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von Vana Erendis Morgaine » Samstag 1. August 2009, 00:46
Manthala hatte es klar erkannt, Vana hatte sich mit den gestellten Bedingungen einverstanden erklärt. Der Grund war ebenso einfach wie durchschaubar, sie wollte wieder leben, wollte fort aus diesem Zwischenreich. So war es nicht weiter verwunderlich, dass Vana mit ihren Gedanken bei der ihr bevorstehenden Aufgabe weilte, als Manthala ihre Gründe darlegte. Erst viel später, nachdem sie ihren Handel per Handschlag besiegelt hatten, hatte sie das untrügliche Gefühl ereilt, dass sie etwas, dass für sie von Bedeutung war, überhört hatte. Etwas war in Manthalas Worten gewesen, was sie hatte stutzig werden lassen und das verschlagene Grinsen ihrer Göttin trug nicht unbedingt zu ihrer Beruhigung bei. Das Gefühl, übers Ohr gehauen worden zu sein, machte sich immer mehr in ihr breit, doch hatte sie keine Gelegenheit mehr, tiefer darüber nachzudenken. Finsternis breitete sich plötzlich aus, Dunkelheit und Vergessen. "Halte deinen Teil des Handels ein und viel Spaß in deinem Unleben.", war das Letzte, was sie noch hörte, ehe sie zum wiederholten Male in Finsternis versank.
Zeit verging. Wieviel? Wer wusste das schon, wahrscheinlich nur die Götter, dann ein Ruck und das Gefühl auf hartem Stein zu liegen. Schwerfällig, ganz so als würden sie sich durch zähflüssigen Sirup bewegen, kamen Vanas Gedanken in Bewegung. Die erste Wahrnehmung war ein kalter Windhauch auf ihrer Haut, der sie frösteln ließ. Nicht so, wie es vor ihrem Tod immer gewesen war, nein, es fühlte sich diesmal vollkommen anders an, eher so als würde sie von innen heraus frösteln. Vanas Gedanken liefen jedoch noch immer viel zu langsam, als dass sie den Unterschied bemerkt hätte. Für sie war es so, als würde kühle Luft ihren Körper umschmeicheln.
Ihr erster bewusster Gedanke befasste sich daher mit der Frage: Wo bin ich? Was für ein Ort ist das? Es ist kalt, nein, ich bin kalt. Endlich erkannte Vana, dass es nicht die Luft war, die sich kalt anfühlte, sondern dass die Kälte aus ihr selbst kam. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie auf kaltem Stein lag.
Stein? Ihre tastenden Hände fuhren über die Oberfläche des Steins bis zu dessen Kanten. Der Stein war rechteckig und leicht erhöht und ihr wurde langsam klar worauf sie lag. Ein Altar. Nein, kein Altar, es waren Stufen, steinerne Treppenstufen. Über den Standort der Stufen war sie sich rasch im Klaren, zumindest konnte sie sich nur einen Standort vorstellen, Manthalas Tempel in der toten Ebene. Wo sonst, wenn nicht in ihrem Tempel sollte Manthala sie auch wieder ins Leben rufen.
Langsam kamen ihre Gedanken und Sinne wieder in Schwung und mit einem Mal spürte sie es, sie war nicht allein. Und noch etwas fiel ihr nun wieder ein, da war etwas an ihrem Hals gewesen. Es hatte sich wie ein leichter Sog angefühlt, so als wurde sich etwas oder jemand an ihrem Hals festsaugen, jetzt jedoch spürte sie nichts mehr davon.
Nun endlich hörte sie auch die Stimme. Sie war seidig und verführerisch, doch die Worte ergaben für sie keinen Sinn, noch nicht.
Wenn derjenige, dem die Stimme gehörte, ein bereits von Manthala gesandter Verbündeter war, so sprach er für sie in Rätseln.
"Es ist getan, Schöne." und "Schade, dass dein Herzschlag schweigt. Er hat mich angelockt, aber das ist der Preis, den wir zahlen.“
Was sollte das denn? Was ist getan? Und wieso soll mein Herzschlag schweigen? Ich bin doch nicht tot! Das bin ich doch nicht, oder hat mich Manthala etwa betrogen? Nein, ich bin wieder auf Celcia, soviel steht fest, also muss ich auch wieder leben. Was soll dann das Geschwafel von wegen kein Herzschlag? Wenn dieser ihn ..., den Namen Vandarte Rámon assoziierte sie unwillkürlich mit einem Mann, ... erst angelockt hat, so ist er doch ... oder nicht? Und was meint er nur mit dem Preis, den wir zahlen?
Derlei Gedanken gingen ihr durch den Kopf bis sie schließlich zu dem Schluss kam, dass es wohl an der Zeit wäre, der Aufforderung dieser schmeichlerischen Stimme Folge zu leisten.
Stöhnend erhob sie sich in sitzende Haltung und schlug ihre Augen auf. Das Erste worauf der Blick ihrer dunklen Augen fiel war ein ebenmäßiges Gesicht, hervorstechende stahlgraue Augen, schwarze Haarsträhnen, die locker über die Stirn fielen, perlmuttfarbene, fahle Haut. Doch das wohl auffalledste Merkmal war ein sinnlicher Mund mit blassrosa Lippen, der das Gesicht Vandartes ein wenig weiblich und gerade deswegen unheimlich anziehend erscheinen ließ. Einen kleinen Schönheitsfleck hatte das Gesicht allerdings, aus einem Mundwinkel lief dem Mann ein dünner Blutfaden zum Kinn hinunter, der Vana augenblicklich auffiel und ihr zu denken gab.
Reflexartig ging ihr Griff an ihren Hals, wo sie vorhin noch weiche Lippen und dieses saugende Gefühl gespürt hatte und wo ihre Finger nun zwei kleine Wunden ertasteten. An ihren Fingern klebte Blut, als sie sie wieder von ihrem Hals nahm und sie erbleichte, sofern man dies bei ihr überhaupt wahrnehmen konnte, als sie Eins und Eins zusammen zählte. Plötzlich waren die Worte Vandartes nicht mehr nur leeres Gerede sondern ergaben einen, wenn auch sehr makabren Sinn.
Furcht und nicht Kälte ließ sie nun erschauern, als sie sich zögernd an die Brust griff wo sie ... nein, das durfte einfach nicht sein!
Kein Herzschlag! Bei Manthala, dieser Vandarte hatte die Wahrheit gesagt, sie spürte keinen Herzschlag in ihrer Brust und doch hatte die göttliche Spielerin ihren Teil der Abmachung eingehalten. Erst jetzt kam Vana zu Bewusstsein, dass Manthala nie gesagt hatte, dass sie ihre Priesterin als Mensch nach Celcia zurückschicken würde. Vana hatte dies die ganze Zeit als selbstverständlich angenommen, was offensichtlich ein Trugschluss war. Wie Hohn klangen ihr auf einmal Manthalas letzte Worte in den Ohren: "Halte deinen Teil des Handels ein und viel Spaß in deinem Unleben." Unleben! Was war sie doch töricht gewesen anzunehmen, dass ein Handel mit Manthala mit rechten Dingen zugehen würde. Sie hätte es wissen müssen, dass da am Ende ein dicker Haken lauerte. Wahrscheinlich schaute ihre Göttin gerade zu ihr herunter und amüsierte sich königlich über ihren gelungenen Handel. Egal von welcher Seite Vana es betrachtete, Vandarte war kein Mensch und sie nun keine Mischlingselfe mehr. Auf makabre Weise hatte Manthala dafür gesorgt, dass sie endlich eine Heimat gefunden hatte, eine Heimat, die sie so sicher nicht gewollt hatte.
Aufseufzend vergrub sie das Gesicht in ihren Händen: „Warum? Warum habt ihr mir das angetan? Was habe ich getan, dass ihr mich mit diesem Leben straft? Warum? Warum?“, war alles, was sie immer wieder in ihre Hände schniefte, wobei nicht ganz klar war, ob sie nun Vandarte oder Manthala meinte. Die Erkenntnis, dass man sie zu einer Untoten, zu einem Vampir gemacht hatte, hatte ihr Selbstbewusstsein schwer erschüttert und sie tief getroffen. Es würde an Vandarte liegen, sie aus diesem seelischen Loch zu holen, sollte sie nicht schon jetzt an der Erfüllung ihres Auftrags scheitern.