Erwachen zwischen Schatten

Das Zentrum der celcianischen Diebesgilde und Sitz dessen Patrons. Dieser rühmliche Palast befindet sich unterirdisch und ist nur Mitgliedern der Diebesgilde bekannt.
Er beherbergt neben geraubten Schätzen und einem eigenen Manthala-Tempel auch den sogenannten Schatzgang.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Sonntag 10. Mai 2015, 09:15

Anscheinend war seine Antwort akzeptabel gewesen, denn Staub ging nicht weiter darauf ein. Als er sich gesetzt hatte erhob sich jedoch schon ein weiterer gebrechlicher Greis und stellte die nächste Frage. Sie war nicht weniger vage als die seines Vorgängers. Es gab keine eine richtige Antwort - vermutlich gab es sogar keine falsche. Und dennoch würde sie ohne Zweifel viel über ihn preisgeben...

„Die zweite Geschichte handelt vom Auge …
Das Auge erzählte eines Tages: "Ich sehe hinter diesen Tälern im blauen Dunst einen Berg. Ist er nicht wunderschön?"
Das Ohr lauschte und sagte nach einer Weile: "Wo ist ein Berg, ich höre keinen."
Darauf sagte die Hand: "Ich versuche vergeblich ihn zu greifen, ich finde keinen Berg."
Die Nase sagte: "Ich rieche nichts, da ist kein Berg." .
Die anderen diskutierten weiter über diese merkwürdige Täuschung und kamen zu dem Schluss: "Mit dem Auge stimmt etwas nicht."
Wenn du das Auge wärst, wie würde diese Geschichte weiter gehen?“


Roacs Schweigen dauerte diesmal länger. Er merkte, wie die Menge hinter ihm versuchte seine Antwort vorauszusagen, ihn aufgrund der vorigen richtig zu deuten. Ob die Fragestellung jedes Mal die gleiche war, wusste der Dieb nicht. Als er nach einer Weile wieder in Sands blinde Augen sah, wusste er jedoch was er sagen würde.

"Wenn ich das Auge wäre, würde ich versuchen den anderen den Berg zu beschreiben. Seine kantige Oberfläche die mit Felsen überseht ist. Seine steile Spitze die in den Himmel sticht. Sein bewaldeter Boden, der je weiter er in die Höhe wächst in weiße Schneefelder übergeht."
Er tat sein bestes das Bild eines Berges wiederzugeben, aber in Wahrheit war es bereits lange her, seit Roac das letzte Mal einen gesehen hatte. Früher, auf dem Bauernhof waren diese Steinriesen allgegenwärtig gewesen, schlossen die weiten Ebenen ein die damals seine Welt gewesen waren. Doch in der Stadt mit ihren engen Gassen und hohen Mauern konnte man schnell vergessen, dass sie überhaupt da waren.
"Aber egal wie sehr ich mich anstrengen würde, die anderen würden mich nicht verstehen. Obwohl ich den Berg sehen kann, weiß ich nicht wie er sich anhört, wie er riecht, wie er sich anfühlt. Obwohl er in der Ferne für mich klar und groß dasteht, ist er für die anderen... einfach nicht da. Und selbst wenn ich ihnen den Weg dorthin beschreiben würde - sie könnten auch damit nichts anfangen. Woran sollten sie sich orientieren?"
Der Dieb machte eine Pause.
"Was ich aber tun kann, ist mich an diesen Moment zu erinnern um daraus zu lernen. Es mag der Tag kommen, an dem ein Bäcker frisches Brot in verdeckten Körben an uns vorbeiträgt und nur die Nase wird es merken. Wenn die Hand ein verlorenes Stück Stoff aufhebt, wird sie die einzige sein, die spürt wie weich und fein es ist. Und das Ohr hört schon am Morgen das Zwitschern der Vögel, die für alle anderen zu schnell zu fassen sind. Ihnen wird es dann genauso gehen wie mir: Man wird ihnen nicht glauben, sie für verrückt erklären. Nur ich weiß wie es ihnen geht. Auch wenn es mir schwer fällt, ich kann sie bitten mir von ihren Eindrücken zu erzählen. Und wenn sie mir davon berichten, bereitwillig weil ihnen sonst niemand zuhört, kann ich mich mit meinen eigenen Beobachtungen bedanken. Vielleicht... vielleicht werden sie dann verstehen. "
Er verstummte. Die milchigen Augen des alten Mannes schienen ihn zu durchleuchten.
"Wir alle sind blind für manches , haben falsche Vorstellungen oder können uns nicht vorstellen das Dinge so sind wie sie sind."
Roac wandte sich halb um und sah in die Menge der verschiedenen Gesichter. Menschen, Elfen, Zwerge, Orks, Trolle... alle Rassen Celcias vereint im Schatten eines der striktesten Königreiche südlich des Drachengebirges.
"Dieser Ort hier... zumindest für mich, ist ein gutes Beispiel dafür..."

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Montag 11. Mai 2015, 21:12

Der Mann der sich „Sand“ nannte lächelte und dieser Ausdruck erreichte sogar seine trüben Augen. Ein kurzes Glitzern fing sich in ihnen, dann schloss er sie und kommentierte Roacs Gesagte mit einem einfachen Satz:
„Es ist alles eine Frage des Vertrauens, denn auch wenn alle anderen Sinne etwas anderes sagen, ist eine einfache Tatsache doch nicht weniger wahr, nur weil wir sie nicht sehen können.“
Einige der Umstehenden nickten Roac zu und der ein oder andere hatte begonnen ihn offen anzulächeln. Ein Kind stellte sich neben ihn und steckte seine winzige Faust in seine Hand. Große runde Augen sahen zu ihm hoch und der Dreck, der seinen Mund verbarg, verzog sich ulkig. Das Gurgeln des kleinen Jungen zeugte davon, dass er noch nicht einmal richtig sprechen konnte, also war er körperlich weiter als in seinem kleinen Köpfchen. Seine Mutter stand nicht all zu weit weg und beobachtet Roac mit Argusaugen, aber griff nicht ein.
Der dritte alte Bettler von Vieren, mit Namen „Kies“, hob seinen Kopf und begann mit knarrender, fast knirschender Stimme zu erzählen:
"Ich berichte euch vom Holzfäller, der seine Axt verlor."
Er knackte nacheinander mir den Fingerknöcheln und beugte sich nach ein Stück nach vorne um Roac zu fixieren.
„Also … Ein Holzfäller suchte seine Axt. Als er ihren Verlust festgestellt hatte, suchte er sie an all den Stellen, wo er sie vor kurzem noch verwendet hatte, aber ohne Erfolg.
Nach und nach drängte sich ihm immer stärker der Gedanke auf:
Jemand musste ihm seine Axt gestohlen haben. Sein Verdacht richtete sich schließlich auf den Sohn seines Nachbarn. Er fing an, das Verhalten des jungen Mannes genauer zu beobachten. Es dauerte nicht lange, und sein Verdacht wandelte sich zur Gewissheit: Dieser Bursche war der Dieb.„
Ein Raunen ging durch die Menge, als wäre die Vorstellung, dass es so etwas wie Diebe geben könnte etwas ganz und gar unmögliches. Der Mann der sich als „Kies“ vorgestellt hatte hob die Hand und fuhr dann mit der einsetzenden Stille fort:
„Er konnte einem nicht direkt in die Augen schauen; er war undurchsichtig; er wirkte verängstigt, was verriet, dass er etwas zu verbergen hatte. Kurz, er schaute wie ein Dieb drein, ging wie ein Dieb, wirkte wie ein Dieb. Unser Holzfäller wartete nur noch darauf, ihn auf frischer Tat ertappen zu können.
Doch als er eines Tages wieder an ein Waldstück kam, an dem er ebenfalls bereits etliche Bäume gefällt hatte, stolperte er fast über einen Gegenstand: seine Axt. Dieses Erlebnis erstaunte ihn ziemlich. Von da an betrachtete er den Burschen zwar nicht mehr als Dieb, aber trotzdem begegnete er ihm weiterhin mit einem gewissen Misstrauen.“
Er atmete dreimal lange ein und aus und fragte dann:
„Was lernte der Holzfäller und was nicht?“
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Mittwoch 20. Mai 2015, 15:47

Die Reaktion der Menge auf seine Antworten verwirrte Roac zutiefst, sogar mehr als es die komischen Rätsel der Greise taten. Er kam sich vor wie ein Schwiegersohn, der bei der Familie der Liebsten zum Nachtmahl eingeladen war und sich unter den prüfenden Blicken der Verwandten zu beweisen hatte. Bisher schien das dem Dieb recht gut gelungen zu sein, denn Sand setzte sich mit einem beruhigtem Nicken und gab somit sein stummes Einverständnis. In selben Moment spürte Roac ein leichtes Ziehen an seinem Handrücken und sah auf den lehmbraunen Schopf eines kleinen Knaben hinab. Er konnte nicht älter als drei Winter sein, geboren in einer Zeit, in der das dunkle Volk noch hoch im Norden hauste und der Anblick von Orks und Elfen in den Straßen eine Seltenheit war. Der Junge sah gurgelnd zu ihm hoch und schwankte wie eine Ähre im Wind, sodass Roac ihn an seinem dünnen Ärmchen festhielt. Aus den Augenwinkeln sah er sich verstohlen nach Cadice um und warf ihr einen hilfesuchenden Blick zu. Der Dieb hasste es im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Fast sehnte er sich schon wieder in das menschenleere Labyrinth zurück...

Auf Sand folgte ein Mann, der sich als Kies vorstellte. Mit der Zeit konnte Roac ein gewisses Muster erkennen... Waren die Fragen seiner Vorgänger wirr und abstrakt gewesen, so war dieseetwas leichter verständlich. Was jedoch nicht bedeutete, dass sie einfacher zu beantworten war.

"Also … Ein Holzfäller suchte seine Axt. Als er ihren Verlust festgestellt hatte, suchte er sie an all den Stellen, wo er sie vor kurzem noch verwendet hatte, aber ohne Erfolg.
Nach und nach drängte sich ihm immer stärker der Gedanke auf:
Jemand musste ihm seine Axt gestohlen haben. Sein Verdacht richtete sich schließlich auf den Sohn seines Nachbarn. Er fing an, das Verhalten des jungen Mannes genauer zu beobachten. Es dauerte nicht lange, und sein Verdacht wandelte sich zur Gewissheit: Dieser Bursche war der Dieb. Er konnte einem nicht direkt in die Augen schauen; er war undurchsichtig; er wirkte verängstigt, was verriet, dass er etwas zu verbergen hatte. Kurz, er schaute wie ein Dieb drein, ging wie ein Dieb, wirkte wie ein Dieb. Unser Holzfäller wartete nur noch darauf, ihn auf frischer Tat ertappen zu können. Doch als er eines Tages wieder an ein Waldstück kam, an dem er ebenfalls bereits etliche Bäume gefällt hatte, stolperte er fast über einen Gegenstand: seine Axt. Dieses Erlebnis erstaunte ihn ziemlich. Von da an betrachtete er den Burschen zwar nicht mehr als Dieb, aber trotzdem begegnete er ihm weiterhin mit einem gewissen Misstrauen. Was lernte der Holzfäller und was nicht?"


Roac blies Luft aus und scharrte unruhig mit den Füßen als er über die Frage nachdachte. Die Erwähnung des Worts "Dieb" - ein Begriff mit dem er sich in Gedanken ohne weiteres selbst bezeichnete - hatte zu einer unerwarteten Reaktion der Menge geführt. Was waren all diese Gestalten, die sich hier in unterirdischen Tunneln sammelten wenn keine Kriminellen und Ausgestoßenen? Gaukelte man den Kindern etwa eine heile Welt vor, während man ihnen zur gleichen Zeit verschwieg woher das tägliche Brot kam?

"Er... hat hoffentlich gelernt besser auf seine Axt acht zu geben. Zuerst auf eigene Fehler zu achten anstatt die Schuld bei anderen zu suchen..."
Die Antwort kam weniger überzeugt als diejenigen davor. Als er aufsah, merkte er, dass dies dem Alten nicht genügen würde. Roac suchte fieberhaft nach einem Beispiel, einem Gleichnis anhand dem er seine Gedanken illustrieren konnte wie er es mit den Sinnen getan hatte. Doch diese Herangehensweise half ihm hier wenig. Schließlich zuckte er mit den Schultern und antwortete einfach aus dem Bauch heraus.
"Was der Holzfäller bei der Sache nicht gelernt hat, ist seinen Kopf zu verwenden statt sich nur von Verdacht und Misstrauen leiten zu lassen. Er verdächtigt seinen Nachbarn weil er sich in seinen Augen immer mehr wie ein Dieb verhält. Aber wie verhält sich ein Dieb? Undurchsichtig, unscheinbar - in seinem Argwohn erscheint ihm wohl jeder als Dieb. Was hätte der Nachbar mit dem Diebstahl erreicht? Die Axt hätte er im selben Wald mit dem Holzfäller nie verwenden können und das Geld vom Verkauf würde seinem Nachbar ebenfalls auffallen. Man stiehlt nicht einfach... in der eigenen Nachbarschaft..."
Nun... theoretisch hätte der Nachbar die Axt auch wieder zurückbringen können, doch Roac schloss diese Möglichkeit einmal aus. Es ging nicht darum, ob es zum Diebstahl gekommen war oder nicht, sondern wie der Holzfäller damit umging.
"Und am Ende hat der Mann seine Axt wieder, weiß, dass sein Nachbar unschuldig ist und ist doch in seinem Denken gefangen. Die Möglichkeit, dass sein Nachbar ihn bestehlen hätte können, verdirbt ihre Nachbarschaft."

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Freitag 22. Mai 2015, 09:27

"Er... hat hoffentlich gelernt besser auf seine Axt acht zu geben. Zuerst auf eigene Fehler zu achten anstatt die Schuld bei anderen zu suchen..."
Die Antwort kam weniger überzeugt als diejenigen davor. Als er aufsah, merkte er, dass der Alte auf mehr wartete. Roac suchte fieberhaft nach einem Beispiel, einem Gleichnis anhand dem er seine Gedanken illustrieren konnte wie er es mit den Sinnen getan hatte. Doch diese Herangehensweise half ihm hier wenig. Schließlich zuckte er mit den Schultern und antwortete einfach aus dem Bauch heraus.
"Was der Holzfäller bei der Sache nicht gelernt hat, ist seinen Kopf zu verwenden statt sich nur von Verdacht und Misstrauen leiten zu lassen. Er verdächtigt seinen Nachbarn weil er sich in seinen Augen immer mehr wie ein Dieb verhält. Aber wie verhält sich ein Dieb? Undurchsichtig, unscheinbar - in seinem Argwohn erscheint ihm wohl jeder als Dieb. Was hätte der Nachbar mit dem Diebstahl erreicht? Die Axt hätte er im selben Wald mit dem Holzfäller nie verwenden können und das Geld vom Verkauf würde seinem Nachbar ebenfalls auffallen. Man stiehlt nicht einfach... in der eigenen Nachbarschaft..."
Der Alte grinste breit. Offensichtlich hatte Roac etwas gutes gesagt.
"Und am Ende hat der Mann seine Axt wieder, weiß, dass sein Nachbar unschuldig ist und ist doch in seinem Denken gefangen. Die Möglichkeit, dass sein Nachbar ihn bestehlen hätte können, verdirbt ihre Nachbarschaft."
Kies hörte auch nicht auf zu grinsen und deutete mit einer Armbewegung in die Menge.
„Wenn du dich hier umsiehst, wirst du sicher schon fest gestellt haben, dass kaum einer nach einem Dieb aussieht, denn die wirklich guten Diebe verhalten sich eben nicht so, wie der Holzfäller es angenommen hat. Und in unserer „Nachbarschaft“ stehlen wir auch nicht.“
Er zwinkerte Roac fast väterlich zu und ließ sich zurück sinken um dem letzten alten Mann, mit Namen „Fels“, Platz zu machen. Sie tauschten kurz einen vielsagenden Blick und Fels begann sogleich zu erzählen, während er sein runzliges Gesicht dem Licht entgegen hob:
„Das Ende unserer Fragen kommt mit einem Schmetterling.“
Er lehnte sich zur linken Seite und zog einen lahmen Arm an den verdrehten Körper.
„Ein Mann fand die Puppe eines Schmetterlings. Eines Tages erschien eine kleine Öffnung, und der Mann beobachtete über viele Stunden, wie sich der Schmetterling mühte, seinen Körper durch die schmale Öffnung zu zwängen. Nach einer gewissen Zeit erschien es dem Mann, als ginge es nicht mehr weiter. Es sah so aus, als ob der Schmetterling erreicht hatte, was möglich war. Der Mann fasste den Entschluss, dem Schmetterling zu helfen.
Er nahm eine Schere und trennte den verbliebenen Rest der Puppe auf. Der Schmetterling war dadurch schnell befreit. - Aber irgendetwas stimmte nicht. Der Schmetterling hatte einen geschwollenen Körper und verschrumpelte Flügel. Der Mann beobachtete den Schmetterling weiterhin und erwartete, dass sich der Körper langsam zusammenziehen würde und dass sich die Flügel entfalteten, um den Körper davonzutragen. Aber nichts davon geschah.
Der Schmetterling verbrachte den Rest seines Lebens damit, mit einem geschwollenen Körper und deformierten Flügeln herumzukriechen. Er war niemals fähig zu fliegen. Was der Mann in seiner Hilfsbereitschaft und Ungeduld nicht verstand, war, dass die Beschränkungen durch die Puppe und die erforderlichen Anstrengungen, diese Puppe zu verlassen, der Weg des Schmetterlings waren, Flüssigkeit vom Körper in die Flügel zu befördern, so dass er die Fähigkeit zum Fliegen erreichen könnte, sobald er sich endgültig von seiner Puppe befreit hätte.“
Fels machte eine kleine Pause und betrachtete Rabe still. Seine Augen wanderten über seinen Körper und sein Bein. Er nickte nachdenklich und schien zu einem Entschluss zu kommen. Dann fuhr er fort.
„Manchmal sind Anstrengungen und Kampf genau das, was wir in unserem Leben brauchen. Falls wir uns nicht erlauben, ohne alle Behinderungen durchs Leben zu gehen, würde uns dies verkümmern lassen. Wir würden niemals die Stärke erreichen, die uns möglich ist. Nicht nur das, wir könnten auch niemals fliegen...“
Fels hatte keine Frage gestellt und sah Rabe nur schweigend an. Ein Kind, ein kleines Mädchen, dass nicht weit von seinen Schultern entfernt bei ihm saß, reckte sich und sprach leise hinter vorgehaltener Hand in das Ohr des Alten:
„Ich mag keine Scheren!“
Fels wandte sein Gesicht dem Kind zu und streichelte ihren Kopf. Dabei verrutschte sein Gewand und zeigte einen geschnitzten Fuß aus Holz.
„Ich auch nicht!“
Roac bemerkte in diesem Moment eine Bewegung neben sich und Cadice tauchte in seinem Augenwinkel auf. Sie nahm die andere Hand des Kindes, dass noch an Roacs Seite hing und es löste sich von ihm. Cadice nahm es auf ihren Arm und gab es seiner Mutter wieder. Als Roac wieder nach vorne sah schauten ihn alle vier Alten an und nickten sich dann gegenseitig zu. Auch Adler trat nun wieder näher und streckte Roac den Arm freundschaftlich entgegen. Anscheinend war die Befragung zu Ende. Einige der weiter weg stehenden Leute begannen sich schon wieder mit ihren Angelegenheiten zu beschäftigen und Cadice setzte sich neben Fels und flüsterte ihm etwas ins Ohr, während die anderen drei sich schon langsam erhoben und in der Menge verteilten. Beide grinsten sich an, der Alte nickte und sie erhob sich wieder und kam ebenfalls zu Roac. Ihre hellblauen Augen strahlten ihn an uns sie sprach:
„Willkommen!“
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Dienstag 2. Juni 2015, 13:28

Auch auf die nächste Frage schien er die richtige Antwort gegeben zu haben, denn als Kies sich grinsend setzte, huschten die Augen der Versammelten zum nächsten Alten. Roac wandte sich dem gebeugten Mann zu und wappnete sich auf ein letztes Rätsel, mit dem das leidige Verhör hoffentlich sein Ende finden würde. Doch es kam anders als erwartet:

"Ein Mann fand die Puppe eines Schmetterlings. Eines Tages erschien eine kleine Öffnung, und der Mann beobachtete über viele Stunden, wie sich der Schmetterling mühte, seinen Körper durch die schmale Öffnung zu zwängen. Nach einer gewissen Zeit erschien es dem Mann, als ginge es nicht mehr weiter. Es sah so aus, als ob der Schmetterling erreicht hatte, was möglich war. Der Mann fasste den Entschluss, dem Schmetterling zu helfen.
Er nahm eine Schere und trennte den verbliebenen Rest der Puppe auf. Der Schmetterling war dadurch schnell befreit. - Aber irgendetwas stimmte nicht. Der Schmetterling hatte einen geschwollenen Körper und verschrumpelte Flügel. Der Mann beobachtete den Schmetterling weiterhin und erwartete, dass sich der Körper langsam zusammenziehen würde und dass sich die Flügel entfalteten, um den Körper davonzutragen. Aber nichts davon geschah.
Der Schmetterling verbrachte den Rest seines Lebens damit, mit einem geschwollenen Körper und deformierten Flügeln herumzukriechen. Er war niemals fähig zu fliegen. Was der Mann in seiner Hilfsbereitschaft und Ungeduld nicht verstand, war, dass die Beschränkungen durch die Puppe und die erforderlichen Anstrengungen, diese Puppe zu verlassen, der Weg des Schmetterlings waren, Flüssigkeit vom Körper in die Flügel zu befördern, so dass er die Fähigkeit zum Fliegen erreichen könnte, sobald er sich endgültig von seiner Puppe befreit hätte. "


Der Dieb verspannte sich als er die Augen des Greises auf sich spürte. Er wusste, was dessen nächsten Worte sein würden und er wünschte sich, er würde sie für sich behalten. Unbewusst zog er sein Bein näher an den Körper, so wie es einst vor seinem Sturz gewesen war, während er den in der Luft schwenkenden Arm des Mannes folgte. Sie beide hatten die Schere in ihrem Leben gespürt, Roac vermutlich sogar früher als der Alte vor ihm. Anders als der Schmetterling, hatte er jedoch die Gelegenheit gehabt sich an seinen Flügeln zu erfreuen, das Fliegen zu lernen und zu meistern. Wie arm die verkrüppelte Raupe am Boden auch wahr, würde sie doch nie vermissen, was sie nicht kannte...

"Manchmal sind Anstrengungen und Kampf genau das, was wir in unserem Leben brauchen. Falls wir uns nicht erlauben, ohne alle Behinderungen durchs Leben zu gehen, würde uns dies verkümmern lassen. Wir würden niemals die Stärke erreichen, die uns möglich ist. Nicht nur das, wir könnten auch niemals fliegen..."

Schweigend wartete der Dieb auf seine Frage, doch er wurde verschont. Fels sah ihm nur noch einmal tief in die Augen, dann beugte er sich zu einem der Kinder und entblößte dabei sein Holzbein. Roac erinnerte sich schlagartig an die Lagerhalle, wo er von dem schlaksigen Feldarzt operiert worden war. Hätte Lares ihm keinen weiteren Lysanthemer zugesteckt, wären seine Stiefel heute nur halb so voll. Er zwang sich nicht zu starren und nickte nur, froh darüber, das seine Meinung diesmal nicht gefragt wurde. Zumal er nicht wusste, was er von Fels Monolog halten sollte. Erfahrung sprach aus seinen Worten, Erfahrungen die er in seinem langen Leben zweifellos gemacht hatte. Doch wie viel Wahrheit in ihnen steckte, darüber wollte der Dieb in diesem Moment nicht weiter nachdenken.
Als Cadice zu seiner Seite aus der Menge auftauchte, realisierte er das der kleine Wicht immer noch an seiner Hand hing und übergab ihn ihr dankbar mit Seitenblick auf seine Mutter, die fast so erleichtert aussah wie er. Dann schien es auch mit Befragung zu Ende zu gehen, denn die Alten tauschten sich kurz untereinander aus und schienen einstimmig mit den Ergebnissen zufrieden zu sein. Adler trat auf ihn zu und hielt ihm die Hand hin, worauf Roac einschlug und sich zu einem müden Lächeln zwang. Auch Cadice kam zu ihm zurück, ihre Lippen wie immer schelmisch gekräuselt.
"Willkommen"
Um sie herum begann sich die Menge bereits allmählich zu zerstreuen und Roac atmete innerlich auf. Umso weniger Augenpaare sich an seine Erscheinung hefteten, umso leichter wurde ihm als ob sich eine schwere Last von seinen Schultern löste. Die Anspannung verflog und was zurück blieb war eine leichte Erschöpfung. Erschöpfung und Hunger, denn der Apfel von gestern Abend fühlte sich zunehmend einsamer in seinem Magen. Doch das konnte warten.
"Danke. Aber... was bedeutet das für mich? Habe ich die die Aufnahme bestanden? Bin ich jetzt..."
Er lies den Satz unvollendet. Zu viele Fragen schwirrten in seinem Schädel herum die seitdem er hierher verschleppt wurde auf seiner Seele brannten. War er gerade ohne es zu merken der Diebesgilde beigetreten?

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 3. Juni 2015, 09:19

Rabe wusste nicht genau, was er von Fels Monolog halten sollte. Der alte Mann hatte ihn nur aufmerksam dabei beobachtet und seine Schlüsse daraus gezogen. Erfahrung sprach aus Fels Worten, Erfahrungen die er in seinem langen Leben zweifellos gemacht hatte. Doch wie viel Wahrheit in ihnen steckte, darüber wollte der Dieb in diesem Moment nicht weiter nachdenken. Geschichten waren Geschichten, manchmal Gleichnisse, manchmal Tatsachen und manchmal schlicht erfunden. Doch trotzdem war ihm dieser Gedanke kurz durch den Kopf gegangen. Gleichzeitig musste er sich dann jedoch auch fragen, ob Lares ihm jemals angelogen hatte? Hatte sein alter Lehrmeister ihn auf das hier vorbeireiten wollen? Die Menge löste sich auf und auch Cadice kam zu ihm zurück, ihre Lippen wie immer schelmisch gekräuselt.
"Willkommen"
Fels beobachtete ihn immernoch aufmerksam aus seinen von Runzeln umgebenen Augen, aber hielt sich zurück. Die Zeit für die Jüngeren war gekommen.
"Danke. Aber... was bedeutet das für mich? Habe ich die die Aufnahme bestanden? Bin ich jetzt..."
Er lies den Satz unvollendet. Zu viele Fragen schwirrten in seinem Schädel herum die seitdem er hierher verschleppt wurde auf seiner Seele brannten. War er gerade ohne es zu merken der Diebesgilde beigetreten?
Ohne es zu merken sicher nicht. Allein die Strapazen des Labyrinths lagen noch auf seinen Schultern. Immer wieder hatte er die Wahl getroffen weiter zu sehen und wenn er ehrlich zu sich war, so hatte seine Neugierde ihn unentwegt weiter voran getrieben.
Fels hob leicht die Augenbrauen auf seine Frage hin und meinte:
„Was das für euch bedeutet müsst ihr schon selbst herausfinden. Für mich bedeutet es, dass wir hoffentlich einen neuen Verbündeten in unserer Runde gefunden haben.“
Er erhob sich äußerst umständlich und ein paar mal sah es fast so aus, als würde er stürzen. Cadice beobachtete ihn angespannt, als würde sie ihm gerne helfen, aber stand dann doch still da. Als Fels sich dann aufgerichtet hatte und mit seinem wackeligen Holzbein ein paar Schritte auf sie zu machte, huschte sie dann doch an seine Seite und schob sich unter seinen Arm.
„Kind, das musst du nicht. Wie du weißt, versuche ich es immer gern erst einmal alleine. So rostet man ein.“
„Ich weiß, Papa.“

Damit gingen sie gemeinsam in die Halle hinein auf einen Tisch zu, der mit allerlei Leuten besetzt war. Adler stand bei Rabe und knuffte ihn sacht mit dem Ellenbogen an seinen Oberarm.
„Sie ist schon ne Wucht, oder … unsere Biene!“
Er lächelte dabei breit und schaute Cadice anerkennend auf den Hintern, dann drehte er sich zu Roac um.
„Ihr habt doch bestimmt noch tausend Fragen. Soll ich euch ein bisschen herumführen oder wollt ihr erst was essen? Ich hab einen Bärenhunger! Ach überings, bei Tisch, oder bei Versammlungen wird Celcianisch gesprochen. Es gibt einige unter uns die das Garmische nicht beherrschen und sonst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen sein würden. Wenn ihr mögt könnt ihr auch Rendinea lernen.“
Er lächelte etwas schelmisch.
„Die Anfängerklasse sitzt da hinten.“
Er zeigte auf einen Haufen kleiner Kinder, die sich um eine ältere Frau geschart hatten und sich fleißig in der Sprache der Diebe übten. Aber auch ein paar erwachsene Gesichter waren auf den zweiten Blick zu erkennen. Etwas abseits saß ein junger Mann, vielleicht 19 Sommer alt, der aufmerksam zuhörte und mitten unter den Kindern saß eine hellblau haarige Elfe, unschwer an ihren spitzen Ohren zu erkennen. Adler legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter und meinte:
„Ihr seid jetzt einer von uns. Hier seid ihr sicher.“
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Samstag 6. Juni 2015, 19:05

„Was das für euch bedeutet müsst ihr schon selbst herausfinden. Für mich bedeutet es, dass wir hoffentlich einen neuen Verbündeten in unserer Runde gefunden haben.“
Damit war die Sache für Fels erledigt, denn er machte Anstalten sich zu erheben. Roac sah ihn dabei mit gemischten Gefühlen zu. Das Holzbein des Mannes rutschte auf dem blanken Stein und knirschte bei jeder seiner Bewegungen, während sein tauber Arm nutzlos an der Seite baumelte. Der Dieb trat einen Schritt zur Seite und senkte schweigend den Blick zu Boden. Er unterdrückte den Drang den Alten zu stützen, wusste er doch, dass er ihm damit keinen Gefallen tun würde. Cadice hingegen schien nicht länger tatenlos zusehen zu können.
„Kind, das musst du nicht. Wie du weißt, versuche ich es immer gern erst einmal alleine. So rostet man ein.“
„Ich weiß, Papa.“

Papa? Roacs Brauen hoben sich überrascht als die beiden an ihm vorbeizogen. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Adler schien davon jedoch nichts mitbekommen zu haben.
„Sie ist schon ne Wucht, oder … unsere Biene!“
Seine Miene war die eines Mannes, der mit sich und der Welt zufrieden war.
"Hmmmmhmmmm..."
Die Erinnerungen an die Nacht im Bettler waren immer noch frisch, wenn auch ein wenig vernebelt. Keine zwei Tage war es her, dass Cadice - damals nur eine namenlose Hure - mit ihrem warmen Leib für ein paar Stunden die Einsamkeit aus seinem Leben vertrieben hatte. Es hätte dabei bleiben sollen, doch wie Manthala es wollte, war sie genau diejenige, die der Hehler gesucht hatte. Ihr verdankte er, dass er überhaupt hier war. Und schenkte man den Gerüchten über das Schicksal des Glasers Glauben, so verdankte er ihr auch sein Leben.
"Man kann Euch echt beneiden..."
Der Dieb erwiderte Adlers kameradschaftliche Geste und beschloss das leise Stechen der Eifersucht so gut es ging zu ignorieren. Sein Gegenüber schien in Ordnung zu sein, wenn auch für seinen Geschmack vielleicht ein wenig zu freundschaftlich für die kurze Zeit die er hier war. Doch wenn es stimmte was Fels gesagt hatte, so war er jetzt ein Teil dieser Gemeinschaft und hatte sich durch seine Antworten das Vertrauen der Gilde verdient. Er würde deshalb besser daran tun dieses Vertrauen nicht aufs Spiel zu setzen und Adler einen Grund zu geben seine Gastfreundschaft zu bereuen. Roac dachte an seinen Gesichtsausdruck zurück, als Cadice sich vor seiner Prüfung noch einmal zu ihm umgedreht und ihn geküsst hatte. Hatte sie das nur getan, um ihn eifersüchtig zu machen? Oder... nein. Er verwarf die Gedanken an Cadice und richtete seine Aufmerksamkeit auf Adlers Erklärungen. In der Tat hatte er Fragen.
"Essen klingt gut. Mein letztes Brot hat mir ein dahergelaufener Hase weggefressen..."
Roac nickte in Richtung des Straßenjungen der auf der anderen Seite des Saales hockte und zu ihnen rüber sah. Er sah schon wieder halbwegs gesund aus.
Auf dem Weg zu den Tischen ging Roac auf das vorige Angebot ein und begann Adler eine Frage nach der anderen zu stellen. Schon lange war er nicht mehr so gesprächig gewesen...
"Wo sind wir? Ich weiß - unter der Erde, aber wo? Unter der Stadt, am Land? Was ist dieser Ort, dieser Thronsaal wirkt älter als die meisten Gebäude im Innenviertel. Wie kann es sein, dass der König nichts davon weiß? Und die Spiegel, die Fallen und Rüstungen... wie bringt ihr das alles hier herunter? Essen, Trinken, Kleider... wie versorgt ihr all die Menschen - und anderen?"
Immer noch wandte er den Kopf mal in die eine oder andere Richtung, wenn sie an Vertretern anderer Rassen vorbeigingen. Für einen Grandessaner aus der Hauptstadt, wo Rassismus groß geschrieben wurde, war dies hier eine Reise in ein exotisches Land der Ferne.
"Und das Stehlen? Wie stellt ihr das an? In Gruppen, alleine...? An wen verkauft ihr?
Er musterte Adler von der Seite.
"Was war zum Beispiel das letzte, was ihr gestohlen habt?"

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Dienstag 9. Juni 2015, 10:27

"Man kann Euch echt beneiden..."
Beide sahen einen Moment der Frau hinterher, die sie wohl beide, jeden auf seine Art, berührt hatte. Adler murmelte etwas Leises das an:
„ … wenn es nur so wäre ...“
, erinnerte und sein Blick hatte etwas entfernt sehnsuchtsvolles, während sich sein breiter Brustkorb zu einem Seufzen hob. Rabes Gegenüber schien in Ordnung zu sein, wenn auch für seinen Geschmack vielleicht ein wenig zu freundschaftlich für die kurze Zeit die er hier war. Doch wenn es stimmte, was Fels gesagt hatte, so war er jetzt ein Teil dieser Gemeinschaft und hatte sich durch seine Antworten das Vertrauen der Gilde verdient. Er würde deshalb besser daran tun dieses Vertrauen nicht aufs Spiel zu setzen und Adler einen Grund zu geben seine Gastfreundschaft zu bereuen. Roac dachte an seinen Gesichtsausdruck zurück, als Cadice sich vor seiner Prüfung noch einmal zu ihm umgedreht und ihn geküsst hatte. Hatte sie das nur getan, um ihn eifersüchtig zu machen? Oder... nein. Er verwarf die Gedanken an Cadice und richtete seine Aufmerksamkeit auf Adlers Erklärungen. In der Tat hatte er Fragen.
"Essen klingt gut. Mein letztes Brot hat mir ein dahergelaufener Hase weggefressen..."
Adler lachte. Auf dem Weg zu den Tischen ging Roac auf das vorige Angebot ein und begann Adler eine Frage nach der anderen zu stellen. Schon lange war er nicht mehr so gesprächig gewesen...
"Wo sind wir? Ich weiß - unter der Erde, aber wo? Unter der Stadt, am Land? Was ist dieser Ort, dieser Thronsaal wirkt älter als die meisten Gebäude im Innenviertel. Wie kann es sein, dass der König nichts davon weiß? Und die Spiegel, die Fallen und Rüstungen... wie bringt ihr das alles hier herunter? Essen, Trinken, Kleider... wie versorgt ihr all die Menschen - und anderen?"
Immer noch wandte er den Kopf mal in die eine oder andere Richtung, wenn sie an Vertretern anderer Rassen vorbeigingen. Die Eiselfe sah kurz auf, als sie an der Lerngruppe vorbei gingen und kurz trafen sich ihre Blicke. Sie hatte wirklich außergewöhnlich große blaue Augen, wie zwei funkelnde Saphire, kostbar und irgendwie mystisch. Vielleicht fühlte sich Roac an bessere Zeiten erinnert, an Juwelen, Schmuck und andere funkelnde Dinge.
"Und das Stehlen? Wie stellt ihr das an? In Gruppen, alleine...? An wen verkauft ihr?
Er musterte Adler von der Seite.
"Was war zum Beispiel das letzte, was ihr gestohlen habt?"
„Ich wünschte es wäre es wäre das Herz einer schönen Frau gewesen, ...“
, witzelte er und fuhr fort:
„...jedoch war es nur eine kleine Schatulle, deren Inhalt nicht für meine Augen bestimmt war. Und bevor ihr fragt, ja es war ein Auftrag, der mir untersagte sie zu öffnen. Ich glaube, das war die schwerste Prüfung, der ich je unterzogen wurde!“
Er seufzte kurz und grinste dann Rabe an.
„Ihr kennt den Fluch der Neugierde bestimmt auch. Es sind doch immer die verbotenen, die unerreichbaren Dinge, die uns fesseln.“
Damit sah er kurz in Richtung Cadice, die ein paar Tische weiter mit ein paar Freundinnen saß und hörbar lachte. Die beiden Männer hatten einen Tisch am Rand der Halle erreicht und Adler stieg über die Sitzbank und klopfte neben sich auf das von vielen Hintern blank polierte Holz. Nicht weit von ihnen saß ein Mann in den Dreißigern. Er passte unter allen den Gestalten die Roac bisher hier unten gesehen hatte noch am besten in das Bild eines Diebes. Sein Körper war in eine leichte der Nacht angepasste Lederrüstung gehüllt und er trug eine Jacke mit Kapuze, die sein Gesicht nach Bedarf verhüllen konnte. Umhänge waren, wie auch Roac früh feststellen musste, manchmal sehr hinderlich auf der Flucht. Man verhedderte sich oder bleib irgendwo hängen. Eng anliegender Kleidung war besser. An seinem Platz lagen ein paar typische Einbruchswerkzeuge, die er gerade säuberte. Sein Gesicht kam ihm irgendwie entfernt bekannt vor, als hätte er ihm schon mal Diebesgut abgekauft, aber es musste schon länger her sein. Adler richtete das Wort an ihn:
„Eich grüße euch, Luchs.“
Wie schon erwähnt wurde, wurde bei Tisch Celcianisch gesprochen.
„Was deine anderen Fragen betrifft ...“
Rabe wandte seine Aufmerksamkeit ebenfalls wieder Adler zu, der ihm einen Korb mit frischem Brot hin schob. Der Mann gegenüber nickte grüßend, aber schweigsam und schob seinerseits einen Topf mit Schmalz in seine Richtung. Man teilte also seine Beute.
„Was die Spiegel und die Fallen angeht, ich glaube die sind schon sehr lange hier. Vieles von dem was du gesehen hast, gehört in eine Zeit lange vor unserer Generation. Man sagt, dieser unterirdische Palast gehörte einem Wesen, das viele Jahrhundert vor uns diese Höhlen bewohnte. Andere Geschichten berichten von einem ganzen Volk kleiner Leute die dies hier mit ihren mystischen Kräften erschaffen haben. Ich kenne mehrerer Geschichten, wenn du sie hören willst, aber ich lebe zu sehr im Jetzt um der einen oder anderen mehr oder weniger Glauben zu schenken.“
Er hob eine Hand zu einer der umher wuselnden Frauen, sie sah ihn, nickte und setzte sich in ihre Richtung in Bewegung. Sie trug einen Krug bei sich.
„Die Versorgung der Leute hier ist ein etwas kompliziertes Unterfangen. Vieles machen wir selbst, aber das wirst du bald selbst mitbekommen. Vom heutigen Tage an, sieben Tage, bist du Gast. In dieser Zeit werden wir schon heraus finden, wie du deinen Teil für die Gesellschaft der Diebe leisten kannst, aber ich denke Biene hatte da vielleicht schon eine Idee. Sie sagte, du hast einen Laden?“
Er sah Roac kurz an, wartete seine Bestätigung ab und fuhr dann fort:
„Hmhm... Dann hast du auch sicher ein paar Kontakte, Kunden die man benutzen könnte...“
Er schien einen Moment lang über etwas nachzudenken, verwarf ihn jedoch, während die Frau mit dem Krug ankam und Most einschenkte.
„Haben wir etwas warmes?“
„Sicher Koloss hat frische Pilze aus seiner Höhle mitgebracht, die einen wirklich guten Eintopf her gaben. Mögt ihr?“
Adler nickte dankbar und die Frau eilte los. Dann kam er auf den letzten Punkt in Rabes Fragen zu sprechen.
„Das „Wo“ ist sehr schwer zu beantworten. Es gibt mehrere geheime Gänge und Wege um von hier fort und hier her zu gelangen. Meinem Gefühl nach liegt dieser Raum hier sogar etwas vor der Stadt, außerhalb der Mauern von Grandea, aber wie tief wir wirklich sind und wo genau...? Ich bin kein Gelehrter, der so etwas vermessen könnte. Eigentlich bin ich gelernter Schmied, zumindest hatte ich das Glück eine Weile in Lehre zu gehen, bevor mich das Schicksal schlug und ich gefunden wurde.“
Er grinste schelmisch Roac an.
„Jeder den du hier siehst hat seine Geschichte zu erzählen. Manche sind härter als andere, aber allen ist eines gemeinsam. Wir haben alle harte Zeiten hinter uns die uns jetzt verbinden.“
Er senkte seine Stimme auf verschwörerische Weise und ebenso seinen Kopf.
„Und wir haben alle einen gemeinsamen Feind...“
Auch Luchs ihnen gegenüber grinste schmal und verwegen. Ein Moment stiller Übereinkunft schien einige der Umstehenden in diesen kleinen Kreis mit hinein zu ziehen. Man wechselte vielsagende Blicke und alles wussten wer gemeint war. Irgendjemand flüsterte irgendwo in Roacs Rücken:
„Nehmt dem König, was des Königs ist!“
Dann löste sich der kurze Augenblick genauso schnell wieder auf und Adler übersetzte leise:
„Nehmt dem König, was des Königs ist! - Du fragtest vorhin, warum der König nichts von all dem hier weiß. Tja, ich würde sagen, weil ihn andere Dinge wichtiger sind. Welcher Grandessanische Spross hat jemals sich für sein Volk interessiert, oder seine Belange. Wenn schon kaum ein Bürger sich für die Belange seines Nachbarn interessiert, wieso sollte dann der Adel sich für seine Bauern interessieren. Sie sitzen in ihren weichen Kissen, verbünden sich mit dem dunklen Volk um ihre Macht zu nähren und es ist ihnen egal, was unter ihren Füßen passiert.“
Etwas in Adlers Stimme zeugte deutlich von seiner Abneigung
„Doch es ist der Boden der Adeligen der für sie brüchig werden könnte, so oft wie sie ihn mit ihren Füßen treten.“
Luchs nickte ein paar mal langsam, auch wenn er schon wieder ganz vertieft war, seine Dietriche neu zu feilen. Er war insgesamt sehr still, aber man hatte ständig das Gefühl, dass seine Ohren alles mitbekamen. Als Roac seine Ohren betrachtete, sah er tatsächlich leichte Spitzen. Nicht so extrem geformt wie bei der Elfe drüben bei den Kinder, aber doch erkennbar diesem Volk entsprungen. Luchs war also ein Halbelf. Seine ebenmäßigen Züge, das scharf geschnittene Kinn, die gerade Nase machten ihn zu einem gut aussehenden Mann, dessen Alter vielleicht weit aus höher lag, als anfänglich geschätzt. Auf den ersten Blick wirkte er durchaus menschlich, nur wer genauer hinsah, erkannte den Hintergrund, zumal er sich auch nicht in den Vordergrund drängte. Adler war da imposanter, allein durch seine Körperkraft und seinem charismatischen Auftreten. Mit einem Ablenkungsmanöver wie ihm oder auch Cadice könnte jemand wie Luchs vollkommen mit der Welt verschmelzen und unsichtbar bleiben. Diese Fähigkeit hatte auch Roac einmal besessen. Luchs bemerkte Rabes Blick auf sich und hob kurz die Lider. Seine Augen waren von einem sehr dunklen Grün, wie das der Tannen im Winter. Es war keine Änderung in seiner Mimik zu erkennen, doch trotzdem bekam Roac eine Ahnung davon, dass es gut war ihn als Verbündeten zu haben. Er nickte kaum merklich und widmete sich dann wieder seiner Ausrüstung.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Sonntag 12. Juli 2015, 19:37

Sie erreichten das Ende der Halle in der sich die Bewohner des Untergrunds zum gemeinsamen Abendmahl zu sammeln schienen. Die sich allmählich um sie füllenden Tische und angeregten Unterhaltungen erinnerten Roac an die vielen Abende im Bettler, an eine Zeit in der der ewige Krieg, die Armut und die Angst vor dem dunklen Volk zwar schon lange existiert hatten, jedoch noch nicht vollends in die Herzen der Stadtbewohner eingedrungen war. Es war bemerkenswert wie dieser Saal, alt und vor Jahrzehnten verlassen, in diesem Moment lebendiger wirkte als die große Metropole über ihm.
Roac ließ sich neben Adler auf einer langen Holzbank nieder und dankte ihm im Stillen für seine Platzwahl. Hier am Rand der Halle zog er nicht mehr allzu viele Blicke auf sich, auch wenn sich immer noch vereinzelt Köpfe nach dem Neuankömmling von der Oberwelt umdrehten. Sie hingegen hatten den ganzen Raum vor sich und Roac konnte während dem Gespräch weiterhin seine Umgebung beobachten. Er sah sich kurz nach den wenigen Gesichtern um die er hier unten kannte; Cadice, Hase, die vier alten Greise die ihn geprüft hatten. Kurz schweifte sein Blick auch zu der blassen Elfe mit den tiefblauen Augen, doch sie schien zu sehr in ihre Übungen vertieft zu sein um ein weiteres Mal den Kopf zu heben. Schließlich wandte er seine Aufmerksamkeit dem eigenen Tisch zu und bemerkte, dass sie nicht alleine waren.
„Ich grüße euch, Luchs.“
Die beiden Diebe tauschten ein stummes Kopfnicken aus während Roac das Gefühl nicht loswerden konnte seinem Gegenüber schon einmal begegnet zu sein. Seinem Aussehen nach schien er auf jeden Fall öfters an der Oberfläche zu sein als die beiden Trolle die er vorher in der Menge erhascht hatte. Die Art und Weise wie er seine Ausrüstung versorgte - eine breite Auswahl an Dietrichen, Spannern, Haken und Schlangen - ließ viel auf sein Können am Schloss schließen. Stammten einige dieser Werkzeuge womöglich sogar aus seinem Laden?
„Was deine anderen Fragen betrifft ...“
Dankend nahm Roac Brotkorb und Schmalz entgegen, griff sich eines der Messer und spürte schon während des Streichens wie sein Magen freudig hüpfte. Seit seiner Kindheit war er Hunger gewohnt und Tage ohne etwas zu Beißen gehörten zu seinem Leben wie die Kälte zum Winter. Dennoch hatte er dabei nie seinen Appetit verloren.
„Was die Spiegel und die Fallen angeht, ich glaube die sind schon sehr lange hier. Vieles von dem was du gesehen hast, gehört in eine Zeit lange vor unserer Generation. Man sagt, dieser unterirdische Palast gehörte einem Wesen, das viele Jahrhundert vor uns diese Höhlen bewohnte. Andere Geschichten berichten von einem ganzen Volk kleiner Leute die dies hier mit ihren mystischen Kräften erschaffen haben. Ich kenne mehrerer Geschichten, wenn du sie hören willst, aber ich lebe zu sehr im Jetzt um der einen oder anderen mehr oder weniger Glauben zu schenken.“
Roac winkte ab, denn Mund voller fettigem Schmalz das ihm die Zunge an den Gaumen klebte. Es war klar, dass ein so eindrucksvoller Ort die Menschen anregte ihre eigenen Geschichten zu fabrizieren. Umso mehr war es irgendwie passend, dass er zur Heimat für eine ebenfalls mit Geheimnissen umwobene Gemeinschaft geworden war.
„Die Versorgung der Leute hier ist ein etwas kompliziertes Unterfangen. Vieles machen wir selbst, aber das wirst du bald selbst mitbekommen. Vom heutigen Tage an, sieben Tage, bist du Gast. In dieser Zeit werden wir schon heraus finden, wie du deinen Teil für die Gesellschaft der Diebe leisten kannst, aber ich denke Biene hatte da vielleicht schon eine Idee. Sie sagte, du hast einen Laden?“
Adler musste einen Augenblick warten bis Roac seinen Bissen heruntergeschluckt hatte.
"Ja, ich hab ihn vor drei Jahren... übernommen. Liegt ein paar Gassen östlich vom Marktplatz. Zwei Stockwerke, vergitterte Fenster, auf dem Ladenschild ist eine schwarze Feder. Kann gut sein, dass auch jemand von euch mal bei mir war, es sei denn ihr habt eigene Händler oder versorgt euch selbst."
Er nickte zu Luchs ausgebreiteten Werkzeuggürtel und sah einige Teile von denen er wusste, dass er sie bestimmt nicht im Sortiment hatte.
„Dann hast du auch sicher ein paar Kontakte, Kunden die man benutzen könnte...“
Der nächste Bissen in das Brot war etwas bescheidener gewesen, trotzdem ließ sich Roac mit seiner Antwort Zeit.
"Mmhmm... die brauche ich auch um zu Überleben. Muss ja den ganzen Krempel den ich einkaufe auch irgendwie wieder loswerden. Ein paar Kettchen, Besteck und sowas kannst du immer an den Mann bringen, aber davon kann ich mein Schmiergeld nicht zahlen. Für die großen Sachen brauchst du jemanden der selbst Kontakte im Innenviertel hat."
Auf mehr wollte er fürs erste nicht eingehen und war froh darüber, dass die Frau mit dem Krug Adler ablenkte. Natürlich hatte er gewusst, dass er hier unten nicht auf ewig Gast sein konnte ohne sich in irgendeiner Form an der täglich anfallenden Arbeit der Gilde zu beteiligen. Aber wenn es eines gab, auf das er stets penibel achtete, dann waren es die wenigen Personen denen er vertraute - auch wenn es nur rein ums geschäftliche ging - niemanden preis zugeben. Denn es waren nicht nur die schmierigen Laufburschen der Adeligen an denen er Diebesgut abtrat, sondern auch ehemalige Kameraden die er aus seiner früheren Zeit kannte. Roac ging nicht davon aus, dass Adler und die Gilde etwas böses im Schilde führten, schließlich waren sie doch Brüder im Handwerk wenn man es so sehen wollte. Doch etwas Misstrauen war nie verkehrt, das hatte er auf der Straße schnell gelernt.
„Das „Wo“ ist sehr schwer zu beantworten. Es gibt mehrere geheime Gänge und Wege um von hier fort und hier her zu gelangen. Meinem Gefühl nach liegt dieser Raum hier sogar etwas vor der Stadt, außerhalb der Mauern von Grandea, aber wie tief wir wirklich sind und wo genau...? Ich bin kein Gelehrter, der so etwas vermessen könnte. Eigentlich bin ich gelernter Schmied, zumindest hatte ich das Glück eine Weile in Lehre zu gehen, bevor mich das Schicksal schlug und ich gefunden wurde. Jeder den du hier siehst hat seine Geschichte zu erzählen. Manche sind härter als andere, aber allen ist eines gemeinsam. Wir haben alle harte Zeiten hinter uns die uns jetzt verbinden.“
Ein Schmied, nun das erklärte Adlers grobschlächtige Statur. Und als Roac erneut den Blick über die nun gefüllte Halle schweifen ließ, sah er sofort was sein Gegenüber mit seinen Worten meinte. "Kein Dieb gleicht einem andern" - so hieß es zumindest. Für Roac, der schon so früh die Seile zu seinem alten Leben gekappt hatte, war es oft schwer sich an diese ferne Zeit zu erinnern. Auch er war nicht mit den Fingern in fremden Taschen geboren worden, sondern als einfacher Bauernjunge vom Land. Selbst wenn die zwei Jahrzehnte im Innenring ihn geprägt hatten, so konnte er sich von manchen Gewohnheiten von damals noch immer nicht ganz losreißen. Das Schlafen im Stroh, dessen Geruch ihn an das schützende Versteck vor den Hieben seines Vaters erinnerte, war eine davon...
„Und wir haben alle einen gemeinsamen Feind...“
Die Stimmung änderte sich spürbar und Roac sah sich zustimmend nicken bevor er es überhaupt merkte. Hierbei konnte nur einer gemeint sein, die Verkörperung allem Übels das dieses Land zu dem machte was es war.
„Nehmt dem König, was des Königs ist“
Er wiederholte die Parole murmelnd und nahm sich vor sie sich einzuprägen.
„Du fragtest vorhin, warum der König nichts von all dem hier weiß. Tja, ich würde sagen, weil ihn andere Dinge wichtiger sind. Welcher Grandessanische Spross hat jemals sich für sein Volk interessiert, oder seine Belange. Wenn schon kaum ein Bürger sich für die Belange seines Nachbarn interessiert, wieso sollte dann der Adel sich für seine Bauern interessieren. Sie sitzen in ihren weichen Kissen, verbünden sich mit dem dunklen Volk um ihre Macht zu nähren und es ist ihnen egal, was unter ihren Füßen passiert. Doch es ist der Boden der Adeligen der für sie brüchig werden könnte, so oft wie sie ihn mit ihren Füßen treten.“
Schweigend griff Roac nach dem Krug mit Most und schenkte sich ein während Adler über den Adel herzog. Seine Worte hatten etwas rebellisches und er sprach mit einer Leidenschaft mit der gerne in den Kaschemmen des Außenrings über die Unterdrücker geschimpft wurde. Doch Reden wie diese wurden schon seit Jahren geschwunden und immer noch war Hendrik und seine Brut an der Macht. Grandessa war kein Land der großen Veränderungen, war es nie gewesen. Ausnahmen waren da die Entwicklungen der letzten Monate... doch von denen konnte wohl keiner behaupten, dass sie den gemeinen Leuten bei ihrem Verlangen nach Freiheit helfen würden. Im Gegenteil...
"Ein Boden der jahrelang getreten wurde wird nur noch fester und stärkt den Stand derjeniger die ihn treten. Der alte Sack weiß genau, wie eng er seinem Volk das Messer an die Kehle halten darf. Wir alle sind ein hartes Leben gewöhnt, den Tod der überall lauert, den Dreck in den Straßen in denen wir leben müssen, die sinnlosen Kriege die sie auf unseren Rücken kämpfen. Wenn du meinst es könnte einen Aufstand geben..."
Roac schüttelte den Kopf und trank aus.
"Nicht hier. Nicht in Grandessa. In Jorsa vielleicht, die wissen was Freiheit ist wenn man den Geschichten der Händler glaubt. Aber hier war das Leben schon immer beschissen. Das einzige was du tun kannst, ist überleben, dir selbst helfen, dir und den Menschen die dir was bedeuten. Und bei Gelegenheit den König und seine Männer verarschen. War schon immer so... es wird anscheinend nur immer schwerer."
Er setzte den Becher ab und sah ihn die Runde, unsicher ob er durch seine ernüchternde Rede ihren Respekt verloren hatte. Gewöhnliche Diebe scherten sich normalerweise nicht um die Probleme der Bevölkerung. Sie hatten andere Möglichkeiten um an Geld zu kommen und genossen somit eine perfide Sonderstellung unter den Bewohnern des Außenrings. Doch allmählich bezweifelte Roac, dass er hier unten einen einzigen gewöhnlichen Dieb finden würde.
Luchs zumindest war keiner, das stand außer Frage. Roac zwang sich nicht in weiteres mal seine Richtung zu starren, doch er war sich sicher, dass seine Eingebung ihn nicht täuschte. Was hatte dieses merkwürdige Gefühl zu bedeuten?

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Montag 13. Juli 2015, 20:24

"Ein Boden der jahrelang getreten wurde wird nur noch fester und stärkt den Stand derjenigen die ihn treten. Der alte Sack weiß genau, wie eng er seinem Volk das Messer an die Kehle halten darf. Wir alle sind ein hartes Leben gewöhnt, den Tod der überall lauert, den Dreck in den Straßen in denen wir leben müssen, die sinnlosen Kriege die sie auf unseren Rücken kämpfen. Wenn du meinst es könnte einen Aufstand geben..."
Roac schüttelte den Kopf und trank aus.
"Nicht hier. Nicht in Grandessa. In Jorsa vielleicht, die wissen was Freiheit ist wenn man den Geschichten der Händler glaubt. Aber hier war das Leben schon immer beschissen. Das einzige was du tun kannst, ist überleben, dir selbst helfen, dir und den Menschen die dir was bedeuten. Und bei Gelegenheit den König und seine Männer verarschen. War schon immer so... es wird anscheinend nur immer schwerer."
Er setzte den Becher ab und sah ihn die Runde, unsicher ob er durch seine ernüchternde Rede ihren Respekt verloren hatte. Den Respekt hatte er wohl nicht verloren, doch man betrachtete ihn genau, besonders Adler. Mit solch einer Einstellung würde man ihn halt wohl eher nicht an Aufträgen beteiligen die der Rettung Grandeas galten. Doch Luchs hingegen nickte einmal langsam, fast zu langsam, als dass man es als Bewegung hätte wahrnehmen können.
„Er hat Recht.“
Adler sah ihn nun ebenfalls an.
„Der Boden hier ist hart. In Jorsas weichen Feldern hätte ein dunkler Stiefel erst gar keinen Halt gefunden. Sie wären versunken wie in den weichen Federn ihrer wohligen Kissen auf dennen sie Nachts ihre Köpfe betten. Jene die die Freiheit und den Frieden lieben schützen ihn auch. Sie bemerkten den Unterschied, aber dieses Volk hier, ist schon zu hart getreten geworden.“
In seiner Stimme schwang Bedauern mit.
„Manch einer merkt es nicht einmal mehr, wenn ihm ein zweiter Stiefel im Nacken sitzt.“
Gewöhnliche Diebe scherten sich normalerweise nicht um die Probleme der Bevölkerung noch um Politik. Doch allmählich bezweifelte Roac, dass er hier unten einen einzigen gewöhnlichen Dieb finden würde. Luchs zumindest war keiner, das stand außer Frage. Roac zwang sich nicht in weiteres mal in seine Richtung zu starren, doch er war sich sicher, dass seine Eingebung ihn nicht täuschte. Was hatte dieses merkwürdige Gefühl zu bedeuten?
Nach seiner kurzen Bestätigung von Roacs Meinung schwieg er wieder. Ganz im Gegensatz zu Adler, der mit weiteren etwas weiter weg sitzenden Leuten ins Gespräch gekommen war. Es ging um den allgemeinen schlechten Ruf des Adels, seine Käuflichkeit und dass man mit genügend Geld in Grandea jedes Amt bekleiden könnte, wenn man wollte. Ein Mann um die 40 erzählte von einer Familie, bei der er diente, die ihre Tochter gerade an eine Andere verkauft hatte, um damit das Adelsgeschlecht aufzufrischen und den Status im Königshaus zu sichern. Solche Geschäfte waren Gang und Gebe, doch dieses Mal sollte die Mitgift wohl einen ungeschliffenen Diamanten enthalten, so groß wie eine Kinderfaust. Dabei hielt er die winzige Faust seines Sohnes in die Höhe, der halb angehoben am Arm des Vaters strampelte. Trotzdem war der Vergleich beeindruckend. Ein Diamant von der Größe einer Kastanie war selten und kostbar. Der Vater küsste die kleine Hand seines Jungen, ließ ihn los und dieser rannte vor Freude strahlend zu seiner Mutter. Dabei schwenkte er seine Faust, als wäre sie ein erbeuteter Schatz. Sofort setzte eine gewisse Gruppendynamik ein, denn wo ein Kind rannte, da folgtem ihm automatisch alle anderen. Ein paar Minuten lang herrschte heilloses Durcheinander und als es sich wieder beruhigte saß Biene, auch Lulu oder Cadice genannt bei ihnen. Sie hatte sich neben Luchs auf der Bank nieder gelassen und ihre Ellenbogen auf die Tischplatte gestemmt. Ihr Kinn ruhte in ihren Händen und sie schmachtete den Halbelfen ganz offen an.
"Hast du was für mich?"
, gurrte sie und rutschte näher, was Luchs dazu veranlasste seinen Arm auszustrecken und mit seinem langen Zeichgefinger sie an ihrer Stirn auf Abstand zu halten.
"Nein."
Cadice zog einen süßen Schmollmund, stand auf, ging um den Tisch herum, wobei sie ihre Hüften wunderbar zum Takt ihere Schritte wiegte und setzte sich dann neben Rabe.
"Und? Wie gefällt es dir bis jetzt bei uns?"
Sie sah Roac mit einem Blick an, der sagte: "Sind wir nicht einfach umwerfend toll!"
Adler der noch im Gespräch mit den Männern am Nachbartisch beschäftigt war, sah kurz zu ihr, aber widmete sich dann wieder dem allgemeinen Informationsaustausch, der hier unten anscheinend zum guten Ton gehörte.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Sonntag 26. Juli 2015, 22:13

„Er hat Recht. Der Boden hier ist hart. In Jorsas weichen Feldern hätte ein dunkler Stiefel erst gar keinen Halt gefunden. Sie wären versunken wie in den weichen Federn ihrer wohligen Kissen auf denen sie Nachts ihre Köpfe betten. Jene die die Freiheit und den Frieden lieben schützen ihn auch. Sie bemerkten den Unterschied, aber dieses Volk hier, ist schon zu hart getreten geworden. Manch einer merkt es nicht einmal mehr, wenn ihm ein zweiter Stiefel im Nacken sitzt.“
Die unerwartete Zustimmung von Seiten des Halbelfen verunsicherte Roac ein wenig und ließ ihn erneut über seine harten Worte nachdenken. Luchs war kein Grandessaner. Es waren nicht die spitzen Ohren die ihn verrieten, sondern die Art und Weise wie er über "dieses Volk" sprach. Auch wenn Roac kein couragierter Patriot war wie Adler einer zu sein schien, so fühlte er dabei doch einen Hauch von kindlichem Trotz wie ein Fremdling Kritik an seiner Heimat äußerte. Die Tatsache, dass er selbst dazu den Anstoß gegeben hatte, half nicht unbedingt dabei.
Während Adler zweifellos in der Suche nach weiteren Verbündeten die Gruppe von Männern neben ihnen in ein heftiges Gespräch verwickelte, aß Roac schweigend sein Brot und sah sich erneut in der Halle um. Er zählte die Tische, die Bänke und wie viele an ihnen saßen. Es konnten leicht um die hundert Leute zur selben Zeit in diesem Raum speisen, gemeinsam mit den Kindern und der Lerngruppe am Halleneingang wurden es noch deutlich mehr. Und wer wusste wie viele Tunnel und Kammern hintern den Säulen noch zusätzlichen Platz boten? Die Diebesgilde war kein einfacher Unterschlupf, sondern eine lebende Stadt unter den Straßen Grandeas. Wenn die Versorgung wirklich so reibungslos ablief wie Adler sie beschrieben hatte, so konnte man hier unten für unbegrenzte Zeit untertauchen ohne jemals Angst zu haben von der Wache belangt zu werden. Wochen, Monate... womöglich sogar Jahre...
Roac schob den Brotkorb von sich. Obwohl ihn noch vor wenigen Augenblicken der Magen im Bauch rumort hatte, hatte er mit einem Mal keinen Hunger mehr. Den Kopf auf die verschränkten Hände gestützt folgte sein Blick dem engen Zickzacklauf der lachenden Kinder, bis wie aus dem Nichts auf einmal Cadice an ihrem Tisch saß.
"Hast du was für mich?"
"Nein."

Ihr Charme schien auf Luchs keinerlei Wirkung zu haben, was den Halbelfen nur noch ein wenig fremdartiger wirken ließ. Nach ihrer Niederlage wandte sich Cadice um und nahm Roac ins Visier. Dieser vermied es absichtlich in Adlers Richtung zu sehen, dessen Aufmerksamkeit sich für einen kurzen Moment von seiner Debatte löste, als seine verehrte Biene in Reichweite schwirrte.
"Und? Wie gefällt es dir bis jetzt bei uns?"
Roac hob das Kinn von seinen Knöcheln und sah sich ihrem breiten Strahlegesicht gegenüber. Es war nicht schwer zu erkennen, was sie hören wollte.
"Dafür dass ihr wie die Maulwürfe lebt, lässt ihr es euch recht gut gehen. Ihr habt zu Essen , zu Trinken, genug Gesellschaft... und der König weiß nicht mal was davon. So sollte es sein... "
Er verzog die Miene zu einem schmalen Lächeln und griff danach sofort zum hölzernen Becher. Er war leer. Umständlich streckte er sich über die andere Seite des Tisches nach dem Krug.
"...auch wenn mir hier unten der Himmel fehlt. Aber ich schätze man gewöhnt sich an den Gedanken, dass man mehrere Tonnen Felsen über den Köpfen hängen hat."
Roac schenkte sich erneut ein und trank einen Schluck. Als er den Becher absetzte schwieg er. Auch wenn der Dieb sein bestes tat sich zu verstellen, merkte man ihm schnell an, dass ihm eine Frage auf der Zunge lag. Bevor Luchs oder Cadice jedoch darauf eingehen konnten, hob er die Hand an den Mund und unterdrückte ein Gähnen.
"Wie sieht es bei euch übrigens mit Schlaf aus? Sucht sich jeder seine Ecke oder hängt ihr euch kopfüber an die Decke wie die Fledermäuse?"

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 29. Juli 2015, 09:50

"...auch wenn mir hier unten der Himmel fehlt. Aber ich schätze man gewöhnt sich an den Gedanken, dass man mehrere Tonnen Felsen über den Köpfen hängen hat."
Cadice sah unwillkürlich zur Decke, als hätte sie noch nie darüber nachgedacht und zuckt mit den hübschen Schultern, wobei ihr der Rand ihres Kleides ein Stück nach unten rutschte und etwas mehr Haut zeigte. Ihre hellblauen Augen glitzerten, während Rabe fragte:
"Wie sieht es bei euch übrigens mit Schlaf aus? Sucht sich jeder seine Ecke oder hängt ihr euch kopfüber an die Decke wie die Fledermäuse?"
Sie lächelte und antwortete:
„Nun, es gibt hier unten tatsächlich eine Federmaushöhle. Wenn du dort schlafen möchtest, bring ich dich hin, aber nor-ma-ler-weise hat hier jeder sein eigenes Zimmer. An Platz mangelt es nicht.“
Sie hatte mit einem Auge gezwinkert und Luchs beobachtete aus dem Augenwinkel ihr Verhalten.
„Komm mit! Ich zeig dir ein paar Zimmer, wo du schlafen kannst, außer du willst dich hier einfach irgendwo in eine Ecke legen. Das machen auch einige, aber dann schläft man nicht lange, weil eigentlich zu jeder Zeit immer irgendwer da ist.“
Sie stand auf und sah zu Adler hinüber, der kurz aufblickte. Es folgte eine kurze aneinander Reihung von Handzeichen. Biene zeigte auf sich und Rabe, machte eine Bewegung in eine unbestimmte Richtung und legte kurz die glatt aneinander geschmierten Hände an ihre Wange, was wohl so viel bedeutete, dass sie ihm einen Schlafplatz zeigen wollte. Adler nickte und unterhielt sich ungebremst weiter mit den Tischnachbarn. Auch Luchs schien sich wieder ganz der Pflege seiner Dietriche zu widmen, doch sicher entging diesem Halbelfen höchstwahrscheinlich wenn dann nur selten etwas.

Kaum hatten sie die große Halle hinter sich gelassen, fing Biene an um Roac herum zu schwirren wie ihre Namensvetterin um eine Blüte. Sie tänzelte mit ihren flinken Beinen um ihn herum und lachte fröhlich. Hier unten wirkte sie noch ein klein wenig mehr gelöster, als an der Oberfläche, was vielleicht langsam verständlich wurde, denn musste man nicht jede Sekunde einen Angriff erwarten. Sie lief mit ihm wieder durch einige unterirdische Gänge die Geschichten aus alten Zeiten erzählten und blieb dann aber nicht weit vom Hauptsaal vor einer von vielen Nischen stehen. Ihre arme breiteten sich aus und wiesen damit auf alles.
„Das ist der Trakt für die „Neulinge“. Hast du dir den Weg zum Saal gemerkt? - gut.“
Aus einer der anderen kleineren Höhlen kam gerade ein Junge von vielleicht 16 oder 17 Sommern heraus gekrochen, streckte sich und gähnte mit offenem Mund. Als er Cadice sah kam er zu ihnen und unterbrach die Unterhaltung.
„Biene, machen wir heute weiter mit dem T...“
„Na klar, aber darf ich dir Rabe vorstellen?!“
Seine Augen würden größer und er streckte Roac die Hand zum Gruße hin. Er war dreckig von Kopf bis Fuß, aber es schien ihn selbst nicht zu stören. Man konnte kaum erkennen welche Farbe sein Haar hatte oder seine Haut, nur über seinen Augen war ein hellerer Streifen
„Du bis Rabe? Äh, ich bin Wiesel. Ich hab als Kind...“
, wobei diese Zeit wohl noch nicht all zu lange her sein konnte,
„...viel von den Geschichten gehört. Rabe war der schnelle Junge, der sich in Schatten auflösen konnte und des Königs Unterwäsche gestohlen hat.“
An letzteres konnte sich Roac zwar nicht erinnern, aber der Junge schien dennoch begeistert von ihm zu sein. Cadice legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter und meinte:
„Geh zu den anderen. Ich komme bald auch.“
Er nickte und wandte sich an Roac:
„Bis bald. Wir sind ja nun sozusagen Nachbarn. Man sieht sich.“
Und dann lief er auch schon den Gang hinunter. Biene schüttelte leicht den Kopf und dann fiel ihr wohl noch etwas ein:
„Ich hab vergessen zu erwähnen, dass hier auch ein paar „Straßenkinder“ leben. Ich hoffe, das macht dir nichts. Ich betreue hier eine kleine Gruppe und bilde sie aus. Es sind Kinder, die bei uns geboren wurden, aber ihre Eltern verloren haben. Sie sind harmlos … meistens, aber sie lieben Geschichten und du hast ja Hase kennen gelernt. Wiesel ist der größte von ihnen und wird bald ...“
Sie machte zwei Schritte auf den Eingang zu Roacs Höhle zu und schob den schon halb geöffneten Vorhang beiseite um ihn eintreten zu lassen.
„... die Prüfung zur offiziellen Aufnahme machen. Er ist sehr talentiert, weist du? Er vergleicht sich gern mit dem „jungen Raben“, also auch ein bisschen eitel, aber er hat ein gutes Herz.“
Cadice war in Roacs Rücken stehen geblieben und musterte sein schwarzes Haar abwesend.
„Wie du.“
, fügte sie flüsternd hinzu und ließ ihm Zeit sich umzusehen.
Die Höhle war klein aber auf rustikale Art gemütlich. Es gab eine Schlafstelle mit einem noch recht frisch duftendem Strohsack, ein paar Decken, zwei hölzernen schiefen Eimern, Schüssel und Krug für Wasser, die jedoch allesamt leer waren und in der hintersten Ecke, nahe dem Schlafplatz, stand eine abschließbare Truhe für private Habseligkeiten. Das Schloss war ein Witz und wahrscheinlich für jeden Anfänger hier mit Leichtigkeit zu knacken, aber es war vor allem anderen der Hinweis, dass es sich hier um Privateigentum handelte und wenn Roac eines wusste, dann dass sie somit für jeden hier tabu war. So tabu, wie alles was hier unten abgeschlossen war. Türen und Schlösser waren hier selten, das war ihm vielleicht auf dem Weg hier her aufgefallen. Alles was aus Stein war, hatte die Zeiten überdauert, doch hölzerne Türen waren extrem selten und wenn dann sehr neu, oder aus Ästen zusammen gezimmert. Vorhänge gab es häufig. Er hatte schnell herausfinden können, wann ein Raum besetzt war oder nicht. Entweder war der Vorhang offen oder eben nicht.
„Die Quelle ist hinten am Ende des Gangs. Dort kannst du dir Wasser holen. - Brauchst du noch irgendwas?“
Sie stand hinter ihm lässig an die Wand gelehnt und hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Die Beine waren gekreuzt und ihr linker Fuß rieb sich leicht an ihrem Rechten. Irgendetwas an ihrer Haltung war verlockend doch gleichzeitig auch schüchtern. Sie war jetzt in seinem „Heim“, auch wenn es klein war und noch an vielem fehlte. Sie war nicht mehr in ihrem Privatbereich. Hier war er Herr und sie waren - allein.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Samstag 1. August 2015, 02:51

„Nun, es gibt hier unten tatsächlich eine Federmaushöhle. Wenn du dort schlafen möchtest, bring ich dich hin, aber nor-ma-ler-weise hat hier jeder sein eigenes Zimmer. An Platz mangelt es nicht. Komm mit! Ich zeig dir ein paar Zimmer, wo du schlafen kannst, außer du willst dich hier einfach irgendwo in eine Ecke legen. Das machen auch einige, aber dann schläft man nicht lange, weil eigentlich zu jeder Zeit immer irgendwer da ist.“
Roac folgte Cadice Beispiel und stand auf, während sie sich über den Gesprächslärm mit Adler per Zeichensprache austauschte. Er hatte einige Schwierigkeiten sein mittlerweile eingeschlafenes Bein über die Bank zu hieven und stieß beinahe den Krug mit Most über Luchs ausgebreitetes Dietrichset. Im letzten Moment griff er noch danach und konnte dadurch eine unschöne Sauerei verhindern die ihn bei dem Halbelfen bestimmt nicht sonderlich beliebt gemacht hätte.
"Ich schätze man sieht sich hier unten noch öfters."
Er wandte sich zu Cadice und Adler, die im selben Moment mit ihrem lautlosen Zwiegespräch zum Ende kamen. Roac hob die Hand zum stummen Gruß und verabschiedete sich auch vom Rest des Tisches. Die Männer schienen jedoch so sehr in ihr Gespräch vertieft zu sein, dass sie sein frühzeitiges Gehen garnicht richtig bemerkten. Dem Dieb war das nur Recht. Mit einem etwas steifem Gang folgte er Cadice aus der großen Halle, tiefer hinein in das verzweigte Tunnelsystem der Höhle.

Auf ihrem Weg begann Cadice wieder das selbe Spiel, das er bei ihr schon im Bettler gesehen hatte. Wie eines der vielen Kinder die zuvor an den Tischreihen vorbeigeflitzt waren, lief und sprang sie ausgelassen mal links mal rechts von ihm und ließ ihr glockenhelles Lachen ertönen. Obwohl seine Gedanken im Moment ganz wo anders waren, merkte Roac wie sich seine Lippen zu einem leichten Schmunzeln kräuselten. Er glaubte zu wissen warum Adler so sehr auf Cadice versessen war und hoffte insgeheim, dass dies in Zukunft zu keinem Problem zwischen ihnen beiden führen würde. Ärger war das letzte was er hier unten brauchte...
Schließlich blieben sie in einem separatem Gang mit mehreren von Vorhängen verdeckten Öffnungen stehen. Die Geräusche aus dem Hauptsaal drangen nur noch sehr gedämpft bis hierher vor, stattdessen konnte Roac entfernt den Klang von fließendem Wasser hören.
„Das ist der Trakt für die „Neulinge“. Hast du dir den Weg zum Saal gemerkt? - gut.“
Verlaufen würde er sich hier unten nicht, zumindest nicht in dem Bereich der ihm bis jetzt gezeigt wurde. Dadurch, dass der Fels größtenteils unbearbeitet war, hatte jeder Tunnel seine eigene Form und Neigung an der man sie voneinander unterscheiden konnte. Roac hatte gerade den Kopf in Richtung Decke gehoben, als er aus den Augenwinkel eine Bewegung des nächstgelegenen Vorhangs wahrnahm.
„Biene, machen wir heute weiter mit dem T...“
„Na klar, aber darf ich dir Rabe vorstellen?!“
Roac drehte sich um und sah sich einem verdrecktem hagerem Jungen gegenüber der ihn aus großen Augen anstarrte.
„Du bis Rabe? Äh, ich bin Wiesel. Ich hab als Kind viel von den Geschichten gehört. Rabe war der schnelle Junge, der sich in Schatten auflösen konnte und des Königs Unterwäsche gestohlen hat.“
Der Dieb kannte die hanebüchenen Märchen, die schon damals im ganzen Außenviertel ihre Runden gemacht hatten. Er hatte früh erkannt, dass es keinen Sinn machte seine angeblichen Heldentaten zu verleugnen. Das Volk hatte etwas zu erzählen, seine Kameraden etwas zu lachen und solange sein Gesicht nur in den eigenen Kreisen bekannt war, schadeten sie ihm nicht. Im Gegenteil, in den späteren Jahren als sein Interesse am anderen Geschlecht stetig zunahm, waren die eine oder andere verwegene Ruhmestat durchaus nützlich. Das sie hier unten jedoch nach all der langen Zeit mit ihm aufholten, hatte er nicht erwartet.
"Hätte ich damals gewusst, dass man die Unterwäsche eines Königs schlecht verkaufen kann, hätte ich etwas wertvolleres mitgehen lassen - etwas das nicht nach alten Mann stinkt."
Er zwinkerte Wiesel freundschaftlich zu, der sich verabschiedete und in Windeseile um die Ecke verschwand. Der Dieb sah ihm nachdenklich nach.
„Ich hab vergessen zu erwähnen, dass hier auch ein paar „Straßenkinder“ leben. Ich hoffe, das macht dir nichts. Ich betreue hier eine kleine Gruppe und bilde sie aus. Es sind Kinder, die bei uns geboren wurden, aber ihre Eltern verloren haben. Sie sind harmlos … meistens, aber sie lieben Geschichten und du hast ja Hase kennen gelernt.“
Roac kratzte sich am Hinterkopf und folgte ihr weiter zu einem der Vorhänge. Dass Cadice selbst die Ausbildung übernahm imponierte ihn ein wenig. Er hatte sie nicht so eingeschätzt, konnte sich die verspielte Biene nicht als geduldige Lehrerin vorstellen. Jedoch hatte sich sein Bild von ihr, seit sie sich das erste Mal im Bettler begegnet waren, auch um einiges verändert.
„Wiesel ist der größte von ihnen und wird bald die Prüfung zur offiziellen Aufnahme machen. Er ist sehr talentiert, weist du? Er vergleicht sich gern mit dem „jungen Raben“, also auch ein bisschen eitel, aber er hat ein gutes Herz. Wie du.
Angelangt in dem kleinen Raum wusste Roac erst nicht, was er darauf erwidern sollte. Er sah sich stattdessen um und sah schnell, dass sein Zimmer hingegen seiner Befürchtungen kein unterirdischer Kerker was, sondern ein Heim, dass es durchaus mit seiner schäbigen Dachkammer aufnehmen konnte. Statt mit verstaubten Möbeln vollgestellt, war hier alles was er brauchte und nicht mehr. Selbst damals, als sein Geldbeutel noch das Gewicht von Drachmen kannte, hatte er nicht anders gelebt. Er drehte sich zu ihr um.
"Danke dir."
Es war nicht ganz klar ob er sich für sein neues Heim oder ihre vorherigen Worte bedanke. Cadice nahm es jedoch wie es war.
„Die Quelle ist hinten am Ende des Gangs. Dort kannst du dir Wasser holen. - Brauchst du noch irgendwas?“
Roac, der sich inzwischen den Mantel abgestreift und über die Truhe gelegt hatte, sah auf. Sofort sah er die leichte Angespanntheit in ihrer Haltung und bemerkte erst jetzt, dass die Stimmen vom Gang verstummt waren. Sie beide waren allein. Als sie das letzte Mal alleine gewesen waren, hatten sie eng aneinandergeschmiegt auf einem Fell gelegen, die Körper ineinander verschlungen und verschwitzt vom heftigen Liebesspiel. Das Mal davor war es ähnlich gewesen, nur dass sie damals Hure und Freier gewesen waren und voneinander nur die Namen kannten die sie sich gegeben hatten. Sie war der eigentliche Grund, warum er hier war. Ohne sie würde er immer noch oben in seinem Laden im Lehnstuhl hocken und die Tage zählen. Wenn ihn das dunkle Volk nicht vorher geholt hätte.
"Nein. Ich glaube ich hab hier alles was ich brauche...danke."
Der Strohballen knisterte leise als er sich daraufsetzte und vorsichtig begann den linken Stiefel aufzuschnüren. Wie schon in der großen Halle gab er sich unbekümmert doch erneut gab seine Miene mehr Preis als er wollte. Schließlich hielt er inne. Sein Blick ging vorbei am braunen Leder, weit in die Ferne an einen Ort den nur er sehen konnte.
"Du kanntest Rotfuchs...oder?"
Er brauchte nicht den Kopf zu drehen um zu sehen, dass sie immer noch da war. Vielleicht hatte sie ja gespürt, dass ihm etwas auf der Seele brannte seit sie ihn hier unten auf ihre so spezielle Art und Weise aus dem Schlaf geweckt hatte.
"Du und Adler haben ihn erwähnt nachdem wir den Schacht herunter gesprungen sind."
Ohne es zu bemerken war er vom Celcianischen ins Garmische übergesprungen.
"Er hat mich damals von der Straße geholt, mir den halb verhungerten Arsch gerettet, mich aufgenommen. Groß gezogen und alles beigebracht was ich heute weiß. Und trotzdem weiß ich so wenig über ihn... Er war so oft weg, hat sich mit den Rest von uns immer nur alle paar Abende im Bettler getroffen und in den Nächten in denen wir losgezogen sind."
Seine Finger fädelten die mit Schlamm verkrusteten Schnürsenkel aus ihren Laschen und zogen die Stiefelzunge zurück.
"Und all die Gerüchte über ihn... das er in Wirklichkeit ein Adeliger war, dass er zu der Diebesgilde gehört... die hab ich niemals ernst genommen. Wer glaubt schon an die Diebesgilde, hmm?"
Sein schwaches Lächeln verzog sich zu einer Grimasse und er stieß schmerzvoll die Luft zwischen den Zähnen aus als er den Stiefel vom linken Fuß zog. Der entblößte Knöchel war geschwollen - noch mehr als sonst - und die Haut war krebsrot. Bis auf die Narben, die wie blasse Blitze bis hinauf unters Hosenbein verliefen.
"Als dann dieser verdammte... dieser Einbruch den wir seit Wochen geplant hatten schief lief, waren wir die einzigen die übrig geblieben sind. Und die ganze Stadt auf der Suche nach uns. Ich war ungefähr ein Monat untergetaucht in irgendeiner verlassenen Lagerhalle, mal bewusstlos vom Schmerz, mal zugedröhnt vom Schlafmohn. Als er dann zurück gekommen ist, dachte ich wir verlassen Grandea, ich dachte er hätte bestimmt Kontakte in irgendeiner anderen Stadt, vielleicht in Alberna und von dort aus irgendwo anders hin. Aber nein..."
Der Dieb schüttelte den Kopf und warf den Stiefel in eine Ecke.
"Er bringt mich mit in den Laden des Schweinehunds der uns verraten hat. Ein fetter Sack, der sich in den Adel einkaufen wollte. Lares hat ihn umgebracht... lag noch genauso da wie er gestorben ist. Und die Wache hatte schon davon Wind bekommen... Er hat mich angesehen, hat mich festgehalten damit es mich mit meiner verdammten Krücke nicht aufs Maul haut. >Hör mir zu. Nimm den Beutel von dem Toten und tausche ihn gegen deine Freiheit. Sie werden dich nicht mitnehmen, tot oder im Kerker nützt du ihnen nichts.<..."
Seine Fingerknöchel wurden weiß, als sie sich um sein Knie klammerten.
"Freiheit... ein Monat an einem Ladentisch hocken, in dem Wissen, dass dir alle Knochen gebrochen werden wenn du am Ende zu wenig Schutzgeld ablieferst, dass du tot bist, sobald sie dich außerhalb deines Viertels erwischen oder auch nur den Verdacht haben, dass du versuchst wieder selbstständig zu werden... das war mein Leben. "
Der ehemalige Hehler sah zu Cadice und fragte sich was sie von ihm und seiner plötzlichen Offenbarung dachte. Noch nie zuvor hatte er mit jemanden darüber gesprochen.
"Bisher dachte ich immer, das er keine andere Wahl hatte. Ich hätte ihn nur aufgehalten wenn er mich mitgenommen hätte. Und so hatte ich wenigstens eine Chance zu überleben. In den ersten Monaten hab ich noch gehofft er kommt wieder... holt mich hier raus. Mit der Zeit hab ich mich dann damit abgefunden, dass er es entweder geschafft hat und nicht mehr zurück kommen kann, oder auf der Flucht gestorben ist."
Dem linken folgte der rechte Stiefel. Im hohen Bogen flog er durch das Zimmer und landete neben seinem Zwilling im Eck.
"Und jetzt... all die Zeit danach erfahre ich, dass es die Diebesgilde wirklich gibt. Dass Rotfuchs tatsächlich einer von euch war und diesen Ort kannte. Diesen Ort den von dem nicht einmal der König weiß. Der Platz für mehrere Hundert Menschen bietet die ihr Leben unbehelligt weiterleben können. Nahrung, Verpflegung... alles kein Problem. Wie passt das zusammen?!"
Roac stand auf, sein linker Knöchel nicht mehr durch den Stiefel gestützt knickte ein und er stolperte, fing sich gerade noch und stützte sich mit beiden Händen von der Wand ab. Cadice war direkt vor ihm, keine Armlänge weit entfernt. Er sah ihr in die blauen Augen und sah sein Spiegelbild in ihnen.
"Entweder habt ihr Rotfuchs damals im Stich gelassen... oder er mich."

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Freitag 7. August 2015, 21:25

„Die Quelle ist hinten am Ende des Gangs. Dort kannst du dir Wasser holen. - Brauchst du noch irgendwas?“
"Nein. Ich glaube ich hab hier alles was ich brauche...danke."

Der Strohballen knisterte leise als er sich daraufsetzte und vorsichtig begann den linken Stiefel aufzuschnüren. Cadice schmunzelte, was immer irgendwie aufreizend wirkte. Hatte sein Satz sie mit einbezogen oder nicht?
"Du kanntest Rotfuchs...oder?"
Er brauchte nicht den Kopf zu drehen um zu sehen, dass sie immer noch da war. Vielleicht hatte sie ja gespürt, dass ihm etwas auf der Seele brannte seit sie ihn hier unten auf ihre so spezielle Art und Weise aus dem Schlaf geweckt hatte. Jetzt sah sie ihn unverwandt an.
"Du und Adler haben ihn erwähnt nachdem wir den Schacht herunter gesprungen sind."
Ohne es zu bemerken war er vom Celcianischen ins Garmische übergesprungen.
"Er hat mich damals von der Straße geholt, mir den halb verhungerten Arsch gerettet, mich aufgenommen. Groß gezogen und alles beigebracht was ich heute weiß. Und trotzdem weiß ich so wenig über ihn... Er war so oft weg, hat sich mit den Rest von uns immer nur alle paar Abende im Bettler getroffen und in den Nächten in denen wir losgezogen sind. Und all die Gerüchte über ihn... das er in Wirklichkeit ein Adeliger war, dass er zu der Diebesgilde gehört... die hab ich niemals ernst genommen. Wer glaubt schon an die Diebesgilde, hmm?"
Cadice zuckte so unschuldig mit den Schultern und war mit dieser kleinen Geste so über alle Maßen überzeugend, dass man glauben könnte, sie wäre nicht ein Kind dieser unterirdischen Gesellschaft. Sie sah sich überrascht um, als würde es ihr gerade erst auffallen, unterbrach aber Roac nicht, der nach einem kurzen Moment weiter ausholte.
"Als dann dieser verdammte... dieser Einbruch den wir seit Wochen geplant hatten schief lief, waren wir die einzigen die übrig geblieben sind. Und die ganze Stadt auf der Suche nach uns. Ich war ungefähr ein Monat untergetaucht in irgendeiner verlassenen Lagerhalle, mal bewusstlos vom Schmerz, mal zugedröhnt vom Schlafmohn. Als er dann zurück gekommen ist, dachte ich wir verlassen Grandea, ich dachte er hätte bestimmt Kontakte in irgendeiner anderen Stadt, vielleicht in Alberna und von dort aus irgendwo anders hin. Aber nein... Er bringt mich mit in den Laden des Schweinehunds der uns verraten hat. Ein fetter Sack, der sich in den Adel einkaufen wollte. Lares hat ihn umgebracht... lag noch genauso da wie er gestorben ist. Und die Wache hatte schon davon Wind bekommen... Er hat mich angesehen, hat mich festgehalten damit es mich mit meiner verdammten Krücke nicht aufs Maul haut. >Hör mir zu. Nimm den Beutel von dem Toten und tausche ihn gegen deine Freiheit. Sie werden dich nicht mitnehmen, tot oder im Kerker nützt du ihnen nichts.<..."
Roacs Fingerknöchel wurden weiß, als sie sich um sein Knie klammerten und Cadice hatte sich inzwischen neben ihn, aber auf den Boden gesetzt.
"Freiheit... ein Monat an einem Ladentisch hocken, in dem Wissen, dass dir alle Knochen gebrochen werden wenn du am Ende zu wenig Schutzgeld ablieferst, dass du tot bist, sobald sie dich außerhalb deines Viertels erwischen oder auch nur den Verdacht haben, dass du versuchst wieder selbstständig zu werden... das war mein Leben. "
Der ehemalige Hehler sah zu Cadice und fragte sich was sie von ihm und seiner plötzlichen Offenbarung dachte. Noch nie zuvor hatte er mit jemanden darüber gesprochen. Sie schaute ihm gerade in die Augen und da sie etwas tiefer saß als er, war der Anblick ihres schlanken Halses und das Darunter auch nicht zu verachten. Ihre Finger spielten gedankenverloren mit einer Haarsträhne, während sie im weiter aufmerksam zuhörte.
"Bisher dachte ich immer, das er keine andere Wahl hatte. Ich hätte ihn nur aufgehalten wenn er mich mitgenommen hätte. Und so hatte ich wenigstens eine Chance zu überleben. In den ersten Monaten hab ich noch gehofft er kommt wieder... holt mich hier raus. Mit der Zeit hab ich mich dann damit abgefunden, dass er es entweder geschafft hat und nicht mehr zurück kommen kann, oder auf der Flucht gestorben ist."
Rabes linken folgte der rechte Stiefel. Im hohen Bogen flog er durch das Zimmer und landete neben seinem Zwilling im Eck.
"Und jetzt... all die Zeit danach erfahre ich, dass es die Diebesgilde doch gibt. Dass Rotfuchs einer von euch war und diesen Ort kannte. Diesen Ort den nicht einmal der König kennt, der Platz für mehrere Hundert Menschen bietet die ihr Leben unbekümmert nach wie vor weiterleben können. Nahrung, Verpflegung... alles kein Problem. Wie passt das zusammen?!"
Roac stand auf, sein linker Knöchel nicht mehr durch den Stiefel gestützt knickte ein und er stolperte, fing sich gerade noch und stützte sich mit beiden Händen von der Wand ab. Cadice war ihm gefolgt und stand nun direkt vor ihm, keine Armlänge weit weg. Er sah ihr in die blauen Augen und sah ein Spiegelbild seiner selbst in ihnen.
"Entweder habt ihr Rotfuchs damals im Stich gelassen... oder er mich."
Cadice Unterlippe zog sich nach innen und sie kaute einen Moment darauf herum, was irgendwie zum anbeißen süß war. Ihr gesenkter Blick ließ tatsächlich vermuten, dass sie überlegte, was sie ihm sagen sollte. Dann atmete sie einmal tief ein, die Brust schwoll in ihrem engen Mieder und sie sprach leise:
„Ich war damals auch noch etwas jünger und kann mich nicht an alle Details erinnern. Wenn du eine ausführliche Antwort willst, musst du mit den Alten reden, aber ob sie dir dabei helfen, weiß ich nicht … .“
Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und seufzte tief, als sähe sie darin kein erfolgreiches Unterfangen. Eine widerspenstige karamell- blonde Welle rollte sich unter ihrem Kinn auf dem Schlüsselbein zu einer kleinen Locke zusammen.
„Soweit ich weiß, war er nach eurem letzten großen Ding noch mal hier. Ich weiß nicht ob vor oder nach der Geschichte mit deinem Bein.“
Die so unverblümte Erwähnung seiner Behinderung schien ihr plötzlich unangenehm, deshalb fuhr sie eilig fort:
„Er erzählte, dass du gestorben bist und wir haben nicht nachgefragt, da es keinen Grund gab, seine Worte in Frage zu stellen. Allerdings war er schon ein bisschen komisch in der Zeit. Ich hab damals versucht ihn zu trösten, ich meine freundschaftlich wie junge Menschen das so machen. Ich mochte ihn, musst du wissen, auch wenn ich ihn gern besser gekannt hätte. Aber er war seid deinem „Tod“ so anders, so verschlossen, irgendwie wütend. Wir glaubten, dass er sich die Schuld an dem ganzen Mist gab. Schließlich hatte er den Auftrag verpatzt und so viele waren gestorben. Das er verraten worden war, hat er nie erzählt. Das haben wir erst jetzt erfahren … durch dich. Er hat die ganze Schuld auf sich genommen.“
Cadice sah traurig zu Boden und ließ sich dann wo sie war im Schneidersitz nieder.
„Er war kein Mörder musst du wissen! Er war keiner! Zumindest bis dahin nicht! Im Nachhinein denke ich, er hat es geplant. Ich meine den Verräter zu töten und er wollte uns … und auch irgendwie dich da raus halten. Vermutungen... Wer kann schon wissen, was er sich damals gedacht hat?! Rache ist immer ein zweischneidiges Schwert. Ein singendes Schwert, dass verletzt und Wunden hinterlässt. Wunden die Aufmerksamkeit auf uns lenken würden. Rache ist nie gut! ...“
Sie schlang die Arme um die schmalen Schultern, als würde sie frieren.
„Dann verschwand er und damit auch die Gerüchte um den kleinen Raben. Dich am Schauplatz des Verbrechens unter aller Augen zu verstecken, dass passt zu ihm.“
Sie lächelte kurz.
„Auf jeden Fall haben wir seit Jahren nichts mehr von ihm gehört oder gesehen.„
Sie sah Rabe an und auf der Unterkante ihrer Lider sammelten sich Tränen.
„Ich … Wir sind Diebe … professionelle Diebe … keine planenden … Mörder. Er wusste das. Ich glaube, deshalb hat er uns verlassen … dich und uns.“
Sie schwieg eine Weile und ihre Unterlippe zitterte leicht, während die Seen in ihren Augen drohten über zu laufen.
„Vielleicht wollte er dieses Leben nicht für dich? Vielleicht wollte er dich so vor allem bewahren? Ich hab keine Ahnung wie ein so verletzter Geist denkt ...“
Dann blinzelte sie und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Sie schluckte heftig und räusperte leise den Klos in ihrem Hals weg. Vielleicht konnte sich Roac vorstellen, wie sie als junges Mädchen an der Hand seines einstigen Mentors durch diese Räume getollt war. Cadice wirkte in vielen Dingen so unverdorben und in Anderen … nun ja, eben nicht so unverdorben. Sie war eine Frau, die sich die Freiheit heraus nahm, mit jedem zusammen zu sein, den sie wollte und das zu einer Zeit in der gängiger Weise Frauen verkauft und die Ehe ein Geschäft war.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Sonntag 9. August 2015, 02:35

Einen kurzen Moment lang schien es als würde Cadice ihm eine Antwort schuldig bleiben. Ihr Körpersprache signalisierte wie unwohl sie sich fühlte und Roac rechnete bereits mit einer knappen Abweisung, als sie schließlich mit leiser Stimme zu erzählen begann.
„Ich war damals auch noch etwas jünger und kann mich nicht an alle Details erinnern. Wenn du eine ausführliche Antwort willst, musst du mit den Alten reden, aber ob sie dir dabei helfen, weiß ich nicht … . Soweit ich weiß, war er nach eurem letzten großen Ding noch mal hier. Ich weiß nicht ob vor oder nach der Geschichte mit deinem Bein.“
Sein geschwollener Knöchel pulsierte immer noch schmerzhaft und schickte brennende Wellen bis hinauf zu seinem Rumpf. Roac achtete nicht darauf. Zu lange hatte er auf Hinweise zu Lares Verbleib gewartet, zu lange auf Informationen die erklärten warum sein alter Mentor mit einem Mal verschwunden war.
„Er erzählte, dass du gestorben bist und wir haben nicht nachgefragt, da es keinen Grund gab, seine Worte in Frage zu stellen. Allerdings war er schon ein bisschen komisch in der Zeit. Ich hab damals versucht ihn zu trösten, ich meine freundschaftlich wie junge Menschen das so machen. Ich mochte ihn, musst du wissen, auch wenn ich ihn gern besser gekannt hätte. Aber er war seid deinem „Tod“ so anders, so verschlossen, irgendwie wütend. Wir glaubten, dass er sich die Schuld an dem ganzen Mist gab. Schließlich hatte er den Auftrag verpatzt und so viele waren gestorben. Das er verraten worden war, hat er nie erzählt. Das haben wir erst jetzt erfahren … durch dich. Er hat die ganze Schuld auf sich genommen.“
Roac blinzelte. Mit ausdrucksloser Miene sah er Cadice dabei zu, wie sie sich auf dem steinernen Boden zu seinen Füßen niederließ.
„Er war kein Mörder musst du wissen! Er war keiner! Zumindest bis dahin nicht! Im Nachhinein denke ich, er hat es geplant. Ich meine den Verräter zu töten und er wollte uns … und auch irgendwie dich da raus halten. Vermutungen... Wer kann schon wissen, was er sich damals gedacht hat?! Rache ist immer ein zweischneidiges Schwert. Ein singendes Schwert, dass verletzt und Wunden hinterlässt. Wunden die Aufmerksamkeit auf uns lenken würden. Rache ist nie gut! ... Dann verschwand er und damit auch die Gerüchte um den Raben. Dich am Schauplatz des Verbrechens unter aller Augen zu verstecken, dass passt zu ihm.“
Der Dieb nickte schweigend, die Augen noch immer starr in die Ferne gerichtet. Ja, das klang nach einem Plan der dem berüchtigten Rotfuchses gefallen hätte. Gerissen, riskant... aber stets effektiv.
„Auf jeden Fall haben wir seit Jahren nichts mehr von ihm gehört oder gesehen. Ich … Wir sind Diebe … professionelle Diebe … keine planenden … Mörder. Er wusste das. Ich glaube, deshalb hat er uns verlassen … dich und uns. Vielleicht wollte er dieses Leben nicht für dich? Vielleicht wollte er dich so vor allem bewahren? Ich hab keine Ahnung wie ein so verletzter Geist denkt ...“
Sie verstummte und auf einmal war es wieder ruhig in ihrer kleinen Höhle. Draußen vom Gang hinter dem Vorhang drang gedämpftes Schnarchen von einem der Straßenkinder bis zu ihnen hervor. Es musste bereits nachts sein, auch wenn dies hier unten ohne Sonnenlicht nur schwer festzustellen war.
"Vielleicht..."
Roacs Stimme klang müde. Vorsichtig, um sein Bein nicht noch mehr zu beleidigen, ließ er sich mit dem Rücken die raue Felswand hinabgleiten bis er Schulter an Schulter neben Cadice saß. Für eine Weile sprach keiner von ihnen. Dann wandte er den Kopf und betrachtete sie von der Seite. Ihre Tränen waren versiegt, auch wenn sie feuchte Spuren auf ihren Wangen zurückgelassen hatten. Mit einem Mal überkam ihn der Drang sie in den Arm zu nehmen, doch der Gedanke ging genau so schnell wie er gekommen war.
"Danke, dass du ehrlich zu mir warst. Ich weiß nicht was ich mit allem hier anfangen soll... das ganze mach für mich immer noch keinen Sinn. Aber... vielleicht tut es das irgendwann mal."
Er lehnte den Kopf zurück an die steinerne Wand und starrte an die Decke. Von seinem inneren Auge tauchte das Gesicht eines bärtigen Mannes mit roten Schopf und kühnem Lächeln auf. Es war merkwürdig, wie er sich an jede Kleinigkeit an seinem Aussehen, seiner Gestik, einfach an alles erinnern konnte und zugleich die Gesichter seiner Eltern und Geschwister mit aller Anstrengung nicht heraufbeschwören konnte. Bär, Marvin, Babette und all die anderen waren ebenfalls in sein Gedächtnis gebrannt wie die Narben in sein Fleisch. Nur schmerzte die Erinnerung an sie auch ohne dass er einen Schritt tat. Für Lares musste es noch um einiges schlimmer gewesen sein. Er war an ihrer Spitze gestanden und sie alle hatten zu ihm aufgesehen. Der Hinterhalt musste schwer auf seinen Schultern gelastet haben, genau wie die Schuldgefühle mit dem Leben davongekommen zu sein. Vielleicht war das der Grund gewesen, warum er Roac von der Diebesgilde fernhalten wollte und somit zu einem sicheren, wenn auch armseligen Leben verdammt hatte.
Was damals auch immer im Kopf des Rotfuches vorgegangen war, war jetzt, drei Jahre nach seinem Verschwinden nur schwer auszumachen. Roac hatte sich verhofft hier unten auf Antworten zu stoßen und auch jetzt gab ein Teil von ihm die Hoffnung darauf nicht auf. Vielleicht, wenn sich die Gelegenheit ergab würde er wirklich wie Cadice vorgeschlagen hatte mit den Alten darüber sprechen. Doch bis dahin hatte sie ihm geholfen... wie schon so oft in der kurzen Zeit die er sie kannte.

"Es ist schon komisch... wenn du mich damals im Bettler nicht angesprochen hättest, würde ich immer noch hinter meiner Ladentheke verstauben. Oder wahrscheinlicher wäre, dass ich genauso verschwunden wäre wie der Glaser."
Kurz huschte ein leises Lächeln über sein Gesicht als er sich an die Ohrfeige erinnerte, die Cadice ihm am Morgen nach ihrer ersten Nacht verpasst hatte als er den kranken Hase erwähnte. Schon wollte er sie damit aufziehen, doch dann besann er sich eines anderen. Erst jetzt schien ihm bewusst zu werden, wie nah er ihr eigentlich war. Er spürte wie ihr Atem über die feinen Härchen seines Oberarmes strich und ihre Locken auf seine Schulter fielen. Sie roch noch genau so, wie in jener Nacht...
"Du bist schon lange weg. Adler und Luchs werden sich bestimmt wundern was wir treiben..."
Roac sah auf und sofort trafen sich ihre Blicke. Cadice Augen waren blau wie die seinen, nur glichen ihre tiefen Seen die nur dazu einluden in ihnen einzutauchen. Alles an ihr war geeignet um einen Mann um den Verstand zu bringen und natürlich wusste sie das, schließlich hatte Roac sie am Tisch gesehen, wie sie sich einen Spaß daraus gemacht hatte den Halbelf zu becircen. Im Moment war von dieser Verspieltheit jedoch nichts zu erkennen.
"Du solltest zurück... außer du willst heute Nacht hier bleiben."
Das Angebot welches in der Luft gelegen hatte, seit sie beide den abgelegenen Raum betreten hatten war ausgesprochen.

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 9. August 2015, 16:44

Rabe und Biene saßen nebeneinander.
"Danke, dass du ehrlich zu mir warst. Ich weiß nicht was ich mit allem hier anfangen soll... das ganze mach für mich immer noch keinen Sinn. Aber... vielleicht tut es das irgendwann mal."
Er lehnte den Kopf zurück an die steinerne Wand und starrte an die Decke, während ihre leise Stimme flüsternd dazu antwortet:
„Das macht es meistens nie.“
Roac hatte sich erhofft hier unten auf Antworten zu stoßen und auch jetzt gab ein Teil von ihm die Hoffnung darauf nicht auf. Vielleicht, wenn sich die Gelegenheit ergab würde er wirklich wie Cadice vorgeschlagen hatte mit den Alten darüber sprechen. Doch bis dahin hatte sie ihm geholfen... wie schon so oft in der kurzen Zeit die er sie kannte.
"Es ist schon komisch... wenn du mich damals im Bettler nicht angesprochen hättest, würde ich immer noch hinter meiner Ladentheke verstauben. Oder wahrscheinlicher wäre, dass ich genauso verschwunden wäre wie der Glaser."
Sie zuckte leicht bei der Erwähnung zusammen und sah ihn unter ihren dichten Wimpern hervor von der Seite her an. Kurz huschte ein leises Lächeln über sein Gesicht als er sich an die Ohrfeige erinnerte. Er spürte wie ihr Atem über die feinen Härchen seines Oberarmes strich und ihre Locken auf seine Schulter fielen. Sie roch noch genau so, wie in jener Nacht...
"Du bist schon lange weg. Adler und Luchs werden sich bestimmt wundern was wir treiben..."
Sie zuckte nur mit den Schultern. Roac sah auf und sofort trafen sich ihre Blicke. Cadice Augen waren blau wie die seinen, nur glichen ihre tiefen Seen die nur dazu einluden in ihnen einzutauchen. Alles an ihr war geeignet um einen Mann um den Verstand zu bringen und natürlich wusste sie das, schließlich hatte Roac sie am Tisch gesehen, wie sie sich einen Spaß daraus gemacht hatte den Halbelf zu becircen. Im Moment war von dieser Verspieltheit jedoch nichts zu erkennen. Sie wirkte so traurig.
"Du solltest zurück... außer du willst heute Nacht hier bleiben."
Das Angebot welches in der Luft gelegen hatte, seit sie beide den abgelegenen Raum betreten hatten war ausgesprochen. Cadice lehnte ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern:
„Es wäre schön heute Nacht nicht allein zu sein. … Mit solchen Gedanken im Kopf bekomme ich immer Albträume.“
Sie rieb leicht ihre Wange an seiner Schulter und seufzte leise.
„Ich hab leider noch was zu erledigen. Aber wenn ich darf, komme ich später nach und vielleicht wird dann unser nächstes Erwachen so schön wie das Letzte.“
Das süße Versprechen, dass in ihren Worten lag war gerade in Rabes Geist angekommen, als sie sich von ihm löste und ihm zuvor einen kleinen Kuss auf den Hals hauchte. Sie stand auf, seufzte noch einmal, lächelte, zwinkerte und ließ ihn dann allein. Kaum war sie weg, spürte Roac das Leiden seiner Knochen zurück kommen. Er brauchte wirklich etwas Schlaf und das Alleinsein war dringend notwendig, um sich auch um seine Gesundheit zu kümmern. Essen, Baden, Körperpflege, Schlaf, das waren Notwendigkeiten um seinen guten Zustand zu erhalten. Sein Bein wäre glücklich über etwas Zuwendung. Es hatte in der letzten Zeit viel aushalten müssen. Also galt es nun eine einfach Entscheidung zu treffen. Sollte er sich gleich hinlegen oder vorher noch sich etwas gutes tun? Seine Neugierde könnte ihm womöglich natürlich auch einen Streich spielen und in andere Tunnel locken.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Montag 10. August 2015, 22:51

Für einen Außenstehenden boten die beiden bestimmt ein gar merkwürdig anmutendes Bild. Nur spärlich von dem durch den groben Stoff des Vorhangs hereinsickernden Fackelschein beleuchtet, saßen sie aneinandergelehnt an der kalten Felswand, die Blicke geradeaus und in Gedanken versunken. Zu zweit allein... und deshalb doch zusammen.
„Es wäre schön heute Nacht nicht allein zu sein. … Mit solchen Gedanken im Kopf bekomme ich immer Albträume.“
Roac nickte sacht. Er wusste genau wovon sie sprach.
„Ich hab leider noch was zu erledigen. Aber wenn ich darf, komme ich später nach und vielleicht wird dann unser nächstes Erwachen so schön wie das Letzte.“
Ihre Lippen hinterließen ein warmes Kribbeln auf seiner Haut für das er sich schon revanchieren wollte doch da war Cadice bereits außer Reichweite. Ein leises Lächen stahl sich auf sein Gesicht als er von unten zur ihr hochsah und merkte, dass jeglicher Kummer von vorhin wieder ihrer gewohnten Heiterkeit gewichen war. Cadice strahlte eine Kraft aus die ihm stets das Gefühl gab, dass alles in Ordnung sei, egal welche Sorgen er sich auch gerade machte. Sie schien vor Lebenslust nur so zu strotzen und sie über die Luft direkt an ihre Mitmenschen weiterzugeben. Wahrlich, jemanden wie ihr war er noch nie zuvor begegnet.
"Von mir aus können wir den Mohnsaft und die Waffen diesmal gerne weglassen."
Sie zwinkerte ihm nur verwegen zu und verschwand dann hinter dem Vorhang. Roac blieb noch einige Zeit lang sitzen, das Lächeln nicht ganz von seinem Gesicht verschwunden als das Geräusch ihrer Schritte im Tunnel schon lange verhallt war. Geistesabwesend strich er sich über den Hals.

Die Quelle war nicht zu verfehlen. Der Gang endete in einer Art Spirale, in deren Mitte sich munter plätschernd ein klarer Strahl hellen Quellwassers in ein Becken ergoss. Als Roac den Arm hineintauchte, stellte er überrascht fest, dass es wärmer war, als er anfangs gerechnet hatte. Der Fluss von dem das Wasser stammte, fand seinem Anfang vermutlich in den verschneiten Gipfeln der Berge um Grandea, von wo er seinen Weg durch das harte Gestein bis tief in den Untergrund geschlängelt hatte. Von der eisigen Kälte der Oberfläche war hier unten jedoch nichts mehr zu spüren und auch wenn Roac die genaue Ursache dafür nicht kannte - schließlich war er Dieb, kein Gelehrter - war er dankbar sich nicht mit Eiswasser waschen zu müssen.
Nachdem er die beiden Eimer aus seinem Privatbereich bis zum Rand gefüllt hatte, hängte er sich die Träger über die Schulter und machte sich auf den Rückweg. Die zusätzliche Last lies sein ohnehin schon mitgenommenes Bein empört protestieren, doch er ging langsam, weshalb der Schmerz halbwegs erträglich war. Während er mit jedem seiner ungleichen Schritte einen kleinen Teil seiner Ladung verschüttete, spähte er mal links, mal rechts in die Höhleneingänge zu seiner Seite. Die meisten Vorhänge waren schon zugezogen, doch in einigen Räumen tat sich noch etwas. In einer der Höhle saßen gleich vier Straßenkinder im Kreis die ihr wildes Tuscheln abrupt unterbrachen als er an ihnen vorbeihinkte, nur um sich mit wenig schauspielerischem Können schlafend zu stellen. Aus einer anderen drang gedämpft die Stimme eines Jungen hervor, der vermutlich im kindlichen Spiel vertieft verkündete die Krone des Königs gestohlen zu haben und sie nur im Tausch für eine Wagenladung kandierter Äpfel wieder herausrücken würde. Ein weiterer Vorhang flatterte verdächtig und konnte nicht ganz die neugierigen Augen eines Mädchens verdecken, dass ihn Morgen bestimmt bei einem der Alten verpfeifen würde. Weswegen? Darüber würde sie wohl noch eine Nacht schlafen müssen.
Wieder in seinen eigenen vier Höhlenwänden angelangt stellte Roac die Eimer ab und fluchte leise, da er fast die Hälfte des Wasser auf dem Weg verloren hatte. Schließlich zuckte er mit den Schultern und schüttete die Eimer zusammen, dann begann er sich auszuziehen. Wams, Hose und den Rest hängte er neben den Mantel über die Truhe zum Auslüften. Neben den Handtüchern fand er ein kleines Stück Seife, nicht größer als sein Daumen doch mit intensivem Geruch und rauer Oberfläche. Als er begann sich damit einzureiben, spürte er sofort wie der Schweiß und Dreck der vergangenen Tage von ihm abblätterte wie die Rinde eines alten Baumes. Er wusch sich die Haare, unter den Armen, zwischen den Beinen und auch zwischen den Zehen, bis das Wasser um seine Füße kalt und dunkel war. Vorsichtig stieg er aus dem Eimer um auf dem feuchten Stein nicht auszurutschen. Dann rubbelte er sich mit einem der Tücher trocken bis ihm das pechschwarzen Haar in allen Richtungen zu Berge stand. Die Eimer stellte er in die Ecke des Raumes, er würde sie Morgen ausleeren. Handtuch und Seife legte er zurück an ihren Platz, dann überlegte er es sich, nahm sich das trockene Tuch zur Hand und setzte sich auf den Strohsack. Roac hob sein linkes Bein an und legte es auf sein rechtes Knie. Behutsam begann er über die narbige Haut zu streichen und zu kneten, versuchte so gut es ging die Muskeln zu entspannen, auch wenn sie brannten wie Feuer. Sein Knöchel war fast faustgroß und rot wie die Nase eines betrunkenen Harlekins. Direkter Druck verschob das morsche Gelenk zur Seite, weshalb Roac das Handtuch nahm und den Stoff um seinen Fuß wickelte. Erst als der Knoten felsenfest saß, setzte er das Bein wieder ab und erhob sich. Seine Idee ging auf, der Schmerz war immer noch da doch nicht gar so schlimm wie noch zuvor. Er würde immer noch Hinken und Humpeln, doch wenigstens konnte er dabei klar denken.
Zufrieden ging er zu seinen Stiefeln die er allzu voreilig in die Ecke geschleudert hatte. Fast hätte er den kleinen Kirschbeutel mit den Drachmen vergessen, den er dort versteckt gehalten hatte. Er wog den Beutel kurz in der Hand, dann legte er ihn zu seiner anderen Geldkatze in die Truhe. Er schloss nicht ab. Als würde das hier unten einen Unterschied machen.
Dann endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit ließ er sich auf seinem Nachtlager nieder. Es dauerte nicht lang und die Müdigkeit begann mit aller Kraft an seinen Lidern zu ziehen. Während er da lag im Dunkeln, die Hände hinter dem Hinterkopf verschränkt, ließ er den Tag in Gedanken Revue passieren. Er dachte an Cadice, an ihr frohes Lächeln, ihren warmen Körper und ihr Versprechen ihn mit beidem Morgen aus dem Schlaf zu wecken. Er dachte an Hase bei dem er sich bei nächster Gelegenheit noch für die Geschichte mit dem Fass revanchieren musste. Er dachte an Adler und Luchs, die beide so unterschiedlich waren wie es nur ging. Er dachte an die vier Alten und ihre in Rätsel verwobenen Prüfungen. Er dachte an Wiesel und all die Geschichten die er hier unten über seine Jugend gehört hatte und fragte sich ob auch nur ein Bruchteil des jungen Rabes in den vergangenen Jahren in ihm überlebt hatte. Er dachte an den Zunftgarten und seine scheinbar endlosen Tunnel und Höhlensysteme die sich in die uralte Tiefe bohrten. Er dachte an die schwarze Feder und sah wie der Laden in Flammen stand, die bald begannen auch an den Nachbarhäusern zu lecken. Er dachte an Marvin, Babette, Bär und all die anderen, an seine Familie von früher. Und er dachte an Lares, dachte an den Mann den er bis vor kurzem tot geglaubt hatte und doch tief in seinem Inneren wusste, dass er irgendwo da draußen war.
Dann schlief er ein.

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Montag 17. August 2015, 17:26

Mitten in der Nacht, oder zu mindestens der Phase seines Schlafes die Roacs Körper für die Nacht hielt, nahmen seine Ohren ein leises Plätschern war. Manthalas Seegen der Müdigkeit wolle mit aller Macht verhindern, dass er wach wurde, doch trotzdem schaffte er es, einmal kurz wenigstens eines seiner Augen einen winzigen Spalt zu öffnen. Sofort beruhigt stellte er fest, dass es Cadice war, zumindest musste sie es sein, denn wer würde sich sonst in fast vollkommener Dunkelheit in seinem Zimmer splitterfasernackt ausziehen um sich zu waschen? Die Schwärze gab nur wenig Preis und doch erkannte er den sanften Schimmer ihrer nassen Haut, dass dunkle Glitzern ihrer Konturen, gegen den Hintergrund der matten Steinwände. Ihr Duft war nah, warm und erdig. Bevor ihn Manthala ihn zurück in ihr Reich zog, hörte er nur noch leise ihre baren Füße neben seinem Strohsack, dann ein Rascheln und ihr kühler Körper schmiegte sich nach Wärme suchend an ihn. Dann umfing ihn wieder Dunkelheit.

Die gnadenlos sengenden Strahlen der Mittagssonne blendeten Roacs Augen und ließen ihm den Schweiß von der Stirn in die ausgestreckten Handflächen tropfen. Die salzige Flüssigkeit brannte auf der aufgeschundenen und mit Blasen übersäten Haut, dem Jungen mit dem rabenschwarze Haar entwich ein leiser Schmerzenslaut durch die zusammengepressten Lippen. Er hasste die Sonne und ihre Hitze, ihr grelles Licht und das Brennen, dass sie auf seiner Haut hinterließ. Die Arbeit auf dem Feld war hart genug, der Pflug schwer genug um ein Kind an den Rand der Erschöpfung zu treiben. Doch der Tag war es, der all das unerträglich machte. Ein sattes Zischen ertönte und Roac wandte den Kopf, jedoch nicht schnell genug. Eine Welle des Schmerzes durchfuhr ihn und für einen Moment wurde alles um ihn herum weiß. Als sein Blickfeld wieder klar wurde, bemerkte er, dass er im Staub lag und in das wutentbrannte Gesicht seines Vaters empor sah. "Was glaubst du was du da machst!?" Der grobschlächtige Mann hob seine Sense hoch und schlug erneut mit der flachen Seite der Klinge nach seinem Sohn, der diesmal gerade noch ausweichen konnte und sich schützend zusammenkauerte. "Wenn du an meinem Tisch sitzen und fressen willst musst du arbeiten! Arbeiten wie deine Brüder und Schwestern, wie jeder in diesem Land der nicht in der Gosse verrecken will, verstanden!?" Er trat nach dem Jungen, der immer noch reglos am Boden kauerte. "Du bist nutzlos, Abschaum, hörst du mich?" Als er keine Antwort bekam, spuckte er auf den Boden und wandte seinem Sohn den Rücken zu. "Heute kriegst du nichts. Mal sehen ob du daraus etwas lernst..." Sein Vater drehte sich um und zeigte ihm den Rücken. Er wandte sich zum gehen und nur noch seine Silhouette war vor dem gleißend hellen Himmel zu erkennen, den Roac so sehr hasste! Das Licht stach so sehr in seinen Augen, dass er fast den Schmerz der Erniedrigung vertrieben hätte. Der dunkle Schatten seines Vaters lag noch immer bedrohlich über ihm, aber irgendetwas stimmte nicht. Obwohl er sich abgewandt hatte und zum Haus zurück lief, wurde sein Schatten immer größer und wuchs und wuchs! Roacs Augen wurden immer größer, da er erkannte, dass der Schatten eine Art Eigenleben entwickelte. Träge floss die Dunkelheit zu seinen Füßen über dir zerfurchte Erde, sammelte sich in den Rillen und zog sich immer fester zusammen. Die Schatten seines Vaters, die der Sense, der des nahen Zaunes, ja selbst der dürren Gräser am Wegesrand versammelten sich. Das seltsame war, dass die ganze Umgebung dadurch an Tiefe verlor und eigentümlich fahl wirkte. Eine Landschaft ohne Schatten hatte auch ihr Stahlen verloren. Wenn alles nur noch weiß, grell und hell war verschwammen die Konturen. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel und ließ den Schweiß an seinem Körper herunter laufen.Er spürte die Tropfen in seinen Kniekehlen kitzeln. Der kleine Junge sah zu seinen Füßen hinunter vor dem sich inzwischen ein dunkler Teich aus Schatten gebildet hatte. Immer fester wurde die Masse und immer weiter zog sie sich zusammen … bis nur noch eine kleine schwarze Murmel vor seinen Füßen lag.

Roac erwachte. Es war warm! Viel zu warm, dass es normal sein könnte und langsam wurde er sich wieder bewusst, wo er war und vor allem, wer bei ihm war! Cadice lag fast auf ihm und hatte ihre Arme um seinen Körper geschlungen. Ihr nackter Oberkörper ruhte auf seiner Brust, ihr Kopf auf seiner Schulter, während ihr warmer Atem seinen Hals streifte. Ihr Haar ergoss sich über seinen ganzen linken Arm und ihr leicht geöffneter Mund gab leise röchelnde Schnarchgeräusche von sich. Ihre Hüfte lag nah an seiner und ihre Beine hatten sich mit seinen verknotet. Sein verletztes Bein war wie durch ein Wunder frei und schmerzte nicht mehr.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Donnerstag 20. August 2015, 23:44

Die Eindrücke aus dem Traum waren noch so nahe und greifbar, dass sie selbst die Grenzen des Schlafes überschritten. Schützend hielt sich der Junge mit dem rabenschwarzen Haar die Hand vors Gesicht und blinzelte in das grelle Sonnenlicht das ihn selbst hier, mehrere Tausend Fuß unter der Erde zu blenden drohte. Erst nach einer Weile, Stück für Stück, kehrte die Vernunft wieder und damit auch die Erinnerung. Langsam senkte sich die Hand und der Mann dem sie gehörte stieß leise pfeifend die Luft aus. Sein Schlummer hatte ihn wieder einmal in längst vergangene Tage seiner Jugend geführt und dabei Erinnerungen geweckt, die sich scheinbar in seinem Bewusstsein eingebrannt hatten. Nun, zumindest war er diesmal nicht wieder neben seinen verstorbenen Freunden in die Tiefe gestürzt. Wenn er schon regelmäßig von Albträumen heimgesucht wurde, konnten sie genau so gut auch etwas abwechslungsreich sein...
Das Stroh knisterte als Roac sich auf die Ellbogen gestützt aufsetzte. Behutsam hob er die schlafende Cadice an und befreite sich sanft aus ihrer Umarmung. Sie murmelte irgendetwas unverständliches doch wachte nicht auf, auch nicht als er beide Beine über die Bettkante schwang und sich erhob. Ihm war heiß und der Schweiß stand auf seiner Stirn, wie jedes Mal wenn ihm schlechte Träume plagten. Er durchquerte die Höhle sicheren Schrittes, auch wenn die Fackeln am Gang mittlerweile alle niedergebrannt waren und nur noch spärlich Licht gaben. Irgendwie hatte er immer gut im Dunkeln sehen können. Selbst als Kind als sich seine Geschwister noch vor dem bösen Ork im Schrank gefürchtet hatten, hatte er keine Angst vor der Dunkelheit gehabt. Die Dunkelheit war nichts anderes als eine zweite Sicht auf die Welt, eine Sicht die ihm schon immer irgendwie mehr zugesagt hatte. Sobald die Schatten länger wurden schienen sich die Dinge in ihrer wahren Form zu zeigen. Ohne Farben, vielleicht jedoch gerade deshalb auch umso klarer und aufs wesentliche reduziert. Er mochte die Dunkelheit. Und mit der Zeit hatte er auch gelernt, die Schatten zu seinem Schutz zu nutzen.
Bei den Eimer angekommen bückte er sich und spritzte sich eine Hand voll Wasser ins Gesicht. Die Kälte belebte seine Sinne und ließ ihn endgültig aufwachen. Während Roac sich oberflächlich wusch sann er über die merkwürdigen Bilder des Traumes nach, die immer noch vor seinem geistigen Auge auftauchten. Was auch immer die befremdliche Verzerrung seiner eigenen Kindheitserinnerung zu bedeuten hatte, blieb ihm verschlossen. Daraufhin verwarf er den Gedanken und ging zurück zu seiner Schlafstätte.
Als der Dieb sich wieder auf dem Strohballen niederließ, fiel ihm auf wie sehr der Schmerz in seinem Bein nachgelassen hatte. Dies war merkwürdig. Normalerweise benötigte es mehr als nur einige Stunden Rast, manchmal sogar einige Tage. Und das noch ohne Hilfsmittel vom Apotheker? Sein schwacher Druckverband allein konnte doch nicht...
Doch bevor er sich die Sache näher ansehen konnte, regte sich Cadice neben ihm in Schlaf. Er sah über die Schulter zu ihr hinab und musste schmunzeln. Sie sah genau so verführerisch und einladend aus wie am Morgen im Bettler. Roacs Laune hob sich merklich, genau wie ein gewisses Körperteil, das bisher geruht hatte. Kurz lauschte er in den Gang hinaus, dann beugte er sich hinab zu der Schlafenden und strich ihre Blonden Locken beiseite. Die Augen auf sie gerichtet küsste er ihren Nacken, ging von dort über ihre Schulter bis hin zu dem weichen Streifen Haut zwischen ihren Brüsten und wanderte immer tiefer, über den Bauch bis hin zu ihrer intimsten Stelle während ihre flatternden Lider verrieten, dass es nur eine Frage von Sekunden war wann sie aufwachen würde...

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Montag 24. August 2015, 19:18

Unsichtbare Finger griffen in der Dunkelheit nach seinem Haar und wühlten ungestüm darin, bis ein leiser, doch nicht ganz zu unterdrückender Laut ihrer Kehle entsprang und sie atemlos ins Stroh zurück fiel. Ihr zitternden Glieder fielen schlaff zur Seite und langsam beruhigte sich auch ihr heftig schlagendes Herz. So selbst vergessen, so entspannt hatte er sie noch nie gesehen, mehr gespürt, denn zu sehen war nur der Glanz ihrer Haut. Doch allein dieser Schimmer vermochte es ihm zu verraten, dass sie lächelte und das war sein Verdienst. Ihre Hände ruhte auf ihrer Brust und ihre Lippen waren leicht geöffnet, als sie hauchte:
„Dankeschön.“
Zu mehr sollte es jedoch leider diesen Morgen nicht kommen, oder welche Zeit auch immer gerade herrschte, denn gerade als sich Cadice an Roacs Seite schmiegte um das Spiel fort zu setzen, hörten sie das eilige Trampeln von kleinen, leichten Füßen. Sie liefen an dem Vorhang vorbei und draußen auf dem Gang wurden die Fackelhalter neu bestückt. Leise Stimmen wurden lauter und sie hörten sie flüstern:
„Hast du Wiesel gesehen?“
„Nein.“
„Und du?“
„Nein, auch nicht. Was ist denn?“
„Ich such ihn halt! Musst nicht alles wissen!“
Irgendwie kam ihm eine der jugendlichen Stimmen bekannt vor.
„Wenn ich suchen helfen soll, dann sags doch!“
„Du nervst!“
„Bäääh!“
„Hast du Biene gesehen?“
„Ja.“
„Und wo ist sie?“
„Sag ich nicht!“
Ein Laut erklang der einem sich erdrosselndem Gockel glich und Cadice war sofort auf den Beinen.
Etwas klatschte und dann wurde eine Stimme lauter:
„Blödian!“
„Es ist wichtig, dumme Pute!“
„Puten sind nicht dumm!“
Cadice musste sich die Hand vor den Mund legen um nicht los zu lachen und zog sich so schnell es ging an. Dann schon sie Roacs Decke mit dem blanken Fuß ein wenig höher, so dass er nicht gleich splitterfasernackt zu sehen war und huschte durch den Vorhang nach draußen.
„Hier bin ich, Hase!“
„Guuut! Wiesel … äh … du musst mitkommen.“
„Darf ich auch?“
Das folgende:
„NEIN!“
kam aus zwei Kehlen und galt wohl der kleinen, nervigen „Pute“. Dann entfernten sich die Schritte auch schon schnell und ein kleiner rotblonder Lockenkopf erschien an dem schmalen Spalt, den Cadice leider zurück gelassen hatte.
„Halloooo?“
Vielleicht hatte sie etwas gehört oder sie wollte nur nachsehen, wo Biene geschlafen hatte, auf jeden Fall war es das kleine runde Gesicht, des Mädchens, von dem Rabe sicher war, es auch schon am Abend in lauschender Position gesehen zu haben. Dieses Kind war definitiv viel zu neugierig und naseweis! Als sie einen Fuß von ihm entdeckte, besaß sie natürlich nicht den Anstand draußen zu bleiben, sondern marschierte schnurstracks auf Roacs Bett zu und setzte sich an seine Seite.
„Hallo, wer bist du?“
Ihre Sprache war noch nicht ganz sicher, aber sie gab sich große Mühe. Sie mochte vielleicht vier oder fünf Jahre zählen.
„Ich bin Pute, ich weiß dooofer Name aber Elster war schon vergeben, deshalb hab ich Pute ausgesucht, weil die so schöne Federn haben! Ich will auch mal schöne Federn haben, weist du?! Also schöne Kleider! So ein rotes, oder grünes. Das passt zu meinen Haaren passen, die Farbe, weist du?! Oder Blau! Vielleicht auch gelb?! ...“
Plappernd fuhr sie fort neben dem gerade so unter seiner Decke verborgenen Raben die Vorzüge der einen oder anderen Farbe zu loben und wie sie am besten an ihr aussehen würden. Vielleicht war es seine anfänglich ruhige (geschockte?) Art, oder dass er ihr so gut zuhörte (Fassungslosigkeit?), oder die Tatsache, dass er sich nicht nackt vor einem kleinen Mädchen zeigen wollte, aber es dauerte einen Moment, bis er seine Sprache wieder fand. Jedoch nutzte ihm auch das nichts, da dieses Kind irgendwo versteckte Kiemen besitzen musste, denn sie holte nicht einmal Luft. Sie sprach tatsächlich auch beim Einatmen! Die ganze Situation hätte kaum peinlicher werden können, oder? Doch! In einiger Entfernung rief jemand nach ihr, eine weibliche Stimme, doch anstatt aufzustehen und zu ihrer Mutter zu eilen, rief die kleine „dumme“ Pute nur:
„Ich bin hier, Mama!“
und erzählte weiter von den Wolken, die sie an die Decke über ihr Bett malen wollte. Zwei Herzschläge, deren Puls Rabe sicher bis in den Hals fühlen konnte, stand eine junge Frau im Eingang und sah ihr entflohenes Geflügel missmutig an. Dann entdeckte sie Roac und ihr Kopf färbte sich zunehmend in der eben von Pute beschrieben Farbe der Sonne, wenn sie abends oder wahlweise morgens so schön auf oder unter ging. Einen kurzen Moment lang wusste sie wohl nicht, ob sie wütend auf den Mann sein sollte, der da unter der Decke mit blanken Füßen lag und ihr armes, kleines Mädchen anstarrte, oder auf ihr kleines Mädchen, dass den armen Mann anstarrte. Doch dann entschied sie, dass die Situation so oder so untragbar war und schnappte sich ihr Kind um es am Arm hinaus zu ziehen, während die kleine Pute kräftig mit dem anderen Arm zum Abschied wedelte, als sei es ein Flügel und sie würde gleich abheben.
Wo waren die Schatten, wenn man sich mal in ihnen verstecken wollte?
Ja, das Zusammenleben mit mehren Menschen hatte so seine Schattenseiten. In einiger Entfernung hörte Roac dann die aufgebrachte Mutter leise schimpfen:
„Was hab ich dir gesagt?! Ein geschlossener Vorhang heist, dass du nicht rein gehen darfst!“
„Aber er war doch gar nicht ganz zu, Mama!“
„Und was hab ich dir gesagt, wenn jemand im Raum ist und der der Vorhang nicht ganz zu ist?“
„Dann soll ich Hallo sagen und … oh … Ich soll warten, bis man mich herein ruft.“
, klang es zerknirscht und deutlich leiser.
„Genau ...“
Das Schnaufen der Mutter war bis zu Roac zu hören, dann entfernten sich auch ihre Schritte und es wurde ruhig im Gang. Dafür meldete sich langsam Rabes Magen. Hatte er für heute Pläne?
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Montag 31. August 2015, 21:55

Innerhalb nur kürzester Zeit hatten Lust und Verlangen jegliche Gedanken an den seltsamen Traum verdrängt. Roac, der sich anfangs nur das Ziel gesetzt hatte die schlafende Cadice zu wecken, machte sich schnell einen Spaß daraus seine Bettgefährtin leise nach Luft japsen zu lassen. Selbst in seiner Hochzeit als Dieb, in der er seine Partnerinnen gewechselt hatte wie manch anderer Mann seine Kleider, hatte er sich nur selten zu solchen Spielereien hinreißen lassen. Dennoch erfüllte es ihn unweigerlich mit einer simplen aber intensiven Genugtuung als sich Cadice mit einem tiefen Seufzen ein letztes Mal aufbäumte um danach matt zurück ins Stroh zu sinken.
„Dankeschön.“
Sie konnte das leise Grinsen auf seinem Gesicht nicht sehen, als er sich neben sie legte und die Arme um ihre Seite schlang.
Bitteschön... ich schätze manche Sachen verlernt man nicht, selbst wenn man drei Jahre in einem Laden eingesperrt ist...
Er ließ sie geduldig wieder zu Atem kommen während sich die Vorfreude in im aufstaute. Hier unten waren sie ungestört und hatten alle Zeit der Welt...
*Patsch, Patsch, Patsch, Patsch*
„Hast du Wiesel gesehen?“
„Nein.“
„Und du?“
„Nein, auch nicht. Was ist denn?“
„Ich such ihn halt! Musst nicht alles wissen!“
Irgendwie kam ihm eine der jugendlichen Stimmen bekannt vor.
„Wenn ich suchen helfen soll, dann sags doch!“
„Du nervst!“
„Bäääh!“
„Hast du Biene gesehen?“
„Ja.“
„Und wo ist sie?“
„Sag ich nicht!“

Die plötzlich vom Gang aus kommenden Geräusche ließen Roac entnervt aufstöhnen. Stumm sandte er ein Stoßgebet zu Manthala, sie möge die beiden Fratzen da draußen vertreiben. Fort, weg, egal wohin nur Hauptsache sie konnten sie beide hier nicht stören. Als Cadice auf ihren Spitznahmen hin Anstalten machte aufzustehen griff er nach ihrer Schulter.
"Komm schon, die spielen doch nur verstecken. Die werden schon von alleine wieder abziehen..."
Doch sie schüttelte ihn ab, sichtlich amüsiert von den mittlerweile lauter werdendem Wortgefecht der beiden Halbstarken vor dem Vorhang. Roac konnte noch einen wehmütigen Blick auf ihre nackte Kehrseite werfen, dann war sie schon wieder in ihrem Kleid verpackt und unerreichbar für ihn. Im Vorbeigehen zog sie ihm die herabgefallene Decke über den Körper um seine Blöße zu verdecken. Die spitze Beule die sich dabei ganz einsam und allein auf Lendenhöhe bildete schenkte sie keinerlei Beachtung. Schon war sie verschwunden, wortlos und ohne einem Blick zurück ließ sie ihn zurück, der löchrige Vorhang sanft hinter ihr flatternd.
"Hmmmm... da sieht man welchen Unterschied zehn Lysanthemer machen... verdammte Weiber..."
In seinem Stolz gekränkt strich er sich die Haare aus dem Gesicht und lauschte dem Gespräch von draußen. Als er Hase's Namen hörte, wusste er wem die bekannte Stimme gehörte. Der Junge schien wirklich etwas gegen ihn zu haben. Das zerdepperte Geschirr in der Feder konnte Roac ihm ohne weiteres vergeben. Das Fass das ihn ausgeknockt hatte, war hingegen schon nicht so leicht zu vergessen. Wenn Hase aber nun auch damit anfing ihm sein Liebesleben zu vermasseln, würde Roac ihm wortwörtlich das Fell über die langen Ohren ziehen müssen!
„Guuut! Wiesel … äh … du musst mitkommen.“
„Darf ich auch?“
„NEIN!“

Die Absprache schien ein abruptes Ende gefunden zu haben und zwei Stiefelpaare entfernten sich. Roac horchte auf als er den Vorhang rascheln hörte.
"Na, hast du was vergessen? Oder jemanden vielleicht? Soll ich dich schnell noch mal le..."
„Halloooo?“
Sein Spott blieb ihm im Halse stecken als er statt Cadice eine Kinderstimme hörte. Ruckartig setzte er sich auf und verschränkte die Hände über seinen Schoß, dabei verrutschte jedoch auch die Decke. Im letzten Moment konnte er sie mit beiden Ellenbogen noch knapp über seinem Bauchnabel auffangen und festhalten, sodass dem kleinen Mädchen ein nicht besonders kindgerechter Anblick gerade noch erspart werden konnte.
"Was machst du denn hier?!"
Das Mädchen sah ihn mit großen Augen an, machte ansonsten jedoch keine Anzeichen den Vorhang wieder vorzuschieben. Im Gegenteil - ehe Roac etwas dagegen tun konnte, war sie schon auf den Strohsack zugehüpft und hatte es sich neben ihm bequem gemacht. Er schluckte.
"Hallo, wer bist du? Ich bin Pute, ich weiß dooofer Name aber Elster war schon vergeben, deshalb hab ich Pute ausgesucht, weil die so schöne Federn haben! Ich will auch mal schöne Federn haben, weist du?! Also schöne Kleider! So ein rotes, oder grünes. Das passt zu meinen Haaren passen, die Farbe, weist du?! Oder Blau! Vielleicht auch gelb?! ..."
Ein Gelehrter aus Zyranus mit wirrem grauen Haar und ungewöhnlicher Vorliebe für Wollpullover hatte einst eine These veröffentlicht, die ihren Weg selbst bis ins unterdrückte Grandea gefunden hatte. Zeit ist relativ - so die knappe Wortmeldung die bei den wenigen Bewohnern des Außenrings die sich um solcherlei Firlefanz überhaupt scherten, zu Verwirrung geführt hatte. Doch Roac konnte ihm nun vollends beipflichten. Ja, auf einmal machten die nichtssagenden Worte Sinn! Die schönen Momente zwischen Cadice Schenkeln - viel zu kurz! Und nun, gerade in diesem Augenblick schien die Zeit entschieden zu haben still zu stehen und ihn im Unbehagen und der Peinlichkeit der Situation schmoren zu lassen.
Da war das Mädchen, Pute wie sie sich nannte, die ohne Unterbrechung dahin brabbelte und dabei auf dem Strohsack hin und her wippte. Dass sie dabei auf der Decke saß und so mit jeder Bewegung drohte sie Roac vom nackten Leib zu zerren half nicht besonders. Ebenso wenig hilfreich war Roacs bestes Stück, auf dessen Standhaftigkeit der Dieb ansonsten Stolz gewesen wäre, würde es sich nicht entschieden haben auf besagte Standhaftigkeit auch in Anwesenheit eines vielleicht fünfjährigen Mädchens zu beharren! Zu guter letzt drang noch eine Stimme den Gang entlang, ihre Besitzerin - wie konnte es auch anders sein - auf der Suche nach Roacs neuer kleiner Freundin die sogleich antwortete und dadurch die Zeit wieder ins Laufen brachte.
„Ich bin hier, Mama!“
Hilflos musste der Dieb mit ansehen, wie sich der Vorhang ein weiteres Mal beiseite schob und Pute's Mutter den Kopf in den Raum steckte. Das Licht der neu erleuchteten Fackeln reichte aus um die groteske Szenerie so deutlich wie möglich darzustellen. Der Blick der Frau ging von ihrer Tochter zu dem nackten Fremden und wieder zurück. Er konnte sehen, wie es hinter ihrer Stirn zu arbeiten begann. Roac wollte beschwichtigend die Hände heben doch fiel ihm zum Glück noch rechtzeitig ein, dass diese bereits beschäftigt waren seine Lenden zu verdecken. Deshalb verzog er das Gesicht nur zu einer Grimasse, die seine Überforderung mit der Situation wohl am besten wiedergab.
"Sie ist einfach hereingekommen, ich..."
Schon trat die junge Mutter in den Raum und Roac duckte sich in Erwartung einer Salve von Ohrfeigen, Flüchen und hysterischer Hilferufe. Doch es kam nicht dazu. Die Frau schnappte sich ihre Tochter und verschwand so schnell wie sie gekommen war. Ihre Schimpftirade drang selbst dann noch durch den Tunnel, als sich der bedröppelte Dieb langsam aus seiner Starre löste. Vorsichtig spähte er durch einen Spalt im Vorhang auf den Gang hinaus, die Decke immer noch wie eine Toga um den Leib geschlungen. Und schließlich, als er sich versichert hatte dass sich weder Mütter noch Kinder seiner Höhle näherten, zog er den Stoff zurück und begann sich in Windeseile anzuziehen.

Kurze Zeit später machte sich ein äußerst schlecht gelaunter Rabe auf den Weg zur großen Halle. Als er an den anderen Wohnhöhlen vorbeiging rechnete er schon fast damit auf vorwurfsvolle Zeigefinger und keifernde Mütter zu stoßen die ihn als perversen Kinderschänder verurteilten. Doch wahrscheinlicher war es, dass der Zwischenfall mit Pute nicht der erste dieser Art war. Wie Hase schien das Mädchen ein Händchen dafür zu haben andere in Schwierigkeiten zu bringen. Wahrlich, wenn es hier unten noch mehr davon gab schien der Gedanke an eine Entführung durch das dunkle Volk garnicht mehr so furchteinflößend...
Roac hielt in Gedanken inne und blieb stehen als er die Abzweigung nahe des Neulingstraktes erreicht hatte. Durch den linken Korridor war er gestern Nacht mit Cadice gekommen, er führte zum alten Thronsaal wo sie zu Abend gegessen hatten. Instinktiv hatte er sich dorthin aufgemacht, in Erwartung auf Adler, Luchs oder sonst jemanden zu treffen der ihm sagen würde wie sein heutiger Tag verlaufen würde. Er rechnete fest damit das ihm heute in irgendeiner Art und Weise eine Aufgabe für die Gemeinschaft zugewiesen wurde, zumindest war gestern davon die Rede gewesen. Roac hatte nichts dagegen, im Gegenteil. Ein wenig Arbeit würde ihm helfen auf andere Gedanken zu kommen und seinen Laden, Lares und die Dunkelelfen mit ihren Machenschaften zumindest eine Zeit lang zu vergessen.
Doch ein Teil von ihm schien beim Anblick der Abzweigung spontan einen anderen Entschluss gefasst zu haben. Es war seine lang totgeglaubte jugendliche und rebellische Seite die ihn aufforderte alle Bedenken über Bord zu werfen. Hier war er, mehrere hundert Fuß unter der Stadt an einem Ort um den sich Legenden rankten. Adler hatte es selbst gesagt, der Zunftgarten war riesig und voller Geheimnisse. Roacs altes Selbst hätte es ihm nie verziehen, wenn er die Gelegenheit nicht nutzen würde einige dieser Geheimnisse zu erkunden.
Der Dieb trat zögernd an den Tunneleingang nachdem er schnell einen Blick über die Schulter geworfen hatte. Der Gang führte hinab in die Tiefe und verlief in einer Spirale, sodass das Ende nicht zu sehen war. Er konnte nach der nächsten Biegung schon in einer Sackgasse verlaufen... oder sich genau so gut bis in alle Ewigkeit in den Fels bohren.
"Mir hat keiner gesagt bei wem oder wann ich mich melden soll... wenn mich wer erwischt sag ich einfach ich hab mich verlaufen... wäre hier unten ja auch kein Wunder..."
Er dauerte nicht lange, bis ihn die Neugier endgültig überzeugt hatte. Teils half auch der Ärger über Cadice abruptes Verschwinden der ihn anstiftete sich auf diese kleine Erkundungstour einzulassen. Als er schließlich vorsichtig die steinerne Treppe herabstapfte war ihm bereits egal, was die alten Greise davon halten würde. Roac fühlte schnell wie sich ein altbekanntes Kribbeln in seinem ganzen Körper breit machte und seine Nackenhaare aufstellte. Selbst wenn es sich um eine längst verlassene Besenkammer handelte - im Moment fühlte es sich so an als würde er wieder in ein Herrenhaus des Innenrings einbrechen...

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 3. September 2015, 17:50

Hier war er, mehrere hundert Fuß unter der Stadt an einem Ort um den sich Legenden rankten. Adler hatte es selbst gesagt, der Zunftgarten war riesig und voller Geheimnisse. Roacs altes Selbst hätte es ihm nie verziehen, wenn er die Gelegenheit nicht nutzen würde einige dieser Geheimnisse zu erkunden. Es war seine lang totgeglaubte jugendliche und rebellische Seite die ihn aufforderte alle Bedenken über Bord zu werfen. Der Dieb trat zögernd an den Tunneleingang nachdem er schnell einen Blick über die Schulter geworfen hatte. Niemand war ihm gefolgt, niemand hinter ihm zu sehen. Der Gang vor ihm führte hinab in die Tiefe und verlief in einer Spirale, sodass das Ende nicht zu sehen war. Roac hörte sich selbst sagen:
"Mir hat keiner gesagt bei wem oder wann ich mich melden soll... wenn mich wer erwischt sag ich einfach ich hab mich verlaufen... wäre hier unten ja auch kein Wunder..."
Als er schließlich vorsichtig die steinerne Treppe herabstapfte, fühlte er schnell wie sich ein altbekanntes Kribbeln in seinem ganzen Körper breit machte und seine Nackenhaare aufstellte. Es war die Erregung vor dem Unbekannten, die ihn voran trieb. Selbst wenn es sich um eine längst verlassene Besenkammer handelte - im Moment fühlte es sich so an als würde er wieder in ein Herrenhaus des Innenrings einbrechen und schon lange hatte er sich nicht mehr so lebendig gefühlt!

Das Kribbeln in seinem Nacken wurde mit jeder dieser langen Stufen stärker und nach der nächsten Biegung fand er sich an vor einer Gittertür wieder. Sie stand halboffen und dahinter war ein nur wenig breiterer Raum zu sehen, der trotz seiner geringen Größe nicht minder beindruckend war, wie manch anderes Ding hier unten. Trat man durch die Tür und ließ so die das letzte Licht hinter sich, dass in Form einer kleinen Öllampe am Eingang an drei dünnen Ketten hing, sah man zu beiden Seiten wundersam bearbteite Säulen, die selbst aus Stein, von steinernen Rosen umrankt wurden. Die Übergänge zum Boden und zur Decke ließen die Vermutung aufkommen, dass sie einst mit einander verbundene Stalagmieten waren. Dahinter lagen in den Schatten verborgen jeweils zwei schmale Schränke auf jeder Seite, insgesammt dann vier und zwischen ihnen jeh eine kleine Bank. Auf der linken Seite fand Roac dort ein paar Schuhe stehen. Sie waren etwas kleiner als seine Füße und aus weichem Leder. Gut gearbeitete "Schleicher", die sie Lares einst wohl betietelt hätte. Die Schränke rechts waren eben so schwarz wie das Holz der Bänke. Die Schränke links waren irgendwie leicht rötlich, als seien sie noch jünger und einer, der dem Eingang vorne links ganz nahe war, der war fast mahagonifarbend, wenn gleich die Lazur die Maserung fast ganz geschwärzt hatte. Das Holz war erst 37 Sommer alt, glaubte man dem eingebrannten Stempel seines Erbauers. Roac kannte sich mit so was aus, denn er verkaufte sonst solche Raritäten. Dieser hier war in einem wirklich guten Zustand und durch seine meisterlichen Feinarbeiten gut 40 Lysanthemer wert. Die Wurzelholz-Intarsien gaben keine spezifischen Formen wieder aber fügten sich harmonisch ins Gesamtkunstwerk. Der nächste Schrank war gut 40 Sommer alt und ursprünglich aus rustikaler, heller Kiefer, doch seine Oberfläche war gebrannt und so hatten sich die natürliche Maserung nur noch verstärkt. Sein Wert lag etwa gleich dem ersten. Der Schrank hinten rechts im Raum war aus Teakholz, was an sich schon sehr dunkel war und bestimmt schon über 100 Jahre alt. Sein Modell, die trotzigen Türen und kurzen Beine, erinnerten an einen Zwerg, wenn er mal einen Besitzer gehabt hatte. Dieses Stück würde Rabe immer als unverkäuflich handeln um hohe Preise zu erzielen. Das letzte Möbelstück, ein schlanker hoher Schrank aus Birke, war geölt und mit Ruß gedunkelt und so glatt, dass sich die einzelne kleine Flamme in seiner Oberfläche spiegelte. Er wirkte nicht nur äußerst verschlossen, er war es auch! … Wie alle anderen auch. Roac sah sich weiter um.
Am Ende des Raumes befand sich eine Tür mit einem Schriftzug aus seltsamen Symboliken darüber. Jedes Zeichen bildete dabei eine andere Form und Bedeutung. Da waren Linien, die zur Seite zerflossen, leere Kreise und kleine im Stein verankerte Edelsteine. Bei genauer Betrachtung waren es wohl Mondsteine.
**Kleide dich in Schatten, wenn du im Licht des Mondes baden willst.**
Die Tür bestand aus geschwärztem Rosenholz, grob geschnitten und robust in die natürliche Wölbung der Wände eingepasst. Sie war geschlossen und nach vorsichtigem Probieren auch verschlossen, was an diesem Ort voller halboffenen Vorhänge schon ungewöhnlich war. Bevor Roac allerdings auf die Idee kommen konnte sein Dietrich zum Einsatz zu bringen, hörte er leise Schritte hinter der Tür und wie jemand wohl einen Schlüssel bereit machte.
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Sonntag 6. September 2015, 17:11

Zugegeben, es war nicht unbedingt der beste Zeitpunkt für eine Erkundungstour auf eigene Faust. Es war keinen Tag her seit Roac die Vertrauensprüfung der Alten auf sich genommen hatte und mit erstaunlicher Gastfreundschaft in ihre Gemeinschaft aufgenommen worden war. Als Neuer hatte er sich bestimmt noch zu beweisen und sich weiteren Tests zu unterziehen die seinen Wert und Loyalität zeigen würden. Und wahrlich, in seiner jetzigen Lage tat er gut daran es sich mit ihnen gut zu stellen. Denn ob hier unten oder in der Stadt über ihnen - die Diebesgilde war zurzeit sein einziger Verbündeter und zugleich einzige Chance den Häschern der Dunklen zu entkommen.
Und doch konnte Roac der Versuchung nicht widerstehen. Erst recht nicht als er am Ende der Treppe ankam und die Tür vor sich nur angelehnt vorfand. Wäre sie verschlossen gewesen, hätte er womöglich sogar kehrt gemacht. Doch unversperrt wie sie war, wirkte sie wie eine offene Einladung.
Das raue Eisen streifte kühl über seine Handflächen und das Gittertor schwang leise knarrend auf. Der Raum vor ihm lag im halbdunkel was darauf schließen ließ, dass es sich weder um einen Wohnraum noch einer anderen Art von Gemeinschaftsraum handelte der häufig besucht wurde. In der kunstvollen Bearbeitung des Steins ähnelte er jedoch den anderen Bereichen, die Roac hier unten bereits bestaunen konnte. Wie im Wohntrakt war der Boden und Teile der Wände blank geschliffen, die Decke jedoch größtenteils unberührt. Dadurch entstand eine einzigartige Fusion aus Natur und Steinmetzkunst die zweifellos zu der Magie dieses Ortes beiwirkte.
Roac achtete darauf die Tür hinter sich so zu hinterlassen wie er sie vorgefunden hatte, dann trat er an einen der Schränke und strich mit den Fingern über die blank polierte Oberfläche. Er ahnte welche immense Anstrengung es gekostet haben musste, diese vier hölzernen Riesen hier herunterzubringen. Die meisten Möbel in seinem Laden waren legal gehandelt und dienten dem Zweck den Schein eines seriösen Geschäfts aufrecht zu erhalten. Doch ab und zu kam es vor, dass manche Banden ganze Herrenhäuser auseinander nahmen und stahlen was nicht Niet und Nagelfest war. Es handelte sich meist um die Anwesen niederer Adeliger oder Großhändler, die in der Gunst des Königs gesunken waren. Und bei Manthala, davon gab es reichlich. Meistens wussten die Wachen davon und ließen sich großzügig dafür schmieren. Der Einbruch, der Transport und selbst der Handel geschahen in der Regel in ein und derselben Nacht, danach hieß es jedoch sich bedeckt zu halten... zumindest für die nächsten paar Wochen.
Da sich keine der Schränke öffnen ließ, beließ er es fürs erste dabei und nahm die Tür am Ende des Raums ins Visier. Sie war nicht weniger kunstvoll als die Möbelstücke und zweifellos stabil. Bevor Roac sich dem Schloss widmen konnte, fiel ihm der Schriftzug im Stein darüber ins Auge. Er sah hoch und kniff die Augen zusammen, begriff aber schnell, dass es sich bei den Zeichen nicht um Celcianische Lettern handelte. Waren es womöglich Runen? Unfähig die für ihn verborgene Botschaft zu entziffern konzentrierte er sich stattdessen auf die Edelsteine und schätzte ihren Wert. Bei ihrer Größe und dem Grad der Bearbeitung mussten sie miteinander mehrere Dutzend Drachmen wert sein.
Wäre er an einem anderen Ort, beispielsweise einem Keller im Innenring würde er sich nun daran machen die Steine mit dem Dolch aus ihrer Fassung zu brechen, die Schlösser der Möbel zu knacken und vielleicht noch einen Blick hinter die verschlossene Tür zu wagen. Doch er war hier Gast unter seinesgleichen und hatte versprochen sich an ihre Regeln zu halten. Es war wohl für alle das beste, wenn er sich jetzt zurück auf den Weg zum Thronsaal machte.
Doch diese Erkenntnis kam einen Augenblick zu spät. Etwas regte sich hinter der Tür und schon drang das Geräusch eines klirrenden Schlüsselbunds durch das Rosenholz. Hektisch blickte Roac zurück zur Gittertür. Sie war zu weit weg und selbst wenn er es bis dorthin schaffte ohne gesehen zu werden, würde die Person hinter der Tür seine Schritte auf der Treppe hören. Man würde eins und eins zusammenzählen und den Neuankömmling verdächtigen.
Und wenn er sich einfach stellte? Schließlich hatte er nichts verbotenes getan - zumindest dachte er das. Er hatte nichts gestohlen, streng genommen hatte er nicht einmal die Gittertür geöffnet. Ein bisschen Neugier würde man ihm doch nachsehen... oder?
Doch bevor sein Kopf zu einem Schluss kam, reagierten sein Körper instinktiv. Der Schlüssel drehte sich klickend im Schloss als Roac mit einem Hechtsprung unter eine der Bänke rutschte. Er presste sich mit dem Rücken an die kalte Felswand hinter ihm und zog Arme und Beine an, den dunklen Mantel um sich geschlungen wie eine Decke. Wer immer auch auf der anderen Seite der Tür stand, würde ihn im Halbdunkeln hier unten nicht finden. Und wenn doch... dann hätte er sich genau so gut mit dem Dietrich in der Hand erwischen lassen können.

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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Gestalt » Montag 7. September 2015, 19:48

Doch bevor Rabes Kopf zu einem Schluss kam, reagierten sein Körper instinktiv. Der Schlüssel drehte sich klickend im Schloss als Roac mit einem Hechtsprung unter eine der Bänke rutschte. Er presste sich mit dem Rücken an die kalte Felswand hinter ihm und zog Arme und Beine an, den dunklen Mantel um sich geschlungen wie eine Decke. Wie ein Kind, dass sich unter dem Bett versteckte, kauerte er in der winzigen Nische und beobachtete konzentriert seine Umgebung. Der Blickwinkel, war nun auf die Seite gelegt und deutlich eingeschränkt, aber er konnte wenigstens ein gutes Stück über den flachen Boden schauen und bis zu den Schlössern der gegenüber liegenden Schränke hinauf. Wenn die Person, die da kam, sich ihm gegenüber setzen würde, wäre die Chance groß, entdeckt zu werden, aber Roac hatte geistesgegenwärtig die Seite gewählt, wo auch die Schuhe standen. Das erstaunlich leise Klacken der Entriegelung verriet ihm, dass die Tür nun offen war. Zu beiden Seiten begrenzten die Sockel der Säulen noch sein Sichtfeld, aber das wenige was er sah, war trotzdem recht aufschlussreich. Als erstes hörte er **Nichts** außer dem leisen Klirren der Schlüssel, was an sich schon etwas ungewöhnlich war, denn eigentlich hätte die Tür beim Öffnen wenigstens ein schabendes Geräusch von sich geben müssen. Erneutes Klirren beim Abschließen, dann blinzelte er zwei mal, doch er sah richtig. Schatten flossen von der verborgenen Tür aus in den Raum, Schatten so plastisch und so bewegt, dass sie wie ein eigenständiges Lebewesen anmuteten. Wie schwarzes Wasser, dass jeder Gesetzmäßigkeit trotzt, rann es mal hier mal da lang, über die Füße der Säulen hinauf und hinunter und wallte den Gang entlang. Sie verdunkelten den Raum und sogen das wenige Licht in sich auf, das noch vorhanden war. Er konnte kurz fast nichts mehr sehen. Sie flossen auch in seine Richtung und für einen kurzen Moment musste er befürchten, dass sie auch ihn berühren würden. Sie waren überall, vielleicht schon auf ihm, doch er durfte sich auf keinen Fall bewegen. Einzig seine Augäpfel huschen hektisch umher. Wie Finger tasteten sie über den Boden, bis sie plötzlich ihre Richtung änderten und rückwärts flossen, was fast noch seltsamer aussah. Wenigstens wurde das Licht nun wieder etwas intensiver. Inmitten dieses Schauspiels, in dem Roac versuchte so gleichmäßig wie nur möglich zu atmen, damit er keine Geräusche machte, tauchte dann ein schlankes Bein auf. Die schwarzen Schatten hatten die nackte Haut vollkommen überzogen. Schwarz wie die Nacht, wie in matten Samt gehüllt, reichte Roac Blick vom Boden bis kurz über das Knie. Blanke Füße schritten durch den schwarzen Nebel, der sich mit jeder Bewegung mehr in diesen Körper zurück zog. Sie kamen auf ihn zu. Finsterste Haut spannte sich über elegante Fesseln und straffe Waden hinauf. Die Schatten zogen sich weiter zurück und als das doch höchst wahrscheinlich weibliche Wesen, der Beine nach zu urteilen, direkt vor seinem Versteck stand, flossen sie den Körper hinauf und gaben damit dann auch eine normal gefärbte, natürlich leicht gebräunte Haut frei. Es war als würde man die Zeit rückwärts betrachten und dabei zusehen, wie jemand mit etwas wie flüchtigem Teer übergossen worden war, nur eben anders herum.Winzige Tröpfchen wie von Nebel glitzerten in der Dunkelheit auf der belebten Oberfläche. Im gleichen Maße wie die Dunkelheit verschwand, so kehrten auch die natürlichen Geräusche wieder. Roac hörte ein leises Schlucken, gefolgt von einem kurzen tonlosen Räuspern, dann nahm die Person auf der Bank über ihm Platz. Ein leichter, feuchter Geruch sickerte in Rabes Versteck, ein Duft nach … Rosen? Filigrane Finger mit kurzen runden Nägeln griffen nach den Schuhen und zogen sie sich an, dann stand sie wieder auf und entfernten sich. Der Schlüssel klirrte deutlich lauter, als der Schrank rechts von ihm geöffnet wurde. Es war der jüngste in der Reihe der Möbelstücke. Roac konnte aus seine Position den Stoff eines dunkelbraunen Rocks, oder einer Robe fallen sehen, etwas raschelte noch kurz, dann ging die Person auch schon aus dem Vorzimmer. Die Gittertür knarrte leise, aber wurde nicht geschlossen. Anscheinend hatte man ihn nicht entdeckt.
Erst als Rabe sicher war, dass die Person verschwunden war kroch er aus seinem Versteck und rieb die steifen Glieder. Solche hastig ausgeführten Aktionen waren nichts für sein Bein. Es kribbelte ein wenig, aber es war auszuhalten. Nachdem er sich streckte hatte und in den Mittelgang getreten war, viel ihm die nasse Spur auf dem Boden auf. Er folgte ihr zu ihrem Ursprung und auf halber Strecke zu der verschlossenen Tür mit der fremdartigen Schrift blieben seine Augen an etwas hängen. Mit jetzt schon langsam verdunstendem Wasser stand da auf den Boden geschrieben:
**Zu früh!**
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Re: Erwachen zwischen Schatten

Beitrag von Roac » Dienstag 22. September 2015, 13:06

Es war so schnell vorbei wie es begonnen hatte. Das Schauspiel vor Roacs Augen wirkte wie die Ausgeburt seiner Fantasie, ein weiterer Traum der ihn sogleich aus dem Schlaf reißen würde. Doch dergleichen geschah nicht.
Stattdessen wurde der Dieb Zeuge eines ihm unerklärlichen Spiels aus Schatten und Dunkelheit die sich wie zahme Schlangen um die Haut der Unbekannten schlängelten. Die Schwärze durchdrang den Raum, besiegte das schwache Licht und legte alles in einen feinen Schleier der Undurchdringlichkeit. Dieser raubte nicht nur die Sicht sondern schien stark genug zu sein gar sämtliche Sinne zu benebeln. Als die Schatten schließlich in seine Richtung flossen, fürchtete er schon sie würden ihn verschlingen so wie sie es mit den Säulen, den Wänden und der Decke getan hatten. Und vielleicht taten sie das auch, denn für einen kurzen Moment wurde ihm vollkommen schwarz vor Augen. Dann zog sich die Dunkelheit zurück, waberte den Boden entlang zu ihrem Ursprung hin - und verschwand.
Die Fremde setzte sich auf die Bank und tastete nach den Schuhen nicht wenige Zentimeter vor Roacs Nase. War sie ein Trugbild, eine Illusion oder Wirklichkeit? Fast hätte er nach ihrer Hand gegriffen um sich Gewissheit zu verschaffen. Doch er hielt sich gerade noch zurück, sein Herzschlag ein wahrer Trommelwirbel. Diese Art die Schatten zu zähmen, die Dunkelheit zu kontrollieren, mit ihr zu spielen...
Als sie aufstand war er unfähig sich zu bewegen. Statt einen Blick auf ihre Gestalt zu erhaschen lauschte Roac nur ihren Schritten und dem leisen Knarzen der Gittertür. Minutenlang lag er regungslos in seinem Versteck. Dann erwachte er allmählich aus seiner Erstarrung. Er kroch unter der Bank hervor, sein linkes Knie meldete sich sogleich mit einem bösartigem Stechen. Der Dieb merkte es nicht einmal. Er hatte nur Augen für die Botschaft, am Boden die die Unbekannte hinterlassen hatte. Sie war an ihn gerichtet - daran hatte er keine Sekunde lang Zweifel.

Der Tunnel zum Thronsaal war immer noch leer als Roac aus dem schmalen Seitenabgang hervorlugte, schnell einigen Abstand zwischen sich und der Treppe zurücklegte und dann in einen leichten Trab verfiel. Das Geräusch seiner ungleichen Schritte hallte von der Felswand wieder und begleitete ihn den gesamten restlichen Weg zur Halle. Vereinzelt begegnete er anderen Gildenmitgliedern die das selbe Ziel hatten. Er nickte ihnen stets höflich zu und verlangsamte seinen Gang, sodass sie an ihm vorbeizogen und er ungestört seinen Gedanken nachsinnen konnte.
Magie. Es gab keine andere Erklärung für das, was er gerade eben gesehen hatte. Was sonst konnte es sein? Magie schien die Antwort für alles Unerklärliche in dieser Welt zu sein, eine für das einfache Volk unbegreifliche Macht - zumindest in den Straßen Grandeas. Wer hier auch nur den Verdacht erregte magische Fähigkeiten zu entwickeln, lief Gefahr die Aufmerksamkeit der Krone auf sich zu ziehen. Und war dies einmal so weit, verschwand man schnell hinter den hohen Mauern des Innenrings. Die glorreiche Armee des Königs benötigte neben einfachen Soldaten schließlich auch fähige Kampfmagier.
Von daher machte es nur Sinn, dass hier an diesem Ort an dem Kriminelle, Fremdrassige und sonstige Ausgestoßene Zuflucht finden konnten auch Magie aufblühte. Mehr noch - es passte zu den wilden Erzählungen die über den Zunftgarten kursierten. Wenn auch nur ein Bruchteil der Diebe hier ähnliche Fähigkeiten besaß, konnten sie als organisierte Gruppe wahre Wunder bewirken! Doch noch etwas ließ den Dieb beim Gedanken an die wandernden Schatten von vorhin nicht ruhen. Nicht weil sie ihn einen Schrecken eingejagt hatten. Da war noch etwas anderes gewesen, ein Gefühl das er kannte. Es hatte in der Luft gelegen. Wie ein vertrauter Laut oder Geruch... und doch war es keins von beiden gewesen.
War dies womöglich jene Gabe, mit der Lares ihn einst konfrontiert hatte? Von der er geglaubt hatte, dass auch er, Roac, sie besaß? Der Dieb runzelte die Stirn, was für Außenstehende in diesem Moment wohl ein gar merkwürdiges Bild liefern würde. Es stimmte. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Zwischenfälle gegeben, die er sich nicht erklären konnte. Wachen die trotz klarem Sichtfeld an ihm vorbeigelaufen waren. Hausbewohner, die ihn direkt angesehen und dann den Blick abgewendet hatten als wäre er nicht hier. Damals schien es so als würde sein Wille nicht entdeckt zu werden ausreichen, um direkte Konfrontationen zu vermeiden. Es war nicht oft passiert, eigentlich nur in Situationen in denen es drohte brenzlig zu werden. Natürlich hatte Roac sich darüber Gedanken gemacht, doch immer wieder kam er zum selben Schluss; Ein einfacher Bauernjunge wie er konnte doch unmöglich magisches Blut in sich haben. Eher glaubte er an Glück, dass ihn genau an den richtigen Augenblicken vor schlimmeren bewahrt hatte. Und nun, da er diese Magie mit eigenen Augen gesehen hatte, war er umso fester davon überzeugt. Sein "Talent", wie Lares es stets genannt hatte, war wohl kaum mit den Kräften der Fremden zu vergleichen. Schließlich gab es einen Unterschied zwischen der Begabung ungesehen zu bleiben und der Fähigkeit einen ganzen Raum in Schatten versinken zu lassen.
Stattdessen grübelte Roac darüber nach, was die Nachricht vor der verschlossenen Tür zu bedeuten hatte. Wenn die mysteriöse Fremde ihn unter der Bank bemerkt hatte, warum hatte sie ihn dann nicht enttarnt? Stattdessen hinterließ sie ihm eine Botschaft, die mehr Fragen aufwarf als Antworten. Für was war es "zu früh"? Deutete sie etwa an, dass er, wenn die Zeit reif war, selbst durch dieselbe Tür gehen durfte durch die sie gekommen war? Was lag dahinter und was hatte es mit ihrer Roben auf sich? Was war in den anderen Schränken?
Roac war noch immer keinen Deut weiser als der Gang vor ihm endete und er den Thronsaal betrat. Der Dieb blinzelte, dann sah er sich um. Auch wenn es ihm schwer viel, er musste das Geschehene fürs erste beiseite schieben. Es war gut möglich, dass die Fremde den vier Alten über diesen Vorfall bereits berichtet hatte. Und selbst wenn sie es nicht tun würde, so hatte er sich der Gilde immer noch zu beweisen.

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