Steckbriefe

[Erzähler]

Die Steckbriefe, die Maghul von dem Pfeiler gerissen hatte, beschrieben unterschiedliche Preisklassen. Außerdem waren auf zwei von ihnen sehr hässliche Männer abgebildet, auf dem letzten jedoch war das Bilde einer nicht unattraktiven Frau. Nein, einer nicht unattrektiven <i>Dunkelelfe</i>. Auf ihren Kopf war das höchste Preisgeld ausgesetzt. Die Männer zusammen würden Maghul gerade einmal 150 Goldmünzen einbringen. Allerdings sollte einer in Andunie gesehen worden sein, so stand es auf dem Steckbrief. Doch Maguhl würde sich später darum kümmern. Jetzt wandte er sich erst einmal dem Tresen zu, auf der Suche nach dem Wirt.

Er entdeckte den dicken Bierausschenker an einem der Fässer und rief ihn zu sich.

"Was kann ich für dich tun, Großer? Unseren berühmten Apfelwein wirst du als Ork kaum trinken wollen. Aber ich könnte zuerst den Hund davon saufen lassen, vielleicht schmeckt dir das Gesöff dann besser."

[Wirt]

Der Wirt sah seine Stammkunden Nase zu haltend das Weite suchen. Auch er roch den fauligen Gestank aus Maghuls Mundhöhle. Oder sollte er besser "Maul" sagen? Orks fraßen und stanken wie Schweine, einige schienen sich sogar genauso gern im Dreck zu suhlen, aber dennoch verwendete man zivilisierte Worte für sie.

Der Wirt ließ sich von Maghuls Drohungen nicht beeindrucken. Er war es gewöhnt, mit finsteren Schergen und Raufbolden auszukommen. Seine besten Kunden zählten eben zu dieser Art von Gesocks. Man musste ihnen provokant und selbstbewusst gegenüber treten, durfte sie aber auf Dauer nicht beleidigen. Schließlich wollte der Wirt ja seinen Alkohol an den Mann – den Ork! – bringen.

"Ach, bist gar kein Ork, sondern blutsaugender Vampir, was?", konterte der beleibte Wirt, nahm aber einen Krug zur Hand und füllte ihn bis zum Rand mit einem stark riechenden Getränk. "Das Zeug nennt sich <i>Seefahrers Braut</i>. Feinster Rum und führt bei einfachen Leuten garantiert zum Kater. Das sollte dir noch am besten schmecken. Da!" Der Wirt schob den Krug zu Maghul über den Tresen. "Der erste Krug geht aufs Haus. Aber reiß mir nicht die ganzen Steckbriefe ab, ich habe nicht viel Ersatz und will nicht extra zur Stadtwache laufen müssen."

[Wirt]

Der Wirt nahm sich einen Lappen und wischte über den Tresen, denn beim Abstellen des Kruges hatte Maghul den guten Schnaps überschwappen lassen und eine kleine Pfütze hinterlassen. Wenn der Wirt nicht immer so eifrig wischte, würden sich das Zeug irgendwann noch einmal durch das Holz fressen.

Beiläufig schaute er auf den Steckbrief, den Maghul sich betrachtete und murmelte: "Hey, das ist Xune Myrlochar. Die war schon mal hier. Hätte nicht gedacht, dass eine Dunkelelfe auch relativ freundlich sein kann. Jedenfalls hat sie nie Ärger gemacht. Ich glaube, sie wohnt sogar in Andunie."

Dann wischte der Wirt weiter, als wäre nichts gewesen. Der Trinker neben Maghul allerdings nickte bestätigend auf seine Worte hin. "Ja, ich hab die Elfe auch schon gesehen. Wohnt in einem kleinen Häuschen und das schon seit langer Zeit. In letzter Zeit ist sie mir allerdings nicht mehr auf den Straßen begegnet."

[Erzähler]

Der arme Gast hatte nur etwas trinken wollen. Er hatte sich nur gern etwas von seinem Alltag zu Hause und von seiner griesgrämigen Frau ablenken wollen. Jetzt, so dachte er bei sich, zog er seinen alten Hausdrachen doch vor. Sie mochte ihn zwar auf ähnliche Weise anfauchen und besaß einen fast gleichen Mundgeruch, aber sie wählte als Waffe wenigstens nur den Kochlöffel.

"Ist ja g-g-gut, ich f-f-fühhre dich zu ihrem H-haus", stotterte der Mann, aus Angst, sein einfaches Leben abgeben zu müssen.
Der Wirt indessen langte über den Tresen und berührte Maghuls durchtrainierten Arm. In der anderen Hand hielt er einen ziemlich beeindruckend aussehenden Morgenstern. "Heda! In meiner Kneipe wird nur geprügelt, wenn <i>ich</i> das will. Entweder du packst deinen Zahnstocher wieder weg oder ich lasse die Wachen rufen. Dann findest du dein Bild auch bald auf einem der Steckbriefe, wenn man dich nicht gleich an Pelgar ausliefert, wo du gehängt wirst. Gerüchte sagen, dass sie Orks nur noch tot in die Stadt lassen."

Da Maghul sein Ziel erreichen würde – schließlich wollte der Mann ihn zu dem Haus der Dunkelelfe bringen – steckte er auch seinen Kryss wieder ein. Er ließ den Mann los und schubste ihn zum Ausgang. Mit schnellen Schritten verließ der Trinker die Schenke, den Ork im Schlepptau.


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