Das Haus des Piscato

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Das Haus des Piscato

Beitrag von Erzähler » Montag 5. Januar 2009, 11:12

<b>[Pandialo kommt von „Auf ins Fischerdorf“]</b>

Es wäre im Fischerdorf schon stockdunkel, wenn nicht ein paar Bewohner desselbigen aus Solidarität mit späten Ankömmlingen wie ihnen in unregelmäßigen Abständen einige Lampen ausgehängt hätten. Mit Hilfe dieser fanden sie problemlos das Haus des genannten Freundes. Die meisten Fischer und Bauern wohnten in erbärmlichen Hütten aus Holz und Stroh, doch dieses Haus war eines der wenigen hier, zu dessen Bau man auch Steine verwendet hatte. Es war auch größer und besaß einen Hof und etwas, was man mit guten Willen als Stall bezeichnen konnte, obwohl gerade einmal ein Pferd unter dieser gewagten Holzkonstruktion Platz finden würde.
Der Händler fuhr den Wagen in den Hof, kletterte vom Kutschbock und befreite sein Pferd vom Geschirr. Das alte Mädchen lief langsam in den Stall. Man konnte ihren lahmen Bewegungen die Müdigkeit ansehen. Immerhin war sie zwei Tage lang ohne längere Pause gelaufen und musste den Schlaf nachholen.
Akakij ging zur Tür. Ein bronzener Türklopfer hing daran und der Händler klopfte mit diesem mehrmals an der Tür. Diese öffnete sich und heraus trat ein älterer Mann, der etwa fünfzig Jahreszyklen überstanden hatte. Sein Kopf war kahl rasiert und er trug einen dicken, grauen Wollpullover, auf den in liebevoller Kleinstarbeit ein Anker gestickt war, sowie eine blau gefärbte Lederhose. Besonders auffallend waren die kräftigen Armmuskeln.
„Hallo, Piscato.“, grüßte der Händler und hielt ihm die Hand hin. Der Angesprochene grinste, packte diese Hand und tat etwas, was mehr an das Erwürgen einer Schlange anstatt an einen Händedruck erinnerte.
„Ah, Akakij! Schön dich zu sehen!“ Piscato erblickte den Ziegenhybriden hinter dem Händler und stellte fest: „Du hast auch jemanden mitgebracht.“
„Ja, sein Name ist…“
„…unwichtig, ist der zu verkaufen?“
Erst war Akakij verwirrt, doch als er dann empört „Nein.“, sagte, hörte der Fischer gar nicht mehr hin, sondern war schon zu Pandialo getreten und musterte ihn von oben bis unten.

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Re: Das Haus des Piscato

Beitrag von Pandialo » Dienstag 6. Januar 2009, 16:45

Akakij hatte wirklich nicht übertrieben in seiner geäußerten Befürchtung. Pandialo überlegte einen Augenblick, ob es wohl in einigen Teilen Celcias Brauch sei, Reisebegleiter zu verkaufen, ob er vielleicht auch in Wahrheit einem Sklavenhändler auf den Leim gegangen war, aber darauf viel ihm Akakijs Warnung ein. Anscheinend war dieser Piscato einerseits Inhaber einiger seltsamer Ansichten über Wesen, die ihm nicht sonderlich glichen (schließlich hatte er ihn so komisch gemustert), andererseits schien dieser Mann alles sofort auszusprechen, was ihm durch den Kopf ging. Das war eine Eigenschaft, die schon vielen einen früheren Tod beschert hatte, als es nötig gewesen wäre, so war es jedenfalls in vielen Geschichten zu lesen. Piscato schien jedenfalls nicht sonderlich schlau zu sein, weshalb Pandialo ihm seine seltsame Äußerung verzieh. Innerlich bereitete er sich schon einmal auf weitere solcher Erlebnisse für den Rest des Abends vor.

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Re: Das Haus des Piscato

Beitrag von Erzähler » Freitag 9. Januar 2009, 19:56

Akakij atmete auf, da Pandialo es sich nicht zu Herzen zu nehmen schien. Er trat zwei Schritte in ihre Richtung und stand zwischen ihnen. „Er ist keine Handelsware! Ich habe ihn nur vor Pelgar aufgegabelt. Sein Name ist Pandialo. Pandialo, das ist unser werter Freund und Gastgeber in einem, Piscato.“
Nun verstand der Fischer auch seinen Irrtum und seine Unhöflichkeit. Einem normalen Mann hätte es vielleicht die Schamesröte ins Gesicht getrieben, dieser aber klopfte Pandialo auf den Rücken, lachte und meinte: „Aye, entschuldige, da hat der Klabautermann meine Zunge geführt. Aber vergeben und vergessen.“
Währendessen war Akakij schon ins warme Haus getreten und zog seine Stiefel aus. Der Gastgeber drehte sich um und meinte dann: „Gute Idee, Akakij, immer rein in die gute Stube, wenn es draußen so kalt ist. Oder war es der Geruch unseres Abendessens, der dich reingelockt hat? Hat immer eine Nase dafür, wo es was um sonst gibt, der alte Krämer.“ Ein bisschen ironisch, denn der Händler war nicht annähernd so alt wie Piscato. Dieser folgte mit ins Haus und zog Pandialo gleich mit.
Als er die Tür hinter ihnen zuwarf, konnte man schon das Abendessen riechen: Fisch, der köstlich duftend in der Pfanne brutzelte. Das Brutzeln kam aus der Küche, in die der Hausherr gerade reinmarschierte. „Weib! Hau noch ein paar in die Pfanne, wir haben Besuch!“
Im letzten Moment drehte er sich noch einmal um und blickte zu Pandialo. „Du magst doch Fisch, oder? Also, wenn es dir lieber ist, dann kann ich ja noch etwas Heu aus dem Stall holen, es ist deine Entschei…“ Er wurde jäh unterbrochen, als Akakij laut niesen musste. „Gesundheit!“, wünschte Piscato den Händler und jener nickte nur.
„Ich hoffe es.“, murmelte er dabei. Gemeinsam gingen die drei Männer in die Küche. Die Wände des Raums waren voll behängt mit allerlei Krimskram, der mit der Seefahrt und der Fischerei zu tun hatte. Ein zwei Ellen langer Fisch auf einer Holztäfelung, einige mit Nägeln festgenagelte getrocknete Seesterne, ein Steuerrad, sowie ein Gemälde, das ein Schiff in einem Seesturm zeigte, war nur weniges davon.
In der Mitte stand ein Tisch mit vier Stühlen und an der Wand ein Küchenschrank und ein Herd, an dem eine etwas beleibte Frau gerade panierte Fische – im Vergleich zum Prachtexemplar an der der Wand winzig - in eine gusseiserne Pfanne warf. Jene drehte sich um und starrte ungläubig auf Pandialo, wenn auch ihr Blick keineswegs abwertend war.
„Weib! Starr ihn nicht so an, ihm das ist peinlich!“, erklärte Piscato mit dem liebenswerten, groben Ton, der nur in langjährigen Ehen vorkam. Dass er vorhin selbst auch gegafft hatte, schien er vergessen zu haben und außerdem merkte er nicht einmal, wie er gerade die Vormundschaft des Ziegenhybriden übernahm.

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Re: Das Haus des Piscato

Beitrag von Pandialo » Mittwoch 14. Januar 2009, 15:13

War ihm der Fischer zuerst unsympathisch gewesen und hatte er ihn für dumm gehalten, so fand Pandialo ihn jetzt sogar amüsant. Das Zimmer bot so viele neue Anblicke für Pandialo, denn alles, was er an Wasser bisher gekannt hatte, waren ein paar Bäche rund um das Dorf gewesen und ein kleiner Bergsee, in dem die gesamte Bevölkerung Bockenbrücks zu baden pflegte, aber darin lebte nichts, als ein paar Frösche, die Natur allein wusste, wie sie dahin kamen. Fische jedenfalls hatte Pandialo bisher weder gesehen, außer einige Zeichnungen, geschweige denn gegessen. Eigentlich mochte er den Gedanken nicht, andere Lebewesen zu essen, aber nun waren sie schon einmal tot und dazu rochen sie nicht schlecht. Immerhin probieren konnte er es. Und Stroh... naja, ein Gedanke, der für diesen Piscato typisch zu sein schien.
Auch die Einrichtung befand er als sonderbar. Zwar waren die Wände seiner eigenen Hütte auch bemalt - eine gute Freundin, aus deren Händen herrlicher Bilder entsprangen, lag erst einmal ein Pinsel darin, hatte sich daran austoben dürfen - und auch hingen einige Instrumente daran, jedoch nur, um nicht auf dem Boden herumzuliegen und irgendwann auch unter jemandes Huf.
Pandialo war schon reichlich gespannt auf den Fisch, von dem einer nach dem anderen die Pfanne wieder verließ.

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Re: Das Haus des Piscato

Beitrag von Erzähler » Samstag 17. Januar 2009, 21:05

Piscato merkte, dass sich Pandialo für die Inneneinrichtung interessierte. „Ja, ich habe so einiges gesammelt. Das alles ist noch aus der Zeit, als ich noch auf dem Meer war – hier am Ilfar gibt es so etwas nicht, hier gibt’s nur winzige Fische und kleine Fischkutter – und hinter jedem Gegenstand steckt ein ordentliche Stück Geschichte.“
„Und hinter jeder zweiten Geschichte steckt plumpes Seemannsgarn und leere Prahlerei.“, warf seine Frau ein. Er warf ihr dafür einen verärgerten, aber nicht unbedingt bösen Blick zu. Jene lächelte nur und lachte leise, während sie die letzte Ladung Fische wendete. Unterdessen fuhr Piscato fort, indem er auf das Bild im Sturm zeigte:
„Das zum Beispiel ist das alte Walfängerschiff, auf dem ich früher gearbeitet habe. In dem Sturm hat der Wind den alten Klumpfuss vom Deck gefegt und ins Wasser geworfen. Nachdem wir ihn wieder rausgeholt haben und wieder an Land gegangen waren, hat der alte Klumpi, der schon immer ein Händchen für Farben hatte, das Bild gemalt. Es zeigt die Szene aus seiner Sicht, wie er vom Wasser aus unser Schiff gesehen hatte. Und ein halbes Jahr später hat er es an mich beim Kartenspielen verloren. Aye, Klumpi konnte zwar gut malen, aber beim Spielen hat er immer Pech, hahaha!“
Während dieser kleinen Erläuterung hatte die Frau des Fischers schon die letzte Pfanne voller Fische fertig gebraten und den Tisch gedeckt. An jedem Platz lag ein Teller, sowie Messer und Gabel. In der Mitte hatte sie noch einen geschnittenen Laib Brot hingelegt, sowie ein kleines Schüsselchen Salz.
Mit der Pfanne lief sie einmal um den Tisch und verteilte die Fische gerecht auf die vier Teller, bevor sie die Pfanne zurück zum Herd stellte. Akakij saß schon die ganze Zeit über an seinem Platz und hatte sich bei dem Gespräch nicht beteiligt. Er war blass und sah irgendwie nicht gut aus. Das Ehepaar bemerkte das aber scheinbar nicht und nahm ihre Plätze ein. Zu Piscatos Linken saß seine Frau, zu seiner Rechten der Händler. Der Platz gegenüber war noch frei und er deutete den Ziegenhybriden an, sich zu setzen.
Vor dem Essen sprach der Fischer noch ein kurzes Gebet: „Danke Ventha, dass mein Schiff noch schwimmt und mein Tisch gedeckt ist. Ich bitte dich, dass es morgen auch noch so sein wird. Aye, das tue ich.“
Mit diesen Worten eröffnete er die Mahlzeit.

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Re: Das Haus des Piscato

Beitrag von Pandialo » Donnerstag 29. Januar 2009, 19:55

Pandialo probierte den Fisch. Er schmeckte gar nicht schlecht, recht würzig und vor allem füllte es den Magen auf angenehm warme Art. Überhaupt behagte ihm die Wärme der Stube ungemein nach den zwei entbehrungsreichen Tagen in der Kälte. Während er aß, bemerkte er Akakijs Blässe und nahm sich vor, ihn später darauf anzusprechen, aber nicht jetzt vor dem Fischer und seiner Frau, schließlich kannte er ihr Verhältnis nicht genau.
Bald schon lag ihm der Fisch wie ein Stein im Magen. Obwohl er ihm gut schmeckte, vertrug er ihn anscheinend nicht gut, war doch sein Magen nur an Rohkost gewöhnt. Doch um nicht unhöflich zu wirken, verspeiste er auch den letzten Rest des Fisches. Bis auf seinen Bauch fühlte er sich gut und vor allem ausgeruht, schließlich hatte er den Großteil der Fahrt schlafend verbracht. Also überlegte er, was er noch anstellen sollte. Sich vielleicht einmal das Dorf anschauen, mit den Menschen reden und einiges über die Welt in Erfahrung bringen? Vielleicht. Erst einmal wollte er sehen, was seine Gastgeber mit dem Rest des Tages anfingen und ob er in diesen Plänen vorkam.

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Re: Das Haus des Piscato

Beitrag von Erzähler » Sonntag 1. Februar 2009, 15:16

Piscato schaufelte den Fisch richtiggehend in seinen Mund, während seine Frau zwar mit Appetit, aber etwas dezenter aß. Akakij zerteilte seinen Fisch, aber er schien wenig Hunger zu haben und schob die Stücke fast die ganze Zeit über nur auf seinem Teller herum und aß nur sehr wenig. Plötzlich bekam er einen heftigen Hustenanfall.
„Hast wohl nicht auf die Gräten aufgepasst, die kleinen Biester!“, lachte Piscato mit halb vollem Mund wobei ein paar kleine Stückchen aus diesem über den Tisch flogen. Er schlug mehrmals kräftig auf dem Rücken des Händlers und diese grobe Behandlung half tatsächlich: Akakij konnte sich wieder fangen und meinte knapp: „Keine Gräte.“
„Du wirst doch nicht krank?“, meinte Piscatos Frau mitfühlend, während sie mit einer Serviette die ausgespuckten Fischstücke von Tisch aufsammelte.
„Ich hoffe nicht.“, erklärte der Angesprochene, wobei der Ton aber andeutete, dass es stimmte. „Es wäre besser, wenn ich mich heute sehr früh ins Bett lege. Wenn ich morgen meine Waren verkaufe, will ich nicht auf jedes zweite Verkaufsstück niesen.“
Nach dem Essen trug die Frau das Geschirr und das Besteck weg. Währendessen sah Akakij Pandialo mit tränenden Augen an: „Es ist jetzt schon dunkel und die meisten Leute sind schon zu Hause. Am besten wartest du bis morgen, wenn du etwas vom Dorf und den Menschen hier sehen möchtest. Ich bringe dich dann zum Markt, da findest du vermutlich das größte Publikum.“
Nachdem Piscatos Frau den Tisch geräumt hatte, verließ sie das Zimmer. „Sie kümmert sich um das Gämsezimmer.“, erklärte ihr Mann, ohne seinen Fehler zu bemerken. Sein Unterbewusstsein schien immer noch auf die Tatsache fixiert zu sein, dass eine halbe Ziege in seiner Küche saß. „Du bist ein Barde? Kennst du ein paar gute Witze oder bist du eher so ein Instrumenten-Typ?“

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