Das Licht war klein, so unendlich winzig. Im Grunde konnte man nicht einmal mehr von einem Licht sprechen, denn das Leuchten wäre für alle Dunkelheit zu schwach gewesen. Es konnte sie nicht vertreiben und so umgab diese nicht nur diesen letzten Seelenfunken, sondern plötzlich auch Nihils Dasein, das einfach in den anderen Körper eingedrungen war. Die Schatten wollten sich um den Fremdling kümmern, zugleich wuchsen sie vor Hunger. So viel Licht, so viel pure Seelenkraft, die man da verschlingen konnte. Er lockte sie geradezu an und sie näherten sich. Sie umgaben Nihil, der sich nicht durch das Vorhandensein seines eigenen Körpers schützen konnte. Ja, er war hier ein Fremdling, eingedrungen in einen anderen, von dem er nur hoffen konnte, dass es sein Vater war. Das Wissen fehlte ihm noch, aber er wollte es herausfinden. Er wollte nicht gehen, ohne diese Antwort nicht erhalten zu haben. Sein Wille war stark, stärker als die ihn umgebende Dunkelheit und so gelang es ihm, seine Kräfte zu mobilisieren. Er leuchtete, glühte fast schon. Die Schatten gaben ein Kreischen ab. Er hörte es nicht, er fühlte es nur. Es war in ihm und es schmerzte. Es drohte, seine Existenz zu zerreißen. Und dann war es weg, verstummt. Die Schatten lösten sich auf. Sie waren es, die rissen wie ein schwarzer Vorhang, ehe sie sich in Nichts auflösten. Zurück allein blieb eine leere Hülle und dieser winzige Seelenfunken, der so entsetzlich schwach glomm. Er wagte kaum, heller zu leuchten. Es erlosch gar beinahe, als Nihil sich schützend um es legte, wie eine Mutter ihr Kind in den Arm nahm. Als es jedoch spürte, dass Nihil ihm nichts anhaben wollte, fasste das sanfte Leuchten neuen Mut. Es glomm etwas stärker, doch würde es nie wieder so hell erstrahlen wie eine lebendige Seele. Es waren die Überreste, in einer toten Hülle, die Frieden hätte finden sollen und ... Die Seele war ihm fremd. Sie hatte nichts mit ihm gemein. Sie war nicht das, was man fühlte, wenn man jemanden antraf, der vom selben Blut war. Nein, dieses Seelchen erzählte ihm eine andere Geschichte. Nihil konnte jene aufnehmen wie ein Schwamm, der Wasser gesogen hatte. Ihm wurde Einblicke geschenkt, Bilder eines fremden Lebens. Er sah die letzten Momente dieser Seele. Er sah durch die Augen dieser Seele, konnte sich selbst nicht sehen. Dafür erkannte er einige Menschen, die einen Waldweg entlang spazierten. Es waren Edelleute, ganz eindeutig. Kurz darauf änderte sich das Bild. Die Edelleute lagen tot am Boden. Der Blick schwenkte auf die eigenen Hände. Sie trugen Dolche und waren blutverschmiert. Dann drang ein Geräusch an Nihils geistige Ohren. Eine dunkle Stimme, die ihn aber auch ein bisschen an ihn selbst erinnerte. War er es, der sprach?
"Deine Strafe, mein Nutzen. Die Götter mögen mir vergeben." Nihil nahm wahr, wie sich der Kopf jener Seele hob, die er soeben umklammerte. Er blickte in ein Spiegelbild, etwas älter als er selbst - und die Augen waren nicht seine. Die Seele ... war nicht sein Vater, denn diesen hatte er zuletzt gesehen, bevor das lebendige Licht erlosch und die Hülle verließ. "Verzeih mir. Ich hab sie nicht umbringen wollen", hauchte der Seelenfunken in seinen Armen. Wäre er befähigt gewesen, zu weinen, er hätte es getan. "Ich möchte nur Frieden. Ruhen. Bitte."
Derweil hatte sich Nihils Großvater in Bewegung gesetzt. Die Heilkundige Knollenwurz stand reglos hinter ihm, beobachtete, was der Enkel des Wirtshausbesitzers mit dem Untoten anstellte. Beide hingen relativ verkrampft am Gitter des winzigen Gefängnisses. Der Wiedergänge gab gequälte Laute von sich. Seine Finger zuckten und unter seiner Haut suchte sich Licht einen Weg in die Freiheit.
"Nihil." Valor wollte dichter an seinen Enkel heran. Er schaffte es nicht, denn Suki war von seiner Schulter gesprungen. Fauchend stand sie ihm im Weg oder war es ein Zeichen, sich schnell um den Enkelsohn zu kümmern? Was auch immer, der Großvater war in Sorge. Er sprang vor, hechtete zu Nihil und packte ihn an der Schulter. Er zerrte an dem Jungen, um ihn von dem Wiedergänger zu lösen, der immer qualvoller aufstöhnte. Dem alten Mann gelang es und kaum, dass er die Verbindung löste, schwanden auch die Bilder vor Nihils geistigem Auge. Er kehrte in sich selbst zurück, während der Wiedergänger absolut reglos zusammenklappte. Von ihm war nichts mehr. Er hatte seinen Frieden endgültig gefunden. Das letzte Licht seiner Seele zersprang wie ein gesplitterter Spiegel in Myriaden von winzigen Scherbensplittern.
"Nihil! Sag etwas! Alles in Ordnung, Junge?", redete Valor auf seinen Enkel ein. Suki huschte näher, schmiegte sich an das Bein ihres Gefährten und gab leise Schnurrlaute von sich.
Nihils Fertigkeit der Lichtmagie hat sich auf "durchschnittlich" verändert. Bitte im Profil aktualisieren und auch im charakterlichen Werdegang des Steckbriefes eintragen!