Der geheime Unterschlupf

Jeder weiß, dass sich das geheime Versteck in der Stadt selbst befindet, aber nur Mitglieder der Wüstendiebe kennen den Weg dorthin. Niemand weiß, wo man suchen muss und bisher blieb diese Gemeinschaft unentdeckt.
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Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Erzähler » Samstag 7. Oktober 2006, 19:31

Shar erwachte, weil ihn etwas an der Nase kitzelte. Als er die Augen aufschlug, huschte ihm eine Wüstenspringmaus übers Gesicht und verschwand in einer Mauerritze.

Moment ... Mauerritze? Aber er war doch in der Wüste gewesen! Fatima hatte ihn ausgetrickst!

Rasch wollte er aufstehen, doch ein stechender Schmerz durchfuhr seine Glieder und so rappelte er sich nur ganz langsam auf, schaute sich um. Shar hockte in einer Zelle. Sein rechtes Bein war an eine Wand gekettet und er hatte auf einer unbequemen Holzpritsche gelegen. Daneben stand ein Eimer für die Notdurft – Shar erkannte es eher am Geruch.

Nirgends war ein Fenster zu sehen, aber außerhalb der Zelle hing eine Öllampe an der steinernen Wand. Es war angenehm kühl, vermutlich, weil die Sonne nicht bis hierher vordringen konnte.
Aber wo befand er sich nur? Shar hörte jemanden husten. Gegenüber seiner Zelle hockte ein Vermummter auf einem kleinen Stuhl und spielte mit einem Messer herum, das er oder sie immer wieder in die Luft war. Kein Zweifel, dieser Zellenwärter war ein Wüstendieb.

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Re: Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Wüstendieb » Samstag 7. Oktober 2006, 21:08

Madhim konnte es nicht leiden, wenn er auf "Gäste" achtgeben sollte. Er hasste es, in den stickigen engen Zellenräumen und dem Gang zu sitzen, darauf zu warten, dass sowieso nichts geschah, während seine Freunde auf Beutezug gingen.

<b>Immer bin ich das dumme Muli ... </b>

Missmutig warf er seinen Dolch nun schon das zwanzigste Mal in die Luft. Da hörte er, dass sich aus der Zelle etwas bewegte. Sofort wandte er sich dem kleinen Gefängnisraum zu und spähte hinein. "Ahh, ist unser schlafender Prinz erwacht? Und, wie fühlst du dich?"

Madhim hatte genaue Anweisungen erhalten und würde diese auch befolgen. Er holte eine dünne Flasche aus seinem Gürtel und warf sie gekonnte zwischen den Gitterstäben hindurch. Da sie aus verarbeitetem Holz war, brach sie nicht.

"Trink das, dann geht's dir besser. Keine Bange, dieses Mal ist nichts Gefährliches beigemischt. Jaja, hätte auch schief gehen können, wenn unsere kleine Fatima die Dosis zu hoch gewählt hätte." Der Dieb lachte in sich hinein. "Ich heiße Madhim ben Alla'b, aber nenn mich ruhig Madhim. Brauchst dir meinen Namen aber nicht zu merken, mein Freund. Wir sehen uns sicher nicht wieder."

Was er wohl damit meinte?

<b>Ha, der Kerl ist hier im Nu wieder draußen und ich darf als Wächter hier unten versauern.</b>

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Re: Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Erzähler » Samstag 7. Oktober 2006, 21:35

Plötzlich hallten Schritte im Gang wider. Madhim hob den Kopf und auch Shar lauschte.

"Aha! Willkommen. Willst du den Gefangenen besuchen?", fragte Madhim, erhielt jedoch keine gesprochene Antwort. Shar fragte sich seinerseits, wer ihn da wohl besuchen kam. Die Antwort kam prompt mit einem Tablett, auf dem ein dampfender Teller und ein Krug standen: Fatima.

"Ich grüße dich, Shar Magob", lachte sie ihn an. "Bist mir ja schön in die Falle getappt. Vater hat gesagt, ich hab ein Händchen dafür, dass die Leute mir schnell vertrauen. Deshalb lehrt er mich auch die Kunst des Meuchelns, wenn ich zwölf Jahre alt werde."

Sie ließ sich von Madhim die Zellentür aufschließen und trat mit dem Tablett ein, das sie vor Shar abstellte. "Vater sagt, du sollst essen, damit du bei allen Sinnen bist, wenn er mit dir sprechen wird. Es geht um etwas Wichtiges, hat er gemeint, aber ich darf es nicht wissen."

Sie trat einen halben Schritt zurück und wartete darauf, dass Shar mit seiner Mahlzeit begann. Ein gar vortreffliches Menu: Gebratene Ratte. Aber seltsamerweise gab es dazu einen Becher Wein.

"Vater hat gesagt, du sollst mir den Kelch geben, als Beweis, dass du es bist, den ich mitgebracht habe. Er hat dich noch nicht gesehen, aber ich habe ihm gesagt, dass du den Kelch wohl noch haben musst ... oder sehr dumm bist, wenn du ihn frü drei Goldmünzen verkaufst." Sie kicherte.

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Re: Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Erzähler » Samstag 7. Oktober 2006, 22:31

"Trink ruhig den Wein, Shar, es war die Ratte, die wir vergiftet haben", meinte Fatima und als sich Sahr beinahe am Wein verschluckt hätte, fing sie lauthals an zu lachen.

"Man kann dich so schön reinlegen", gluckste sie. Sie trat wieder aus der Zelle und wartete, bis Madhim abgeschlossen hatte. Als sie sicher war, dass Shar ihr nicht mehr zu nahe treten konnte, schwang sie den Kelch freudig in der Hand und grinste breit. "Hab Dank für das liebe Geschenk, Shar. Ich sage ja: traue keinem Wüstendieb. Du musst wirklich noch viel lernen, kein Wunder hat dich Vater hier eingesperrt. Vielleicht sehen wir uns ja einmal wieder!" Sie zwinkerte und sprang davon. Also hatte sie Shar erneut ausgetrickst, ihr Vater wusste wohl nichts von dem Kelch, sie allein hatte ihn besitzen wollen.

Aber was nützte Shar nun der größte Goldschatz in Händen, wenn er weiterhin in dieser Zelle fest saß?

"So ein gerissenes Gör", meinte Madhim. "Ich hab sie richtig gern." Er grinste breit und packte seinen Dolch weg. "Hm, es wird wohl Zeit ..." Mehr sagte er nicht, sondern verschwand einfach, ebenso wie Fatima. Shar blieb allein zurück.

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Re: Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Wüstendieb » Sonntag 8. Oktober 2006, 00:24

Shar hatte sich wohl bereits damit abgefunden, dass diese Zelle der letzte Raum sein würde, den er in seinem Leben sah – oder nicht sah, denn das Licht der Öllampe war erloschen und er hockte nun schweigend im Dunkeln. Er wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, aber bestimmt einige Stunden, als er aus einer Art Dämmerschlaf erwachte und Schritte hörte. Dann brummte jemand mit einer tiefen Stimme: "Verdammt, bei den Göttern, wer hat denn das Licht ausgemacht? Du da, entzünde eine Fackel!"

Shar hörte Gemurmel und dann erhellte sich der Gang ein wenig, wurde immer heller und schließlich standen einige Schatten vor der Zelle. Es waren mehrere Wüstendiebe, einer von ihnen sah aber besonders hochrangig aus. Er trug weder eine Vermummung, noch einen Turban, sondern weite Pluderhosen, eine purpurfarbene Tunika und nichts als einen goldenen Reif auf seinem kahlrasierten Schädel. An seinen Fingern funkelten edelsteinbesetzte Ringe, um seinen Hals goldene Ketten. Als er grinste, erkannte Shar einen schimmernden Goldzahn.

"Shar Magob? Mach es dir nicht allzu bequem hier unten, Wüstendiebe schlafen nicht in Zellen!"

<i>[Shar hat wieder volle Lebensenergie]</i>

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Re: Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Wüstendieb » Sonntag 8. Oktober 2006, 13:20

Der goldbehangene Wüstendieb lachte. "Na, ganz offiziell seid Ihr's noch nicht, aber ... nun, wir haben Euch beobachten lassen, Shar Magob. Ihr wäret eine große Bereicherung für uns – nicht als Dieb, aber als Informant mit tausend Gesichtern. Eure Verkleidungskünste sind wirklich enorm. Verzeiht daher, dass wir Euch diese Materialien entwendet haben, aber wir wolltenn icht riskieren, dass Madhim Euch frei lässt, weil er plötzlich einen ganz Fremden in der Zelle sitzen sah. Ihr bekommt Eure Sachen zurück, sobald Ihr unser Quartier wieder verlasst."

Er legte seine schmuckreiche Hand um Shars Schultern und führte ihn lachend aus der Zelle und den Gang hinauf. Die Wüstendiebe folgten ihm. Unterwegs erzählte er: "Mein Name ist Bali Abar, ich bin einer der führenden Diebe und für Euer Wohlbefinden verantwortlich. Euren Namen weiß ich ja schon, also braucht Ihr Euch nicht mehr vorzustellen, Shar. Meine Tochter hat Euch ja ganz schon an der Nase herumgeführt. Aber das musste so sein. Wisst Ihr, die meisten Bewohner Sarmas haben schon davon Wind gekriegt, dass unser Hauptversteck direkt in ihrer kleinen Stadt liegt, aber noch immer weiß kein Außenstehender, wo genau es ist – wir hüten unsere Geheimnisse gut."

Bali Abar führte Shar viele Stufen hinauf und es wurde zunehmend wärmer, aber nicht so heiß wie in der Stadt. Shar vermutete, dass sie sich irgendwo unterhalb Sarmas befanden. Alles, das ganze Gewölbe, war in Stien gehauen, als sei es ein unteridisches Labyrinth. Und das war es wohl auch. Shar verlor schnell den Überblick und die Orientierung. Nur Bali Abar schien zu wissen, wo es lang ging. Schließlich gelangten sie in einen mit vielen Seidentüchern und Wandteppichen verzierten Raum, in dem goldene Kerzenleuchter auf kostbaren kleinen Tischen standen. Weiche bunte Sitzkissen verteilten sich auf dem Boden und in einer Ecke saßen ein paar Wüstendiebe und genossen den benebelnden Qualm ihrer Kraut- und Wasserpfeifen. Der ganze Raum prahlte mit kostbaren und wertvollen Beutestücken vergangener Zeiten.

"Wie gefällt es Euch, Shar? Setzt Euch doch, ich bin gerne bereit, Euch sämtliche Fragen zu beantworten."

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Re: Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Wüstendieb » Sonntag 8. Oktober 2006, 17:30

"Es steht Euch jederzeit frei, zu gehen. Unseren Unterschlupf werdet Ihr ohnehin niemals finden. Aber seid Euch gewiss, dass Ihr es dann recht schwer in Sarma haben werdet, da wir Euch unter diesen Umständen nicht länger als Verbündeten sehen können." Das waren Bali Abars Worte, doch Shar zweifelte keinen Augenblick daran, dass die Wüstendiebe ihn vielleicht sogar töten würden, sobald er ihr Quartier verließ ... oder ihm das Leben wirklich schwer machten, da er dann wohl ebenfalls zu ihren Opfern gehören und ausgeraubt werden könnte.

Bali Abar ließ Shar einen Moment Zeit, diese Aussichten zu verarbeiten. "Ihr merkt, <i>wir</i> suchen uns die Mitglieder aus, nicht umgekehrt. Aber Ihr seid und zu nichts verpflichtet – noch nicht. Jeder, der in unseren Augen ein potenzielles Mitglied unserer Reihen werden könnte, muss einen Test bestehen. Natürlich sind unsere Prüfungen immer auf das Individuum angepasst. Wir verlangen von einem einfachen Dieb keinen Mord, von einem Meuchler jedoch schon."

Der Wüstendieb lehnte sich zurück uns ließ sich in die Kissen sinken, dass sich sein Wanst vorstreckte. Offenbar fühlte er sich sehr wohl hier. Eine verschleierte Frau brachte eine Karaffe mit Wein und zwei Silberbecher. Sie schenkte Shar und Bali Abar etwas ein, verneigte sich und verschwand so schnell wie sie gekommen war.

"Es könnte Euch bei uns sehr gut gehen, wie Ihr seht. Wein, Reichtum, Frauen ... was Ihr wollt. Wenn Ihr bereit seid, Euch dieser Prüfung zu unterziehen und ein Wüstendieb zu werden. Wenn nicht, dürft Ihr gehen. Madhim und Fatima werden Euch dann aus unserem Unterschlupf führen. Nun, wie lautet Eure Antwort?"

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Re: Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Wüstendieb » Mittwoch 11. Oktober 2006, 21:41

Bali Abar genoss es, sich Zeit zu lassen. Wie jeder Wüstendieb. Zeit schienen sie in Hülle und Fülle zu haben oder sie sich zumindest zu nehmen, kein Wunder, dass sie immer unpünktlich waren.

"Nun, wie soll ich sagen? Eure Aufgabe ... jajaja ... hoffentlich wird Euch das nicht zu schwierig. Euch ist klar, dass wir Euch töten müssen, solltet Ihr versagen."

Bali Abar ließ seine Worte wirken und verschwendete erneut kostbare Zeit, indem er einen langen Zug aus seinem Weinbecher nahm.

"Ich möchte, dass Ihr uns einige ... Dokumente beschafft. Das Problem ist, dass Ihr Euch zuerst klar werden müsst, wo diese Dokumente liegen, denn wir haben es nicht herausfinden können. Bekannt ist nur noch, dass sie zuletzt in den flinken Fingern des Händler Ahab gesehen worden sind. Er hält sich oft in Sarma auf, ist ein Nomade, der immer zwischen Sarma und Balar umherreist und Waren austauscht. Gelegentlich auch Schmuggelware, vielleicht könnt Ihr ihn auf diese Weise bestechen. Ihr werdet nichts weiter als diese Information erhalten. Beschafft uns die Dokumente, sie liegen uns sehr am Herzen. Ihr braucht nicht wissen, was darin steht. Ahab wird sicher sofort den Braten riechen, wenn Ihr sie erwähnt. Wie Ihr an die Dokumente gelangt, ist Eure Sache. Wisset nur, dass sie versiegelt sind und im Siegel das Symbol einer Frosches zu erkennen ist. Ich hoffe, Ihr wisst, was ein Frosch ist?"

Diese Frage war nicht seltsam in einer Stadt, in der es wenig Wasser, aber jede Menge Sand gab. Nun hatte Shar seine Aufgabe, wenn auch nur wenige Informationen dazu.

"Ihr könnt Euch bei uns mit Vorräten eindecken und sollt natürlich all Euer Hab und Gut wieder zurückbekommen. Sobald Ihr uns jedoch verlassen wollt, wendet Euch an meine Tochter Fatima oder an Madhim. Sie sind befugt, Euch nach draußen zu führen. Und versucht es nicht allein, wir wollen Eure Leiche schließlich nicht eines Tages in einem unserer Geheimgänge finden."

Bali Abar lachte und nahm einen weiteren Schluck Wein.

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Re: Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Wüstendieb » Mittwoch 11. Oktober 2006, 22:19

"Dann wollen wir mal", sagte Madhim und zückte ein samtschwarzes Tuch. "Ich muss Euch jetzt die Augen verbinden, denn noch seid Ihr keiner von uns und dürft daher den Weg aus dem Unterschlupf nicht wissen."

Shar musste sich fügen. Er ließ sich die Augen verbinden und war bereit, sich von Madhim führen zu lassen. Der Wüstendieb aber reichte ihm weder seine Hand noch wies ihm den Weg mit der Stimme. Stattdessen hörte Shar etwas Knarrendes und Quietschendes.

"Ich habe hier einen kleinen Wagen. Ihr werdet Euch nun mit meiner Hilfe hineinsetzen." Madhim half Shar, einzusteigen und schon setzte sich der Wagen in Bewegung.

Ja, die Wüstendiebe stellen es raffiniert an. Auch wurden Shar die Hände gebunden, damit er seine Augenbinde nicht abnehmen konnte. Nicht, dass man ihm nicht vertraute, aber ... die Wüstendiebe vertrauten nun einmal niemanden und waren sehr vorsichtig. Das musste wohl auch ein wesentlicher Grund sein, weshalb noch keiner von ihnen jemals geschnappt worden war.

Shar hockte lange in dem Wagen, hörte nichts als das ständige Quietschen und Knarren, sowie das Schnaufen von Madhim, der ihn offensichtlich zog. Shar verlor gänzlich das Zeitgefühl, aber er schätzte, dass er ungefähr zwei Stunden unterwegs war. Ob der Weg jedoch wirklich so lang dauerte, konnte er nicht sagen. Es war schließlich möglich, dass Madhim absichtlich Umwege machte, um Shar endgültig zu verwirren.

Nach einer Weile ließ er Shar aus dem Wagen, nahm ihm aber noch nicht die Augenbinde ab. Shar musste nun an Madhims Hand einige Stufen steigen, vermutlich ging es an die Oberfläche. Dann hörte er plötzlich wieder die typischen Geräusche von Sarmas Straßen. Er wurde auf ein Kamel gesetzt und als Shar die Augenbinde abgenommen bekam, befand er sich wieder in der altbekannten Gasse, in der er sich immer mit einem Wüstendieb getroffen hatte.

Madhim verabschiedete sich, stieg auf das Kamel und preschte einfach die Gasse entlang, Richtung Stadtrand. Vermutlich würde er sich zunächst in die Wüste aufmachen, um seine Spuren zu verwischen.

Gerissen, wirklich gerissen. Shar bestaunte die Hinterlist der Diebesgemeinschaft. Und bald sollte auch er einer von ihnen sein.

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Re: Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Erzähler » Samstag 14. Oktober 2006, 14:09

Bali Abar nahm die Dokumente entgegen, aber antwortete nicht gleich auf Shars Fragen. Stattdessen drehte er sich auf seinem Diwan einer Ecke in Dunkelheit zu und sprach:
"Na, wie hat er sich geschlagen?"

Shar schaute in die Dunkelheit. Sein Blick wurde von einem leuchtenden Augenpaar erwidert, rotgolden und mit kleinen Explosionen gesprenkelt. Dann trat Zoltan aus den Schatten.
"Er ist die Sache recht gut angegangen. Eines Wüstendiebs würdig – sofern er einer werden will." Zoltan kam zu Bali Abar und scheuchte ihn vom Diwan. Bali sprang sofort auf. Offensichtlich hatte Zoltan entweder gute Beziehungen zum Anführer der Wüstendiebe oder er gehörte selbst dazu und war von höherem Rang. "Setzt Euch, Shar Magob", wies er an und zeigte auf ein Samtkissen zu seinen Füßen.

Bali Abar überreichte Zoltan inzwischen wieder die Dokumente, die er in den Tiefen seiner blutroten Robe verschwinden ließ.

"Sagt mir, Shar, seid Ihr wirklich daran interessiert, ein Wüstendieb zu werden? Oder reicht es Euch, ab und an für sie zu arbeiten?"

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Re: Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Erzähler » Samstag 14. Oktober 2006, 19:58

Zoltan nickte und machte einen zufriedenen Eindruck. "Eine gute Antwort", meinte er. "Viele handeln voreilig und stecken dann bereits zu tief in ihren Problemen, sobald sie ihren eigentlichen Wunsch erkennen."

"Dann ist es meist zu spät", grinste Bali Abar und machte eine eindeutige Geste über seinen Hals. Er erntete einen bösen Blick von Zoltan, woraufhin er sich schnell in eine Ecke zurückzog.

"Ihr sollt die Zeit bekommen, die Ihr braucht, Shar." Zoltan klatschte und Fatima erschien an seiner Seite. Der Feuermagier befahl ihr, Shar in einen Ruheraum zu bringen und Fatima verbeugte sich tief.

"Komm mit, Shar Magob!", rief sie. Dann führte sie Shar einige unterirdische Korridore und Gänge entlang zu einem kleinen halbrunden Torbogen, der mit einem roten Samttuch verhangen war, welcher als Abtrennung diente. Fatima zog den Vorhang zur Seite und Shar betrat seinen Ruheraum. "Ich warte draußen", sagte das Mädchen. Da fiel der Vorhang vor ihr Gesicht und Shar war allein.

In dem Raum standen überall kleine Kerzenhalter und erhellten die Steinwände, welche mit kostbaren Bildern und Wandteppichen von ihrer sonst so tristen Fassade ablenken sollten. An einer Wand stand ein Diwan und davor lagen wieder die typischen Samtkissen. Ein kleiner Tisch befand sich neben dem Diwan. Darauf standen ein voller Früchtekorb, eine Karaffe Wasser und ein Glas.
In einer anderen Ecke waren große Laken über noch größere Kissen gespannt, so dass ein weiches Bett entstand, das einladend unter einem Baldachin positioniert worden war.

Geschickt und gerissen waren sie, diese Wüstendiebe. Mit materiellen Werten wie diesen lockten sie sicher viele in ihre Reihen.

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Re: Der geheime Unterschlupf

Beitrag von Erzähler » Sonntag 15. Oktober 2006, 00:19

Shar erwachte ausgeruht und erholt, aber hungrig. Er hatte schon eine ganze Weile nichts gegessen. Die letzte Mahlzeit waren die Äpfel in der <i>glühenden Schenke</i> gewesen. Sein Magen knurrte.

Als er sich auf den Bettrand zu schob, sah er, dass sich jemand bereits um ein Essen bemüht hatte. Der Früchtekorb auf dem kleinen Tischchen neben dem Diwan war durch einen mit einer Glasglocke abgedeckten Teller ersetzt worden, auf dem eine lecker aussehende Rinderkeule und halbierte gekochte Eier lagen. Man kümmerte sich hier wirklich gut um ihn.

Ob Fatima noch vor dem Eingang Wache hielt? Bestimmt nicht, selbst eine junge Wüstendiebin musste einmal schlafen. Doch da schob sich der Vorhang zur Seite und es war tatsächlich Fatima, die herein lugte. "Ich habe Geräusche gehört. Hm, scheint aber alles in Ordnung zu sein. Achja, das Essen dort ist für Euch. Guten Appetit!" Der Vorhang fiel an seinen alten Platz zurück und Fatimas Gesicht verschwand wieder.

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