensiven Kuss über und Amandin führte ihre Gespielin vor ihren Thron wo diese brav Platz nahm. Gleich einem Hund saß die Dienerin still da und ließ sich den Kopf streicheln. Zu der Linken gewandt meinte Amandin leise:
„Bereite das Werkzeug vor.“
Wehrendessen hatte Thomas Zeit sich genauer umzusehen und fand vor allem auf den Truhen einige stilisierte schwarze Sonnensymbole, viel was auf Knochen hinwies, schwarze wie Klingen geformte Ornamente, Hinweise auf Blut, Fledermäuse und sogar ein schwarzes Einhorn.
„Ihr habt Intelligenz bewiesen, Meister Mercer.“
, hob Amandin an zu sprechen, während sie die Spitze eines Ohrs der Elfe vor ihr zärtlich massierte. Die Sklavin senkte genüsslich ihre Lider. Die andere Sklavin hatte sich in den hinteren Teil zurückgezogen.
„Ich dachte schon euer Rivale Rasmussen würde euch ersetzten, oder schlimmer noch jener Meister Grimm. … Euer Freund - das ist er doch? - dieser Geison Sima, er wirkt recht … aufsässig. Ich denke, ihr habt gut daran getan ihn von mir fern zu halten. Er ist eigentlich euer Anführer … euer Architekt, nicht war? Ich hoffe, er wird euch keine Probleme bereiten.“
Allein dass sie >euch< gesagt hatte und nicht >mir< deutete darauf hin, dass sie sehr genau über alles Bescheid wusste. Dennoch schien sie noch keine direkte Antwort zu erwarten und musterte ihn nur neugierig.
„Meint ihr, ihr werdet in der Lage sein meine Ideen und Wünsche ihm zuzutragen? Ich denke, wenn ich sie ihm persönlich vortragen würde, wäre sein Hass und seine Furcht ihm im Wege und ich wünsche eine produktive Zusammenarbeit! Meint ihr, ihr werdet das für mich tun können? Könnt ihr mein „Sprachrohr“ sein? Ein Vermittler?“
Jetzt sah sie ihn direkt an und hob das Kinn, damit er sprechen konnte.
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Thomas Mercer » Mittwoch 4. November 2015, 23:52

Auch wenn man sich letztlich stets selbst der Nächste war lernte man als Sklave schnell, dass man die eigenen Überlebenschancen erhöhte, wenn man als Gruppe zusammenhielt. Jeder hatte seine eigenen Stärken und Schwächen und so konnte man durchaus schon mal einem Mitgefangenen aus der Klemme helfen, zum Beispiel indem man einen Teil seiner Arbeit abnahm, wenn er einmal krank war, oder aber das Wort ergriff, um ein weniger ruhiges Gemüt zu schonen. Diese ganzen Aktionen waren letztlich nicht selbstlos. Die Sklaverei liess kaum Spielraum für irgendwelche Nettigkeiten, der Sinn dieser Handlungen bestand letztlich darin das eigene Überleben zu sichern. Wer einem anderen Sklaven half, erhöhte damit die Wahrscheinlichkeit, dass ihm im Notfall auch geholfen wurde. Thomas sprang also in diesem Fall besonders für seinen Freund Geison in die Bresche... doch konnte der Steinmetz von sich nicht behaupten, dass er diese Tat als Bürde empfand. Dafür war das was ihn erwartete auf eine ganz unheimliche Art und Weise viel zu aufregend. Er war nie ein Mann gewesen, der nach Aufmerksamkeit gestrebt hatte – im Gegenteil. Dennoch besass er verschiedene Eigenschaften, die immer wieder dafür sorgten, dass er eben doch im Zentrum stand. Zum einen war da die bereits erwähnte Physis des Steinmetzes. Er war einfach ein gestählter Gigant, der durch seine Statur, seine blonden Haare und seinen blauen Augen einfach herausstach. Ein wahrer Sohn Lysanthors eben... Gleichzeitig strahlte Thomas aber auch eine grundeigene Freundlichkeit aus. Sein Blick war warm und aufrecht, seine Mimik in der Regel freundlich und zugewandt und er besass eine wohlklingende und ruhige Stimme. Thomas repräsentierte wahrlich den leidenschaftlichen Beruf-mann, den geduldigen Lehrer und den liebenden Vater und treuen Freund. Ein Mann, mit dem jeder gerne einen Heben würde. Diese Eigenschaften hatten bei den männlichen Herren bisher jedoch nie eine Rolle gespielt. Er hatte bisher nie das Gefühl gehabt, dass ihn einer der Dunkelelfen überhaupt als Person wahrgenommen hatte. Dies war bei Amandin ganz anders--- und wie anders! Verwirrend anders.

Thomas merkte selbst nicht, dass sich ein Irrtum in seinen Gedankengang geschlichen hatte. So hatte er Amandin fälschlicherweise als Ehefrau des Stadtherrn abgespeichert. Er hob eine Augenbraue, als sie ihn anlächelte. In seinen Ohren rauschte es und er spürte das Klopfen seines Herzens bis in seinen Hals hoch. Was passierte hier bloss? Er zuckte zusammen, als ihr Haar ihn berührte und für einen Moment rasten ihm alle Details, jedes Lächeln, jedes Wort nochmals durch seinen Geist. Amandin hatte von ihm Besitz ergriffen, beherrschte seine Gedanken, seine Ängste, seine Hoffnungen und letztlich nicht weniger als sein Leben. Die Ereignisse der letzten Tage spielten sich vor seinem Geistigen Auge ab. Die erste Begegnung mit Harker, dessen anerkennenden Blicke, sein Mord an dem dunkelelfischen Schreiber, Amandins erster Auftritt mit dem Warg an ihrer Seite. Die Nichte des Stadtführers...die Nichte, nicht die Frau, er erinnerte sich und bekam gleichzeitig Angst. Solche Fehler durften ihm nicht unterlaufen, er musste stets genau hinhören wenn sie etwas sagte, sich alles einprägen. Sie mochte Gehorsam, war bereit gut für ihre Sklaven zu sorgen, wenn diese ihr mit Hingabe dienten und für sie alles taten, was sie wünschte – und noch mehr. Hatte sie von seinem Zusammenbruch erfahren? Was hatte sie den ausselektionierten Männern gesagt? Was hatte die Blutmarkierung auf seiner Stirn zu bedeuten gehabt und warum hatten sie alle ein individuelles Zeichen bekommen? So viele Fragen, so viele Rätsel. Amandin kannte sie alle, dies durfte er nie, niemals vergessen! Unter keinen Umständen! Sie wusste alles über sie und sie mochte Bögen. Runde Formen, denn Faldors Symbol war die schwarze Sonne. Seltsam irgendwie, denn an diesem Symbol erkannte man doch die Verwandtschaft zu seinem älteren Bruder Lysanthor, dessen Symbol bekanntlich die goldene Sonne war. Praktisch, so hatte man in Pelgar wohl nur die vielen Lysanthor-Banner umfärben müssen – ein abstruser und unpassender Gedanke, der völlig Querstand und sich dennoch hartnäckig hielt. War das Amandins Ziel? Wollte sie ihn bekehren? War sie eine Priesterin? Rundungen...ja Rundungen er bemerkte erst jetzt, dass er sich visuell in einer pikanten Stelle ihres Körpers verloren hatte. Es war seine Herrin, die ihn aus seiner Starre löste.

„Meister Mercer also. Eine gute Wahl. Folgt mir.“ Thomas blinzelte. Ein Schweissfilm bildete sich auf seiner Stirn und wieder spürte er die Blicke seiner Männer im Nacken. Es war ungewohnt seinen Namen und insbesondere seinen Titel aus dem Munde einer Dunkelelfin zu hören. Er liess sich nicht zweimal bitten und folgte ihr gehorsam. Erst jetzt wurde ihm gewahr, dass er nicht nur von seinen eigenen Leuten beobachtet wurde, sondern auch von den Wächtern. Kein Wunder. Mercer könnte einer zierlichen Frau wie Amandin wohl mühelos innerhalb eines Atemzuges das Genick brechen, wenn er denn wollte. Doch seine Herrin hatte wohl schon längstens erkannt, dass Thomas zur Kategorie „sanfter Riese“ gehörte, anders als der Mann aus Sarma, dessen Peitschennarben von Ungehorsam zeugten. Thomas liess sich denn auch ziemlich von den Waffen beeindrucken, die auf ihn gerichtet waren und er achtete tunlichst darauf, seiner Herrin nicht zu nahe zu kommen. Ab und an passierte es aber, dass sie selbst die Nähe zu ihm suchte, indem sie seinen Arm beispielsweise als Haltegriff verwendete. Dabei mochte sie zweifelsohne eine Ahnung von seiner Kraft bekommen. Thomas Arme wirkten so, als wären sie aus purem Stahl.

Thomas hatte sich in Pelgar trauriger Weise an den Anblick von Leichen gewöhnt, dennoch bereitete ihm der Verwesungsgeruch alle Mühe. Er schauderte, als er über einen Körper hinwegstieg und schloss nun doch etwas näher zu Amandin auf um die Leiche schnell hinter sich zu lassen. Sie schien sich in diesem Umfeld offenbar einigermassen wohl zu fühlen. Thomas hingegen fand die Ruinen und die toten Körper mehr als nur beklemmend. Nicht viel müsste sich verändern, dass auch seine Frau oder seine Tochter oder er selbst hier auf diesem Feld zu liegen kamen. Auch das durfte er nie vergessen, bei aller Verführung und Anziehung! Thomas konnte in diesem Moment ja noch nicht ahnen, wie sehr er diesbezüglich gleich noch auf die Probe gestellt werden würde.

Thomas staunte nicht schlecht ab den Zelten. Offenbar hatte Amandin vor die Bauarbeiten persönlich zu überwachen. Vermutlich würde man auch für die Sklaven eine Bleibe auf dem Bauplatz errichten, damit man sich den Weg durch die Stadt sparen konnte. Aber darüber hatte er nicht zu entscheiden. Er kam sich unglaublich deplatziert vor, als er das Zelt betrat. Er fühlte sich nicht sauber genug, auch wenn er sich heute Morgen noch ausgiebig gewaschen hatte. Es war auch kein physisches Gefühl von Unreinheit, sondern ein psychisches. Sklavenschmutz. Ein Konzept, welches er tief in seiner Seele verinnerlicht hatte. Wie oft hatte man ihn als dreckig, schmutzig, minderwertig, Abschaum oder Viech geschimpft. In Pelgar waren sie nicht mehr als sprechende Lasttiere gewesen. Man holte sich ja schliesslich auch nicht den eigenen Ochsen ins Zelt, so fühlte er sich aber gerade.

Vorsichtig folgte er ihr an den Wachen vorbei ins Zelt hinein. Diese schienen wenig begeistert von seiner Anwesenheit. Auch hier war vermutlich wieder Mercers Statur ausschlaggebend. Für einen Soldaten oder Leibwächter hatte Thomas einfach ein gewisses Gefahrenpotenzial, weil er einfach so unglaublich kräftig war.

Er schielte auf die Grundrisse. Waren dies Idealpläne? Oder die Grundrisse bestehender Tempel? Von wem waren sie? Er schluckte leer, als er den „Briefbeschwerer“ sah. Wenn er hier etwas Falsches tat, könnte dies ebenfalls schnell zu seinem Schicksal werden. Diesbezüglich machte sich der Steinmetz keine Illusionen. Gunst war ein filigranes und flüchtiges Gut. Mercer blieb stehen, als sie ihren Mantel fallen liess. Mit dieser Geste beförderte sie den Sklaven in ein schreckliches Dilemma. Sollte er den Mantel aufheben oder nicht? Ersteres würde bedeuten, dass er ihn mit seinen dreckigen, nur menschlichen und damit doch unzulänglichen Händen berühren würde, aber sollte er einfach so an dem Mantel der Herrin vorbeischreiten? Er zögerte einen Moment und strich seine Hände an seiner Tunika ab – als ob DAS nun wirklich einen Unterschied machen würde – und hob ihn vorsichtig auf um ihn.... um ihn... ja um was damit zu tun? Er sah gar keinen passenden Ort, wohin er das kostbare Kleidungsstück hätte verstauen können. Beim Aufrichten erhaschte er einen Blick auf Amandins einladende Hinterseite. Diese Frau wusste ganz genau was sie tat. Anders als seine eigene Frau. Er liebte sie über alles, aber Beth legte keineswegs diese Sinnlichkeit an den Tag. Beth bewegte sich weniger geschmeidig, sie war viel zielstrebiger und pragmatischer. Sie bewegte sich um von A nach B zu kommen und nicht um aufreizend zu wirken. Warum in Lysanthors Namen machte er überhaupt einen solchen Vergleich?!

„Kommt, Meister Mercer.“ Er liess sich von seiner Herrin tiefer ins Zelt führen. Ob Amandin sich bewusst war, welche Wirkung ihre förmliche Anrede auf ihren Sklaven hatte? Sie gab ihm damit sehr viel an Würde und Menschlichkeit zurück. So etwas Banales wie der eigene Name konnte zu einem äusserst raren und wertvollen Gut werden, wenn man ein Sklave war. Beim Namen genannt zu werden, bedeutete für ihn als Person gesehen zu werden und damit erwies Amandin ihm eine weit grössere Gnade als jeder andere Herr vor ihr. Er fühlte sich geschmeichelt. Sie führte ihn offenbar in den Repräsentativen Teil ihres Zeltes, so zumindest interpretierte er ihren Thron. Wie Meister Mercer eben war, schaute er sich das Möbelstück genauer an. Schliesslich war er immer interessiert an neuen Materialien und der Thron war von so einer eigenartigen Kunstfertigkeit, dass er sich fragte welche Art von Gehölz man da verarbeitet hatte... dann merkte er es. Amandin fing seinen Blick wieder ein, als sie sich auf eben diesen Stuhl setzte und ihr Bein anzüglich – anders konnte man diese Pose doch nicht deuten – über die Armlehne legte. Thomas starrte ihren Innenschenkel an. Er konnte gar nicht anders, die roten Linien auf ihrer Haut zogen ihn völlig in ihren Bann und verführten seine Augen, ihnen zu folgen...höher und höher und...

„Seht euch ruhig um.“ Ertappt blickte er für einen Moment erschrocken zu ihr hoch. Er bekam einen hochroten Kopf und sah sich tatsächlich hastig um. Er hielt noch immer ihren Mantel wie einen Schutzschild umklammert. Doch die Angelegenheit wurde für ihn nicht einfacher, als Amandins persönliche Dienerinnen aus dem hinteren Teil ihres Zeltes traten. Ihm wurde ganz heiss. So etwas Sinnliches hatte er schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen, ohnehin keine fremden nackten Frauenkörper, seit er mit Beth zusammen war. Thomas war ihr schliesslich immer eine treue Seele gewesen. Vor seinen Augen spielte sich die pure Versuchung ab. Er konnte ihr nur widerstehen indem er intensiv an das Leid seiner Familie dachte. Er musste sich von dem, was er gerade sah mit grauenhaften Befürchtungen ablenken. Was wohl die Herren mit seiner Frau gemacht hatten, was sie mit Louisa gemacht hatten. Er senkte seinen Blick und harrte gehorsam, aber demütig der Dinge. Einzig der Griff um Amandins Mantel verstärkte sich etwas. Diese Szene hatte etwas Grausames an sich, da Thomas sich genötigt fühlte an solch schreckliche Dinge zu denken, um sich selbst nicht zu vergessen. Das erschütterte und beschämte ihn zutiefst. Doch seine Gedanken erfüllten ihren Zweck und verhinderten jegliche körperliche Reaktion auf die dargebotenen Reize. Amandin mochte ihm sofort ansehen, dass er sich selbst ungeheuerlich zügelte und sich selbst belastete um ihr zu widerstehen. Hatte sie schon andere Sklaven vor sich gehabt? Wie hatten diese reagiert? Thomas wusste es nicht, doch er hielt es im doppelten Sinne nicht für angebracht, sich hier nicht gehen zu lassen. Einerseits aus Treue gegenüber seiner Familie und gleichzeitig weil er es schlicht nicht wert war. Er war ein Arbeitersklave, nicht mehr, nicht weniger. Der Sklave ging also ziemlich streng mit sich selbst ins Gericht und dies alles unter dem scharf beobachtenden Auge seiner Herrin. Er verriet mit jedem Wort, jedem Blick und jeder Handlung mehr von sich selbst, während er über sie praktisch nichts wusste. Er hob seinen Blick, als seine Herrin etwas zu ihrer Sklavin flüsterte. Er verstand die Sprache der Dunkelelfen nicht und wusste nicht, welchen Befehl sie ihr gegeben hatte. Die Sklavin nahm Thomas endlich den Mantel ab und verschwand im hinteren Teil des Zeltes. Ohne etwas in der Hand fühlte er sich beinahe wieder nackt. Verstohlen sah er sich weiter im Raum um und erkannte immer mehr kultische Objekte. Immer mehr verstärkte sich sein Verdacht, dass sie eine Priesterin war. Durfte eine weltliche überhaupt einen Tempel errichten lassen? Er wusste es nicht.
„Ihr habt Intelligenz bewiesen, Meister Mercer.“ Sein Blick ruhte auf jenem sei-ner Herrin, nur ab und zu schielte er auf ihre Hand, sah zu wie sie die Sklavin streichel-te und verspürte urmenschliche Sehnsüchte nach Liebe und Zärtlichkeit.

„Ich dachte schon euer Rivale Rasmussen würde euch ersetzten, oder schlimmer noch jener Meister Grimm. … Euer Freund - das ist er doch? - dieser Geison Sima, er wirkt recht … aufsässig. Ich denke, ihr habt gut daran getan ihn von mir fern zu halten. Er ist eigentlich euer Anführer … euer Architekt, nicht war? Ich hoffe, er wird euch keine Probleme bereiten.“ In Thomas Blick fand sich vieles wider. Respekt, Aufregung, Angst und vielleicht sogar mehr Neugierde, als er sich eingestehen wollte. Aber keinen Hass. Dies unterschied ihn in der Tat deutlich von Geison. Er hasste die Dunkelelfen nicht für das, was sie waren. Er hasste Amandin nicht. Bei Kriegen gab es immer Verlierer und die Pelgarer hätten die Dunkelelfen wohl kaum anders behandelt. Der Krieg in sich war Grausam, doch das Leben suchte sich stets einen Weg. Die Sieg-reichen zogen keinen wirklichen Nutzen daraus, wenn sie die Unterlegenen komplett vernichteten und so pendelte sich früher oder später ein System aus, in dem beide Parteien miteinander koexistieren konnten.

Ihm behagte ganz und gar nicht, wie sie über seinen Freund sprach. Er sah sie direkt an, versuchte sie einzuschätzen und scheiterte dabei. Er sorgte sich um seinen Freund, dies konnte sie wohl in seiner Mimik erkennen.
„Meint ihr, ihr werdet in der Lage sein meine Ideen und Wünsche ihm zuzutragen? Ich denke, wenn ich sie ihm persönlich vortragen würde, wäre sein Hass und seine Furcht ihm im Wege und ich wünsche eine produktive Zusammenarbeit! Meint ihr, ihr werdet das für mich tun können? Könnt ihr mein „Sprachrohr“ sein? Ein Vermitt-ler?“ Er sah sie lange an und wog seine Worte sorgfältig ab.

„Ja Herrin, wenn Ihr mir erlaubt, euch auch Einsicht in die Wahrnehmungen unserer Gruppe zu geben, dann kann ich das.“ Thomas Mercer, Arbeitersklave und unscheinbarer und gehorsamer Steinmetz wagte es also tatsächlich seine Antwort an eine Bedingung zu knüpfen. Dabei wollte er nur ehrlich sein. Er merkte aber, dass es wohl ange-bracht war, seine Worte etwas genauer auszuführen „Ein Bauprojekt dieser Komplexität erfordert ein eingespieltes Team, das sich gegenseitig vertraut. Die Männer sollten nicht fürchten müssen, dass ich sie ausspioniere oder der geringste Fehler ihr Unter-gang bedeuten könnte. Es werden nämlich Zweifelsohne welche passieren. Wir alle möchten Leben und wir alle fühlen uns zu dem was wir tun berufen. Es widerspricht unserem Berufsethos, etwas Geringeres als Höchstleistung anzustreben, Herrin. Doch auch wir sind nur einfache Menschen mit eigenen Stärken und Schwächen und alles, was auf die einzelnen Mitglieder der Gruppe einwirkt, hat einen Effekt auf das gesamte System.“
Thomas merkte selbst nicht, dass sich in seinen Worten eine leise Kritik versteckte. Schliesslich sprach er indirekt die Unsicherheit an, die durch die Ausselektionierung in den eigenen Reihen entstanden war. Ob seine Männer ihm diese Worte überhaupt zutrauten? Er machte sich schliesslich gerade für jeden Einzelnen von ihnen unglaublich stark und beschwor die Unersetzbarkeit seiner Männer herauf. „Ich möchte lernen Herrin, damit ich eure Wünsche und Ideen auch wirklich gut und richtig verstehen und meinen Leuten vermitteln kann. Dafür muss ich aber wissen, welche Art von Fragen ich stellen darf und wie ich mich in eurer Gegenwart zu verhalten habe. Ich möchte nichts Falsches tun, was euch verärgern könnte.“ Thomas Verhalten war ziemlich eigenwillig. Einerseits war er kein passiver Sklave, der ausschliesslich auf Befehl sprach und sich nicht traute einen eigenen Gedanken zu formulieren, gleichzeitig war er aber äusserst gehorsam und darum bemüht, seiner Herrin zu gefallen. Man konnte ihm kein mangelndes Selbstbewusstsein vorwerfen, denn er tastete sich gerade vorsichtig an seine Herrin heran. Was man ihm aber ganz bestimmt vorwerfen konnte war eine grosse Portion Naivität. Er glaubte fest an das an das Gute in jedem Lebewesen und ging damit inzwischen tatsächlich davon aus, dass Amandin keine bösen Absichten hegte. Er wusste in der Tat wenig über die Kultur der Dunkelelfen und so begleitete ihn bei jedem Schritt den er tat die Angst, dass es einer zu weit gewesen sein könnte. Auch jetzt schon zweifelte er wieder daran, ob er nicht das eine oder andere Wort zu viel gesprochen hatte.

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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 5. November 2015, 18:07

Thomas ließ sich bei der Wahl seiner Worte Zeit. Im hinteren Teil des Zeltes konnte man die zweite Sklavin geschäftig hin und her laufen sehen. Auch dort konnte man diffus das Licht der Glutschalen sehen und das sie dort etwas hinein warf. Nicht lang darauf ebnete sich ein würziger Duft den Weg durch die Schleier und vertrieb jeglichen Gestank. Feinste Hölzer, Kräuter und etwas das schwer und süß im Hintergund für Wohlbehagen sorgte. Ein Duft der sich durch die Nase den Weg ins Gehirn suchte und dort mit der Zeit seine Wirkung entfalten würde.
„Ja Herrin, wenn Ihr mir erlaubt, euch auch Einsicht in die Wahrnehmungen unserer Gruppe zu geben, dann kann ich das.“
Amandin lächelte amüsiert und nickte langsam. Seine forsche Art schien ihr zu gefallen, jedoch sicher nur bis zu einem gewissen Grad. Thomas Mercer, Arbeitersklave und unscheinbarer, gehorsamer Steinmetz wagte es also tatsächlich seine Antwort an eine Bedingung zu knüpfen. Dabei wollte er nur ehrlich sein. Er merkte aber, dass es wohl angebracht war, seine Worte etwas genauer auszuführen, denn Amandin hob leicht die perfeckt geschwungenen Brauen, ließ ihn aber weiter reden.
„Ein Bauprojekt dieser Komplexi-tät erfordert ein eingespieltes Team, das sich gegenseitig vertraut. Die Männer sollten nicht fürchten müssen, dass ich sie ausspioniere oder der geringste Fehler ihr Unter-gang bedeuten könnte. Es werden nämlich Zweifelsohne welche passieren. Wir alle möchten Leben und wir alle fühlen uns zu dem was wir tun berufen. Es widerspricht unserem Berufsethos, etwas Geringeres als Höchstleistung anzustreben, Herrin. Doch auch wir sind nur einfache Menschen mit eigenen Stärken und Schwächen und alles, was auf die einzelnen Mitglieder der Gruppe einwirkt, hat einen Effekt auf das gesamte System.“
Thomas merkte selbst nicht, dass sich in seinen Worten eine leise Kritik ver-steckte. Schliesslich sprach er indirekt die Unsicherheit an, die durch die Ausselektionierung in den eigenen Reihen entstanden war. Ob seine Männer ihm diese Worte überhaupt zutrauten? Er machte sich schliesslich gerade für jeden Einzelnen von ihnen unglaublich stark und beschwor die Unersetzbarkeit seiner Männer herauf.
„Ich möchte lernen Herrin, damit ich eure Wünsche und Ideen auch wirklich gut und richtig verste-hen und meinen Leuten vermitteln kann. Dafür muss ich aber wissen, welche Art von Fragen ich stellen darf und wie ich mich in eurer Gegenwart zu verhalten habe. Ich möchte nichts Falsches tun, was euch verärgern könnte.“
Seine Herrin hatte aufmerksam zugehört und nahm eine Traube aus ihrem Schoß um sie sich zwischen die weißen Zähne zu schieben. Einen Moment lang spielte ihre Zunge mit dem Obst, bevor sie es zerbiss und dann genüsslich sich die Finger von ihrer Sklavin ablecken ließ. Amandin selbst ließ bei diesem "Spiel" Mercer nicht eine Sekunde aus den Augen.
"Sehr interessant! ..."
Sie nahm noch eine Traube und fütterte damit die Elfe zu ihren Beinen. Etwas abwesend bemerkte sie dabei:
"Mein Leibarzt, ihr habt ihn kennen gelernt, sagte etwas ähnliches. Er ist ein sehr gelehrter Mann und betreibt gerade auf meinen Wunsch hin eine Verhaltensstudie über die Optimierung von Arbeitsprozessen im Sklavenmilieu..."
Sie sah auf und schien kurz in Thomas Gesicht nach etwas zu suchen. Vielleicht fragte sie sich auch nur, ob er überhaupt verstand, von was sie da sprach, oder ob sie ihn eher verwirrte?
"... Hoffung ist eine mächtige Triebfeder. ... Er meint, richtig eingesetzt kann ein Mensch über sich hinaus wachsen."
Sie lente sich wieder tiefer in ihren Sessel und musterte den Steinmetzmeister.
"Ich bin da seiner Meinung, nur will ich mir auch gewiss sein, dass meine Untergebenen ihren Platz kennen und ihn ... schätzen ... ja sogar lieben. Ihr wollt wissen, wie ihr euch am besten in meiner Gegenwart zu verhalten habt?"
Damit strich letzte sie ihrer Dinerin eine Hand an die Wange, die sich sofort zärtlich in ihre Handfläche schmiegte.
"Nehmt meine Nelsani hier ..."
Nehmen?
"Sie ist quasie mit mir aufgewachsen und mir fast wie eine Schwester. Sie ist mir eine treue und ergeben Seele, eine devote Dinerin und würde absolut alles tun, was ich von ihr verlange, mit wem ich es velange und wann ich es verlange. Gleichermaßen trage ich Sorge, dass sie sich wohl fühlt und so ihr bestes gibt um mich glücklich zu machen. Sie ist gehorsam, stellte keine Bedingungen, muss nichts entscheiden, trägt keine Verantwortung und vertraut meinem Urteil. Sie muss sich um nichts sogen, denn das nehme ich ihr durch meine Entscheidungsgewalt ab. Ich pflege sie, damit sie unter meinen Händen erblüht und sie gibt sich mir bereitwillig hin. Sie nimmt alles an was ich sie lehre und ist mir zu Willen."
Amandins beugte sich vor und ihre Hand wanderte von der Wange den Hals hinunter und noch ein gutes Stück tiefer. Dort begannen ihre Finger ein quälendes Spiel, dass die Sklavin sich winden und leise stöhnen ließ. Amandin sah Thomas die ganze Zeit unverandt dabei an und hörte dann doch ganz plötzlich auf. Vielleicht hatte sie seine Qual gesehen und beendete deshalb so abruppt das Spiel? Sie stand auf und begann den runden Tisch, mit wiegenden Schritten zu umkreisen, wobei sie ihm langsam näher kam.
"Das wovon ich eben sprach ist ein Ergebniss jaherlanger Unterweisung. Diesen Grad meiner Zuneigung werdet ihr nicht erreichen können, aber ihr könnt ihn anstreben. Eben auf eure Art und mit euren Mitteln. Ihr seid ein Meister der Steine und Steine sind es die auch ich liebe. So haben wir etwas gemeinsam, das werdet ihr früher oder später selbst erkennen."
Sie stand hinter ihm, wo er sie nich sehen konnte, ohne sich umständlich umzudrehen und wohlmöglich den Tisch umzustoßen. Ihre reine Presence glühte in seinem Rücken.
"Ich möchte, dass ihr Höchsteistung bringt..."
Unwillkürlich stand da die Frage im Raum, ob es nur bei seinem Beruf bleiben würde, oder ob sie eines Tages mehr als nur das verlangen würde.
"Ihr und eure Mitarbeiter, ihr sollt meinen Willen in die Mauern des Tempels schlagen. Ihr sollt eure Kunstfertigkeit mit meiner ... vereinen ..."
Sie trat hinter ihm hervor an seine Seite und ließ einen Finger über seinen mächtigen Arm gleiten. Die Spur ihres Nagels brannte wie Feuer, aber nicht schmerzhaft. Waren Thomas Sinne schon so überreizt oder war es sie? Der Duft des Räucherwerks, das seltsam anregende Schauspiel was sich hier ihm bot, das alles verwirrte seine Sinne zunehmend. Warme Leichtigkeit und schwebende Trägkeit mischten sich unwillkürlich in seine Empfindungen.
" ...und sie für die Ewigkeit fest halten."
Ihre Stimme war ein Flüstern auf seiner Haut. Sie sah zu ihm hoch und zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Die Glut ihres Blutes war fast tastbar zwischen ihnen und Amandin wob hier ein Band, dass noch dünn war, aber sie doch schon mit ihm verband. Das Bild auf dem Hof, wo sie noch gestern einem der anderen Männer frech zwischen die Beine gegriffen hatte, schob sich wieder in sein Gedächtnis. Was wenn sie das jetzt mit ihm machen würde? Würde ihm das gefallen?
"Eine Kleinigkeit möchte ich euch doch bei bringen ... Dann überlasse ich euch wieder euren Gedanken."
Ihr Nähe war betörend und ihr Duft berauschend. Ja, sie beherrschte seine Gedanken.
"Es gibt eine kleine Geste, mit der ihr eure Unterwürfigkeit und euer Vertrauen beweisen könntet. Nel, komm her. Zeig es ihm!"
Nelsani stand sofort auf und kniete sich vor Thomas hin. Ihre bernsteinfarben Augen sahen zu ihm auf. Ohne zu zögern nahm sie seine Hand, drehte den Handteller nach oben und leckte einmal darüber. Es war ein warmes und feuchtes Gefühl und irgendwie auch sehr persönlich und sinnlich.
"In meinem Volk gibt es einige sehr gute Giftmischer. Besonders die Diener Faldors sind dafür bekannt und in dem ihr so meine Hand hin nehmt, vertraut ihr mir euer Leben an."
Nel stand wieder auf und machte Platz für Mercer. Amandin sah ihn mit leicht schräg gelegtem Kopf an.
"Ich würde es auch nicht übel nehmen, wenn ihr mir diese Geste verweigert. Ihr kennt mich nicht und Vertrauen ist ein Gut, dass man sich in unerer Welt schwer verdienen muss. Meine Diener wissen was sie an mir haben, aber ihr seid ein Fremder unter Feinden. Ich verlange es nicht, es ist eure Wahl."
Sie hob leicht die Hand, so dass Thomas sie greifen konnte, wenn er wollte, aber sprach weiter.
"Natürlich würde es mich freuen und meine Launen, ja die glegendlich habe ich, sicher auch ab und an verbessern."
Sie lachte sogar leise und Nelsani strahlte sie an.
"Was für euch eine gewisse Überwindung sein könnte, das ist für mich, für meine Art, für meine Art des Glaubens ein Bekenntnis eurer Unterwürfigkeit. Wobei wir dann auch beim Thema Glauben wären und ich auf einen Kommentar von euch zurück kommen muss."
Ob Thomas nun ihre Hand genommen hatte oder nicht, ihr das Zeichen seiner Unterwürfigkeit gegeben hatte oder nicht, sie wandte sich ab und schritt an den Tisch.
"Ob eure Männer fürchten, dass ihr sie ausspionieren könntet, das ist nicht mein Problem. Es ist nicht meine Aufgabe in euren Freunden den Zweifel an euch zu zerstreuen. Das liegt allein ihn euerer Hand, was, wann und ob ihr ihnen von unseren Treffen erzählt. Ich gebe euch nur die Möglichkeit eure Herrin besser zu verstehen, damit ihr weniger Fehler macht."
Sie stürzte sich mit den Armen auf der Tischplatte ab und beugte sich ein wenig vor. Ob ihr bewusst war, dass sie den armen Steinmetzt von einem Extrem ins nächste jagte? Wie zuvor im Tempel, als sie sich so nah an ihm erhoben hatte, war die Ausicht herrausragend!
"Genausowenig kann ich euch oder ihnen die Angst vor Bestrafung nehmen, wenn ihr oder sie Fehler begehen. Schmerz kann ein guter Lehrmeister sein ... und wenn ihr wollt könnte ich euch viel darüber beibringen."
Vor ihr auf dem Tisch lagen die augebreiteten Skitzen. Was schnell auffiel, war dass einige aus unterschiedlicher Feder stammten. Man sah dies auch am Alter des Pergaments und an den Gebrauchsspuren der unterschiedlichen Grundrisse. Amandins Hand vollzog einen Kreis über dem Tisch und wieß wieder einmal Mercers Augen den Weg.
"Dies hier sind Baupläne aus unserem gesammten Reich. Viele stammen aus Privatbesitz, also gebt acht, dass ihr sie nicht zerstört oder befleckt. Sie können euch zeigen, wie wir normalerweise bauen und vielleicht könnt ihr so eure Fähigkeiten mit den unseren produktiv verbinden. Ihr seht also, ich verlange nicht geringeres als Höchstleistung und wenn ihr haltet was euer Berufsstand verspricht, dann könntet ihr ein gutes Leben bei mir haben."
Das >wenn nicht< sprach sie garnicht erst aus. Das kannte Mercer nur zu gut von ihren alten Herren. Das bedeutete die Peitsche, Folter und den Tod.
"Habt ihr Fragen, oder soll ich euch ein bisschen Raum für eure Gedanken lassen?"
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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Thomas Mercer » Dienstag 10. November 2015, 18:24

Ein kalter Schauer lief Thomas über den Rücken, als seine Herrin amüsiert ab seinen Worten lächelte. Ein Lächeln war eine schwer zu deutende Geste, sie konnte tatsächlich Gunst und Gefallen zum Ausdruck bringen, aber auch Feindschaft und Ablehnung. Der Steinmetzmeister fuhr sich nervös mit seinen Finger über seinen Handrücken. Er befürchtete mit seinen Worten bereits zu weit gegangen zu sein. Während er so dastand merkte er nicht, wie sein Geist und sein Körper langsam von den berauschenden Dämpfe in Besitz genommen wurde. Sein Blick glitt automatisch auf Amadins Finger und er biss sich auf die eigenen Lippen, als die Sklavin diese Sauberleckte. Er spürte ein schon lange nicht mehr dagewesenes ziehen in seinem Unterbauch und eine leichte angeregte Unruhe, die sich fordernd in seinem Körper ausbreitete.
"Mein Leibarzt, ihr habt ihn kennen gelernt, sagte etwas ähnliches. Er ist ein sehr gelehrter Mann und betreibt gerade auf meinen Wunsch hin eine Verhaltensstudie über die Optimierung von Arbeitsprozessen im Sklavenmilieu..." Der Sklave runzelte die Stirn. Eine Verhaltensstudie? Sie waren hier nur Versuchsobjekte? Wenn ja, dann könnte sich die Haltung gegenüber den Sklaven schlagartig verändern... und welchen Platz nahm er in dieser Studie ein, nachdem er doch schon so auffallend agiert hatte und einer Sonderkur unterzogen worden war?
"... Hoffung ist eine mächtige Triebfeder. ... Er meint, richtig eingesetzt kann ein Mensch über sich hinaus wachsen." Der Sklave nickte bestätigend und senkte wieder sein Haupt.

"Ich bin da seiner Meinung, nur will ich mir auch gewiss sein, dass meine Untergebenen ihren Platz kennen und ihn ... schätzen ... ja sogar lieben. Ihr wollt wissen, wie ihr euch am besten in meiner Gegenwart zu verhalten habt?" Der Sklave sah entschlossen auf und nickte. „Ja Herrin.“ Es war sein aufrichtiger Wunsch. Er wollte überleben und er wollte möglichst das Beste aus seiner Situation machen. Er tat damit niemandem etwas zu leide. Er war nicht verantwortlich für die Niederlage der Menschen. Konnte man es ihm also zum Vorwurf machen, dass er sich kooperativ zeigte? Wäre es ehrenhafter gewesen, sich durch Protest zu Opfern und einen grausamen Tod in Kauf zu nehmen? Jeder gewissenhafte Mensch wurde vermutlich von ähnlichen Gedanken geplagt. Natürlich war das alles hier nicht richtig, aber es war nun mal ihre Realität. Er wünschte sich auch inständig sein altes Leben zurück, doch es war mit dem Untergang der Stadtverteidigung verloren gegangen und zerstört worden. Er musste sich einen neuen Platz in der Gesellschaft suchen oder er würde untergehen, wie so viele andere vor ihm.

"Nehmt meine Nelsani hier ..." Der Steinmetzmeister blickte erschrocken zu seiner Herrin auf. Nehmen? Er blinzelte für einen Moment und errötete als er sich seiner Missinterpretation gewahr wurde. Er schluckte leer und spürte veheerenderweise, dass er es beinahe bedauerte, dass sie nicht diese Form von Nehmen gemeint hatte. Was geschah hier nur mit ihm? Thomas war noch nie mit berauschenden Substanzen oder Giften jeglicher Art in Berührung gekommen – vom Alkohol einmal abgesehen, so dass er gar nicht merkte, was der eigentümliche Duft mit ihm und seinen Sinne machte.

"Sie ist quasie mit mir aufgewachsen und mir fast wie eine Schwester. Sie ist mir eine treue und ergeben Seele, eine devote Dinerin und würde absolut alles tun, was ich von ihr verlange, mit wem ich es velange und wann ich es verlange.“ Es folgte wieder sein leeres Schlucken. Er musste unweigerlich an seine Frau und seine Tochter denken und an das Schicksal, welches sie vermutlich erfahren hatten. Waren auch sie zu solchen Vergnügungsobjekten abgerichtet worden? Er beobachtete die Sklavin dabei, wie sie sich an die Hand der Herrin schmiegte und sich offenbar tatsächlich wohl dabei fühlte. Thomas Halsvenen stauten sich vor Aufregung. Das sinnliche Spiel zwischen Herrin und Sklavin verfehlte seine Wirkung nicht. Der Sklave musste sich sichtlich zusammenreissen und kämpfte mit seinen Trieben.

“Gleichermaßen trage ich Sorge, dass sie sich wohl fühlt und so ihr bestes gibt um mich glücklich zu machen.“ Vielleicht lag es an ihren Worten, vielleicht auch an den Drogen, aber Thomas glaubte ihr und war sehr empfänglich für Amandins süsse Versprechungen. Die Aussicht auf Schutz und Geborgenheit war etwas so ungemein Schönes und erstrebenswertes. Ja, er wollte dies auch erreichen. Er wollte auch zu einem Sklaven werden, der genügend Wert besass, dass man sich um ihn kümmerte. Als Arbeitskraft und Mensch... und sofort meldete sich wieder sein notorisch schlechtes Gewissen, ob das was er dachte und begehrte richtig war oder doch eher moralisch verwerflich. Er wollte Amandin nicht als Feindin betrachten, sondern als Herrin. Gab er somit auf? War dies eine Form der Kapitulation und damit verwerflich? Geison würde ihm hier sicherlich eine klare Antwort geben... eine Antwort, die er vermutlich gar nicht hören wollte.

“Sie ist gehorsam, stellte keine Bedingungen, muss nichts entscheiden, trägt keine Verantwortung und vertraut meinem Urteil.“ Thomas fühlte sich indirekt gerügt und senkte betreten sein Haupt. Er hatte einerseits Bedingungengestellt und auch ihr Urteil kritisiert. Zwei Vergehen, die ihr nicht entgangen waren und zwei Aussagen, bei der er sich ziemlich was herausgenommen hatte. Ob sich das noch rächen würde?
“Sie muss sich um nichts sogen, denn das nehme ich ihr durch meine Entscheidungsgewalt ab. Ich pflege sie, damit sie unter meinen Händen erblüht und sie gibt sich mir bereitwillig hin. Sie nimmt alles an was ich sie lehre und ist mir zu Willen."

Er sah dabei zu, wie sich Amandin mit dem Körper der Sklavin vergnügte. Ihr Eigentum. ER bezweifelte zwar, dass der Herrin stets der Sinn nach süsser Zärtlichkeit stand. Dunkelelfinnen hatten diesbezüglich einen eher düsteren Ruf. Seine Stirnvene trat sichtbar hervor, als die Hand der Herrin im Ausschnitt der Sklavin verschwand und er ertappte sich dabei, wie er nur zu gerne gerade mit ihr getauscht hätte... Das hier war so falsch und doch so verführerisch. Amandin lockte den armen Sklaven deutlich aus der Reserve und dieser sah sich gefangen in seinem eigenen Zwist zwischen Gewissen und Begierden. Seine Atmung beschleunigte sich und er wich unbewusst einen Schritt zurück. Seine Augen weiteten sich, als sie auf ihn zukam. Er spannte jede Faser seiner Muskeln an, als sie hinter ihn trat. Seine Nackenhaare stellten sich in jenem Moment auf, als ihr Atem das erste Mal seine empfindliche Haut streifte und er verging beinahe vor Verlangen, von ihr berührt zu werden. Dabei dürstete es ihm nach Sinnlichkeit genauso sehr wie nach ganz gewöhnlichen Zuwendungen. Zärtlichkeit, Geborgenheit, überhaupt berührt zu werden. Eine Umarmung, ein Kuss, Streicheln alles Dinge, denen er schon so lange hatte entbehren müssen. Er sehnte sich danach seinen Kopf an den Busen der Herrin zu betten und sich von ihr halten zu lassen. Er wollte nichts entscheiden, wollte keine Verantwortung tragen, nicht über das Schicksal der Männer, noch über sich selbst. War es das, was sie mit der Selektionierung hatte bezwecken wollen? Ihm aufzeigen, wie viel leichter er es haben konnte, wenn solcherlei Dinge nicht mehr in seinen Aufgabenbereich fielen? Thomas war ganz froh, dass er grad ziemlich geschickt an der Tischkante stand, so dass sich sein Blut nicht in anderweitige Zonen verlagern konnte, ohne den ganzen Tisch anzuheben.

"Ich möchte, dass ihr Höchsteistung bringt..." Was war nur mit ihm los, dass er jedes ihrer Worte mit einer gewissen Doppeldeutigkeit auffasste? Er sah sie direkt an, als sie wieder in sein Blickfeld trat. Begehrend, sich nach ihrer Nähe und Aufmerksamkeit und Gnade sehnend. Sie hatte ihn und wie sie ihn hatte.
"Ihr und eure Mitarbeiter, ihr sollt meinen Willen in die Mauern des Tempels schlagen. Ihr sollt eure Kunstfertigkeit mit meiner ... vereinen ..." „Ja Herrin.“ Hauchte er wie in Trance und er verzog kurz sein Gesicht, als sie eine brennende Spur auf seinem Arm hinterliess. Er war sichtlich überfordert und unendlich schüchtern, doch er konnte nicht anders, als ihre Signale in sich aufzusaugen. Für einen Moment zuckte seine Hand hoch, wollte er doch tatsächlich zärtlich über ihre Schulter streichen, doch er hielt sich im Zaum. Was war das hier für sie? Ein Spiel? Nein. Daran wollte Thomas nicht glauben. Er wagte es kaum zu atmen und seine Aufregung verriet ihn deutlich. Er wollte berührt werden. Wollte besessen werden. Wollte ihr gefallen. Thomas Mercer war ein ziemlich dankbares Opfer. Egal ob körperliche Zucht oder sinnliche Verführung, er war ziemlich schnell davon zu überzeugen, dass sich Loyalität gegenüber der Herrschaft für ihn auszahlen könnte. Andere in seiner Gruppen zeigten da mehr Widerstand für jegliche Form der Indoktrination, allen voran Geison.

"Es gibt eine kleine Geste, mit der ihr eure Unterwürfigkeit und euer Vertrauen beweisen könntet. Nel, komm her. Zeig es ihm!" Unsicher blickte der Sklave zu der Sklavin hin, als diese sich ihm näherte. Er hatte schon das Gefühl dass sie nun sonst was mit ihm machen würde. Er wusste nicht ob er erleichtert aufatmen, oder enttäuscht ausatmen sollte, als sie „lediglich“ seine Hand nahm. Er hob seine Augenbrauen und errötete, als sie seine Hand drehte und über seine Haut leckte. Er wusste nicht recht, wie er diese Geste einordnen sollte. Sie war verwirrend, intim und irgendwie schön wie auch befremdlich. Fragend sah er zu seiner Herrin. "In meinem Volk gibt es einige sehr gute Giftmischer. Besonders die Diener Faldors sind dafür bekannt und in dem ihr so meine Hand hin nehmt, vertraut ihr mir euer Leben an." Gift? Ein beklemmendes Gefühl machte sich in ihm breit. Amandin erinnerte ihn überdeutlich an ihre eigene Gefährlichkeit. Die Geste würde bei ihr wohl nicht so harmlos Ausfallen wie es die Sklavin an ihm gerade Demonstriert hatte. Hatte sie Gift an ihrer Hand? Wollte sie ihm Qualen zufügen? Schmerz? Würde ihr das gefallen? Hätte sie diese Geste auch von einem anderen freiwilligen Verlangt, oder hatte sie ihn schon von Anfang an im Blick gehabt? War er ein Auserwählter oder ein zufälliges „Opfer“?
"Ich würde es auch nicht übel nehmen, wenn ihr mir diese Geste verweigert.“ Er legte seinen Kopf schief. Alles was er ihr gegenüber tat oder sagte, wurde doch letztlich auf einer geheimen Liste gespeichert. Er hatte schliesslich auf dem Bauplatz gesehen, dass jeder seiner Schritte dokumentiert worden war. Alles hatte Konsequenzen, auch jene Dinge, die angeblich keine hatten.

Ihr kennt mich nicht und Vertrauen ist ein Gut, dass man sich in unerer Welt schwer verdienen muss. Meine Diener wissen was sie an mir haben, aber ihr seid ein Fremder unter Feinden. Ich verlange es nicht, es ist eure Wahl." Thomas schüttelte langsam seinen Kopf. „Ich bin euer Eigentum.“ Brachte er nüchtern heraus. Er war ihr nicht fremd. Er gehörte ihr. War es nicht ein natürlicher Anspruch einer Herrin, dass sie ihren Besitz in und auswendig kannte und sich dessen Loyalität sicher sein konnte?
"Natürlich würde es mich freuen und meine Launen, ja die glegendlich habe ich, sicher auch ab und an verbessern." Das war ein überdeutlicher Hinweis für ihn. Langsam ging der riesige Mann vor seiner Herrin in die Knie. Alleine schon der Anblick dieses Männerkörpers, der sich zu ihren Füssen begab durfte wohl für eine Frau, die Dominanz und Macht liebte ein wahrer Genuss sein. Thomas Trug das Sklavenhalsband nicht nur an seinem Hals, sondern auch in seinem Kopf und Amandin war gerade damit beschäftigt, ihre Initialen tief darin einzuprägen. Wie ein Hund schwor sie ihn darauf ein, ihrem Willen und ihrer Duftspur zu folgen und dankbar zu sein, für jede Aufmerksamkeit, die sie ihm gestattete. Vorsichtig ergriff er ihre Hand. Er selbst hatte riesige Pranken und seine Haut war von der Arbeit am Stein rau. Vorsichtig drehte er ihre Hand, wie es ihm zuvor gezeigt wurde. Sein Herz raste, denn er verspürte durchaus Angst. Er wusste nicht recht, was gleich mit ihm passieren würde. Es blieb ihm nichts anderes übrig als ihr zu vertrauen. Darauf zu vertrauen, dass auch Schmerzen, die ihm zugefügt werden könnten, oder Leid, letztlich gut für ihn waren, weil seine Herrin sie ihm zufügte. Kein Urteil sollte er sich bilden. Amandin verlangte viel von ihm. Verlangte alles von ihm und er gab ihr nach. Unterwarf sich ihr in der Art des dunklen Volkes. Vorsichtig leckte er über ihren Handteller und fühlte sich irgendwie recht schmutzig dabei, dass er seine Herrin mit seinem Speichel besudelte. Er schmeckte ihre Haut... ansonsten...nichts. Er hielt einen Moment inne und sah seine Herrin nervös an. Er erwartete sonst etwas... Krämpfe, Zitter, Schäumen, Anfälle, Schmerzen. Er erwartete Gift... doch es geschah nichts. Sein Herzschlag beruhigte sich allmählich und das Zittern seiner Hände – welches sich aufgrund seiner Angst eingestellt hatte – hörte wieder auf. Für einen Moment sah er sie verdutzt an. Doch dann folgte er ihr an den Tisch.

"Ob eure Männer fürchten, dass ihr sie ausspionieren könntet, das ist nicht mein Problem. Es ist nicht meine Aufgabe in euren Freunden den Zweifel an euch zu zerstreuen. Das liegt allein ihn euerer Hand, was, wann und ob ihr ihnen von unseren Treffen erzählt. Er biss sich auf die Lippen. Schmeckte noch immer ihre Haut und war ganz in seinen Gedanken versunken. Seine Aufmerksamkeit hatte deutlich nachgelassen. Zu viele Reize waren auf ihn eingeströmt, zu stark brachte ihre Nähe ihn aus dem Konzept...und dann diese Geste!

“Ich gebe euch nur die Möglichkeit eure Herrin besser zu verstehen, damit ihr weniger Fehler macht." Er wankte kurz, als er zu ihr an den Tisch trat. Schliesslich stand er seit sie ihn mitgenommen hatte unter Dauerstress. Der Duft, der schwer in der Luft lag tat sein Übriges. Seine Gedanken schweiften immer häufiger ab, doch stets war Amandin im Zentrum.

"Genausowenig kann ich euch oder ihnen die Angst vor Bestrafung nehmen, wenn ihr oder sie Fehler begehen. Schmerz kann ein guter Lehrmeister sein ... und wenn ihr wollt könnte ich euch viel darüber beibringen." Thomas wurde blass und nickte. Er hatte panische Angst vor Schmerz. Man hatte ihn in seiner Sklavenkarriere nur ein einziges Mal auspeitschen lassen, aber diese schmerzhafte Episode hatte deutliche Spuren in seiner Psyche hinterlassen. Nie wieder wollte er etwas Vergleichbares erleben. Die „pädagogische Wirkung“ von Schmerz war bei ihm also ziemlich gross. Amandin machte ihm deutlich, dass sie zwar Milde und Grosszügigkeit ihren Sklaven gegenüber zeigte, aber wohl ebenso konsequent in ihrer Bestrafung sein würde. Ihre Botschaft war klar, es lag in seiner Hand, welche Herrin er zu Gesicht bekommen würde. Die Lobende, oder die Strafende?

Der Gedanke ihm etwas über Schmerzen beizubringen gefiel ihr definitiv besser als ihm. Er nickte nur und senkte ausweichend den Kopf und geriet dabei gerade wieder in die Fänge ihres Ausschnitts. Amandin verstand es aber seine Aufmerksamkeit auf die Pläne zu lenken. Thomas studierte sie eingehend. Natürlich kam er mit Grundrissen und Konstruktionsskizzen problemlos zurecht. Schliesslich musste er selbst welche Zeichnen und sich daran orientieren können, doch er besass nicht das Auge eines Architekten. Er würde sich mit Geison darüber unterhalten müssen. Thomas strich sich immer wieder über seinen Hals. So ganz geheuer war ihm die Aktion mit dem Lecken der Hand nicht und er befürchtete noch immer, dass irgendwas mit ihm geschehen würde. Dies führte soweit, dass er sich sogar das eine oder andere Symptom einbildete. Sah er plötzlich weniger scharf? Schlug sein Herz schneller? Doch nach wie vor passierte nichts.

"Dies hier sind Baupläne aus unserem gesamten Reich. Viele stammen aus Privatbesitz, also gebt Acht, dass ihr sie nicht zerstört oder befleckt.“ „Ja Herrin“. Hauchte er ehrfürchtig und umrundete den Tisch. Die dunkelelfische Architektur war so anders, als alles, was er kannte. Sie war auf ihre bizzare Art und Weise schön. Viel geschwungener, als er erwartet hatte.

“Sie können euch zeigen, wie wir normalerweise bauen und vielleicht könnt ihr so eure Fähigkeiten mit den unseren produktiv verbinden. Ihr seht also, ich verlange nicht geringeres als Höchstleistung und wenn ihr haltet was euer Berufsstand verspricht, dann könntet ihr ein gutes Leben bei mir haben." Er nickte.
"Habt ihr Fragen, oder soll ich euch ein bisschen Raum für eure Gedanken lassen?" Er blickte zu ihr auf, erst bat er sie höflich um die Gewährung eines Notizbuches, damit er sich seine Gedanken und Ideen aufschreiben konnte. Es war mühsam, aber als Sklave hatte man um jedes Werkzeug und jedes Hilfsmittel anzufragen, da einem Sklaven für gewöhnlich kein eigener Besitz zugestanden wrude. Er hatte mindestens eine Million Fragen, doch damit würde er ihren Geduldsfaden definitiv sprengen. „Herrin... dieses Zeichen auf der Stirn von uns Arbeiter. Jeder hat ein eigenes bekommen...was bedeutet es?“ Thomas wies dieser Markierung einen spirituellen Charakter zu. Er hielt sie für wichtig, doch er hatte keine Ahnung, was sie zu bedeuten hatte. Er wollte lernen. Er wollte mehr über ihre Kultur erfahren, ihre Traditionen, ihre Bräuche. Tempel waren schliesslich wahre Tradition- und Ritenspeicher. Ausserdem... war Thomas ein neugieriger Mensch und letztlich... auch wenn er es selbst nicht zugeben würde...letztlich wollte er nicht alleine im Raum sein. Wieder strich er über seinen Hals und kraulte sich nachdenklich den Bart, während er wieder auf die Pläne schielte.

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Re: Der geschändete Tempel

Beitrag von Erzähler » Montag 16. November 2015, 22:01

In dem kleinen Moment, da dieser Riese von einem Mann sich vor ihr erniedrigte, vor ihr auf die Knie ging, ging auch ihr Herz einen Takt schneller. Ihre Pupillen weiteten sich als sie auf seine breiten Schultern hinab sah und er fast zärtlich seine Finger um ihre Hand schloss. Er berührte sie, als trüge er einen kleinen Vogel in seinen Händen, so sanft waren seine liebkosenden Finger, obschon sie rau und kraftvoll waren. Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn sie seine Finger an Orte führen würde die er ... Amandins Lippen öffenten sich um den Geruch seiner süßen Angst zu kosten. Er war verührerisch und unglaublich köstlich und doch war sie sich der Gefahr, in der sie schwebte, jederzeit bewusst. Dieser Mensch konnte sie mit seiner reinen Kraft in zwei Teile brechen, bevor sie auch nur den Mund öffnen würde um um Hilfe zu rufen. Natürlich wäre das auch sein Todesurteil, doch Menschen taten manchmal sehr törichte Dinge. Doch Menschen waren aber auch zu Unglaublichem fähig. In ihrer kurzen Lebensspanne erschufen sie mehr als ihr eigenes Volk je hervor bringen würde. Nicht umsonst war das dunkle Volk eine Rasse von Eroberern. Diese fremdartigen Kulturen sich einzuverleiben, sie in neue Formen zu zwingen, sie zu erforschen und zu brechen war einer der Grundgedanken für jede Eroberung, ob es sich nun um ein Land oder eine Seele handelte. Amandin war gut in diesen Dingen, es lag ihr im Blut, doch sie wusste auch wann sie einen Schritt zurück machen musste, damit ihr Opfer von selbst auf sie zu kam.
Sie hatte seine warme feuchte Zunge auf ihrer Haut gespürt und genoss das vorfeudige Ziehen zwischen ihren Beinen. Ihr Zunge teilte ihre Lippen und ihr Becken wand sich in ungestillter Sehnsucht. Er wollte sie. Auch wenn er es vielleicht noch nicht selbst zugeben würde, auch wenn sein Verstand ihm noch tausend Dinge riet, damit er sich von ihr fern hielt, so brauchte es nur diesen kleinen köstlichen Moment, in dem er zu ihr aufsah, um in seinen dunkeln Augen die Wahrheit lesen zu können.
Er gehörte ihr.
Tausend Gedanken, wie sie ihn fesseln und dressieren könnte, wie sie diese spöden Lippen mit ihren Zähnen glätten könnte, wo und wann er sie berühren dürfte huschten durch ihren Geist, als sie sich viel zu kurz ansahen. Keiner der anderen hatte das gleiche Potenzial gezeigt wie er. Er hatte ein Gewissen, dass man vorsichtig formen musste, aber er war ihr schon verfallen gewesen, bevor die Dämpfe sein Gehirn aufnahmefähiger für ihre Reize machten.
Amandin genoss all das und übte sich gleichzeitig in Geduld. Es würde Zeit brauchen ihn zu formen, aber das Resultat könnte ich sehen lassen, vielleicht noch mehr als ihren derzeitigen Verlobten. Es war schwer gutes Material zu finden. Thomas der Steinmetz würde das verstehen. Es brauchte gutes Rohmaterial wenn man etwas herausragendes erschaffen wollte und Amandin sah den Rohdiamant vor sich knieen. Ungeschliffen aber so rein, dass ihr das Formen jeder Fassette höchsten Genuss versprach. Sie biss sich leicht und etwas verspielt auf die Unterlippe und ließ ihn knieend zurück.
Sehr bald gesellte er sich aber brav wieder zu ihr an den Kartentisch und vorsichtig nahm sie die Fäden wieder auf. Er brauchte Zeit um die Reize zu verarbeiten. Ein kleiner Einblick hier eine Berührung da und schon waren sie vollkommen übervordert. Manche brachen einfach irgendwann aus, oder hielten dem Druck nicht stand. Manche zerbrachen zu früh wie ungebrannter Ton oder überstanden einfach die Formung nicht. Amandin hatte viel vor mit Thomas Mercer. Damit er jedoch nicht versagte musste er seinen Verstand bewahren. Er musste das Gefühl behalten sich selbst dafür entschieden zu haben und das sollte er auch. Er sollte es wollen, mehr als alles andere, wollte Amandin, dass er es wollte. Die Unterweisung hatte schon begonnen und bis jetzt war er ein braver Schüler.
"Habt ihr Fragen, oder soll ich euch ein bisschen Raum für eure Gedanken lassen?"
Er blickte zu ihr auf und bat sie höflich um die Gewährung eines Notizbuches, damit er sich seine Gedanken und Ideen aufschreiben konnte. Amandin lächelte ihren wiss-begierigen Schüler an und schritt zu eine der Truhen. Sie öffnete sie und holte eines der kleinen Hefte hervor, die auch die Schreiber hatten. Das schwarze Leder des Einbands war weich und angeraut. Sie legte noch einen Kohlestift dazu und beides in die ausgestreckten Hände ihres Sklaven. Dann wurde er mutiger und Amandins Augen glänzten vor Begeisterung im angesicht des Schatzes den sie da gefunden hatte. Er war wirklich mutig und doch unterwürfig.
„Herrin... dieses Zeichen auf der Stirn von uns Arbeiter. Jeder hat ein eigenes bekommen...was bedeutet es?“
Er war wirklich wissberierig. Das war ein gutes Zeichen. Er hielt es für so wichtig, doch er hatte natürlich keine Ahnung, was sie zu bedeuten hatte. Er wollte lernen. Er wollte mehr über ihre Kultur erfahren, ihre Traditionen, ihre Bräuche. Tempel waren schliesslich wahre Tradition- und Ritenspeicher. Er war ein neugieriger Mensch, ein wenig schüchtern, aber das war gut. Wieder strich er über seinen Hals und kraulte sich nachdenklich den Bart, während er wieder auf die Pläne schielte. Zu gern hätte sie ihm einfach die Hand aus dem Gesicht geschlagen, einfach nur um ihre Macht zu demonstrieren, aber dafür war es zu früh. Damit würde sie ihn verschrecken, also atmete sie einmal tief ein und genoss den schweren Duft der Kräuter. Das Heben ihres Brustkorb, gepaart mit einem leisen Seufzen hatte außerdem den Zweck, dass er gefälligst mit dem Selbstkraulen aufhören sollte und sich wieder auf seine Herrin konzentrierte!
Langsam schlenderte sie wieder zurück zu ihrem thronartigen Sessel und begann zu erklären.
"Das ist nicht ganz richtig. Nicht jeder hat sein eigenes Zeichen bekommen."
Sie setzte sich und ließ abermals ein Bein lässig über die Armlehne hängen, nur dieses Mal auf der anderen Seite. Der Anblick ihrer Innenschenkel konnte bei einen Mann schon das Blut im Körper neu verteilen.
"Genauer haben jeweils die fünf Männer ein Zeichen der gleichen Art bekommen, die auch dem gleichen Beruf nachgehen. Nur jene die den Meistergrad tragen haben noch eine kleine zusätzliche Variante bekommen um ihren Stand und ihren Wert zu kennzeichnen."
Auf einen Wink von ihr kam Nelsani wieder näher und plazierte sich wieder unterwürfig zwischen ihren Beinen.
"Ihr Meister Mercer, ihr habt das Zeichen "Stein" in seiner reinsten Form bekommen. Es bedeutet "Stein", oder auch "hartes Material" jeh nach dem wie man es ausspricht. Seine Bedeutung für euch ist erstaunlich einfach. Es hebt euch aus der Masse, denn wie ihr euch vielleicht denken könnt, werde ich wohl kaum einen Thempel mit 20 Männern bauen können. Auch wenn ich die Zeit dafür hätte, so befürcht ich, dass eure Lebenspanne nicht ausreichen würde und meine Geduld wohl genausowenig. Das Zeichen auf euer Stirn zeichnet euch als etwas besonderes aus und wird euch ermächtigen über eine gewisse Anzahl von ungelernten Sklaven-Arbeitern zu verfügen."
Ganz nebenbei hatte sie die Wange der Elfe sanft gestreichelt und hob gerade eben jene um kurz den Vorhang hinter sich in Bewegung zu bringen. Dieses kleine Zeichen reichte um kurz darauf die zweite Dienerin hervor zu locken. Die weißhaarige Dunkelelfe sah kaum auf als sie ein kleines Tischchen zurecht rückte und darauf eine kleine Schale positionierte in der kleine glühende Kohlstücke lagen. Daneben war eine kleine Auswahl an länglichen Instrumenten angeordnet, die an ihrem Ende immer ein mit Leder umwickelten Griff hatten. Das seltsame Werkzeug hatte an den Spitzen winzige quer stehende Flächen, aber mehr war aus der Entfernung nicht zu sehen. Amandin ließ ihre Hand flüchtig über die Auswahl gleiten, während sie weiter sprach:
"Natürlich hat das Blut an sich in unserer Kultur auch eine besondere Bedeutung. Es ist ein Zeichen euer Werk zu seinen Ehren vollbringen könnt. Ihr alle seid somit Auserwählte diesen Thempel zu bauen."
Sie hatte wohl eine Entscheidung getroffen und legte eines der länglichen Instrumente in die Kohleschale, als sei es das normalste der Welt. Das es sich um ein winziges Bandeisen handelte, musste auch Thomas langsam klar geworden sein.
"Nelsani ..."
Die Sklavin begann sogleich mit einer Tätigkeit, die Thomas Nervenbündel Feuer fangen ließen. Die Elfe begann das linke Bein ihrer Herrin zu massieren. Die langsamen kreisenden Bewegungen wanderten dabei unaufhaltsam aufwärts. Zum Glück saß Nelsani mit dem Rücken zu ihm und so zwischen den Beinen plaziert, dass er mehr erahnte was vor sich ging, als dass er es wirklich sah. Amandins Gesichtsausdruck veränderte sich jedoch langsam und bald half auch kein trockenes Schlucken mehr. Trotzdem bekam sie es immernoch hin, sich mit ihm zu unterhalten.
"Wenn ihr dort drüben die Zeichung des Turms zusammen rollt findet ihr darunter einen Grundriss, den ich persönlich sehr ansprechend finde. Die Grundelemente sind sehr ...sinnlich, fast weiblich wie ihr feststellen werdet. Die Bögen, die ihr in den Sand gezeichnet habt, sie könnten gut zu den Fenstern passen."
Damit hatte sie seine Aufmerksamkeit für den Moment kurz zurück auf den Tisch gelenkt. Mercer fand schnell besagten Turm und darunter den Grundriss. Während seine Augen die Linien aufsogen, leckte ihre rauer gewordene Stimme weiter an seinen Nervenbündeln. Der Rythmus ihres Atems hatte sich verändert.
"Seht ihr die nach innen gerichteten Strahlen der Sonne? Im Zentrum des Hauptraums steht der Altarstein und diese Grundform sollte erhalten bleiben, nur habe ich mir gedacht, dass die sternförmig angeordneten Nebenbauten nicht abgeschlossen sein sollten sondern offen einsichtig. Außerdem habe ich einen Wunsch, dessen Keim ihr selbst in meine Gedanken gepflanzt habt, Meister Mercer."
Durch die persönliche Ansprache sah Thomas wenigstens kurz in ihre Richtung. Nelsani hielt das kleine glühende Werkzeug in ihren Händen.
"Ich möchte, dass man mich sieht."
Das Glühen verschwand und Amandins Lider flackerten, ohne dass sie den Blick von Thomas nahm. Ihr Atem kam kurz stoßweise und dann legte die Sklavin auch schon das kleine Folterinstument beiseite. Amandins Hand schob sie ein Stück beiseite, so dass Mercer ihren Oberschenkel sehen konnte, den nun bald eine weitere dunkelrote Narbe ziehren würde.
"Ich wünsche mit eine Statur, die in einem Alkoven gegenüber des Haupteingangs stehen soll. Ihr spracht von Obsidian, richtig? Hättet ihr noch mehr Ideen, oder wie man mich dort verewigen könnte?"
Sie legte Nelsani die Hand auf die Schulter und diese begann eine Paste aus Kräutern herzustellen, indem sie diese im Mund kaute und dann die frische kleine Wunde damit mit kleinen Küssen benetzte. Amandin blinzelte ein paar mal langsam.
" ... Ihr seid meine erste Wahl was diese Aufgabe betrifft. Ihr seid zwei Steinmetzmeister und ich brauche zwei Meisterwerke in diesem Thempel. Zum einen wäre da der Altarstein und zum anderen mein eigenes in Stein geschlagenes Abbild. Wie ihr die Arbeiten aufteilt, ob ihr die Arbeiten des Thempels Rasmussen übergebt und euch auf die Meisterwerke alleine konzentriert, oder ob ihr die Arbeiten weiter deligiert ist eure Entscheidung. Für mich zählt einzig das Ergebniss."
Irgendwie klang der letzte Satz wie ... wie eine Lüge. Amandin hoffte auf eine ganz sprezielle Antwort. Die Luft zwischen ihr und Thomas stand in Flammen. Der Steinmetzmeister war gerade Zeuge einer höchst merkwürdigen Demonstration geworden, aber verstand er auch, was Amandin ihm damit hatte zeigen wollen? Denn das es so war, da konnte er sich ganz sicher sein. Nichts anderes als diese unausgesprochene Frage strand gerade zwischen ihnen. Ihr lodernder Blick hielt ihn gefangen, mehr als eine Kette es je gekonnt hätte. War er schon so tief in ihren Bann geraten um zu verstehen welches Versprechen, welche Möglichkeiten sie ihm hier offerierte?
Gleichzeitig redeten sie trozdem nur über Architektur, oder?
Diese Frau, die ihn ohne Unterlass unter süßesten Stress setzte, sie versuchte ganz offen etwas in seinem Blick zu finden, worauf sie hoffte. Sie wollte etwas von ihm. Nur würde er auch verstehen um was es ging, oder war die Zeit noch nicht reif? Sie lauerte wie ein Raubtier, bereit zum Sprung.
"Meister Mercer?"
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