Sie verließen die Taverne, nachdem Akái für die Mahlzeiten bezahlt hatte und schlenderten erneut durch die dunklen Straßen des Reichs der Nachtelfen. Das Bad wartete auf Eáránë, aber dazu müssten sie erst einmal Akáis Heim erreichen. Inzwischen trieben sich weitaus weniger Nachtelfen auf den Wegen herum. Irgendwo erklang eine Glocke, die die Uhrzeit bekannt gab. Sie war nicht so schallend laut wie in einer der überirdischen Städte. Das hatte einen simplen Grund. Das weit reichende Tunnelgewölbe sollte durch den Schall nicht brüchtig werden. Es bestand schließlich eine stete Einsturzgefahr, die die Nachtelfen nicht auch noch fördern mussten. Da sie aber auch fernab jeglichen Sonnenscheins und somit einer Möglichkeit waren, die Tageszeit zu ermitteln, nutzten sie einen stündlichen Glockenschlag für die Zeitrechnung. Es half aber auch, das Licht der Pilze genau zu betrachten. Wenn an der Oberfläche alles schlief und der Mond am Himmel stand, strahlten diese unterirdischen Wurzelgewächse wesentlich heller als sonst. Trotzdem hatten sich die meisten Bewohner des Nachtelfenreiches bereits an den regelmäßig wiederkehrenden Schlag gewöhnt. Sie richteten sich lieber nach diesem Klang als nach den winzigen Pilzen.
Unterwegs setzte Eáránë die gemeinsame Unterhaltung fort. Sie wollte so gern mehr von Akái Samtnacht wissen, also versuchte sie es immer wieder. Ihm gefiel ihrer Hartnäckigkeit. Sie machte sich wirklich Gedanken, was sie fragen konnte, ohne zu tief in sein Leben als Spion einzudringen. Er hatte ja bereits erwähnt, dass er darüber Stillschweigen bewahren musste. "Am meisten weiß ich über die Pelgarer Bescheid. Ich habe fast zwei Jahre in ihrer Stadt verbracht. Ich konnte einiges über sie erfahren. Hast du gewusst, dass die meisten von ihnen Lysanthor anbeten, sie aber keinen eigenen Tempel dieses Lichtgottes in ihrer Stadt haben? Der soll in Sarma stehen. In Sarma war ich übrigens noch nie. Zu viel Sonne, wir vertragen das nicht gut. Aber das weißt du ja." Er überlegte, was er ihr noch erzählen konnte. Nahe Kosral war sie gewesen, aber da hatte die Stadt noch nicht wieder gestanden. Er hatte sich durch die Ruinen bewegt, aber nicht lange dort gerastet. Riesenspinnen waren auf der Jagd gewesen. Er hatte ihnen gerade so entkommen können. Nein, damit würde er Eáránë Frage nach Kulturen nicht beantworten. "Ich war auch in Morgeria. Die Dunkelelfen versklaven fast alle Völker, die nicht zu ihrer Rasse gehören. Nur die Orks leben relativ toleriert an ihrer Seite. Wahrscheinlich, weil so ein Ork sie schnurstraks zerquetschen würde, wenn sie einen der ihren wie einen Sklaven behandelten. Nachtelfen besitzen in Morgeria auch ein paar Rechte. Sie dürfen sich oftmals freier bewegen als die Goblins. Die sind nur Spielbälle der Bürger. Aber Menschen oder Elfen aus den Wäldern haben in der finsteren Stadt keine Chance auf Akzeptanz. Das Leben in Morgeria ist sehr hart. Jederzeit könnte man ermordet werden. In den seltensten Fällen erfährt man, warum. Manchmal ersticken Dunkelelfen an dem Essen der Orks." Er schmunzelte. Das gefiel ihm besonders, denn Dunkelelfen mochte er nicht sonderlich. Sie behandelten ihre lichtscheuen Verwandten trotz allem viel zu schlecht. Er hatte einiges erlebt.
"Unsere Kultur ist doch ohnehin die Interessanteste. Wenn ein Mann verliebt ist, sucht er nach der legendären Mondblume, die sogar nachts blüht. Er bringt sie der Angebeteten und kann sich darauf verlassen, dass seine Liebe erwidert wird. Leider findet man diese Blume nicht allzu oft. Aber der Brauch ist trotzdem ... nett. Oh, wir sind da."
Akái zeigte auf eines der kleineren Häuser, die sich hier gartenlos Wand an Wand schmiegten. Man konnte problemlos auch über die Dächer schleichen, wenn man denn wollte. Akáis Heim besaß eine schwarze Tür inmitten grauen Gesteins. Die Fensterläden waren geschlossen. Überhaupt sah das Haus sehr verlassen aus. Der Nachtelf hatte niemanden hier wohnen lassen während seiner Abwesenheit. Er suchte unter mehreren Blecheimern, bis er einen winzigen Schlüssel gefunden hatte. Er passte in das schwarze Schloss der Tür. Schon schwang sie auf und gab den Blick auf einen vollkommen verstaubten Flur frei. Spinnweben hingen von der Decke. Akái stieß die Luft aus. "Wenn es im Badezimmer auch so aussieht, muss ich erst einmal saubermachen, bevor du dich entspannen kannst."
Das musste er. Das gesamte Haus war ein einziges Staubparadies. Kein Möbelstück war verschont geblieben. Wolf nieste mehrmals. Auch das Bad war nicht verschont geblieben und in Akáis Schlafzimmer mussten dringend die Laken gewechselt werden. Dort hatten sich in den letzten Jahren einige Tierchen eingenistet. Verlegen kratzte sich der Nachtelf am Kopf. Nein, diese Hütte konnte er Eáránë wirklich nicht zumuten. "Vielleicht suchen wir uns doch ein Zimmer in der Taverne. Oder wir machen hier das nötigste erst einmal sauber."