Andunische Marktvielfalt

Kein Marktplatz ist schöner und lebhafter als der Andunies. Hier findet man alles, was das Herz begehrt. Leider treiben sich auch ab und an kleine Diebe herum, doch das mindert die Kauflaune der Bürger wenig.
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Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Erzähler » Dienstag 27. Juni 2023, 20:08

Madiha kommt von Die Hafenstadt Andunie -> Die Wasserakademie -> Stille Wunden

Das andunische Händlerviertel war nicht weit von der Akademie der Wassermagie entfernt, so dass Madiha, Caleb und Corax nur eine relativ kurze Strecke zu bewältigen hatten. Trotzdem konnte sich jeder einzelne von ihnen glücklich schätzen, dass der Dieb einen besonders großen Schirm hatte auftreiben können. Es regnete inzwischen in Strömen, wenngleich das Gewitter an sich etwas abgeklungen zu sein schien. Blitze zuckten nur noch selten über den Himmel und der Donner war zu einem eher fernen Grollen verhallt. Die Wolkendecke erstreckte sich jedoch weiterhin als graues Tuch über der Stadt samt Umgebung. Die gepflasterten Straßen sammelten Pfützen an und nur wenige wagten sich überhaupt vor die Tür.
Das war der erste Unterschied, den Madiha zu einem Sarmaer Basar feststellen dufte, aber so viel Regen kannte sich generell nicht. Es fühlte sich befremdlich an und sicherlich protestierte auch ihre innere Flamme gegen all die Feuchtigkeit. Bizarrerweise war es gleichermaßen erfrischend, spülten die Tropfen doch auch trübe Gedanken von sich, reinigten den Geist zusammen mit der Luft. Das Salz war daraus nicht vollends verschwunden, wohl aber eine Düsternis, die sie bei der Ankunft in der Hafenstadt verspürt hatte. Mit einem Mal wirkte vieles ... normal. Sie entdeckte keine Leichenberge in den Gassen. Hier hingen keine abgetrennten Hände als neue Tavernenschilder über den Türen solcher Gasthäuser. Das innerstädtische Andunie war weitgehend vom Schrecken der Belagerung verschont geblieben. Vereinzelt ließen sich reparaturbedürftige Fenster oder Türen ausmachen - Häuser, die vom dunklen Volk geplündert worden waren wie Corax ihr erzählt hatte. Ansonsten wirkte Andunie fast schon heimelig.
Zwischen den sandfarbenen Häusern zu beiden Seiten gepflasterter Straßen hingen Leinen, auf denen an sonnigen Tagen Wäsche zum Trocknen gehängt werden konnte. Je näher sie dem Händlerviertel der Stadt kamen, desto mehr fanden sich statt Wäscheleinen aber auch geschmückte Varianten. Papiergirlanden oder Leinen mit Lampions, die die Nacht in bunten Farben zu erhellen wussten, luden zum Blick nach oben ein. Richtige Häuserschluchten gab es nicht, da Andunier selten höher als ein Stockwerk bauen. Sandstein bildete den Grund für das Erdgeschoss. Darüber hingen Fachwerk-Etagen wir die Bäuche reicher Sarmaer Händler bis in die Gassen hinein.
"Willst du wissen, was es damit auf sich hat?", fragte Caleb, als er sowohl Madihas als auch Corax' Blicke dorthin bemerkte. Er grinste schief auf. "Irgendein andunisches Gesetz besagt, dass Verkäufe vom Haus aus auch nur auf dem Grund des Hausbesitzers stattfinden dürfen, inklusive Werbung wie Bannern oder Schildern. Der gewitzte Andunier ist daraufhin dazu übergegangen, seine obere Etage breiter zu bauen, dass ein Teil bis auf die Straße ragt. So kann er dort Werbeschilder oder sogar seine Waren aufhängen, ohne das Gesetz zu brechen, denn nichts steht auf der Straße selbst, die Eigentum der Stadt ist."
"Das ist clever", kommentierte Corax. Er ging mittig, aber hinter Madiha und Caleb. Aktuell war er der Schirmträger, so dass der Dieb Madiha nun seinen Arm anbieten konnte, damit sie wie eine stattliche Dame neben ihm her schlenderte. "Es ist vor allem kostensparend", sprach er weiter. "Für jedes Stück Platz auf städtischem Weg muss man zahlen. Gerade andunische Händler wollen das nicht, denn es mindert ihren Gewinn." Caleb zeigte nach vorn. "Der Marktplatz! Schaut!" Er schritt etwas zügiger und bald durfte Madiha den zweiten Unterschied zu einem Sarmaer Basar erkennen. Einen, der nichts mit dem Wetter zu tun hatte.
Andunies Marktplatz bezog sich nicht nur auf Stände, die man inmitten des gepflasterten Bereichs aufgebaut hatte. Sie bildeten dort eigene Gassen aus. Es duftete nach allerhand Leckereien, aber man konnte so viel mehr als nur Nahrungsmittel kaufen. Und das, wie bereits erwähnt, nicht nur von den Buden auf dem Platz selbst. Die Häuser, die den Markt säumten, waren nur vereinzelt für andunische Bewohner gedacht. Im Viertel der Händler und besonders hier fanden sich offensichtlich jegliche Läden und Geschäfte, die die Stadt zu bieten hatte. Madiha entdeckte Backstuben weiten, offenen Fenstern, so dass man das Brot direkt vor dem Haus erwerben konnte. Sie sah Schneidereien mit großen, verglasten Fenstern. Dahinter standen Puppen in den schönsten Kleidern der aktuell andunischen Mode, die sich offenbar bereits mit jener aus Morgeria mischte. Es gab Futtermittelgeschäfte, neben denen gleich ein ganzer Stall oder ein Heulager zu finden waren. Ein Möbelladen hatte mehrere Stühle unter einer weiten Markise aufgestellt und an den präsentierten Tischen ließen sich allerlei Kunden nieder, um vom Obstladen nebenan ihren gekauften Fruchtkompott zu genießen. Es gab mehr als nur ein Weingeschäft. Man erkannte sie vor allem an en symbolischen Schildern, die Fässer, Weinflaschen, Äpfel oder Trauben zeigten.
Caleb führte seine beiden Gefährten auf die Verkaufsbuden zu und blieb dann nur kurz stehen, um den Duft mehrerer frisch gebackener Kuchen in sich aufzunehmen. Er seufzte selig. "Nirgends schmecken die Apfelkuchen so köstlich wie in Andunie", meinte er. "Aber meine Mama hat immer die besten gebacken." Er stand unschlüssig vor dem Geschäft. Die Bäckerin musterte ihn fragend, aber Caleb konnte sich nicht dazu durchringen, hier und jetzt einen Kuchen zu kaufen. "Kommt", forderte er Madiha und Corax auf. "Ich will euch vorher andere Dinge zeigen. Die Tierstände zum Beispiel oder die Seilereien, wo man sogar Seemannsknoten lernen kann. Beim Schuster könnten wir uns die Stiefel verstärken lassen oder wir gehen zu einem der vielen Hütchenspieler. Sie sind Halsabschneider, aber das Spielen macht auch Spaß. Man darf nur nicht auf's Geld schauen." Er war gut gelaunt.
Corax hielt sich zurück. Er würde die beiden größtenteils schweigend begleiten und wieder mehr in die Rolle eines Sklaven fallen, weil seine größte Aufgabe darin bestand, den Schirm zu halten. Niemand der andunischen Bürger nahm Anstoß daran und das, obwohl die Stadt doch in dunkelelfischer Hand war. Auf dem Markt zeigte sich, dass sogar Bewohner aus Morgeria nicht grundlegend blutrünstig waren oder andere Völker ablehnten.
Ein menschlicher Händler diskutierte mit zwei Dunkelelfen über den Preis, aber es war ein außenstehender Zwerg, der eingriff und schlichtete - ohne, dass Köpfe rollten. An einem der Stände fanden sich Elfen - Vertreter des Waldes als auch Soldaten aus Morgeria. Sie plauderten gemeinsam und tranken Apfelpunsch mit Sahne und Zimt. Es duftete fantastisch, vor allem, weil in der Nähe geröstete Mandeln mit Zucker angeboten wurden.
Einige Kinder liefen mit einem Ork und dessen Warg zwischen den Buden umher, weil die Kleinen mit den Welpen der stolzen Wargmutter balgten. Würde der Schatten der blutigen Eroberung nicht über allem hängen, könnte man Andunie gerade für eine sehr weltoffene Metropole halten, in der kein Volk Unterdrückung zu befürchten hatte. Aber der Schein konnte auch trügen. Hier auf dem Marktplatz jedenfalls war die Welt noch in Ordnung. Etwas nass, weil Ventha ihre Launen hatte, aber doch ... schön.
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 11. Juli 2023, 09:20

Dass Madiha nirgendwo an erster Stelle kam, war für sie kaum wichtig. Sie war es gewohnt, stets hintenan zu stehen und sie war es gewohnt, zu warten. Dass Corax eine Hierarchie aufstellte, war ihr sogar klar. Und dass sie selbst wohl kaum an erster Stelle kam, neben Azura, auch. Das Mädchen strebte auch nicht danach, dass sie irgendwo ihren Platz in der ersten Reihe einnahm. Aber, wie ihre Angst nach dem feuermagischen Desaster um Serpentis, gezeigt hatte, wollte sie einfach nur nicht fortgejagt werden. Madiha wollte bleiben, wo sie war. An der Seite von Caleb. Von Corax und ja, auch von Azura. Denn ihr war bewusst, dass die andunische Schönheit dazugehörte, wenn sie Corax dazuzählte. Es lag nicht in ihrer Natur, sich in den Vordergrund zu spielen, aber sie wollte auch nicht vertrieben werden. Vielleicht war sie freier als Corax es je sein würde. Aber sie war auch innerlich vernarbt von ihrem Leben. Madiha sah man dieses Leben vermutlich nicht so schnell an. Aber gerade jetzt zeigte sich doch, dass sie es nicht würde ertragen können, wenn sie mit einem Mal allein dastünde. Zuvor in Sarma, hatte sie sich aus Trotz allein aufmachen wollen. Und sie wäre diesen Weg weitergegangen, wenn sie nicht Caleb wiedergesehen hätte. Wo auch immer sie heute wäre… Aber jetzt? Jetzt waren da unzählige Gefühle, die alle auf sie einströmten und zumindest Caleb müsste nur schnippen, und sie wäre erledigt. Und Corax? Der Rabe, der den Weg etwas versetzt neben ihr ging, spielte eine seltsame Sonderrolle. Irgendwie war er… ein Freund? Madiha wusste es nicht so richtig. Aber sie wusste auch nicht, das Wort mit Leben zu füllen. Er war da und er war ihr tatsächlich auch wichtig geworden. Auch wenn er sie vermutlich sofort für Azura hergeben würde, so floss auch hier, wie sie glaubte, eine Loyalität in eine Richtung. Sowohl Dieb als auch Rabe konnten sich auf Madiha verlassen. Immer. Und sie hoffte im Stillen nur, dass sie sie nicht einfach fortstoßen würden. Dass Caleb nun so überschwänglich handelte, tat Madiha schlicht weh. Aber sie würde sich hüten ihm eine Szene zu machen aus Angst, er würde sang und klanglos verschwinden. Und Corax würde sie nicht in Schwierigkeiten bringen. Das kam für sie nicht in Frage. Die Gedanken wurden zu schwer und so vergrub Madiha sie in sich. Stattdessen holte sie etwas anderes hervor und fragte Corax, ob er sich mit den Gepflogenheiten auskannte. Seine Antwort ließ Madiha still werden. Sie lauschte den Ausführungen und schwieg betroffen. Das, was er sagte, war auch Sarma’s Schicksal geworden. Erneut schob sie Gedanken beiseite und fragte nach anderem. Mit einem Mal aber blieb er stehen und sie musste anhalten. Madiha drehte sich fragend zu ihm herum. "Ich könnte dir verraten, wie ein Sklave sich ihnen gegenüber verhält ... aber ... das weißt du. Jetzt musst du eine Herrin sein. Oder vielleicht ... einfach nur du. Ah!" Sie zuckte leicht, bei seinem Schmerz. Stirnrunzelnd beobachtete sie ihn. "Siehst du die hier? Das ist seine.“, Madiha’s Blick fiel auf die Feder. Sie verstand nicht und sah Corax erneut fragend an. "Er liebt dich sehr und er sorgt sich sehr darum, dir nicht zu genügen. Deshalb ist er Kapitän. Deshalb plant er, seine Eltern aufzusuchen. Er legt sich Ketten an, um dich nicht zu enttäuschen." Madiha runzelte die Stirn und ihre Miene verdüsterte sich. Das wollte sie nicht… das wollte sie wirklich nicht. Sie spürte, wie ihr die Tränen kommen wollte.
Wie sie bereit wäre, Caleb ziehen zu lassen, weil ihr nichts ferner lag, als ihm zu schaden… Wenn er unglücklich war, dann durfte sie nicht egoistisch sein. Sie spürte, wie sehr es sie schmerzte daran zu denken. Doch Corax sprach weiter und ihre Augen ruhten auf der sich verändernden Feder: "Und das ist seine Freude, jedes Mal, wenn er deinen Namen ausspricht. Sein Glück, als ich ... zustimmte, etwas ... bevor er mich küsste." Ihre Augenbrauen zogen sich mit einer Mischung aus Schmerz und Hoffnung zusammen. Corax hatte die Macht, Madiha zu zerstören. Das, was er sagte, lenkte ihre Emotionen hin und her, wie die Segel im Wind. Er baute in ihr Hoffnung auf, zerstörte sie mit dem nächsten Satz und fing sie wieder auf. Madiha war nicht fähig das zu kompensieren. "Er liebt dich, weil du nicht adlig bist. Weil du einfach du bist. Er ist das Kind seiner Eltern. Sie werden dich auch lieben." Das Mädchen konnte nicht verhindern, dass ihr Blick verschwamm. Das, was er sagte, klang so schön, dass sie es glauben wollte. Einfach glauben. "Nimm sie und betrachte sie, wenn du zweifelst. Gib sie mir zurück, wenn Caleb ... naja, du willst nicht, dass ich es verrate. Du wirst sie mir zurückgeben können, Herrin. Sobald keiner von euch mehr Zweifel hat.", sie nahm die Feder entgegen und betrachtete sie, indem sie sie zwischen ihren Fingerkuppen etwas drehte.

Madiha lächelte leicht, hob den Blick und spürte, wie eine Träne ihr über die Wange rollte. Dann trat sie auf Corax zu und umarmte ihn dankbar für seine Worte. Schon bevor die Schritte zu hören waren, entließ sie den Raben aus ihrem Griff. Sie war sich eben auch bei ihm nicht sicher, ob er solche Nähe überhaupt wollte. Aber sie wollte ihm auch zeigen, dass sie dankbar war, dass er sich um sie bemühte. Die Feder betrachtete sie noch einen Moment hoffnungsvoll und steckte sie dann behutsam ein. Sie fand ihren Platz neben der Muschel, die sie am Strand gefunden hatte. Es waren ihre Schätze. Caleb tauchte auf und sie konnte gerade noch eine Träne beiseite wischen. Seinem Blick wich sie aus. Sie brauchte noch einen Moment, denn Corax‘ Worte musste sie erstmal verinnerlichen. Trotzdem schaute sie fasziniert auf, als er den Schirm präsentierte. Sofort streckte sie die Hand danach aus und besah ihn sich genauer. Dann aber ging es endlich zum Markt und Madiha spürte, dass ihr Herz etwas leichter wurde. Der Regen spülte über den Schirm hinweg und Madiha war tatsächlich für einige Schritte davon abgelenkt, dass das Wasser an den Seiten des Schirmes in kleinen Rinnsalen herabtropfte. Sie hielt hier und dort ihre hohle Hand darunter, fing etwas Wasser auf und lächelte. Regen war in Sarma eine Seltenheit und auch wenn sie die Feuchtigkeit generell nicht gerne mochte, war sie gleichermaßen fasziniert von ihr. Der Regen, das Prasseln und Springen der kleinen Tropfen auf dem Boden, entlockten ihr ein Lächeln. Sie hüpfte hier und dort von einem trockenen Stein, zum nächsten, wenn der Boden Wasser zu einer Pfütze sammelte.
Es war schlicht ein Spaß darüber hinwegzuhüpfen und das tat sie sogar ganz ungeachtet dessen, dass der Schirm gewiss auch Grenzen hatte. So stieß sie hier und dort mal gegen Corax oder Caleb. Sie schenkte dann ein verlegenes Lächeln und ein genuscheltes ‚Entschuldigung‘, doch dann erreichten sie endlich den Markt. Madiha blieb stehen und starrte auf die gesammelten Eindrücke. Dabei war es ihr einerlei, ob sie nass würde, weil Corax voranging oder nicht. Hier gab es so vieles zu sehen, dass Madiha einen Moment stehenbleiben musste, um es auf sich wirken zu lassen. Sie betrachtete die kleinen Häuserschluchten und die vielen, bunten Varianten der Verzierungen. „Es ist so… vollkommen anders…“, murmelte sie ehrfürchtig und man brauchte sie nicht zu kennen, um zu erkennen, dass sie schlicht beeindruckt und fasziniert war. "Willst du wissen, was es damit auf sich hat?“, sie nickte neugierig und sah Caleb mit leuchtendem Blick an. "Irgendein andunisches Gesetz besagt, dass Verkäufe vom Haus aus auch nur auf dem Grund des Hausbesitzers stattfinden dürfen, inklusive Werbung wie Bannern oder Schildern. Der gewitzte Andunier ist daraufhin dazu übergegangen, seine obere Etage breiter zu bauen, dass ein Teil bis auf die Straße ragt. So kann er dort Werbeschilder oder sogar seine Waren aufhängen, ohne das Gesetz zu brechen, denn nichts steht auf der Straße selbst, die Eigentum der Stadt ist." Auf Corax‘ Kommentar nickte sie bestätigend, dann blickte sie auf den dargebotenen Arm seitens Caleb und zögerte vielleicht eine Sekunde zu lange. Allerdings überwog die heimliche Freude über diese Geste, sodass sie seinen Arm griff und dichter an ihn rutschte. War die Illusion von Liebe nicht besser als gar keine zu erhalten? Madiha hatte Corax‘ Worte verstanden, aber sie zweifelte dennoch. In ihrer Tasche piekste sie die Feder, an die sie bei Zweifeln denken sollte und sie legte unbemerkt eine Hand darauf. Es war gar nicht so leicht, Zuversicht auszustrahlen, wenn man doch keine Ahnung hatte, wohin das alles führte und wie und wann es endete. Madiha aber konnte nicht lange den düsteren Auswirkungen dessen was sie gesehen hatte Rechnung tragen, denn auf diesem Markt gab es einfach viel zu viel zu entdecken. Sie sog die Luft in ihre Lungen, die so herrlich nach frischem Brot und Süßwaren roch. Und sie wandte den Kopf als einer der Händler lautstark seine Waren feilbot.

Sie lächelte, ob des Enthusiasmusses des Mannes, sah dann aber wieder zu einer resolut wirkenden Frau, die offenbar gerade einige Kinder ausschimpfte, die sich mit etwas davonmachten, das Madiha nicht erkennen konnte. Für einen Moment glaubte sie, die Frau würde den Lausbengeln im Ärger nachjagen, doch sie lächelte nur, als sie glaubte, dass es niemand sah und blickte den kleinen Dieben gutmütig nach. Dem Mädchen aus Sarma wurde warm ums Herz. Trotz des Regens, fühlte sie sich nicht fröstelnd oder klamm. Andunie war eine so bunte Vielfalt, dass Madiha aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam. Sie nahm sogar ihre beiden Begleiter nur am Rande wahr. Aufgeregt hielt sie sich an Caleb fest, ließ den leuchtenden Blick jedoch überall hin schweifen. Sie sah die feinen Möbel, blieb sogar stehen, als sie den Tischler dabei beobachten konnte, wie er gerade das Stuhlbein hobelte und verzierte. Beim Schuster verzog sie allerdings das Gesicht, denn der Geruch der Schuhcreme war nichts für ihre Sinne. So schlenderte sie weiter mit Corax und Caleb und sog den Trubel in sich auf. Vergessen die trüben Gedanken, verdrängt das Bild, welches sich ihr gewiss in einem anderen Moment wieder aufdrängen würde. Madiha aber konnte dieser scheinbar friedlichen Atmosphäre so viel abgewinnen. Und es war das erste Mal, dass sie einen Markt sah, ohne befürchten zu müssen, von der Stadtwache oder ihrem Herrn vertrieben zu werden. Sie durfte hier sein. Sie durfte einfach – es war ihr erlaubt. Und so wurde sie alsbald etwas mutiger und blieb vor einem Stand stehen, der kleinere Leckereien anbot. Wie ein Kind vor dem Bonbon-Glas, starrte sie die kleinen Törtchen und Teilchen an, die hübsch verziert zum Kauf lockten. „Das ist doch viel zu schade zum Essen…“, murmelte sie mehr für sich und achtete gar nicht darauf, ob sie man vielleicht hören konnte. Dann wurde sie wieder abgelenkt und richtete ihre Sinne auf eine Gruppe buntgemischter Völker, die sich offenbar bei einem Getränk amüsierten. Sie beobachtete das Gebaren genau, ehe sie seufzte. „So viel Leben…“, sagte sie ergriffen und ließ den Blick abermals schweifen. „Es ist so aufregend hier und überall, an jeder Ecke passiert etwas…“, plapperte sie weiter und drehte sich um sich selbst. „Ich weiß gar nicht, wohin ich zuerst sehen will, um nichts zu verpassen...“, sprach sie weiter und sah dann Corax und Caleb strahlend an. „Wart ihr je an einem schöneren Ort?“, fragte sie und offenbarte, wie sehr es ihr gefiel hier zu sein. Und, dass sie noch nicht sonderlich viele Orte hatte sehen dürfen.
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 13. Juli 2023, 12:23

Sowohl Corax als auch Madiha hatten sich weiter entwickelt. Beide würden noch Zeit brauchen, sich gänzlich von den Fesseln ihrer Vergangenheit zu befreien, aber sie waren auf dem besten Weg dorthin. Sklaven konnten sie sich nicht länger nennen. Dazu hatte sich ihrer beider Persönlichkeiten in jeweils eigenen Bahnen schon viel zu sehr entfaltet. Ansonsten hätte der Rabe es niemals gewagt, eine persönliche Rangliste aufzustellen. Natürlich stand Azura auf jener ganz oben, das minderte seine Beziehung zu Madiha aber nicht. Denn selbst wenn sie für ihn nicht Frau Nummer Eins wäre, so blieb sie trotz allem doch seine kleine, gute Herrin und für diese empfand er weitaus mehr als er nach außen hin vielleicht zeigte. Obwohl auch hier Entwicklung stattfand. Corax bemühte sich, aber nicht mehr wie der klassische Sklave, der zum Schatten wurde und von sich aus die Bedürfnisse seiner Herrschaften erkannte um sie anschließend zu stillen. Er sah inzwischen über das Oberflächliche hinaus. Dabei hatte Kjetell'o ihm geholfen und nun war er mehr auf die Emotionen seiner nächsten fokussiert. Dadurch hatte er bereits jetzt eine so starke Empathie entwickelt, dass es für ihn nicht viel brauchte, um zu erkennen wie sehr Calebs überschwänglicher Kuss Madihas Seele doch zusetzte. Und selbst wenn sie nicht an der ersten Position auf seiner Liste stand, so würde er ihre Gefühle nicht beiseite schieben. Vielmehr erinnerte er mit kleinen Gesten wie einer verschenkten Feder daran, dass das Mädchen aus Sarma durchaus für jemanden die oberste Plattform des Siegertreppchens erklommen hatte. Sie durfte nur nicht zweifeln und als Madiha die regenbogenfarbene Seite der Feder aufschillern sah, schien diese Hoffnung ebenso kurz in ihrem Herzen zu leuchten.
Das genügte. Corax sah es auch und er bekam einen warmen Glanz in seinen Augen, dass es aussah, als schenkte Madiha ihm im Gegenzug einen Teil ihrer feurigen Kräfte. Von den Rubinen eingeschlossen brannte Liebe für die kleine Herrin, welche ihn nun in eine Umarmung zog. Der Dunkelelf sträubte sich nicht. Vielmehr erwiderte er die Geste, schlang seinen verbliebenen Arm um den schlanken Frauenkörper, um ihn eng gegen seinen eigenen zu pressen. Sein erleichtertes Aufseufzen kam einem sanften Krächzen gleich. Er würde wohl immer irgendwo ein Rabe sein.
"Es wird alles gut", versicherte er ihr zum wiederholten Male, aber sie löste die Umarmung bereits wieder auf. Wenig später erschien auch Caleb und das Trio machte sich auf den Weg zum andunischen Markt. Jener befand sich inmitten des Händlerviertels der Stadt, das überraschend wenig von der Belagerung zu spüren bekommen hatte. Vielmehr profitierte es nun schon fast von der zusätzlichen Kultur, die sich zu bestehenden einfügte, ohne diese wahrlich zu verdrängen. Hier zwischen all den Ständen, unter dem Brüllen der Marktschreier und den feilschenden Worten der Händler wirkte alles eher wie ein großes Miteinander. Es herrschte keine Unterdrückung. Selbst die als Soldaten erkennbaren Dunkelelfen, die ihre Patrouille vollzogen, machten einen entspannteren Eindruck als jene, die Madiha am Hafen gesehen hatte. Die Stimmung schwappte auf sie, Caleb und Corax über. Selbst der Regen trug seinen Teil dazu bei. Wo er für viele ein Ärgernis darstellte, faszinierte er das Wüstenkind trotz seiner zu ihrer Magie gegensätzlich wirkenden Natur. Das stete Tropfen vom Rand des Schirmes, das sanfte Prasseln auf dem Pflasterstein und die Frische in der Luft hinterließen eine hypnotische Wirkung, der man sich nur zu gern hingab. So wie der Regen den Staub aus den Straßen spülte und letzte Spuren einer teils blutigen Belagerung verwischte, so machte er auch die Seelen frei. Venthas Segen reinigte, schenkte kühle Frische, um seine Gedanken zu ordnen und einen neuen Tag zu beginnen. Die Göttin besaß vielleicht ein stürmisches Gemüt, grollte derzeit mit Donner und Blitzen über ihren Köpfen und doch schaffte sie es, durch diesen Zustand den Missmut aus den Köpfen der Marktbesucher zu vertreiben. Alle Anwesenden schienen einfach nur abschalten zu wollen, ungeachtet von Herkunft oder Gesinnung. Die Unschuldigsten unter ihnen - die Kinder - besiegelten bereits neue Freundschaften. Sie hießen Willkommen, was sich durch Zwang und Macht einen Weg in ihr Leben gebahnt hatte und so schufen sie neuen Boden für eine Generation, die vielleicht ohne Krieg oder Eroberungen auskäme, weil bereits alle lernten, miteinander zu leben. Die Dunkelelfen hier machten einen ähnlichen Eindruck. Irgendwie herrschte eine hoffnungsvolle Stimmung, als seien sie froh, dass der Kampf vorüber wäre. In ihren Augen glomm die Aussicht auf einen Neuanfang und viele wollten ihn offensichtlich ohne Grenzen zwischen den Völkern wahrnehmen. Der Anblick beflügelte und vertrieb düstere Gedanken. Madihas Stimmung hob sich.
Das Wetter, die Andunier und der Markt hatten das bewirkt. Nun war Caleb an der Reihe. Er ging neben Madiha her und unter dem Schirm, wobei er ihr den Freiraum ließ, immer wieder aus dem Schutz ausbrechen, um durch die Pfützen zu hüpfen. Gelegentlich tauschte er dabei mit Corax einen Blick aus. Der Elf schmunzelte und Caleb tat es ihm gleich. Als sich seine Wüstenblume wieder bei ihm festhielt, steuerte er einen Stand mit Süßwaren an und lud die Gruppe zu einem Imbiss ein. Madiha jedoch staunte über die liebevolle Gestaltung der vor ihr liegenden Backwaren.
"Das ist doch viel zu schade zum Essen...", entkam es ihr dabei und wo sie in Sarma vielleicht einen Rüffel erhalten hätte oder einen Tadel, sie sollte froh sein, überhaupt etwas in den Magen zu bekommen, da zeigten sich erneut Unterschiede in der andunischen Mentalität. Der Verkäufer fühlte sich nämlich mehr als geschmeichelt, denn er antwortete: "Vielen Dank! Ich richte es meinem Jungen aus, er hat die Küchlein dieses Mal verziert. Er wird sich freuen, dass jemand seine Mühe zu schätzen weiß." Im nächsten Moment erfuhr Madiha aber auch über den in Celcia bekannten Geschäftssinn der Andunier. "Kauft doch am besten zwei, junge Frau! Eines könnt Ihr essen, das andere für eine Weile auf dem Nachttisch bestaunen. Wie wär's, hm?"
"Erhalte ich Rabatt, wenn ich vier kaufe?" Caleb stammte auch aus Andunie und ließ sich demnach auf das Spiel ein. Nun ging das Feilschen los und während er und der Verkäufer einen Preis aushandelten, beobachtete Madiha weiter das Treiben auf dem großen Platz. Von allen Ständen tropfte der Regen. Menschen, Elfen, Zwerge und andere Besucher bedeckten sich und dennoch wirkten alle ausgelassen. Kinder flohen von einem der Stände, das Diebesgut triumphierend über den Köpfen erhoben. Madiha schaute ihnen nach, erinnerte sich an Sarma und fragte sich vielleicht auch, ob die Dunkelelfen dort ihre Heimat nun ebenfalls eingenommen hatten. Wie stand es um die Wüstenperle? Wie mochte es Ilmy und Dunia ergehen?
"Es ist so aufregend hier und überall, an jeder Ecke passiert etwas ... Ich weiß gar nicht, wohin ich zuerst sehen will, um nichts zu verpassen..." Sie drehte sich zu ihren Begleitern um. Caleb hatte den Kampf gegen den Backwarenhändler gewonnen. Er reichte ihm gerade einen Lysanthemer über den Stand hinweg und erhielt einige Fuchsmünzen an Rückgeld. Dann folgte die Übergabe an Küchlein, von denen eines in einer Papiertüte landete und die anderen drei unter ihrer Gruppe verteilt wurden. Caleb nahm Corax zudem den Schirm ab, damit dieser sein Törtchen überhaupt genießen konnte, ohne gefüttert werden zu müssen. Madiha erhielt das mit der meisten Verzierung. Es sah nicht nur wunderbar aus, es schmeckte auch köstlich ... und ungemein süß. "Wart ihr je an einem schöneren Ort?", fragte sie die Männer, während sie sich unterstellten, um auch ohne Schirm ihre Süßigkeit zu genießen.
Caleb und Corax tauschten erneut Blicke. Der Rabe reagierte zuerst und schüttelte den Kopf. Dann aber stutzte er, schaute fast verlegen beiseite und murmelte: "Die Zwergenstadt Nogrot ist nicht halb so schön, aber die haben tolle ... heiße ... Quellen..." Er machte sich mit einem Mal daran, sein Küchlein eiliger zu essen, damit er nicht ins Detail gehen musste. Madiha könnte ahnen, worauf er hinaus wollte. Sie hatte in seine Erinnerungen geblickt. Sie hatte Azuras lüsternes Stöhnen darin sogar gehört und sie hatte Corax' Gefühle auf einer seiner Schriftrollen gelesen. Es war sein erster Moment voller Liebe gewesen. Natürlich besaß dieser einen besonderen Platz und nicht einmal Andunie konnte dagegen ankommen. Sein erstes Mal mit Azura würde für immer in seinem Herzen sein.
"Für mich ist der Ort vermutlich nicht so besonders wie für euch", sagte Caleb. Er hob die Schultern an. "Ich bin hier aufgewachsen. Es mag nun anders sein, aber manche Dinge ändern sich nie. Ich kann es aber nachvollziehen. Ich habe ähnlich reagiert, als ich sarmaer Sand zum ersten Mal betreten habe. Letztendlich ist jeder Ort wunderschön, wenn man in der richtigen Gesellschaft ist." Seine Augen hafteten an Madiha. Plötzlich klang das Regenprasseln viel leiser und auch die Schreie der Händler drangen nur wie durch Watte. Die Luft war erfüllt von einer Langsamkeit, während tiefblaue Fjorde umgeben von Schilfgras über Madihas Gestalt wanderten, nur um erneut an ihrem Blick hängen zu bleiben. "Ich möchte dir etwas schenken. Irgendetwas, Madi. Schau dich um, such dir etwas aus. Ganz gleich, was es ist, du sollst es haben."
Corax runzelte die Stirn und schaute den Dieb fragend an, doch seine Entschlossenheit bekam keine Risse. Der Rabe hingegen musterte die vielen Stände auf dem Markt. Offenbar überlegt er, was er sich wohl aussuchen würde, wenn man ihm diese Gelegenheit böte. Der Schuster war weit entfernt, aber neue Stiefel konnte ein jeder gebrauchen. Vor allem bei diesem nasskalten Wetter wär Ersatz sicher keine schlechte Idee. Oder ein warmer Mantel, Pelz gefüttert vielleicht? Es gab nicht nur einen Schneider für solche Anlässe. Der Dunkelelf zuckte und neigte sich dann bis an Madihas Ohr herab, dass es dieses Mal Caleb war, der die Stirn kraus zog.
"Ganz gleich, in welchen adligen Kreisen du dich bewegst - Elfen, Andunier - sie alle tragen immer pompöse Kleider, schöne Frisuren und Schmuck, der eine Königs würdig wäre." Einen Juwelier gab es am Rand des großen Marktplatzes auch. Sollte Madiha Corax' Ideen aufnehmen, wäre der Besuch bei einem Haartrimmer jedoch die schlechteste Wahl. Der Regen würde binnen Sekunden alles wieder zerstören, obgleich ihre selbst abgetrennten Strähnen durchaus ein wenig Struktur gebrauchen könnten. Vielleicht hatte sie es aber auch auf etwas ganz Anderes abgesehen. Andunies Markt bot schließlich so viele Leckereien oder Gebrauchsgegenstände. Man konnte sogar bei einem der Instrumentenbauer ein Klavier auf Rollen erstehen! Und bei den Tiergehegen waren sie auch noch nicht gewesen. Was immer ihr Herz begehrte, Caleb würde dieses Verlangen stillen.
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Freitag 14. Juli 2023, 23:57

Sicherlich hätte man Madiha für naiv und kindlich halten können, wie sie durch die Pfützen sprang und sich am Regen erfreute. Sie zeigte eine Ausgelassenheit, die vielen im Laufe ihres strengen Lebens abhanden gekommen war. Doch Madiha’s Leben begann erst. Zumindest glaubte sie da. Mit jedem Tag ohne echte Ketten, wollte sie mehr vom Leben erfahren das man ihr 17 Jahre lang weggenommen hatte. Sie wollte wissen, wie man ein kleines Beiboot ruderte, wie man in Andunie einkaufte und wie sie ihrem Leben einen Sinn geben könnte. Madiha wollte sein, wer sie war. Dass auch ein Leben in Freiheit manchmal mit Ketten verbunden und schmerzhaft war, das lernte sie ebenfalls gerade. Aber es brauchte nur ein aufmunterndes Wort und eine Umarmung, um sie auf andere Wege zu führen. Zuspruch war selten in ihrem Leben und noch seltener war es gewesen, dass jemand zuhörte und sich auch wirklich mit ihr beschäftigte. Corax aber spielte inzwischen nichts mehr vor. Madiha glaubte ihm, dass er sie nicht nur als Herrin behandelte und pflichtschuldig tat, was er für richtig hielt. Sie hatte das geheime Gefühl, dass er es ernst mit ihr meinte und das konnte ein wenig über das schwere Gefühl durch Calebs Reaktion hinwegtäuschen. Damit waren die Zweifel nicht fortgewischt und sie immer noch nicht sicher, dass Caleb nicht doch irgendwann genug von ihr hätte. Doch es schaffte Linderung und die nahm sie dankbar an. So schaffte sie es auch, dass sich ihre Sorgen ein wenig zerstreuten und sie sich neugierig auf alles stürzte, was man ihr zeigte. Es war kaum verwunderlich, dass der Händler mit seinen Backwaren unheimlich leichtes Spiel mit Madiha’s Begeisterungsfähigkeit hatte. Das Mädchen kam aus dem Staunen nicht heraus und sprach laut ihre Gedanken aus. Es schmeichelte dem Inhaber und sie lächelte leicht.
Als er ihr zwei anbot, wollte sie gerade begeistert nicken, als sich Caleb einschaltete. Neugierig beobachtete sie ihn dabei, wie er souverän den Bäcker handelte und hielt am Ende tatsächlich ein kleines Törtchen in der Hand. Sie betrachtete es länger und sah den anderen dabei zu, wie sie Stück um Stück vertilgten. Es war schade, das einfach so essen, aber die Neugierde auf den Geschmack überwog dann die Optik. Sie biss hinein. Und während sich der Zuckerguss auf ihrer Nase verteilte, schloss sie die Augen und kaute genüsslich. Nie… niemals hatte sie etwas vergleichbares gegessen. Madiha hatte das Gefühl, in ihrem Leben nichts anderes mehr essen zu wollen. Somit war es auch kein Wunder, dass die folgenden Bissen schleunigst folgten und sie ihr Törtchen in nullkommanix aufgegessen hatte. Sie leckte sich gerade noch die Finger ab, als sie berauscht vom Zucker nach dem schönsten Ort fragte. Corax reagierte verlegen und Madiha erinnerte sich nach einem kurzen Stutzen, woran das liegen könnte. Auch sie wurde etwas rot und räusperte sich. Plötzlich war es unangenehm, dass sie um sein Stelldichein mit Azura wusste. "Ich bin hier aufgewachsen. Es mag nun anders sein, aber manche Dinge ändern sich nie. Ich kann es aber nachvollziehen. Ich habe ähnlich reagiert, als ich sarmaer Sand zum ersten Mal betreten habe. Letztendlich ist jeder Ort wunderschön, wenn man in der richtigen Gesellschaft ist."

Sie hob ihren Blick und traf auf das blaugrün, das ihr das Herz beschleunigte. Versinken wollte sie darin und vergessen, dass es eine Dunia gab. Eine Azura. Ein Corax. Vergessen, dass sie in keine dieser Fußstapfen passte und stets darum würde kämpfen müssen, gesehen zu werden. Madiha war aber genügsam. Sie hatte so wenig vom Leben erhalten, dass sie sich mit dem allerkleinsten zufrieden gab. Wenn er sie ab und zu so ansah, würde sie bleiben, bis er sie fortjagte. Madiha erwiderte seinen Blick liebevoll. Der Schmerz war dank des Marktes und der Törtchen vorerst vorüber und so lächelte sie Caleb schief an. Sie spürte, dass ihre Ohren warm wurden und sicherlich sah man die Röte, als er seinen Blick über sie wandern ließ. Corax sagte mal, dass man nur glauben müsste, damit es wahr würde. Vielleicht sollte sie einfach nicht aufhören daran zu glauben, dass er jedes Wort so meinte, wie sie es noch gut in Erinnerung hatte. Dass er Angst um sie gehabt hatte, als sie eine Woche nicht bei Bewusstsein war. Dass er sie nicht verlieren will und dass er ihre Gesellschaft schätzte. Dass er sie nicht eines Tages langweilig finden würde. Dass er erkannte, wie wenig sie doch zu bieten hatte in einer Welt voller Möglichkeiten. Sie würde vielleicht niemals über diesen Punkt hinauswachsen können… ob er das ahnte? Madiha schlug die Augen nieder als Caleb Luft holte.
"Ich möchte dir etwas schenken. Irgendetwas, Madi. Schau dich um, such dir etwas aus. Ganz gleich, was es ist, du sollst es haben." Sie stutzte und hob den Blick wieder. Madiha sah ihn erst fragend an, dann wanderten der Blick unsicher zu Corax, ehe er zu Caleb zurückhuschte. „Mir?“, fragte sie etwas überflüssig aber deutlich überrascht nach. Dann wanderte ihr Blick zu den Markständen, die sich teilweise vor ihr ausbreiteten. Es gab hier so viele Möglichkeiten und gesehen hatten sie noch nicht alles. Sie überlegte ein wenig überfordert. Was könnte sie schon wollen?
Madiha ließ den Blick schweifen und erfasste den Instrumentenbauer und Schuster. Sie sah einen Schmuckstand und hörte mit einem Mal Corax‘ Stimme sehr dicht an ihrem Ohr. Das Mädchen runzelte die Stirn. Schmuck?? Aber das war doch nur den hohen Herren und Damen vorbehalten?! Sie warf Corax einen unsicheren und fragenden Blick zu und murmelte: „Schmuck und Kleider?? Aber ich kann doch nicht einfach so tun als ob…als ob ich... Ich weiß ja gar nicht…was..“, brach sie ab und sah dann wieder zum Markt zurück. Ihre Hand wanderte wie von selbst zu ihrer Hosentasche und griff nach der Muschel mit Loch. Ihr kam eine Idee und etwas sicherer präsentierte sie auf ihrer Handfläche das gefundene Kleinod.

Sie hielt dieses hoch und drehte sich zu den Männern um. „Vielleicht…“, sie wirkte trotzdem etwas überfordert damit, überhaupt etwas zu fordern, „vielleicht können wir beim Schmuckhändler ein Band kaufen, damit ich sie umhängen kann?“, fragte sie bescheiden und meinte es trotzdem vollkommen ernst. „Oder beim Schuster? Vielleicht hat er noch etwas Leder übrig…“ Woher sollte sie auch wissen, was es bei einem Juwelier zu erstehen gäbe. Dass Caleb bereit wäre, ihr weitaus mehr als ein einfaches Band zu schenken? Oder was dieses überhaupt kostete? Und dass man durchaus auch als kleines, sarmaer Sklavenmädchen in Andunie zu einem Haarschneider gehen durfte, um sich die behelfsmäßige Maskerade zurechtzustutzen? Oder zum Schneider, um sich für jeden Anlass eine Robe herstellen zu lassen, damit man ausstaffiert verzaubern konnte? In Sarma kamen der Barbier und der Bader, sowie der Ankleider und Schneider zu den reichen Pfeffersäcken und nicht andersherum. Sie wusste gar nicht, dass man dafür bezahlen könnte und diesen Luxus genießen durfte. Und so steckte sie die gefundene Muschel behutsam wieder zurück und lächelte beide an. „Sie wäre bestimmt ganz hübsch an einem Band.“, sprach sie aus und dachte immer noch in sehr kleinen Bahnen. "Oh, und ich... dahinten gibt es einen Stand mit Blumen in sämtlichen Farben. Ich würde gerne welche kaufen...", sprach sie leise aus. Sklaven forderten nichts und Sklaven äußersten keine Wünsche. Es war ungewohnt und doch wusste sie, dass sie keine Sklavin mehr war.
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Erzähler » Samstag 15. Juli 2023, 14:52

Schon auf dem Weg zum Markt hin lag Calebs Blick mehr auf Madiha und ihrem Verhalten als auf der Umgebung. Andunie mochte von fremden Völkern überrannt und eingenommen worden sein, aber er kannte es nach all den Jahren immer noch. Er hatte in der Woche, in der seine Wüstenblume und Azura bewusstlos gewesen waren, genug Zeit gehabt, sich einen Überblick zu verschaffen. So viel verändert hatte sich wirklich nicht und ihn faszinierte, dass die meisten Dunkelelfen freundlicher waren als es den ersten Anschein erweckte. Viele von ihnen waren nachgereist und suchten in der Handelsstadt einen Neubeginn. Er hatte sich sogar mit einigen von ihnen unterhalten können. Sie wollten dem faldorisch geprägten Morgeria entkommen und lieber in Manthalas Schatten stehen. Manthala, Göttin des Handels. Sie war Andunierin nicht unbekannt und versuchte offenbar, nun hier Fuß zu fassen. Ob Ventha dies so sang- und klanglos zuließ, blieb abzuwarten. Im Moment wirkte die launische Göttin eher verstimmt. Noch immer prasselte Regen auf die Stadt herab. Blitze erhellten gelegentlich den Himmel mit seinen Wolkenbergen, welche das Tageslicht zu verschlucken vermochten. Und trotzdem hatte Caleb nur Augen für Madiha.
Er beobachtete sie, wie sie neben ihm herging. Er lächelte, als sie nach seinem Arm griff und schaute ihr mit warmem Blick zu, wie sie durch die Pfützen sprang. Er half aus, als es darum ging, die Küchlein vom Bäcker zu erstehen und grinste schief, nachdem Madihas Nase auf den ersten Bissen hin etwas Zuckerguss zierte.
"Ich liebe dich", murmelte er, mehr zu sich selbst und deshalb so leise, dass es vermutlich in der Geräuschkulisse des Marktes unterging. Corax aber hatte es gehört. Seine Spitzohren zuckten und er spähte in Calebs Richtung. Wenig später erwiderte jener den Blick und in ihm keimte der Wunsch, Madiha nicht nur den Besuch auf dem Markt zu schenken, sondern auch etwas, das man dort erstehen konnte. Wie sehr sich beide Männer tatsächlich darum bemühten, dass sie lächelte, bemerkte sie möglicherweise nur am Rand ihrer Wahrnehmung. Es gab zu viele Reize, die sie abzulenken wussten. Aber als Caleb sie direkt ansprach und Corax ihr durch sein Wispern einen Schritt in die richtige Richtung an Wünschen wies, konzentrierte sie sich wieder auf ihre beiden Begleiter.
Ihre Augen, in denen sich Venthas Wetterlage farblich widerspiegelte, wanderten dabei zunächst zum Dunkelelfen. Seine Rubine erfassten sie und er nickte aufmunternd, wo Madiha Unsicherheit ergriff. Sie konnte nicht ganz glauben, dass Caleb ihr - ihr! - Schmuck und schöne Kleider wirklich spendieren würde. Zum einen wären sie teuer, zum anderen trugen solche kostbaren Dinge nur die Adligen, wie Corax selbst erwähnt hatte.
"Schmuck und Kleider?? Aber ich kann doch nicht einfach so tun, also ob ... als ob ich ..."
"Meine kleine Herrin sollte stets gut ausstaffiert sein", erwiderte Corax gegen ihr Ohr, aber nicht einmal er wagte es, das laut auszusprechen. Er hatte hier nur die Möglichkeit, ihr einen Schubs in die richtige Richtung zu weisen. Mitspracherecht gab es eigentlich nicht für ihn und damit war nicht unbedingt der Hintergedanke offen, dass er sich noch immer als Sklaven sah. Caleb würde all das bezahlen müssen, was Madiha sich wünschte. Der Rabe konnte unmöglich auf das Ersparte seines Freundes zurückgreifen, nur weil er seine Herrin in den schönsten Kleidern sehen wollte. Sie mussten alle realistisch bleiben. Dass Madiha hier erneut ihr eigenes Wohl in den Schatten stellte und sich weniger erlaubte, als sie anderen bereit wäre zu geben, war Zeugnis ihres eigenen bisherigen Schicksals. Auch hier beobachtete Caleb sie genau. Seine Braue formte sich zu einem hochgezogenen Bogen, als sie die Muschel vom geheimen Strandstück zu Tage förderte. Auf ihre genügsame und für sie so wichtige Bitte hin, einfach nur ein Band für das Kleinod zu beschaffen, schmunzelte er. Sein Herz ging ihm auf und dieses Mal drängte es ihn zum Handeln. Caleb trat dicht an Madiha heran. Er neigte sich etwas herab, bis sie auf einer Höhe waren und einander in die Augen schauen konnten. Seine Hände legten sich wie ein Schutzschirm über die ihre, in der die Muschel darauf wartete, durch ein Band zu einem Schmuckstück gewandelt zu werden. Calebs Finger strahlten Wärme aus. Dann spürte Madiha diese Wärme auch auf ihrer Nasenspitze. Der Dieb küsste den Zuckerguss fort. "Ich liebe dich so sehr, Madi."
Caleb hielt den Blickkontakt noch einen Moment aufrecht, dann richtete er sich wieder auf, wobei er die Muschel beim Zurückziehen seiner Hand aus Madihas Fingern entnahm. Er hielt sie kurz hoch, bevor er sie in der Innentasche seines Gehrocks verwahrte. "Ich beschaffe dir ein Band." Er schaute über Madiha hinweg zu Corax und zückte anschließend einen Beutel. Mit flinken Fingern entnahm er ihm einige silbern glänzende Lysanthemer und eine Hand voll kupferner Fuchsmünzen. Jene überreichte er Corax, der sie in seine Hosentasche rutschen ließ. Dann erhielt der Rabe noch den Schirm. "Ich besorge das Band für deine Muschel, Madi. Geh du mit Corax inzwischen zu einem Barbier oder Stübner, falls ihr einen finden könnt."
"Stübner?", erwiderte Corax fragend.
"Sie betreiben in Andunie eine Badestube, pflegen aber auch Haar und Haut. Sie bieten mehr Dienstleistungen an als ein Barbier." Caleb ließ den Blick über den Markplatz streifen, entlang der angrenzenden Gebäude. Er brummte. "Sie haben das kleine Badehaus am Markt komplett eingerissen." Dann hob er die Schultern. "Schaut euch um. Manchmal sind zwischen den Ständen auch fahrende Barbiere. Die trimmen zwar eher den Bart, aber vielleicht lässt sich jemand mit genug Geld überreden. Ich überlasse das dir, Corax. Ich bin bald zurück. Keine Sorge, ich finde euch!"
Und so eilte Caleb hinüber Richtung Schuster. Es lief demnach wohl auf ein Lederband hinaus. Corax hingegen stupste Madiha in Ermangelung eines zweiten Armes mit der Hüfte an, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. "Lass uns zuerst Caleb Vorschlag nachgehen. Vielleicht hört der Regen auf, bis wir fertig sind. Dann knicken die Blumen auch nicht sofort ab. Ich bin sicher, es bleibt genug Geld übrig, um dir einen ganzen Strauß zu kaufen, Herrin."
Corax und Madiha schlenderten daraufhin eine Weile über den Markt. Der Elf war dabei stets darauf bedacht, Madiha mit dem Schirm zu schützen. Er wagte es nicht, sich nach der Ware umzuschauen, solange die Tochter der Wüste nicht selbst stehenblieb, um einen Blick darauf zu werfen. Zwischen einem Stand mit handgewebten kleinen Teppichen und trübem Apfelmost fand sich dann auch ein Barbier. Er stammte aus Pelgar, war von dort aber bis nach Andunie geflohen, da ihm die strenge Hand der dunklen Völker in der celcianischen Hauptstadt überhaupt nicht zusagte. Der Mittvierziger widmete sich Madiha sofort, kaum dass Corax ihn für seinen Dienst ausgezahlt hatte. Das Mädchen erhielt eine Begradigung ihrer eigenen Handhabe, um das Haar zu stutzen, würde aber auch jede bleiebige, mögliche Frisur erhalten. Der pelgarische Barbier war ein Kenner seines Fachs. Es dauerte trotzdem immens lange, bis er fertig war. Lange genug, dass Corax für Madiha und sich eine kleine Flasche Apfelmost erstand, aus der sie abwechselnd trinken konnten. Und irgendwann tauchte auch Caleb wieder auf, um seinerseit - völlig durchnässt - einen Schluck zu nehmen. Anschließend grinste er Madiha entgegen und reichte ihr die zur Kette umfunktionierte Muschel. Wie versprochen hing sie nun an einem hellen Lederband, aber Caleb hatte es sich nicht nehmen lassen, Holzperlen in der Farbe ihrer Augen ebenfalls einfädeln zu lassen. Im Wechsel aus blau und grau zierten sie nun die Muschel zu beiden Seiten und ließen sie dadurch nur noch etwas heller hervorstechen.
Noch während der Barbier an Madiha herum schnitt, legte, Caleb ihr das kostbare Schmuckstück um. Zufrieden betrachtete er sein Werk und nickte. "Es lässt dich nur noch mehr nach einer Wassermagiern aussehen", gluckste er.
"Das liegt an der Akademie-Gewandung", argumentierte Corax. "Sobald sie diese wieder ablegen muss, wird die Muschel allein den Eindruck erwecken." Daraufhin brummte der Dieb. "Du hast recht", meinte er. "Madi, du brauchst dringend anständige Kleidung." Da ließ er sich auch nicht hereinreden.
Sobald die neue Frisur saß und nicht nur von Caleb immer wieder Blicke auffing, spazierte das Trio weiter. Der Regen hatte nicht nachgelassen. Besseres Wetter stand absolut nicht auf dem Plan. Dafür wollten sie aber neue Kleidung erstehen. Madiha konnte noch so oft erwähnen, dass es nicht nötig sei. Die Männer klapperten mit ihr Stände von Schneidern ab, besuchten kleine Geschäfte für Schals und andere zierende Accessoires und kauften. Oh, sie kauften viel ein. Madiha durfte sich einen kompletten Satz an einfacher Kleidung zusammenstellen, während Caleb immer noch hier und da weitere Dinge in Papier oder Leinen wickeln ließ. Nach und nach verwandelte er sich in einen richtigen Packesel. Corax konnte ihm nicht einmal aushelfen, denn er trug den Schirm. Trotzdem wollten die Herren der Schöpfung ihre Tour noch nicht beenden. Sie hatten Spaß. Vor allem zeigten sie sich begeistert, wenn Madiha etwas erfreute. Und dann wechselte Geld den Besitzer.
Wieviel Zeit verging, wusste keiner von ihnen. Caleb konnte es im anhand der Schmerzen in Armen und Rücken vielleicht abschätzen, aber er beklagte sich nicht. Stattdessen folgte er Madiha und Corax inzwischen als Schlusslicht, wirkte aber noch nicht vollends abgeschafft. Trotzdem wurde es Zeit für eine kleine Pause. Da der Regen immer noch munter aus den Wolken herabfiel, suchte der Wüstendieb einen Unterstand und stellt dort die vielen Pakete, Tüten und zusammengerollten Schätze für Madiha auf einem Fass ab. So blieben sie trocken.
Caleb streckte den Rücken durch, dass es knackte. Als Corax den Unterstand erreichte, nahm er ihm den Schirm ab und fragte: "Wieviel Geld haben wir noch?" Der Rabe zückte die Börse. Sie hatte immer wieder in seine Hand gefunden, wann immer Caleb die eigenen voll mit neuen Sachen hatte. Dann musste Corax die Münzen abzählen. Das tat er auch jetzt. Viel war nicht mehr übrig. Caleb zuckte dennoch nur mit den Schultern. "Für eine Kleinigkeiten zu Essen reichte es best..." Er verstummte und schaute an Corax' Schulter vorbei und über den Platz. Auf der anderen Seite präsentierte sich ein mannshohes Schaufenster zwischen Gebäuden zu beiden Seiten. Auch aus der Ferne konnte man die präsentierte Ware deutlich sehen. Auf Puppen drapiert ergossen sich fließende Stoffbahnen in den schönsten Farben. Manche besaßen halbdurchsichtigen Bausch, andere waren mit Perlen oder glitzernden Edelsteinen bestickt. Gold- und Silberfaden funkelten an Säumen oder entlang eines Spitzen-Ausschnitts. Das kleine Geschäft für abendliche Tanz- und Brautmoden zog Caleb in seinen Bann. Er ließ die gekauften Sachen stehen und spazierte einmal geradlinig über den Platz. Corax nickte Madiha auffordernd zu: "Na los, begleite ihn. Ich pass auf die Sachen auf und warte, kleine Herrin."
Caleb hatte das Schaufenster bereits erreicht. Sein Blick lag auf zwei Kleidern an der linken Seite. Eines davon bestand aus einem tiefen Blau, das in einem Verlauf aus Schwarz am unteren Saum endete. Diamanten oder Edelsteine, die ähnlich glitzerten - vielleicht war es aber auch nur Glas - zierten den kompletten, unteren Bereich des Kleides. Sie glitzerten wie Sterne, obwohl der Stoff eher an die Tiefe des Meeres erinnerte. Der schulterfreie Bereich endete in weißen Wogen, die wie Schaumkronen aussahen und sich über die Länge der Arme zogen um in weiten Trompetenärmeln zu enden. Dort hingen weitere, tropfenförmige Edelsteine von Silberfäden herab, so dass jede Handbewegung der Erinnerung eines magischen Regengusses gleichkam.
Das andere Kleid hingegen glänzte mit einer nicht enden wollenden Reihe aus schuppenartigen Pailletten. Es war schlank gehalten, ebenfalls Schulterfrei, besaß aber auch keine Ärmel. Stattdessen trug man rechterseits einen fingerlosen Handschuh in einem Gemisch aus ebenso schönem Smaragdgrün und Blau wie das Kleid selbst. Am linken Handgelenk zeigte sich ein Armband aus lachsfarbenen Korallen, zwischen denen kleine Seesterne eingeprägt worden waren. Diese fanden sich auch als Stickerei vereinzelt auf dem Schuppenkleid, so dass das gesamte Gewand an eine Meerjungfrau erinnerte. Die Farben aber passten zu Calebs Augen, welche auf beide Kleider gerichtet waren. Freilich gab es noch zahlreiche andere, aber diese beiden hatten es ihm wohl angetan.
"Was immer es kostet, such dir eines aus, Madi. Und dann tanzen wir...", murmelte er, ohne den Blick abzuwenden und somit überhaupt zu wissen, ob seine Angebetete denn zuhörte.

Mod-Hinweis: Madiha darf sich im Laden ein Kleid aussuchen. Entweder eines der vorgestellten oder beschreibe eines nach deinen eigenen Wünschen. Pompös und ausladend muss es allerdings schon sein, so dass der Geldbeutel weint ;)
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 16. Juli 2023, 20:41

Madiha hatte keine Ahnung, dass sich Corax und Caleb aktiv darum bemühten, dass sie sich wohl und vor allem willkommen fühlte. Das Mädchen ließ sich mitreißen von den banalsten Dingen und zeigte dennoch pure Lebensfreude. Sie konnte sich über einen einzelnen Regentropfen freuen und das obwohl dieses Element im Grunde nicht ihrem Naturell entsprach. Sie kam aus der staubigsten, trockensten Gegend, die Celcia wohl zu bieten hätte. Sie war Sand und nochmal Sand gewohnt. Heiße Tage und bitterkalte Nächte waren ihr nicht fremd, doch dass es so ausdauernd regnete? Sie war fasziniert davon. Schlicht und einfach. Madiha wurde immer wieder von den Eindrücken abgelenkt und so war es kaum verwunderlich, dass sie die warmen Blicke seitens Caleb und ein Schmunzeln nicht wirklich mitbekam. Fasste sie dennoch mal seinen Blick auf, erwiderte sie diesen ebenso liebevoll, wie er ihr zuteilwurde. Die Szene im Gang der Akademie verblasste vorerst. Madiha war nicht nachtragend und ließ sich gleichwohl lieber davontragen, anstatt darüber nachdenken zu müssen, wem sie nicht das Wasser reichen koionnte oder aber in welche Fußstapfen sie nicht passte. Und ob der Mann, dem ihr Herz gehörte, nicht womöglich anderes im Sinn haben könnte. Die Liebe war vollkommen neu für Madiha. Nicht nur dass sie erst wenige Jahre auf Celcia hatte zubringen dürfen, sie hatte in diesen auch keine echte Liebe kennengelernt. Und so entdeckte sie eben auch erst jetzt, was es bedeutete, wenn das Herz einem beim Anblick eines Einzelnen überschwappte und man sich in jede Flut oder Sandsturm begeben würde nur um diesen Einen in Sicherheit zu wissen. Doch wenn man sein Herz öffnete, dann wurde es eben auch verwundbarer. Auch das musste sie lernen. Jetzt aber verschob sie solche Lernprozesse.
Der Markt war die wohl beste Ablenkung. Und ihr hätte es vollkommen gereicht, wenn sie einfach hätte weiter staunen dürfen, doch Caleb hatte mehr im Sinn. Überrascht von seinem Angebot, brauchte sie die Hilfe von Corax, um überhaupt auf eine Idee zu kommen. Dass jene furchtbar bescheiden ausfiel und nicht dem Gedanken hinter Caleb’s Angebot gerecht wurde, bemerkte sie nicht mal. Erst als der Dieb auf sie zutrat, sich ihr entgegenneigte und seine Hände um ihre legte, hob sie den Blick fragend und blinzelte erstaunt als sie seine Lippen auf ihrer Haut fühlte. Errötend lächelte sie auf sein Tun hin und blickte in diese unerschütterliche Ruhe hinein. Das Rauschen des Meeres wurde ein Stück präsenter. “Ich liebe dich so sehr, Madi“ Sie errötete noch mehr und ihr Lächeln wurde strahlender. Vergessen, dass er Corax küsste. Es brauchte nicht viel, um sie zu halten. Er machte das ziemlich gut. Ihre Freude über seine Worte und Taten aber war nicht von Sarkasmus getrübt. Sie empfand viel zu sehr Zuneigung und Liebe, als dass sie seine Worte ins Lächerliche hätte ziehen können. Zu kostbar waren sie, zu sehr Geschenk als alles andere für ihre nach Zuwendung lechzende Seele.

Ihr Blick huschte kurz zu Corax, der alles hautnah miterleben konnte. Verlegen lächelnd schlug sie den Blick wieder nieder und sah erst auf, als Caleb ihr versprach, ein Band zu finden. „Ja wirklich?“, fragte sie begeistert und strahlte. Sie lauschte den Worten, die folgten und runzelte fragend die Stirn, als auch Corax nachfragen musste, was denn ein Stübner war. Interessiert sah sie sich um und suchte mit den Augen nach etwas, das dem entsprechen könnte. Erfolglos heftete sich ihr Blick dann an Caleb, der durch den Regen loslief, um ihren Fund zum Schmuck zu machen. Ihr Blick blieb auf seinem Rücken, der sich schnell vom Regen dunkel färbte, ehe Corax ihre Aufmerksamkeit zurückgewann. Sie nickte auf seinen Vorschlag hin. „Die Blumen müssen etwas halten… ich will sie für seine Eltern aussuchen. Meinst du, sie würden sich darüber freuen?“, fragte sie, während sie ihren Weg fortsetzten. Madiha wirkte bei dem Gedanken an Calebs Eltern nervös, doch auch das verflog, sobald sie an einem Stand kleine und größere Flaschen und Tigel begutachtete. Die Frau hinter dem Stand witterte leichtes Spiel und so drehte sie Madiha hier und dort kleine Cremes und Duftnoten an, die sie zum Kauf anregen sollten. Das Mädchen probierte begeistert aus, kaufte aber am Ende nichts was ihr einen mürrischen Blick einbrachte, den sie nicht verstand. Ihr fiel auf, dass Corax selbst keine Anstalten machte, sich näher für etwas zu interessieren. Also versuchte sie es mit einem Gespräch: „Was würdest du dir aussuchen, wenn du das Geld hättest?“, fragte sie unverblümt. Es war ihr nicht unangenehm, denn sie selbst besaß ebenfalls nichts. Sie beide waren Träumer und leisteten sich allerhöchstens die Illusion. Sie schlenderten weiter und nachdem sie sich noch einen Moment an einem Stand mit allerlei Keramik aufgehalten hatten, fanden sie einen Barbier.
Jener stimmte zu, sich um die etwas kraus geratenen Haare von Madiha zu kümmern und so nahm das Mädchen zögernd auf dem Stuhl platz und harrte der Dinge, die dort kamen. Erst war es furchtbar ungewohnt, dass ihr ein Fremder so nahe kam und sie anfasste, doch mit immer wieder hilfesuchenden Blicken zu Corax, wurde die Anspannung allmählich weniger. Der Barbier beherrschte sein Handwerk offenbar, denn er schnippelte und kämmte, zupfte und knetete ihren Schopf, sodass er am Ende endlich wie eine echte Frisur aussah. Madiha berührte staunend ihre Haare. Sie fühlten sich locker an und wippten bei jeder Bewegung auf und ab. Gleichzeitig hatte sie die Frage nach einem Zopf bejaht und sich einen Halbzopf flechten lassen. Es betonte zwar ihr Gesicht und damit auch ihre Narben, doch das Wüstenkind war begeistert von der Vorstellung, dass man ihr mal die Haare gemacht hatte. Hinzu kam, dass Corax Apfelmost besorgt hatte, der ihr sehr gut schmeckte. Er half ebenfalls dabei, sich etwas mehr zu entspannen. Als Caleb wieder auftauchte zwirbelte Madiha verlegen durch ihre ‚neuen‘ Haare und lächelte zufrieden. Viel mehr Glanz bekamen ihre Augen allerdings, als er ihr die Kette präsentierte. Madiha starrte auf das einfache Kleinod und ließ sie sich von ihrem Dieb umhängen. „Sie ist wunderschön, Caleb. Danke!“, murmelte sie ergriffen und strahlte, während sie die neue Kette um ihren Hals befühlte. Sie war tatsächlich glücklich. Sicher, diese Kette war nichts wert für jemanden mit gierigen Augen, aber Madiha hängte ihr Herz daran und würde sie hüten, wie den kostbarsten Schatz, den jemand haben konnte. Es war das erste, was wahrlich ihr gehörte. Ohne wenn und aber. Und es würde sie an den wundervollen Moment am Strand erinnern, den sie mit Caleb hatte teilen dürfen.

Nachdem der Barbier mit seinem Handwerk zufrieden war, ging der Marktbesuch erst richtig los. Caleb und Corax begleiteten – oder vielmehr ‚leiteten‘ Madiha durch das Stände-Wirrwarr und zeigten ihr, welch Vielfalt herrschte. Madiha bekam den Glanz aus ihren Augen nicht mehr heraus und mit jeder Minute zwischen Marktschreiern, feinen Damen und Lausebengeln, vergaß sie die Welt, die so viel schlechtes bereithalten konnte. Madiha sah das Schöne, das Spannende und Lustige. Und sie sog es auf, um es nicht mehr zu vergessen. Nachdem Caleb ihren Widerspruch bezüglich neuer Kleidung für sie nicht akzeptierte und sie von Stand zu Stand führte, begann der innere Widerstand von Madiha zu bröckeln. All diese Kleidungsstücke, die feinen Schnitte und tollen Farben, ließen das Herz des Mädchend höherschlagen. Wo sie zu Beginn noch den Sinn dahinter nicht sehen konnte, war jener kaum noch wichtig. Allein die Vorstellung, sie könnte solch edle Dinge tragen, ließ ihr Herz hüpfen. Und Caleb ließ seinem Angebot tatsächlich Taten folgen. Wo auch immer Madiha zu strahlen begann, was auch immer ihre Hand ehrfürchtig berührte- er kaufte es. Immer wieder versuchte sie einzulenken, denn insgeheim fragte sie sich schon, woher er all das Geld besaß – kannte sie ihn doch bereits eine Weile – und sie wollte gewiss nicht, dass er in Andunie gleich wieder Schulden anhäufte und sie von einem wütenden Gläubigermob in den nächsten strauchelten. Aber Madiha spürte auch, wie… gut es tat. Wie schön es sich anfühlte, so umsorgt und beschenkt zu werden. Gierig wurde sie gewiss dabei nicht. Jedes Teil, jeden Stoff wusste sie mehr als zu schätzen. Und so war am Ende der Geldbeutel deutlich leichter und Caleb’s Arme vollbepackt. Madiha betrachtete den Berg aus Päckchen und verschnürten Kartons. Ihre Wangen glühten vor Aufregung und Dankbarkeit. Während ihr blauer Blick über die Tüten wanderte, erinnerte sie sich an jeden erstandenen Artikel. Sie war nun das aller erste Mal in ihrem Leben stolze Besitzerin – und dieses Mal ganz offiziell und rechtmäßig- eigener Garderobe. Diese war nicht geliehen oder stibitzt, sie gehörte vorher niemandem und passte ihr, weil die Händler wahres Augenmaß besaßen. Madiha würde sich sehr wohl in ihren neuen Stiefeln, den engen Hosen und den Korsetts oder Westen fühlen. Die Tuniken würden sie aussehen lassen, wie eine Abenteurerin und der Mantel für widrige Wetterlagen, besaß sogar eine große Kapuze.

Madiha’s Augen leuchteten bei einer kurzen, braunen Weste, mit Schnallen und einer hübschen, dezenten Stickerei. Ebenso bei der passenden, dunkelbraunen Hose. Bequeme Stiefel, ließen sie laufen wie auf Wolken. Dazu gab es weiße Tuniken mit schmalen Ärmeln und eine längere, blaue Weste. So hatte sie nun zwei neue Outfits, die ihr Herz höher schlagen ließen. Madiha war im Himmel. So etwas hatte sie bisher nicht erfahren und die überschwängliche Freude ließ ihre Wangen glühen als sie allesamt eine Pause einlegten und sich vor dem Regen unterstellten. Das Mädchen betrachtete all die kleinen und großen Pakete und biss sich auf die Unterlippe. „Das ist… viel zu viel…“, murmelte sie und sah kurz zu Caleb, der nach dem Geld fragte. „Woher stammt das Geld überhaupt? Ich… ich habe völlig vergessen vorher zu fragen.“, meinte sie dann ehrlich und trat auf den Dieb zu. „Ich möchte nicht, dass du meinetwegen Schwierigkeiten bekommst…“, bat sie ihn und hoffte, er würde die Fehler aus Sarma nicht gleich wieder tun. Doch Caleb hörte nur mit einem Ohr zu, denn gerade stockte er mitten im Satz und Madiha folgte seinem Blick. „Was ist…?“, fragte sie noch, als er bereits über den Markt ging, um seine Entdeckung aus der Nähe zu betrachten. Das Mädchen sah fragend zu Corax, doch der Rabe trieb sie ihm hinterher. Zweifelnd folgte Madiha und trat hinter Caleb, der bereits das Schaufenster musterte. „Caleb?“, fragte sie leise, um ihn nicht zu erschrecken und erst jetzt fiel ihr Blick auf die Auslage. Staunend trat sie an die Seite des Diebes und starrte ebenso fasziniert auf die dort ausgestellten Roben, wie er. Madiha’s Herz klopfte. „Sind die…schön..“, murmelte sie leise und mehr zu sich selbst. Die Farben und Formen waren atemberaubend. Die kleinen Details und Accessoires verrieten einem, dass jemand sehr viel Mühe investiert hatte. Madiha lächelte. „Die Mode hier ist atemberaubend schön…“, versuchte sie sich an einem Gespräch. "Was immer es kostet, such dir eines aus, Madi. Und dann tanzen wir..." Madiha’s ’s Lächeln gefror augenblicklich und sie blinzelte fragend. Sie warf Caleb einen verwirrten Blick zu. „Wie bitte?“, hakte sie nach und sah unsicher zu den Kleidern.
Dann machte sie große Augen und schüttelte den Kopf. „Caleb, das… das geht doch nicht ich… das ist viel zu kostspielig und … und außerdem hast du schon so vieles für mich ‚ nein, wirklich das ist…“, sie starrte auf die Kleider und spiegelte sich in dem Glas. „…ich passe da nicht rein…“, murmelte sie sehr leise und es war nicht klar, ob sie standesgemäß oder von der Statur her meinte. Offenbar aber hatten andunische Händler auch ein feines Gehör. Der Händler tauchte plötzlich auf und warf seine Angel aus. „Nicht doch! Wir haben für jeden etwas im Sortiment!“, umgarnte er Madiha, befand sich hinter ihr und schob sie mit einem Mal in seinen Laden. Das Mädchen sah hilfesuchend zu Caleb, doch dann bannte ihr graublauer Blick die Farbenpracht, die hier im Halbdunkel des Ladens auf sie einwirkte. „….beeindruckend…“ japste sie und war noch nie an einem vergleichbarem Ort gewesen.

Die feinsten Roben, eine pompöser als das andere schienen hier zu hängen. Von gewagt kurz, über meterlang, konnte die Frau von Welt hier fündig werden. Nur… war Madiha nicht von Welt. Sie war doch nur… Madiha. Die Kleidung, die sie dank Caleb und Corax erstanden hatte, war schon wundervoll, wenn auch im Vergleich eher zweckmäßig. Reichlich überfordert musste sie aussehen und verloren, während sich ihre Auge in sämtliche Bereiche des Ladens wagten und aus dem Staunen gar nicht mehr herauskamen. Der Händler ließ sich diesen Moment offenbar nicht nehmen. Vielleicht amüsierte er sich aber auch nur über das Mädchen, das den Mund kaum zubekam. Bisher hatte sich Madiha nie etwas aus Prunk gemacht. Und sie zählte Kleider definitiv dazu. Allerdings hatte sich etwas entscheidendes geändert: Sie war verliebt. Sie wollte gefallen, auf sich aufmerksam machen und das ganz natürlich, ohne dagegen viel tun zu können. Zwar würde Madiha nie von sich aus glauben, sie könne sich solch ein Kleid erlauben, aber sie hatte nicht verlernt heimlich für sich zu träumen. Der Händler witterte offenbar einen Neuling auf diesem Gebiet, denn er bedeutete Madiha zu warten und kehrte kurz darauf mit einer furchtbar plüschigen, immens pompösen Robe zurück. Vielleicht der wertvollste Besitz, doch er merkte schnell, wie ihre Augenbrauen in die Höhe wanderten und sie eher panisch wegrennen würde, als ein Kleid zu kaufen. Vielleicht sah man dem Wüstenkind an, dass es zwar beeindruckt war aber keine Ahnung hatte. Also ruderte der Verkäufer zurück und präsentierte ihr so manches Kleid, das zwar wunderschön aber nicht für sie gemacht war. Doch welches Kleid war das schon? Welche dieser Roben würde in hundert Jahren zu einer freien Sklavin aus Sarma passen? Nein. Diese waren nicht für sie bestimmt, sondern für die Azura’s dieser Welt…
Madiha verlor bei all dem gezeigten Stoff und die vielen Farben ein wenig den Mut. Langsam wurde es ihr unangenehm, denn der Händler verlor etwas von dem anfänglichen Elan. Entweder hielt er Madiha für hochnäsig oder für zu plump. Beides waren keine erstrebenswerten Eigenschaften… Hilfesuchend sah sie nach Caleb, wurde aber gleich wieder in Beschlag genommen.
Der Händler gab offenbar auf und reichte ihr ein paar geliehene Handschuhe, damit die Kleider keinen Schmutz erlitten. „Seht selbst…“, wies er das Mädchen an und sie schluckte. Dann trat Madiha auf die Auslage zu und begann damit ehrfürchtig und behutsam hier und dort mal einen Stoff anzufassen. Es gab viele Farben. Und gelb oder apricot wären tatsächlich für ihren Hautton hervorragende Wahlen, doch Madiha zog es dann zu einem nachtblauen Kleid. Hier blieb sie stehen und betrachtete es länger als die anderen. Das Mädchen schluckte abermals und zog ein wenig an dem Stoff, um es besser sehen zu können. Dann klappte ihr der Mund auf. Das Kleid hatte einen leichten, fließenden Stoff und war überall mit glitzernden Accessoires bestickt. Die Korsage würde für eine schöne Taille und Dekolleté sorgen und durch verspielte Träger gehalten werden. Diese besaßen kurze, wehende Ärmel in hauchzartem Tüll, welcher sich im Rock wiederfand. Madiha starrte das Kleid an und … hatte einen feuchten Glanz in den Augen.
Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals , als sie sich zu dem Händler wandte. Jener stand bereit und zog das wundervolle Kleid hervor, um es zu präsentieren. Madiha hielt die Luft an. Es sah aus, wie ein nachtblauer Himmel über Sarma, der all die vielen Sterne präsentierte, die dieses Universum zu bieten hatte. „Es ist... wundervoll…“, hauchte sie ergriffen und rieb sich verlegen über den Arm. „Aber Caleb es… es ist unmö-“, wollte sie einlenken, doch der Händler machte seine Geschäfte eben nicht nur mit den Roben. Er führte Madiha mit sich und in einen hinteren Teil, der blickgeschützt war. Hier ignorierte er ein wenig ihren – zugegeben mauen- Protest und steckte sie kurzerhand in das Kleid. Madiha wagte es erneut nicht zu atmen. Sie steckte in diesem sündhaft teurem Stoff und wusste dennoch nicht, sich darin zu bewegen, obwohl es wie angegossen passte. Oder wagte es zumindest nicht. Doch dann geleitete der Verkäufer sie wieder zurück und präsentierte sie dem wartenden Dieb. Madiha stand reichlich verlegen und ein wenig eingeschüchtert vor ihm und wusste nicht recht wohin mit ihrem Blick und ihren Fingern. Nervös war sie, wie sie da auf den Präsentierteller stand und brachte keinen Laut über die Lippen.



Mantel

2x Alltag

Das Kleid
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Erzähler » Montag 17. Juli 2023, 15:22

Was hatte sie nicht alles auf sich nehmen müssen. Sogar abseits von ihrem Leben als Sklavin in Khasibs Haushalt, bei sie mehr hatte ertragen müssen als Beschimpfungen und Schläge war Madihas Leben niemals leicht gewesen. Selbst als sich bei ihr die ersten Anzeichen magischer Begabung zeigten, hatte es in der Akademoe nur zu Unruhen geführt. Ein Junge wie Palm mochte im restlichen Teil ihres Lebens keine Rolle mehr spielen, aber auch sein kurzer Auftritt auf ihrer ganz persönlichen Bühne hatte seine Spuren hinterlassen. Dann der Angriff auf ihre geliebte Wüstenstadt durch die dunklen Völker und die Angst, Caleb an sie verloren zu haben. Ihre gemeinsame Zeit in den unterirdischen Anlagen des Bundes der Wüstendiebe, bei dem sich herausstellte, dass Caleb mehr Probleme an den Hacken hatte als andere Menschen Haare auf dem Kopf. Seine Flucht vor all dem und die Tatsache, dass er nicht nur eine trauernde Dunia zurückließ, sondern auch Madiha hatte in Sarma lassen wollen. Die Ereignisse auf dem Schiff und der anfängliche Ärger mit Azura zählte ebenso dazu wie der Schrecken, dass Corax sie beinahe erwürgt hätte ... und dann später zu ihrem eigenen Sklaven wurde. Ein Sklave für die Sklavin, die nun eine kleine Herrin war. Und was für eine! Endlich erblühte Madiha, ließ sich vom Treiben auf dem Markt mitreißen und tanzte durch den Regen von einem Stand zum nächsten. Corax kam kaum hinterher, den Schirm über sie zu halten, aber er war bemüht. Außerdem behielt er ein Auge auf Händler, die in Madiha eine Gelegenheit witterten, ihr Plunder für einen horrenden Preis zu verkaufen. Letztendlich zahlte der Rabe, was die Augen seiner kleinen Herrin zum leuchten brachte. Die Tatsache, dass er als Dunkelelf auftrat und das Geld zückte, verwies so manchen andunischen Marktschreier in die Schranken. Da war es wieder, dieser leichte Schatten, der über der Stadt hing. Auch hier fürchteten sich Menschen noch vor den Eroberern ihrer Heimat und sei es nur, weil sie sich einen Rüffel einfangen könnten. Corax jedoch erwies sich als überaus umgänglich. Seine Wortkargheit gegenüber den Verkäufern war es, die diese nervös machten, aber in diesem Fall war es gut, dass solche Leute ein wenig zurücksteckten. Ansonsten hätte Caleb wenig später noch mehr Pakete zu schleppen gehabt, weil Madiha sich gefühlt alles auf dem Markt hätte andrehen lassen. Eine Sache gab es, die sie unbedingt kaufen wollte: Blumen.
Schnell erklärte sie dem Raben auch das Motiv dahinter. "Ich will sie für seine Eltern aussuchen. Meinst du, sie würden sich darüber freuen?"
Corax hob die Schulter, aus der noch ein Arm herauswuchs. "Ich weiß nicht. Ich kenne das Prinzip von Eltern nicht", sagte er mit einer so banalen Neutralität, dass es nicht einmal Mitleid erweckte. Er hatte in seinem Leben niemals Mutter oder Vater kennengelernt. Jene, die ihn großgezogen hatten, waren unheimliche Stockmännchen und später herzlose Dunkelelfen, missbräuchliche Orks und jede Menge Frauen, für die er Sklave in allen Angelegenheit gewesen war. Sie hatten ihm alles abverlangt, selbst Körperteile, aber nie auch nur eine Spur wahrer Zärtlichkeit zurückgegeben. Mütterliche Liebe kannte er nicht, aber auch nicht väterliche Strenge, so wie Caleb sie Madiha geschildert hatte. Corax konnte ihr gar keinen wirklich Rat zu den Eltern des Diebes geben. Er versuchte es dennoch. "Mag Caleb denn Blumen? Such welche aus, die ihm gefallen. Wenn er seines Eltern Sohn ist, werden sie diese Blumen sicher auch mögen." Das war die einzige Logik, auf die der Rabe sich stützen konnte.
Der Kauf eines Straußes rückte jedoch in den Hintergrund, als endlich ein Barbier gefunden wurde. Madiha ließ sich die Haare schneiden und Corax hatte ein Auge auf sie. Tatsächlich nur auf sie, wie sie feststellen musste. Er kaufte nichts für sich selbst, zeigte nicht einmal glanzvolles Interesse für all die wunderbaren Dinge. Er gönnte sich lediglich einen Becher Apfelmost und auch nur, weil er vordergründig einen für Madiha brachte.
Als sie mit frisierten, wippenden Haaren weiter unter dem Schutz des Schirmes zwischen den Ständen entlang schlenderte, fragte sie ihn schließlich: "Was würdest du dir aussuchen, wenn du das Geld hättest?"
Der Rabe brummte nachdenklich. Er beantwortete die Frage auch erst einmal nicht, sondern sah sich auf dem Markt weiter um. Und als schon so viel Zeit vergangen war, dass man meinen könnte, er würde niemals antworten, da kam es wie aus dem Nichts. "Ich weiß es nicht", sagte er. "Vermutlich würde ich das kaufen, was meine Herrin für mich aussucht. Außerdem dürfen Sklaven nichts besitzen." Eine Pause entstand, in der er Madiha lange betrachtete. Schließlich fügte er an und brach damit erstmals aus einem Käfig aus: "Aber ich bin kein Sklave mehr ... jedenfalls nicht in im klassischen Sinn. Ich habe ... Freiheiten. Dank dir, Herrin. Madiha." Er ließ den Blick schweifen. "Trotzdem fällt mir nichts ein, das ich kaufen wollen würde. Für mich nicht. Ich würde ein Geschenk für Azura aussuchen. Oder für dich ... oder Caleb... Neue Körperteile kann man nicht kaufen, oder?"
Einen Stand mit Protesen gab es auf dem andunischen Markt nicht, aber das war auch nicht, was Corax wirklich meinte. Er schlenderte hinter Madiha her und sein Kragen aus kleinen schwarzen Federn erweiterte sich um einige neue Exemplare. Nichts bereute er mehr als Taten, zu denen er gezwungen worden war und unter denen Azura nun zu leiden hatte. Natürlich könnte er auf ihren Wunsch hin sie noch verwöhnen. Das hatte er in den heißen Quellen mehr als bewiesen, aber er selbst empfand nichts dabei. Und doch ... in seinen auf magische Weise niedergeschriebenen Erinnerungen war es gerade jene, in die er all seine Liebe gesteckt hatte. Es war reines Glück für ihn gewesen und er hatte diesen Moment auch als einen schönen Ort Celcias in seinem Herzen verwahrt. Trotzdem würde er gern mit mehr Intenstität spüren können, was er Azura schenkte. Es würde niemals so sein, damit musste er sich abfinden und das tat er auch. Sobald die kleinen Federn aus seinem Nacken sprossen, schien sich sein Gemüt wieder zu verbessern. Der Leidträger gab auch sein eigenes Leid an sich selbst ab, lagerte es aus, um den Kopf frei zu haben für schönere Dinge. Andunies Markt war eine solche Schönheit. Auf Madiha hatte er ganzen Einfluss. Sie befand sich in einem Rausch aus Farben, Bildern und Möglichkeiten, die sie niemals für sich zugänglich gesehen hätte. Und dann war da dieses Geschäft mit Abend- und Brautmoden.
Caleb, der wieder zu ihnen gestoßen war, zog es an wie eine kleine Laterne einen Mottenschwarm. Er blieb vor dem Schaufenster stehen und starrte auf die Ware, die dort an Puppen ausgestellt war. Vor seinem geistigen Auge packte er Madiha bereits in jedes einzelne Kleid, aber auch sie ließ sich in den Bann ziehen. Trotzdem piekte ein kleiner Teil in ihrem Hinterkopf beim Anblick dieser traumhaften Prinzessinnengewänder.
"Das ist ... viel zu viel ... Woher stamm das Geld überhaupt? Ich ... ich habe völlig vergessen vorher zu fragen. Ich möchte nicht, dass du meinetwegen Schwierigkeiten bekommst..."
"Das ist alles Geld, das wir für den Verkauf der Fracht erhalten haben, Madi. Mach dir keine Gedanken", erwiderte Caleb, der in ihre Richtung abwinkte und die Börse zückte. Er wog den Inhalt ab, schätzte ihn grob und deutete dann auf das Schaufenster. "Es wird noch hierfür reichen. Such dir etwas aus, jetzt! Keine Widerrede, ich will dich später am Abend in einem dieser Kleider sehen."
Das schnappte ausgerechnet der Betreiber des Geschäfts auf. Er hatte gerade eine kleine Pause vor seinem Laden gehalten, um seine tägliche Pfeife Tabak zu schmauchen, da hörte er die Entschlossenheit in Calebs Worten. Ein Grinsen breitete sich auf seinen Zügen aus. Solche Kundschaft würde nicht ohne ein Stück den Laden verlassen und sei es nur etwas Billiges, um nicht mit leeren Händen zu gehen. Kurzerhand sprang er darauf an. Genauer gesagt, sprang er Madiha schon fast an und schob sie in sein Geschäft, ehe sie überhaupt an Widerstand denken konnte. Caleb ließ der Händler stehen. Er war der zahlende Begleiter, den brauchte er erst am Ende, wenn die Herzensdame zu viele Reize über sich hatte ergehen müssen. Vielleicht schaffte der gewitzte Geschäftsmann, ihr ein besonders teures Stück oder mehrere der mittleren Preisklasse anzudrehen. Er zog alle Register, musste aber schnell erkennen, dass Madiha sich sogar wohl mit einem Kartoffelsack unsicher gefühlt hätte. Sie schaute nicht nach den Preisen, der Qualität der Stoffe oder welcher Schnitt gerade in Mode war. Sie war ein simples Gemüt, das irgendwie genug Geld für seinen Laden besitzen musste. Der Händler machte sich sein eigenes Bild und es erzählte ihm die Geschichte irgendeiner dürren Apfelbäuerin, in die der noble Begleiter mit Geld in der Tasche sich zufälligerweise verguckt hatte. Er versuchte, eine Dame aus ihr zu machen, aber ein hinterwäldlerischer, stinkender Esel würde auch in einem Ballkleid ein Lastentier bleiben. Dem Verkäufer konnte es egal sein. Er witterte nur die Gelegenheit, Profit zu machen, sah aber auch ein, dass er mit den üblichen Methoden bei Madiha nicht weit kommen würde. Sie musste sich in eines der Kleider verlieben, um es kaufen zu wollen. Also präsentierte er ihr seine Kostbarkeiten nicht mehr, sondern reichte ihr ein Paar Handschuhe, damit sie selbst auf die Suche gehen konnte. Und da geschah es. Wie ein Juwel inmitten des Sternenmeers, das Tüll, Stoff und eingestickte Edelsteinsplitter erst zu dem Kleid machen, leuchtete es Madiha entgegen. Jegliche andere Mode und war sie noch so teuer verarbeitet, blendete sich aus. Sie alle rückten in den Hintergrund, um Platz für diesen Traum eines Nachthimmels zu machen, der nur auf Madiha gewartet zu haben schien.
Bereits als sie das Kleid sah, wusste sie, dass sie das Zentrum eines sarmaer Märchens würde, sobald sie es trug. Da gab es wundersame Geschichten von armen Sklavinnen, zu denen die Geier kamen. Sie pickten faule Linsen auf und lasen die guten aus der Asche, was zur Folge hatte, dass verstorbene Wüstengeister einstiger sklavinnen ihr ein Ballkleid aus Geisterseide schenkten, das bis zum Sonnenaufgang hielt. Das Märchen endete damit, dass der geheimnisvolle Sohn des Sultans sie nicht vor dem Morgen ziehen lassen wollte und sie am Ende nur noch in einem Paar Glasschuhe dastand, die sie auch dann noch trug, als er ihre Wüstenblume ... bestäubte.
Eine andere Geschichte erzählte von der schönen, angesehenen Wüstenprinzessin, die jeden Mann um den Finger wickeln konnte und es war am Ende doch ihre Dienerin, die das Herz des gewitzten Wüstendiebes eroberte, weil ihr Charme sich zu Juwelen und einem Gewand aus Sternenzauber formte. Er nahm sie mit sich auf seinem fliegenden Teppich und liebte sie dort im Flugwind, dass sie ihr Kleid verlor. So soll der Sarmaer Sternenhimmel geschaffen worden sein.
Es waren wunderschöne Märchen und Geschichten, die die Haremsdamen sich erzählten, um von ihrem Schicksal abzulenken. Viele drehten sich darum, bei einem noblen Mann aufzufallen, der sie aus ihrem schicksalhaften Leben voll Kummer befreite. Die meisten aber beinhalteten auch stets, dass diese armen Geschöpfe für eine Nacht nur wunderbar aussahen. Sie erhielten Geschenke von Feen, Nymphen oder anderen Zauberwesen und zumeist verwandelten sie sich dadurch im Schutz des Vollmondes in wahre Schönheiten. Sie trugen Seidengewänder, Schals und Schmuck, der teurer war als alles, was Celcia zu bieten hatte. Und so stachen sie aus der Masse anderer, tauglicher und meist garstiger reicher Frauen heraus. Sie verzauberten ihre Prinzen mit dem Anblick eines traumhaften Kleides, das ihr Lächeln unterstrich.
Madiha wusste, dass sie soeben ihr Kleid gefunden hatte. Sie musste den Nachthimmel tragen, damit Caleb sicher unter ihm wandeln konnte und dieser Himmel musste glitzernde Juwelensterne besitzen, um ihn zu locken, sie zu stehlen. Sie und das Herz seiner Wüstenblume ... vielleicht sogar mehr. Madiha starrte das Kleid an. Der Händler witterte endlich seine Chance. Mit wenigen, aber zügigen Schritten war er heran, löste das Kleid von der hölzernen Puppe und hielt es vor Madiha in die Höhe.
Jene konnte ihr Starren nicht beenden, schwärmte sowohl für den Tüll als auch die vielen Splitter, die nur einem Sternenedelstein hatten entspringen können. Bei jeder Bewegung des Stoffes glitzerte der darin gefangene Himmel ihr entgegen. So viel Schönheit konnte niemals erschwinglich sein, wenn man nicht eine waschechte Prinzessin war oder eine Märchenfee mit Zaubertauben zum Freund hatte. "Aber Caleb es ... es ist unmö-", begann sie, doch sowohl ihr geliebter Dieb als auch der Händler trafen gerade eine wortlose Vereinbarung. Caleb hob das gesamte Säcklein mit verbliebenen Münzen empor. Der Händler griff danach, um einen Blick hineinzuwerfen. Er nickte und steckte dann die gesamte Börse an seinen Gürtel. Nicht eine einzige Fuchsmünze erhielt der Dieb zurück. Trotzdem machte er einen zufriedenen Eindruck, als der Verkäufer Madiha schon in die hinteren Bereiche seines Ladens mitnahm. Dort erhielt sie Gelegenheit, sich umzuziehen. Er übernahm den Rest, hätte sogar Teile des Kleides nochmal schneiderisch abgesteckt, um sie im Eilflug zu ändern. Hier zeigte sich aber, dass dieses Kunstwerk aus Stoff, Tüll und Glitzer nur für das Wüstenkind bestimmt sein konnte. Es passte perfekt. Sie würde sich nicht einmal den Ausschnitt auspolstern müssen. Das Dekolletée des Kleides erwartete keine üppige Figur wie Azura sie bot - geboten hatte. Aktuell wirkten ihre sonst so reifen Früchte ja eher vertrocknen und hingen schwer wie faul von den dürren Ästen ihres Körperbaumes. Ob sie jemals wieder zur alten Form zurückfand? Ansonsten bliebe ihr vermutlich für immer verwehrt, was Madiha nun für sich entdecken durfte.
Der Verkäufer zupfte noch ein wenig Ärmel und Kragen zurecht. Dann meinte er: "Zu einem solchen Gewand gehören anständige Schuhe. Für den Preis lege ich ein Paar der ... günstigeren dazu, die ich im Lager habe. Bitte, wartet im Laden oder wollt Ihr das Kleid schon wieder ausziehen? Dann packe ich es Euch ein."
Madiha wollte sich zumindest einmal Caleb präsentieren, auch wenn sie unter dem Sternenhimmel noch immer die vom Regen feuchten Stiefel trug. So führte der Händler sie zurück. Dort spiegelte sich ein Bild wieder, wie sie sich bei Entdeckung dieses Traumes aus stofflich gewordenem Himmel gezeigt haben musste. Caleb starrte. Er ließ die Arme achtlos an beiden Seiten seines Körpers herab baumeln und starrte sie nur an. Dann schluckte er leer, befeuchtete seine Lippen, brachte aber kein Wort heraus. Der Mund stand ihm trotzdem offen. Er versuchte sich an einem Lächeln, was erstmals misslang. Ratlos griff er in seine Haare, bändigte sie durch ein kurzes Zurückstreichen, ehe sie sich erneut in ihrer zügellosen Wildheit freikämpften. Er schob die Hand in den Nacken, während seine Wangen glühten. Der Dieb hatte Beute gefunden. Die kostbarste, teuerste Beute, die jemand mit seiner Profession auf Celcia antreffen konnte und in seinem Hinterstübchen sponn er bereits einen Plan, sich diesen Schatz zu eigen zu machen.
"Wie ich sehe, gefällt es nicht nur Eurer ... Schwester? Bekannten? Verlobten?" Der Händler hob die Brauen an. Klatsch war ihm fast so lieb wie ein gutes Geschäft. Letzteres hatte er soeben geschlossen. Er musste Madiha nur noch ein Paar passender Schuhe reichen. Auf Ersteres sah er es nun ab, damit er gegenüber seiner eigenen Frau wenigstens noch mehr zu erzählen hatte als die alltäglichen Floskeln und das Gezeter vor'm Schlafengehen, weil außer Schlafen nichts weiter passieren würde.
Caleb ließ ihn unfreiwillig zappeln. Er hustete: "V-ver...?!" Dann räusperte er sich und streckte Madiha einen Arm entgegen. "Das ... äh ... wird sich noch zeigen müssen. Bist du soweit, Madi?" Er drängte zum Aufbruch. Das Geld war ausgegeben und sie trug das wohl schönste Kleid von ganz Andunie. Caleb hatte ihr versprochen zu tanzen. Was immer er damit meinte, er wollte es in die Tat umsetzen. Der Händler hielt ihn jedoch zurück. Caleb musste sogar noch bestimmt zehn weitere Minuten in einem Stuhl ausharren, während Madiha einige feine Damenschuhe durchging, bis sie ein passendes Paar gefunden hatte. Dann hieß es, das wunderschöne Kleid wieder abzulegen. Es sollte keinesfalls im Regen schmutzig werden. Der Verkäufer packte es sicher ein, zusammen mit den Schuhen. Die Bezahlung besaß er schon. So konnten Caleb und Madiha nach Übergabe dieses Schatzes endlich den Laden verlassen.
Kühle, regnerische Luft empfing sie draußen. Calebs Haut dampfte von den Wangen aus, als er in das Nass hinaustrat. Wo war der Schirm? Richtig, Corax befand sich mit den anderen Sachen auf der anderen Seite des Platzes. "Sammeln wir ihn und die Pakete ein. Dann können wir zurück zu Akademie und vielleicht nochmal ohne Last hierher. Es ... gibt da etwas ... das ich ..." Er verstummte unter einem verliebten Lächeln. "Nachher." Dann spazierte er mit Madiha erneut zwischen den Ständen über den Markt. Als sie diesen schon beinahe passiert hatten, war Corax in der Ferne zu sehen. Er winkte ihnen und versuchte geradezu Mitleid erregend, sowohl Schirm als auch Pakete zusammenzuklauben, um ihnen damit entgegen kommen zu können. Es war ein sinnloses Unterfangen. Allein würde er es nicht schaffen. Während Madiha aber schon ein Stück voraus eilte, blieb Caleb ungewollt hinter ihr zurück. Er war bei einem Stand stehengeblieben. Von dessen Balken, die eine regenfeste Plane hielten, baumelten zahlreiche Amulette, Schmuckbänder und Ketten herunter. In der Auslegware vor ihm glitzerte es in allen Farben des Regenbogens. Edelsteine schimmerten Caleb von Ringen und anderen Schmuckstücken entgegen. Aber so wie Madiha ihr Nachthimmelkleid entdeckt hatte, fiel dem Dieb nun ein einziges Exemplar des Schmuckhändlers ins Auge.
"Es ist reduziert auf anderthalb Drachmen."
"Anderthalb..." Caleb griff an seinen Gürtel. Er griff ins Leere. Er schaute zum Gürtel hinab, seufzte und blickte das ausgesuchte Schmuckstück noch einmal an. Dann hob er die Augen, dass die Gräser und Fjorde darin funkelten. Jetzt gelang ihm ein Grinsen. Dann stieß er zu.

"Kleine Herrin!" Corax begrüßte sie mit der Verzweiflung eines Einarmigen, der glaubte, ein halbes Dutzend Pakete und einen Schirm allein schleppen zu können. Bereits jetzt fiel ihm eine Tüte zu Boden und in eine Pfütze. "Oh... Faldorscheiße!", fluchte er und eilte sich, die Tüte aufzusammeln. Das hatte nur zur Folge, dass ihm jetzt der Schirm abhanden kam und er anschließend gut ein Drittel der Last fallen ließ. Er stöhnte genervt. Sobald Madiha jedoch da war, schien er drauf und dran, sich vor ihr in den Regenmatsch zu werfen, um in klassischer Sklavenhaltung entweder um Vergebung zu betteln oder seine Strafe zu erbitten. Im letzten Moment hielt er sich dann aber zurück, schaute trotzdem fragend zu Madiha hin. Erwartete sie dieses Verhalten von ihm? Sie war anders als andere Herrinnen in seinem Leben. Er zögerte und wurde im nächsten Moment abgelenkt. Hinter Madiha gab es Tumult zwischen den Marktständen. Jemand lief durch die Reihen, warf einem wütenden Schmuckhändler Kisten und Ware in den Weg, während er als flinker Schatten zu entkommen drohte. Eine Stimme lachte, dass es sowohl Madiha als auch Corax durch Mark und Bein ging. Sie kannten dieses Lachen.
"Dieb! Haltet den Dieb!", schrie der Bestohlene und einige andere Händler versuchten, seiner Forderung nachzukommen. Caleb wich ihnen allesamt gekonnt aus. Da stellten sich ihm zwei Dunkelelfen und ein Zwerg entgegen. Der zu kurz geratene Celcianer war sein Vorteil. Caleb beschleunigte und sprang einfach über den Zwerg hinweg, indem er seine Stiefel im Sprung gegen dessen Helm drückte und mit neuem Schwung über das Hindernis hinweg setzte. Den Zwerg beförderte es so auf das regennasse Pflaster. Die Dunkelelfen zogen Waffen. Der Schmuckhändler kam nicht ganz an ihnen vorbei. Und Caleb? Der erreichte bereits den Rand des Marktplatzes. Er sprang auf ein Fass und in die Luft, um sich anschließend an einem Balkon empor zu ziehen. Eine alte Vettel öffnete gerade die Balkontür und erschreckte sich lauthals. Caleb aber beging nicht auch noch Hausfriedensbruch. Er kletterte weiter, bis er auf dem Ziegeldach angekommen war. Mit ausholenden Schritten rannte er darüber hinweg, sprang auf das Nachbarhaus und weiter, bis er vom Marktplatz aus nicht mehr zu sehen war.
Corax starrte ihm dennoch hinterher. "Und er nennt mich einen dummen, kleinen Elfen." Sein Blick wanderte zu Madiha. Sie könnten versuchen, ihn zu finden, aber mit all ihren Paketen würde es schwer werden. Niemand schien sie beide auch Caleb zuzuordnen. Kein Dunkelelf und auch nicht der Schmuckhändler kamen zu ihnen herüber. Sie waren einfach zwei von vielen Passanten, die soeben einem erfolgreichen Strauchdieb zugeschaut hatten, wie er über die Dächer Andunies entkommen war.
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 18. Juli 2023, 19:18

Der Gang in dem Kleid war… ungewohnt. Madiha wagte es kaum sich zu bewegen, weshalb sie eventuell etwas steif daherkam. Gleichzeitig atmete sie nur flach, weil sie so nervös war, was Caleb zu dem Kleid sagen würde. Das Mädchen aus Sarma hätte sich wohl niemals träumen lassen, dass sie mitten in einer Boutique auf der anderen Seite der Welt stehen würde, um ein solches Kleid auszusuchen. Ihr Herz pochte unablässig und als sie sich endlich den Augen des Diebes präsentierte, wusste sie gar nicht mehr wohin mit sich. Hochrot erwartete sie seine Reaktion und wurde nicht enttäuscht. Caleb war sprachlos. Sie versuchte sein Starren zu ergründen und konnte dennoch nicht zu einem klaren Ergebnis kommen. Sein Schweigen war… schwierig. Zumindest für das Mädchen. Der Verkäufer war da klarer Meinung und äußerte sie auch. Madiha sah zu ihm und lächelte verlegen. Schwester? So ein Unsinn… sie sahen sich ja nicht mal ähnlich. Und trotzdem würde sie auch nicht sagen können, was sie waren. Irgendetwas dazwischen. "V-ver...?! Das ... äh ... wird sich noch zeigen müssen. Bist du soweit, Madi?", sie nickte und beeilte sich damit, das Kleid wieder auszuziehen. Die Schuhe waren gefunden und passten ihr sogar ganz ordentlich. Offenbar gehörten solche Schuhe zu so einem Kleid… woher sollte sie das wissen? Sie nahm es hin und bedankte sich höflich bei dem Verkäufer. Dass er hier einen großen Batzen Geld an ihr verdient hatte und demnach sich bedanken könnte, kam ihr nicht in den Sinn. Madiha aber fühlte sich berauscht. Das Gefühl, dieses besondere Kleid zu tragen – tragen zu dürfen! – war beflügelnd. Sie lächelte mit roten Wangen und folgte Caleb wieder hinaus. Die kühle Luft tat ungemein gut. Madiha atmete zitternd ein. Hatte sie eigentlich vorhin auch schon weiche Knie gehabt? Der Regen störte sie jedenfalls nicht. Trotz ihres feuermagischen Potentials, fühlte sie sich wohl unter den Tränen Ventha’s. Für einen Moment schwieg Madiha und als sie den Mund öffnete, kam ihr Caleb zuvor: Sammeln wir ihn und die Pakete ein. Dann können wir zurück zur Akademie und vielleicht nochmal ohne Last hierher. Es ... gibt da etwas ... das ich ..." Sie hob den Blick. “Nachher..“, sein Lächeln erwiderte sie mindestens ebenso zugeneigt. „Caleb?“, erhaschte sie seine Aufmerksamkeit und ließ sich neben ihm durch die Ständereihen führen. „Caleb, ich… ich…“, Madiha blieb stehen, bevor sie Corax sehen konnten. „Ich bin unendlich dankbar für diesen Tag…“, gestand sie ihm und blickte in sein Gesicht. Sie meinte es sehr ernst. „Ich… ich will nur, dass du weißt, dass ich das alles nicht erwartet habe. Ich habe noch nie etwas vergleichbares erlebt und…“, sie legte ihre Hand auf seine und drückte sie leicht. Einen Kuss traute sie sich in der Öffentlichkeit nicht, ziemte sich das? „Danke…“, sprach sie aus und ihr Ausdruck zeigte deutlich, dass sie Caleb wahrlich dankbar war für seine Großzügigkeit. Lächelnd ging sie dann etwas voraus und entdeckte Corax. Sie winkte freudig und wollte ihm erzählen, was Caleb für sie getan hatte. Madiha ließ Caleb hinter sich, bemerkte in dem Fall nicht, dass er zurückfiel und eilte zu Corax. Als sie näherkam, musste sie allerdings etwas kichern. „Warte! Ich helfe dir!“, beschwor sie ihn, weil er gerade fluchte. Madiha zögerte nicht eine Sekunde, sondern bückte sich nach einigen der Taschen und Päckchen.

Dann nahm sie dieses Mal den Schirm und spannte ihn über Corax. Zwar war sie etwas kleiner, doch es passte gerade so. Madiha lächelte Corax ausgelassen an und ihre Augen leuchteten. „Tut mir leid, dass du warten musstest.“, begann sie, während sie den Weg eigentlich zurück zur Akademie anstrebten. „Aber… oh, Corax, Caleb hat mir….“, weiter kam sie nicht. Das Mädchen wurde durch den Tulmult abgelenkt, der sich soeben ausbreitete. Sofort sah sie den ungebändigten Schopf, der durch die Marktreihen hackengas gab. „Oh.. Kamelscheiße!“, murrte Madiha und sah entsetzt zu den Händlern, die Caleb’s habhaft werden wollten. Ihr Herz klopfte augenblicklich, während ein Lachen etwaige Zweifler, es könne sich nicht um den Wüstendieb handeln, bereinigte. „Was tut er da?!“, murmelte sie und sah zu, wie er sich in eine ausweglose Situation manövrierte. Während Caleb auf die Dunkelelfen und den Zwerg zulief, packte Madiha Corax‘ Hand und klammerte sich daran fest. Gespannt sah sie zu, wie Caleb mühelos über den kleinen Mann hinwegsetzte und ihn zu Boden beförderte, ehe er sich an einem Balkon auf die Dächer der Häuser flüchtete. Die einstige Sklavin entließ Corax aus ihrem angespannten Griff und atmete tief durch. Es würde wohl dauern, bis die Stadtwache dort ebenfalls hinaufgelangte und Caleb würde sicher über alle Berge sein. Madiha lächelte leicht. Bis sie sich dessen bewusstwurde und sich räusperte. „Was war denn das? Was… wieso bringt er sich so in Gefahr?“, fragte sie daraufhin als sich die ersten Sympathiepunkte für ihren Dieb verflüchtigten. „Er weiß doch…“, sie hielt inne und senkte die Stimme, damit niemand sie in Verbindung bringen würde. „…dass wir uns bedeckt halten müssen.“. Madiha seufzte. Sie verstand nicht, warum er den schönen Tag so aufs Spiel setzte, und was dahintersteckte. Eben noch war sie berauscht von der Schönheit des Tages und Caleb’s immenser Großzügigkeit, jetzt loderte wieder die altbekannte Sorge um ihn auf. Sie sorgte sich immer um ihn. Würde er gefasst werden, dann machten die Dunkelelfen vielleichte kurzen Prozess. Wer wusste schon, wie sich das hier in Andunie verändert hatte. Alles konnte auch Caleb nicht wissen. Oder doch?
Besorgt warf sie einen erneuten Blick auf die Stelle, an der er aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. Dann wanderte der graublaue Blick zu der Akademie, die man weiter entfernt sehen konnte. „Meinst du, er kehrt dorthin zurück?“, fragte sie Corax und musterte ihn. Gedankenverloren spielte sie an ihrer Kette herum. Sie sorgte sich ernsthaft und das frohe Gemüt verblasste etwas. Dann seufzte sie. „Lass uns die Sachen zur Akademie bringen und… sollte er nicht dort sein, dann lass uns nach ihm suchen ja?“, sie sah Corax an. Dann lenkte sie jedoch ein. „Also – ich verstehe absolut, wenn du lieber zu Azura möchtest. Ich will dich gar nicht abhalten. Aber…“, sie blickte sich um und schüttelte dann den Kopf, weil sie eine Entscheidung traf. „Ach, ich finde ihn auch allein. Gehen wir zur Akademie und du dann zu Azura. Wir haben dich schon den ganzen Nachmittag in Beschlag.“ Madiha machte zwei Schritte und lächelte entschuldigend. „Es tut mir leid, falls das für dich ein langweiliger Tag gewesen war… Ich… es war vielleicht egoistisch von mir, dich einzuladen. Aber ich glaubte, dass du auch gern mal… rauskommen wolltest..“, gestand sie und hob die Schultern. „Kannst du mir etwas versprechen, Corax?“, fragte sie, nachdem er aufgeschlossen hatte und sie nebeneinander hergingen. „Sagst du mir in Zukunft, was du wirklich willst?“, fragte sie und lächelte ehrlich. „Ich möchte, dass du die Dinge tust, die du willst. Nicht die, von denen du glaubst, sie tun zu müssen.“, beschloss sie und nahm ihm noch ein Paket symbolisch ab. Er war ein Freund. Kein Sklave. Dann aber sah sie erneut zu den Dächern und sah sich gleichzeitig immer wieder um. Wo steckte Caleb nun? Sie lauschte. Hörte man Stimmen, die davon zeugten, dass man ihn gefasst hatte? Sorge trübte weiterhin den Abschluss des Nachmittags und sie hoffte inständig, dass er bei der Akademie wäre…
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Erzähler » Dienstag 18. Juli 2023, 23:10

Wie hatte das nur geschehen können? Eben noch war Madiha so euphorisch gewesen. Sie hatte sich nicht nur wegen ihres Nachthimmelskleides wie eine Prinzessin gefühlt. Niemals zuvor hatte sie so viele Freiheiten besessen und auch den Eindruck gehabt, es stand ihr zu. Aber das tat es. Kein heimlicher Diebstahl, kein verängstigtes Wegducken für den Fall, dass man doch noch erwischt würde. Keine körperlichen Strafen, die ihr entweder die Haut vom Körper rissen oder die Seele aus ihrem Leib. Sie erlebte Wundervolles und durfte dabei ganz sie selbst sein. Darüber hinaus durfte sie es mit dem Mann erleben, der ihr Herz gestohlen hatte und mit einem weiteren, den sie fast ohne Zögern inzwischen Freund nennen konnte. Das alles in einer gänzlich neuen Welt, die von sich aus schon so viele Geheimnisse für sie zu bieten hatte. Ihr Herz musste überlaufen vor Glück!
Wie also hatte es jetzt dazu kommen können, dass es für den Bruchteil einer Sekunde gänzlich stillstand. Die Antwort war so simpel wie dessen Arglosigkeit: Caleb.
"Was tut er da?!" Ihr Herz schlug weiter, als es dem Dieb gelang, über das Hindernis zweiter Elfen und eines Zwergen hinweg zu springen, indem er über den Zwerg hinweg sprang. Schließlich gelang ihm die Flucht über die Dächer. Einige Verfolger versuchten zwar, ihm nachzuklettern, aber keiner von ihnen besaß die Behändigkeit eines Diebes, der schon vor seiner kriminellen Karriere die Hauswände und Ziegelwege Andunies unsicher gemacht hatte. Als es einem der Dunkelelfen endlich mit der Hilfe einiger Passanten gelang, das am tiefsten hängende Dach zu erklimmen, war Caleb längst nicht mehr zu sehen. Die Flucht mochte ihm geglückt sein, aber er hatte reichlich Aufmerksamkeit auf sich gezogen und das besorgte Madiha. Gerade er wusste doch, was ihm blühen könnte, jedenfalls mehr als ihr. Er hatte eine Woche mehr Zeit gehabt, sich die Stadt anzuschauen. Aber vielleicht hatte er es auch aus diesem Grund wagen können. Wusste er schon, wie hier alles funktionierte und dass es unter den Dunkelelfen nichts für ihn zu befürchten gäbe? Aber er war ein Mensch...
"Er weiß doch, dass wir uns bedeckt halten müssen." Corax nahm Madiha den Schirm aus der Hand. "Er hat es bestimmt nicht unüberlegt..." Er verstummte. Dann brummte er. "Er wird zurechtkommen." Frei von Zweifeln klang der Rabe jedoch nicht. Doch weder er noch Madiha hatten nun die Möglichkeit, nach Caleb zu sehen. Sie wussten ja nicht einmal, wohin er verschwunden war, noch welches Diebesgut dieses Risiko denn wert gewesen war. Ihnen blieb nichts Anderes übrig, als den Rückweg anzutreten und zu hoffen, dass es auch Caleb alsbald in die Akademie zurückführen würde.
Corax hielt weiterhin den Schirm, ließ sich aber einen Großteil der gekauften Dinge unter den Arm klemmen oder darüber hängen, wenn es denn Taschen waren. Madiha musste nicht alles schleppen und der Elf ließ nicht ein Wort des Klagens über seine Lippen dringen. Er wirkte auch kein bisschen verärgert, dass er Zeit auf dem Mark hatte verbringen müssen. Madiha befürchtete schon, dass er es die meiste Zeit langweilig fand. Er hatte ja nicht einmal etwas für sich gekauft! Er wollte gar nicht, weil er nicht wusste, was er für sich hätte haben wollen. Diese Erkenntnis weckte in Madiha einen Gedanken, während sie schon die Straßen einschlugen und den Marktplatz hinter sich ließen.
Sie sollte nur nicht sofort Gelegenheit erhalten, ihre Beweggründe offen zu legen. Zuvor hatte Corax ihr noch etwas mitzuteilen. Er schient es auch nur deshalb zu sagen, weil sie zuvor Azura erwähnt hatte. Denn sicher wäre er doch lieber bei ihr. Darauf erwidert er zunächst nur: "Sie hat die Möglichkeit, ihre Magie zu verbessern. Wenn sie lernen will, werde ich sie nicht ablenken. Es wird ihr Freude bringen, da bin ich mir sicher. Vor allem mit der Schriftrolle der Wassermagie ... sie ... hat sie gefunden." Er lächelte sanft und dann rückte er endlich mit der Sprach heraus. "Azura hat mir gesagt, dass sie mich liebt. Und es ist wahr, sonst wäre die Schriftrolle nie wieder in diese Welt gelangt. Sie liebt mich." Sein Blick huschte voller Freude zu Madiha herüber und kurz sah sie sich in den schillernden Farben eines Regenbogens darin spiegeln. Dann ging das bunte Leuchten aber auf Corax' Haar über, färbte es weiß und jeder Regentropfen brach sich darauf, um einen neuen Regenbogenglanz zu schaffen. Seine Federn raschelten, nahmen den gleichen weißbunten Glanz an und rieselten von ihm herab. Ehe sie den Boden berühren konnten, riss der Wind sie mit sich. Madiha wurde von einigen von ihnen berührt. Sie nahm es wie ein sanftes Streicheln wahr und für diesen Wimpernschlag spürte sie Zuversicht, dass Caleb nicht nur sicher zu ihnen zurückfände, sondern auch konsequenzlos davonkäme.
Die Federn wurden vom Wind die Straße hinutner getragen. Einige fremde Bewohner Andunies würden auf sie treffen, sie als kleines Regenbogenglitzern in Venthas Gemütslage entdecken und bei Berührung warm lächeln. Streithähne würden ihren Zwist unterbrechen, um sie perplex anzustarren und dann gemeinsam über den unsinnigen Grund zu lachen, der sie so hochgestachelt hatte. Und auch einen der Dunkelelfen auf dem Marktplatz, welcher umherstreifte, um Caleb immer noch auf die Spur zu kommen, brach seine Suche ab, als ein kleiner Teil einer Feder an seinem Arm hängen blieb, um sich dort aufzulösen.
"Ach, ist die Mühe gar nicht wert. Dem Plunder vom Markt trauert niemand hinterher, außer der leckeren heißen Sahne mit Apfel und Zimz. Oh, ich hol mir noch einen Becher!" Er rannte zurück zum Marktstand. In der Gasse, in der alles jedoch begonnen hatte, verlor Corax' Haar wieder den weißen Schimmer. Seine Augen funkelten erneut wie Rubine und das rabenschwazre Nebelkrähenhaar kehrte zu seinem Ursprung zurück. Nur sein Federkragen war verschwunden. Er lächelte Madiha aber noch immer an. "Wenn du Hilfe brauchst, bin ich an deiner Seite."
Und erneut weckte er mit dieser Aussage die Erkenntnis im Wüstenmädhen, dass seine Loyalität nicht ganz aus freien Stücken bestehen konnte. So wollte sie ihm ein Versprechen abringen. Er schaute sie fragend an. "Sagst du mir in Zukunft, was du wirklich willst?"
"Das tue ich do-"
"Ich möchte, dass du die Dinge tust, die du willst. Nicht die, von denen du glaubst, sie tun zu müssen."
Corax schwieg. Er sah Madiha an, die ihm eines der Pakete abnahm. Er musterte sie lange. Dann meinte er nur: "Du bist eine gute kleine Herrin." Er war noch nicht soweit, etwas Anderes in ihr zu sehen, aber sein Lächeln sprach Bände. Sein Versprechen war stumm gegeben, doch es zeigte sich schnell, dass er es sich zu Herzen nahm. Denn nachdem sie bereits einige Schritte weiter durch eine der Seitenstraßen gegangen waren, klapperte über ihnen auf den Dächern etwas. Schindeln und es klang nicht nach dem Wind, der sie aufeinander schlug. Corax schaute die Hauswand empor. Sie war nass und ohne sichtbare Möglichkeiten, hinauf zu klettern. Trotzdem setzte er die Pakete ab und schaute anschließend Madiha an. Es brauchte einen weiteren Moment, ehe er sagte: "Ich ... will ... ihn suchen." Mehr bekam er nicht heraus. Schon wirbelte der Schirm durch die Luft, als Corax die Gestalt wechselte. Mit einem Krächzen stürzte der Rabe empor, schwang sich in die Lüfte und ... erinnerte sich daran, dass er nur noch einen Flügel besaß. Sein Auftrieb beförderte ihn noch auf das Dach hinauf, dann aber klapperten die Schindeln erneut. Madiha hörte einen Raben schreien, dann folgte ein Fauchen und wenig später polterte es aus einer der entfernteren Gassen. Welche genau es war, konnte sie nicht sofort feststellen. Entweder musste Corax in die nächste gelangt sein oder eine dahinter.
Noch ehe Madiha loseilen oder anderweitig reagieren konnte, wurde ihr jedoch von hinten der Schirm herüber gereicht. Sie hörte die Stimme des Raben, wenngleich sie auch nicht diesen unterschwelligen Krächzzon besaß, den sie kannte. "Alles in Ordnung?" Und als sie sich herumdrehte, schaute ein Paar rubinroter Augen ihr aus dem dunklen Gesicht entgegen. Schwarzes Haar hing in feuchten Strähnen über die Stirn und auf den schwarzen Umhang, der den restlichen Körper vor dem Regen schützte. Wann hatte Corax sich diesen besorgt? War es auch eine Illusion? Genauso wie der zweite Arm, auf dem er nun die Pakete lud, um sie zwar nicht Madiha zu reichen, aber wenigstens aus dem Regen auf eine trockene Bank eines Nachbarhauses abzustellen? Der Dunkelelf musterte Madiha noch einmal. Er sah wirklich aus wie Corax, wie eine .. weniger verbrauchte Version von ihm. Eine, die nicht durch ein schweres Schicksal gezeichnet worden war.
Dann tauchte ein dicker Kater in der Gasse auf. Sein grau getigertes Fell war klatschnass und eigentlich trübte das die Stimmung einer jeden Katze. Diese aber wirkte recht zufrieden, denn sie hatte Beute gemacht. Ein schwarzer Flügel hing aus ihrem Maul, der Rest des Vogels steckte noch darin. Der Dunkelelf packte nach dem Kater und riss ihm die Beute kurzerhand aus den Zähnen. Dann scheuchte er das Tier fort, indem er es einfach auf die Straße zurückwarf. "Euer Vogel. Auch wenn er nur einen Flügel hat, solltet ihr ihm einen Käfig beschaffen. Oder kauf Euch einen neuen. Der hier wird nie wieder fliegen." Mit diesen Worten überreichte Corax den richtigen Corax an Madiha. Er verneigte sich knapp und marschierte die Straße hinunter. Seine Schritte waren zügig und spätestens als einige Dunkelelfenwächter um eine Ecke bogen, hatte er weder Auge noch Ohr mehr für das Wüstenmädchen.
"Da seid Ihr ja! Ihr könnt nicht einfach jedes Mal davonlaufen, Herr."
"Kann ich nicht?"
"Ihr seid schutzlos, Herr!"
"Ich weiß mich zu erwehren, außerdem..."
Er wandte sich noch einmal um. "Ein junges Mädchen kann mir nichts anhaben." Mit einem rubinroten Zwinkern in Madihas Richtung ließ er sich von den Wächtern an der Schulter wieder herumdrehen und folgte ihnen in die Regen verhangenen Straßen.
Corax krächzte und brauchte noch einige Momente, bis er sich zurückverwandelte. Er hatte ein paar Kratzer davongetragen und vielleicht käme noch der eine oder andere blaue Fleck hinzu, ansonsten wirkte er aber unversehrt. "Es war nur diese feiste Katze. Sie ist über die Dächer gehuscht. Wahrscheinlich ist Caleb schon längst im Trockenen und wird mich ordentlich auslachen, dass ich beinahe zu Katzenfutter geworden wäre. Gib mir den Schirm, kleine Herrin. Ich trage ihn für dich."
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 20. Juli 2023, 12:31

Während sie dem Dieb dabei zusahen, wie er über die Häuserdächer den Verfolgern entwischte, musste Madiha mit widerstreitenden Gefühlen zurechtkommen. Zum einen liebte sie Caleb für seine Art, sie immer wieder zu überraschen. Sie mochte seine Impulsivität und, dass er sich nicht verbiegen ließ. Er war ihr Inbegriff von Freiheit. Vielleicht eines der Dinge die dazu führten, dass sie sich in ihn heillos verliebt hatte. Andererseits war seine Sorglosigkeit auch ein Problem. Denn zurück blieb sie. Immer sie. Was wenn man ihn nun finden und in Ketten legen würde? Was, wenn er vom Dach stürzt und sich den Hals brach? Dachte er je darüber nach, wie sie allein zurückbleiben würde? Madiha erinnerte sich gut daran als er sie in Sarma hat stehenlassen. Bei Dunia abgestellt, um selbst sein Heil in der Flucht zu suchen. Sie hatte nicht vergessen, dass er sie nicht haben wollte und dennoch… sie war nicht nachtragend. Die Dinge hatten sich verändert und das definitiv zum Guten! Aber sie bargen eben auch die Gefahr, dass wenn sie nicht aufpassten, der jeweils andere allein dastehen würde. Und zumindest Madiha wüsste nicht, was sie ohne Caleb anfangen sollte. Noch in Sarma wollte sie es allein versuchen. Sie wollte auf eigene Faust ihr Glück finden und hätte ihn ihrerseits zurückgelassen. Doch das war, bevor sie sich bewusstwurde, wer er für sie war. Madiha seufzte und musterte Corax für einen Moment. Selbst der Rabe klang nicht gänzlich sicher mit seiner Vermutung, Caleb würde zurechtkommen, doch es half auch nichts. Sie konnten jetzt nicht hinter ihm her und vermutlich noch das Augenmerk auf sich ziehen. Sie würden ihn bei der Akademie treffen, da war sich Madiha sicher. Zwar wollte er noch mal zum Markt zurückkehren, doch das würden sie dann sehen. Jetzt aber half sie Corax erstmal dabei, all die Dinge zu schultern, die Caleb für sie – nur für sie! – gekauft hatte. Madiha betrachtete all die Schachteln und Taschen. Verlegen sah sie davon weg und fühlte sich noch immer etwas überladen von all dem Erlebten. Allerdings war dieser Nachmittag auch genau richtig gewesen. Nach all dem Auf und Ab an Gefühlen und all den schwierigen Entscheidungen der letzten Wochen, war etwass Sorglosigkeit genau das, was sie gebraucht hatte. Zumal noch eine wichtige Entscheidung anstand. Madiha hatte nicht vergessen, dass Kjetell’o ihr Unterricht im Austausch ihrer Hilfe geben wollte. Und das Mädchen aus der Wüste spielte mit dem Gedanken, zuzusagen. Sie kannte die Konsequenzen nicht, wusste nichts darüber, welche Hilfe sie schon sein könnte, doch… sie war bereit den Preis zu zahlen. So, wie sie es immer war. Sie hätte den Dieben ihre Lust gewährt, wenn Caleb dadurch gerettet worden wäre. Sie hätte Jakub bezahlt, wenn er nicht eingelenkt hätte, nur um auf dem Schiff zu bleiben. Sie würde den Preis zahlen, in Calebs Nähe bleiben zu dürfen, wenn er auch an jemand anderes Interesse zeigen würde. Madiha zahlte die Rechnung. Mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Und wenn das bedeutete, dass Kjetell’o ihr irgendwann etwas auftrug, dann hatte sie vorher bereits etwas dafür erhalten: Sicherheit im Umgang mit ihrer Magie. Dem Mädchen fiel, während sie mit Corax schlenderte, auf, dass sie noch gar nicht mit Caleb gesprochen hatte. Der Kuss für Corax hatte sie völlig aus dem Konzept gebracht. Aber sie wollte auch nicht daran denken. Und so versuchte sie den Raben an ihrer Seite in ein Gespräch zu verwickeln.

"Sie hat die Möglichkeit, ihre Magie zu verbessern. Wenn sie lernen will, werde ich sie nicht ablenken. Es wird ihr Freude bringen, da bin ich mir sicher. Vor allem mit der Schriftrolle der Wassermagie ... sie ... hat sie gefunden. Azura hat mir gesagt, dass sie mich liebt. Und es ist wahr, sonst wäre die Schriftrolle nie wieder in diese Welt gelangt. Sie liebt mich." Madiha blieb stehen und sah Corax an. Dann strahlte sie ihm entgegen. Sie freute sich, freute sich ehrlich für den Dunkelelfen und das zeigte sie ihm auch. „Du hast es verdient, Corax.“, meinte sie und nickte bekräftigend. Natürlich hatte Madiha nicht vergessen, wie ihr Kennenlernen abgelaufen war. Nein, das würde sie nicht. Aber auch hier hatten sich die Dinge geändert und Corax war viel mehr als der mordende Sklave, der bei einem kleinen Kratzer seiner Angebeteten nicht mal davor zurückschreckte, ihr die Kehle zuzudrücken. Madiha verstand das – irgendwie. Vielleicht war das auch ihr großer Vorteil. Sie verlangte nicht. Sie erwartete nicht, sondern nahm das, was andere bereit waren ihr zu geben. Und das hütete sie dann, wie einen Schatz. Und Corax? Er verwandelte seine Sorgen und seinen Kummer in etwas wunderschönes. Sanft wurde sie von den hellen Federn gestreift und blickte auf ihren Arm. Zuversicht mischte sich in ihre Gefühlswelt und ihr Blick zurück zum Dach, ließ sie hoffnungsvoll werden. Verblüfft aber wandte sie sich an Corax zurück. Wie das wohl funktionierte? Es war beeindruckend zu sehen, wie der Rabe sich verwandelte und das Leid verwandelte. Madiha sah den Federn nach, die anderswo ihre Wirkung entfalteten. Sie beobachtete einige Marktgänger dabei, wie sie plötzlich ihre Ambitionen überdachten und einen anderen Weg einschlugen. Einer unterließ es sogar, nach Caleb zu suchen. Staunend fand ihr Blick wieder Corax. „Wie machst du das nur?“, fragte sie neugierig und leise, doch sie setzten ihren Weg fort und fanden bald die Gasse, auf der sie den Markt wieder verlassen würden.
Madiha wollte, dass Corax ihr versprach, nur noch das zu tun, was er auch wirklich wollte. Es war ihr wichtig und würde auf seinem Weg wichtig sein, endlich frei zu sein. Symbolisch nahm sie ihm abermals ein Paket ab. Dann erwiderte sie abwartend seinen Blick. "Du bist eine gute kleine Herrin." Madiha lächelte leicht und nickte. Sie verstand und für diesen Moment, brauchte Corax nicht mehr zu sagen. Plötzlich aber änderte sich seine Intention und offenbar setzte er ihre Bitte gleich in die Tat um. "Ich ... will ... ihn suchen." und schon ließ er seinem Willen Taten folgen. Madiha blinzelte überrascht, weil sie gar nicht so schnell hinterherkam. Sie sammelte alle Päckchen und sah Corax dann nach. „Warte doch… du-“, weiter kam sie nicht, denn der Rabe entfaltete seine Magie und flog hinauf. Madiha verzog das Gesicht, denn er vergaß offenbar, dass er nur einen Arm und folglich auch nur einen Flügel hatte. „Corax!“, rief sie erschrocken und reckte den Kopf. Dann polterte es, ein Fauchen, erneut ein Poltern und… Stille. Madiha zog besorgt die Augenbrauen zusammen. „Corax?! Corax!“, rief sie und reckte den Hals, hüpfte sogar als könne sie auf das Dach sehen. Zischend wandte sie sich um, um alles aufzuklauben und ihm nachzujagen, da wurde ihr plötzlich der Schirm gereicht. „Huch?!“, machte sie überrascht und nahm den entgegen. Dann starrte sie in das Gesicht von… „Corax?“, fragte sie leise und unsicher. "Alles in Ordnung?" Sie starrte. „Was…wie …?“, stammelte sie und konnte den Blick nicht abwenden.

Dann ließ sie ihr Graublau über die Statur des Dunklen wandern und war so verdutzt, wie ähnlich er dem echten Raben sah, dass sie vergaß zu antworten. „Corax wie hast..“, sie schüttelte den Kopf. „Du bist nicht… er…“, entkam es ihr. Man sah ihr an, dass sie verwirrt war. Bis der Kater die Aufmerksamkeit auf sich zog und Madiha den Raben darin erkannte. „Oh nein!“, entkam es ihr entsetzt und wieder war es der andere Corax, der einschritt. Gebannt beobachtete sie ihn und nahm das Häufchen Elend entgegen. "Euer Vogel. Auch wenn er nur einen Flügel hat, solltet ihr ihm einen Käfig beschaffen. Oder kauf Euch einen neuen. Der hier wird nie wieder fliegen.", sagte er und Madiha sah auf den zerzausten Vogel hinab. „Er ist genau richtig so…“, murmelte sie zur Antwort und hob den Blick wieder, als der ‚Falsche-Corax‘ offenbar von seinen Leuten gefunden wurde. Was die anderen Elfen zu ihm sagten, verstand sie nicht, doch er drehte sich abermals zu ihr herum und zwinkerte. Madiha blinzelte ihn an. "Ein junges Mädchen kann mir nichts anhaben." Kurz verzog sich Madiha’s Mundwinkel und es blitzte ein wenig herausfordernd in ihrem Blick. Konnte sie nicht? Woher wollte er das wissen? Aber es war eher ein spielerischer Trotz, den sie ihm zeigte. „Wie heißt du?“, rief sie noch und vielleicht erreichte sie eine Antwort, bevor er ging. Madiha sah dem anderen Corax noch nach und ging sogar einige Schritte, um ihn weiter zu beobachten, bevor er aus ihrem Blickfeld verschwand. Dann erregte Corax ihre Aufmerksamkeit, indem er sich zurückverwandelte. Sie hatte ihn festgehalten und gestreichelt, nun aber ließ sie ihn los und betrachtete ihn sich. „Geht es dir gut?“, fragte sie und zuppelte einige Falten zurecht. Dann wuschelte sie durch sein Haar und grinste. „Dem dicken Kater hast du aber jetzt das Abendbrot versaut!“, lachte sie leise und war sichtlich erleichtert, dass es dem echten Raben gut ging und der unechte ihr nichts Böses gewollt hatte. Sie sah noch mal auf die Stelle, wo der andere Dunkle verschwunden war. „Hast du verstanden, was die Elfen eben geredet haben?“, wollte sie gedankenverloren wissen. Es konnte kein Zufall sein, dass er Corax so sehr ähnelte. Madiha aber kehrte in die Gasse gedanklich zurück als Corax Caleb erwähnte. Sie ging zu den Pakten und hob wieder ihren Anteil hoch. Dann sah sie erneut den Raben an. „Hast du eigentlich Verwandte, Corax?“, fragte sie und lenkte gleich ein: „Ich erinnere mich daran, dass du ein ordentliches Kinderzimmer gehabt haben musst.“, plauderte sie und biss sich auf die Unterlippe. „Du sagst, du kennst das Prinzip von Mutter und Vater nicht – tue ich auch nicht – aber Fakt ist doch, das jeder Eltern hat.“, redete sie weiter. „Und vielleicht auch Geschwister?“, sie lächelte ihn an. Dann kam ihr noch ein Gedanke: „Oh, warte… du hast mal gesagt, dass du dich in jeden verwandeln kannst, den du gesehen hast.“, sie blieb stehen und dachte nach. „Wenn du als Säugling deine Eltern gesehen hast… könntest du dich in sie verwandeln? Dann wüsste man, wie sie aussehen… vielleicht…“ Madiha hielt inne und verstummte. Sie schüttelte den Kopf. „Verzeih mir, ich war nur so… überrascht und es ist ein wenig mit mir durchgegangen. Ich bin ein unsensibler Klotz.“, entschuldigte sie sich, auch wenn ihre Idee damit nicht vorbei wäre. Madiha verfiel in ein nachdenkliches Schweigen, während sie weiter neben Corax herging. Hatte der Dunkle sie noch gehört? Hatte er einen Namen genannt? Sie musste Caleb davon erzählen, sobald sie ihn wiederfanden. Sie wollte für Corax ein wenig nachforschen. Vielleicht gab es Familie, die er haben könnte. Der falsche Corax wirkte nicht so… beängstigend, wie die anderen meistens. Madiha holte tief Luft. Vielleicht konnte sie Corax ein Zuhause geben… vielleicht würden sich die Eltern oder Verwandten freuen? Madiha hatte sich stets ausgemalt, dass irgendwann ihr Vater kommen und sie holen würde. Dass sie eine Familie haben könnte. Auch wenn sie durchaus wusste, dass das unmöglich war, weil ihre Eltern tot waren. Aber… die Illusion konnte ihr keiner nehmen. Vielleicht wäre auch für Corax das Bild einer Familie hilfreich für sein zukünftiges Leben…
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 20. Juli 2023, 15:32

Caleb war schon immer ein Freigeist gewesen und was Madiha so sehr an ihm liebte, wurde zugleich auch zu ihrem größten Problem. Er dachte wenig über Konsequenzen nach, handelte erst und überlegte später. Verantwortung zu übernehmen fiel ihm nach wie vor schwer, auch wenn er es inzwischen versuchte. Hatte Corax ihr nicht bereits erzählt, dass er sich selbst Ketten anlegte und nur deshalb den Kapitän gab und sich seinen Eltern stellen wollte, weil er fürchtete, für Madiha nicht genug zu sein? Er wollte ihr genügen, er gab sich Mühe, aber manchmal kehrte er eben zu seinem Kern zurück. Dann war er wieder Caleb, der arglose, spitzbübische, gewitzte Dieb, der über Häuserdächer floh und jegliche Verantwortung vergaß. Die Frage war nun: Hatte er auch Madiha vergessen?
War er schon wieder über die metaphorische Reling gesprungen und würde es dieses Mal nicht doch endgültig sein, dass sie ihn verlieren könnte? Nein, so weit wollte Madiha nicht gehen! Caleb war den Häschern entkommen und würde sich schon eine Lösung ausdenken, wie er unentdeckt blieb. Denn das musste man ihm ebenfalls zugestehen: Er mochte erst handeln, dann denken, aber sobald Konsequenzen im Raum standen, konnte er auch schnell Lösungen improvisieren. Dass viele davon in Richtung einer erneuten Flucht führten, konnte man jedoch auch nicht leugnen.
Zum Glück hatte er Madiha nicht vollkommen allein zurückgelassen. Corax' Anwesenheit allein genügte, sie von möglichen Schreckensszenarien abzulenken. Der Rabe hatte Recht. Wahrscheinlich befand sich ihr Dieb schon längst wieder im Trockenen, während sie mit all den Paketen durch den Regen stapften. Aber was war das nicht alles, was er gekauft hatte! Caleb musste ein kleines Vermögen ausgegeben haben. Vor allem aber zählte, dass er es für Madiha hergegeben hatte. Sie war kein materieller Mensch, sie legte nicht einmal wert darauf. Was ihr wichtig erschien, war der Gedanke dahinter. Caleb hätte ihr auch einen Haufen Steine, Muscheln und Blumen schenken können, sein Gedanke an sie zählte.
Blumen! Die hatte sie vergessen und sie fielen auch jetzt wieder vom imginären Tisch ihrer Planungen und unter den Teppich, als Corax verkündete, dass Azura seine Liebe erwidert hatte. Endlich!
"Du hast es verdient, Corax."
Wie niedlich er aussah, wenn er aufrichtig verlegen und sogar ein wenig verunsichert war. Corax senkte den Blick, dass ihm schwarze Strähnen in die Stirn fielen. Das Schönste aber war sein lächeln, denn das tat er nicht häufig. Meistens besaß er eine ernste, unbeteiligte Miene oder aber man konnte das innere Leid in jeder seiner Poren sehen. Leid, das er als Federkragen um die Schultern trug und welches sich nun in ... etwas Wundervolles verwandelte. Die weißen Federn wirbelten mit einem Regenbogenschimmer durch die Luft, wurden von Venthas Segen bis zurück zum Marktplatz getragen und wo sie andere Lebewesen streiften, hinterließen sie ein Gefühl von Glück. Selbst Madiha fühlte neue Hoffnung und Zuversicht. Der Moment weilte leider viel zu kurz, was im Grunde recht traurig war. Glück war stets nur ein Moment, den man kaum richtig fassen konnte. Er war vergänglich und flüchtig wie ein feines Parfum. Man erfreute sich des Aromas, doch man vergaß es viel zu schnell, sobald es sich in der Luft auflöste. Hingegen schien Leid wie ein Stigma zu sein - wie Narben auf der Haut. Man konnte es zeitweise vergessen, aber es kehrte immer wieder zurück. Es zeigte sich in ähnlichen Situationen, die man nachvollziehen konnte oder wenn man Angst hatte ... oder sich einsam fühlte. Leid schien einen niemals gänzlich loszulassen. Es versteckte sich nur und lauerte. Umso wichtiger war es, häufig das Glück in den kleinsten Dingen herauszubeschwören, damit es dem Leid die Bühne stehlen konnte. Denn Leid trat niemals in strahlendem Licht auf.
Corax strahlte. Auch als der regenbogenschimmer von seinen Augen und das glänzende Weiß von seinen Haaren gewichen war, sah man ihm seine Freude noch an.
"Wie machst du das nur?", fragte Madiha, die ganz verzaubert war von seinem Können. Es war seine Magie, aber sie glich weder ihrer eigenen noch Azuras. Feuer und Wasser wirkten greifbar und dadurch irgendwie weniger ... magisch. Was Corax schuf, war einfach nur zauberhaft.
"Ich ... weiß es nicht", erwiderte er auf das kleine Wunder hin, das er gewirkt hatte. "Also, das Leid zu nehmen, schon. Kjetell'o meinte, ich könnte es, weil ich als Grauschelm dafür ausgelegt bin, mit Leid mit meiner magischen Kraft zunutze zu machen. Es war seine Idee, dass ich es sammeln und tragen soll." Corax blickte auf seine Schultern und dann am Rand des Schirmes vorbei auf den grauen Himmel. "Er sagte, ich sollte versuchen, es umzuwandeln und abzugeben. Das ... passiert jedoch irgendwie von allein. Ich weiß nicht, was der Auslöser ist. Aber danach fühle ich mich immer gut. Leicht, als könnte ich fliegen."
Wahrscheinlich war dies auch der Auslöser für seinen Wunsch. Um Madiha Versprechen gerecht zu werden und auch weil er sich trotz allem doch etwas um Caleb sorgte, wollte Corax ihn kurzerhand suchen. Dabei folgte er in des Diebes Fußstapfen, was das Handeln vor dem Denken anging und nahm sofort seine rabnhafte Gestalt an. Auch er vergaß, jedoch weniger Madiha als die Tatsache, dass er nur noch einen Flügel besaß. So landete er hörbar auf einem der andunischen Dächer und schien von dort wenig später in eine Gasse herabgestürzt zu sein. Mit Schrecken war Madiha schon drauf und dran, ihn zu suchen, als jemand sie aufhielt. Er hielt sie auf!
"... Corax?" Er war es wirklich ... oder? Er sah ihm ungemein ähnlich. Selbst die schwarzen Strähnen, die ihm in die dunkle Stirn fielen, glichen ihm. Darunter der rubinrote Blick. Edelsteine, fürwahr, aber ihnen fehlte etwas. Ihnen fehlte der Blick eines Mannes, der Jahrzehnte in Sklavschaft verbracht und dessen Seele man mehrfach versucht hatte zu brechen. Es fehlte dieser stumpfe Schatten einer Seele, die das Leben anderer genommen, sich selbst verstümmelt und sich hatte körperlich wie mental wehtun zu lassen, nur um die Illusion aufrecht zu erhalten, wenigstens für eine einzige Person über ihm wichtig zu sein. Eine Person, die ihn mit Füßen trat - außer Azura. Es fehlte der Glanz aus Freude, der eben noch für Azuras Liebesgeständnis so viel Licht in diesen bedauernswerten Blick gebracht hatte. "Du bist nicht ... er..."
"Wie meinen?" Dieser Elf, der einer munteren, gesünderen, wohlbehüteteren Form von Corax ansonsten bis auf's Haar glich, lächelte fragend. Er reichte Madiha den Schirm weiter, nachdem sie sich sicher sein konnte, dass es wirklich nicht ihr Rabe war. Denn jenen hatte der Fremde soeben aus dem Maul einer Kratz befreit und in Madihas Hände gelegt. Das Bündel zerzauster Federn krächzte leise, wirkte ein wenig benommen und desorientiert. Und er besaß nur einen Flügel. Das war Corax!
Sein Doppelgänger vermutete offenbar, dass der Kater ganze Arbeit geleistet und ihn verstümmelt hatte. Er wies mit freundlichem Rat darauf hin, lieber einen anderen Vogel zu kaufen. Einen, der fliegen konnte. Einen, der intakt war und bereit zu funktionieren ... wie neue Sklaven, ehe man die sich der unbrauchbaren endgültig entledigte.
"Er ist genau richtig so...", murmelte Madiha. Daraufhin zuckte der Fremde nur mit den Schultern. Jene wurden langsam nass. Venthas Regen durchtränkte den samtenen Frack, ließ das Purpur noch dunkler wirken, wohingegen seine fast schwarze Haut durch den feuchten Stoff seines weißen Seidenhemdes schon hindurch schimmerte. Eine Brosche hielt es auf Halshöhe zusammen. Madiha konnte in dem Rubin eine eingefasste Feensilhouette erkennen. Jedenfalls, wenn sie gewusst hätte, wie eine Fee auszusehen hatte. Somit erkannte sie lediglich die weibliche Form einer kleinen Person mit libellenartigen Flügeln. Das Bild an sich war jedoch sehr einprägsam.
Da wurde der Fremde auch schon von seinen Wachen gerufen. Offenbar suchte man nach ihm. Ehe er sich abwandte, schaffte es das Wüstenmädchen noch, nach seinem Namen zu fragen. Er antwortete ihr aber nicht mehr, sondern lief durch den Regen auf seine Leute zu. Die schwarzen Lackstiefel mit den silbernen Schnallen klackerten geräuschvoll auf dem Pflaster. Ehe der Fremde jedoch endgültig verschwand, drehte er sich noch einmal zu der Szene herum. Er zwinkerte Madiha zu und plötzlich rief er: "Emmyth aus dem Hause Faelyn! Bald wirst du mich kennen, Menschenmädchen. Ich mache mir hier einen Namen!"
Die Wachen sprachen ihn erneut an und eine wagte es sogar, ihn an der Schulter zu berühren. Daraufhin zeigte sich ein anderes Bild des Dunkelelfen. Er schnarrte den Gerüsteten an, wischte dessen Hand von seiner Kleidung und schien ihm mit irgendetwas dermaßen zu drohen, dass dieser Krieger von einem Dunkelelfen den Kopf einzog. Dann verschwand die Gruppe und wenig später verwandelte Corax sich zurück.
"Geht es dir gut?" Corax nickte langsam. Er besah sich seine eigenen, kleinen Blessuren und rieb sich über einen tieferen Kratzer am Hals, der offenbar mehr brannte als die anderen. Das gab Madiha Gelegenheit, ihm weitere Fragen zu stellen. "Hast du verstanden, was die Elfen eben geredet haben?"
"Elfen? Ich war im Maul einer Katze und ... oh, du hast mich nicht herausgeholt?" Er blickte sich um. "Richtig, da war noch eine Stimme. Emmy Feilen?" Er schüttelte langsam den Kopf und rappelte sich dann auf. "Ich hab nicht wirklich viel mitbekommen. Tut mir leid, kleine Herrin."
"Hast du eigentlich Verwandte, Corax?"
"Was?" Der Rabe schaute Madiha perplex an. Sie klärte sofort auf, wie sie zu der Idee kam, zumindest gab sie einen Anreiz. Auch brachte sie mit einem Mal Geschwister mit ins Spiel. Corax schaute sie nur weiterhin irritiert an, ehe sein Blick Abstand von ihr nahm. "Ich weiß nicht...", murmelte er mit einer Verletztheit in der Stimme, die darauf schließen ließ, dass das Thema ihm nicht gefiel. Er hatte Azura Mutter genannt, als er an Bord des Schiffes in Gestalt des Sklavenjungen umhergewandert war ... und Dinge erlebt hatte, bei denen er sich wohl nichts sehnlicher gewünscht hatte, als eine Mutter, die sich zu seinem Schutz vor ihn stellte. Madiha bewegte sich auf dünnes Eis, aber sie bemerkte es noch nicht und wagte einen weiteren Schritt. Der Boden knackte bereits.
"Du hast mal gesagt, dass du dich in jeden verwandeln kannst, den du gesehen hast. Wenn du als Säugling deine Eltern gesehen hast... könntest du dich in sie verwandeln?"
Corax wich ein wenig zurück. "Ich weiß nicht ... ich erinnere mich nicht, sie gesehen zu haben. Ich ... könnte es versuchen..." Er schloss die Augen und erneut veränderte sich seine Gestalt. Corax schrumpfte. Seine Gliedmaßen wurden dafür länger und dünner. Wie Zweige waren sie, lang und holzig, aber bestanden doch irgendwie aus Fleisch und Blut. Seine Nase wuchs in die Länge, machte einen krummen Bogen nach unten, während sein Mund die Form einer groteskten Fratze annahm. Seine Augen blieben leicht schräg gestellt, färbten sich blutrot, zusammen mit dem gesamten Augapfel. Seine Spitzohren hingen wie grausige Fetzen ihrer selbst herunter und sein seidiges Krähenhaar wandelte sich zu ungepflegten Filzfetzen mit Moos und Stöcken darin. Die Finger beider Hände besaßen Krallen, so lang wie seine Nase und er stand vorgrkümmt da, weil sein Rücken einen holzigen Buckel machte.
Corax blickte auf seine Gliedmaßen herab, schaute dann neben sich und sah sein Gesicht in einer Pfütze. Vor Schreck ließ er den Schirm fallen, wich weiter zurück und starrte Madiha an. "Ich ... will ... das nicht", keuchte er, doch seine Stimme besaß das vertraute Keckern der Albtraumgestalten, die das Wüstenmädchen hatte kennenlernen dürfen. Die Stockmännchen, die Caleb wie Zweige entzwei gebrochen hatte. Das konnten unmöglich seine Eltern sein!
Corax verwandelte sich zurück, schlang den verbliebenen Arm um seinen Körper und zitterte nicht nur, weil ihm der Regen kalt ins Gesicht tropfte. "Bitte, zwing mich nicht dazu ... ich hasse sie. Ich hasse sie so sehr! Sie waren nie gute Eltern und ... ich will mich nicht an sie erinnern. Nie mehr! Ich ... ich bin jetzt frei, verstanden? ICH BIN FREI!" Einige Besucher des Marktplatzes spähten die Straße herunter, als Corax lauter wurde. Sie konnten nicht verstehen, was er dem Wüstenmädchen entgegenbrachte, schritten aber nicht ein. Noch nicht. Die meisten schauten nur neugierig. Es gab aber auch keinen Anlass mehr, misstrauisch zu werden. Nach seinem Ausbruch zuckte Corax zusammen, starrte Madiha erschreckt an, dass er so viel gewagt hatte, ihr entgegenzuschleudern und besann sich wieder. Er hob den Schirm auf, glich in den Bewegungen so sehr dem fremden Elfen - Emmyth Faelyn - dass es unheimlich wirkte, da beide sich offenbar nicht kannten. Corax hielt den Schirm über ihrer beide Köpfe, hielt den seinen aber schuldig gesenkt.
"Verzeih mir, ich war nur so ... überrascht und es ist ein wenig mit mir durchgegangen. Ich bin ein unsensibler Klotz."
Corax nickte es fort. "Ich..." Etwas raschelte. "Ich will mich nicht mehr an sie erinnern müssen. Jetzt, da ich nicht mehr unter ihrer Macht stehe und auch aussprechen kann, dass ich sie hasse. Dass ich alles hasse, was sie mit mir getan haben. Dass ich hasse, wer ich geworden bin. Madiha ... ich will einfach nur sein, wer ich jetzt bin." Er setzte sich in Bewegung, mit einem Umhang aus schwarzen Federn, der ihn nun zusätzlich vor dem Regen schützte und der so lang war wie ein halbes Elfenleben aus Schmerz und Leid.
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 20. Juli 2023, 22:04

Das Graublau ihrer Augen zuckte empor als sie im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Madiha musterte den Unbekannten und hielt für Sekunden die Luft an. "Emmyth aus dem Hause Faelyn! Bald wirst du mich kennen, Menschenmädchen. Ich mache mir hier einen Namen!" Sie runzelte die Stirn und sah dem Corax-Doppelgänger nach. Wie konnte es denn sein, dass er aussah, als wäre er ein und derselbe Rabe, ohne die Spuren seiner Vergangenheit zu besitzen? Die roten Rubine waren deutlich funkelnder. Sie wirkten unbekümmerter, nicht so zerstört und niedergeschlagen. Madiha würde jetzt gewiss nicht in Erfahrung bringen können, wieso dieser Dunkelelf dem Raben glich. Aber er hatte mit einem Punkt Recht: Sie würde sich seinen Namen merken und sie würde ihn nicht vergessen. Ganz gleich was Emmyth aus dem Hause Faelyn damit gemeint haben könnte, dass er sich einen Namen machen würde – Madiha Al’Sarma würde sich an ihn erinnern. Das Mädchen wurde abgelenkt von der Bewegung direkt neben ihr. Corax verwandelte sich wieder zurück und sie suchte ihn nach Blessuren ab. Erleichtert stellte sie fest, dass er zwar etwas gerupft aber dennoch halbwegs unversehrt war. „Ich dachte, dieser fette Kater würde dich im Ganzen hinunterschlucken…“, seufzte sie und sah noch mal in die Gasse. Der Kater aber war abgedampft und beleidigt auf Beutejagd gegangen. Dass Corax nicht mehr recht wusste, wer ihn aus den Reißzähnen befreit hatte, konnte sie gut nachvollziehen. Trotzdem erinnerte er sich und sie nickte kurz. Bei der Erwähnung des Namens, wanderte ihr Blick zurück zu der Stelle, an der Emmyth verschwunden war. „Emmyth Faelyn.“, berichtigte sie gedankenverloren und in ihr keimte eine Idee, die sie so weit beflügeln sollte, dass sie sogar eine Grenze übertrat. Während sie sprach, vergaß sie allerdings darauf zu achten, wie Corax sich wohl fühlen könnte. Plötzlich war da eine Idee, die sich verselbstständigte und Madiha mit sich trug, ohne auf irgendetwas Rücksicht zu nehmen. Das Mädchen klammerte sich an dieser Idee fest und verfolgte sie verbissen. Dass Corax sich mehr und mehr abschottete und sie sich bereits auf einem angesägten Drahtseil befand, merkte Madiha nicht. Ihre Augen leuchteten und ihre Wangen wurden rosig, weil sie eine seltsame Aufregung verspürte. Das Mädchen hörte das knackende Eis nicht und wagte sich noch weiter auf den gefrorenen See vor. Sie äußerte ihre Theorie und Corax schien diese auch gleich auf die Probe stellen zu wollen. Madiha war ganz aufgeregt und sah mit wachsender Anspannung zu, wie der Rabe sich zu konzentrieren begann. Würde er sich gleich in das Abbild seiner Mutter oder seines Vaters verwandeln? Die erste Veränderung begann und ihr Herz klopfte. Madiha hielt den Atem an, denn sie hoffte so sehr, dass sie den richtigen Gedanken hätte und ihm somit helfen könnte, diese Lücke in seinem Leben zu füllen. Dass Corax selbst nie darum gebeten hatte, dass jemand das tat, übersah das Mädchen. Und so nahm das Unheil seinen Lauf. Madiha beobachtete Corax genau und erkannte nur langsam, welch schrecklichem Fehler sie da Tür und Tor geöffnet hatte. Mit jeder weiteren Veränderung erlosch das aufgeregte Glühen in ihrem Gesicht und wich einer Blässe, die ihr Entsetzen offenbarte.
Madiha’s Herz klopfte, aber dieses Mal nicht vor wachsender Aufregung. „Hör… auf…“, hauchte sie tonlos, denn Corax wurde mehr und mehr zu dem Stockmännchen. Grauen erfasste sie, denn die Erinnerungen waren viel zu präsent. Sie sah sich mit dem Erlebten erneut konfrontiert und Bilder fluteten ihre Gedanken. Ihre Hände wurden kalt. Dem Mädchen wurde mit einem Mal bewusst, dass sie zu weit gegangen war. Viel zu voreilig und viel zu weit. Sie schüttelte den Kopf und wollte Corax davon abhalten, sich selbst anzusehen, doch sie reagierte zu spät. "Ich ... will ... das nicht!“ Madiha nickte verstehend und wollte ihn beruhigen, doch sie wich zurück als er sich zu Recht echauffierte. "Bitte, zwing mich nicht dazu ... ich hasse sie. Ich hasse sie so sehr! Sie waren nie gute Eltern und ... ich will mich nicht an sie erinnern. Nie mehr! Ich ... ich bin jetzt frei, verstanden? ICH BIN FREI!"

Die Blicke der Umstehenden bemerkte sie gar nicht, denn ihre Augen waren nur auf Corax gerichtet. „Es tut mir leid…“, flüsterte sie erstickt und zog die Augenbrauen zusammen. Tat es ihr wirklich. Madiha hatte nicht nachgedacht und sich von etwas leiten lassen, was nicht hätte sein sollen. Corax schwieg und sie beobachtete ihn, wie er den Schirm aufhob, als wäre er nun die Kopie seiner selbst. Das Mädchen schlug bedrückt die Augen nieder. Ihre Entschuldigung war ernstgemeint und doch konnte sie nur zusehen, wie Corax sich in ein Federkleid aus Leid hüllte. Madiha wagte nicht mehr etwas zu sagen. "Ich will mich nicht mehr an sie erinnern müssen. Jetzt, da ich nicht mehr unter ihrer Macht stehe und auch aussprechen kann, dass ich sie hasse. Dass ich alles hasse, was sie mit mir getan haben. Dass ich hasse, wer ich geworden bin. Madiha ... ich will einfach nur sein, wer ich jetzt bin." Sie nickte. Sie hatte verstanden. Madiha war zu weit gegangen und das bereute sie. „Es war mein Fehler, Corax. Du… ich will dir nichts aufzwingen. Und dich zu nichts drängen. Es tut mir wirklich leid.“, bekräftigte sie noch mal, ehe sie ihm schweigsam den Weg weiter folgte. Sie dachte darüber nach, wieso sie so voreilig gehandelt hatte. Und in ihrem Innern meldete sich ein Geheimnis, das sie aber beiseiteschieben wollte. Madiha spürte in sich selbst den Wunsch, Eltern gehabt zu haben. Ihre Mutter starb viel zu früh und insgeheim hatte sie immer gewollt, dass sie einen Vater hätte. Dass er eines Tages kommen und sie aus ihrer persönlichen Hölle holen würde. Madiha hatte keine Familie, niemanden, der ihr Geschichten über sie erzählen konnte. Und ihr fehlte das. Sie hatte es bei anderen gesehen und für sich selbst entschieden, dass sie es gerne gehabt hätte. Und jetzt, da sie bei Corax offenbar vermutete, dass er eventuell noch Angehörige haben könnte, da… Sie schämte sich. Madiha blieb still neben dem Raben und ging neben ihm her. Er war auf einem guten Weg gewesen. Unsicher betrachtete sie sein Federkleid. Hatte sie nun alles zunichte gemacht? Wie würden die anderen reagieren, wenn sie erfuhren, was sie getan hatte? Sie schluckte. Corax hatte nie viel Grund zum Lächeln gehabt. Und als er es endlich getan hatte, da kam sie und zerstörte alles. Wieder mal. Das Wüstenkind seufzte und versuchte den Gedanken wieder abzuschütteln. Emmyth Faelyn. Sie würde den Namen nicht vergessen und sie würde sehen, ob sich damit etwas anfangen ließe.
Aber – und das war entscheidend – sie würde es für sich behalten und Corax nichts davon erzählen. Das Thema war beendet für ihn und sie akzeptierte das. Denn für sie war er eben kein Sklave und dass er sie so angeschnauzt hatte, war ihr ein deutlicher Warnschuss gewesen. Madiha wähnte sich zu keiner Zeit in der Sicherheit einer Herrin, dass der Sklave nicht doch noch angriff. Sie sah sich so eben nicht. Und sie wollte sicher nicht, dass Corax sie noch mal würgte oder sich in die Ecke gedrängt fühlte. Außerdem konnte sie sich genau vorstellen, wie Azura sich vor ihr aufbaute, weil sie Corax Leid zugefügt hatte. Erneut seufzte Madiha und ballte eine ihrer Hände zu einer Faust. Sie musste sich auf etwas anderes konzentrieren. Der Nachmittag ging jedenfalls bitter zu Ende. Und auch wenn ihr das Schöne nicht abhanden kam, so war es dennoch getrübt. Jetzt hatte auch die Sorge um Caleb wieder mehr Angriffsfläche. Die Ablenkung war gründlich schiefgegangen und nun würde sie gerne mit Caleb darüber sprechen… Ihm würde sie alles erzählen. Außerdem glaubte sie, dass Corax jetzt erst recht nicht mehr ihre Gesellschaft wollte. Sie verstand es. Aber.. wo steckte Caleb? War er bereits wieder da? Würde er mit breitem Grinsen auf sie warten?
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Re: Andunische Marktvielfalt

Beitrag von Erzähler » Freitag 21. Juli 2023, 19:42

Madiha hatte es gut gemeint und jetzt hatte sie gelernt. Sie lernte, dass nicht jeder voller Eifer war, mehr über seine Vergangenheit zu erfahren. Nicht jedes Herz hüpfte vor Aufregung, wenn man Verbindungen zu einer möglichen Familie oder wenigstens den Eltern aufdeckte. Wobei Corax das nicht explizit gesagt hatte. Ob er so abgeneigt war hinsichtlich seiner Eltern wusste das Wüstenmädchen nicht. Das wusste niemand, nicht einmal Azura. Der Rabe sprach nicht darüber und das hatte seinen Grund. Madiha lernte es gerade auf die harte Tour kennen. Es lag nicht an den Eltern, dass Corax nicht so tief grub. Es lag am Schmerz, der in der Vergangenheit lauerte und neues Leid verursachte. Ein Schmerz, geschaffen von Wesen, die überhaupt erst dafür verantwortlich waren, dass Corax sich in der Situation wiederfand, keine Eltern zu haben. Es stach mit der gespaltenen Zunge einer silbernen Schlange aus spitzen Nadeln direkt in sein Herz. Es verbrannte seine Seele auf eine Weise, die Madiha mit ihrer Magie niemals würde heraufbeschwören können. Trotzdem hatte selbst sie ihn verletzt und das tief. Wüsste man nicht um den Umstand, aus dem sein Umhang geschaffen wurde, hätte man die Schönheit dessen richtig genießen können. Die Federn wuchsen direkt aus seinem Nacken, legten sich wie die einzelnen Glieder eines Kettenhemdes übereinander und fächerten sich zu einem fließenden Schwarz mit leicht tiefblauem Glanz bis hinunter zu seinen Fußknöcheln, so dass der Umhang knapp über dem durchnässten Pflasterstein des Bodens schwebte. Jede Bewegung brachte das getragene Leid zum Schimmern, aber es blieb nun einmal Leid. Und dieses Mal war es das große, das unendlich über Jahrzehnte angereicherte Leid eines einzigen Mannes. Wie schwer musste es auf seinen Schultern liegen und wie stark erst vergiftete es sein Herz?
Außerdem breitete es sich aus. Unsichtbare Federn mussten wie eine Aura um Corax herum schweben, denn auch Madiha spürte sein Leid. Sie fühlte sich zunehmend unglücklich. Die Stadt verlor ihre Farben und das Grau der regnerischen Wolken wirkte viel näher als zuvor. Die schöne Zeit auf dem Markt schien nur noch wie ein Traum als flüchtige Erinnerung vorhanden zu sein. Plötzlich war alles einfach nur noch schrecklich und das schlimmste daran war: Sie hatte es gut gemeint. Sie hatte sich mitreißen lassen von der Idee und der möglichen Freude, die Corax empfinden könnte, würde er mit seinen Eltern wieder vereint. Oder mit diesem Emmyth. Er hatte ihm einfach zu ähnlich gesehen! Das konnte kein Zufall gewesen sein.
Madiha entschied, unabhängig von der düsteren Lage jetzt zu recherchieren. Sie würde den Grund herausfinden, weshalb Emmyth ihrem Raben so ähnlich sah. Aber sie würde es Corax vorerst verschweigen. Sie sah ja, was es bisweilen angerichtet hatte. Und ihr Gewissen drückte ihr schwer auf's Gemüt.
"Es war mein Fehler, Corax. Du .. ich will dir nichts aufzwingen. Und dich zu nichts drängen. Es tut mir wirklich leid."
Der rubinrote Blick flog kurz zu ihr herüber. Zwei Augen, scharf wie ein Rabenschnabel, erfassten Madiha. Es war schwer zu deuten, ob er ihr verzieh oder sie am liebsten mit eben jenem Schnabel in winzige Stücke zerhackt hätte. Dann wandte er den Blick wieder ab, richtete ihn nach vorn. Schweigend gingen die beiden nebeneinander her. Der Regen ließ nicht nach. Corax trug den Schirm und unter dem Arm nur noch ein Päckchen. Die übrigen schleppte Madiha und sie musste sich konzentrieren, keines versehentlich fallen zu lassen.
Plötzlich drängte Corax sie ab, indem er in ihre Richtung einschlug. Madiha bliebt nichts Anderes übrig, als nach rechts auszuweichen, bis sie unter einem Vordach eines breiten Fachwerkhauses stand. Hier ließ er von ihr ab und senkte den Schirm. Er lehnte ihn gegen sein Bein, um die Hand frei zu haben. Jene streckte Corax Madiha entgegen.
"Ich kann dein Leid riechen", sagte er mit monotoner Stimme. "Es zerfrisst dich. Gib es mir." Es war nicht nur eine Geste der Nächstenliebe. Er war der Leidträger und für ihn machte das Wenige, was für Madiha so schwer auf der Seele lastete, wirklich keinen Unterschied mehr. Was kümmerte einen Mann ein weiterer Schnitt mit einem Messer, wenn man ihn sein Leben lang mit allen Arten von Klingen malträtiert hatte? Ihr aber nahm er damit eine enorme Last ab. "Bitte", meinte Corax eindringlicher und streckte ihr seine Hand noch etwas näher hin. "Gib es mir. Ich ... will das."
Wie sollte sie sich diesem Versprechen verweigern? Aber unabhängig, ob sie Corax' Hand berührte und er aus ihrem Leid eine neue Feder formen würde, damit sie sich anschließend wahrlich leichter fühlte oder nicht. Anschließend wirkte die Stimmung etwas besser. Jedenfalls begann der Rabe nach einigen Schritten wieder mit ihr zu sprechen.
"Kjetell'o hat es mir erklärt. 'Du bist ein Schelm', hat er gesagt. Anschließend folgte vieles, das ich nicht so verstanden habe, wie er es erzählt hatte. Ich kann es auch kaum mehr so wiedergeben. Aber was ich inzwischen weiß: Die Macht eines Grauschelms definiert sich durch das Leid, das er anreichert. Entweder verursacht er es mit Worten oder Taten ... oder er reichert es an und trägt es wie ein Gewand. Er hüllt sich in Leid, spart es auf, um es wie eine gut geschärfte Klinge im richtigen Moment zu ziehen." Erneut blieb Corax stehen. Jetzt wanderte sein Blick ihne diese kalte Schärfe zu Madiha herüber. "Wenn ich mein eigenes Leid so anreichere; wenn ich es trage und auch das anderer nehme, lastet es nicht direkt auf meiner Seele. Ich kleide mich darin. Vielleicht hält es mich sogar warm, meinte er. Falls ... meine Seele eines Tages zu verdorben sein sollte, dass ich es wie ein Rauschmittel konsumieren will." Corax schluckte. So weit war er trotz allem, was man ihm im Leben angetan hatte, nie gekommen. Er hatte gefoltert. Er hatte getötet, aber er hatte es nie wirklich genossen. Nicht die meiste Zeit.
Madiha erinnerte sich wohl an die Ausschnitte aus seiner Erinnerung. Der Moment, als er sich an dem Ork gerächt hatte oder an der Schneiderin von dunkelelfischer Herrin, der er ... wichtige Körperteile zusammengenäht hatte. Da war sein Genuss über diese Taten so groß gewesen, dass Madiha und Azura als heimliche Zuschauerinnen es fast in sich selbst hatten fühlen können. Aber das waren Ausnahmen, geboren aus Rache und dem Wunsch, diesem auferlegten Schicksal irgendwie zu entkommen. Aber er hatte auch geweint über seine Taten. Er hatte viele davon bereut. Zuletzt hier in Andunie, als auch er nur hatte helfen wollen. Als er es gut meinte, Madiha durch Mord zu schützen.
Sie machten beide Fehler, aber sie lernten auch beide daraus. Vielleicht mehr als andere, denn sie verstanden das Gewicht ihrer Taten.
"Kjetell'o meinte, er wollte ein Experiment versuchen. Er sagte mir, ich solle das Leid anreichern. Ich solle es tragen und dann solle ich es ... in etwas umwandeln. In etwas Gutes. Ich ... das hab ich inzwischen geschafft, schon mehr als einmal." Er hob die Schulter an. "Aber ich weiß nicht, wie. Es passiert einfach und dann ist das Leid weg." Sein Blick schwand hinter einem schwarzen Vorhang nasser Haare, als er den Kopf erneut senkte. Er brauchte es nicht auszusprechen. Er wünschte, er wüsste wie er es anstellte. Er wollte diesen Umhang loswerden. Er wog schwer.
"Lass uns weitergehen, kleine Herrin. Ich möchte zu Azura. Ich vermisse sie gerade sehr." Er setzte sich wieder in Bewegung, aber langsam genug, dass Madiha sofort zu ihm aufschließen konnte und bevor sie nass wurde. "Und falls Caleb nicht in der Akademie ist, werde ich dir suchen helfen. Gib mir nur einen Moment mit ihr. Nur einen Blick."

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