Erwachen zwischen Schatten

Das Zentrum der celcianischen Diebesgilde und Sitz dessen Patrons. Dieser rühmliche Palast befindet sich unterirdisch und ist nur Mitgliedern der Diebesgilde bekannt.
Er beherbergt neben geraubten Schätzen und einem eigenen Manthala-Tempel auch den sogenannten Schatzgang.
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Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 5. März 2015, 09:42

Roac „träumt“ von : Hehlerladen "Zur schwarzen Feder" aus.

Hintergrundmusik

Der Flug ging weiter, durch Gärten voller kahler Obstbäume. Ranken hatten ihre dürren Arme um alte, verfallene Gemäuer geschlungen und dem Würgegriff des Vergessens ausgeliefert. Ein ganzes Viertel schien hier im Angesicht der Zeit zu verfallen. Kalter Wind trug seinen Leib gebrochene Stufen empor und tauchte ihn in ein leeres Tor voll von Dunkelheit. Das hohe Schnattern von Fledermäusen, das Summen von Insekten und das Fauchen einer streunenden Katze begleitete ihn in dieser Finsternis. Dann legte sich sein müde gewordener Körper zu Ruhe und der Rabe steckte seinen Kopf unter schwarzes Gefieder.

Roac glitt von einem Traum in den nächsten. Sein Empfinden pochte gegen seine Schädelwand und hob ihn langsam zurück ins Bewusstsein. Noch war alles dunkel um ihn, doch da war auch Bewegung. Die kühle seiner Stirn, das sanfte Flüstern einer Frauenstimme, die er von Ferne wahrnahm, das alles kam ihm sehr vertraut vor und lullte ihn ein. Tröstende Berührungen holten ihn langsam aus der Besinnungslosigkeit. Er fühlte seinen schmerzenden Kopf, seine Schultern, wie sie auf etwas weichem lagen. Er spürte auch seinen Arm, wie er vorsichtig bewegt wurde und sich ein warmer Leib an seinen schmiegte.
„Rabe, du darfst nicht zu tief schlafen. Hinter diesen Schleiern lauert der Tod.“
Sein Körper wehrte sich gegen diesen Vorschlag und es war ihm kaum möglich sich zu bewegen. Das Opiums ließ ihn noch nicht gehen. Es lockt ihn sich fallen zu lassen, hinter den Vorhang zu treten, dorthin wo jeder Schmerz endete.
„ … Es gibt noch eine andere Möglichkeit ...“
Etwas wanderte von seiner Brust langsam über seinen Bauch hinab in die Tiefe.
„Wenn das Blut wo anders verlangt wird, kann es nicht das Hirn vernebeln.“
Roac spürte wie sein Körper reagiert und tatsächlich seine Durchblutung auf andere Körperteile als seinen Schädel fokussierte. Das Pulsieren in seinen Schläfen ließ nach und wanderte südwärts.
„So ist es gut. Bleib bei mir.“
Lulu regte sich und setzte sich vorsichtig auf ihn. Plötzlich konnte er seine Augen öffnen und sein Atem ging leichter. Ihre Haut glänzte dunkel im Schein einer einzelnen Flamme. Die sanften Wellen ihres Beckens holten ihn zurück ins Hier und Jetzt und die Schleier verschwanden. So war er definitiv noch nie geweckt worden! Nur sehr entfernt am Rande nahm er wahr, dass er sich nicht mehr auf dem Dachboden seines Ladens befand. Das unter ihm war kein Strohsack, das war ein Fell und die ganzen Kleinigkeiten um ihn herum waren auch verschwunden. Rechts neben ihm glitzerte Fels und
irgendwo, neben ihren schneller werdenden Atemgeräuschen, war das leise Plätschern von Wasser zu hören.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Montag 9. März 2015, 00:21

Von der starken Droge eingelullt verlor Roac jedes Gefühl von Zeit und Raum. Gefangen in einem Meer aus Schwärze drohte er zu versinken, bar jedes Gefühls und ohne Orientierung. Die stürmischen Wellen seines verwirrten Geistes suchten ihn zu erdrücken und in die Tiefe zu ziehen, von der er wusste, dass es dort kein zurück mehr geben würde. Er wehrte sich dagegen, kämpfte gegen den Drang an sich fallen zu lassen, welcher stetig stärker wurde. Doch mit jeder weiten Woge driftete er tiefer in eine Taubheit, die sowohl Glieder als auch Gedanken lähmte.
Zuerst hörte er die Stimme nicht, die ihn aus weiter Ferne zu sich rief. Er tat sie als weitere Einbildung seines schwindenden Verstandes ab, doch sie blieb beharrlich. Roac konnte den Sinn der einzelnen Worte nicht erfassen, zu weit war er schon von der Welt der Lebenden entfernt, wandelte im Schatten zwischen den Dimensionen. Doch auch dort spürte er schwach, was mit seinem Körper geschah. Anfangs nur ein taubes Kribbeln, breitete sich mit einem Mal tröstende Wärme in seinem Leib aus. Wie ein Schiffbrüchiger klammerte sich sein Verstand an diese Empfindung und der Würgegriff der Bewusstlosigkeit begann sich langsam zu lockern.
Unter großer Anstrengung öffnete der Hehler seine Augen und blinzelte im trüben Licht. Seine Lider schienen aus Stein, sein Körper aus Eisen zu sein, so kalt und schwer fühlte er sich an. Jeder Herzschlag stach in der Brust, als weigerte sich das Blut in seinen Adern richtig zu fließen. Schmerz und Verwirrung hatten ihn in der Hand, doch da war noch mehr.
„So ist es gut. Bleib bei mir.“
Sie war hier. Lulu... Cadice. Ihre Stimme klang belegt und rau. Ein kaum hörbares Zittern schwang darin mit. Mit halb geöffneten Augen sah er, wie sich ihr im Schein der Flamme glänzende Leib auf seinen Schoss niederließ. Mühelos drang er in sie ein und spürte wie bereit sie für ihn war. Ein heiseres Seufzen entrann seiner Kehle. Roac spannte die Muskeln an und versuchte ihr so gut es ging entgegen zukommen, doch merkte schnell, dass er es langsam angehen musste. Noch waren er nicht auf seiner voller Höhe, was Cadice aber nicht zu stören schien.
Mit der Zeit stieg ihm der schwere Geruch von Schweiß und Moschus in die Nase. Ihre Atemzüge stimmten sich aufeinander ab, begannen sich zu jagen. Allmählich, Stück für Stück wanderten seine Hände nach oben und umspielten Bauch, Brust und Hals der jungen Frau. Roac ließ sich von ihrem Becken treiben und genoss dabei jede Einzelheit ihres makellosen Körpers, während seine Sinne erwachten und die Wirkung der Droge nachließ.
Kurz darauf genügte es ihm nicht mehr den passiven Part in ihrem Liebesspiel zu übernehmen. Ohne Vorwarnung hob er Cadice mit seinen wiedergewonnen Kräften an und drehte sich seitwärts, sodass ihre Rollen nun vertauscht waren und sie auf ihren Rücken lag. Ihre Beine über seine Hüfte verkreuzt, senkte er den Kopf um sie zu küssen. Bald schon bewegte sich der Hehler mit einem wilden Elan, der ihm alle Ehre machte. Doch auch er konnte dieses Tempo nicht ewig halten. Nach einigen weiteren, von Lust erfüllten Augenblicken ging der Akt dem Ende zu und Roac bäumte sich ein letztes Mal auf, nur um danach erschöpft neben Cadice auf das weiche Fell zu sinken und sie in seine Arme zu ziehen.

Es war schwer zu sagen ob er geschlafen oder Reste des Opiums ihn ein letztes Mal betäubt hatten. Doch als der Hehler nach unbestimmter Zeit wieder zu sich kam waren alle Anzeichen des Rausches - außer einer gewissen Übelkeit und starken Kopfschmerzen - verschwunden.
"Hmmmm..."
Mit dem rechten Handrücken strich sich Roac die Haare aus der Stirn und hielt mitten in der Bewegung inne. Die Decke... sie war verschwunden. Erst jetzt hörte er das leise Plätschern nicht weit von ihm und er wandte schnell den Kopf. Stein, kein Holz! Wasser...ein Brunnen? Ruckartig schoss er in die Höhe und sah sich bestürzt um. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich Cadice neben ihm bewegte.
"Verfluchte Scheiße!"
Roac sprang auf, immer noch nackt und verwirrt griff er in den Mantel der neben dem Fell gelegen hatte und zog Dolch und Knüppel hervor. Wütend richtete er beides auf seine Gefährtin, während er sich argwöhnisch nach alle Seiten umsah. Hatte sich dort hinten etwas bewegt?
Wo sind wir?! Was hast du verdammt noch mal mit mir gemacht?!
Dies hier war kein Ort den er kannte, also lag er auch nicht in der Stadt. Soviel war er sich sicher. Und da sie ihn nicht ohne Hilfe hierher gebracht haben konnte, war sie bestimmt nicht allein. Roacs Griff um seine Waffen verstärkte sich.
"Was soll das Ganze?! Was wollt ihr von mir?! Rede!

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Montag 9. März 2015, 22:21

"Verfluchte Scheiße!"
Roac sprang auf, immer noch nackt und verwirrt griff er in den Mantel, der neben dem Fell gelegen hatte und zog Dolch und Knüppel hervor. Wütend richtete er beides auf seine Gefährtin, während er sich argwöhnisch nach alle Seiten umsah. Hatte sich dort hinten etwas bewegt? Außer der Wand vor dem die Lagerstätte mit der nackten Frau lag, konnte er kaum drei Schritt weit sehen. Cadice rollte sich langsam etwas zur Seite und hob beschwichtigend die Hände.
Wo sind wir?! Was hast du verdammt noch mal mit mir gemacht?!
Roacs Griff um seine Waffen verstärkte sich.
"Was soll das Ganze?! Was wollt ihr von mir?! Rede!"
Cadice achtete darauf, dass sie nicht in direkter Schlagreichweite war und rutschte so noch ein Stück weiter an die Wand. Sie zog die Beine an den Körper und schlang sich das Fell um die Schultern. Ohne sportliche Betätigungen oder Körperwärme war es hier doch ziemlich kühl. Sie ließ ihn nicht aus den Augen, aber schätzte ihn auch nicht so ein, dass er eine, sehr offensichtlich unbewaffnete Frau, schlagen würde. Sie versuchte ein leichtes Lächeln und begann mit etwas Verwunderung in der Stimme:
„Na ja, du bist der erste der sich beschwert … zumal es dich … diesmal noch nicht mal was gekostet hat.“
Sie verschränkte die Arme auf den Knien und so sah man in der Dunkelheit nur noch ihre hellen, lachenden Augen leuchten.
„Schon gut, du kannst dich beruhigen. Ich rede ja, außer du willst vorher noch deinen Dolch oder deinen Knüppel zum Einsatz bringen.“
Egal was diese Frau sagte, irgendetwas doppeldeutiges kam immer dabei heraus. Sie wartete provokativ, bis Roac sich soweit beruhigt hatte, dass er die Waffen nieder legte. Während sie dann aus einer kleinen, dunklen Nische in der Wand noch zwei Kerzen zauberte und sie an der bereits brennenden entzündete, begann sie weiter zu erklären. Der Raum war bei besserer Ausleuchtung gar nicht so ungemütlich. Er hatte zwar kein richtiges Bett, aber das weiche Lager, auf dem sie gelegen hatten, war mit feinen Fellen belegt und jetzt war sogar ein kleiner Beistelltisch, ein Art Sekretär und ein etwas schiefer Schrank zu erkennen. An einer Seite des Raumes wuchsen gewaltige Wurzeln aus der Decke, über denen lange, vom Luftzug leicht bewegte Stoffbahnen hingen und die weitere Sicht stoppten.
„Erst mal, entschuldige bitte, dass ich dich betäuben musste, aber wir haben unsere Regeln für Leute wie dich. Damit kommen wir gleich zum „Wir“ … Wie du selbst sagtest sind manche Namen nur Schall und Rauch, aber andere tragen sich durch die Zeit und werden von Geschichte zur Legende.“
Sie sah ihn sehr intensiv an und legte leicht den Kopf schräg, als würde sie etwas suchen.
„Es gibt hier viele Namen. Einige sind Elster, Spatz, Löwe, Luchs und Fledermaus. Maus, Hamster und Maulwurf könntest du bald kennen lernen und wenn du länger bleibst, dann vielleicht auch Staub, Sand, Kies und Fels. Wir alle hatten einmal andere Namen, aber wird man in den Palast eingeladen, dann bekommt man meistens einen neuen. Manche sind auch hier geboren, so wie ich, dann dürfen wir uns nennen wie wir wollen. Manchmal verlassen uns auch Namen wie Rotfuchs oder werden zu uns hinein getragen, so wie Rabe“
Roacs fragendes Gesicht ließ sie schmunzeln.
„Hast du schon mal etwas vom Zunftgarten gehört?“
Er erinnerte sich an Lares Worte: „Das Zentrum der celcianischen Diebesgilde und Sitz dessen Patrons. Dieser rühmliche Palast befindet sich unterirdisch und ist nur Mitgliedern der Diebesgilde bekannt. Er beherbergt neben geraubten Schätzen und einem eigenen Manthala-Tempel auch den sogenannten Schatzgang.“
Roac musste wohl genickt haben, denn Cadice fuhr fort:
„Damit wäre auch das „Wo“ geklärt. Kommen wir zu dem „Warum du hier bist.“ … vorausgesetzt du setzt dich endlich hin, oder zieh dir wenigstens eine Hose an! Wenn du mir mit deinem Freudenspender so vor der Nase herum baumelst, kann ich mich nicht konzentrieren.“
Sie wartete, bis Roac auf die ein oder andere Art Anstalten machte ihrer Bitte nachzukommen und erzählte währenddessen weiter:
„Hase hat mir alles erzählt. Es tut ihm schrecklich leid, dass das Fass dich getroffen hat, aber das wird er dir bestimmt auch noch an die hundert Mal selbst sagen.“
Sie verzog kurz amüsiert die Mundwinkel, kam dann, nach einem kurzen Luftholen aber zum ernsten Teil.
„Er hat wohl tatsächlich eine große Dummheit begangen und dem Falschen zu tief in die Tasche gelangt. Der Dunkelelf, der vor deinem Laden stand, er ist einigen meiner Leute bekannt. Er gehört zu einem Gnom, der in WIRKLICH finsteren Kreisen verkehrt und mit denen wir eigentlich nichts zu tun haben wollten. Hase hat deswegen auch schon kräftig Ärger bekommen, doch das löst das Problem nicht. Er hat nun mal die Aufmerksamkeit einiger sehr unangenehmen Persönlichkeiten auf dich, sich und irgendwie also auch auf uns gezogen. Er meinte, er hätte dem Kerl nur eine Glasmurmel gestohlen, aber die habe ich in deinem Laden, zwischen dem ganzen Wust nicht finden können … hast du da eine bestimmtes System? ...Ach egal! Ich wusste, egal was der Kleine gemopst hatte, früher oder später würden sie vielleicht nicht mehr brav vor der Tür warten, … sondern ihr Problem anderweitig beseitigen … so wie bei … dem alten Glaser.“
Sie schwieg kurz und hatte die Augen geschlossen. Sie seufzte einmal lang und sah Roac dann wieder an.
„Die einzige Möglichkeit die ich gesehen habe, war euch beide da raus zu holen. Wir konnten dich schließlich nicht einfach da mit einem Brummschädel liegen lassen. Ich habe Hase los geschickt, Hilfe zu holen und ein paar Freunde haben ein kleines Ablenkungsmanöver gestartet, während du dann weg gebracht wurdest.
Soweit, so gut.
Fragen?“

Sie grinste etwas schräg, als erwartete sie schon den nächsten Ansturm.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Freitag 13. März 2015, 22:26

Dolch und Knüppel, so einschüchternd sie in diesem Moment auch wirken mochten, waren ohne böse Absicht gezogen worden. Vieles musste noch passieren, um Roac dazu zu bringen eine unbewaffnete Frau anzugreifen - eine Frau die zudem noch vor wenigen Augenblicken seine Bettgenossin gewesen war. Doch der Grund dieser feindlichen Geste stand dem jungen Hehler ins Gesicht geschrieben: Er war nicht nur wütend, er war fuchsteufelswild!
Achso? "Sollte ich mich also glücklich schätzen?! Von einer verrückten Hure entführt werden, die mich mit ihrem beschissenen Schlafmohn fast umbringt nur um mich dann im letzten Moment aufzuwecken bevor es zu spät ist? All das für einen Stich? Süße du bist gut, aber verdammt noch mal du hast Probleme!"
Wie sie so vor ihm saß, nackt und hilflos und doch mit einem süffisantem Lächeln um die Lippen erinnerte er sich dunkel an den Traum, den er in seiner Ohnmacht gehabt hatte. Natürlich hatte ihn zu dieser Zeit sein Verstand im Stich gelassen, doch er musste kein Traumdeuter sein um die Bedeutung hinter der dunklen Vision der Armbrustschützin zu erkennen. Cadice hatte bewiesen, dass sie mehr war als sie anfangs zu sein schien. Und auch wenn im Moment keine Gefahr von ihr auszugehen schien, durfte er sie nicht unterschätzen. Schließlich wusste er nicht, mit welchen Leuten sie im Bunde war.
"Kommt ganz darauf an, was du zu sagen hast. Und wenn ich du wäre, würde ich mit meinen Fragen beginnen..."
Roac schaute zu wie sie die Kerzen hervorholte und sah sich noch einmal unschlüssig um. Das glimmernde Leuchten der beiden Dochte tauchte den Raum in ein schummriges Licht, dass gerade dazu reichte seine Umrisse besser wahrzunehmen. Es gab einige Möbel, spärlich und einfach, doch nicht unbedingt mangelhaft. Zumindest nicht für ihn, der ganze andere Umstände gewöhnt war. Allein dass Nachtlager, so bemerkte er erst jetzt, bestand aus Fellen die auf dem Markt eine beträchtliche Summe einbringen würden. Doch was seine Aufmerksamkeit sofort auf sich zog waren die Wände. Er hob den Dolch und klopfte mit der breiten Fläche der Klinge gegen die staubige Mauer. Stein. Solider, blank geschliffener Stein. Alt und rissig und durchzogen von... Wurzeln? Der Hehler hob den Kopf und folgte den Verästelungen bis sie in einem Spalt in der Decke verstanden. Zögernd streckte er die Hand danach aus. Wie erwartet spürte er einen kühlen Lufthauch. Als er sich fragend zu Cadice umdrehte, bemerkte er ihren Blick. Wortlos ließ er die Waffen sinken und legte sie dann schließlich in eine weitere Wandnische, neben die er sich mit verschränkten Armen lehnte. Der Stein fühlte sich auf seiner Haut kühl an, war jedoch nicht unbedingt unangenehm.
"Schieß los."
Sie begann zu erzählen und Roac hörte ihr zu ohne sie zu unterbrechen. Bei ihrer Entschuldigung nickte er bloß. Sie hatte einen Grund ihn hierher zu bringen und den würde er in Kürze erfahren. Erst danach konnte er entscheiden, wie sie ihm gegenüberstand und was sie eigentlich von ihm wollte. Bis dahin blieb sie weder Freund noch Feind, eine ungelöste Variabel die in unklarer Relation zu ihm stand - und scheinbar willkürlich mit ihm schlief. Auch bei der Aneinanderreihung von Namen verlor er kein Kommentar - sie waren ihm alle fremd und hatten absolut keine Bedeutung für ihn. Bis auf einer...
"Rotfuchs..."
Langsam zischend ließ er die Luft aus und griff sich an die Stirn. Sein Kopf pochte immer noch leicht, doch auch das hielt ihn nicht davon ab die Puzzleteile die sich ihm boten vor seinem inneren Auge zusammenzusetzen: Sie befanden sich offenbar unter der Erde, Manthala allein wusste wo. Cadice sprach von einem Palast, dass sie nicht den Königspalast meinte lag auf der Hand. Außerdem beherrschte sie Rendinea, welches nach ihren Aussagen hier den Neuen beigebracht wurde - wer auch immer diese Neuen waren. Und nun kam auch noch sein alter Lehrmeister ins Spiel.
"Der Zunftgarten... Du bist also von der Gilde?"
Es ergab alles Sinn. Und dann doch wieder nicht. Die Diebesgilde war nicht real, mehr Legende als Wirklichkeit. Viele Straßengauner brüsteten sich damit Kontakte zu ihr zu haben - ja mancher Verrückte behauptete sogar dreist den berüchtigten Schatzgang durchlaufen zu sein. Doch in Wahrheit wusste keiner so richtig wovon er sprach oder ob an der ganzen Geschichte vom geheimen Diebesbund überhaupt etwas dran war. Roac selbst hätte den Gerüchten nicht geglaubt... hätte Lares sie ihm eines Abends nicht mit eigenen Worten bestätigt. Wenn er sich zurückerinnerte, war er nicht gerade redselig gewesen. Scheinbar war der einzige Grund, warum die Meisterdiebe immer noch unter sich blieben ihre Verschwiegenheit. An die hielt sich auch der Rotfuchs, auch wenn er schon lange nicht mehr Mitglied der Gilde war. Warum er sie verlassen hatte und unter welchen Umständen, dass hatte Roac nie aus ihn herauspressen können. Irgendwann hatte er aufgehört zu fragen. Vielleicht würde er ja hier endlich Antworten bekommen?
Der Hehler nickte bedächtig. Immer noch in Gedanken vertieft, bemerkte er, dass er immer noch nackt war.
"Komm schon, da gibt es nichts, was du nicht schon gesehen hättest..."
Nur um sie weiter am Reden zu halten, begann er sich ungeduldig anzuziehen und verstaute Dolch und Knüppel in den Manteltasche. Der Ärger über seine Entführung war nicht verschwunden - kein Bisschen - aber im Moment war die Neugier stärker. Und endlich erzählte sie ihm auch warum er hier war. Hase. Dieser kleine... Nein, er würde sich nicht über ihn aufregen. Er war vielleicht acht, neun, zehn Jahre alt. Was wusste er schon vom Leben? Ihm kam das Ganze vermutlich wie ein Spiel vor, ein großes Abenteuer in dem er den kühnen Dieb mimen durfte. Ein halbstarker Dummkopf mit viel Potenzial - wie gut, dass er nie so gewesen war...
"Eine Glasmurmel? Ich kann mich dunkel erinnern... er hatte eine in seinen Taschen dabei, vielleicht so groß wie eine Walnuss. Hab mir dabei nicht allzu viel gedacht und sie oben irgendwo hingelegt. Wegen der wird ihn der Gnom doch nicht verfolgen lassen. Glaubst du vielleicht, er lügt? Und was ist mit der Sache mit dem Glaser? Als ich Kräuter für den Jungen geholt hab, hat mir der alte Apotheker vom Marktplatz davon erzählt. Er soll einen Auftrag für die Dunklen angenommen haben. Und eines Nachts brennt sein Laden ab und von ihm ist keine Spur mehr... Wisst ihr darüber mehr?"
Ihre letzten Worte blieben an ihm hängen. Hatte sie ihn also nicht entführt, sondern gar gerettet? Roac sah sie an und musste sich eingestehen, dass das was sie sagte einleuchtend klang. In der Feder war er nicht mehr länger sicher... aber hier, wer sagte dass er es hier war? Zähneknirschend verbiss er sich eine weitere Bemerkung über ihre unkonventionelle Weise die Dinge zu regeln. Den Mohnsaft nahm er ihr immer noch übel...
"Eine Frage hab ich: Was jetzt? Meinen Laden kann ich zumindest für die nächste Zeit vergessen. Und wenn sie mir meine Waren nehmen, knüpft mich die Stadtwache auf."
Es war eine kühle Feststellung, über die er erst jetzt nachdachte. Die Feder hatte ihn am Leben gehalten. Ein gar schmähliches und unfreies Leben war es gewesen, aber dennoch mehr, als das die meisten armen Seelen des Außenrings besaßen. Ohne den Hehlerladen, würde er wieder von null an beginnen. Nein... mit noch weniger.

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Samstag 14. März 2015, 08:35

Anfangs hatte sie einmal eine Braue etwas gehoben, als der Rabe seiner Wut Luft machte, aber mehr auch nicht. Er hatte allen Grund dazu. Fein war ihr Handeln sicher nicht gewesen, doch was hatte er von einer – Was auch immer sie war, sicher keine Dame! – erwartet?
Vielleicht hatte er genau so etwas erwarten sollen, als er sie mit nach Hause nahm. Er hätte schon in der Taverne ausgeraubt werden können, überfallen, von einem Zuhälter hinterrücks erstochen oder schon die erste Nacht nicht überleben können. Es brachte nie etwas Gutes ein, eine Dirne in sein Heim zu lassen. Andererseits hatte sie ihn im Gegenzug wohl jetzt in ihres geholt. Einen Zuhälter schien es wohl auch nicht zu geben und überhaupt war alles sehr mysteriös. Während er sich bei ihren Erzählungen über die Geschehnisse und den Jungen langsam etwas beruhigte und darüber nachsann, ob sie ihn nicht wohl möglich sogar gerettet hatte, zog sie sich ebenfalls an. Hase hatte sie alle da in ganz schöne Schwierigkeiten gebracht! Lares hätte ihm damals den Hintern mit seinem Gürtel poliert, hätte er solche Dummheiten begangen! Der Junge war ein halbstarker Dummkopf mit viel Potenzial - wie gut, dass er nie so gewesen war …
"Eine Glasmurmel? Ich kann mich dunkel erinnern... er hatte eine in seinen Taschen dabei, vielleicht so groß wie eine Walnuss. Hab mir dabei nicht allzu viel gedacht und sie oben irgendwo hingelegt. Wegen der wird ihn der Gnom doch nicht verfolgen lassen. Glaubst du vielleicht, er lügt? Und was ist mit der Sache mit dem Glaser? Als ich Kräuter für den Jungen geholt hab, hat mir der alte Apotheker vom Marktplatz davon erzählt. Er soll einen Auftrag für die Dunklen angenommen haben. Und eines Nachts brennt sein Laden ab und von ihm ist keine Spur mehr... Wisst ihr darüber mehr?"
Cadice schnürte gerade ihr Mieder und hob ihre Rundungen in das weiche Leder, so dass die Hügel herrlich im Kerzenlicht zur Geltung kamen.
„Da weist du genau soviel wie ich. Und nein, ich glaube nicht, das Hase lügt. Er hat nur nicht nachgedacht, der Dummkopf!“
Da waren sie auf jeden Fall schon mal einer Meinung! Sie wiegte den Kopf hin und her.
„Glaser … Murmel … Eine Glasmurmel verschwindet aus der Tasche eines Dunkelelfen, der zu einem Gnom gehört, der zuvor bei einem Glaser gesehen wurde. Die Glaserei brennt ab und das Geheimnis um die Murmel, nimmt er mit in sein Grab. Ja, das passt zu Dunkelelfen!!“
Ihr Stimme klang grimmig und die Lippen waren zu einem schmalen Schlitz zusammen gepresst.
„Das so ein kleines Ding, so viel Ärger bereiten kann!“
"Eine Frage hab ich: Was jetzt? Meinen Laden kann ich zumindest für die nächste Zeit vergessen. Und wenn sie mir meine Waren wegnehmen, knüpft mich die Stadtwache auf."
Es war eine kühle Feststellung, über die er erst jetzt nachdachte. Die Feder hatte ihn am Leben gehalten. Ein gar schmähliches und unfreies Leben war es gewesen, aber dennoch mehr, als das die meisten armen Seelen des Außenrings besaßen. Ohne den Hehlerladen, würde er wieder von null an beginnen.
„Du hast doch genug Geld, um dir einen Neuen zu kaufen ...“
Sie warf ihm seinen deutlich gefüllten Geldbeutel zu, der anscheinend noch gefehlt hatte. Falls Roac nachzählen würde, wäre alles noch da. Sogar seine zehn bezahlten Lysanthemer, als er noch glaubte eine Dirne vor sich zu haben.
„ … Ja, ich neige zu Übertreibungen, aber ich kann schon verstehen, das du meinst. So ein Laden ist was feines und würde in besseren Zeiten bestimmt gut laufen. Ich nehme an, dein Angebot steht nicht mehr?“
Damit erinnerte sie Roac an sein spielerisches Angebot, ihren Beruf als Dirne aufzugeben und in seinem Laden zu arbeiten.
„Nein, schon gut.“
Sie lächelte versöhnlich.
„Ich bleib lieber bei meinen Leisten. So heist es doch. Schuster, bleib bei deinen … Auf jeden Fall solltest du eine Weile untertauchen.“
Sie stellte sich vor ihn und stemmte die keck Hände in die Hüften.
„Mal abgesehen von deiner schlechten Laune, die ja irgendwie verständlich ist und deinen Beleidigungen, die ich - vielleeeeicht ein klitze kleines bisschen verdient habe … finde ich dich ganz nett. Die „verrückte Hure“ war nicht ganz so schön, aber hab echt schon Schlimmeres gehört. Also wenn's nach mir ginge, dann könntest erst mal hier bleiben, wenn du magst. - Geht aber nicht nach mir.“
Sie zwinkerte Roac zu und ging auf den Vorhang zu.
„Na los. Komm mit. Gibt da ein paar Leute, die schon ganz aus dem Häuschen sind, weil der berühmte Rabe im Haus ist ...“
Sie hob den dicken Stoff beiseite und ein schwach beleuchteter Gang war dahinter zu erkennen. So wie sie „berühmter Rabe“ ausgesprochen hatte, hatte es zwar etwas überzogen, aber seltsamer Weise nicht sarkastisch geklungen. War er hier wirklich eine Berühmtheit? Und wenn ja, wofür?
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Montag 16. März 2015, 23:21

Mordende Dunkelelfen, eine rätselhafte Glasmurmel und die sagenumwobene Diebesgilde - Roac fiel es schwer die Geschehnisse der vergangenen Tage zu verarbeiten. Die Welt war in kürzester Zeit aus den Fugen geraten, sein Leben in Gefahr und die Feder womöglich schon verloren. Drei Jahre lang hatte der Alltag sein Dasein bestimmt, was jetzt mit einem Schlag der Vergangenheit anzugehören schien. Doch... war das unbedingt etwas schlechtes? Er sah Cadice dabei zu, wie sie ihren sinnlichen Körper in Stoff und Leder schnürte und dachte über diese eine Frage nach. Hatte er sich nicht immer nach etwas ähnlichem gesehnt? Eine Chance den Laden hinter sich zu lassen, die Möglichkeit wieder unter seinesgleichen zu sein? Nun, hier war sie - auch wenn er sie sich ein wenig anders vorgestellt hatte...
„Glaser … Murmel … Eine Glasmurmel verschwindet aus der Tasche eines Dunkelelfen, der zu einem Gnom gehört, der zuvor bei einem Glaser gesehen wurde. Die Glaserei brennt ab und das Geheimnis um die Murmel, nimmt er mit in sein Grab. Ja, das passt zu Dunkelelfen!! Das so ein kleines Ding, so viel Ärger bereiten kann!“
Roac nickte zustimmend und versuchte sich die gläserne Kugel zurück ins Gedächtnis zu rufen. Wenn er damals nur gewusst hätte, wie verhängnisvoll sie war. Aus dem Fenster damit und weg wäre sie gewesen.
"Seit wann ist das Dunkle Volk für ihre Murmelspieler bekannt? Was liegt ihnen an einem Stück Glas? Oder... vielleicht ist es gar kein Glas. Es kann auch etwas drin sein... etwas von unschätzbarem Wert. Die Murmel kann verzaubert sein, mit irgendeinem magischen Spruch... was weiß ich. Ein Fluch vielleicht, der jedem der sie berührt Unglück bringt! Würde zumindest einiges erklären..."
Zum Glück bemerkte sie seine kleine Spitze nicht und warf ihm nach kurzem Weitergrübeln seinen Geldbeutel zu. Roac zählte nicht nach, mittlerweile rechnete er nicht mehr damit von ihr bestohlen zu werden. Weniger rechnete er aber damit, das bezahlte Geld wieder zurückzubekommen. Deshalb wunderte er sich nur kurz, warum der Beutel eine Spur schwerer zu sein schien - sagte aber weiter nichts. Nun war es an ihr ihn zu necken. Dass sie sich immer noch an seinen kleinen Schmäh erinnerte ließ ihn trotz allem leicht schmunzeln.
"Mit dem Startkapital würden wir nicht weit kommen. Ein Gemüsestand vielleicht... ein Fischstand wenn wir deine Kleider verkaufen. Aber nackt wirst du wohl mehr Blicke auf dich ziehen als der Fisch. Und am Ende wirst du wieder zur Hure und ich bleib auf 'nem Haufen ranziger Gräten sitzen. Nein, mit unserer Partnerschaft wird es nichts mehr fürchte ich..."
Der Hehler wunderte sich wie schnell er wieder zum Scherzen aufgelegt war. Vielleicht hatte Cadice es auch darauf abgesehen, denn als sie auf ihn zutrat zeigte sie ihr triumphierendes Lächeln. Roac musste sich mehr als einmal zwingen sich daran zu erinnern, wie sie ihn hier hergebracht hatte. Wenn es um seine Freiheit ging, verstand er keinen Spaß. Doch wenn sie es wirklich getan hatte um ihm zu helfen...
„Mal abgesehen von deiner schlechten Laune, die ja irgendwie verständlich ist und deinen Beleidigungen, die ich - vielleeeeicht ein klitze kleines bisschen verdient habe … finde ich dich ganz nett. Die „verrückte Hure“ war nicht ganz so schön, aber hab echt schon Schlimmeres gehört. Also wenn's nach mir ginge, dann könntest erst mal hier bleiben, wenn du magst. - Geht aber nicht nach mir.“
Sie ging an ihm vorbei während Roac über das gesagte nachdachte. Hierbleiben? Im Zunftgarten? War das überhaupt möglich? Dann wiederum - hatte er eine andere Wahl?
„Na los. Komm mit. Gibt da ein paar Leute, die schon ganz aus dem Häuschen sind, weil der berühmte Rabe im Haus ist ...“
Verwirrt setzten sich seine Füße in Bewegung und er folgte ihr leicht humpelnd aus dem Raum. Der berühmte Rabe... Schon früher hatte er sich darüber gewundert, wie schnell sich sein Ruf in der Stadt verbreitet hatte. Zugegeben, er hatte seinen Teil getan um ihn sich zu verdienen. Es war keine Prahlerei zu behaupten, dass die meisten Gitterstäbe, die heute die Fenstern der Adelshäuser schmückten seinetwegen angebracht worden waren. Dass er deshalb unter den gemeinen Dieben eine Art Kultstatus innehatte, war keine Neuheit für ihn. Aber bei der berüchtigten Diebesgilde?
"Lulu... Cadice?"
Reichte "ganz nett" womöglich schon aus um sie bei ihren richtigen Namen nennen zu dürfen?
"Was erzählt man sich so über mich? Außer das ich tot bin?"

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Samstag 21. März 2015, 18:19

Mit den Hüften schwingend war sie voran gegangen, blieb jetzt kurz stehen und sah ihn über die Schulter hinweg an. Sie zuckte mit läppisch mit den Schultern und meinte:
„Du kannst mich nennen, wie du möchtest. Mir ist es gleich. Es kommt drauf an, wer ich für dich bin. Lulu, die Dirne oder Cadice die Freundin … Das musst du selbst entscheiden.“
Der Wimpernkranz ihres linken Auges wanderte hinab und hinauf und sie warf ihm einen kecken Blick zu, der deutlich auf ihre jüngste, gemeinsamen Stunden unter einer Decke abspielte. Mit Lulu oder Cadice unter einer Decke zu stecken, war nun wirklich nichts unangenehmes gewesen. Einmal hatte er sogar gerne dafür bezahlt und das zweite Mal war es ihm zurück gegeben worden. Nur seine „Rettungsaktion“ war über seinen Kopf hinweg entschieden worden und so wie es nach den letzten Ereignissen aussah, vielleicht sogar wirklich seine Rettung gewesen. Sobald der Dunkelelf mitbekommen würde das der Rabe ausgeflogen war, würde er sicher Bericht erstatten und was dann mit der „schwarzen Feder“ geschah, stand in den Sternen. Hase und auch er waren in den Räumlichkeiten des Hehlerladens nicht mehr sicher und hier, wo auch immer das genau war, war offensichtlich das dunkle Volk noch nicht vorgedrungen. Mit jedem Schritt, den Roac durch dieses Labyrinth aus Fels und Wurzeln tat, wurde ihm das klarer.
„Oh … ja … In manchen Geschichten, bist du tot, in anderen hat sich der tollkühne Rabe in eine Rauchschwade verwandelt und ist durch das höchste Turmfenster des Palastes geflogen, um Hendrik's Krone zu stehlen. Seit dem trägt er nur noch eine Fälschung … Die mystischen Geschichten gefallen mir persönlich am besten, aber du kannst dir sicher denken, was so für Gerüchte entstehen können, wenn keiner etwas genaues weiß.“
Sie kamen an mehreren Abzweigungen vorbei und Roac begann den Eindruck zu gewinnen, dass es leicht abwärts ging. Cadice verwand mal hier, mal da zwischen Fels und Gestrüpp und Rabe folgte ihr. Ab und an begegneten sie auch der ein oder anderen schmutzigen Gestalt, die hier wohl lebten und sie neugierig betrachteten, doch nicht näher kamen. Sehr selten drang Tageslicht in diese unterirdischen Gänge und Höhlen und manchmal hatte man den Eindruck sich unter einer Ruine zu befinden, da doch Spuren von behauenem Stein und gebrochenen Verzierungen zu finden waren. Eine ganze Weile ging es so weiter und tiefer unter die Erde, bis Lulu eine Fackel entzündete, die sie aus einer Nische hervor holte. Ein paar Biegungen und Ecken weiter standen sie dann vor einem recht großen, schwarzen Loch im Boden und sie grinste, als ginge es um eine Mutprobe. Sie stellte sich mit dem Rücken zu dem dunklen Abgrund, drehte sich, tanzte und sang leise:
„Roac. Roac. Rabe. Schwinge der Nacht.
Hast Dunkelheit zu deinem Freund gemacht.
Roac. Roac. Rabe. Hörst du mein Flehen,
doch keiner kann dich im Schatten sehen.
Roac. Roac. Rabe. Dein Ruf erklingt.
Roac. Roac. Rabe. Der Vogel deinen Namen singt.“
Roac klang dabei jedoch so anders, dass es tatsächlich mehr dem Krächzen eines Raben ähnelte, als einem Namen. Dann sah sie abwechselnd in den scheinbar bodenlosen Abgrund und zu ihrem Begleiter.
„Na? Angst?“
Sie grinste schief und etwas glitzerte verrückt in ihren Augen.
„Es ist ganz einfach, versprochen! Wenn du die Geheimnisse untererer Welt erfahren willst, dann musst du springen und ich führe dich in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus! Wenn nicht ... steht es dir frei zu gehen."
Sie breitete den linken Arm aus und machte einen kleinen Knicks.
"Nach dir ... wenn du es wagst."
Das war definitiv ein Sprung ins Ungewisse und ob es danach ein „Zurück“ gab, stand noch nicht geschrieben. Die hübsche Frau an Roac Seite machte nicht den Eindruck, als ob sie lange warten würde, denn sie bückte sich, zog den hinteren Saum ihres Rockes zwischen den Beinen hindurch und stopfte ihn vorne unter den breiten Gürtel. Sprungbereit stand sie da und sah ihn auffordernd an, als gäbe es für ihn keine andere Wahl. Und doch hatte Roac diese.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Dienstag 24. März 2015, 21:08

Während Roac seiner (Ent)Führerin nachstapfte, versuchte er sich den Weg einzuprägen. Links, rechts, vorbei an einer weiteren Tür, links, noch einmal links, an einer Weggabelung vorbei, rechts... Schon bald hatte er die Orientierung verloren und gab resigniert auf. Für den Rest ihres Weges nahm er damit Vorlieb, Cadice Kehrseite zu betrachten. Ein Anblick, der durchaus seinen Reiz hatte.
"Gibt es noch etwas dazwischen? Zwischen Dirne und Freundin meine ich..."
Roac rätselte wie viele Namen und damit verbundene Persönlichkeiten sie ihm noch verschwieg. Er schätzte nicht wenige. Eine weitere Frage lag dem Hehler auf der Zunge, nach kurzem Überlegen entschied er sich jedoch sie für sich zu behalten. Die Frau, mit der er sich zuvor auf dem Fell vereint hatte - war es nun Lulu oder Cadice gewesen? Unwichtig. Bald schon vergaß er den Gedanken und lauschte ihren Worten. Sie rangen ihm ein verschmitztes Lächeln ab.
"Soso, in Rauchschwaden aufgelöst... allerhand. Kaum tauchst du einmal drei Jahre unter, wirst du schon zum Stoff aus dem die Märchen sind. Und warum hab ich angeblich nur die Krone mitgehen lassen? Die Zeit den alten Bastard abzustechen hätt' ich mir doch auch noch nehmen können..."
Schmunzelnd schüttelte er den Kopf. Geschichten und Ammenmärchen - mehr war also von seiner Laufbahn als Dieb nicht übrig geblieben. Wenn er darüber nachdachte, war dies gar nicht so überraschend. Es war damals alles sehr schnell gegangen. Eine Woche hatten er und Lares Bande sich für ihre vermeintlichen Ruhmestaten noch feiern lassen, die nächste waren sie schon von der Bildfläche verschwunden. Seine Freunde gehängt, der Fuchs auf der Flucht und er, Roac, an eine Krücke geklammert hinter der Theke der Feder, die damals noch nicht einmal einen Namen hatte. Doch solch eine Geschichte erzählte sich bei weitem nicht so gut wie die des schattenhaften Meisterdiebs, mit dem der Hehler schon lange nichts mehr gemein zu haben schien...
Ihre Reise ins Unbekannte ging weiter und Roac wunderte sich mit der Zeit wie tief sie eigentlich unter der Erde waren. Der Pfad ging immer weiter schräg abwärts, verlief in Spiralen und Bögen und schlängelte sich zwischen knorrigen Baumwurzeln und Felsbeständen hindurch. Obwohl dieser Ort vollkommen verlassen wirkte, trafen sie oftmals auf das ein oder andere schäbige Individuum, Landstreicher vermutlich, die ihnen aus halbblinden Augen entgegenblinzelten nur um darauf in einem der vielen Seitengänge zu verschwinden. Roacs Angespanntheit stand dabei im krassen Gegensatz zu Cadice heiterer Gelassenheit und er prüfte nicht nur einmal, ob Dolch und Knüppel noch an ihrem Platz waren. Schließlich entzündete seine Begleiterin eine Fackel und führte ihn in einen Raum, der von einem mehrere Mann breiten Loch dominiert wurde. Sie drehte sich zu ihm um und grinste breit angesichts seiner skeptischen Miene. Der Singsang in den sie danach einstieg hallte merkwürdig von den Wänden wieder. Er hörte sich bekannt an, hatte der Hehler ihn nicht schon einmal irgendwo aufgeschnappt...?
„Roac. Roac. Rabe. Schwinge der Nacht.
Hast Dunkelheit zu deinem Freund gemacht.
Roac. Roac. Rabe. Hörst du mein Flehen,
doch keiner kann dich im Schatten sehen.
Roac. Roac. Rabe. Dein Ruf erklingt.
Roac. Roac. Rabe. Der Vogel deinen Namen singt.“

Trotz ihrer hellen Stimme und dem aufreizenden Tanz fühlte sich Roac bei ihrer kleinen Darbietung etwas unwohl. Es kam ihm vor als wäre er Teil einer heidnischen Beschwörung, einer Huldigung eines mystischen Wesens der bar jedes Menschlichem war. Was sahen diese Fremden in ihm, warum gab es immer noch Reime wie diesen die dem Raben gewidmet waren? Er war doch... nur ein Dieb?
Als sie fertig war richtete sich Roacs Aufmerksamkeit wieder auf die Grube vor ihnen. Das wilde Glitzern in Cadice Augen sagte alles, dennoch wies sie ihn angeregt auf das bevorstehende hin. Ihr Blick war dabei durchgehend auf ihn gerichtet. Sie genoss es sichtlich ihn so zu fordern, ihn zu testen. Sie wollte sehen, wie er auf ihr Angebot reagierte. Angst? Der Hehler trat einen Schritt vor und sah in die tiefe Schwärze hinab. Sie war derjenigen ähnlich, die er Nacht für Nacht hindurch in seinen Albträumen hinabstürzte. Er sah auf und erwiderte ihren Blick mit einem ausdruckslosem Gesichtsausdruck. Ob sie wusste wie nahe ihre Stichelei der Wahrheit entsprach?
"Was ist dort unten? Schlangen? Angespitzte Pfähle? Eine wilde Meute die jedem Idioten der dort hinunterspringt den Geldbeutel abnimmt und ihn dann bewusstlos liegen lässt?"
Seine Stimme war ruhig, zu ruhig um seinen schwachen Scherze den gewünschten Humor mitzugeben. Als Cadice ihm nicht antwortete seufzte er und strich sich die Haare aus der Stirn. Dies hier war seine erste Prüfung. Sie wären nicht auf dem richtigen Weg zur Diebesgilde, wenn sich darauf keine Hindernisse zeigen würden, oder? Für einige Sekunden stapfte er um das Loch herum, hin und hergerissen was er tun sollte. Doch er brauchte sich nichts vormachen. Er wusste bereits, was er tun musste. Schließlich fand er sich breitbeinig vor dem gähnenden Schlund wieder. Auf einmal war ihm bewusst wie laut sein Herz in der Brust pochte, hörte wie schnell sein Atem ging. Die Szene aus seinen Träumen wiederholte sich immer wieder und wieder vor seinen Augen, wie sehr er auch versuchte sie auszublenden. Sein Sturz, sein Bein, der Schmerz...
"Ach, Scheiß drauf"
Roac sprang nicht. Nein. Er ließ sich fallen.

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 25. März 2015, 18:26

Sein Herz in der Brust pochte laut. Er hörte wie schnell sein Atem ging. Adrenalin rann prickelnd über seine Haut im Nacken. Die Szene aus seinen Träumen wiederholte sich immer wieder und wieder vor seinen Augen, wie sehr er auch versuchte sie auszublenden. Sein Sturz, sein Bein, der Schmerz...
"Ach, Scheiß drauf."
Er hörte Cadice lachen.
Roac sprang nicht.
Nein.
Er ließ sich fallen.
Ein spitzer hoher Freudenschrei folgte ihm in die Dunkelheit und er fiel. Er sah nichts und fiel, fiel fiel, doch dann kamen schnell die Wände näher. Glatte Wände, die keinerlei Halt boten, glatt wie der Schlund einer trockenen Wasserader. Ungelenk wie er fiel und umher trudelte war er wohl langsamer als Cadice, die kurz nach ihm gesprungen war. Die Luft rauschte in seinen Ohren und er raste der Ungewissheit entgegen, doch dann war auch schon eine Hand bei ihm. Im Fallen griff sie nach ihm, verfehlte ihn, versuchte es noch einmal, packte ihn und die Wände drückten ihn in eine Richtung. Eine jauchzende Stimme japste:
„HhhhiiiiiaaaAarrrrme rann! … aaaaaBeiiiiiine zusaaaaaammen!“
Der Schlund wurde noch enger und langsam konnte man Angst bekommen irgendwann einfach stecken zu bleiben, doch bevor das passieren konnte, wechselte langsam die Richtung und das Fallen ging in ein rasantes Rutschen über. Cadice zog ihn am Kragen näher an sich heran, schlang von hinten ihre Beine um seinen Rumpf und drückte ihn in die richtige Richtung. Mit den Füßen voran sausten sie durch die Dunkelheit und Roac konnte hinter sich das freudige, irre Jauchzen hören. Ganz offensichtlich hatte sie diesen Sprung schon ein paar mal gemacht und sorgte dafür, dass Roac sich nicht doch noch aus Versehen ernsthaft verletzte. Die Röhre machte ein paar enge Biegungen, die einem die Haut von den Knochen reißen konnten, doch bis auf ein paar Blaue Flecke würde Roac nicht passieren. Die Rutschpartie machte eine plötzliche Wende und durch den Schwung wurden sie durch eine Senke getragen und in eine leichte Aufwärtsbewegung katapultiert. Dann war plötzlich alles blendend hell und jeder Widerstand um sie verschwunden. Die Sekunde des freien Falls endete abrupt in einem dumpfen *Pumff*und irgendetwas weiches, leichtes, flauschiges schloss sich um sie. Weiß- gräuliche Flocken umhüllten sie und Cadice anhaltendes Kichern zeigte ihm, dass sie wohl angekommen waren. Der weiche Untergrund, die Wolle die sie umgab, waren für Roac fast so schlimm wie Treibsand und so kam er nur mühsam vorwärts.
„Versuch nicht zu laufen. Roll dich. Hihihi... Das ist leichter.“
, hörte er gedämpft ihre Stimme sich entfernen und kämpfte sich dann erfolgreicher aus dem Meer aus Schafwoll-Flocken. Als er endlich wieder sehen konnte, erkannte er eine hell erleuchtete Natursteinhöhle, aus deren Decke er gefallen sein musste. An dem Ende, an dem sie sich gerade befanden, war ein gut zehn Meter hoher Haufen Wolle schräg an ein Ende der Höhlenwand aufgetürmt worden, von dem er sich nun langsam herunter rollen ließ. Geradezu, am anderen Ende, wo auch das Licht her kam, nahm die gesamte Front eines majestätischen Palastes mit Säulen und filigranen Ornamenten seine Aufmerksamkeit in Beschlag. Der Anblick war atemberaubend! Als hätten die Steinmetze dieses Kunstwerk aus einem Stück erschaffen. Um so mehr sich Roacs Augen an das seltsame Licht gewöhnten, um so mehr Einzelheiten offenbarten sich ihm. Es gab ihn also wirklich! Den unterirdischen Palast der Diebesgilde.
Ulkige Laute zwischen Lachen und Glucksen rissen ihn aus dem Staunen heraus.
Cadice ließ sich gerade, ein Stück vor ihm entfernt, den weichen Hang hinter kullern. Direkt in die Arme eines Mannes, der sie auffing, herum wirbelte und inniglich küsste. Er war bestimmt 1,90 und hatte dunkles rotbraunes, langes Haar, dass ihm wild über die Schultern hing. Seine Haut war von der Sonne gebräunt und seine Kleidung die eines Kämpfers. Was sofort auffiel, war seine Adlernase, leicht gebogen und scharf geschnitten. Auch die Augen waren ungewöhnlich hellbraun, fast gelblich und auf Cadice gerichtet. Hinter seinen breiten Schultern ragten die Griffe zweier Schwerter hervor und auch ohne sie machte er einen gefährlichen Eindruck. Doch so wie er gerade Cadice umarmte und sie sich ihm entgegen streckte, war er wohl keine akute Gefahr. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinne. Cadice drückte sich lachend von ihm weg, was er nur widerwillig zu ließ und grinste ihn an.
„Ich hab da jemanden neuen mitgebracht. Einen bekannten Namen! Adler … Darf ich vorstellen ...“
Sie drehte sich um und sah Roac an.
„Rabe.“
Der Mann den sie Adler genannt hatte, zog überrascht die Bauen hoch. Mit ein paar langen Schritten war er bei Roac und griff freundschaftlich die Hand, um ihm auf die Beine zu helfen. Dann trat er einen Schritt zurück und betrachtete Roac eingehend. Wie auch Roac hatte er von Cadice überall Woll-Flocken, aber das schien hier niemanden zu stören. Aus der Nähe betrachtet war er nicht viel älter als er, vielleicht Anfang Dreißig.
„Rabe also! Interessant! Wir dachten alle hier, Rotfuchses Sprössling sei tot?! Aber wie es aussieht – doch nicht und quick lebendig. Den Sprung hat er ja heil überstanden … Geht es euch gut? Seid ihr unversehrt und bereit zu neuen Schandtaten?“
Er grinste und suchte mit den Augen nach Verletzungen.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Mittwoch 1. April 2015, 03:10

Cadice würde ihn schon nicht in den sicheren Tod stürzen lassen. Nicht hier, nicht nach all den Mühen ihn in dieses unterirdische System aus Gängen zu verschleppen. Wie tief konnte der Schacht denn höchstens sein? Zehn, maximal 15 Meter... bestimmt nicht mehr, denn alles andere wäre Wahnsinn! Es war kein Wasser zu hören, also war der Boden vermutlich mit Heu oder etwas anderem Weichem bestückt. Es gab absolut keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Ein kurzer Augenblick und es wäre vorbei. Er würde das schaffen - auch wenn es tausend Dinge gab, die er im Moment lieber tun würde.
Mit diesen und ähnlichen Gedanken hatte Roac sich in die tiefe Schwärze gestürzt, blind und ahnungslos was ihn dort erwarten würde. Sofort bereute er es als er merkte, dass etwas nicht stimmte. Er wurde schneller und schneller und schneller... der Schacht war viel zu tief! Bei dieser Geschwindigkeit würde alles Heu der Welt nicht helfen um ihren Sturz zu federn!
„HhhhiiiiiaaaAarrrrme rann! … aaaaaBeiiiiiine zusaaaaaammen!“
Gegen das Rauschen des Gegenwindes, hörte er sie nur schwach. Doch es machte keinen Unterschied, der Hehler konnte ihren Ausführungen ohnehin nicht folgen. Sein ganzer Körper hatte sich verspannt, jeder einzelner Muskel zusammengezogen. Die Augen waren fest zusammengekniffen, die Hände zu Fäusten geballt. Jede einzelne Sekunde wurde zu einer Ewigkeit in der sie auf das Unausweichliche zusteuerten. Den Aufprall. Das furchtbare Knacken. Der Schmerz. Die leise Angst, die ihn oben am Abgrund sanft umklammert hatte, packte nun mitten im Fall zu und ließ ihn nicht mehr los. Im Zischen der Luft lag etwas unsagbar böses. Eine hämische Stimme, die ihm ins Ohr säuselte: "Ich hab dir... dein Bein genommen... jetzt nehm ich mir... den Rest!"
Auf einmal spürte Roac eine Hand an seinem Kragen. Er sträubte sich zuerst und versuchte sie abzuschütteln, doch dann riss er sich im letzten Moment zusammen. Es war Cadice und sie schrie aus voller Kehle. Nicht etwa aus Angst, nein. Vor Freude.
"Duu verrrrüückteee...!"
Vor Wut vergaß er warum er die Augen geschlossen hielt und sah mit einem Mal wie die Felswände um sie herum näher kamen. Mit der rechten Schulter schrammte er für einen Sekundenbruchteil an sie an, doch der Stein war so glatt, dass nicht einmal der Mantel riss. Kurz darauf gab es einen kleinen, unsanften Ruck und sein Magen machte einen beherzten Sprung. Aus fallend wurde rutschend. Die immer noch wild johlende Cadice eng an sich geklammert, zog sie der Sog mal nach links, mal nach rechts. Bis sich zu ihrem Fußende endlich ein Licht fand und sie im hohen Bogen aus dem Tunnel gespuckt wurden.
Roac schlug in dem Wollberg ein wie ein Komet, überschlug sich und blieb schließlich mit dem Gesicht versenkt in der weichen, weißen Masse zum liegen. Erst nach einer guten Weile begann er damit sich mit noch zittrigen Händen freizugraben. Cadice war irgendwo neben im gelandet und schien sich bestens amüsiert zu haben. Während er sich schwerfällig aufrichtete, war sie schon auf dem Weg den Berg hinunter.
„Versuch nicht zu laufen. Roll dich. Hihihi... Das ist leichter.“
"Ich roll dich gleich, wenn du...!"
Der Rest seiner zweifellos schlagfertigen Antwort blieb ihm im Halse stecken als er sich das erste Mal seiner Umgebung bewusst wurde. Sie befanden sich in einer riesigen Höhle mit langen Stalaktiten an der Decke. Die Wände waren rau und uneben, ganz anders als der Tunnel, der vom Wollberg immer noch zu sehen war. Doch was Roac im Moment fesselte, war das Bauwerk, dass den gegenüberliegenden Teil der Höhle dominierte. Der Palast der Diebesgilde. In den Erzählungen hieß es, er bestünde aus Gold oder gar Diamanten. Doch die Art wie er nahtlos in die Felswände überging, ja wahrscheinlich seinen Ursprung in ihnen gefunden hatte, war nicht weniger beeindruckend. Roac war im Anblick des Palastes so vertieft, dass er Cadice nur aus den Augenwinkeln sah. Er bemerkte den Fremden erst, als sie ihn schon um den Hals fiel und küsste. Verblüfft blieb er stehen und vergaß, dass die weiche Masse unter ihm nicht unbedingt guten Halt gab. Mit einem halblauten Fluch schlitterte er den Hang hinunter.
"„Ich hab da jemanden neuen mitgebracht. Einen bekannten Namen! Adler … Darf ich vorstellen ... Rabe"
Im selben Moment landete er plump vor ihren Stiefeln. Auf allen Vieren und mit rotem Kopf richtete er sich auf und schwankte, belastete zu schnell sein schwaches Bein und wäre fast wieder hingefallen, hätte ihm der Fremde nicht aufgeholfen.
"Nicht nötig"
Er schüttelte seine Hand ab und schaffte es schließlich schwankend auf die Füße zurück. Während er sich die Wollfäden vom Mantel klopfte, hatte er die Gelegenheit sein Gegenüber aus nächster Nähe zu betrachten. Er war ein ungewöhnlicher Mann, womöglich ein Ausländer. Der Fremde war groß, kräftig und schwer bewaffnet. Sein Erscheinungsbild passte besser zu einem Söldner, als zu einem Dieb. Er erinnerte Roac ein wenig an Bär, doch der war noch eine Spur breiter gewesen und bevorzugte schwere Keulen gegenüber Schwertern. Außerdem war es nicht schwer darauf zu kommen, woher Adler seinen Spitznamen hatte. Der Mann hatte etwas raubvogelartiges. Im Moment wirkte er jedoch aufrichtig freundlich.
„Rabe also! Interessant! Wir dachten alle hier, Rotfuchses Sprössling sei tot?! Aber wie es aussieht – doch nicht und quick lebendig. Den Sprung hat er ja heil überstanden … Geht es euch gut? Seid ihr unversehrt und bereit zu neuen Schandtaten?“
Der Hehler hob bei so viel Enthusiasmus die Brauen. War dies womöglich die Standardbegrüßung für alle Neulinge?
"Nein. Aber bis jetzt war das auch noch kein Problem..."
Er warf Cadice einen kurzen Seitenblick zu. Sie stand unschuldig grinsend neben Adler, der den Arm noch immer um sie geschlungen hielt. Das sie mehr als nur gute Bekannte waren, war deutlich ersichtlich. Allein wie sie ihn geküsst hatte... Aber was hatte er auch von einer Frau erwartet, die scheinbar zum Vergnügen als Freudenmädchen arbeitete ? Die Chancen standen gut, dass sie hier unten noch mehreren Männern begegnen würden denen sie sich um den Hals werfen würde. Und dennoch... obwohl er es besser wissen sollte, spürte Roac den leisen Stich der Eifersucht in seinen Gliedern. Er ließ sich jedoch nichts anmerken. Wer wusste schon wie Adler darauf reagieren würde wenn er erfuhr, dass Cadices Lippen vor wenigen Minuten einen anderen geküsst hatten?
"Ich bin hier, weil mein Laden wahrscheinlich gerade von Dunkelelfen ausgeräumt wird. Ich hab Hase geholfen, eurem Frischling. Hat in die falsche Tasche gegriffen und sich so ein paar Freunde gemacht. Freunde mit scharfen Schwertern. Nachdem ich ihn nicht dazu bringen konnte mir zu verraten wie ich euch kontaktieren kann, bin ich auf Cadice gestoßen und hab sie zu ihm geführt."
Dass er zuvor in sie gestoßen war, behielt er mal vorsichtshalber für sich.
"Sie hat mir gesagt, dass ihr mir Unterschlupf bieten könntet. Ich sollte mich für ne Weile nicht in der Stadt sehen lassen schätze ich."

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 1. April 2015, 22:39

"Ich hab dir... dein Bein genommen... jetzt nehm ich mir... den Rest!"
Roac Geist spielte ihm böse Streiche, in dem er ihm Stimmen sandte, die gar nicht da waren, doch auf einmal spürte Roac eine Hand an seinem Kragen. Er sträubte sich zuerst und versuchte sie abzuschütteln, doch dann riss er sich im letzten Moment zusammen. Es war Cadice und sie schrie aus voller Kehle. Nicht etwa aus Angst, nein! Vor lauter Freude und sie hielt ihn fest. Schon wieder half sie ihm auf ihre verrückte Weise.
"Duu verrrrüückteee...!"
Der erhoffte Fall in einen Heuhaufen, hatte sich gar zu schnell als einen Sturz ins Bodenlose entpuppt und später in eine rasante Rutschpartie. Die Ankunft am Diebespalast hielt gleich noch eine weitere eher unangenehme Überraschung bereit. Eine der emotionalen Art, die einen wie eine Biene stach und den zuckenden Stachel der Eifersucht zurück ließ. Der Mann den Cadice Adler nannte, hatte ihr Rollen beendet, sie aufgefangen und in die Arme genommen. Der Kuss jedoch war das eigentliche Bienengift, dass Roac schmerzte. Cadice drückte sich zwar lachend von ihm weg, was er nur widerwillig zu ließ, grinste ihn an, aber das Gift der Eifersucht zeigte Rabe anscheinend ein vollkommen anderes Bild. In seiner Wahrnehmung war es Cadice, die den Adler um den Hals fiel und küsste. Doch das schlimmste wahr wohl, das ehrliche und freundliche Lächeln des Mannes, der sie in dieser Tiefe begrüßte und ihm helfend die Hand entgegen streckte.
"Nicht nötig"
Er schüttelte seine Hand ab und schaffte es schließlich schwankend auf die Füße zurück. Er erinnerte Roac ein wenig an Bär, doch der war noch eine Spur breiter gewesen und bevorzugte schwere Keulen gegenüber Schwertern. Außerdem war es nicht schwer darauf zu kommen, woher Adler seinen Spitznamen hatte. Der Mann hatte etwas raubvogelartiges. Im Moment wirkte er jedoch aufrichtig freundlich, als er sich nach seinem Befinden erkundigte.
"Nein. Aber bis jetzt war das auch noch kein Problem..."
Er warf Cadice einen kurzen Seitenblick zu und Adler folgte seinem Blick mit fragender Miene. Wer wusste schon wie er darauf reagieren würde wenn er erfuhr, dass Cadices Lippen vor wenigen Minuten einen anderen geküsst hatten?
"Ich bin hier, weil mein Laden wahrscheinlich gerade von Dunkelelfen ausgeräumt wird. Ich hab Hase geholfen, eurem Frischling. Hat in die falsche Tasche gegriffen und sich so ein paar Freunde gemacht. Freunde mit scharfen Schwertern. Nachdem ich ihn nicht dazu bringen konnte mir zu verraten wie ich euch kontaktieren kann, bin ich auf Cadice gestoßen und hab sie zu ihm geführt."
Dass er zuvor in sie gestoßen war, behielt er mal vorsichtshalber für sich.
"Sie hat mir gesagt, dass ihr mir Unterschlupf bieten könntet. Ich sollte mich für ne Weile nicht in der Stadt sehen lassen schätze ich."
Adler sah immernoch Cadice an und machte ein leises Geräusch, dass sich wie ein zustimmendes:
„Hmhm.“
, anhörte. Gefolgt von der noch leiseren Feststellung:
„So so. Hat sie das … „
und der Frage an sie:
„Ich vermute, Luchs hängt da auch irgendwie mit drin, oder?“
Die junge Frau grinste nur breit und Adler seufzte resigniert, bevor er sich wieder Roac zuwandte. Cadice flüsterte leise:
„Wie hätte ich ihn sonst alleine hier her bekommen sollen … und er ist schließlich RABE!“
„Das klären wir später! Du machst wirklich nur Ärger … Ich werde jemanden schicken müssen, der seinen Laden auskundschaftet und diese Dunkelelfen. Hast du ihm wenigstens erklärt, worauf er sich eingelassen hat?“

Stille.
„Hast du also nicht.“
„Nicht so direkt, aber er muss es doch wissen … Rotfuchs hat ihn doch sicher … Er ist RABE!“

Adler schloss einen Augenblick lang die Augen und atmete tief durch. Er sah Roac fast ein wenig entschuldigend an, zuckte dann mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Es gelten für alle die gleichen Regeln. Nur … für die Umstände, und Art und Weise wie ihr hier her gelangt seid, können wir uns nur entschuldigen. Nichts desto trotz befindet ihr euch, wie ihr sicher schon ahnt, mitten im Aufnahmeritual in die Diebesgilde. Die ersten zwei Prüfungen habt ihr schon bestanden, meinen Glückwunsch. Die nächsten werden für den RABEN sicher ein Leichtes.“
Zwei Prüfungen? Sollte Roac besser nachfragen um welche sich es da neben dem Sprung noch als erstes gehandelt hatte, oder lieber schweigend dem Kommenden entgegen sehen? Adler wandte sich derweil schon ab und ging mit langsamen Schritten auf den beeindruckenden Eingang des Palastes zu. Zwischen den riesigen Säulen kam sich jeder normale Sterbliche wohl winzig vor, aber am spannendsten waren die Spiegel. Große blank polierte Teller schickten das Licht von einer fernen Quelle in die entlegensten Winkel dieser unterirdischen Anlage. Aber auch die vielen Löcher in den Höhlenwänden und in den versteckten Nischen waren interessant und zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Die ganze Struktur musste hier durchlöchert sein wie ein Käseleib, der den Mäusen zum Opfer gefallen war. Die Luft war zwar erfüllt von einem kalkigen Geruch, aber nicht abgestanden oder moderig. Dieses unterirdische Bauwerk besaß also ein gut funktionierendes Lüftungssystem. Nachdem sie das Portal passiert hatten, öffnete sich dahinter eine noch weit aus größere Höhle und überrollten einen fast mit ihrer Liebe zum Detail. Von dort wo sie standen, hatte man einen hervorragenden Überblick über das vor ihnen Liegende. Roac trat vor Cadice und Adler, die ihm zwischen sich, auf einer Art Balkon, Platz gemacht hatten. Es gab zwei Wege. Der erste und offensichtliche, war eine hoch angelegte Brücke auf der jeweils abwechselnd links und rechts im Abstand von geschätzten zwanzig Schritten, steife Wächter in glänzenden Rüstung, mit schmalen Visieren und schimmernden Waffen standen. Um so weiter man nach hinten blickte, um so unterschiedlicher wurden sie jedoch auch. Am Ende der Brücke schienen zwei sogar auf Stühlen zu sitzen, einer sogar schlafend? Alles war in schummriges Licht getaucht. Nur auf der Brücke warfen die Spiegel helle Kreise um die Wächter und nur ein schmaler Pfad führten zwischen diesen und dem daneben gähnenden Abgrund in einer Schlangenlinie hindurch. Der andere, weniger offensichtlichere Weg lag tief darunter und war über zwei schmale Treppen zu erreichen. Dieser war ein weit verzweigtes Labyrinth aus unterschiedlichen Gängen, Türen, Fallen und Hindernissen. Irgendwo plätscherte Wasser und weit hinten brannte etwas, aber beide führten zu einem Ziel, einer Tür am anderen Ende der Höhle. Cadice räusperte sich leise und ließ so Roac hinter sich blicken. Hier auf dem Balkon säumten neben dem breiten Geländer auch Bänke das Halbrund. Auf diesen steinernen Flächen lagen allerlei Gegenstände. Von Angelhaken bis zur Zunderbüchse war alles zu finden. Waffen, Seile, Wurfhaken, sogar Kleidung in unterschiedlichsten Ausführungen. Eben alles was ein Meisterdieb brauchen könnte um jedwedes Hindernis zu meistern, wenn er die richtigen Mittel und den richtigen Weg dazu passend wählte. Sie lächelte ihn aufmunternd an und Adler sah es. Er sah kurz etwas irritiert aus, aber fuhr dann mit seinen Erklärungen fort:
„Die nächste Prüfung erklärt sich wohl von selbst, aber ich sage es trotzdem. Eure Fähigkeiten werden bewertet. Es gibt keine Hilfestellung außer dem was ihr hier seht. Ihr werdet euren Weg finden, oder auch nicht. Wenn das Licht erlischt, ist eure Zeit um. Entweder wir sehen uns in sechs Stunden hinter der Tür oder ihr werdet morgen abgeholt und zurück gebracht.“
Damit stellte er eine etwas seltsame Apparatur ein, die mit einer Art Sanduhr lief und einen der Spiegel bewegte. Der Lichtstrahl wurde so eingestellt, dass er wie die Sonne, von seinem Ursprung über dem Balkon langsam über die kuppelartige Decke der Höhle wanderte, bis zur Tür und dort verlöschen würde. Roac war sofort instinktiv klar, auch die Schatten würden mit diesem Strahl wandern. Adler nahm Cadice am Arm und drehte sich schon nach hinten um, als sie sich los riss, zu Roac hüpfte, ihm einen Kuss auf den Mundwinkel drückte und lächelnd hauchte:
„Ich erwarte euch auf der anderen Seite, also bleibt am Leben, Rabe!“
Jetzt war es wohl Adler, den die Biene stach. Anders konnte man seinen Gesichtsausdruck wohl kaum deuten. Während Cadice und er zurück in die erste Höhle gingen, konnte Roac noch eine leise Frage in der Sprache der Diebe hören:
„Was war das?! Was … “
, doch dann waren sie auch schon verschwunden und hinter Roac schloss sich das riesige Portal. Er brauchte jetzt einen klaren Kopf, wollte er den nächsten Abschnitt überwinden. Er konnte auch einfach hier sitzen bleiben und sich am nächsten morgen zurück in sein alten Leben bringen lassen … Aber wollte er das? Sein Blick streifte über die liebevoll gestaltete Teststrecke. Sobald er einen Schritt in die ein oder andere Richtung tun würde, könnte sein Leben sich schlagartig verändern, vielleicht sogar enden. Aber wie es häufig mit ungewissen Dingen so war, sie waren aufregend und spannend. Er betrachtete die Utensilien die hier bereit lagen. Auf vieles konnte er sich vorbereiten, sicher nicht auf alles, aber zu Improvisation gehörte in seinem Beruf auch Planung. Also womit wollte er sich ausrüsten?
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Mittwoch 8. April 2015, 01:27

Der Hehler sah abwechselnd von Cadice zu Adler und verfolgte ihr Gespräch mit wachsendem Argwohn. Er hatte fest damit gerechnet, dass ihre Ankunft bereits erwartet wurde. Oder waren Hase und derjenige Unbekannte der Cadice dabei geholfen hatten ihn hierher zu bringen - dieser Luchs wie sie ihn nannten - noch nicht zurückgekehrt? Adler schien auf jeden Fall nicht besonders begeistert zu sein ihn hier unten zu sehen. Doch er wusste scheinbar auch, dass Roac nicht unbedingt eine Wahl gehabt hatte. Die ganze Aktion war auf Cadice's Mist gewachsen - und erklärt, hatte sie ihm schon garnichts. Dies und die Tatsache, dass sie von ihm sprach als würde er keinen halben Schritt von ihr entfernt stehen ging ihm allmählich gehörlich auf die Nerven. Rabe hier, Rabe da... seine Begleiterin schien wirklich einen Narren an den alten Geschichten gefressen zu haben. Wahrscheinlich war auch dies der Grund dafür, warum Roac jetzt hier stand. Nun, solange er einen Platz hatte, wo er fürs erste untertauchen konnte, würde er sich nicht beschweren. Doch es kam anders als erwartet...
"Mitten im Aufnahmeritual?! Moment mal..."
Er unterbrach Adler in seinen Erläuterungen und nahm aus den Augenwinkeln war wie Cadice über seinen perplexen Gesichtsausdruck kicherte.
"Von einem Aufnahmeritual war nie die Rede. Es hieß ich könnte mich bei euch bedeckt halten, nicht dass ich mich euch anschließen werde."
Die Aufnahme in die Diebesgilde. Wie so ziemlich jeder Dieb hatte sich Roac darüber Gedanken gemacht. Es hieß man brauchte Mut, Geschick und eine Menge an Potential um Überhaupt einmal in den engeren Kreis der möglichen Anwärter für die Berufung des Meisterdiebs zu gelangen. Die Tatsache, dass niemand genaueres darüber wusste, machte die ganze Sache nur noch mysteriöser. Und jetzt wurde ihm mit einem Mal aus den Blauen heraus mitgeteilt, dass er gerade im Begriff war der Gilde beizutreten? Es wirkte wie ein schlechter Scherz. Aber hier war er, wenige Meter vor dem sagenumwobenen Diebespalast, in der Gesellschaft von Meisterdieben und hatte es immer noch nicht ganz realisiert. Bevor der Hehler sich im Klaren werden konnte, welches Angebot ihm da gerade unterbreitet wurde, hatten sich Adler und Cadice schon umgedreht und winkten ihm ihnen zu folgen. Nach einem kurzen Zögern gab Roac sich einen Ruck und schritt schweigend hinter ihnen her.
Als sie durch das steinerne Portal traten und den Raum mit dem Wollberg hinter sich ließen, tat sich vor ihnen eine weitere, vielfach größere Höhle auf. Anders als die vorherige war sie jedoch noch deutlich aufwendiger bearbeitet. Die Spiegel an den Wänden standen hier gezielter. Es wirkte, als wären manche Stellen bewusst im Dunkeln gelassen während andere wiederum genau ausgeleuchtet wurden. Auch die Akustik dieses Teils der Höhle war anders, irgendwie klarer sodass jeder Schritt gut hörbar war. Erst als sie am Rande einer Felsenterasse hielten, hatte Roac freie Sicht auf den unteren Teil des Raumes. Er hob die Brauen und stieß einen überraschten Pfiff aus, der von den Felswänden widerhallte. Mit den Augen folgte er den beiden Wegen vom Anfang bis zur Tür am Ende der Höhle. Alle beiden waren gespickt mit Hindernissen die offensichtlich nicht nur zum Übungszweck dastanden. In einigen der Stachelfallen meinte er verdreckte Kleidungsfetzen zu sehen. Die befremdlichen Wächter mit ihren Waffen wirkten nicht weniger einladend. Der junge Hehler bezweifelte, dass sie einem Eindringling die Chance zur Flucht geben würden. Roac kniff die Augen zusammen. Wenn dies seine Prüfung war, würde sie keine einfache werden.
Erst auf das Räuspern von Cadice riss er sich vom Anblick des Parkours los und bemerkte die Ausrüstung die um sie herum ausgebreitet lag. Es war eine ziemlich weit gefächerte Ansammlung an nützlichen Utensilien. Waffen, Werkzeug und Sonstiges. Die Qualität der verschiedenen Gegenstände überstieg seine eigene Ware bei weitem. Ein paar Dinge fingen seine Aufmerksamkeit und schon begann er in Gedanken an sie von den anderen auszusortieren. Dann spürte er Cadice Blick auf sich und als er ihr aufmunterndes Lächeln sah, fühlte er sich aus irgendeinem Grund ein wenig besser.
Nachdem Adler fertig gesprochen und die Sanduhr mit dem merkwürdigem Mechanismus eingestellt hatte, wandte er sich ohne weiteres zum Gehen. Roac widerstand ihm einige Fragen nachzurufen - bei Manthala, er hatte genug! Doch er wusste auch, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Fragen war. Er musste mit der Situation alleine fertig werden, seine nächste Prüfung bestehen, auf die eine oder andere Art und Weise. Was auch immer darauf folgen würde war im Moment unwichtig und das Wissen darüber würde ihm im Moment nicht helfen. Also drehte er dem Portal den Rücken zu und wartete darauf, dass sich das schwere Tor hinter ihm Schloss. Was dann kam, hatte er nicht erwartet. Verblüfft sah er den beiden nach, wie sie die Höhle verließen, Cadice gut gelaunt hüpfend während Adler in wildem Rendinea auf sie einredete. Um was es ungefähr ging, konnte Roac sich gut vorstellen.
"Erst fünf Minuten da, und ich mach mir schon die ersten Freunde..."
Der Hehler schüttelte den Kopf und tat an den steinernen Balkon, an dem er sich mit beiden Händen abstützte.

Sssssssssssshh...
Der Sand rieselte leise in die untere Hälfte des Stundenglas, während Roac seine Gedanken sammelte. Zu viele davon schwirrten in seinem Schädel herum um sich auf seine Aufgabe konzentrieren zu können. Cadice hatte ihn belogen. Nun, zumindest hatte sie ihm nicht die volle Wahrheit gesagt. Er war hier unten nicht als Gast angekommen, nicht um für einen zeitlich begrenzten Unterschlupf zu bitten. Von Anfang an, hatte sie geplant, dass er als Anwärter die Prüfungen der Gilde durchlaufen würde. Zwei hatte er schon geschafft, eine ohne Zweifel der Sprung, die andere so vermutete er, hatte wahrscheinlich mit dem Vertrauen einer der Gildenmitglieder zu tun. Und die dritte, die ihm noch bevorstand, würde sein Talent auf die Probe stellen. Es war eine ernstzunehmende Herausforderung. Man hatte ihm keinen Hehl daraus gemacht, dass er dabei sterben konnte. Und auch wenn Adler ihm ein Zurück angeboten hatte - gab es das für ihn überhaupt noch? Die Lage an der Oberfläche hatte sich vermutlich keinen Deut gebessert, seit er hier unten war. Wie konnte er zu seinem Laden zurückkehren, wenn dort das Dunkle Volk schon auf ihn warten und ihn über diese mysteriöse Glaskugel ausfragen würde?
Ssssssssssssshh...
Aber... wollte er das überhaupt noch? Zurück hinter die Ladentheke? Den trostlosen Alltag wieder über sich ergehen lassen? Hatte er nicht in den vergangenen drei Tagen mehr erlebt, mehr gelebt als in den drei Jahren seit er unfreiwillig Hehler geworden war? Hehler - wie er diesen Begriff hassen gelernt hatte. Er passte einfach nicht zu ihm! Er war kein alter Mann, der für nichts anderes mehr taugte, als in einem Laden zu stehen und verstaubte Waren anzubieten. Er war ein Dieb. Ein verdammt guter noch dazu! Dies war die Chance, auf die er so lang gewartet hatte. Er würde sie sich nicht nehmen lassen. Nicht wegen einem gebrochenen Bein und vor allem nicht durch Angst.
Sssssssssssshh...
Roac schlug sich in die Hände und knackte mit den Fingerknöcheln. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann er das letzte mal so voller Tatendrang gewesen war.
"Gehen wirs an... Gib ihnen was zu erzählen Rabe..."
Ohne noch zu wissen, für welchen der beiden Wege er sich entscheiden würde, entschloss er sich fürs erste sich auf beide vorzubereiten. Er schritt zu den Tischen mit den Ausrüstungsgegenständen und griff nach kurzer Überlegung nach einem ledernen Rucksack, der mit mehreren Gurten versehen war. Mit geübten Griffen stellte er sie auf die richtige Größe ein, sodass er eng an seinem Rücken anlag und auch bei schnellen Bewegungen nicht verrutschen konnte. Es gab nur eine Innentasche und ein seitliches Fach, doch beide konnte er mit der Rechten jederzeit erreichen, ohne ihn ablegen zu müssen. Zufrieden stellte er ihn beiseite und ging zum nächsten Tisch, auf dem allerhand Werkzeug lag.
Nach kurzer Zeit hielt er eine Reihe verschiedener Dietriche, ein Rolle feines Drahtseil, einen Meißel, eine Feile und einen kleinen Hammer in der Hand, die er in den Rucksack legte. Vielleicht stieß er ja irgendwo auf eine verschlossene Tür oder konnte im Idealfall ein paar der Fallen entschärfen. Darauf folgte ein Wurfhaken samt Seil, bei dem er zuvor den Knoten überprüfte. Bei der Fläche mit den Waffen ging er anfangs vorbei, hielt aber schließlich inne, als ihm eine handliche Armbrust ins Auge fiel. Roac hob sie hoch und wog sie in der Hand. Er hatte keinerlei Erfahrung mit Schusswaffen, doch wenn Rudlof und seine Kameraden damit umgehen konnten, würde es wohl nicht allzu schwer sein. Deshalb probierte er es sogleich aus. Er stützte die Waffe an der Brust ab und spannte die Sehne an den gebogenen Spannhebel. Danach griff er sich einen Bolzen und führte ihn ein. Unschlüssig zielte er auf einen Punkt links neben dem Felsportal und drückte ab. Das Geschoss verfehlte das von ihm anvisierte Ziel wie erwartet um mehrere Meter, doch aus nächster Nähe hätte er wohl garnicht so schlechte Karten sein Ziel damit zu treffen. Er spannte einen weiteren Bolzen ein, sicherte die Armbrust indem er das Scharnier unter den Auslöser schob und hängte sie an das äußere Fach der Tasche. Wie viel sie ihm gegen die schwer gepanzerten Wächter helfen würde, stand in den Sternen. Womöglich taugte sie ja zu einem Ablenkungsmanöver. Mit dem Gedanken nahm er sich noch gleich einen Gurt mit fünf Wurfmessern, den er sich längs über den Mantel schnallte. Mit ihnen war er geübt... zumindest war er das einmal gewesen. Vielleicht kam ihm das im Laufe der Prüfung ja noch zu Gute.
Auf einem der Bänke fand er noch ein kleines Einmachglas mit Murmeln. Er wog es hin und her, unschlüssig ob er es mitnehmen sollte. Schließlich zuckte er mit den Schultern und stopfte es in die Seitentasche. Als letztes nahm er sich ein großes Stofftuch, unter dem diverse Dolche gelegen hatten, und riss es in zwei. Dann bückte er sich und band sich die beiden Stoffstreifen einzeln um die Schuhsohlen, knüpfte sie über dem Knöchel zusammen und ging ein paar Runden im Kreis, um sich zu vergewissern, dass sie ihn nicht behinderten. Sie hielten fest, verrutschten nicht und dämpften die Geräusche seiner Stiefel auf dem blanken Fels um ein vielfaches.
Als er dann endlich mit seinen Vorbereitungen fertig war, war der kleine Sandberg schon ein wenig größer geworden. Roac schätzte, dass ungefähr eine Stunde vergangen war, seit Adler und Cadice ihn in der Höhle allein gelassen hatten. Auch der Spiegel an der Decke war gewandert, die Schatten ein wenig länger geworden. Es war Zeit mit der Prüfung zu beginnen.

Roac spürte das Gewicht des Rucksacks am Rücken, als er vorsichtig die lange Treppe vom Felsbalkon hinunterstieg. Er hatte noch eine Weile dort oben gestanden und die beiden Wege ausgekundschaftet - zumindest die Teile, die ihm von oben ersichtlich gewesen waren. Beim zweiten Pfad war das reichlich wenig gewesen. Aus der Ferne machte es schließlich wenig Sinn auf die mögliche Funktion einer Falle zu schließen. Doch beim ersten Weg, der über die Schlucht führte, hatte er sich einiges einprägen können. Die Position der einzelnen Wächter zum Beispiel, wobei die ersten beiden mit wenig Mühe umgangen werden konnten. Ab dem zweiten wurde es dann jedoch schwieriger - vor allem da der Platz auf der Brücke sowie der sichere Schatten geringer wurde. Je länger er die gepanzerten Eisenmänner jedoch beobachtet hatte, wuchs in ihm der Verdacht, dass es sich hierbei um keine menschlichen Wächter handelte. Es war ihm von Anfang merkwürdig vorgekommen. Wer sollte hier unten in der Höhle den ganzen Tag Wache halten? Selbst sein Dunkelelf hatte nicht diese Ausdauer bewiesen, wie sollte es dann ein Haufen Diebe tun? Nein... Roac war mittlerweile schon fast davon überzeugt, dass die Wächter anders kontrolliert wurden. Aber wie? Und wie würden sie sich verhalten wenn er im Hinderniskurs voran schritt?
Bald stand er vor der Weggabelung. Links begann die Brücke, rechts waren die Stiegen in den Untergrund. Roac blieb stehen und biss sich auf die Unterlippe. Noch hatte er keinen Zeitdruck. Es sprach nichts dagegen, den Anfang beider Wege unter die Lupe zu nehmen um sich auf das Kommende einzustellen. Er atmete tief durch. Im letzten Moment erinnerte er sich an etwas. Sein Geldbeutel - was für ein Anfängerfehler. Er griff an seinen Gürtel und löste das lederne Bändchen, an dem die Börse festgebunden war. Das letzte was er nun brauchen würde, waren klirrende Münzen. Doch als er den Beutel schon im Rucksack verstauen wollte, kam ihm eine andere Idee. Eine irrwitzige Idee.
Wenn ich es nicht schaffe, hilft mir alles Geld der Welt nicht. Aber um es zu schaffen, brauche ich jede Hilfe die ich kriegen kann... auch die von der ich es am wenigsten erwarte...
Er trat an den Abgrund und hob den Kopf zur Höhlendecke. Ob sie ihn hier unten überhaupt sehen würde?

Manthala, Manthala! Dein Kind spricht zu dir!
Das was ich gestohlen, das biete ich dir.
Manthala, Manthala! Gib mir deinen Segen!
Dass ich mich kann still in den Schatten bewegen.


Bei jedem geflüsterten Vers, griff er mit geschlossenen Augen in den Beutel und ließ eine Faust voll Münzen in die Dunkelheit hinabrieseln. Als er fertig war verharrte er, wartete auf eine Reaktion. Doch es kam nichts. Natürlich, was hatte er auch erwartet.
Idiot...!
Er warf einen Blick in den deutlich leichteren Beutel und knirschte mit den Zähnen. Natürlich hatte er mehr Lysanthemer als Füchse erwischt. Lares hatte ihm dieses Ritual einmal gezeigt, als sie in der Nähe des Kanals auf die Rückkehr der anderen gewartet hatten. Ein Einbruch war nicht ganz so gelaufen, wie sie es sich vorgestellt hatten. Doch am Ende hatten sie dann Glück gehabt und keiner wurde geschnappt. Warum er sich jetzt gerade daran erinnerte, wusste er nicht.
"Genug Geld weggeworfen..."
Er packte den spärlichen Rest des Geldes - 9 Lysanthemer und 18 Fuchsmünzen - samt Beutel in den Rucksack und begann vorsichtig die schmalen Stiegen zum Labyrinth hinabzusteigen. Von nun an war jeder Schritt mit Bedacht gesetzt und Roac sah sich aufmerksam um. Auch wenn er insgeheim den Zugang über die Brücke bevorzugte, wäre es töricht, sich hier unten nicht ebenfalls umzusehen. Zumindest die ersten paar Meter würde er unter die Lupe nehmen und dann konnte er immer noch die Entscheidung machen umzudrehen und es mit den Wächtern zu probieren...

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 8. April 2015, 21:01

„Manthala, Manthala! Dein Kind spricht zu dir!
Das was ich gestohlen, das biete ich dir.
Manthala, Manthala! Gib mir deinen Segen!
Dass ich mich kann still in den Schatten bewegen.“

Bei jedem geflüsterten Vers, griff er mit geschlossenen Augen in den Beutel und ließ eine Faust voll Münzen in die Dunkelheit hinab rieseln. Seltsamer weise war kein Klimpern zu hören, dort wo in der Dunkelheit die Münzen auf den Boden aufgetroffen sein mussten.
"Genug Geld weggeworfen..."
Er packte den spärlichen Rest des Geldes mit samt dem Beutel in den Rucksack. Er wandte sich zur Weggabelung und fand dort in den Boden zwei alte, fast schon ausgetretene Texte eingelassen. Ein paar der Mosaiksteinchen fehlten schon, aber die Buchstaben waren noch zu lesen. Der Weg zur Brücke war mit folgendem Text gesäumt:

Der Dieb
Ein Dieb war in einem Gebäude. Obwohl dieses gut bewacht war, gelang es ihm hinein zu kommen ohne Alarm auszulösen. Er hielt sich lange in dem Gebäude auf und ging dann wieder. Auch dabei wurde kein Alarm ausgelöst. Wäre er aber nicht so lange geblieben, so wäre er beim Verlassen des Gebäudes gescheitert. Wo war der Dieb?


Der Weg in das tiefer liegende Labyrinth trug folgende Zeilen:

Das mysteriöse Pferd
Ein Bauer war gerade auf seinem Feld, als ein Pferd auf ihn zukam. Sekunden später war er spurlos verschwunden. Wie war das möglich?


Roac begann vorsichtig die schmalen Stiegen zum Labyrinth hinabzusteigen. Von nun an war jeder Schritt mit Bedacht gesetzt und Roac sah sich aufmerksam um. Auch wenn er insgeheim den Zugang über die Brücke bevorzugte, wäre es töricht, sich hier unten nicht ebenfalls umzusehen. Zumindest die ersten paar Meter würde er unter die Lupe nehmen und dann könnte er hoffentlich immer noch die Entscheidung rückgängig machen, um es mit den Wächtern zu probieren. Er achtete peinlich genau auf seine Umgebung, denn das Labyrinth der Fallen hatte natürlich von oben nicht all zu viel von seinen Geheimnissen preis gegeben. Kaum hatte er die Treppe betreten beschlich ihn das ungute Gefühl, dass gleich etwas passieren würde. Die ersten Stufen waren noch unauffällig doch ab der Fünften waren sie trotz ihres Alters einfach zu glatt und hatten merkwürdige Schleifspuren. Just in diesem Moment geschah es und Roac handelte geistesgegenwärtig. Die Oberflächen der Stufen knackten, gaben nach und rotierten um ihre eigene Achse. Innerhalb einer Sekunde verschmolz die Treppe zu einer glatten Rutsche, mit schmalen Fugen. Roacs neuer Wurfhaken kam sofort zum Einsatz und flog im hohen Bogen an einen der tiefer hängenden Bögen der Brücke über ihm. Das Seil spannte sich und fing seinen Körper. Zum Glück hatte er schon immer starke Arme gehabt und seit seiner Verwundung noch mehr über sie seine Defizite kompensiert, sodass er nun mühelos sein Gewicht auffangen konnte. Am Ende der Rutsche hatte sich eine Bodenklappe geöffnet und als Roac sich langsam daneben hinunter ließ, konnte er schwarzes Wasser in der Tiefe erblicken. Das seltsame war nur, dass einer der Stäbe sich nicht zurück gezogen hatte. Bei genauer Betrachtung steckte eine seiner silbernen Münzen in der Mechanik. Selbst wenn er nicht schnell genug reagiert hätte, hätte der Stab seinen Fall aufgehalten. Roac sah sich weiter um. Die Wege, die von hier fort führten, sahen alle gleich aus und doch warnte etwas ihn, dass sie sehr verschieden waren. Sein Auge, wählte den Linken, sein Ohr den mittig linken, seine Nase den mittig rechten und seine Hand den rechten Weg. Doch welchen wählte sein Wille? Als er so darüber nachsann, konnte er eine kleine Fuchsmünze im Gang des Auges entdecken und eine im Gang der Hand.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Freitag 10. April 2015, 23:40

Vielleicht war er einen Moment unachtsam gewesen. Die beiden Inschriften an der Weggabelung hatten ihn stutzig gemacht. Rätsel - was zum Harrax hatten sie hier zu suchen? Ein Hinweis oder sonst eine hilfreiche Nachricht wären durchaus erwünscht gewesen, doch mit den merkwürdigen Texten konnte er nichts anfangen. Selbst angenommen, er wüsste die Antwort auf eine der beiden seltsamen Fragen, was würde es ihm nützen? Es gab niemanden, dem er sie mitteilen konnte. Natürlich lag es auf der Hand, dass die Lösung des Rätsels mit dem Bestehen der Prüfung irgendwie einherging. Vielleicht ganz am Ende des Labyrinths? Doch dorthin musste er es einmal in einem Stück schaffen...
"HyeeAAAh...!"
Die Stufe unter seinem Stiefel gab nach und klappte mit dem Rest der Treppe zu einer blanken Rutsche zusammen. Zum Glück hatte er bereits etwas ähnliches erwartet. Roac schwankte und fiel, doch bevor aufschlug, schaffte er es das Wurfseil aus der Seitentasche zu ziehen. Schon schlitterte der Dieb die glatte Steinbahn hinunter, sich mit den Beinen wieder aufrichtend versuchend. Hektisch suchte er nach einem geeigneten Punkt in der Felsklippe über ihn, während die Falltür am Ende der Treppe immer näher kam. Als er einen fand, zögerte er nicht. Der eiserne Haken flog und landete mit einem Knirschen außerhalb seines Blickfelds. Sekundenbruchteile danach spannte sich das Seil und Roacs wilde Fahrt kam zu einem abruptem Ende. Für einen Augenblick blieb er auf der Bahn liegen und atmete erleichtert aus. Dann zog er sich hoch und hangelte sich vorsichtig bis zum Fuß der Treppe. Den letzten Meter ließ er sich fallen, rollte sich etwas plump ab und verblieb dann in der Hocke, fast schon bereit ein weiteres Mal den Boden unter den Füßen zu verlieren. Doch das erste Hindernis schien überwunden zu sein.
Als er aufstand, spürte Roac einen stechenden Schmerz in der linken Wade und seine Miene verzog sich zu einer Grimasse. Als das Adrenalin allmählich aus seinem Körper wich, erinnerte er sich warum er die Akrobatik an den Nagel gehängt hatte. Ein kleiner Sprung reichte schon aus und sein Bein war für die nächsten drei Tage unbelastbar. Doch nicht hier. Hier galten andere Regeln. Wenn er die Sache durchziehen wollte, konnte er keine Rücksicht auf Wehwehchen nehmen. Deshalb biss er die Zähne zusammen und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Falltür, die beim genauen Betrachten scheinbar nicht richtig ausgelöst wurde. Nachdem er sich darüber gebeugt hatte und den leicht verbeulten Lysanthemer ausmachte, stahl sich ein leises Schmunzeln auf sein Gesicht. Er sah hoch hinauf an die steinerne Felsdecke und hob die Finger zum stummen Gruß. Ob er nun mit der Zeit wahnsinnig wurde oder ob es tatsächlich einen Unterschied zwischen Gebet und Selbstgespräch gab? Glück oder Gottheit, was auch immer dafür verantwortlich gewesen war, der Dieb hoffte, dass ihm auch für den Rest der Prüfung beistehen würde.
Schließlich stand er vor einer weiteren Abzweigung - diesmal mit vier verschiedenen Wegen - und inspizierte die einzelnen Eingänge mit allen seinen Sinnen. Anders als oben, hatte Roac keinerlei Vorahnungen mehr, was ihn hinter den Biegungen erwarten würde. Es konnte gut sein, dass nur einer der richtige war und alle anderen weitere Fallen waren. Wahrscheinlich wäre aber auch, dass sie alle vier mit Hindernissen bestückt waren und es lag an ihm sein eigenes Gift zu wählen. Wie auch immer, zwei der beiden Pfade zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Durch Zufall oder göttliche Fügung waren zwei der Füchse aus seinem Beutel hier aufgetaucht und lagen mitten vor den Eingängen der beiden Äußeren Wege. Und welchen von ihnen sollte er jetzt wählen?
Roac schritt auf beide Gänge zu und späte argwöhnisch hinein, konnte jedoch von hier aus nicht viel erkennen. Nach kurzem Überlegen zuckte er die Schulter und schwenkte den Zeigefinger zwischen den beiden Eingängen hin und her. Er durfte nicht zuviel Zeit verlieren, weshalb er zu etwas unkonventionellen Mitteln griff.

Wir stehln dem Wirt das Silber,
dem Bauern seine Kuh,
dem Juwelier die Klunker,
als nächstes kommst dran...


Sein Finger kam beim Pfad rechts außen zum Ruhen. Er senkte die Hand und vergewisserte sich dann, ob sein Rucksack auf der Rutsche keinen Schaden genommen hatte oder er Teile seiner Ausrüstung verloren hatte. Doch alles war in seiner Ordnung. Kurz sah er zurück zum Seil mit dem Wurfhaken. Wenn er es von der Felsspalte oben löste, nahm er sich den einzigen Weg zurück. Nicht, dass daran dachte aufzugeben... doch wenn er hier unten auf ein unüberwindbares Hindernis stoßen würde, wäre die Brücke immer noch eine Alternative. Deshalb ließ er es hängen. Auch die Münzen ließ er unberührt zurück. Auch wenn er sich nicht erklären konnte warum er so empfand, hatte er das Gefühl, dass es falsch wäre sie einfach so wieder einzustreifen.
Dann betrat Roac den Gang auf Zehenspitzen und tastete sich Zentimeter für Zentimeter vorwärts, Augen und Ohren in alle Richtungen offen haltend.

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 12. April 2015, 12:14

Ob die Münzen ihn nun vor weiteren Fallen hatten warnen oder ihm den richtigen Weg hatten zeigen wollen? Der Rabe würde es bald erfahren. Mit jedem Schritt tiefer in den Gang hinein wurde es dunkler. Sehr bald konnte sich der Dieb wirklich nur noch mit den Händen voran tasten. Seine anderen Sinne hatte er bald hinter sich gelassen, denn es gab nur noch Finsternis, Stille und den Geruch von kaltem Stein, der sich kalkig in seinen Rachen legte. Langsam folgte er dem schmalen Gang mit ausgebreiteten Armen. Seine Finger streichelten die Wände, führten seine Schritte um Biegungen und verrieten ihm den Weg. Plötzlich blieb seine linke Hand an einer Erhebung in der Felsenwand hängen. Der kleine Knubbel, einem verschiebbaren Knauf nicht unähnlich, ging an seinem oberen Ende in eine Vertiefung über die in eine merkwürdiges Gebilde aus Linien führte. Vom Startpunkt ging es drei Hand breit gerade nach oben, dann für eine Hand breit einen scharfen Knick diagonal nach rechts unten, dann wieder ein Knick und eine Hand breit diagonal nach rechts oben und wieder in einem scharfen Knick drei Hand breit gerade nach unten.
Unweit von dem ersten Gebilde fand Roac den nächsten Punkt. Dieser setzte weit oben an der Wand an, führte drei Hand breit gerade nach unten, machte dann für zwei Hand breit eine sanfte Kurve nach rechts um im Halbkreis dann wieder drei Hand breit nach oben zu verlaufen.
Das letzte Gebilde begann wieder weit oben mit seinem Startpunkt und verlief zwei Hand breit nach rechts, allerdings ging in der Mitte eine Linie drei Hand breit gerade nach unten.
Der Lösung des Rätsels vielleicht ein wenig näher gekommen, konnte Roac dahinter eine scharfe Kante ertasten, die rings um den Gang verlief und sogar im Boden und in der Decke eingelassen war. Dahinter war nichts weiter als leerer Raum zu ertasten und Roac fühlte sie stark an den ersten Sprung mit Cadice erinnert. Würde er abermals einen Schritt ins Ungewisse wagen?
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Sonntag 12. April 2015, 20:17

Spätestens jetzt, in der kühlen Dunkelheit des Ganges wurde Roac bewusst, was er oben am Vorbereitungsplatz versäumt hatte einzupacken. Eine Zunderbüchse würde sich in dieser pechschwarzen Finsternis bestimmt als nützlich erweisen, zumal er nach der dritten Biegung des Pfades kaum mehr die eigene Hand vor Augen sehen konnte. Dies machte das weitere Vorankommen nicht nur mühsam, sondern auch gefährlicher. Wie sollte er sich vor Fallen in Acht nehmen, die er gar nicht erst sehen konnte?
Sich wie ein Blinder an der rechten Steinwand vorantastend, schob er sich vorwärts und horchte dabei in die Schwärze. Der Dieb blieb plötzlich stehen, als seine Finger eine Erhebung in der sonst so gleichmäßigen Mauer ertasteten. Er runzelte die Stirn und fuhr mit der Hand die einzelnen Spalten nach. Sie waren nicht miteinander verbunden, standen jedoch direkt nebeneinander. Ein paar mal strich Roac über die merkwürdigen Linien in der Wand, dann ließ er davon ab und trat einen Schritt zurück. Wenn er nur etwas Licht hätte...
Unschlüssig wandte er sich um und wanderte mit der Handfläche weiter. Vielleicht gab es noch mehr dieser Linien? Roac tat einen weiteren Schritt und merkte mit einem Mal, dass etwas nicht ganz stimmte. Seine Finger wanderten die Mauer entlang - und griffen ins Leere. Er sog scharf die Luft ein und sprang zurück. Kies löste sich unter seinen Stiefel und bröselte leise in der Finsternis. Mit einer dunklen Vorahnung umschloss Roac das Ende der Wand und fuhr gen Boden. Nichts. Die gesamte Rechte Wand endete abrupt. Doch nicht nur sie. Auch die Decke und der linke Teil des Tunnels. Der Dieb kniete sich auf den kalten Stein und streckte den Arm so weit er konnte. Leere. Der Pfad vor ihm endete im Nichts. Der Fleck Stein, den Roac bei seinem nächsten Schritt vor Augen gehabt hatte, existierte nicht. An seiner Stelle klaffte ein Abgrund, nicht unterscheidbar vom Rest der Dunkelheit.
"Pffff... das hätte auch daneben gehen können..."
In einigem Sicherheitsabstand zum Loch lehnte er sich an die kalte Steinwand und massierte ratlos sein pochendes Bein. Was hatte das zu bedeuten? War der Weg hier nur eine Sackgasse? Nun, es gab schließlich noch drei andere Wege, bestenfalls beleuchtet. Vielleicht sollte er ja umdrehen...
Doch bevor er einfach so den Schwanz einkniff, wollte Roac noch einmal auf Nummer sicher gehen. Er raffte sich auf und tastete sich wieder zu den drei Zeichen in der Wand. Wieder und wieder fuhr er mit den Fingern die Spalten nach und versuchte aus den Bewegungen seiner Fingern schlau zu werden. Es gelang ihm. Nach einer Weile formte sich vor seinem Inneren Auge ein Muster an der Wand und nach kurzem Überlegen fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
"M... U... T..."
Die Gebilde aus Rillen und Ritzen an der Mauer waren nichts anderes als Buchstaben! Doch noch etwas anderes fiel ihm auf. Über den Buchstaben ertastete er einen kleinen Knubbel, der beim genaueren Berühren leicht nachzugeben schien. Womöglich ein Hebel? Er hielt inne. Sollte er? Schließlich gewann die Neugier. Roac presste sich an die Wand, so weit wie möglich von dem Abgrund entfernt und rüttelte an dem herausstehendem Knubbel.

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Montag 13. April 2015, 08:52

"M... U... T..."
Aber das allein war nicht des Rätsels Lösung. Roac trat von der Kante zurück und widmete sich dem herausstehenden Kauf. Bei dem „M“ stand er ganz unten, beim „U“ und „T“ ganz oben. Roac kehrte zum „M“ zurück und versuchte es einfach. Mit ein bisschen Kraft ließ er sich nach oben schieben Nach einer Hand breit machte die Mechanik ein einrastendes Geräusch und sofort begann der Tunnel zu vibrieren. Das Geräusch von schabendem Stein dröhnte nach der langen Stille laut in seinen Ohren. Nach ungefähr zehn Herzschlägen war es vorbei und Roac tastete sich abermals an die Kante, die nun keine mehr war. Als Rille im im Boden war sie noch zu ertasten, doch der Gang führte jetzt, einer kurzen, geraden Brücke gleich, ein Stück weiter. Links und rechts vom Weg war nichts zu tasten, außer leerer Raum. Leider endete das kurze Stück Weg jetzt vor einer Wand, die bei genauem betasten an den Seiten sich wie ein großer Quader anfühlte.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Dienstag 14. April 2015, 01:00

Roac runzelte die Stirn und klopfte mit der flachen Hand gegen das Ende des Ganges. Er war ein paar Meter weitergekommen, doch viel brachte ihm das auch nichts. Links und rechts von ihm konnte er immer noch nichts greifen, weshalb ein Vorbeiklettern am Quader aussichtslos schien.
Mut... Mut... was hat das verdammt noch mal mit Mut zu tun? War das nur ein Trick, damit ich mich ohne viel nachzudenken in den Abgrund stürze? Der Konstrukteur von diesem steinernen Albtraum hat gewusst, dass man zuvor den Sprung absolvieren muss um überhaupt hier her zu gelangen. Deshalb baut er diesen Gang, setzt ein tiefes Loch an sein Ende... und lässt eine Botschaft an der Wand zurück, die einem Verwirren und zum Springen anstiften soll... In Wirklichkeit sind die Hebel aber der Schlüssel zum Ziel... oder? Oder muss ich wirklich noch mal... ach, leckt mich doch..."
Das wirre Brummen und Murmeln des Diebes hallte in der Dunkelheit von den groben Felswänden wieder. Missmutig tastete er sich wieder zurück zum Anfangspunkt und fuhr mit den Händen die Rillen der Zeichen nach.
"Mut... Mut... Tum... dumm... so fühl ich mich bald, wenn ich den Scheiß nicht bald raus hab..."
Die klamme Finsternis und sein schmerzendes Bein trugen ihren Teil dazu bei, dass Roacs Geduld zu schwinden begann. Sechs Stunden hatten sich anfangs nach einem ziemlich großzügigen Zeitlimit angehört. Doch allein in diesem verfluchten Gang hatte er schon eine gute halbe Stunde verloren!
In Gedanken ging der Dieb noch einmal seine Ausrüstung durch. Gab es irgend etwas, was ihm hier helfen konnte? Schließlich kam ihm eine Idee und er kramte das Murmelglas aus der Tasche. Er öffnete es, griff sich eine Hand der kleinen Kugeln und streute sie links und rechts in den Abgrund. Sich über die Kante beugend, lauschte er in die Dunkelheit. Vielleicht gab es ja gar keinen Abgrund und er konnte er einfach an dem Hindernis vorbeimarschieren. Wenn nicht, dann würde er es weiterhin mit den Hebeln probieren, bis er Erfolg haben würde.

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Dienstag 14. April 2015, 21:51

Tatsächlich hörte er fast augenblicklich das leise Klacken der Murmeln als sie auf beiden Seiten einen sehr nahen Untergrund aufkamen. Nun gab es also drei Wege um weiter zu kommen. Geplant, getan, hangelte er sich auf einer Seite an dem Fels hinunter und traf nach kaum mehr als einer Schritthöhe auf Untergrund. Sofort tastete er sich voran. Neben dem Felsblock, der sich anscheinend bei der Bewegung des ersten Knaufs nach oben, ebenfalls nach oben bewegt hatte, konnte er zwei weiter Blöcke ertasten, die allerdings bis an die Decke reichten und mit Finger dünnen Ritzen voneinander getrennt waren. Der hintere Block schloss mit einer weiteren Wand ab und der Raum neben der Konstruktion endete ebenfalls nach kaum zwei Schritt. Auf der anderen Seite „sah“ es nach eingehender Erforschung genauso aus, aber das Ganze hatte auch den Vorteil, dass Roac nun wusste, dass der erste Block herauf gefahren war und die beiden anderen hinunter gefahren werden mussten. Alle drei Steine hatten Schleifspuren von ihrer Benutzung an den Seiten. Hinter die Lösung des Rätsels so gekommen, kletterte er wieder zu den Buchstaben zurück und schob die letzten beiden Knubbel in die mittlere Position. Als der letzte Block vibrierend und unter rumorenden Getöse einrastete, flammte eine Ölschale am andern Ende des nun offenen Ganges auf und es fiel Licht auf die drei Buchstaben. Ein lachendes Gesicht, ein bunt gezeichneter Schelm mit Glockenmütze, schaute als Bild gemalt im Hintergrund auf das durchgestrichene Wort und streckte dem Betrachter die Zunge spitz heraus. Die Glocken an seinem Gewand bildeten die Knubbel an der Wand und sein Arm wies über den nun so gezogenen Querstrich in den offenen Gang. Roac konnte seinen Weg fortsetzen.
Der Tunnel würde alle paar Schritt von einer brennenden Schale erleuchtet und führte in ein paar Windungen dann wieder ins Freie. Ein Blick nach oben ließ Roac schnaufen. Der „Sonnen-Stand“ zeigte deutlich, dass er schon viel zu viel Zeit für sein empfinden gebraucht hatte, allerdings, als er sich umsah, musste er feststellen, dass er durch die Lösung dieses Rätsels schon über die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatte ud dem Ende erstaunlich nah war. Doch nun stand er auf einem kreisrunden Platz, von dem überall Wege fort führten. An jedem Abzweig stand ein Podest mit einem Gegenstand darauf. Es gab den Gang mit einer dreizipfeligen Narrenmütze, aus dem er gekommen war und dem Sonnenlauf folgend, folgende Gegenstände:
Narrenkappe,
Häubchen,
Helm,
Schaufel,
Forke,
Dietrich,
Wagenrad,
Schubkarre,
Sandale,
Bürste,
Spiegel,
Puderdose,
Ring,
Kette,
Armband,
Schere,
Eimer,
und ein Messer.
In der Mitte des Platzes stand ein Lesepult mit einem steinernen, aufgeschlagenen Buch darauf. Als Roac näher trat, konnte er dort folgenden Text lesen:

Die ungleichen Schwestern
An einem schönen Frühlingsnachmittag beschlossen zwei Schwestern, ihr altes Gartenhäuschen aufzuräumen und alles schön sauberzumachen. Als sie ihre Arbeit beendet hatten, war das Gesicht der einen Schwester schmutzig, das der anderen jedoch sauber. Daraufhin wusch sich die Schwester, deren Gesicht sauber war, die andere aber nicht. Was fehlte ihnen?
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Sonntag 26. April 2015, 21:01

Endlich wieder fähig zu sehen, folgte der Dieb den schmalen Gang mit den knisternden Ölschalen, den spottenden Zeigefinger des Narrens im Rücken. Scheinbar hatte er diesen Test bestanden, obwohl er das Hindernis eigentlich auf andere Weise hätte überwinden sollen. MUT. Von Anfang an hätte er einfach nur springen müssen. Es hätte ihn einiges an Zeit erspart. Doch Roac grämte sich nicht, noch war ihm seine Aktion mit den Murmeln peinlich. Wieso sollte er in dieser mit Fallen gespickten, feindlichen Umgebung auf ominöse Hinweise an den Wänden hören? Mut hin oder her - manchmal war ein kluger Kopf von größerer Bedeutung.
Der Tunnel endete im Sonnenlicht und Roac hob blinzelnd die Hände ans Gesicht. Mit zusammengekniffenen Augen sah er die grobe Felswand zur Decke empor und erschrak. Die Glasscheiben waren allesamt um ihre Achse gewandert und hatten ihn auf seinem Weg zum Ausgang überholt. Wie viel Zeit er noch hatte war schwer zu sagen, sonderlich viel schien es jedoch nicht zu sein. Doch auch das Ende der Prüfung war schon in Reichweite. Wenn Roac den Hals verrenkte, konnte er einen Blick auf den Ausgang schräg über ihm erhaschen. Er konnte es schaffen. Aber als er sich in dem Raum umsah, verschwand jegliche Hochstimmung schlagartig.
"Kommt schon, ihr wollt mich doch verarschen!?!"
Es war nicht ein Tunnel, der von hier aus weiterführte. Auch nicht vier, wie vorher an der Treppe. Es waren mehr als ein Dutzend. Und diesmal lagen keine helfenden Münzen am Boden verstreut. Großartig. Sich zwanghaft an den schwindenden Sand im Stundenglas erinnernd, löste sich Roac aus seiner Erstarrung und ging auf das steinerne Podium inmitten des Raumes zu. Es schien direkt aus dem Boden zu wachsen, so kunstvoll war es aus dem Fels geschlagen. Genauso wie das Buch. Er trat näher und fuhr mit der Hand über die glattgeschliffene Seite. Sie fühlte sich angenehm kühl an. Die einzelnen Buchstaben waren mit gleicher Kunstfertigkeit ins Gestein gemeißelt worden, sodass sie sich wie von einer Feder geschrieben vor ihm auftaten. Der Dieb runzelte die Stirn und legte den Finger an den Anfang der Inschrift, seine Lippen bewegten sich konzentriert als er zu lesen begann. Es war schon eine Weile her, seit er das letzte Mal ein Buch in der Hand gehabt hatte...

Die ungleichen Schwestern
An einem schönen Frühlingsnachmittag beschlossen zwei Schwestern, ihr altes Gartenhäuschen aufzuräumen und alles schön sauberzumachen. Als sie ihre Arbeit beendet hatten, war das Gesicht der einen Schwester schmutzig, das der anderen jedoch sauber. Daraufhin wusch sich die Schwester, deren Gesicht sauber war, die andere aber nicht. Was fehlte ihnen?


Ein Rätsel. Ein weiteres, gottverdammtes Rätsel. Frustriert löste sich Roac vom Pult und ließ ein wütendes Knurren hören, dass als Echo in der gesamten Höhle widerhallte. Er hatte mit einer Prüfung gerechnet, keinem verfluchtem Rätselraten! Sollten nicht seine Fähigkeiten beurteilt werden? Wie sollte er zeigen, dass er ein würdiger Dieb war, wenn man ihm keine Gelegenheit dazu gab? Wozu das Werkzeug, wozu die Waffen wenn er sie ohnehin nicht brauchen würde? Glaubten denn die hohen Herren in der Diebesgilde, dass so das tägliche Handwerk auf den Straßen aussah? Sie mussten wohl zu lange im Untergrund Staub angesetzt haben um zu diesem Schluss gekommen zu sein...
Doch es half nichts. Wenn er nicht die Nacht nicht bis zum nächsten Morgen in einem dieser Tunnel verbringen wollte, musste er vorwärts.
Was fehlte ihnen...? Ein Gärtner? Der Verstand? Ein Mann? Was weiß ich...!"
Roac schritt ziellos an den aufgereihten Gegenständen vorbei und versuchte eine Verbindung zu der Fragestellung zu finden. Der Zeitdruck vom schwindenden Sonnenlicht war nicht besonders förderlich für seine Vorstellungskraft.
"Ring, Kette Armband... warum sollte ihnen Schmuck helfen? Wer in Grandea einen Garten besitzt muss reich oder adelig sein, das haben sie also in rauen Mengen... Nein... Kopfbedeckungen... was hätten sie damit angefangen? . Den Dietrich hätten sie nicht mal richtig halten können... der Rest des Werkzeugs passt auch nicht... außerdem was hat das mit dem dreckigem Gesicht zu tun...?"
So oder ähnlich unzusammenhängendes Gemurmel von sich gebend wanderte der Dieb die verschiedenen Pfade entlang während die Schatten länger wurden. Jede vergehende Minute wurde er unruhiger und seine Bewegungen energischer. Bald begann er damit ausgewählte Gegenstände von den Podesten zu fegen. Schließlich blieb er beim Spiegel stehen und hob ihn hoch. Ein mürrischer junger Mann sah ihm von der Glasfläche entgegen. Zerzaustes schwarzes Haar, müde Augen und ein Bart der längst schon wieder gestutzt gehörte. Er grinste und sein Ebenbild verzog ebenfalls die Mundwinkel.
"Siehst immer noch Scheiße au..."
Der Dieb hielt inne... dann schlug er sich auf die Stirn.
"Der Spiegel fehlt ihnen! Die mit dem sauberen Gesicht denkt, sie sieht aus wie ihre Schwester, deshalb wäscht sie sich. Die andere denkt sie wäre ebenfalls nicht schmutzig, weil sie keinen verdammten Spiegel hat!"
Die Lösung war einfacher als gedacht. Roac zweifelte nicht daran, dass sie die richtige war. Deshalb verlor er keine weitere Zeit mehr und betrat raschen Schrittes den nächsten Tunnel ohne sich ein weiteres Mal umzusehen.

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Dienstag 28. April 2015, 19:27

Roac verlor keine Zeit mehr und betrat raschen Schrittes den nächsten Tunnel. Nach wenigen Schritten ging es eine steile Stiege noch tiefer in das Höhlensystem hinab und auf einen Spiegel zu. Als der Rabe sich näherte erkannte er schnell, dass es nicht nur eine blank polierte Fläche war, sondern dass ein verwirrendes Labyrinth aus missmutigen Gesichtern vor ihm lag. Nicht nur seinen Mut hatte man auf die Probe gestellt! Er war gesprungen. Sein Talent Probleme zu lösen, die Murmeln, und seine Intelligenz waren gefordert worden, das Rätsel. Nein, nun stellten sie auch noch seine Geduld auf die Probe! Sich hundertfach in diesen Oberflächen zu sehen und den Weg dabei aus den Augen zu verlieren war leicht, aber Roac war nicht hier um den leichten Weg zu gehen. Er sah sich genau um und entdeckte recht schnell, dass der Boden und die Decke besonders waren. Das Mosaik am Boden stellte aber eben nur fast das gleiche Muster wie an der Decke dar, aber an der Decke fanden sich immer wieder kleine Fehler, die wie Pfeile in die richtige Richtung wiesen. Im Gegensatz zu den Herausforderungen zuvor, war diese fast zu leicht und prüfte nur seine genaue Beobachtungsgabe. Als Dieb hatte er früh gelernt auf Details zu achten und jeder noch so kleinen Veränderung Beachtung zu schenken. Recht flotten Schrittes kam er voran und bald fand er sich an einer engen, steilen Wendeltreppe wieder. Es gab nur den einen Weg hinauf und so ging er ihn. Sein Bein schmerzte schon eine Weile nicht mehr. Die Empfindungen waren mehr zu einem dumpfen Kribbeln zusammen gekrochen, aber all die Anstrengungen würden sich gewiss am nächsten Tag rächen. Oben angekommen, fand er sich in einem kleinen dunklen Raum wieder und abermals verfluchte er seine Nachlässigkeit, dass er kein Zunder-zeug mitgenommen hatte. Tastend fand er jedoch in dem kleinen Raum trotzdem recht schnell einen Hebel, eine Fackelhalterung von Vieren, die sich leicht bewegen ließ. Leise schabend öffnete sich die Geheimtür neben ihm und Licht flutete herein. Roac atmete tief durch und trat hinaus, auf die Plattform vor der letzten großen Tür. Etwa 20 Schritt von ihm entfernt "schlief" der letzte Wächter auf der Brücke und hatte sich bei seinem Erscheinen nicht gerührt. Trotzdem wurde Roac das Gefühl nicht los, dass er jetzt leise sein musste. Bei diesem Mann hob und senkte sich nämlich tatsächlich der Brustkorb.
Erst einmal sah er sich um und entdeckte ziemlich schnell das aufwändige Schloss an dem großen Portal. Bei genauerer Betrachtung hatte es drei Schlüssellöcher und drei Scheiben mit Zahnrad-artigen Vertiefungen an den Rändern. Es sah so aus, dass man erst die Scheiben in die richtige Position drehen musste, um damit die Plättchen vor den eigentlichen Schlüssellöchern frei geben zu können. Was das ganze noch ein wenig erschwerte, die Löcher waren tief und man konnte die Verschlüsse mit bloßem Auge nicht sehen. Wenigstens hatte Roac an unterschiedliche Dietriche gedacht. Nun war sein Fingerspitzengefühl und eine ruhige Hand gefragt.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Mittwoch 29. April 2015, 19:10

Als der Dieb auf die Brücke trat und zu seiner linken das schwere Steinportal erblickte, stieß er einen erleichterten Seufzer aus. Er hatte es fast geschafft. Nach dem letzten Rätsel hatte er mit weiteren Hindernissen gerechnet. Fallen, Gegner, ähnliches. Doch die beiden Räume die er auf dem Weg hierher durchqueren musste, hatten ihm keine großen Schwierigkeiten bereitet. Die Spiegelhalle war zweifellos verstörend gewesen, nicht nur einmal war Roac mit den ausgestreckten Händen gegen eine scheinbar unsichtbare Wand gestoßen. Doch die kaum erkennbaren Zeichen in der Decke hatte die Illusion schnell beendet, sodass er seine zahllosen Ebenbilder bald ignoriert und sich gänzlich auf die Mosaikfliesen konzentriert hatte. Welche Anstrengungen und Mühen die Gilde wohl auf sich genommen haben musste, um soviel zerbrechliches Glas hier hinunter zu schaffen? Ihre finanziellen Mittel mussten enorm sein. Schließlich kostete selbst der kleinste, trübste Handspiegel im Außenviertel schon soviel wie ein halbes Dutzend fleißiger Hennen.
Nach all der Plagerei und mehreren langen Stunden endlich am Ziel zu sein, ließ Roacs Herz ein wenig höher schlagen. Jedoch war ihm bewusst, dass das Erreichen der Tür nicht das Ende seiner Prüfung darstellte. Schon aus der Ferne hatte der Dieb das Portal auf seinen Mechanismus untersucht und die drei Schlösser entdeckt. In nächster Nähe sahen sie sogar noch anspruchsvoller aus. Was ihn aber wirklich beunruhigte, waren die drei Metallscheiben neben ihnen. Schlösser konnte man öffnen, problemlos wenn man wusste wie. Doch mit Zahnrädern, die auf eine weitaus komplexere Schließprozedur hinwiesen, hatte er bisher wenig Erfahrung gesammelt.
Ein Blick zur Seite zeigte ihm zudem, dass er nicht alleine war. Der Wächter saß vornüber gesackt auf einem Stuhl, dessen Sitzfläche sich unter dem Gewicht der massiven Rüstung deutlich bog. Sein Gesicht war unter dem Visier des Helmes versteckt und nur das regelmäßige Heben und Senken der gepanzerten Schulterpartie gab Anzeichen darauf, dass es sich um keine Statue handelte. Ob er schlief? Roac war sich nicht sicher. Doch hier im Freien auf der Brücke gab es keine Möglichkeit ihm aus den Weg zu gehen, weshalb es wohl am besten wäre ihn nicht zu provozieren.
Roac bückte sich und griff mit der Hand in den Rucksack, während er misstrauisch in Richtung des Wächters lugte. Vorsichtig breitete er die Ausrüstungsgegenstände vor sich am Boden aus. Hammer, Meißel und Feile verschwanden in seiner rechten Manteltasche. Wenn er mit dem Schloss nicht auf die "traditionelle" Weise fertig wurde, gab es noch immer die etwas rabiatere Methode. Diese würde jedoch Zeit benötigen und laut sein - beides Nebenerscheinungen die in seiner jetzigen Situation nicht unbedingt von Vorteil waren. Praktischer war da schon das Dietrichset. Mit berechnendem Blick auf die Schlösser wählte er fünf Dietriche verschiedener Größe, Länge und Form für sein Vorhaben. Als letztes zog er einen Bolzen hervor und spannte die Armbrust. Roac prüfte mehrmals, ob der Sicherungshaken auch wirklich griff, bevor er die geladene Waffe wieder an den Rucksack hängte. Auch wenn alles schief laufen würde, hätte er so zumindest immer noch eine Möglichkeit sich zu verteidigen. Denn im Gegensatz zu Dolch und Knüppel hatte die Armbrust eine Durchschlagskraft, gegen die aus nächster Nähe auch keine Rüstung gefeit war.
Mit leicht pochendem Herzen setzte er sich schließlich in Bewegung und verließ den schützenden Schatten der Seitenkammer. Wie von selbst ging Roac in die Knie, hob die Arme zu seinen Seiten und nahm eine geduckte Haltung an. Schleichen verlernt man nicht - so hieß es zumindest. Und es schien der Wahrheit zu entsprechen. Auch wenn seine Bewegungen steif und nicht mehr so geschmeidig und katzenartig wie früher waren, näherte er sich dem Portal mehr oder weniger lautlos. Die Stofffetzen unter seinen Stiefeln halfen dabei und federten seinen Schritt, der vor allem links ein wenig zu unbeholfen war.
Vor dem hohen Tor hielt der Dieb inne und begann damit die Schlösser unter die Lupe zu nehmen. Nach einer Weile kramte er die Dietriche hervor, wählte einen langen Dünnen aus und klemmte sich die anderen vier ohne viel Federlesen zwischen die Zähne. Mit spitzen Fingern begann er ihn in das Schlüsselloch einzuführen, bis er auf einen Widerstand stieß. Erst versuchte er ihn zu umgehen, doch schnell bemerkte er, dass das Schloss gänzlich versiegelt war. Roac probierte es mit den anderen Schlössern doch auch hier versperrte ihn ein kleines Metallplättchen den Weg zu den Verriegelungsstiften. Seine Augen wanderten zu den Zahnrädern und nach einem weiteren Blick über die Schulter griff er nach einem und versuchte es vorsichtig in seiner Fassung zu drehen. Dabei drückte er das Ohr an die Tür und horchte was sich in ihrem Inneren tat.

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 30. April 2015, 15:44

Es war nur ein Schloss, aber es war eines Meisterdiebs würdig, wie Roac mit Kribbeln in den Fingern fest stellen musste. Er war ein wenig aus der Übung, aber bestimmte Sachen vergaß man nicht und Schlösser zu knacken war schon immer eine Herausforderung gewesen, besonders wenn sie unter verschärften Bedingungen bewacht wurden. Der schlafenden Wächter hatte sich bisher nicht gerührt und so setzte er seine Bemühungen fort. Nachdem er festgestellt hatte, dass das der Zugang zum Schlüsselhaus versperrt war, widmete er sich der davor liegenden Mechanik. Sein Ohr fest an die Tür gepresst lauschte er dem leisen Klicken im Innern der Tür, während seine Hand langsam die Scheibe drehte.
Klick, klick, klick, klick, klick, klack, klick, klick. …
Vorsichtig drehte Rabe die Scheibe wieder zurück.
Klick, klick, klack.
Plötzlich ließ sich die Scheibe ein kleines Stück eindrücken und ein leises Glöckchen im Innern der Tür erklang.
Ping! ...
Roac sah sofort zum Wächter, der sich nur kurz sein leises Schnarchen unterbrach und dann weiter machte. Nach einem tiefen Atemzug und einem prüfenden Blick in das Schloss war nun auch ersichtlich, dass der Weg für die Dietriche frei war. Roacs Anspannung stieg und seine Hände erinnerten sich nur zu willig an die alt bekannten Fähigkeiten. Im Angesicht einer drohenden Gefahr so filigrane Arbeit zu erledigen erinnerte den Dieb an bessere Zeiten. Unwillkürlich lief ein wohliger Schauer über seine Arme, als der erste Dietrich die Feder fand und ein zweiter den Mechanismus entriegelte. Das erste Schloss war geschafft und sofort ging er an das Nächste. Abermals drehte er die Scheibe, bis das leise Klacken zu hören war. Ein Druck und
Ping! ...
Er sah sofort zum Wächter, der sich nur müde auf seinem Stuhl drehte und ihm nun den Rücken zu wandte. Roac hatte es kaum zu Atmen gewagt und sein Instinkt begann ihn zu warnen, dass das nächste Schloss nicht unbemerkt bleiben würde. Sobald er die letzte Scheibe entriegelt hätte, würde der Wächter sicher erwachen und dann hätte er nur noch Momente um zu handeln. Auch ein anderer Faktor drang zur Eile, denn der gespiegelte Lichtstrahl hatte schon den oberen Teil der Tür erreicht. Über seine Optionen nachsinnend fanden seine Finger in dem zweiten Schloss Zughaltefeder und Nachtschieber. Das zweite Schloss entriegelte sich und das Dritte wartete auf eine Entscheidung. Die unterirdische Sonne näherte sich unaufhaltsam ihrem Untergang und damit dem Ende seiner Prüfungszeit. Bald würde sie die Plattform erreichen, den Kopf des Wärters streifen und spätestens dann wäre alles vorbei. Roac tastete nach seinen bereitgelegten Werkzeugen. Zwei Schlösser hatte er elegant und ohne Spuren zu hinterlassen geöffnet doch nun machte ihm die Zeit einen Strich durch seine Pläne. Langsam senkte sich der Sonnen-gleiche Kreis aus Licht die Tür hinab und nahm ihn die Wahlmöglichkeiten. Er musste handeln und das schnell! Hammer und Meißel fanden automatisch den Weg in seine Hand. Die Spitze des Meißels steckte er schon in das Loch, hielt mit einer Hand den Hammer bereit und drehte die Scheibe mit der anderen. Das Schloss würde er so zerstören, aber Not machte bekanntlich keinen Unterschied zwischen gut und böse.
Klick, klick, klick, klick, klick, klick, klick, klick. …
Klack!
Druck …
Ping! …
Roac drehte sich gar nicht erst um sondern schlug zu. Er hörte auch so wie der Stuhl sich bewegte, der Wächter sich hastig erhob, der Stuhl umfiel und sich schnelle Schritte näherten. Mit aller Kraft warf er sich gegen die Tür und sie schwang auf.
Roac stolperte ins Ungewisse und sah im Taumeln hinter sich. Der Wächter blieb im Türrahmen stehen und hob das Visier. Ein Mann von bestimmt 40 Sommern, bärtig, blass vom Leben in den Schatten, aber charismatisch, lächelte ihn verschmitzt an und stellte sein Breitschwert vor sich. Anstatt dem Dieb nachzusetzen, grinste er nur.
Die Prüfung war vorbei und der Weg zurück versperrt. Der Mann wiegte ein paar Mal zufrieden den Kopf und wies dann mit einem Nicken hinter Roacs Rücken. Das Adrenalin pulsierte noch in seinen Adern als er sich erhob und umsah. Ein langer, breiter Gang führte über mehrere Ebenen gerade auf eine weitere große Tür zu und viele kleine Abgänge endeten hier in diesem Gang. Während der Rabe langsam die langen Stufen hinab schritt, hörte und sah dann auch, wenn er hinter sich blickte, neue Gesichter in den Abgängen auftauchen. Neugierig betrachteten sie ihn, sprachen aber nicht mit ihm. Nur ihre Schritte folgten ihm in einigem Abstand. Er sah beim Gehen auch Cadice und Hase an ihrer Hand, der Anstalten machte auf ihn zuzulaufen, aber von ihr kichernd aufgehalten wurde. Sie nickten ihm aufmunternd zu und folgten ihm bis zur Tür, die vor ihm geöffnet wurde und einen Blick auf einen alten Thronsaal frei gab. Nur dass hier wahrscheinlich schon seit Jahrhunderten keine Empfänge im üblichen Sinne mehr abgehalten worden waren. Überall standen, saßen und lagen sogar Leute gesellig herum. Sie aßen, unterhielten sich und verstummten, als die Türen sich geöffnet hatten. Einige machten Platz und bildeten eine Gasse zu dem zerschlagenen Trümmerhaufen, der wohl einst ein Thron gewesen war. Ein paar „entflohene“ Kinder liefen umher und zupften Roac an seiner Kleidung. Sie wurden aber von ihren entschuldigend drein blickenden Müttern wieder eingesammelt. Eine gab sogar Roac seinen Hammer wieder, den einer der Jungs stibitzt hatte. All diese Gesichter schauten ihn an. Es waren Bettler, Mägde, Händler, fahrendes Volk, Wächter, Adlige und doch war sicher niemand das was er vorgab zu sein. Sie begleiteten ihn, bis zu dem freien Platz vor dem Thron. Dort sah Rabe auch Adler wieder, der etwas abseits auf einer abgebrochenen Säule saß. Auf den Stufen, die zum ehemaligen Herrschersitz hinauf führten, saßen alte Männer die den Kindern über die Köpfe streichelten. Als der Dieb näher kam, begannen die Kinder sich zu setzen, als erwarteten sie nun eine Geschichte und so kam es auch. Einer, der in von Motten zerfressenen Sackleinen gekleidete Bettler, richtete das Wort an Roac:
„Wir möchten euch ein paar Geschichten erzählen und stellen dann jeweils eine Frage dazu um dich kennen zu lernen. Eine ehrliche Meinung wäre hilfreich. Sprecht frei heraus und sagt was ihr euch denkt, aber von eurer Antwort hängt viel ab, also überlegt bevor ihr Antwort gebt.“
Der erste alte Mann, der sich als „Staub“ vorstellte, hob danach an zu erzählen:
„Die erste Geschichte handelt von einem General und einem Mönch."
Er neigte sich zur rechten Seite und stützte seine alten Knochen auf den gesprungenen Stufen ab.
„Ein General, der mit seinen Soldaten zu Pferd unterwegs war, traf auf einen Mönch, der in der Versenkung saß. Der General rief ihm zu: "He, du da! Mönch! Geh mir aus dem Weg." Der Mönch saß regungslos da und schwieg. "Bist du denn taub? Hast du nicht gehört? Ich habe dir gesagt, du sollst mir aus dem Weg gehen."
Aber der Mönch blieb weiterhin unbeweglich und still.
Von seinem Pferd herunter rief der General ihm drohend zu: "Ich glaube, du weißt nicht, wen du vor dir hast? Vor dir ist ein Mensch, der dich jederzeit töten kann, ohne mit der Wimper zu zucken."
Da schaute der Mönch auf und antwortete: "Ich glaube, ihr wisst nicht wen ihr vor euch habt? Vor euch sitzt ein Mensch, der jederzeit sterben kann, ohne mit der Wimper zu zucken."
Dann fragte er nach einer kleinen Pause:
„Was denkt ihr? Welcher Mann ist der stärkere?“
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Mittwoch 6. Mai 2015, 21:42

Geschafft! Roac warf sich gegen die Tür, die von der Arbeit am Schloss immer noch zittrigen Hände schossen zur Armbrust. Der Wächter hinter ihm war ihm haarscharf auf den Fersen. Ein Stoß mit seinem Breitschwert und es wäre zu Ende für ihn - die Prüfung ebenso wie sein Leben. Doch der Dieb hatte den Mechanismus durch das Zerschmettern des letzten Schlosses endgültig entriegelt. So schwang die schwere Pforte auf und spuckte ihn in einen breiten Gang mit mehreren Seitennischen und abzweigenden Wegen. Er war anders als die Tunnel aus dem Labyrinth, größer und besser beleuchtet. Die Prüfung endete hier, das war leicht ersichtlich. Doch wusste das auch der gepanzerte Wächter?
Noch während der Dieb sich am Boden abrollte, zog er die Armbrust und richtete sie auf seinen Verfolger. Dieser war stehen geblieben. Einige Sekunde vergingen in denen sie sich reglos gegenüber standen. Dann griff sich sein Gegenüber an dem Helm und verblüffte Roac mit einem breiten Grinsen. Der Mann lehnte das Schwert an die geöffnete Pforte und nickte ihm zu. Roac zögerte kurz, dann senkte auch er seine Waffe und erwiderte die Geste. Es war vorbei. Auf den Fingerzeig des Mannes drehte er sich um und sah den weiten Gang hinab. Hier ging es also zur Gilde...
"Tut mir leid wegen dem Schloss... und der Armbrust. Hatte fast keine Zeit mehr..."
Entschuldigend zuckte der Dieb mit den Schultern. Den Rucksack streifte er nach kurzem Überlegen ab und ließ ihn am Tor zurück. Er würde ihn von hier an nicht mehr brauchen. Dann, nach einem letzten Blick auf den Wächter der es sich mittlerweile schon wieder auf seinem Stuhl gemütlich gemacht hatte, ließ er die Prüfungshalle hinter sich.
Auf seinem Weg hinab merkte er bald, dass er nicht mehr alleine war. Gestalten huschten in den Schatten umher, Stimmen drangen flüsternd und lachend aus den Nischen hervor. Schon sah er die ersten Bewohner des Untergrunds wie sie ihm in einigen Abstand neugierig folgten. Als er Cadice und Hase unter ihnen ausmachte, wollte er schon zu ihnen gehen, doch dann besann er sich und setzte seinen Abstieg fort. Vor einer weiteren Pforte blieb er stehen und wartete, bis sie sich vor ihm öffnete. Sie gab den Blick in einen hohen Säulensaal frei, der voller Menschen war. Eine Welle ging durch die Menge als er den Raum betrat und dutzende Köpfe in seine Richtung schwenkten. Roac hielt inne, leicht eingeschüchtert von der ungewohnten Aufmerksamkeit die er auf sich zog. Dann gab er sich einen Ruck und ging weiter, folgte humpelnd dem Verlauf der Gasse die sich um ihn bildete und zwang sich seine Verwirrung nicht allzu leicht preiszugeben. Ein Vorhaben, dass ihm kläglich misslang.
Es war schwer zu sagen, mit was er gerechnet hatte. Die Erzählungen über die Diebesgilde waren in Hinblick auf ihrer Mitglieder stets vage und geheimnisvoll gewesen, was wohl damit zusammenhing, dass niemand der sich in den Wirtshäusern darüber sein Maul zerriss jemals hier unten gewesen war. Vermutungen gab es, oh ja. Von einer geheimen Bruderschaft aus Schattenwesen bis hin zu den Nachkommen von Manthala selbst - die Darstellungen variierten in den schillerndsten Farben. Doch die Menschen hier wirkten weder übersinnlich noch schienen sie sich in irgend einer erdenklichen Art von den Bewohnern der Stadt über ihnen zu unterscheiden. Nun... das stimmte nicht ganz. Oben in den Straßen Grandeas blieb man unter sich. Zu groß war die Angst vor den Spitzeln der Dunkelelfen, die das gemeine Volk ausspionierte. Spielende Kinder hatte Roac schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, und dabei hatte sein Laden mit den vergitterten Fenstern und dem Blick auf manch glitzernden Gegenstand eine gewisse Anziehungskraft auf sie. Hier unten tollten sie frei herum und er musste acht geben, nicht seinen Geldbeutel zu verlieren. Ob einige von ihnen wohl eine ähnliche Geschichte wie Hase zu erzählen hatten? Ihre Mütter - oder Aufpasserinnen - lösten sich aus der Menge und versuchten ihnen Herr zu werden, während der Rest der Zuschauer leise tuschelte. Es war eine buntgemischte Menge, fast als hätte jemand willkürlich Bewohner der Stadt aus ihrem Leben gerissen und sie hierher versetzt. Roac sah Lumpen und Lederwämse, grobe Leinenhemden und den einen oder anderen teuren Stoff. Er hatte vermummte Gesichter und tief in die Stirn gezogene Kapuzen erwartet, zwielichtige Gestalten die sich um runde Tische drängten. Doch auf den ersten Blick verbarg hier niemand sein Äußeres. Als Roac das bemerkte, streifte auch er seine Kapuze ab und zeigte seine schwarze Haarmähne, was für weiteres Tuscheln sorgte. Sie konnten unmöglich wissen, wer er war, oder? Andererseits hätte er jedem dieser Menschen bereits im Bettler begegnen können und nicht geahnt mit wem er es zu tun hatte. Die Gilde wusste alles hieß es. Wie viel wussten sie wohl über ihn?
Während der zertrümmerte Thron immer näher rückte stellte sich Roac in Gedanken die Frage, wer wohl einst auf ihn gesessen hatte. Hatte es damals einen König der Unterwelt gegeben der mehrere Meilen unter der Stadt geherrscht hatte? Wie kam es, dass außer der Diebesgilde niemand von diesem Ort wusste? Er war riesig und konnte doch nicht so einfach in Vergessenheit geraten sein? Er wurde wieder in die Realität zurückgerufen, als eines der Kinder im Vorbeirennen an ihn stieß und ihn auf mehrere alte Greise aufmerksam machte. Sie saßen auf den Stufen, in Fetzen gekleidet und wirkten wie einfache Bettler. Doch als einer von ihnen begann zu ihm zu sprechen merkte Roac schnell, dass er es hier mit einer Art Ältestenrat zu tun hatte. Nicht nur die Kinder, auch die anderen Zuschauer wurden still und aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie Adler, Cadice und Hase ihr Gespräch verfolgten.
„Wir möchten euch ein paar Geschichten erzählen und stellen dann jeweils eine Frage dazu um dich kennen zu lernen. Eine ehrliche Meinung wäre hilfreich. Sprecht frei heraus und sagt was ihr euch denkt, aber von eurer Antwort hängt viel ab, also überlegt bevor ihr Antwort gebt.“
Der Mann namens Staub sprach in einem fast feierlich wirkendem Celcianisch, das trotz seiner schwachen Stimme quer durch den Saal drang. Als er geendet hatte spürte Roac durch ein Kribbeln sofort dutzende Augenpaare in seinem Nacken und war sich der Wichtigkeit seiner folgenden Worte bewusst. Die bestandene Prüfung könnte innerhalb weniger Augenblicke hinfällig werden, wenn er sich hier nicht beweisen konnte.
"Ich habe verstanden. Stellt mir eure Fragen, ich werde sie so gut wie mir möglich beantworten."
Staub nickte und begann zu erzählen.

Ein General, der mit seinen Soldaten zu Pferd unterwegs war, traf auf einen Mönch, der in der Versenkung saß. Der General rief ihm zu: "He, du da! Mönch! Geh mir aus dem Weg." Der Mönch saß regungslos da und schwieg. "Bist du denn taub? Hast du nicht gehört? Ich habe dir gesagt, du sollst mir aus dem Weg gehen."
Aber der Mönch blieb weiterhin unbeweglich und still.
Von seinem Pferd herunter rief der General ihm drohend zu: "Ich glaube, du weißt nicht, wen du vor dir hast? Vor dir ist ein Mensch, der dich jederzeit töten kann, ohne mit der Wimper zu zucken."
Da schaute der Mönch auf und antwortete: "Ich glaube, ihr wisst nicht wen ihr vor euch habt? Vor euch sitzt ein Mensch, der jederzeit sterben kann, ohne mit der Wimper zu zucken."
Was denkt ihr? Welcher Mann ist der stärkere?


Kaum herrschte wieder Stille, kehrte das Kribbeln in Roacs Nacken zurück. Selbst die Kinder waren verstummt und sahen ihn aus großen, erwartungsvollen Augen an. Roac ließ sich Zeit seine Gedanken in Worte zu fassen. Dies hier war kein Rätsel, keine Aufgabe des Verstands sondern eine Aufgabe des Charakters. Eine offensichtliche Antwort lag auf der Hand. Doch es war nicht die Richtige.

"Der General ist mächtig. Er befiehlt über seine Soldaten, die für ihn kämpfen und sterben. Er braucht nur mit den Finger zu schnippen und das Leben des Mönchs ist zu Ende. Doch da der Mönch jederzeit bereit ist zu sterben, ist das bedeutungslos. Ob er heute oder erst in Zehn Jahren stirbt, ist ihm einerlei. Er hat den Tod akzeptiert... im Gegensatz zum General, der leichtfertig damit umgeht. Egal wie mächtig er im Leben jemals sein wird - der Tod wartet auch auf ihn und unterscheidet nicht zwischen ihm und seinen Opfern. Der Mönch hat das verstanden. Deshalb ist er stärker als der hochmütige General."
Es war merkwürdig nach sechs Stunden gemurmelter Selbstgespräche und Flüche vor so einer großen Menschenmenge zu sprechen. Noch seltsamer kam ihm seine Stimme vor, die beim Beantworten der Frage ungewohnt ruhig und zugleich eindringlich wirkte. Als er schließlich verstummte, dachte er über seine eigenen Worte nach, als wären sie von einem Fremden gekommen. Sie ergaben Sinn, zumindest für ihn. Doch würde sich Staub damit zufrieden geben?

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Samstag 9. Mai 2015, 19:49

"Der General ist mächtig. Er befiehlt über seine Soldaten, die für ihn kämpfen und sterben. Er braucht nur mit den Finger zu schnippen und das Leben des Mönchs ist zu Ende. Doch da der Mönch jederzeit bereit ist zu sterben, ist das bedeutungslos. Ob er heute oder erst in Zehn Jahren stirbt, ist ihm einerlei. Er hat den Tod akzeptiert... im Gegensatz zum General, der leichtfertig damit umgeht. Egal wie mächtig er im Leben jemals sein wird - der Tod wartet auch auf ihn und unterscheidet nicht zwischen ihm und seinen Opfern. Der Mönch hat das verstanden. Deshalb ist er stärker als der General."
Der Mann der sich Staub nannte nickte gutmütig und ließ sich in seine Ausgangsposition zurück gleiten. Das leise allgemeine Getuschel und Genicke hinter Rabes Rücken ließ vermuten, dass auch viele andere der Anwesenden mit der Antwort sehr zufrieden waren. Beim Umschauen konnte der Dieb sich dann auch erklären, warum Celcianisch gesprochen wurde. Es waren nicht nur Bewohner aus Grandea anwesend. Man konnte auch einige deutlich andere Gesichter ausmachen. Am auffälligsten fielen Roac zwei Trolle auf. Der eine war fast vier Schritt hoch und hielt ein Kind und noch viel erstaunlicher, einen viel kleineren seiner Art im Arm, damit die beiden besser über die Menschenmenge hinweg sehen konnten. Roacs Aufmerksamkeit wurde wieder nach vorne gelenkt als der nächste Alte zu reden begann und sich als „Sand“ vorstellte. Dann begann er sogleich mit der nächsten Erzählung:
„Die zweite Geschichte handelt vom Auge … „
Er ließ sich sacht zurück sinken und schloss halb die trüben Augen.
„Das Auge erzählte eines Tages: "Ich sehe hinter diesen Tälern im blauen Dunst einen Berg. Ist er nicht wunderschön?"
Das Ohr lauschte und sagte nach einer Weile: "Wo ist ein Berg, ich höre keinen."
Darauf sagte die Hand: "Ich versuche vergeblich ihn zu greifen, ich finde keinen Berg."
Die Nase sagte: "Ich rieche nichts, da ist kein Berg." .
Die anderen diskutierten weiter über diese merkwürdige Täuschung und kamen zu dem Schluss: "Mit dem Auge stimmt etwas nicht."
Er machte eine Pause und schaute mit seinen blinden Augen in die grobe Richtung des Raben.
„Wenn du das Auge wärst, wie würde diese Geschichte weiter gehen?“
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