Das Anwesen der Stadtherrin

In diesem gigantischen Anwesen haust die Nachtelfen-Herrscherin Méntara Tronás. Sie wird von mehreren Dutzend Wächtern bewacht und man sagt, das Anwesen sei magisch abgesichert.
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Das Anwesen der Stadtherrin

Beitrag von Erzähler » Samstag 22. August 2020, 10:27

Sarin kommt von Die Dunkelschenke -> Dunkle Gäste, erhellende Gespräche

Kannte man es nicht noch aus Kindertagen vom Kampf um ein Spielzeug? Kinder ignorierten Spielsachen, die sie nicht interessierten, aber sobald ein anderer kleiner Nachtelf danach griff, wurde die Puppe, der Bauklotz oder die geschnitzte Höhlenspinne plötzlich wertvoll. Dann wollte das Kind sie für sich haben und unter keinen Umständen stand Teilen zur Debatte.
War Sarin zu einem Spielzeug geworden? So wie sie aktuell begehrt und umworben wurde, schien es tatsächlich der Fall zu sein. Selbst Lariel zeigte auf unglaublich unbeholfene Art sein Interesse. Oder kam es Sarin nur so vor und die Männerwelt hatte schon immer Interesse an ihr gehabt, während sie die Avancen ignorierte? Wollte sie zum Spielball werden?
Bei Lariel wäre das nicht der Fall. Er hatte sie stets zuvorkommend und freundlich behandelt. Er würde sie nicht an seiner Seiten haben wollen, um aus ihr eine Vorzeigetrophäe zu machen wie es bei Fürst von Blutsdorn der Fall zu sein schien. Aber das wollte Sarin noch herausfinden, vielleicht konnte die Stadtherrin ihr ja helfen. Wenn nicht ... wie sähe ihr Schicksal aus? An welchen Fäden würde sie ziehen, während andere versuchten, sie einzuwickeln? Dhansair wollte sich ebenfalls in keinen Kokon der Ehe spinnen lassen. Möglicherweise ergab sich hier eine Lösung, bei der Sarin unabhängig und frei bleiben könnte, ohne dass es Konsequenzen für das Reich der Nachtelfen hätte. Ohne, dass sie einem Mann würde ein Kind ohne Liebe gebären müssen, das nicht einmal in ihrer Obhut aufwachsen dürfte. Eine Möglichkeit, die trotz ihrer Verlobung mit dem Blutsdorner Erbprinzen eine Zukunft mit einem anderen offenhielt. Vielleicht mit Lariel.
Sarin ertappte sich dabei, dass sich in ihrem Geist die Sehnsucht nach einer wilden Flucht entwickelte. Durchbrennen mit einem Mann, dessen Herz für sie schlug wie sie es aus nachtelfischen Liebesgeschichten kannte. Dieser Mann war meist nicht angesehen in der Gesellschaft: ein Strauchdieb, ein Verbrecher oder Fassadenkletterer. Ein Spion, der in Ungnade gefallen war. Gedanklich maß Sarin Lariel eine solche Rolle zu, einfach weil er aktuell hier war und so freundlich. So verlegen! Es war nicht abzustreiten, dass er etwas für sie empfand. Sie erinnerte sich doch gewiss noch an das Strahlen in seinen Augen, als er mit einem Abendessen zu zweit gerechnet hatte. Er empfand Zuneigung für sie, aber er hatte nie seine Chance genutzt und nun war es zu spät. Vielleicht wäre einiges anders gelaufen, wenn Sarin die Signale erkannt hätte. Vielleicht...
Sie musste aufhören, so zu denken. All die Grübelei führte zu nichts. Es war zu spät. Sie war dem morgerianischen Prinzen versprochen. Und sie beiden wollten dieses Schicksal nicht haben. Oder etwa doch? Sarin hatte sich schließlich schon damit abgefunden, nein, vorbereitet! Sie war bereit, neue Fäden in einer neuen Welt zu spinnen, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit der Versklavung bestand. Vielleicht konnte sie die Ehe doch eingehen, aber in einem Gespräch mit Dhansair und Iryan sicherstellen, dass sie nicht als Trophäe, Lustsklavin, Gebärmaschine für Dunkelelfen oder Schlimmeres enden würde. Dhansair hatte beim Tanzball Eindruck hinterlassen. Nicht nur, weil er ein guter Tänzer war, sondern er hatte sich ihr gegenüber als höflich, freundlich und sogar seiner Leibwache gegenüber etwas spielerisch gezeigt. Schon damals hatte sie Anzeichen dafür gesehen, dass der Prinz und sein Wächter ein engeres Verhältnis als Dienstherr und Diener besaßen.
Wenn Sarin es ruhig durchdachte, standen ihr nach wie vor mehr Türen offen als die Zukunft ihr weismachen wollte. Leider hing an keiner dieser Türen Lariels Namensschild. Er wusste das. Sarin konnte es in der Nuance unglücklicher Sehnsucht sehen, die Lariels Blick ein wenig überschattete und die Kräuseln in seinen Mundwinkeln schmälerte. Er vermisste sie jetzt schon, setzte sich aber nicht damit auseinander, sie ziehen lassen zu müssen. Stattdessen genoss er die Zeit, die ihnen noch blieb.
Beide mussten nichts von Belang sprechen, solange Sarin ihm nur gewährte, neben ihr herzugehen. Lariel brachte sie zum Palast zurück, denn sie hatten denselben Weg. Sie schlenderten, ließen sich Zeit und obwohl es für die Schneiderin heißen würde, dass sie weniger Schlaf bekäme, fühlte es sich richtig an. Aber irgendwann war auch auf dem längsten Weg der letzte Schritt getan.
Sie erreichen Mentáras Palast. Lariel verließ sie nicht sofort. Er führte sie die dunklen Korridore mit blinder Kenntnis und sicheren Schrittes entlang, bis sie vor der Tür ihrer Schneiderstube standen. Nun war es Zeit, aber er ging noch nicht. Er sah Sarin im Zwielicht einer einzigen Kerze in einer nahen Wandhalterung aber auch nicht an. Stattdessen starrte der Nachtelf auf seine Hände, die er nervös knetete.
Schließlich erhob sich seine Stimme zu einem leisen Raunen. Es reichte aus, den gesamten Gang zu erfüllen, der in der späten Nacht so still da lag. "Da die Zeit knapp wird und Ihr sicher beschäftigt sein werdet, nehme ich an, es könnte der letzte Moment sein, an dem wir uns sehen, werte Sarin Kasani. Deshalb ..." Er atmete durch, straffte seine Schultern dabei. Lariel nahm allen Mut zusammen. Es gelang ihm, zu ihr zu schauen und ihren Blick zu finden. "Ich weiß, dass es angesichts der gesamten Situation mehr als vermessen ist. Es ist unvernünftig. Es ist falsch. Aber es ließe mich den Rest meines Lebens nicht mehr schlafen, wenn ich Euch nun diese Frage nicht stellen würde. Bitte verzeiht mir meine unangemessenen Worte um meines Seelenheils Willen. Würdet ... würdet Ihr mich küssen?"
Manthala entzog ihr jeden Zugang ins Reich der Träume und doch ... war das hier nicht gerade einer? Ein Traum?
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Re: Das Anwesen der Stadtherrin

Beitrag von Sarin Kasani » Samstag 22. August 2020, 12:19

Lariels Worte hingen schwerelos in der Luft. Träumte sie?
Warum?!
Etwas brach...
Warum jetzt?!
Es war ihr Herz, das erst leise knirschend ein Netz aus Rissen bildete und dann in tausend kleine Scherben zerbarst. Sarins Augen füllten sich mit Tränen, die niemals fallen duften und glänzten verräterisch, als sie einmal kräftig die sehnsuchtsvollen Lippen aufeinander presste. Wie sollte sie sprechen, wenn sie diesen Schmerz empfand? Der Schmerz, den ihre Zähne im Fleisch weckte, machte es einfacher. Erst dann konnte sie antworten:
„Wenn ich euch heute Nacht küssen würde, dann müsste ich einen Teil meines Herzens hier lassen... Aber... wenn wir uns jemals wieder sehen sollten oder die Umstände sich ändern sollten... und ihr es dann noch immer wollt, dann dürft ihr mich daran erinnern, dass ihr noch einen Kuss bei mir gut habt.“
Sarin war treu. Treu und loyal! Treuer konnte eine Seele nicht sein und sie wusste, wenn sie Lariel jetzt erlauben würde, SICH SELBST erlauben würde, was er von ihr erbat, dann würde sie nie wieder heilen! Sie ließ ihre Hand von seinem Arm zu seiner Hand gleiten, verschränkte für einen wundersamen Moment ihre Finger in seinen. Es fühlte sie gut an. Der Druck seiner Hände spendete mehr Herzenswärme, als sie in den letzten Jahrzehnten je erfahren hatte.
„Ich danke euch, für diese Worte... für die Hoffnung, die Träume, die sie mir schenken. Ich... ich danke dir, Lariel.“
Damit entzog sie sich ihm und beeilte sich von ihm weg zu kommen.
Ich kann nicht!
Mit schwer schlagendem Herzen zog sie sich schnell hinter die Tür ihrer Schneiderstube zurück. Noch einen Moment länger und ihre Knie hatten sie nicht mehr getragen und sie wäre in seine Arme gefallen, anstatt wie jetzt mit dem Rücken an der Tür hinab zu rutschen.
Und dann brachen alle Dämme!
Lautlos schluchzend vergrub Sarin ihr Gesicht in ihren Händen, kauerte mit angezogenen Knien hinter der Tür und weite den Schmerz hinaus. Es war einfach zu viel. So lange hatte sie geglaubt, eine starke Frau zu sein. Erfahren und sicher in dem was sie tat und nun hatte ausgerechnet ein Freund ihr „ein Bein gestellt“. Sarins Seele war gestolpert und lag am Boden. Ein Herz-zerreißendes Wimmern entwich ihrer Kehle und sie konnte es nicht aufhalten. Es schnürte ihr die Kehle zu, ließ sie nicht atmen. Das Gefühl war zu stark! Ihre Fingernägel krallten sich hilflos nach Halt suchend in das Leder ihre Stiefel. Ihre Stirn war auf ihre Knie gesunken und nichts konnte die Flut der Tränen mehr aufhalten. Atmen tat weh! Ihr Herz tat weh! Einfach da zu sein, tat weh!
...
Wie lange sie weinte? Wer wusste das schon. Irgendwann war da einfach keine Flüssigkeit mehr in ihr. Apathisch wechselte sie die Kleidung, machte sich für das Treffen mit der Stadtherrin fertig und saß dann regungslos auf ihrer Couch.

Sie hatte ihr Kleid mit den ein gestickten Runen darauf gewählt. Wenigstens sollten „Fehu“ und „Gebo“ ihr zur Seite stehen.
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Re: Das Anwesen der Stadtherrin

Beitrag von Erzähler » Samstag 22. August 2020, 17:25

"Ja. Natürlich."
Er lächelte, jedoch nicht wie sonst. Während Sarin den eigene Herzensbruch schmerzlich in der Brust spüren und als Klirren in ihrem Gehörgang ausmachen konnte, so sah sie es in Lariels Antlitz. Er lächelte, doch erreichte es nicht seine Augen. Was dort schimmerte waren die Splitter seines eigenen Herzens und die bittere Erkenntnis, den falschen, aber einzig letzten Zeitpunkt gewählt zu haben. Warum habe ich so lange geschwiegen? Warum hatte ich nicht früher den Mut? Jahre früher? Die Fragen rieselten durch seine Iris, zusammen mit den Scherben und sie landeten als feucht glitzernde Haufen in seinen Augenwinkeln, die immer größer wurden. Wenn sie überschwappten, würde sich sein eigener Schmerz Bahnen über seine Wangen brechen.
Sarin hatte diesen Mann niemals zuvor so unglücklich und verzweifelt gesehen. In der Hoffnung, ihm die Enttäuschung nicht zu groß zu gestalten und sein Herz - oder ihres? - zu beruhigen, sprach sie ihm ihren Dank aus und flüchtete in die Stube ihrer kleinen Schneiderei. Lariel blieb jenseits der geschlossenen Tür zurück. Er lächelte immer noch, spürte aber die feuchten Tränenbahnen in seinem Gesicht.
"Das war dumm von dir", murmelte er vor sich her, ehe er sich die Hand vor den Mund schlug. Zum ersten Mal in seinem Leben führten seine Beine ihn nicht beschwingt den Korridor entlang.
Auf der anderen Seite der Tür kauerte Sarin sich zu einem kleinen Haufen Elend zusammen. Die Tränen brannten auf ihrer Haut, als seien sie reinstes Sonnenlicht. Sie brannten in ihren Augen, sie brannten in ihrem Herzen. Sie weinte und weinte. Sie weinte sich zum einzig sicheren Ort für ihre Seele.

Sarin träumt. Der Unterschied zum Wachsain besteht nur im Rahmen ihrer Sinneswahrnehmung. Statt des Brennens ihrer eigenen Tränen und ihres Herzschmerzes bleibt nur Stille. Gesegnete Stille. Sie kann sich für den Moment auf andere Dinge besinnen, beispielsweise wie schön der Mond in ihre Schneiderstube scheint, obgleich sie weder ein Dachtfenster besitzt, noch direkt unter dem Himmel lebt. Er scheint, groß und bleich. Er verurteilt ihr Schicksal nicht, weder die guten noch die schlechten Entscheidungen. Er ist einfach nur schön und immer für sie da.
Sie hört den Ruf einer Eule, spürt den weichen Flaum ihrer Feder auf der Haut, als sich die stille Jägerin mit einem sanften Flügelschlag an ihr vorbei bewegt, um neben ihr auf der Schulter der Schneiderpuppe zu landen. Sie sieht im Mondlicht ihr Kleid. Nicht der neue Entwurf, den sie für den Erbprinzen tragen soll. Es ist das verfluchte Brautkleid, nur ein wenig verändert. Es trägt Manthalas Zeichen in Form eingestickter weißer Rosenkelche am unteren Saum, wo sie das Kleid um eine Bahn Tüll oder Seide erweitert hat. Durch den Stoff des Kleides schimmert zusätzlich eigens geschneiderte Spitzenunterwäsche. Reizvoll wird sie ihren Schoß für den Prinzen einpacken, um in der Hochzeitsnacht gelöst zu werden, damit sie ihn empfangen kann. Und bis dahin sieht sie die Rune Eiwaz hell aufleuchten.

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Über dem Brautkeid hängen silberne Fäden vom Dachgebälk herab. Sie bewegen sich trotz der vorherrschenden Stille. Sie tanzen, geführt von einer silbernen Spinne, deren Beine sie langsam zu einem Netz verwebt. Der Tanz überträgt sich auf die Staubpartikel im Raum, welche man im Schein des Mondlichts entdecken kann. Im roten Mondenschein. Sie formen und verdichten sich. Sie zeigen die schlanke Figur eines Elfen. Grazil bewegt er sich um ihr Brautkleid, umtanzt und umwirbt es. Er greift nach einem der Ärmel, bis eine zweite elfische Schattengestalt durch eine einfache Geste in Sarins Richtung zeigt. Der Staubelf wendet sich Sarin zu, verneigt sich vor ihr und streckt ihr eine Hand entgegen.
Plötzlich zerfällt alles. Der Mondschein schmilzt, hinterlässt keinen schönen Schimmer mehr. Sarin sieht Blut. Es tropft von der Decke! Es tropft auf ihr Kleid. Es zerstört die Rune und hinterlässt einen Fleck in ihrem Schoß. Sie hört ein Grunzen, ein Stöhnen. Männerstöhnen. Er strengt sich an und in den blutigen Schatten sieht sie einen beleibten Körper, der immer wieder gegen zwei weit auseinander gespreizte, schlanke Beine rammt. Sie hört jemanden schluchzen und weinen. Sie hört sich selbst.


Sarin weinte noch immer, als sie aus dem Traum erwacht. Einzig ihr Körper konnte keine salzigen Tränen mehr aufbringen, um ihr Schluchzen zu unterstützen. Stattdessen schmerzen Rücken, Nacken und Beine von der unbequemen Haltung, in der sie wohl länger als nur einige Minuten verbracht hatte. Wie lange mochte sie geschlafen haben? Ihre Schneiderstube lag im Dunkeln da, aber auch nur, weil sie keine Kerzen oder Laternen entzündet hatte, als sie hier herein geflüchtet war.
Lediglich an ihrem Hintern vorbei, unter der Türritze hindurch, drang ein von ihrem Körper unterbrochener Streifen Licht. Wenn der Korridor vor ihrer Stube erhellt worden war, hieß das, dass zumindest der Morgen im Reich der Nachtelfen angebrochen war. Warum also hatte noch niemand ihrer Helfer versucht, in die Schneiderei zu kommen? Weil sie nun für Meister Londro unterwegs waren. Er hatte sich all ihrer Gehilfen und Assistenten angenommen, damit Sarin in Frieden an ihrem Brautkleid arbeiten könnte.
Und warum hatte Lariel sie noch nicht abgeholt, um Mentára aufzusuchen?
Lariel.
Darum.
Sarin konnte heute nicht auf ihn zurückgreifen, vielleicht nie wieder. Es war kein leichter Abend für ihn gewesen, ebenso wenig wie für sie. Aber sie musste sich nun zusammenreißen, sie hatte einen Termin. So machte sie sich etwas frisch. Die Bewegung tat ihr gut, auch wenn jeder Knochen in ihrem Leib anfangs rebellisch vor Schmerz aufschrie. Sie zwang sich, ihr Äußeres auf Vordermann zu bringen und sich umzuziehen. Danach saß sie auf dem Sofa und wartete. Nichts geschah. Lariel würde wirklich nicht kommen, um sie abzuholen. Auch kein anderer Diener erschien. Sie musste selbst gehen, durch die Korridore bis zum Audienzsaal der Stadtherrin Tronás, denn dort empfing sie jeden, der mit ihr ein Gespräch führen wollte. Sarin machte als Schneiderin des Hauses keinen Unterschied.

Vor den eher schlicht gehaltenen, dafür aus massivem Holz gefertigten Flügeltüren zum Audienzsaal warteten wie üblich zwei Diener der Stadtherrin. Einer war eine Wache und darin ausgebildet, bei Gefahr sofort einzuschreiten. Der andere kündigte Sarin durch ein Klopfen gegen das Holz an, ehe er ihr die Tür öffnete. Sie konnte den Saal betreten.
Sie kannte ihn und mochte ihn eigentlich. Mentára Tronás liebte es, sich selbst etwas zur Schau zu stellen und dieser Saal untermauerte das. Man glaubte weniger, es mit einer Stadtherrin zu tun zu haben, die das Reich der Nachtelfen nur verwaltete. Vielmehr entstand der Eindruck, man sucher eine Königin auf, weil in dem hohen steinernen Saal nichts stand als jeweils eine Sitzbank zwischen den insgesamt sechs Steinsäulen zu beiden Seiten der Wände. Wie eine symmetrische Allee führten sie den eintretenden Bittsteller auf das steinerne Thronpodet an der gegenüber liegenden Raumwand herüber. Dort stand der steinerne Thron für den Stadtherren oder die Stadtherrin, welche sich aktuell im Amt befand. Er war so schlicht wie der Saal selbst und das setzte ihn dadurch besonders in Szene. Vor dem Thronpodest fand sich der Platz für den Bittsteller. Mentára ließ dort entweder eine Art Rednerpult aufstellen oder eine spezielle Bank, wo man auf die Knie niedersinken und die Hände auf einer Lehne vor sich abstützen zu hatte. Heute stand dort einzig und allein ein Stuhl. Sie wusste, das Sarin kommen sollte.
Mentára saß auf dem Thron. Sie als einzige kein bisschen schlicht gehalten. So stach sie aus dem Hintergrund des Raumes direkt hervor. Sie trug eines von Sarins Kleidern. Lang und schön legte sich der silberne Stoff eng an ihre Haut und nur ein Seitenschlitz im Kleid half ihr, die Beine überhaupt übereinander schlagen zu können. Bei jeder Bewegung schimmerte der Stoff wie flüssiges Silber. Darüber legte sich der feine, schwarze Seidenstoff, der zum einen vor der Sonne schützte, zum anderen in diesem Fall aber Zierde sein sollte. Mentára hatte sich damals gewünscht, dass Sarin purpurne Sterne darin einwebte und es war eine schwere Zeit für die Schneiderin gewesen. Wie sahen Sterne aus? Das hatte sie erst lang und ausgiebig recherchieren müssen. Letztendlich waren die eingestickten Symbole zu winzigen Stoffbällchen geworden, in die sie Dank der Hilfe einer nachtelfischen Schattenmagierin eine Art Mondlichtzauber eingefangen hatte. So leuchteten die purpurnen Kugeln im Rhythmus eines Herzschlages mal etwas heller, dann wieder schwächer auf. Es war eines ihrer kompliziertesten Werke, das Sarin für ihre Stadtherrin je geschaffen hatte und heute trug sie es.
Mit einladender Geste wies Mentára auf den Stuhl vor ihrem Thron. "Manthalas Schatten mögen Euch segnen, Sarin Kasani", grüßte sie formell und in ihren Augen lag das Lächeln, das ihre Miene nicht aus der neutralen Haltung heraus hob. Sie wusste jeden ihrer Muskeln einzusetzen und sich selbst dadurch undurchschaubar zu machen. "Ihr habt um eine Audienz gebeten. Ich bin neugierig, worum es geht, also lasst mich bitte nicht warten." Als wüsste sie nicht längst, was Thema ihres Gesprächs werden sollte!
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Re: Das Anwesen der Stadtherrin

Beitrag von Sarin Kasani » Samstag 22. August 2020, 21:16

Was hatte dieser Traum zu bedeuten? War es eine Warnung? Eine Anleitung, was sie tun sollte? Oder schlicht ein Abbild ihrer Ängste und Wünsche? Ja sie tanzte gerne, und der Moment im Traum war schön gewesen, doch das Kleid war das falsche... oder doch das richtige? Eben nur verändert? Dann die Rune: Eiwaz! Die Abwehr von Feinden. Sie war zerstört worden. Das Blut... das Stöhnen und die Geräusche... und das Ende …
Sarin würgte trocken...
NEIN!!!! NEIN!!! NEIIIIENNN!!!
Sarin weinte noch immer, als sie aus dem Traum erwachte. Einzig ihr Körper konnte keine salzigen Tränen mehr aufbringen, um ihr Schluchzen zu unterstützen. Stattdessen schmerzen Rücken, Nacken und Beine. Es dauerte das Empfinden abzuschütteln, das zäh wie klebriger Teer an ihr klebte und seine dreckigen Finger in ihr Fleisch gegraben hatte.
Ich bin wach!
, versicherte sie sich ein paar mal und somit auch, dass das alles nur ein Traum gewesen war!
Wie lange hab ich geschlafen?
Ihre Schneiderstube lag im Dunkeln da, aber auch nur, weil sie keine Kerzen oder Laternen entzündet hatte, als sie hier herein geflüchtet war. Lediglich an ihrem Hintern vorbei, unter der Türrize hindurch, drang ein von ihrem Körper unterbrochener Streifen Licht. Aus einem Instinkt heraus, drückte sie sich hoch, öffnete mit zittrigen Fingern die Tür und spähte hinaus.
Warum?
Die vollkommen irrsinnige Hoffnung, dass Lariel noch da war und auf sie wartete, dass er sie in die Arme schließen würde, dass alles gut werden würde, dass er mit ihr fort gehen würde... Das alles zerplatzte wie eine Seifenblase im Licht des leeren Ganges. Niemand wartete auf sie, niemand nahm sie in den Arm und nie wieder würde alles gut werden!
...
Sie schloss desillusioniert die Tür und lehnte die Stirn an das kühle Holz.
...
Und warum hatte Lariel sie noch nicht abgeholt, um Mentára aufzusuchen?
Lariel...
Sarin konnte heute nicht auf ihn zurückgreifen, vielleicht nie wieder. Es war kein leichter Abend für ihn gewesen, ebenso wenig wie für sie. Aber sie musste sich nun zusammenreißen, sie hatte einen Termin. Schwer seutfzte sie einmal auf, als ob die Last der gesammten Welt auf ihren Schultern ruhte. Zitternd machte sie sich etwas frisch und betrachtete ihr Spielbild. Die rot geäderten Augen standen ihr nicht wirklich gut. Etwas kaltes Wasser half, aber konnte die Spuren ihrers Leides nicht ganz verbergen. Sie zwang sich, ihr Äußeres auf Vordermann zu bringen und sich umzuziehen. Danach saß sie auf dem Sofa und wartete. Nichts geschah.
Lariel wird nicht kommen, um mich abzuholen.
Auch kein anderer Diener erschien. Sie musste selbst gehen, durch die Korridore bis zum Audienzsaal der Stadtherrin Tronás, deren Gänge ihr heute unentlich länger vor kamen. Am liebsten hätte sie abgesagt.
Gesundheitliche Gründe.. ich könnte mir die Pulsadern aus Versehen aufgeschnitten haben...
, dachte sie etwas überzogen und schüttelt sofort über sich selbst den Kopf. Es erschien ihr heute alles so trostlos. Daran konnte nicht mal der Anblick des Audienzsaals etwas ändern, den sie sonst liebte. Mentára Tronás liebte es, sich selbst etwas zur Schau zu stellen und dieser Saal untermauerte das. Heute stand ein einzelner Stuhl bereit. Sie wusste, das Sarin kommen sollte. Mentára saß auf dem Thron. Sie als einzige war kein bisschen schlicht gehalten. Sie trug eines von Sarins Kleidern, jenes mit den purpurnen Kugeln, die im Rhythmus eines Herzschlages mal etwas heller, dann wieder schwächer aufleuchteten. Es war eines von Sarins kompliziertesten Werken und heute trug sie es. Allein das ehrte sie schon. Doch die Freude darüber, so groß sie hätte sein sollen, erreichte heute nicht ihr Herz.
Mit einladender Geste wies Mentára auf den Stuhl vor ihrem Thron.
"Manthalas Schatten mögen Euch segnen, Sarin Kasani"
, grüßte sie formell und in ihren Augen lag das Lächeln, das ihre Miene nicht aus der neutralen Haltung heraus hob. Sie wusste jeden ihrer Muskeln einzusetzen und sich selbst dadurch undurchschaubar zu machen. Sie war Meisterin darin.
"Ihr habt um eine Audienz gebeten. Ich bin neugierig, worum es geht, also lasst mich bitte nicht warten."
Als wüsste sie nicht längst, was Thema ihres Gesprächs werden sollte! Sarin brachte es dann auch gleich auf den Punkt, wenn gleich mit einer Geste, die ihresgleichen suchte.
Sie ging vor Mentáras Thron auf die Knie, auf beide Hände hinunter und legte sich dann bäuchlings vor sie mit weit ausgebreiteten Armen hin. Ihre Stirn berührte den kalten Stein unter ihr und sie sprach deutlich:
„Meine Herrin! Ich bin euch loyal ergeben und gab mein Leben in eure Hand. Heute habe ich Fragen und auch Informationen, die nur für eure Ohren bestimmt sind. ...Kann ich offen sprechen?“
So ließ sie der Stadtherrin die Möglichkeit ggf. noch Vorkehrungen zu treffen, damit sie nicht belauscht werden konnten. Erst dann erhob sie sich auf ihre Aufforderung hin und nahm auf dem bereit stehenden Stuhl platz, oder folgte ihr wohin auch immer.
Hätte Lariel nicht diese Trostlosigkeit in ihr Herz gepflanzt, und Manthala ihr diesen Traum geschickt, so hätte sie vielleicht anders gehandelt. So aber rankte die dornige Rose und stach, so blutete ihr Herz und raubte ihr die Kraft. Ein Teil von ihr wollte einfach nicht mehr Entscheidungen treffen müssen. Ein anderer Teil wollte fliehen und ein dritter krallte sich krampfhaft an die Hoffnung, das das Schicksal lenkbar war und sie irgendeine Möglichkeit finden würde um dem letzten Teil ihres Traumes zu entgehen. Alles andere konnte sie ertragen. Sogar Mordpläne am alten Fürsten huschten für einen kurzen Moment durch diesen wirren Kopf, sollte es zum Schlimmsten kommen. Dann begann sie sachlich zu berichten, gleich der Aufstellung von Materialkosten um ein neues Kleid zu entwerfen. Diese Art zu sprechen gab ihr Halt und mit jedem Satz wurde sie wieder fokussierter, wie wenn sie an einem besonders komplizierten Stück arbeitete:
„Meine Herrin! Mir ist aus dritter Hand zugetragen worden, dass der Erbprinz keine Hochzeit mit mir wünscht und genauso wenig lassen einige Informationen es vermuten, dass sein Vater der Fürst ernsthaft an einem Bündnis mit unserem Volk interessiert ist. Ich wünsche keinen Krieg zwischen beiden Elfenreichen, zu dessen Zweck diese Ehe doch geschlossen werden soll, deshalb muss ich euch warnen. Ich habe erfahren, dass Dhansairs Vater die Brechung meines Fluches als eine Herausforderung für seinen Sohn ansieht und kann dabei nicht mehr so recht glauben, dass er im Sinne seines Herrschers handelt. Dieser kann unmöglich daran interessiert sein. Von dem Fluch haben die Dunkelelfen erst auf dem Ball erfahren. Ihr Herrscher konnte nichts davon wissen, folglich liegt das Interesse einzig und allein bei Fürst Rhaykin von Blutsdorn. Ich bitte euch inständig dies zu berücksichtigen, wenn ihr über mich und euer weiteres Vorgehen entscheidet. Eine Zusammenarbeit mit dem Prinzen um den Ruf beider Parteien zu wahren ist möglich, sofern der Fluch erneut... über mich herein brechen „dürfte“. Ich erbitte eure Weisung und euren Rat.“
Sarin machte eine kurze Atempause und schaute in das reglose Gesicht ihrer Herrin, auf der üblicher Weises keine Emotion zu lesen war. Hatte diese Frau Mitleid mit ihr? Selbst wenn nicht, so musste sie dies alles wissen, denn wenn es darum ging, ob ein Volk oder nur eine Person versklavt werden sollte, da musste Mentára entscheiden. Das war Sarins Meinung.
Doch hier hatten sich berechtigte Zweifel an Fürst Rhaykin von Blutsdorn aufgetan. Es war durchaus möglich, dass er ohne das Wissen seines Herrschers handelte und einzig seine eigene Interessen verfolgte, vielleicht sogar einen Krieg so provozierte.
„Gibt es eine Legitimation für die Verhandlungen der ihr vertraut oder gibt es andere Gründe, die mein Mitwirken erfordern? Ich...“
, fragte Sarin nun direkt. Eine Dunkelelfen Fürsten zu hinterfragen war schon riskant, aber woher sollten sie wissen, ob das Friedensangebot überhaupt echt war. Und das Sarin nicht dumm war, sollte sie zu genüge bewiesen haben. Ihre Loyalität galt ihrer Herrin und so gab sie ihr Schicksal erneut in ihre Hände, in der wagen Hoffnung, dass Mentára einen Plan hatte, der nicht unbedingt ihre Vergewaltigung beinhaltete.
„...Ich befürchte, dass der Fürst sehr persönliches Interesse an mir hegt und gestehe, dem gern entgehen zu wollen. Ich habe Angst, das ist kein Geheimnis. Doch ich diene und hoffe ihr seht in mir den Schicksalsfaden, den es neu zu weben gilt. Ich bitte euch um Hilfe.“
Sarin legte sich als Werkzeug und ggf. auch als scharfe kleine Klinge in die Hand Mentáras. Wie mit einem Skalpell konnte man eine Nachricht so beschneiden, dass man das Gesamtbild verändert darstellen konnte. Sarin war so eine kleine Klinge. Nicht so machtvoll wie ein Schwert, doch richtig eingesetzt ebenfalls effektiv und an der richtigen Stelle, tödlich.
Sarins größte Angst war es nun, dass sie schlicht ausgelacht und nicht ernst genommen wurde. Es ging hier schließlich um ihr Leben das sie bereit war zu opfern.
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Re: Das Anwesen der Stadtherrin

Beitrag von Erzähler » Sonntag 23. August 2020, 13:05

Manthala sandte Träume niemals gedankenlos. Meistens wollte sie, dass der Schlafende die Geschehnisse des Tages in einer ruhigen Traumwelt verarbeitete und so Probleme bewältigte, die vor dem Zubettgehen noch offen gestanden hatten. Aber die Profession des Traumdeuters existierte nicht umsonst. Viele Nachtelfen versuchten, Manthalas Motive zu ergründen, indem sie alle möglichen, esoterischen Methoden anwandten, um das Geträumte in irgendeiner Weise zu interpretieren.
Wie Sarin die Bilder der letzten Nacht deuten sollte, musste sie selbst wissen, solange sie keinen dieser schlafberatenden Nachtelfen hinzu zog und das würde sie nicht. Dafür war keine Zeit, sie hatte Termine wahrzunehmen. Aber die Schwere des jüngsten Traums hing ihr dennoch nach, wühlte ihre Gedanken auf und trug nicht gerade dazu bei, dass sie ihre heutigen Aufgaben mit voller Konzentration angehen konnte. Außerdem schienen die Bilder und Geräusche, welche noch immer wie zäher Nebel in ihrem Kopf waberten, sie sehr emotional zu machen. Dies waren keine guten Voraussetzungen, wenn man bei Méntara Tronás um eine Audienz gebeten hatte und sicherlich wäre es ratsam gewesen, Sarin hätte den Termin abgesagt. Wenn die Person nicht die Stadtherrin des Reiches der Nachtelfen gewesen wäre. Niemand bat Méntara um Zeit und ließ sie dann sitzen!
Das wusste selbst Sarin, auch wenn sie ein anderes Verhältnis zur Stadtherrin pflegte. Sie sah zu ihr auf. Sie respektierte diese Frau und war ihr treu ergeben. Es gab genug Nachtelfen, welche ihre oftmals sehr kaltherzige Art der Stadtverwaltung oder sie selbst direkt fürchteten. Genug sagten ihr eine harte Hand nach, die skrupellose Entscheidungen traf, welche nur ihr einen Vorteil brächten. Sarin überhörte solche Gerüchte geflissentlich. Für sie war Méntara Tronás immer ein Frau gewesen, von der sie sich gut vertreten, regiert, wenn nicht sogar behütete gefühlt hatte. Sie durfte nicht umsonst als simple Schneiderin im Anwesen leben und das rettete sie im Moment. Ansonsten hätte sie keinen Unterschlupf nach dem Rauswurf aus Onkel Jafars Haus gehabt. Vielleicht wäre sie bei Lariel untergekommen.
Lariel.
Nein. Es ging ihm nach dem gestrigen Abend offenbar selbst nicht gut, ansonsten hätte er sich blicken lassen. Sarin wusste, dass im Augenblick Méntara durch ihre Großzügigkeit damals sie vor Obdachlosigkeit gerettet hatte. Und sie würde sie nun ebenfalls retten müssen. Irgendwie. Ihr Traum durfte nicht zur Wahrheit werden. Die Furcht saß der Schneiderin noch immer in den Knochen. So nahm sie auch nicht auf dem angeboteten Stuhl Platz, sondern kniete sich ganz unterwürfig vor ihrer Herrin auf den Boden.
Der Stein war kalt, aber gewischt, denn sie roch noch die feine Nuance des Putzwassers und musste nicht fürchten, in ihrer Position Staub einzuatmen.
Die Stadtherrin blickte auf die herab, ohne auch nur eine Braue anzuheben. Was in ihrem Kopf unter der kunstvoll hochgesteckten Frisur so vor sich ging, wusste nur sie allein. Und sie ließ niemanden daran teilhaben. Aber ihre Augen funkelten wachsam, waren noch immer auf Sarin gerichtet. Sie erwartete, dass die Elfe sprach. Doch schon nachdem Sarin den Hinweis gab, dass sie Informationen für ihre Herrin und nur für sie allein hätte, schnippte Méntara einmal mit den Fingern.
Eine Gestalt, schlank wie ein junger Baum und gänzlich schwarz gekleidet, trat aus den Schatten einer Säule. Es war nicht klar, ob diese Gestalt männlich oder weiblich war. Sie wirkte in ihrer Statur zu jung, um schon fraulich zu sein und zu schmächtig, um sie als Mann zu bezeichnen. Ein Kind. Das würde die geringe Größe erklären.
"Lass uns allein", forderte Méntara ihren Spion auf und die kleine Gestalt verabschiedete sich mit einer tiefen Verbeugung. Nachdem die Tür des Saales hinter ihr ins Schloss gefallen war, galt die Aufmerksamkeit der Stadtherrin wieder Sarin Kasani. Sie nickte in Erwartung, dass diese sich nun erklärte. Und dann hörte sie zu, ohne Sarin auch nur einmal zu unterbrechen. Falls sie Fragen hätte, würde sie diese am Ende ihrer Ausführungen stellen. Nur eine sollte es zunächst sein.
"Wie könnte ich Euch also helfen, Sarin? Der Vertrag ist aufgesetzt und zeremoniell um Mitternacht zwischen gestern und heute unterzeichnet worden." Sie neigte sich ein wenig auf ihrem Thron vor, um das Kinn gegen Zeigefinger und Daumen ihrer Rechten zu lehnen, ohne es davon stützen zu lassen. Dafür stützte sich ihr Ellenbogen bereits auf die breite Armlehne ab. Sie verzog keine Miene, doch ihre Augen funkelten. "Manthala hat die Unterzeichnung nicht verhindert. Demnach haben wir in dieser Sache ihren Segen, meint Ihr nicht auch?" Méntara wusste von Sarins Vergangenheit oder eher von ihren familiären Verhältnissen. Ihre Mutter war keine unbekannte Priesterin gewesen, ihre Predigten beliebt. Natürlich spielte sie nun auf die Glaubensfestigkeit ihrer Schneiderin an.
Dann lehnte sie sich zurück und faltete die Hände so vor ihrem Schoß, dass nur die Fingerspitzen einander berührten. "Der Erbrpinz und sein jugendlich rebellisches Verhalten ist Sache seines Vaters, Fürst von Blutsdorn. Aber wie sieht es mit Euch aus? Wollt Ihr den Fluch nicht endlich brechen? Ich halte den Prinzen für eine gute Partie, die Handelsbeziehungen zu Morgeria könnten florieren. Dass nicht nur wir dabei Hintergedanken haben muss ich Euch doch nicht offen legen." Sie beobachtete Sarin nun genau. Dann lächelte sie, erstmals an diesem Morgen. "Ihr wirkt etwas desorientiert. Plagt Euch der Gedanke so sehr, Eure Heimat verlassen zu müssen? Morgeria ist größer als Ihr es Euch vorstellen könnt. Teilweise zu groß, als dass ich von meiner jetzigen Position aus alles überblicken könnte." Ihr Lächeln wuchs an. Ihre Augen blitzten auf, als hätte sie gerade eine wichtige Entscheidung für sich selbst getroffen. "Ich könnte ein Paar Augen und Ohren dort sehr gut gebrauchen, von loyaler Hand, die mir wichtige Ereignisse sofort schriftlich zukommen lässt. Die Ehre zu erhalten, eine so wichtige Aufgabe für mich - für das Reich - zu erfüllen sollte sich mit dem kleinen Preis eines lüsternen Blicks des Schwiegervaters vereinbaren lassen. Und Euer junger Gatte wird gewiss seinen neuen Besitz - Euch - nicht teilen wollen. Beantwortet mir zwei letzte Fragen, Sarin Kasani: Von wem habt Ihr Eure Informationen? Wie sicher ist Eure Quelle?"
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Re: Das Anwesen der Stadtherrin

Beitrag von Sarin Kasani » Montag 24. August 2020, 12:09

Sarin hatte nicht mal aufgesehen, als der „kleine“ Spion den Raum verließ, denn dies würde ja bedeuten, dass sie von ihm wüsste und das konnte tödlich sein. Erst danach hatte sie ihren Sitzplatz eingenommen und alles offenbart.
"Wie könnte ich Euch also helfen, Sarin? Der Vertrag ist aufgesetzt und zeremoniell um Mitternacht zwischen gestern und heute unterzeichnet worden."
… gestern Nacht, als ich geträumt habe... Manthala hat mir sogar meine Zukunft zum richtigen Moment gezeigt.…...... ...Es... ist... zu... spät! Ich bin zu spät! ...Hatte ich gehofft noch was verändern zu können?!? Ich bin so dumm!!!
Zu der Trostlosigkeit in ihrem Herzen, gesellte sich spontan auch noch Scham über ihre eignen Dummheit und gemeinsam tranken sie Tee und lachten über die Schneiderin. Mentára hatte sie außen vor gelassen und alles war bereits entschieden.
Ich hatte nie eine Chance!
Selbstmitleid gesellte sich zu der mentalen Teeparty, aber auch eine Erkenntnis.
Ich habe einen Fehler gemacht!
Die Stadtherrin neigte sich ein wenig auf ihrem Thron vor, um das Kinn gegen Zeigefinger und Daumen ihrer Rechten zu lehnen, ohne es davon stützen zu lassen. Dafür stützte sich ihr Ellenbogen bereits auf die breite Armlehne ab. Sie verzog keine Miene, doch ihre Augen funkelten.
Wie ein Raubtier...
"Manthala hat die Unterzeichnung nicht verhindert. Demnach haben wir in dieser Sache ihren Segen, meint Ihr nicht auch?"

Méntara wusste von Sarins Vergangenheit oder eher von ihren familiären Verhältnissen. Ihre Mutter war keine unbekannte Priesterin gewesen, ihre Predigten beliebt. Natürlich spielte sie nun auf die Glaubensfestigkeit ihrer Schneiderin an und drängte sie damit in eine Ecke. Sarin blieb nichts anderes, als leicht zu nicken.
Manthala wird ihren eigenen Plan mit mir haben. Nur, ...ob dieser sich mit den ihren deckt?
Dann lehnte ihre Herrin sich zurück und faltete die Hände so vor ihrem Schoß, dass nur die Fingerspitzen einander berührten.
"Der Erbrpinz und sein jugendlich rebellisches Verhalten ist Sache seines Vaters, Fürst von Blutsdorn...“
Und ich bin das eure... ein rebellisches dummes Kind... Ich verstehe.
„... Aber wie sieht es mit Euch aus? Wollt Ihr den Fluch nicht endlich brechen? Ich halte den Prinzen für eine gute Partie, die Handelsbeziehungen zu Morgeria könnten florieren. Dass nicht nur wir dabei Hintergedanken haben muss ich Euch doch nicht offen legen."
Sie beobachtete Sarin nun genau. Für Reue war es zwar zu spät, aber Sarin empfand sie trotzdem.
Ich lag falsch. So falsch! Ich bin für sie nur ein Ding, was sie verkauft... und noch nicht mal für Frieden, sondern nur um Geld zu machen!
Dann lächelte sie, erstmals an diesem Morgen.
"Ihr wirkt etwas desorientiert. Plagt Euch der Gedanke so sehr, Eure Heimat verlassen zu müssen? Morgeria ist größer als Ihr es Euch vorstellen könnt. Teilweise zu groß, als dass ich von meiner jetzigen Position aus alles überblicken könnte."
Ihr Lächeln wuchs an. Ihre Augen blitzten auf, als hätte sie gerade eine wichtige Entscheidung für sich selbst getroffen.
"Ich könnte ein Paar Augen und Ohren dort sehr gut gebrauchen, von loyaler Hand, die mir wichtige Ereignisse sofort schriftlich zukommen lässt...“
Ich soll spionieren.
„Die Ehre zu erhalten, eine so wichtige Aufgabe für mich - für das Reich - zu erfüllen sollte sich mit dem kleinen Preis eines lüsternen Blicks des Schwiegervaters vereinbaren lassen. Und Euer junger Gatte wird gewiss seinen neuen Besitz - Euch - nicht teilen wollen.“
Ich soll ich also für euer Wohl vergewaltigen lassen. Ich hab meine Angst offenbart und alles offen gelegt und sie spielt es mit einem Wort herunter. -Ehre!- …
Es tat weh, wenn man erkannte, das der Herrscher dem man diente alle Pflichten verlangte, aber im Gegenzug seine Untergebenen nicht wert schätzte. Und dann war da ja noch das Problem mit dem Soh.
… Als wenn Dhansiar mich beschützen würde, wenn es zu einer Hochzeit kommen würde. Er würde mich liebend gern seinem Vater übergeben, der sich dann an mir vergeht, während er mit seinem treuen Diener über die Dummheit der kleinen Nachtelfe lacht.
Zur Teeparty der Trostlosigkeit, Scham und Selbstmitleid gesellte sich nun noch eine weitere Nuance: Wut. Das sie nicht ganz gerechtfertigt war, vielleicht dass sie sogar ungerecht zu ihm war, das ahnte Sarin, aber im Moment fühlte sie halt so. Und das war gut, denn Sarin begann endlich wieder klarer zu denken. Schade nur, dass es zu spät war. Sarins Wangen und Ohren waren gerötet von der Übermacht ihrer Gefühle. Ja, sie war wirklich desorientiert. Desorientiert und ziellos. Wo gehörte sie noch hin? Was sollte nun aus ihr werden?
„... Beantwortet mir zwei letzte Fragen, Sarin Kasani: Von wem habt Ihr Eure Informationen? Wie sicher ist Eure Quelle?"
Sarin wusste, dass ihre Wangen glühten. Sie schämte sich in Grund und Boden, wenn gleich vielleicht nicht nur aus jenen Gründen, die sie nun angab:
„Ich war so dumm!“
Beschämt sah sie auf ihre zitternden Hände.
„Meine Herrin! Ihr habt so Recht. Ich habe mich von meiner Angst leiten lassen. Verzeiht mir bitte. Manthala wird mich leiten und es ist eine Ehre meinem Land und euch zu dienen. In der Tat fürchte ich nach Morgeria zu gehen. Andere mögen da mehr... Abenteuerlust haben als ich. Und ich muss gestehen, dass ich mich schon jetzt nicht mehr sicher bin, ob das was ich hörte, nur Gerücht oder Tatsache ist. Ich war halt der Meinung, ihr solltet es wissen. Nun glaube ich auch, dass ich getäuscht wurde, denn auch mir ist es nur durch Dritte und kleine Zettel zugetragen worden. Ein Diener rempelte mich auf dem Flur an...“
Sie schüttelt leicht über sich selbst den Kopf.
„Es tut mir leid, ich bin keine besonders schlaue Spionin, hab die Quellen nicht hinterfragt und war durch die Aufgewühlt meiner Gedanken leicht zu beeinflussen.“
Alles was sie da sagte, entsprach der Wahrheit und Sarin meinte es auch so... wenn gleich sie tief in sich noch andere Gefühle hegte. Wut war schließlich als letzter Gast bei der Party eingetroffen.
„Wahrscheinlich ist es die Angst vor dem Fluch, der mich in allem zögern lässt. Ihr wisst um ihn und habt anscheinend keine Zweifel, dass er durch diese Heirat gebrochen werden könnte. Deshalb will ich versuchen ebenso mutig in die Zukunft zu sehen.“
Sarin nickte entschlossen. Die Frage nach der Legitimation des Fürsten hatte Mentára auch nicht beantwortet. Musste sie als Herrscherin auch nicht, aber es zeigte Sarin, dass sie eben vielleicht doch nicht die Frau war, die sie die ganze Zeit in Mentára gesehen hatte. War ihre Loyalität berechtigt? Der Hauch eines Zweifels war gerade von ihr selbst gesät worden. Hätte sie auch nur den Hauch von Verständnis gezeigt, so wäre es nicht geschehen und dieser Keim würde niemals aufgehen.
Ich bin allein! Nur ich allein kann mich noch aus dieser Schlinge ziehen! Und ich weis auch schon wie!
„Ich habe eure Zeit vergeudet, verzeiht. Ich habe ein Brautkleid, dass geändert werden muss und noch viel vorzubereiten. Darf ich mich entfernen?“
Ein Plan reifte in ihr, aber dafür musste sie einige sehr schwere Entscheidungen und noch einige Vorbereitungen voran bringen. Sofern sie entlassen wurde, würde sie alsbald in ihre Schneiderstube zurück kehren. Es galt an einem Hochzeitskleid zu arbeiten.
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Re: Das Anwesen der Stadtherrin

Beitrag von Erzähler » Dienstag 25. August 2020, 13:17

Lariel hatte mit seinem indirekt offenbarten Geständnis seiner Zuneigung Sarins Herz schwer werden lassen. Über Nacht war es zum Nistplatz eines Schmerzes geworden, den sie bislang so nicht gekannte hatte. Wäre es anders gekommen, hätten sich der Nachtelf und sich nur schneller gefunden? Dann wäre sie keine Partie mehr für den Erbprinzen gewesen, denn selbst Méntara Tronás riss keine bestehende Ehe auseinander. Oder etwa doch? So sicher konnte Sarin sich nicht mehr sein. Nicht nach den Worten der Stadtherrin, der bis zum heutigen Tage wohl blinde Loyalität bewiesen hätte. Nun ... änderte sich einiges. Nicht nur, weil sie ihre Heimat verlassen und einen fremden Dunkelelfen ehelichen sollte. Sie musste befürchten, dass dessen Vater zum Problem und für sie zur Gefahr werden könnte, wenn sie Manthalas Traum richtig deutete. Und bei der Silhouette des über den gespreizten Schoß gebeugten, beleibten Mannes, sowie den lüsternen Grunzlauten, die nach wie vor als Echo in ihren Ohren hallten, existierte kein weiträumiger Interpretationsspielraum. Manthala wusste, was ihr blühte, wenn sie nach Morgeria ging. Möglicherweise würde nicht einmal Prinz Dhansair ihr ein Leid tun. Vielleicht wäre er sogar ein guter Ehemann, der sie achtete und respektierte. Vielleicht würde er ihr die Sterne vom Himmel holen, welche er am Abend des Tanzballs so zauberhaft schön selbst im Gesicht getragen hatte. Er war die einzig gute Erinnerung beim Gedanken an ihr künftiges Schicksal. Denn auch zu Méntara konnte sie sich nicht mehr flüchten.
Ob man es Verrat nennen mochte? Nein, nicht wirklich. Das wäre es gewesen, wenn sie und die Stadtherrin einander Freunde genannt hätten. Aber Sarin musste langsam erkennen, dass sie in Méntaras funkelnden Augen niemals diesen Status besessen hatte. Die Nachtelfe dachte an ihren eigenen Vorteil, vielleicht noch an das Wohl des Reichs der Nachtelfen, aber selbst hier zählte Wohlstand nur, insofern das Reich seine jetzige Verwalterin behielt. Fiele Méntara in ihrer Position, wäre garantiert auch ihre Loyalität gegenüber dem Reich dahin, so wie sie bei Sarin langsam bröckelte.
Wer konnte es ihr verübeln? Ihre eigene Stadtherrin verkaufte sie an den Sohn einer dunkelelfischen Familie in Hinblick darauf, dass dessen Vater und Oberhaupt des Hauses sich das Recht herausnehmen würde, sie körperlich zu unterwerfen und damit seelisch zu brechen. Sarin bezweifelte insgeheim, dass Dhansair das verhindern könnte. Er hatte sich schon nicht gegen die Hochzeit behaupten können, wie sollte er sie dann vor den großen, kräftigen Händen, dem rundlichen Bauch und allem Widerlichen, was darunter auf sie wartete, beschützen?
Das Gefühl von Einsamkeit in seiner reinsten Form schwappte wie ein eisiger Bergbach über Sarin hinweg. Es fühlte sich so kalt an, dass es brannte, nur um sie anschließend vollkommen betäubt vor Méntara knien zu lassen. Sie spürte nicht einmal mehr das sanfte Ziehen in ihrem Rücken, ob der unbequemen Haltung. Sie spürte aber auch keinen Schmerz, keine Enttäuschung, die sich angesichts der Worte wie Verrat anfühlen musste. Sie spürte nur diese Kälte. Kalte, hilflose Wut, die Sarin teils auf sich selbst richtete. Wie hatte sie so dumm sein können, einer ausgefuchsten Nachtelfe wie Méntara so bedingungslos zu vertrauen? Das Reich der Nachtelfen fußte auf Hinterlist und Täuschung. Natürlich wurde es dann auch mit diesen beiden Aspekten regiert. Sarin hatte sich in einer Welt aus Heimlichtuerei bewegt, in der jeder für den richtigen Preis sofort die eigene Großmutter verkaufen würde, wie ein naives Kind. Sie hatte die Anzeichen nicht gesehen, obgleich wie leuchtend grell wie die verfluchte Sonne selbst in ihre Augen gestrahlt hatten. Nein. Sarin hatte es übersehen, weil sie nur den Blick auf das Gute besaß - eine Eigenschaft, an der man im Grunde nichts Negatives finden konnte. Leider nutzten viel zu viele Nachtelfen diese Stärke aus, so dass man sie im Angesicht der Erkenntnis schließlich als Schwäche empfand und sich selbst als dumm bezeichnete.
Konnte sie überhaupt noch etwas tun oder hieß es nun nur noch, sich stumm und brav in ihr Schicksal zu fügen?
Wenn Sarins aufgewühlte Emotionen sich legten, würden ihr die Wege vielleicht wieder auffallen. Sie musste nicht auf der von anderen Elfen gepflasterten Straße wandeln, welche direkt in den Abgrund führte. Auch wenn sie keinen der Pflastersteine nehmen und ihn direkt und offen nach Méntara - der Bauherrin ihres Schicksal - werfen konnte, so besaß sie Optionen, nach wie vor. Sie hatte ihr zwar von der geheimen Revolte erzählt, aber vielleicht war es noch nicht zu spät, diesen sTrohhalm trotzdem zu ergreifen. Hatte sie nicht selbst gesagt, dass Fürst von Blutsdorn sich seines "rebellischen Sohnes" annehmen sollte? Das bedeute im Umkehrschluss doch auch, dass Méntara Tronás ihm nicht in die Erziehung pfuschen würde. Die Frage blieb offen, ob sie Fürst Raikhyn zu sich bestellte, um ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Sarin müsste in diesem Fall dann wohl schneller handeln als ihr lieb wäre.
Ein kleiner, romantisch veranlagter Teil in ihr schloss auch den Retter in der Not sicher nicht aus, wenngleich das Hoffnungslicht erschrecken klein wäre. Möglicherweise hatte Lariel sie nicht abgeholt, weil er eine Flucht vorbereitete. Möglicherweise würde er sie heroisch aufsuchen, um mit ihr durchzubrennen, wohin auch immer. Allein für den Versuch verdiente er ihr Herz.
Und schlussendlich blieb doch auch noch ihre namenlose Freundin - vermutlich die einzige wahre Freundin, die sie jemals gehabt hatte. Sarin durfte nicht vergessen, dass die Alte sie auch noch einmal sehen wollte. Sie hatte doch ein Abschiedsgeschenk für sie. Vielleicht war es ein geheimer Fluchttunnel aus dem Nachtelfenreich heraus und in die ehelose Freiheit.
Doch was dann? Was würde geschehen, wenn Sarin nun tatsächlich von der Bildfläche verschwand, um der Ehe zu entgehen? Es käme zum Vertragsbruch zwischen dem Reich der Nachtelfen und Morgeria, aber tat es das wirklich? Spielte Fürst von Blutsdorn am Ende ein ganz eigenes Spiel und ihrer Heimat drohten gar nicht die großen Konsequenzen, die Méntara Tronás ihr dargelegt hatte? Sarin musste aufpassen, dass aus ihrem Gedankengut keine Paranoia wurde, aber sie durfte sich auch nicht mehr von jeder Aussage der Stadtherrin beeinflussen lassen. Niemals wieder.
Eines stand fest: Sie musste ihre Gedanken ordnen und vor allem handeln. Die Ausdienz hatte für sie selbst keinen Nutzen mehr, also bat sie darum, entlassen zu werden. Der Vorwand ihres Brautkleidentwurfes kam ihr da gerade Recht und Méntara schien auch keinen Verdacht zu schöpfen. Sie verzog jedenfalls keine Miene ob ihrer Bitte. Stattdessen aber klopfte sie mit der flachen Hand auf ihren Schenkel. Es kam der Aufforderung einer Mutter gleich, die das Kind nah bei sich wissen wollte, um es zu trösten. Und sie wartete tatsächlich, dass Sarin sich in irgendeiner Weise näherte. Sobald die Schneiderin dicht genug war, strich die Stadtherrin ihr über den Kopf, an einem ihrer Spitzohren vorbei und legte schließlich ihre Hand um Sarins Wange.
"Dass es Euch nicht leicht fällt, Sarin Kasani, ist mir bewusst. Für keine Frau wäre es leicht, in die Fremde zu ziehen und Teil einer anderen Kultur zu werden. Aber vergesst nicht, dass ich Euch bewusst für diese Aufgabe ausgesucht habe. Euer Fluch war der Köder für den dunkelelfischen Fisch. Er hat angebissen und weiß nicht, dass ein Wasserdache am anderen Ende der Leine auf ihn wartet. Hüllt Euch in Manthalas Tugenden. Lasst nicht durchdringen, was Eure wahren Gründe für dieses Schicksal sind. Ihr dient nach wie vor dem Reich der Nachtelfen. Aus keinem anderen Grund entlasse ich Euch nach Morgeria. Ihr seid mir dort ein wichtiger Eckpfeiler, meiner Frendin."
Da sagte sie es. Freundin. Und sie lächelte nun sogar sanft, streichelte Sarins Wange, ehe sie diese entließ. "Bereitet Euch vor. Die letzten Tage sollen für Euch ungestört verlaufen. Ihr seid jeglicher alltäglichen Pflichten entbunden, Sarin. Ihr dürft nun gehen."
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Re: Das Anwesen der Stadtherrin

Beitrag von Sarin Kasani » Mittwoch 26. August 2020, 20:05

Sarin musste aufpassen, dass aus ihrem Gedankengut keine Paranoia wurde, aber sie durfte sich auch nicht mehr von jeder Aussage der Stadtherrin beeinflussen lassen.
Niemals wieder.
Eines stand fest: Sie musste ihre Gedanken ordnen und vor allem handeln. Die Audienz hatte für sie selbst keinen Nutzen mehr, also bat sie darum, entlassen zu werden. Der Vorwand ihres Brautkleids kam ihr da gerade Recht und Méntara schien auch keinen Verdacht zu schöpfen. Sie erwartete nur, dass Sarin sich ihr näherte. Sobald die Schneiderin dicht genug war, strich die Stadtherrin ihr über den Kopf, an einem ihrer Spitzohren vorbei und legte schließlich ihre Hand um Sarins Wange. Die fast mütterliche Geste ging nicht spurlos an Sarin vorbei. Als Waise war jeder Form dieser Zuwendung wie süßestes Zuckerbrot...
Ihre Augen begannen zu glänzen, aber sie ließ es zu, denn dies war etwas, dass Mentára sicherlich erwartete zu sehen.
"Dass es Euch nicht leicht fällt, Sarin Kasani, ist mir bewusst. Für keine Frau wäre es leicht, in die Fremde zu ziehen und Teil einer anderen Kultur zu werden. Aber vergesst nicht, dass ich Euch bewusst für diese Aufgabe ausgesucht habe. Euer Fluch war der Köder für den dunkelelfischen Fisch. Er hat angebissen und weiß nicht, dass ein Wasserdrache am anderen Ende der Leine auf ihn wartet. Hüllt Euch in Manthalas Tugenden. Lasst nicht durchdringen, was Eure wahren Gründe für dieses Schicksal sind. Ihr dient nach wie vor dem Reich der Nachtelfen. Aus keinem anderen Grund entlasse ich Euch nach Morgeria. Ihr seid mir dort ein wichtiger Eckpfeiler, meine Freundin. Bereitet Euch vor. Die letzten Tage sollen für Euch ungestört verlaufen. Ihr seid jeglicher alltäglichen Pflichten entbunden, Sarin. Ihr dürft nun gehen."
...aber Sarin kannte nun auch die Peitsche. Worte, die sie noch vor Tagen wie ein verhungerndes Kind aufgesaugt hätte, Worte die sie als „Wasserdrachen“ hofierten, sie rannen nun an ihrer Seele vorbei und versickerten im Zweifel. Das sie dann noch tatsächlich als Freundin bezeichnet worden war, war eine große Ehre und knabberte an der dünnen Schutzschicht aus Selbstmitleid und Wut. Aber der Keim hatte bereits Wurzeln geschlagen und Sarin war vorsichtiger geworden. Zeigen tat sie sich aber weiterhin so offen und treu wie immer, als sie sich erhob:
„Ich werde mich mit dem Prinzen treffen und vielleicht erfahre ich ja, ob wirklich ER oder eher Dritte unseren Bund sabotieren möchten. Und wenn ja, dann krieg ich womöglich raus warum und sollte es lösbar sein, so könnte man das Problem aus der Welt schaffen. Habt Dank für euren Rat. Manthalas Schatten mögen euch stets umarmen.“
Sarin ließ ihr Herz sprechen, dass oberflächlich vielleicht immernoch hoffe, alles könnte sich zum Guten wenden. Doch tief in ihr brodelte es in dem kleinen Riss des Zweifels. Oh, wie gutgläubig sie doch klang. Sich höfisch verbeugend, entfernte sie sich rückwärts.

Schon auf dem Rückweg zu ihrer Schneiderei begann es in ihrem Kopf zu rotieren. Sarin hatte nicht viele Mittel zur Verfügung ihren Schicksalsfaden zu bearbeiten und wollte noch immer nicht, dass wegen IHR ein Krieg ausbrach. Leider gab es viel zu viele Variablen, von denen sie nicht wusste. Viel zu viele Fragen waren noch offen und erhielt man Antwort auf eine, gebar sie tausend neue.
Ich muss wissen, was genau in dem Vertrag steht.
Sarin hätte Mentára danach fragen können, aber in dem Moment, da ihr das eingefallen war, da war sie schon auf halben Weg nach draußen gewesen und außerdem hatte sie es so aussehen lassen wollen, als ob sie weiterhin brav mit allem einverstanden war und die Entscheidungen ihrer Herrin nicht hinterfragte. Außerdem war sie „nur“ eine Frau und nicht mal eine hoch gestellte... Na ja, eigentlich schon, aber ohne den Rückhalt ihrer Familie. Man würde ihr das wichtige Schriftstück, das ihr Leben besiegelte sicher nicht einmal zeigen wollen. Bitterkeit wollte schon wieder in ihr aufsteigen, doch sie schüttelte kräftig den Kopf.
„Konzentriere dich! Es gibt viel zu tun!“
, sprach sie sich selbst gut zu. Ja, sie hatte einiges vor.
Den Vertrag kann vielleicht auch Dhansiar besorgen, als Sohn des Fürsten. Wir müssen wissen … WIR? …
Sarin lachte leise auf, während sie auf die Skizzen ihres Brautkleides nieder sah.
Wir... das fühlt sich seltsam an... jetzt setze ich schon auf die Hilfe eines Dunkelelfen und seinem Leibwächter.
Aber was hatte sie sonst für Möglichkeiten?
Lariel...
So schön der Gedanke war, mit Lariel zu fliehen, es würde die Probleme drum herum nur schlimmer machen und es war einfach nicht ihre Art etwas unerledigt oder unvollendet liegen zu lassen. Sich in seine Arme zu flüchten und auf das beste zu hoffen, erschien einfach nicht richtig. Es fühlte sich an, als würde sie ihn dann ihr verfluchtes Schicksal aufdrängen und ihn ausnutzen. Und so sollte man keine Liebe beginnen.
Ich muss einen *Liebesbrief* schreiben, parfümieren und mich mit meinem Verlobten treffen.
Ich muss das Ersatzkleid fertig schneidern, das verfluchte Kleid ändern und Wäsche mit Runen fertigen.
Ich muss alle Eventualitäten bedienen können, damit ich spontan entscheiden kann und gut vorbereitet bin.

Wenigstens hatte Manthala durch den Traum ein paar Ideen und Mentára durch ihre Freistellung ihr mehr Zeit verschafft. Sarins erste Handlung war, ein Schild für die Tür der Schneiderei zu malen auf dem in schöner kalligrafischer Handschrift stand:

**Geschlossen
Bis auf
weiteres.**
Schriftrolle Fuss
Sie brauchte jetzt keine übereifrigen Adeligen, die noch mal „schnell“ ihre Dienste ein letztes Mal in Anspruch nehmen wollten. Erst als das Schild hing, wurde Sarin so richtig bewusst, dass sie mit ihrem Leben hier gerade abschloss. Es würde eine Veränderung geben. In welche Richtung, ob zum guten oder in die Verdammnis, dass würde sich noch zeigen. Erst jetzt begriff sie so richtig, dass es kein Zurück mehr gab und es fühlte sich zwar beängstigend, aber auch aufregend an. Ihre Finger strichen über ihre eigenen Letter und sie lächelte. Ein Außenstehender hätte meinen können, sie freue sich darauf.
Dann ging sie wieder hinein und setzte den Liebesbrief auf. DAS war deutlich schwieriger und die ersten Versuche landeten zerknüllt im Papierkorb. Auch das war beabsichtigt, denn sollte Mentára sie nun beschatten lassen, würden ein paar zerknüllte Worte der scheuen Zuneigung ihre Treue bestätigen. Letztendlich ging es aber „nur“ um die kunstvolle Darstellung eines Briefumschlages, der so übertrieben „verliebt“ aussehen sollte, dass niemand ihn zu öffnen wagte.
Parfum war da nur ein winziger Aspekt, gefolgt von einer gezeichneten Rose, vieler Herzen und Glitzerstaub, der aus allen Ritzen rieselte. Sogar eine breite rote Schleife fand ihren Weg um das nun etwas überladene Papier. Sarin musste grinsen, als sie ihr Werk begutachtete.
Lucil würde das gefallen.
Das hier war für sie deutlich zu kitschig, aber wenigstens war es kein Kleid, sonst hätte sie sich geschämt.
Würde ich so etwas machen, wenn ich wirklich verliebt wäre?
Sie schüttelte sich erneut und lachte leise, während sie schrieb:

**Mein Prinz,
mein Herz erinnert sich an eure sanfte Führung, als wir im Tanze zueinander fanden. Es wünscht sich wieder zu euch zu finden und sehnt sich nach einem trauten Moment in aller Stille.
Frei übersetzt: He du, es eilt. Seit dem Ball ist schon viel Zeit vergangen, es wird Zeit, dass wir uns treffen. Pass auf, dass wir nicht belauscht werden.... hihi.
Die Worte, die gewechselt wurden und vor aller Augen wie in Stein gemeißelt nun erscheinen, ich wünschte sie nicht nur mit meiner Seele, wie im Traume, den mit meinen Augen zu sehen.
Hm, ob das reicht, damit er auf den Vertrag kommt? Ach wenn nicht, muss ich ihn halt persönlich nach fragen...
In Gedanken sehe ich unsere gemeinsame Zukunft, meinen Platz in eurer Familie.
Ich weis, was für einen Mist dein Vater hier abziehen will.
In sehnsuchtsvoller Erwartung auf eure Antwort,
eure Verlobte
Sarin Kasani**
Schriftrolle Fuss
Sarin sah noch einen Moment länger auf die Zeilen, die verborgen zwischen den Zeilen standen. Sie wusste nicht, ob der Prinz oder sein Diener die Botschaft dahinter verstanden, aber ein unwissender Leser, vielleicht sogar sein Vater, so sollte er im schlimmsten Fall den Brief abfangen, der würde darin nur eine schmachtende Elfe sehen, die sich gern noch mal mit ihrem Verlobten treffen wollte. Und es war ja auch nichts falsches daran, kannte man nicht die verborgenen Umstände. Dann läutete sie nach einem Boten und hoffte inständig, dass es dieses Mal nicht Lariel war. Dieses „Machwerk“ in seine Hände legen zu müssen, dafür würde sie sich in Grund und Boden schämen und sie würde ihm nicht einmal erklären dürfe, dass es alles nur ein Schauspiel war.
Danach machte sie sich erneut noch einige Zeit an die Arbeit an ihrem neuen Hochzeitskleid. Um ihren Plan mit dem alten Kleid umzusetzen, dafür brauchte sie noch etwas mehr Mut, den sie sich von ihrer Freundin, der alten Spinnenfrau erhoffte zu bekommen. Zu ihr wollte sie am Abend, bzw. zur frühen Nacht gehen, dann wenn dunkelelfische Verfolger in ihrer dunklen Stadt praktisch blind waren und „nur“ die Augen der Stadtherrin sie verfolgen könnten. Für diese kannte sie aber Wege, die verwirrten und sie abschütteln würden, so wie es Jahr um Jahr gewesen war. Niemand traute sich in diesen Bereich und das aus gutem Grund. Und dieser Grund war nun auch Sarin wieder bewusst geworden, obwohl sie schon so lange mit ihm gelebt hatte. Einige der kleinen Begleiter der Spinnenfrau waren äußerst tödlich. Andere lähmten ihre Opfer um sie dann einzuweben und später auszusaugen. Eben diese Gifte spukten unterschwellig durch Sarins Gedanken und formten neue Netze für ihren eigenen Schicksalsfaden.
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Re: Das Anwesen der Stadtherrin

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 27. August 2020, 11:37

Entweder wollte Méntara Tronás sie wirklich beruhigen oder die Stadtherrin witterte etwas, dass sie Sarin plötzlich so mütterlich zusprach. Möglicherweise hatte sie ihren Fauxpas selbst bemerkt und versuchte nun, durch sanftere Worte die Risse zu kitten, die sie in Sarins Seele geschnitten hatte. Doch die Schneiderin klammerte sich daran, baute die Risse aus und machte sie zu einem Teil ihrer Fassade. Diese würde nach außen hin schön und vollkommen wirken, auch auf die Stadtherrin, so dass sie keinen Argwohn gegenüber ihrer ach so loyalen Spionin in Morgeria haben brauchte. Wer aber hinter die Fassade sehen konnte, würde die eingearbeiteten Risse nach wie vor erkennen, vor allem wenn man selbst Baumeisterin des Ganzen gewesen war. Sarin würde nicht vergessen. Die Risse waren entstanden und irreparabel. Nie wieder würde sie sich von Méntara so einlullen lassen. Sie hatte erkannt, dass die Stadtherrin skrupellos war und über Leichen gehen würde - auch über ihre.
Sarin machte gute Miene zum bösen Spiel. Sie gab sich weiterhin treu und naiv, ließ sich ein wenig trösten und verschwand schließlich unter einem plausiblen Vorwand. Ihrem Schicksal würde sie auf diese Weise nicht entgehen können, aber wenigstens wahrte sie so das falsche Verhältnis zwischen sich und Méntara, so dass die Stadtherrin ihr nicht noch mehr Steine in den Weg legen könnte.
Dennoch hieß es, vorsichtig zu sein. Da sie selbst ihre Seele und vordergründig auch ihren Körper an Morgeria verkaufte, um dort für das Nachtelfenreich zu spionieren sagte Sarin doch, dass Méntara überall Spione besaß. Sie durfte sich nicht dem Glauben hingegen, nicht länger unter Beobachtung zu stehen. Allerdings durfte sie sich durch diesen Gedanken auch nicht zu sehr beunruhigen lassen. Es war kein leichtes Spiel und Sarin gab sich alle Mühe, vollkommen normal zu handeln. Es gelang ihr, weil sie sich im Folgenden wirklich auf die noch offen stehenden Aufgaben konzentrierte. Jedoch spickte sie all ihr Handeln mit der eigenen Planung. So wurde ein üppiger Liebesbrief für Dhansair von Blutsdorn geschrieben, in den sie versteckte Formulierung einwob wie die Spinne kleine, klebrige Fallen in einem sonst passierbaren Netz. Es blieb zu hoffen, dass der morgerianische Erbprinz zwischen den Zeilen zu lesen wusste. Oder Iryan, der ihm doch angeblich jedes Schreiben vorlas. Von ihm konnte Sarin sich inzwischen ein besseres Bild machen. Er schien nicht ganz das Klischee des Dunkelelfen zu erfüllen, wie man es hier im Reich der Nachtelfen kannte. Immerhin hatte er gelacht, als sie ihn geneckt hatte. Er war anders. Schon damals bei seinem ersten Besuch in der Schneiderstube hatte er sich wenig so gegeben, wie man es von einem dunklen Ritter in noch dunklerer Rüstung erwartet hätte. Hieß es nicht immer, alle Dunkelelfen seien stolz und arrogant und blutrünstig? Iryan bildete eine Ausnahme. Sarin konnte den Liebesbrief also guten Gewissens entsenden. Der Leibwächter des Prinzen würde ihn schon verstehen, wenn er die Worte Zeile für Zeile durch ging. Außerdem sollte sie ihm ohnehin alles überlassen. So ließ sie rasch einen Laufburschen zu sich beordern. Tatsächlich erschien Lariel nicht an diesem Tag, sie fragte aber auch nicht nach. Sarin war froh genug, ihm nun nicht in die Augen blicken zu müssen. Sie überreichte den Brief mit der Anweisung, ihn an Prinz Dhansair von Blutsdorn zu überbringen. Der Bote schmunzelte, als er all die Verzierungen sah und auch das parfümierte Briefpapier roch. Er nickte und versprach, sich zu beeilen.
Nun hieß es diesbezüglich abwarten. Sie hatte ihren Beitrag geleistet. Gut. Dieses Thema war vorerst vom Tisch.
Also machte Sarin sich daran, anschließend noch ein wenig an ihren Brautkleidern zu arbeiten. Das Alte musste sie vorerst beiseite legen, denn sie erkannte schnell, dass nur ihre einzig wahre Freundin hier aushelfen könnte. Und das würde sie. Sarin entschied, ihrer Bitte heute Nacht nachzukommen. Bis dahin wollte sie wenigstens das neue Kleid fertig haben.
Dadurch, dass sie nun von allen übrigen Pflichten freigestellt war, kam sie wahrlich gut voran. Auch ihr Geschlossen-Schild trug seinen Teil dazu bei. Niemand klopfte an ihrer Stube und sie bemerkte nur, dass der Tag voran schritt, weil sie zwischenzeitlich hungrig wurde. Nach einer raschen Mahlzeit in der Küche, bei der sich nicht eine Magd und nicht einmal die Köchin dafür entschuldigten, der Einladung in die Dunkelschenke nicht gefolgt zu sein, kehrte Sarin mit konfusen Gedanken in ihre Schneiderei zurück. Sie hatte nämlich ihre Bekannte, die Köchin gefragt und diese hatte sich vollkommen überrascht gezeigt. Lariel wäre nie bei ihnen gewesen, um ihnen von einem gemeinsamen Abend in der Taverne zu erzählen. Angesichts seines eigenen Versuchs, mit Sarin ein Rendevouz zu erleben, blieb diese Aktion aber nachvollziehbar. Er musste es den Mägden bewusst verschwiegen haben, um wirklich allein auf Sarin zu treffen. Und dann hatte er den halben Abend im Kalten vor der Kneipe gewartet. Mit seiner Rose. Nachdem er seine Schneiderin mit dem Waldläufer am Tisch hatte essen sehen.
Die Erinnerungen mochten Sarins Hals zuschnüren, wie sie es mit den Nähten des neuen Kleides tat. Immerhin bekam sie es nahezu fertig. Ein paar Feinheiten fehlten noch und an einem Saum würde sie die Naht nochmals auftrennen müssen, um den Lauf des Garns ein wenig zu verändern, damit das Muster zum Rest des Kleides besser passte. Doch das müsste warten. Dafür hatte sie gewiss später noch genug Zeit. Der Tag schritt viel zu schnell voran und zumindest eine Person wollte sie nicht länger warten lassen, auch wenn ihre Freundin vielleicht nicht mehr mit ihr rechnete. Dennoch wagte Sarin den Weg, natürlich im Schutz der Nacht. Sie wollte wie immer sichergehen, dass ihr niemand folgte. So machte sie sich zur abgelegenen Spinnenhöhle auf.

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