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von Azura » Montag 8. Februar 2021, 09:52
Sie hatte es gewusst, sie hatte es die gesamte Zeit über gewusst, niemals hätte sie rausgehen dürfen! Nun ja, zwar hatte sie dadurch einige Informationen erhalten und sich einige Minuten lang dem Wohlgenuss eines heißen Bades hingeben können. Aber was hatte sie jetzt davon?! Eine Hiobsbotschaft jagte die nächste!
Reichte es nicht, dass diese Elfe ihr so schamlos vor Augen führte, was ihr niemals gegeben sein würde?! Anscheinend wollten die Götter... oder ein gewisser Schuft sie schon wieder unsagbar quälen, obwohl sie nichts, absolut nichts getan hatte, um solch eine Behandlung zu verdienen!
Das half ihr nur leider nicht bei dem Umstand, dass sie sich wie vor den Kopf gestoßen fühlte ob seines Verschwindens und sich in ihrem Magen alles zu einem harten Brocken zusammenzog. Dabei nahm sie nicht einmal wahr, dass es sie fröstelte, dort, wo ihre nasse, erhitzte Haut ungeschützt auf Luft traf, sodass sich ein nicht enden wollender Schauder bildete, der dafür sorgte, dass manch ein Tropfen an einer entstandenen Spitze etwas länger hängen blieb, ehe er herab tropfte.
In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken nur so herum, drohten, sie regelrecht schwindelig zu machen, während ihre Augen brannten, obwohl sie trocken blieben. Vorerst zumindest... Dennoch, ihr Gesicht war blass und ihre Finger zitterten leicht, während die Information über sein Verschwinden immer weiter in ihr Innerstes zu sickern schien.
Es kostete sie äußerste Mühe, den erzählenden Worten der wandelnden Nase einen Sinn zu geben. Er war nicht tot... nicht einmal bewusstlos...
Was war dann geschehen?! Als sie hinaus geschoben worden war, hatte sie große Angst um ihn gehabt, dessen Zustand nach all der Magie auf einmal so bedroht gewirkt hatte. Und das sollte ebenfalls nichts weiter als eine Illusion gewesen sein? Oder etwa nicht...? Hatte er sich schneller erholt, als gedacht? Was konnte so ein Schelm eigentlich alles bewirken...?! Ein Gedanke... nein, eher eine Ahnung davon, begann in ihrem Hinterkopf zu keimen, wenngleich es noch dauern würde, bis er greifbar werden könnte.
Plötzlich ruckte ihr Kopf jedoch, sie blinzelte kurz und funkelte dann die Heilerin mit zusammengekniffenen Augen an. "Ich wäre nicht hier...?", kam es leise über ihre Lippen, in einem Tonfall, der allen, die sie auch nur ein wenig kannten, eine gefährliche Warnung sein sollten. Azura stand dicht vor einer wahrhaftigen Explosion und diese Momente waren die letzten ruhigen vor dem Sturm.
"Du hast ihn glauben lassen, ich hätte ihn zurück gelassen?!", fuhr sie langsam und fast schon bedacht vor. Eine Hand klammerte sich an den Rand des Zubers, so fest, dass ihre Knöchel weiß wurden wie frisch gekalkte Wände.
Das Wasser um sie herum jedoch war alles andere als ruhig, sondern hatte sich zu wellen und zu kräuseln begonnen. Nicht mehr lange und es würde sich so hoch türmen, dass es über den Rand schwappen könnte. Sofern das Brodeln in ihrem Inneren nicht zu einer anderen Richtung führen würde.
Was vermutlich auch kurz darauf geschehen wäre, wenn in diesem Atemzug nicht der Schmied aufgetaucht wäre. Zuerst, in ihren eigenen Gedanken und Gefühlen viel zu sehr gefangen, nahm sie ihn lediglich am Rande wahr und war sich ihrer Erscheinung gar nicht mehr bewusst.
Dann aber reagierte sie. Warum genau, wusste sie nicht zu sagen, denn die Worte sickerten nur langsam zu ihr durch. Deren Bedeutung und deren Ursache noch langsamer. Wie in Zeitlupe drehte sich ihr Kopf in seine Richtung und ihre Stirn runzelte sich fragend bei seinem unverständlichen Kauderwelsch.
Gerade wollte sie seiner Blickrichtung mit der ihren folgen, als hinter ihr ein Glucksen und weitere Worte erklangen. Und diese schafften es endlich, dass auch der jungen Frau dämmerte, was hier gerade passierte. Mit einem Aufschrei und schlagartig hochroten Wangen schlug sie einen Arm schützend vor ihre Blöße, während sie mit der noch freien Hand instinktiv ins Wasser schlug.
Unter normalen Umständen hätte sie ihn niemals damit treffen, geschweige denn wirklich viel von dem dampfenden Nass heraus befördern können. Doch diese Umstände waren keineswegs normal und so mischte sich ihre Magie mit ein, sodass der Zuber mit einem Mal nur noch halb so hoch gefüllt war wie einen Atemzug zuvor.
Wohin und wen alles das Wasser traf, war ihr gleichgültig, denn als Ergebnis musste Azura mit einem leisen Stöhnen die Augen schließen und gegen plötzlichen Schwindel ankämpfen. Wenngleich es nicht lang genug dauerte, um den Zwerg vor ihrer andunischen Schimpftirade zu bewahren, die jedem Straßenjungen zur Ehre gereicht hätte und ihm eine Lehre sein sollte. Dringend, sonst würde wohl das nächste Mal nicht lediglich eine Attacke mit Wasser in seine Richtung geschossen werden!
Wenigstens verschwand dieser nächste unverschämte Kerl... Wieso gab es in der Welt eigentlich keinen Anstand einer Dame gegenüber mehr?!
Erst die zwitschernde Stimme in ihrer Nähe sorgte dafür, dass sie ihre Augen langsam wieder öffnete. Gut, der Schwindel war halbwegs vorbei, der Raum schwankte nur noch leicht wie ein Schiff, das angelegt hatte, das konnte sie aushalten.
Ihr Blick richtete sich auf das Tuch, wenngleich sie für die Farbenvielfalt nichts übrig hatte. Im Gegenteil, ihre Augen hefteten sich regelrecht auf den Ring, über den sie mit einer Fingerspitze liebevoll strich, als wäre es ihr Kind... oder das Gesicht ihres Liebhabers...
Was um sie herum gesprochen wurde, bekam sie nicht bewusst mit, sondern starrte nur auf das Kleinod in ihrer Hand. Bis eine Aussage plötzlich jenen Keimling in ihrem Hinterkopf zum Sprießen und Wachsen brachte. Wie von einem Blitz getroffen, richtete sie sich kerzengerade auf und umschloss Tuch wie Ring fest mit ihrer Hand.
Ohne etwas zu sagen, rappelte sie sich auf, ungeachtet ihrer Nacktheit. Schließlich waren sie Frauen jetzt wieder unter sich und sie hatte Wichtigeres zu tun.
Ein paar Herzschläge lang hinderten ihre weichen Knie sie noch daran, aus dem Zuber zu steigen, aber dann hatte sie sich wieder gefasst und kletterte, wenn auch weniger elegant als üblich, heraus. Weiterhin schweigsam, dafür jedoch mit äußerst grimmiger Miene, ging sie zu dem Stoß mit den Handtüchern und griff danach. Sie brauchte eines, das lang genug war, um ihre gesamte Blöße zu verdecken, und scherte sich nicht darum, ob sie dabei ein Chaos anrichtete. Sollte sie es nicht sofort beim ersten Handgriff haben, würde der Stoff eben zu Boden fallen und achtlos dort liegen bleiben.
Schließlich war ihre Suche von Erfolg gekrönt, wenn auch äußerst knapp. Mit Müh' und Not konnte sie sich verhüllen und steckte das Tuch so fest in ihrem Ausschnitt, dass sie davon ausgehen konnte, dass es sich nicht sofort lösen würde. Dennoch hielt sie es am oberen Rand zur Sicherheit auch mit ihrer Hand fest.
Mit der anderen, mit der sie noch immer das Tuch umklammerte, warf sie sich schwungvoll ihre nasse Haarpracht zurück, deren einzelne Strähnen dennoch auf ihrer Haut kleben blieben. Daran konnte und würde sie jetzt auch nichts ändern. So viel dazu, sie hätte Zeit für ihre Körperpflege und Entspannung...
Dann rauschte sie regelrecht aus dem Raum, durch die Stube, ignorierte einen möglicherweise anwesenden Schmied, und gelangte in jenen Raum, in dem sie die letzten Tage verbracht hatte. Tatsächlich... nichts und niemand war zu sehen. Mit kühler, glatter Miene sah sie sich um und fluchte innerlich.
Ja, er war wahrscheinlich abgehauen, hatte sie zurück gelassen und war bestimmt schon in der nächsten Rauferei gelandet, um sich den Tod bei seiner Ungeschicklichkeit bei der Wahl der Anzahl seiner Gegner zu holen. Sie müsste sich dumm, absolut töricht vorkommen, davon war sie überzeugt. Und trotzdem konnte und wollte sie es nicht unversucht lassen.
Also baute sie sich zu ihrer vollen Körpergröße mit allem adeligen Stolz auf, zu der sie fähig war. Mit kalter, nicht sonderlich lauter, aber dafür umso durchdringender Stimme befahl sie in einem Tonfall, dem man anhörte, dass sie es nicht nur gewohnt war, dass man ihr gehorchte. Nein, es wäre auch der eigenen Gesundheit äußerst zuträglich, es sogleich zu tun, ungeachtet ihrer Worte.
"Du widerlicher Schuft, komm gefälligst aus deinem Versteck gekrochen. Jetzt, sofort, du kastrierter Harlunke, bevor ich dir Beine mache! Und wage es nicht, mit an der Nase herum zu führen, du kleines Stück Dreck unter meinen Fingernägeln, damit ich dir zuerst eigenhändig deinen Hals umdrehen und dann dein dünnes Ding quetschen kann, bis du wieder um Gnade winselst!" Sie holte tief Luft, um diese Worte sacken zu lassen, ehe sie fortfuhr:"Tu es zu deinem eigenen Wohl lieber sofort, bevor ich auf die Idee komme, dir noch mehr abzuschneiden, als du schon selbst getan hast! Mit einem stumpfen, schartigen Messer und sehr ungeschickten Fingern!"
Danach verstummte sie, mit heftig pochendem Herzen und weichen Knien. Ihre Augen suchten den Raum ab, bemühten sich, jede einzelne Regung, die auf sein Versteck hindeuten könnte, sofort zu entdecken, um sich auf ihn stürzen und ihm die Augen auskratzen zu können.