Das Anwesen der Familie van Ikari

Sämtliche Straßen Andunies sind gepflastert und von schönen kleinen Häusern gesäumt. Meist Fachwerkhäuser, aber auch mal eine prächtige kleine Villa. Nur die ärmeren Bezirke der Bettler und Halunken sollte man meiden.
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Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Samstag 4. November 2023, 12:58

Azura kommt von Ritual im Park

Keiner der beiden Männer fragte, wohin Azura sie führte. Sie alle kannten den Weg. Die Andunierin, weil sie in dem großen Haus aufgewachsen war. Der Dunkelelf, weil er sie daraus entführt hatte. Der Shyáner, weil ... nein. Kannte Kjetell'o denn das Anwesen derer van Ikari? Er hatte Azura gezeugt, lange bevor Aquila und Alycide einander hatten finden können. Lange, bevor der Kaufmann seine neue Liebe und deren Spross in sein Heim und somit ein besseres Leben geholt hatte. Aber Kjetell'o wusste vom Verschwinden eben jenes Mannes und dass die Dunkelelfen ihn entführt hatten. Und er hatte versucht, Kontakt zu seiner Tochter aufzunehmen. Er musste sich informiert haben. Sie alle kannten folglich den Weg zum großen Anwesen des andunischen Adelsgeschlechts derer van Ikari.
Es lag nicht mehr ganz so entsetzlich da, wie Azura es verlassen hatte. Natürlich bräuchte es Gärtner und einige Handwerker. Das Gelände war groß und es würde seine Zeit dauern, die Schäden zu beseitigen. Bereits, als sie an der Grundstücksmauer mit dem Eisengitter vorbei gingen, um das sich gern einmal Rankengewächse tummelten, erkannte Azura, dass noch nicht alles wieder instand gesetzt worden war. An einer Stelle waren die schwarzen Stangen verborgen, weil ein Baum von Seiten des Gartens umgestürzt war. An anderer Stelle hatte jemand das Mauerwerk zertrümmert. Büsche und Unkraut wuchsen über die Stelle hinweg, als wollte die Natur selbst einen vorwitzigen Einbrecher nun an seinem Vorhaben hindern. Aber Azura war Tochter des Haushalts. Sie hatte keinen Grund, unerlaubt und durch einen nicht gewollten Eingang in das Anwesen zu gelangen. Sie nahm den Weg durch das große, eiserne Doppeltor. Es stand offen. Das war nicht ungewöhnlich. Ihr Ziehvater pflegte, viele Handelspartner und Gäste auch zu Hause zu empfangen und hatte irgendwann entschieden, dass er an einem Pförtner sparen konnte, wenn er das Tor einfach offen ließ.
Der weiße Kiesweg leitete die Ankömmlinge bis an das große, nahezu verspielte Gebäude heran. Das Anwesen sah besser aus. Die Fensterläden, die beim Überfall der dunklen Armee teilweise noch aus den Angeln gerissen worden waren, schienen repariert worden zu sein. Gleiches galt für das Geländer der Eingangsterrasse und auch für die Haustür. Jemand hatte ein Schild dort aufgehängt: "Unerwünschte unwillkommen", stand in celcianischen Lettern darauf, damit auch niemand die Ausrede zur Hand hätte, die Sprache nicht zu kennen. Lediglich Ungebildete, die des Lesens nicht mächtig wären, könnte man entschuldigen. Aber solche trieben sich ohnehin nicht in diesem Teil der Stadt herum - zumindest nicht vor der Eroberung durch das dunkle Volk. Doch Azura konnte keine Obdachlosen, keine Bettler und Halsabschneider auf dem Grundstück erkennen. In der Ferne sah sie die kleine, weiße Gartenlaube. Irgendwo hinter dem Haus mussten die Vogelkäfige für ihre Falken zu finden sein. Ob sich jemand um die Tiere gekümmert hatte oder waren sie inzwischen verendet? Dieser Gedanke konnte durchaus für einen Schrecken sorgen. Dafür beruhigte das Bild von Licht hinter den Fenstern des Hauses. Jemand wohnte hier und hatte sich sogar die Zeit genommen, bei einigen Räumen die Vorhänge aufzuziehen, damit graues Tageslicht ins Innere gelangen könnte. Hoffnung gaben auch die Pflanzkästen an den Fenstern der Terrasse. Jemand hatte Geranien angepflanzt und sie blühten bereits. Der Geruch machte viele gern benommen, aber der Anblick war stets angenehm. Vor der Tür lag eine Fußmatte bereit. Corax klopfte darauf den Schlamm von seinen Stiefeln. Es gab reichlich davon. Überhaupt machte ihre Kleidung inzwischen bei keinem von ihnen mehr einen sehenswerten Eindruck. Azuras natürliche Schönheit musste genügen.
Als sie die Terrasse und somit auch die Türschwelle erreichten, konnte die Andunierin ihren Zauber endlich fallen lassen. Er hatte sie reichlich ausgelaugt. Ein zweites Mal, beispielsweise für einen Rückweg, würde es ihr nicht gelingen. Sie müsste sich vorher ausruhen und vor allem etwas aufwärmen. Ein heißer Tee wäre jetzt genau das richtige. Stattdessen stand Azura nun die Konfrontation mit ihrer Mutter bevor. Corax, der neben ihr stand, schaute sie fragend an. Dann aber setzte er das Unausgesprochene in die Tat um. Jetzt gab es kein Zurück mehr und er wollte Azura offensichtlich auch keine Möglichkeit mehr dafür geben. Er klopfte an.
Kjetell'o war es, der Abstand hielt und sich halb hinter eine beim Fuß der Treppe gepflanzten Zypresse verbarg. Doch sowohl er als auch Corax und Azura mussten warten, bis sich überhaupt etwas im Inneren des Hauses tat. Man sah das Wandern des Lichts deutlich, denn noch immer war der Himmel grau und das Tageslicht eher matt. Der Schein einer Kerze wanderte vom ersten Stock an einigen Fenstern vorbei, verschwand dann gänzlich, nur um im Erdgeschoss wieder aufzutauchen. Er näherte sich den Fenstern zu beiden Seiten der Haustür und fand schließlich Ruhe. Jemand schien seine Lichtquelle irgendwo abgestellt zu haben. Dann öffnete sich die Tür einen Spalt. Der geradezu feurig kampfbereite Blick einer nobel gekleideten Adligen mit Azuras Locken, aber deutlich mehr Falten hinter dem Gesichtspuder musterte Corax zuerst.
"Wagt es Euch nicht, Elf, auch nur einen Fuß in mein Haus zu machen. Ihr habt mir bereits meinen Mann genommen. Alles andere lasse ich mir nicht-" Sie verfiel in Schweigen. Keinen Herzschlag später wurde die Tür weiter aufgezogen, so dass der volle Blick auf Aquila von Ikari frei wurde. In der rechten Hand und halb hinter dem Rücken verborgen hielt sie eine schwarze Eisenpfanne. Sie passte nicht zum Gesamtbild der gut gekleideten Frau. Trotz aller Umstände hatte sie sich zurechtgemacht. Das Haar war nobel hochgesteckt. Ein Diadem zierte es. In den Ohren glitzerten passende Steine und um den Hals trug sie eine Perlenkette, die Azura schon als Kind wunderschön gefunden hatte. Alycide hatte sie ihrer Mutter geschenkt, ebenso wie das Kleid, das sie heute am Leibe trug. Es war in einem noblen Bordeauxrot gehalten mit schwarzen Applikationen und Spitze am Rocksaum, sowie den Enden der weiten Trompetenärmel. Nur auf die zugehörigen Spitzenhandschuhe hatte die Edle van Ikari verzichtet. Sonst wäre ihr nur die Pfanne entglitten, die sie bereit gewesen wäre, Corax über den Schädel zu ziehen. Jetzt ließ sie diese mit einem lauten Geräusch zu Boden fallen. Sie riss beide Hände empor, vor ihren Mund und darüber quollen dicke Tränen aus ihren Augen, ruinierten sofort die aufgetragene Schminke. Es kümmerte Aquila nicht. "Mein Kind!", keuchte sie und stürzte sich auf Azura, um sie ganz undamenhaft in die Arme zu ziehen, eng an sich zu drücken und zu halten. Sie weinte offen, sie hielt Azura fest und wollte sie nicht loslassen. Immer wieder glitten ihre Hände dabei über den Körper der Tochter, um sie spüren zu können und zu wissen, dass sie nicht träumte. Schließlich löste sich die Mutter, starrte der Tochter ins Gesicht. "Ich dachte, ich hätte dich verloren. Wo kommst du nur her? Wo ist-? Hat ... hat ein Waldelf dich hierher gebracht?" Ihr Blick huschte kurz über Corax, dann zurück zu Azura und schließlich trat Kjetell'o von hinten in ihr Sichtfeld. Sofort engten sich ihre Augen etwas. Sie nahm Haltung an, musterte den Shyáner und richtete ihr Kleid. Dann aber legte sie geradezu beschützerisch einen Arm um Azura.
Kjetell'o aber blieb so ruhig wie die Andunierin ihren Erzeuger kannte. Was ihr fremd war, war die Härte in seinen Zügen. "Ich habe sie gefunden", begann Kjetell'o. Seine Stimme klang kühl und distanziert. "Sie wünscht keinen langfristigen Kontakt. Damit ist meine Frage geklärt, unsere Abmachung hinfällig. Ich werde jetzt gehen."
Er wollte sich abwenden. Corax' Brauen glitten in die Höhe, aber ehe er reagieren konnte, war es Aquila, die den Waldelfen mit einem Ruf aufhielt. "Und mein Mann? Was wird aus Alycide? Du vermaledeiter Lügner, du hast-"
"Ich arbeite noch daran und werde diesen Teil einhalten", schnitt Kjetell'o ihr ungewohnt scharf das Wort ab. Noch einmal blickte er über die Schulter zurück. Seine goldgefleckten Wälder brannten beinahe, so sehr loderte es in seinem Blick. "Auch wenn ich meinen Lohn vorab erhal-" Das Feuer schwand. Kjetell'os Kraft schwand. Er kippte einfach zur Seite und auf den Kiesweg, wo er bewusstlos liegenblieb. Er und Azura mussten wirklich verwandt sein.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Donnerstag 16. November 2023, 10:38

Sie meinte es nicht böse, als sie auf seine Erscheinung angespielt und ihn dabei auch gerügt hatte. Genauso wie sie es mit dem Schnappen nach seiner Nase nicht darauf anlegte, ihm ernsthaft Schmerzen zu zufügen. Es lag nur einfach daran, dass sie beide sich durchaus noch leicht missverstehen konnten. Dabei wollte sie ihm nur verdeutlichen, dass er ihr so gefiel, wie er war, und sich eben nicht verstellen sollte. Doch so klar wiederum konnte sie, die es gewohnt war, oft ihre Botschaften zwischen den Zeilen platzieren zu müssen, es nicht sagen.
Trotzdem kam es, zum Glück, nicht zum Streit. Dafür sorgte wohl auch der Waldelf, der es ebenso war, der zum Aufbruch drängte, nun, nachdem das Ritual erfolgreich abgeschlossen war. Oder war auch das wiederum nichts weiter als eine Illusion? Azura wollte es gar nicht erst anfangen zu hinterfragen. Viel zu schön und erleichternd war es, sich endlich wieder nach sich selbst anzufühlen.
Dennoch ließ sie einen nachdenklichen Blick zwischen den Männern hin und her wandern, als es um die Magie ihres Raben ging, wenngleich das Gespräch darüber auf später verlegt wurde. Auch sie interessierte so einiges, aber sie war ebenfalls der Meinung, dass es Zeit wurde, um ins Trockene gelangen zu können. Schließlich hatte sie keine Lust, sich zu verkühlen oder zu zusehen, wie es einer der anderen Beiden täte.
Dass es hingegen für einen von ihnen auch anderweitig gefährlich werden konnte, daran dachte sie derzeit noch nicht. Wie denn auch? Magie hatte in ihrem Leben, bis auf ein paar kleine, harmlose Spielereien und einer unerfüllten Sehnsucht, keine wirkliche Rolle gespielt. Dadurch dauerte es und benötigte auch eines entsprechend desolaten Zustandes des Waldelfen, bis ihr ein Gedanke kam, der ihnen allen zugute kommen konnte.
Also blieb sie stehen und löste sich von ihrem Liebsten, um instinktiv so viel Ablenkung wie möglich auszusperren. Und trotzdem fiel ihr es nicht derart leicht wie am Tag zuvor, als sie die dazugehörige Rolle in Händen gehalten hatte. Oder lag es an dem vielen Regen um sie herum? Daran, was sie in der letzten Stunde erlebt hatte?
Die Gründe waren letztendlich unerheblich, denn das Ergebnis blieb dasselbe. Das Flämmchen in ihrem Inneren regte sich, bäumte sich angstvoll auf und glaubte, dass es an sein Löschen gehen würde, obwohl sie das überhaupt nicht vorhatte. Mehrfach atmete sie aus, hielt die Augen geschlossen und versuchte, sich zu konzentrieren, anstatt auf das Gefühl in ihrer Magengegend zu lauschen, wo sich ihre Eingeweide zu verknoten schienen.
Ein leichtes Zittern erfasste sie und Unsicherheit stieg in ihr auf. Warum wollte es nicht gelingen? Gestern war es ihr so einfach, so... natürlich vorgekommen. Wieso jetzt nicht wieder?
Eine warme Hand legte sich auf ihre Schulter und eine dazu passende, beruhigende Stimme erklang. Die junge Frau war zu konzentriert, als dass sie sich davon ablenken lassen wollte, auch wenn sie leicht zusammen zuckte. Ihr Flämmchen hingegen zitterte und schien zu... lauschen? Mut zu fassen? Neugierig zu sein? Sie wusste es nicht, aber sie atmete hörbar aus und wisperte, wie zur Bestätigung:"Ja, ganz ruhig. Ich tu' dir nichts."
Und dann, endlich, schien es zu funktionieren. Das Wasser teilte sich in ihrem Inneren, formte jenen Schild, den es schon einmal geschaffen hatte und zeigte dem Flämmchen, dass es sich keine Sorgen zu machen brauchte. Aber auch außerhalb ihrer Seele gelang es ihr, das Wasser abzulenken und eine Art Kuppel entstehen zu lassen, in der sie alle drei Platz hatten.
Langsam ließ sie erneut die Luft aus ihren Lungen entweichen und hob ihre Lider an, als der Waldelf seine Bemerkung erklingen ließ. Obwohl sie es nicht wollte oder gar verstand, wurden ihre Wangen leicht rot und sie sah verlegen zu Boden. Schon flackerte das Flämmchen in ihrem Inneren etwas unruhiger und erinnerte sie daran, dass sie sich besser konzentrieren musste, wenn sie nicht wollte, dass der Schild gleich wieder zusammen brach.
Leise seufzend wandte sie sich ab und zwang sich, nicht auch noch zu Corax zu sehen, um nicht noch abgelenkter zu sein. Stattdessen übernahm sie nun die Führung und folgte einem Weg, den sie auch ohne Beachtung jederzeit wieder finden würde. Auf diese Weise konnte sie sich wirklich auf die Aufrechterhaltung des Zaubers konzentrieren.
Es war alles andere als einfach für sie, wie der ein oder andere Tropfen bewies, der sie dennoch treffen konnte, aber im Großen und Ganzen gelang es ihr. Auch wurde ihr warm dabei. Woran das liegen mochte? Eine Nebenwirkung ihrer Anstrengung? Vielleicht... jedoch wollte sie sich nicht zu sehr darum kümmern, das wäre im Moment unnötige Ablenkung.
Ebenso wie ihre direkte Umgebung, sodass sie vorerst den Blick ausschließlich auf den Pfad vor ihren Füßen richtete und lieber nicht nachsah, wie es um den Zustand ihres Heims mit allem drum und dran ging. Erst, als sie die Handvoll Stufen vor der Eingangstür zu erklimmen begann, hob sie ihren Kopf und atmete seufzend auf. Der Schild brach prompt zusammen und sie sank erschöpft gegen den warmen, dunklen Körper neben sich, während ihr ein wenig schwindelig wurde.
Allmählich bekam sie zu spüren, wie anstrengend die letzten Minuten gewesen waren, und sie war froh, ihr Ziel erreicht zu haben. Zumindest wurde sie nun nicht wieder verstärkt nass, denn ihr Stiefvater hatte einen kleinen Repräsentationsbalkon über der Eingangstür errichten lassen. Auf diese Weise war es ihm und seiner Gattin möglich gewesen zu glänzen, wenn sie zu einem Fest geladen hatten und auf diese Weise ihre Gäste begrüßen konnten. Außerdem sah die Eingangsfassade dadurch eleganter aus, wie sich die kurze Treppe vom Boden hinauf zur Terrasse rund um die Tür verjüngte und auf der untersten Stufe die schlicht kannellierten Säulen in die Höhe wuchsen, um den Balkon zu stützen. Sie hatte diesen Anblick immer geschätzt und oft hier gestanden, um wenigstens ihre Hand in den prasselnden Regen halten zu können, wenn ihre Mutter ihr ein hinaus gehen eigentlich verboten hatte, um ihre Gesundheit zu bewahren.
Jetzt hingegen... kam sie aus solch einem Wetter und hoffte auf die Wärme von drinnen, nachdem jene innerhalb der Kuppel durch deren Auflösen wieder entwichen war. Außerdem beschlichen sie Bedenken, ob es richtig gewesen war, hierher zu kommen... mit ihren beiden Begleitern bei sich. Auf der anderen Seite hätte sie es womöglich allein noch weniger geschafft.
Nun waren sie also hier... und ehe sie doch noch die Flucht wieder ergreifen könnte, übernahm der Dunkle es, ihr diese Möglichkeit zu verwehren, indem er klopfte. Sie wollte ihn festhalten, ihm sagen, dass er das nicht tun sollte, aber da war es schon zu spät. Schwer schluckte sie und umarmte sich selbst, als wäre ihr schon jetzt viel zu kalt.
Unsicher und unruhig wanderte ihr Blick herum, entdeckte kleine Details, die auf Leben und Sorgfalt schließen ließen und die ihr bekannt waren, das jedoch ließ ihr Herz noch schneller schlagen. Die Knie wurden ihr weich und als es nicht sofort zum Unvermeidlichen kam, war sie versucht, trotzdem umzudrehen und wegzulaufen.
Ehe sie die Kraft dazu fand, konnte sie sehen, wie im Inneren Licht zu wandern begann, und erstarrte. Selbst den Atem hielt sie an, so unsinnig das auch war. Schließlich war sie hier zu Hause! Warum nur hatte sie solch große Angst vor dem, was nun unweigerlich kommen würde?
Ein Zittern durchlief sie, als die Tür einen Spalt breit geöffnet wurde. Noch konnte sie die Person nicht erkennen, die offenbar vorsichtig geworden war, die Stimme, allen voran den zornigen Tonfall allerdings, würde sie jederzeit erkennen können. Tränen schossen ihr in die Augen und der Hauch eines Wortes drang über ihre Lippen:"Mama..."
Auch die Hausherrin schien sie zu entdecken, denn abrupt verstummte sie, um keine zwei Sekunden später regelrecht die Tür aufzureißen, heraus zu stürmen, während noch etwas Metallenes auf dem Boden schepperte, und sie in die Arme zu ziehen. Sofort hüllte sie vertraute Wärme und liebgewonnener Duft ein, sodass sie wimmernd die Augen schloss und sie, wie ein kleines Kind, an diesen so bekannten Körper klammerte. "Mama...", schluchzte sie immer wieder und vergrub sich regelrecht in dieser Umarmung, als könne sie damit alles Negative aus ihrer Vergangenheit aussperren. Doch das würde auch das Positive betreffen...
Nur war sie trotz allem noch zu jung und zu mitgenommen von den letzten Monaten, als dass sie sich sofort wieder hätte fassen können. Ihre Mutter war da schneller, löste sich von ihr, ohne sie wirklich loszulassen, und begann, ihr jede Menge Fragen zu stellen. Schniefend wischte Azura sich die Tränen von den Wangen, obwohl noch immer neue nachkamen, und wollte sich lieber noch weiter in den warmen, weichen Armen ausheulen, als auch nur irgendetwas sagen zu müssen.
Nur leider hielt die Wiedersehensfreude nicht so lange an, wie sie es sich gewünscht hätte. Der suchende Blick blieb ihr nicht verborgen und sie folgte diesem mit ihrem eigenen, bis sie zu Corax kam. Entschuldigend lächelte sie und holte Luft, wollte etwas dazu sagen, ihn vielleicht sogar sofort vorstellen, als sie spürte, wie ihre Mutter sich versteifte.
Das Lächeln verblasste und machte einem besorgten Ausdruck Platz, als sie zurück zu ihrer Mutter sah, die es plötzlich darauf anlegte, ihr Kleid zu richten. Sie öffnete den Mund, um erneut etwas anmerken zu wollen, als ihr der Arm um die Schultern gelegt wurde und sich irgendwie... schwer, einengend anfühlte.
Blinzelnd vertrieb sie die letzten Tränen, die ihre Sicht verschleierten, und folgte der neuen Blickrichtung. Sie fand, was ihre Mutter entdeckt hatte. Trotzdem erschrak sie bei seinem Anblick, die Härte seiner Mimik ließ sie unwillkürlich frösteln. Was... passierte hier? Unsicher glitten ihre Augen von einem zur anderen und wieder zurück.
Da erwähnte er, dass sie keinen Kontakt zu ihm wollte. Die junge Frau presste die Lippen aufeinander und sah zu Boden, denn seine Annahme versetzte ihr einen Stich. Stärker und tiefer sogar, als sie wahrhaben wollte. Aber sie kam gar nicht dazu, sich selbst in das Gespräch der Beiden einzumischen, denn dieses überforderte sie und verlief so gänzlich anders, als sie es sich unbewusst ausgemalt hatte.
Es war tatsächlich derart kühl, dass es weh tat und sie schlängelte sich aus dem Griff ihrer Mutter heraus, um instinktiv bei jenem Schutz zu suchen, von dem sie sich mehr Wärme versprach. Sie flüchtete sich in Corax' Arm und sah unsicher zu ihm hoch, als hätte er Antworten für sie. Zugleich beschlichen sie jedoch auch Zweifel und Sorgen.
Sah sie gerade in ihre eigene Zukunft? Würden sie beide auch einmal so enden, sich auf diese Weise verhalten und füreinander nichts mehr als Kälte übrig haben? Ein Schluchzen stieg ihr die Kehle hoch und fühlte sich an, als wolle es ihr die Luft zum Atmen nehmen.
Dass dies nicht geschah, lag an einer weiteren, überraschenden Wende. Plötzlich, mitten im Satz, fiel der Waldelf um, als hätte man einen Hebel umgelegt. "Nein!", entkam es ihr entsetzt.
Ohne zu überlegen, eilte sie zu ihm hin, auch wenn sie so oder so zu spät gekommen wäre, um ihn auffangen zu können. Sie sank neben ihm auf die Knie und wusste vor aufsteigender Angst nicht, was sie tun sollte. Dass sie nicht auch noch panisch wurde, war dem Umstand zu verdanken, dass sie ihre Hand auf seinen Brustkorb legte und just in diesem Moment einen Atemzug spüren konnte.
Sie atmete selbst auf und fasste einen Entschluss. Azura sah auf. "Corax, hilf mir.", bat sie ihren Raben und griff schon nach einem Arm des Bewusstlosen, in dem Versuch, ihn sich über ihre Schultern zu ziehen und ihn so in die Höhe bringen zu können. Es war alles andere als einfach für sie und alleine hätte sie das niemals geschafft.
Sobald sie jedoch Hilfe erhalten und sich zurück auf die Beine gekämpft hatte, blickte sie zu ihrer Mutter. "Mama... Lass ihn uns reinbringen, er braucht jetzt Trockenheit. Oder hasst du ihn so sehr...?" Ihre Stimme erstickte beinahe bei diesem Gedanken, obwohl es mehr als verständlich wäre. Ja, sie würde sich vermutlich ähnlich verhalten, wenn sie an der Stelle der Älteren wäre.
Allerdings hatte sich das Gefühl, dass es hier um ihren Erzeuger ging, immer mehr in ihr festsetzen können und das sorgte dafür, dass sie ihn nicht vollkommen im Stich lassen wollte. Er hatte ihr ja auch geholfen...
Sollte ihre Mutter sich nicht in den Weg stellen, wollte sie Corax mit dem Waldelfen in das Anwesen führen und den Gang entlang lotsen bis zu einem bestmmten Salon. Nämlich den, in dem ausgerechnet jenes idyllische Landschaftsgemälde mit der Waldlichtung und dem kleinen See darin hing, an das sie hatte denken müssen, als sie seine Augen das erste Mal gesehen hatte.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 16. November 2023, 23:32

Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es Azura nach einer Weile doch noch, ihren Wasserschild heraufzubeschwören. Es wunderte sie, dass der Zauber am Vortag so problemlos funktioniert hatte und ihr nun so schwer fiel. Dabei berücksichtigte sie allerdings die Umstände nicht: Sie hatte ein Ritual zur Wiederherstellung ihres Äußeren hinter sich und auch wenn sie selbst nicht aktiv daran beteiligt war, schien es auch ihre Konzentration zu beeinträchtigen. Sie alle waren angeschlagen, wie sich noch zeigen sollte. Im Moment hatte die wieder schön gewordene Andunierin jedoch kaum einen Blick für ihre Begleiter übrig. Auch als sie das heimatliche Anwesen erreichte, blieb dieser aus, denn die Fassade des Hauses wiederzusehen, berührte sie. Allein der Anblick des Balkon, der gleichzeitig auch als Überdachung für den Eingangsbereich diente, erwärmte ihr Herz. Wie oft hatte sie verbotenerweise dort im Regen gestanden, um das Nass auf ihrer Haut zu spüren. Im Moment war es aber selbst ihr genug davon. Sie fror ein wenig, was es ihr zusätzlich erschwert hatte, den Schild zu wirken. Nun, da sie aber am Haus ihres Ziehvaters angekommen war, konnte sie den Zauber endlich fallenlassen und durchatmen. Azura spürte ein leichtes Schwindelgefühl. Ihre Beine waren weich, wo die Arme sich bleischwer zeigten. Außerdem kroch ein Unbehagen von ihrem Magen aus an die Oberfläche. Furcht drohte, sie zu übermann und zu einer Flucht zu bewegen. Doch Corax machte ihr einen Strich durch die Rechnung, als er sie alle durch ein Klopfen ankündigte. Nun gab es kein Zurück mehr. Es war gut, dass sie hiergeblieben war. Auch wenn ihre Mutter zunächst mit Misstrauen und einer Bratpfanne bewaffnet die Tür nur einen Spalt öffnete und Corax schon als Feind im Visier hatte, ließ sie von ihrem Plan ab, sobald sie in das Antlitz ihrer Tochter blickte. Bevor jene auch nur mehr tun konnte als nach ihrer Mutter zu winseln, fand sie sich in deren Armen wieder. Aquila van Ikari begrüßte sie mit der mütterlichen Herzlichkeit, die Azura so sehr vermisst hatte. Endlich! Endlich war sie wieder zu Hause, bei ihrer Mutter. Endlich spürte sie ihre Nähe, konnte ihren vertrauten Duft wieder wahrnehmen und die Güte in ihren Augen erkennen, gepaart mit dieser Spur Sorge um den Wohlbehalt des eigenen Kindes. Die Wiedersehensfreude hätte ruhig noch eine Weile anhalten können, aber Aquila wollte rasch wissen, wer ihr Töchterchen zurückgebracht hatte. Zwangsläufig traf ihr Blick somit auf Kjetell'o ... und Kälte breitete sich aus. Nicht nur ihre Mutter, sondern auch der Waldelf baute einen mentalen Schutzwall auf, um sich für den jeweils anderen zu wappnen.
Azura flüchtete sich in Corax' verliebenen Arm, sobald sie die Gelegenheit dazu erhielt. Furchtsam spähte sie zu ihm hoch. Würde ihre Liebe zu ihm auch eines Tages so enden? Würde sie in etwas umschlagen, das ihr Herz schwer werden ließ und stattdessen mit Abneigung füllte? Wenn man Aquila und Kjetell'o miteinander sah, konnte man kaum glauben, dass jemals irgendetwas Anderes zwischen ihnen geherrscht hatte als diese Herzenskälte. Und doch ... beide mussten einst etwas füreinander empfunden haben, selbst wenn es nur auf Lust basiert hatte. Wenigstens sprachen sie noch miteinander. Kjetell'os Stimme hatte jedoch nie zuvor so scharf geschnitten und vielleicht hätte er die Luft noch damit zerteilt, wenn ihm sein Körper nicht zuvorgekommen wäre.
Azura hätte es ahnen können, doch man konnte ihr keinen Vorwurf machen. Warum auch? Sie hatte nur schwerlich an sich selbst die Erschöpfung bemerkt. Ihr war lediglich aufgefallen, dass ihr das Zaubern scherer fiel als den Tag zuvor. Kjetell'o aber hatte das Ritual vollzogen, ohne selbst ein Magier dieses Fachs zu sein. Er war auf Feuer spezialisiert und von Wasser mehr umhüllt worden als gut für ihn war. Er hatte sich so sehr verausgabt, dass ihm der nicht enden wollende Regenguss von oben mehr als zugesetzt hatte. Nun zahlte er den Preis und brach bewusstlos zusammen.
Mit einem entsetzten Aufschrei geriet Azura als erste in Bewegung. Sie war an der Seite des Waldelfen, noch ehe ihre Mutter die Pfanne hatte senken können. Aquila betrachtete, wie ihr Kind auf die Knie sank und eine Hand auf Kjetell'os Brust legte. Er atmete noch. Es war nur ein Schwächeanfall, jedoch hatte er noch nicht aus seiner Ohnmacht heraus zu ihnen zurückgefunden.
"Corax, hilf mir."
"Sofort!" Aquila beobachtete weiter, sah den Dunkelelfen zu ihrer Tochter und ihrem einstigen Liebhaber rennen. Gemeinsam mit Azura gelang es ihm, den reglosen Körper hochzuhieven und zu halten. Kjetell'o hing wie ein nasser Sack zwischen ihnen. Er war trotz seiner grazilen Gestalt richtig schwer, wenn von seinem Körper aus keinerlei Gegenkräfte wirkten, um ihn auf den Beinen zu halten. Als Azura und Corax mit ihm die ersten Stufen zur Haustür erklommen, riss ihre Mutter erneut die Pfanne empor.
"Ihr ... ihr wollt ihn doch nich etwa ins Haus bringen? Azura, Kind! Das kann nicht dein Ernst sein." Alles Protestieren half nichts. Azura war stur, vor allem aber war sie besorgt. Immerhin ging es um ihren vermutlich sehr sicheren Erzeuger. Aquila hatte ihn schließlich erkannt. Das hier war ihr Vater.
"Mama ... Lass ihn uns reinbringen, er braucht jetzt Trockenheit. Oder hasst du ihn so sehr...?"
Aquila erstarrte, so dass ihre Tochter an ihr vorbeiziehen konnte. "Nein", seufzte sie aus und folgte ins Haus hinein. "Im Gegenteil", setzte die Mutter leiser nach, mehr zu sich selbst. Azura konnte sie dennoch hören. "Wie könnte ich, wo er mich mit dem größten Schatz überhaupt beschenkt hat?" Und trotzdem kam sie nicht aus ihrer Haut. Sie begleitete Tochter und Dunkelelf, ohne ihnen unter die Arme zu greifen. Sie ließ nicht einmal von ihrer imrpovisierten Waffe ab, denn Corax konnte sie nach wie vor nicht trauen.
"Wer ist das überhaupt, mein Kind?", fragte sie während ihres Weges zu dem Salon mit dem schönen Waldgemälde. "Was lässt du dich mit Dunkelelfen ein? Er wird uns angreifen, sobald wir ihm den Rücken zudrehen. Traue ihm nicht!"
Corax mochte nicht reagieren, aber Azura wusste, dass er Garmisch zumindest verstand, wenngleich er es selbst nur bruchstückhaft sprechen konnte. Der Dunkelelf erwiderte nichts, sondern konzentrierte sich auf den Transport des anderen Elfen. Auf dem Weg zum Salon musste Azura feststellen, dass sich im Haus nur wenig getan hatte. Sie erinnerte sich noch an die schrecklichen Bilder der Plünderung durch Corax und seine Artgenossen. Sie hatten so viel auf den Kopf gestellt. Es wirkte zwar aufgeräumt, aber es fehlten viele Kostbarkeiten ihres Ziehvaters. Alycide liebte es, die Wände mit Bildern und anderem Tand zu schmücken. Jetzt waren sie kahl mit hellen, quadratischen Flecken, wo ein Portraits und andere Landschaften gehangen hatten. Kein Diener eilte herbei, um irgendeine Arbeit abzunehmen. In einigen Ecken fand sich sogar Staub und Azura glaubte, hier und da Spinnenweben zu entdecken. Jemand versuchte offenbar, das Haus reinlich zu halten, aber es mussten sich um wenige handeln, die kaum mit der Größe des Anwesens mithalten konnten. Bevor man im obersten Stockwerk ankam, um es zu reinigen, benötigten die unteren Räume wohl ebenfalls wieder eine fleißige Hand.
Corax bemerkte Azuras Blicke auf das geplünderte Haus oder aber er roch wirklich erneut das Leid, das sein Volk und er hier ausgelöst hatten. "Verzeih", murmelte er nur ein einziges Mal. Dann erreichten sie den Salon. Wenigstens hier war niemand eingedrungen. Niemand hatte Unordnung geschaffen und das Waldbild hing tatsächlich noch an seinem Platz. Nur das Türschloss zum Salon selbst machte einen ramponierten Eindruck, aber offensichtlich hatte es keiner knacken können. Da Aquila nicht vor hatte, ihrer Tochter beim Abladen des Bewusstlosen zu helfen, schickte sie sich an, wenigstens für etwas Wärme im Raum zu sorgen. Sie legte Holzscheite in den einzigen Kamin und feuerte diesen recht schnell an.
Azura konnte mit Corax' Hilfe inzwischen Kjetell'o auf eines der Sofas ablegen. Sie würde wissen, wo sich warme Decken finden ließen. Der Dunkelelf aber hielt sie vorab auf. "Er ist klatschnass", bemerkte er und Aquila japste vom Kamin aus. Sofort sprang sie auf, um wieder nach der Bratpfanne zu greifen. "Ihr werdet ihn nicht entblößen! Schlimm genug, dass ich ihn schon wieder unter meinem Dach beherbergen muss. Er ... er ... oh!" Sie stampfte mit dem Fuß auf und schleuderte die Pfanne auf einen Sessel. Dann lehnte sie sich Halt suchend an den Kaminsims, kniff sich in die Nasenwurzel und schluchzte. "Wehe ihm, er bringt deinen Vater nicht zurück. Dann schneide ich ihm eigenhändig beide Spitzohren ab." Sie wischte sich über die Augen, um ihre Fassung zurückzugewinnen. Es war aber auch hilfreich, das Corax sich nicht aufhalten ließ. Auch nicht mit nur einem Arm. Er zupfte Kjetell'o aus der nassen Kleidung. Dann wartete er, bis Azura einige Decken beschafft hatte und wickelte den Waldelfen darin ein. Die Andunierin erlebte nur ein halbes Deja-Vu, denn immerhin lag Kjetell'o bald allein nackt unter in den Laken. Es blieb ihr erspart, sich neben ihm niederlassen zu müssen. Aber auch ihre Kleidung war nass, von Schlamm bedeckt. Corax bildete da auch keine Ausnahme.
Bevor sie ihrer Mutter jedoch mitteilen könnte, sich umzuziehen, hatte jene zu alter Selbstbeherrschung zurückgefunden. "Ich werde Tee aufsetzen oder heiße Schokolade, wenn dir das lieber ist. Ich weiß, wie gern du sie trinkst." Sie schenkte Azura einen milden Blick. Als er zu Corax herüber flog, wurde er jedoch streng. "Zuvor möchte ich allerdings wissen, wer Ihr seid. Was habt Ihr mit meiner Tochter zu schaffen, Elf? Sprecht oder ich werde Euch hinaus!"
Corax spähte zu Azura herüber. Er rümpfte die Nase leicht. Er konnte das Leid der Mutter riechen. Dann neigte er den Kopf ein wenig, dass es fast an die Unterwürfigkeit gegenüber Serpentis erinnerte. Oder seine devote Haltung, als er Azura die Stiefel geschnürt und ihre Kleidung angelegt hatte. Dieses Mal handelte es sich jedoch nicht um alte Verhaltensmuster eines Sklaven. Corax' Haltung schrie nach Absolution. "Ich bin derjenige, der Eure Tochter aus diesem Haus entführt, sie beleidigt, verletzt, diskreditiert, geschändet, provoziert und immer wieder in Lebensgefahr gebracht hat ... mehr noch", ergänzte er, denn wenn man es streng sah, hatte er Azuras Tod ebenfalls nicht verhindern können. Dann richtete er sich auf. Sein rubinroter Blick ruhte auf der Mutter. "Und ich bin derjenige, der sie liebt wie kein zweiter."
Aquila entglitten sämtliche Gesichtszüge. Sie starrte Azura an, unfähig auch nur ein Wort auszusprechen. Ihr Mund klappte immer wieder auf und zu. Oh, sie würde nun sicherlich alles andere tun, als heiße Getränke zuzubereiten. Zum Glück lag die Bratpfanne ein ganzes Stück außerhalb ihrer Reichweite.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Sonntag 19. November 2023, 10:42

Ihr fehlte die magische Übung und der Schild war für ihre Verhältnisse eindeutig kräftezehrender als die Spielchen, die sie bislang veranstaltet hatte. Hinzu kam, dass sie generell schon wieder viel zu viel in kürzester Zeit zu verarbeiten hatte. Von ihrer unmittelbaren Umgebung und ihrer Begleitung ganz zu schweigen, deren Mitglieder auf jeweils eigene Weise ihre Aufmerksamkeit beanspruchten. Um somit den Zauber aufrecht erhalten zu können, musste sie sich auf etwas fokussieren, das sie möglichst wenig ablenkte, und das war der Boden direkt vor ihren Füßen. Dank des Umstandes, dass sie diesen Weg unzählige Male genommen hatte, fand sie sich auch blindlings zurecht.
Und als sie endlich ihr Ziel erreicht hatte, konnte sie den Schild auflösen... und gegen ihren Liebsten sinken, um in seinem Arm und in seiner Wärme auszuruhen. Nur leider nicht für lange, denn eigentlich waren sie ja nicht hier, damit sie ledglich verschnaufen könnte. Nein, sie hatte einen Grund gehabt, zu ihrem Elternhaus zu gehen, und im Prinzip wollte sie das auch. Doch da war zugleich die Angst vor der Ungewissheit, davor, wie ihre Mutter reagieren würde. Wie lange würde es dauern, bis Aquila ihr Kind ob dessen schändlichen Verhaltens verstoßen würde?
Es war gut und richtig, dass Corax ihr keine Wahl ließ, indem er auf die Besucher aufmerksam machte. Trotzdem, wenn sie besser bei Kräften gewesen wäre, hätte sie die Wartezeit vermutlich genutzt, um zu flüchten. So hingegen...
Die Begrüßung machte die Furcht zwar nicht vergessen, aber sie weckte auf viele, schöne Erinnerungen an Wärme, Geborgenheit und Liebe. Ob sie diese immer verdient hatte bei ihrem Verhalten, stand auf einem anderen Blatt, und inzwischen war sie soweit, dass ihr ein Gutteil davon ehrlich leid tat.
Im Moment allerdings konnte sie nur wimmern und schluchzen und sich an ihre Mutter klammern, um diesen Moment so intensiv wie möglich in sich aufnehmen zu können. Die letzten Wochen hatten sie gelehrt, dass dies notwendig war und sich viel zu leicht ändern konnte.
Sehr zu ihrem Bedauern blieb die Zeit nicht stehen, sondern die Stimmung kippte, als sich die einstigen Partner wieder sahen. Mit einem Mal fröstelte es Azura und sie flüchtete zu demjenigen, der gerade keine Kälte zeigte. Zu dem Mann, den sie derzeit zu lieben glaubte und der es ihr immer wieder sagte, sie hielt und so viel für sie tat, dass sie auch seinen Gefühlen für sie Glauben schenken wollte. Gleichzeitig beschlich sie die Sorge, ob sie in Form ihrer leiblichen Eltern gerade ihre eigene Zukunft zu sehen bekam.
Nun ja, zumindest den Teil mit dem Verhalten der Erwachsenen, denn ein Kind mit Corax... das würde ihr wohl oder übel verwehrt bleiben, wenn sie keine Lösung für seine Verstümmelung fände. Wenn es zwischen ihnen also einmal nicht mehr wäre... dann bliebe ihr nichts weiter als die Erinnerung... Die Kehle wurde ihr eng und erneut traten Tränen in ihre Augen, während sie sich umso enger an ihren Raben schmiegte.
Dass sie nicht zu schluchzen begann, lag hingegen daran, dass der Waldelf plötzlich die Besinnung verlor und zusammen brach. Obwohl sie noch immer voller Sturheit an ihren Zweifeln festhalten wollte, hatte sie in Wahrheit längst verinnerlicht, dass die Chancen hoch standen, dass er ihr gegenüber in dieser Hinsicht nicht gelogen hatte. Und da ihr trotz allem nicht gleichgültig war, was mit ihm passiert, was sie selbst sogar überraschenderweise die Erste, die reagierte, indem sie zu ihm hinlief und helfen wollte.
Dass sie das nicht allein konnte und auch zugab, war ebenfalls ein wirklicher Fortschritt ihres Wesens. Doch ihre Mutter konnte sie nicht fragen, aus mehreren Gründen und dabei wog die Kälte, mit der sie ihrem einstigen Liebhaber begegnet war, bei weitem nicht am Schwersten. Nein, in ihren Augen war Aquila van Ikari eine noble Dame, eine, die nicht selbst Hand anlegen brauchte und auch nicht mehr sollte, unerheblich, ob sie eine andere Vergangenheit hatte und derzeit bereit wäre, Eindringlinge mit einer Bratpfanne willkommen zu heißen. Außerdem wollte sie ihr nicht antun, den Waldelfen berühren zu müssen, nachdem er sie derart im Stich gelassen hatte damals. Also bat sie ihren Liebsten um Unterstützung.
Dennoch war es alles andere als einfach für sie, bis sie beide wieder auf eigenen Beinen standen und der Bewusstlose zwischen ihnen hängen konnte. Und da er sich außerhalb des schützenden Balkons aufgehalten hatten, waren sie ebenfalls wieder innerhalb weniger Momente komplett durchnässt. Die junge Frau zitterte leicht, weil die Kälte auch ihr immer stärker in die Knochen kroch, und klapperte sogar schon leise mit den Zähnen, auch wenn sie sich darum bemühte, es zu unterdrücken.
Der Weg mit der Handvoll Stufen würde beschwerlich werden und sie musste darauf achten, nicht zu stolpern. Vor allem, weil sie ihren Blick dabei auf ihre Mutter richtete, deren Reaktion sie unter anderen Umständen vermutlich wütend und bockig gemacht hätte. Jetzt dagegen... fühlte sie sich einfach nur traurig. "Mama, bitte...", sprach sie leise und eindringlich. "Es geht nicht anders. Bis zur Akademie ist es viel zu weit!" Dass sie dadurch eine neue Information preisgab, die ihrem Gegenüber vermutlich nicht gefallen würde, bemerkte sie gar nicht.
Wichtig war es ihr erst einmal nur, dass sie alle endlich ins Trockene und Warme könnten. Denn auch Corax und ihr würde es hier draußen auf Dauer nicht bekommen. Somit kamen ihr noch weitere Worte über die Lippen und die schienen tatsächlich zu helfen.
Ihre Mutter gab den Weg frei und als sie eintrat, konnte sie sich ein leises Seufzen der Erleichterung nicht verkneifen. Zwar war es hier bei weitem nicht so mollig warm wie früher, aber es war trocken und bei weitem besser als draußen.
Schräg hinter ihr folgte ihre Mutter. Kurz hielt sie bei deren Worten inne und warf ihr einen dankbar-traurigen Blick über die Schulter hinweg zu. "Lass uns später darüber reden, ja?", bat sie leise und musste rasch nach vorne sehen, weil sie über eine kleine Kante im Boden gestolpert war. Wie gut, dass sie den Waldelfen nicht allein geschultert hatte, sonst hätte sie ihr Gleichgewicht vermutlich nicht so schnell wieder gefunden!
Während sie ihren Blick lieber auf den Weg vor sich richtete, hörte sie die berechtigten Fragen und Vorwürfe der Älteren, die sie leise seufzen ließen. Unbehaglich linste sie zu ihrem Liebsten hin und hätte gerne seine Hand gedrückt, um ihn spüren zu lassen, dass sie dennoch an seiner Seite wäre. Das war gerade nicht machbar, sodass sie es ihm anderweitig zeigen wollte, indem sie die Sprache wieder wechselte. Zwar konnte er einen Gutteil ihrer Muttersprache verstehen, das wusste sie, aber sie wollte nicht so tun, als wolle sie ihn ausschließen, nur, weil sie wieder zu Hause war. "Auch das bereden wir später, bitte. Aber ich versichere dir, dass er uns nichts antun wird.", erwiderte sie und deutete auf jene Tür für ihn, die sie anstreben wollte.
Dabei musste sie sehr zu ihrem Bedauern feststellen, wie sehr sich ihre Umgebung verändert hatte. Traurig grüßten sie die helleren Flecken an den Wänden, wo einst große, prachtvolle Gemälde gehangen hatten. Einst waren sie der Stolz ihres Stiefvaters gewesen und sie hatte sie niemals so richtig wertzuschätzen gewusst, hatte sie einfach als gegeben hingenommen und dem keine Beachtung geschenkt, wenn er ihr etwas darüber hätte erzählen wollen. Und nun... war es zu spät. Auch anderes fehlte, das sich frühre hier befunden hatte, manche Vasen, eine prunkvolle Kommode und weiteres Zierrat.
Seufzend ließ sie den Kopf hängen und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Ein Gemurmel an ihrer Seite ließ sie dennoch aufsehen. Einige Atemzüge lang sah sie ihren Raben an, bis sie ein kleines Nicken andeutete, als Zeichen, dass es zwischen ihnen beiden nichts änderte. Sicherlich hatte auch er geplündert, er hatte sie ja auch geraubt, und ihr war klar, dass dies zu einer Eroberung dazu gehörte. Aber es tat trotzdem weh, diesen Verlust vor Augen geführt zu bekommen.
Endlich erreichten sie ihr Ziel und als sie den Salon betrat, blieb sie mit einem leisen Keuchen vor Überraschung stehen. Tränen der Erleichterung schossen ihr in die Augen, als sie auf einen Blick erkennen durfte, dass dieser Raum weitestgehend unversehrt geblieben war. Sie brauchte ein paar Momente, dann konnte sie weiter und das größte Sofa im Raum anstreben, um ihre Last darauf ablegen zu können.
Dass ihre Mutter derweil sich um die Wärme kümmerte, bemerkte sie lediglich am Rande und fühlte auch diesbezüglich Erleichterung. Es hätte ja auch gänzlich anders kommen können...
Kaum lag der Waldelf sicher auf der teuren Polsterung, richtete sie sich auf und ließ ihre verkampften Schultern kreisen. Für sie wäre es damit getan und sie wollte sich schon abwenden, um eine kuschelige Decke zu holen, die es hier natürlich gab, als Corax sie zurück hielt.
Blinzelnd sah sie ihn fragend an und begriff bei weitem nicht so schnell wie ihre Mutter, was er damit sagen wollte. Ihr Kopf ruckte zu ihr und ihre Augen wurden groß. "Was...?", entfuhr es ihr und sie sah zurück zu ihrem Begleiter, während ihre Wangen zu glühen begann. Schließlich hatte sie ja schon das zweifelhafte Vergnügen gehabt, ihn nackt zu sehen und das wollte sie lieber nicht auffrischen. Auf der anderen Seite hatte ihr Liebster Recht und ja... Es führte wohl oder übel kein Weg daran vorbei.
"Schaffst du das allein?", hauchte sie, denn sie war sich nicht sicher, ob sie ihm dabei wirklich eine Hilfe wäre. Sobald er sie nicht mehr direkt brauchte, wandte sie sich um und trat zu ihrer Mutter, um ihre Hand zu greifen und sanft zu drücken. "Wir schaffen das. Wir werden einen Weg finden, um Va... Va..." Nein, sie brachte es nicht über die Lippen, während hinter ihr ihr eigentlicher Erzeuger lag.
Unbehaglich warf sie einen Blick über die Schulter zurück, als Corax gerade dessen Oberkörper entblößte, und richtete sich hastig wieder nach vorne. "... um ihn zu dir zurück zu bringen." Noch einmal drückte sie die Hand in ihren kalten Fingern, dann ließ sie die andere los und wandte sich ab, um an ein Geheimfach, gut verborgen in der Wand, zu treten.
Dabei huschte ein freudloses Grinsen flüchtig über ihre Lippen. "Solange es nur die Ohren sind...", nuschelte sie und musste an Corax' Verstümmelung denken, ehe ihr in Erinnerung kam, was er mit Nadel und Faden angerichtet hatte. Es schauderte sie und sie widmete sich lieber den Decken.
Natürlich wusste sie, wo sie an der Wand drücken musste, damit das kleine Viereck aufsprang und den Blick auf ein kleines Fach mit drei kuschelig weichen, warmen Decken freigab. Die Oberste davon zog sie heraus und kam zurück zu dem Sofa, wobei sie alles versuchte, um nicht auf die Pracht, die dort lag, zu sehen. Es war gar nicht so leicht, trotz allem, was seither geschehen war, sodass sie zur Sicherheit die Augen lieber zusammen kniff, während sie ihrem Liebsten die Decke reichte.
Diesem fiel es zu, den Waldelfen fest darin einzuwickeln, während sie zu einem der weich gepolsterten Sessel trat und überlegte, ob sie sich hinsetzen sollte. Sie entschied sich dagegen, so nass, wie sie war, würde sie das Möbelstück nur ruinieren und nachher nicht mehr darauf niederlassen könnte.
Ihre Mutter lenkte sie ab, dass sie zu dieser hinsah und leuchtende Augen bekam. "Heiße Schoko...", seufzte sie voller Genuss und allein bei dem Gedanken lief ihr schon das Wasser im Mund zusammen. Dann aber wurde sie rot und griff sich einen Zipfel ihres nassen Rocks, um diesen in den Fingern zu drehen. "Wie... wie kommst du denn... daran...? Ich... ich meine... na ja..."
Der Moment ihrer Unsicherheit bot der Älteren die Gelegenheit, sich Corax zu widmen. Azura ließ ihren Rockzipfel los und umarmte sich selbst, während sie zögerlich zwischen den Beiden den Blick hin und her wandern ließ. Eigentlich hatte sie ihren Liebsten ihrer Mutter unter anderen Umständen vorstellen wollen. Nun pochte ihr Herz wie verrückt und sie musste mehrfach schlucken. Sie wusste nicht recht, wie sie sich verhalten, zu wem sie treten sollte und wollte. Also blieb sie stehen und schwieg.
Solange, bis der Dunkle mit der Sprache heraus rückte. Er war sehr direkt und das meiste stimmte auch, aber bei einem Punkt wurden ihre Augen groß und sie starrte ihn ungläubig an. "Ge... ge... du hast mich nicht geschä...", stammelte sie und lief knallrot an, was ihr das Ganze nicht gerade leichter machte. Gleichzeitig wurde ihre Unsicherheit noch größer, sodass sie sich kaum noch traute, ihre Mutter anzusehen. Jedoch hielt es sie auch davon ab, zu ihrem Raben zu treten und seine Hand zu nehmen, um ihre Verbundenheit zu ihm zu zeigen.
Erst, als er zu guter Letzt auch seine Gefühle offenbart hatte, gelang es ihr wieder, ihm einen Blick zu zuwerfen und ihm ein kleines, scheues Lächeln zu schenken. Das allerdings bei dem Mienenspiel ihrer Mutter auf der anderen Seite sofort wieder verblasste. Schwer schluckte sie und sah auf ihre Fußspitzen.
Dann schloss sie die Augen, atmete tief durch und straffte schließlich die Schultern. Verspätet kam sie zu Corax und sah zu ihm hoch. Vielleicht hätte sie ihm sogar ein Küsschen auf die Wange gehaucht, doch das wagte sie jetzt definitiv nicht. "An deinem Feingefühl müssen wir definitiv noch arbeiten.", murmelte sie zu ihm und deutete ein Zungezeigen an, das nur er würde sehen können und ihm zeigen sollte, dass sie ihm trotzdem nicht böse war.
Danach wandte sie sich ab und trat auf die Hausherrin zu, wenngleich jeder weitere Schritt sie mehr Mut kostete. Gerne hätte sie erneut nach deren Hand gegriffen, um sie zu berühren und zu halten, aber diese Offenbarung war vermutlich nicht dazu angetan, dass dies der rechte Moment dafür wäre. "Mama, ich...", begann sie, stockte, schluckte schwer und sah zurück zu Corax.
Daraufhin seufzte sie, schloss die Augn und versuchte, ihre Courage zu sammeln. Trotzdem konnte sie ihr Gegenüber nicht ansehen, sondern blickte bevorzugt auf ihre nassen Fußspitzen, denn das Schuhwerk hatte der Menge an Wasser ebenfalls nicht standhalten können. "Ja, es stimmt, er ist und bleibt ein Schuft. Das weiß niemand besser als ich. Aber er..."
Nun konnte sie doch nicht widerstehen, erneut zu ihm zu sehen und das kleine, verliebte Lächeln zauberte sich ganz von allein in ihren Mundwinkel. Erneut atmete sie tief durch und nun fand sie endlich den Mut, ihre Mutter anzusehen. "Aber er kann auch anders. Wirklich! Wenn du willst, erzähle ich es dir... in Ruhe... später, auch wenn... wenn..."
Die Zuversicht verließ sie wieder und betrübt senkte sie den Kopf, die Schultern sackten ihr nach vorn und sie erwartete offensichtlich das Schlimmste. "Auch wenn du mich dafür verachten und verstoßen wirst, weil ich jetzt wertlos bin..." Mit jeder Silbe wurde ihre Stimme leiser, Tränen traten ihr in die Augen und unter den fast gänzlich gesenkten Lidern quoll am Ende dieser salzige Ausdruck ihrer Scham und Verzweiflung hervor, um zu Boden zu tropfen.
Nein, so hatte sie sich ihr Wiedersehen gewiss nicht vorgstellt! Obwohl sie hoffte, dass ihre Mutter Gnade walten lassen und sie drei sich hier zumindest aufwärmen und umziehen lassen würde.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Montag 20. November 2023, 05:07

Aquila van Ikari ließ sich erweichen. Sie gestattete ihrer Tochter, Kjetell'o ins Haus zu schleppen. Allein schaffte Azura das natürlich nicht, aber sie konnte sich Corax' Unterstützung gewiss sein. Gemeinsam mit ihm trug sie den bewusstlos gewordenen Elfen ins Anwesen hinein. Sie kamen dabei nur langsam voran, denn Corax fehlte ein Arm und Azura mangelte es an Kraft. Mehrmals mussten sie Kjetell'o kurz absetzen, um sich eine Pause zu gönnen. Ihre Mutter wartete mit verbissener Miene, aber geduldig. Von ihr drang kein Kommentar über die Lippen. Erst als Azura eher in einem Nebensatz die Akademie der Wassermagie erwähnte, horchte die betagte Edeldame auf. "Hast du dich dort vor den Eindringlingen versteckt gehalten?", fragte sie, erhielt zunächst aber keine Antwort. Es sollte sich ohnehin bald auflösen, was aber neue Fragen aufwerfen könnte. Beispielsweise, was Azura dann an einem magischen Ort gesucht hatte, wo sie mit ihren Kräften doch alles andere als umgehen konnte. Aquila hätte einen Blick aus dem Fenster werfen sollen. Dann wäre ihr der schöne Wasserschild aufgefallen, den ihre Tochter und deren Gefährten trocken bis vor ihre Schwelle gebracht hatte. So aber blieb dies von der Mutter unentdeckt. Stattdessen taten sich andere Erkenntnisse auf.
Sowohl Azura, als auch Corax und Kjetell'o waren nass und durchgefroren, vor allem aber nass. Der Elf würde die kostbaren Polster des Sofas ruinieren, wenn man ihn einfach dort ablegte. Corax' Einwand kam nicht unbegründet. Sie würden ihn entkleiden müssen. Nicht nur der Mutter stockte der Atem. Azura erinnerte sich nur zu gut an das Bild ihres Wahrscheinlich-Vaters. Er brauchte nichts zu verstecken, hatte sie für einige Zeit sogar durchaus angezogen mit diesem Anblick und sicherlich würde es sie noch ab und an in ihren Träumen heimsuchen. Im schlimmsten Fall, während sie im Arm des Raben lag und sich an seine Liebe schmiegte. Bisher schien er von ihren untreuen Gedanken nichts bemerkt zu haben. Seine Konzentration lag darauf, Kjetell'o nun allein zu halten, da Azura sich langsam von beiden Männern löste.
"Schaffst du das allein?", drang Azuras Wispern an seine Spitzohren. Er nickte und machte sich daran, Kjetell'os Kleidung von seinem Körper zu trennen. Mit einem Arm war es nicht unbedingt leicht, aber er würde es schon hinbekommen. Außerdem verschaffte er Mutter und Tochter so einen Moment Zeit, miteinander zu sprechen. Azura nutzte diese Gelegenheit. Schon trat sie an Aquila heran, die ein wenig aufgelöst wirkte. Sie ergriff ihre Hand, drückte sie und beteuerte, dass sie es schon schaffen würden.
"Wir werden einen Weg finden, um Va ... Va ... um ihn zu dir zurück zu bringen."
"Sprich es ruhig aus, Azura. Alycide van Ikari und nur er allein ist dein Vater." Ihr Blick huschte kurz an ihrer Tochter vorbei und heftete sich mit unterschwelligem Zorn auf den Waldelfen. Jener bekam es nicht mit, trotzdem konnte sie ihre Worte nicht zurückhalten. "Niemand sonst hätte sich dieses Privileg auch nur ansatzweise verdient gemacht." Dann wandte sie den Blick ab, denn Corax schnürte schon die Hose des Mannes auf. Azura wollte ebenfalls nicht hinschauen. Sie lenkte sich mit der offenen Aufgabe ab, dass Kjetell'o noch warme Decken brauchte. Also drückte sie einen verborgenen Schalter, der ein Fach mit zahlreichen weichen und ordentlich gefalteten Decken freigab. Auch jene waren von den Plünderern nicht entdeckt worden. Der ganze Raum schien unberührt geblieben zu sein und mit ihm die Schätze in seinem Inneren. Wenigstens dieser eine Raum.
Azura kehrte zum Sofa zurück und reichte Corax die Decke, ohne wirklich hinzuschauen. Er warf sie sofort über Kjetell'os Körper und drückte sie darunter eng an ihn, damit die Wärme nicht entweichen könnte. Dann gab er seiner Liebsten ein rasches Signal, dass sie wieder unbeschadet auf ihn herabblicken konnte. Derweil wollte auch Aquila sich nützlich machen. Sie bot heiße Schokolade an, vordergründig natürlich für ihr Kind, aber die Etikette gemahnte sie, es auf die Gäste auszuweiten. Dass sie selbst jenen zubereiten wollte, widersprach dem. Das Haus van Ikari hatte nie viele Diener besessen, aber genug, um das Leben komfortabel zu machen. Es war nicht nötig gewesen, die Küche aufzusuchen, um sich selbst eine Mahlzeit oder ein Getränk zuzubereiten. Dafür gab es kleine Glückchen. Einmal erklungen dauerte es nicht sehr lange bis ein Dienstmädchen oder ein Page erschien, um den Wunsch abzunehmen. Alycide und Aquila behandelten ihre Diener gut. Es war kein Vergleich zu dem, was Corax Azura gegenüber an den Tag gelegt hatte. Er zeigte sich bei seinem Tun nicht furchtsam, aber durchaus unterwürfiger als jeder Diener, dem das prinzessinnenhafte Töchterchen stets die kalte Schulter gewiesen hatte. Und nun wirkte es so, als existierte keiner von diesen Menschen noch.
Trotzdem war es die bloße Erwähnung von heißer Schokolade, die nicht nur Azuras Mund wässrig machte, sondern auch in den Fokus ihrer Gedanken rückte. "Wie ... wie kommst du denn ... daran...? Ich ... ich meine ... naja..."
"Sie mögen die Stadt eingenommen haben, aber sie sind nicht dumm. Azura. Sie haben nun Verantwortung. Sie können unmöglich alle Andunier ersetzen, jedenfalls bislang. Die Wirtschaft würde einbrechen und wenn sie keine verwaiste Stadt regieren wollen, dann nutzen sie uns als Arbeitskräfte. Das bedeutet natürlich auch, den Handel am Laufen zu halten." Aquila atmete durch. Es missfiel ihr, das merkte man ihr an, aber sie nahm es tapfer hin. "Ich kann immer noch frei durch Andunie ziehen, auf dem Markt einkaufen und meinem persönlichen Tagwerk nachgehen - solange ich nicht negativ auffalle. Allerdings ... nun, das Haus van Ikari gehört nach wie vor uns, weil ich so aufgefallen bin. Glaube mir, Kind, niemand wird uns das wegnehmen und wenn ich sämtliche gusseisernen Küchenutensilien nach diesen dunklen Widerlingen werfen muss!"
Plötzlich blinzelte sie und Azura konnte die Feuchtigkeit in ihren Augenwinkeln glitzern sehen. "A-Als sie deinen Vater verschleppt haben, da ... er und ich haben uns gewehrt. I-ich ..." Sie atmete durch, rang sichtlich um Fassung. "I-ich schlafe in deinem Zimmer. I-ich kann nie ... nie wieder ... e-er ... er liegt immer noch dort. Dieser ... dieser Abschaum von schwarzem Spitzohr!" Sie warf Corax dabei einen düsteren Blick zu, aber auch einen mit Rissen in der Seele. Ihre Wut war nicht nur durch die Eroberung ihrer Stadt geschürt worden oder durch die Tatsache, dass man ihr Tochter und Gatten genommen hatte. Der Zorn, dass man sie zur Mörderin gemacht hatte, schwelte ebenso hart in ihr.
Entsprechend saß der Schock tief, als der Rabe sich ihr zwar nicht mit Namen, doch mit seinen Taten vorstellte. Doch auch Azura blieb für einen knappen Augenblick die Luft weg. "Ge...ge... du hast mich nicht geschä..."
Corax lächelte zwar in Azuras Richtung, nickte ihr dankbar zu, aber es lag so viel Kummer in seinem Blick ob seiner Taten, dass sie das Rascheln seines Federkragens nicht hören musste, um sein Leid zu erfahren. "Ich liebe dich so sehr", krächzte er ihr zu. Es half ein wenig, sich nun zu wappnen. Corax war direkt und ehrlich mit allem umgegangen, offenbar bereit, auch die Konsequenzen dafür zu tragen. Denn Azura war ihm wichtig. Folglich wollte er seinen Respekt vor ihrer Mutter ausdrücken, indem er auch ihr gegenüber nichts verheimlichte. Das machte es für die Tochter jedoch nicht unbedingt leichter. Sie stahl sich ein wenig Mut von Corax, indem sie scherzhaft mit ihm umging und so signalisierte, dass sie ihm alles verzieh. Anschließend aber musste sie herausfinden, was ihre Mutter dazu sagte. Also kam sie zu ihr zurück. Sie wollte mutig sein, aber schaffte es nicht. Ihr Blick glitt hinunter zu den durchweichten Stiefelspitzen. Sie ließ ihr Herz sprechen, bezeichnete Corax erneut als Schuft. Nur sie beide wussten, wie dieser Kosename ihre Herzen berührte. "Aber er kann auch anders. Wirklich! Wenn du wilslt, erzähle ich es dir ... in Ruhe ... soäter, auch wenn ... wenn ... Auch wenn du mich dafür verachten und verstoßen wirst, weil ich jetzt wertlos bin..." Tränen stiegen Azura in die Augen. Sie würde sich selbst fragen müssen, was heißer brannte. Die Feuchtigkeit in ihren Augenwinkeln oder ihre Wange, nachdem Aquila auf ihre Worte reagiert hatte. Ihre Hand kam flach, aber schnell. Das Geräusch ihrer Ohrfeige erfüllte lautstark den Raum. Ihre Hand zitterte nach der Tat und Aquila umschloss sie mit der anderen, um sich selbst zu beruhigen. Ihr ganzer Körper aber zitterte vor Erregung.
Auch in Corax brodelte Adrenalin hoch. Er starrte die Mutter an, während die Rubine einen blutroten Schimmer erhielten. Schon als Madiha damals nur lauter geworden war Azura gegenüber, hatte er sie fast erwürgt. Niemand, nicht einmal ihre Mutter, durfte seiner Liebe gegenüber handgreiflich werden! Niemand! Er machte einen schweren Schritt nach vorn ... und erstarrte. Sein Blick glitt an seiner Seite herab, wo der Arm bereits nach der Schulter in einem Stumpf endete, halb verborgen durch seinen Federkragen. Corax blickte jedoch weiter, hinunter zum Sofa. Zwei Finger hielten einen Zipfel seiner Hose. Die Berührung war hauchzart und doch reichte sie aus, um ihn aufzuhalten. Corax schaute zu Kjetell'os Gesicht. Der Elf aber hatte die Augen noch geschlossen und schüttelte nur marginal den Kopf. Er tat wohl gut daran, nicht offiziell zu erwachen, solange Aquila van Ikari so erbost war.
"Ich hoffe, deine Begleitung ist ein formidabler LIebhaber und war diesen unüberlegten Schritt der Unzucht wert", glitten die Worte der Mutter wie eine Klinge durch die Luft. Dann schwand ein Teil der Wut. Ihre Stimme wandelte sich, wurde etwas milder, aber blieb nach wie vor auch streng. "Verstoßen werde ich dich nicht. Ich habe dich doch gerade erst wiederbekommen. Aber du weißt, was deine Tat für dich bedeutet." Sie nickte und seufzte. "Ja, du weißt es sehr gut." Immerhin hatte Azura es bereits angesprochen. Doch eine ausgestoßene Tochter wollte Aquila nicht haben. Sie dachte pragmatischer. "Was geschehen ist, ist geschehen. Vielleicht dient es nun auch zu unserem Vorteil. Die Dunkelelfen beherrschen Andunie und wenn du ein Bündnis zu ihnen knüpfst, könnte das selbst in einer Gesellschaft mit verachtendem Blick auf menschliche Adlige den Fortbestand des Hauses van Ikari bedeuten." Sie schaute an Azura vorbei und hinüber zu Corax. "Beruhigt mein Herz, indem Ihr mir mitteilt, dass Ihr adlig seid, Elf. Oder wenigstens ein Kaufmann ... Offizier der Soldaten, die uns überfallen haben. Jemand Vorzeigbares!" Ihre Stimme war ein Flehen.
Corax schaute ratlos zu Azura herüber. Er hatte bisher nichts vor Aquila verheimicht, aber ihre Worte machten klar, dass er sie mit der Wahrheit in eine mentale Krise stürzen könnte. Ihre Tochter, ihr einziges Kind, der Unschuld beraubt von einem dunkelelfischen Sklaven, der keien Vorteile einer solchen Bindung vorweisen konnte ... mit Ausnahme des Umstands, dass er wenigstens keinen Bastard gezeugt hätte. Corax zögerte. "Ich...", begann er. Dann sank er nieder. Wenigstens wählte er nicht die devote Haltung mit der Stirn auf den kalten Steinkacheln wie er es vor seiner Herrin Madiha getan hatte. Er sank lediglich auf ein Knie herab, was nach wie vor den zwei waldelfischen Fingern geschuldet war, die ihn noch immer kaum sichtbar festhielten. So kniete er eher ritterlich vor beiden Frauen, senkte das Haupt in Demut ... und Furcht.
"Ich bin ... der Leidträger", bahnte er sich einen Weg zwischen Wahrheit und Schweigen, während seine Federn wuchsen und sich von einem Kragen zu einem Mantel ausweiteten, der ihm schwer und schwarz über den Körper hing. "Ich trage Leid ... ich bringe Leid ... es ... es tut mir leid." Azura kannte den Klang in seiner Stimme. Corax hatte Angst, aber es war diese Verzweiflung darin, dieser wachsende Selbsthass, der sie alarmieren könnte. Zuletzt hatte sie seine Stimme so vernommen, als er in ihrer Vision nach Serpentis' Hand gegriffen hatte und bereit gewesen war, seinen Arm zu opfern, um bloß nicht verstoßen zu werden. Mit einer Ohrfeige käme er wohl nicht davon, wenn Aquila nun weiter nachbohrte. Aber sie betrachtete den Dunkelelfen zunächst nur. Offenbar wurde sie nicht ganz schlau aus seinen Worten. So glitt ihr fragender Blick zur Tochter herüber und sie meinte: "Wir können nicht alles auf später verschieben. Ich hole die Schokolade ... dann erwarte ich Aufklärung. Auch über den Rang eines Leidträgers in den Reihen der Dunklen. Dieser Titel ist mir noch nicht untergekommen."
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Montag 20. November 2023, 14:21

Auch wenn sie ihrer Mutter jedes Recht einräumte, ihrem ehemaligen Liebhaber den Zutritt zu verwehren, hatte sie nicht mit ernsthaftem Widerstand gerechnet. Vielleicht mit etwas mehr Diskussion, aber letzten Endes hätte sie ihren Willen bekommen und ihn hinein bringen dürfen, so oder so. Und das ausnahmsweise nicht, weil sie generell von ihren Eltern stets bekommen hatte, was sie wollte, sondern weil Aquila in ihren Augen ein herzensguter Mensch war. Jemand, der im Prinzip Hilfe nicht verwehrte, wenn sie vonnöten war.
Trotzdem atmete Azura auf, als es geschafft war und sie langsam in Richtung Salon schlurfen konnten. Dabei mussten sie durch die offensichtlichen Spuren von Plünderung und es tat ihr weh, die kahlen Wände zu sehen, die traurig von einstigem Schmuck kündeten. Hier war sie aufgewachsen, hatte den meisten Teil ihres Lebens verbracht, ohne zu würdigen, was sie für selbstverständlich gehalten hatte. Ohne sich je dafür zu interessieren, warum ihr Stiefvater diese Stücke erworben oder von seinem Erbe behalten hatte, obwohl er versucht hatte, es ihr näher zu bringen. Doch sie war zu... zu selbstbezogen gewesen und hatte schlichtweg erwartet, dass all dies sowieso einst ihr gehören und sich ihrem Geschmack würde anpassen müssen.
Jetzt hingegen... konnte sie nicht sagen, welcher Verlust ihr mehr zusetzte. Der Materielle oder vielmehr die ganzen Gefühle, die damit verbunden gewesen waren.
Kurz wurde sie aus ihrer Innenschau gerissen, als ihre Mutter hinter ihr eine Frage stellte, die sie leicht zusammen zucken ließ. Schwer schluckte sie und spürte, wie Hitze in ihre Wangen stieg. Unsicher sah sie zu Corax hinüber, ehe sie die Augen schloss und durchatmete. "Später, Mama...", murmelte sie und versuchte, sich zu konzentrieren, damit der Bewusstlose nicht von ihrer Schulter rutschte.
Seit wann war der Weg bis zu ihrem liebsten Salon dermaßen lange und beschwerlich? Wie konnte ein Mann von der Statur des Waldelfen nur so schwer sein?!
Aber auch diese Mühsal hatte irgendwann ein Ende und erleichtert atmete sie auf, als sie die Last auf dem Sofa abladen und durchschnaufen konnte. Schweiß war ihr auf die Stirn getreten und vermischte sich in ihrem Rücken mit dem Regenwasser, sodass ihr noch kälter wurde. Trotzdem eilte sie nicht sofort wieder hinaus, um sich selbst umzuziehen, sondern wollte ihrem Liebsten helfen ebenso wie bei ihrer Mutter bleiben.
Dass sie hingegen ihren Erzeuger nicht persönlich ausziehen konnte, lag daran, dass sie bis vor nicht allzu langer Zeit bei seinem Anblick ganz andere Gedanken gehegt hatte. Es war ihr absolut peinlich und sie war ihrem Raben mehr als dankbar dafür, dass er sich auch mit nur einem Arm dieser Aufgabe allein annahm.
Sie indes nutzte die Zeit, um zu ihrer Mutter zu treten, in dem Versuch, ihr Trost und Zuversicht zu spenden, wie es sonst für gewöhnlich umgekehrt gewesen war. Schon erhielt sie eine Schelte und irgendwie konnte sie die Wut ihrer Mutter auf den Bewusstlosen auch verstehen. Er hatte sie allein gelassen, gerade dann, als sie am meisten seine Unterstützung gebraucht hatte. Auch kannte sie nicht genug Details, wollte sie im Prinzip gar nicht wissen, um sich wirklich auf eine Seite schlagen zu können.
Allerdings... irgendwie... irgendetwas in ihr fühlte sich bemüßigt, ihn nicht vollkommen schutzlos sein zu lassen in einem Moment, in dem er sich nicht wehren konnte. "Ohne Wissen jedoch kann man sich auch kein Privileg verdienen.", warf sie leise und auch eine Spur bekümmert ein.
Und obwohl sie es so viele Jahre nicht angesprochen hatte, weil es ihre Eltern stets traurig gemacht hatte, brach es nun aus ihr heraus. "Warum hast du es nicht einmal mir gesagt?", flüsterte sie und seufzte tief, ehe sie den Kopf schüttelte. "Später...", murmelte sie nur, weil sie ahnte, dass es sonst wirklich zu viel auf einmal werden würde.
Damit wandte sie sich ab und holte die Decke, die, ebenso wie alles andere von dem ihr so lieb gewordenen Interieur, noch vorhanden war. Zumindest eine kleine Erleichterung in dieser sonst so ungewöhnlich deprimierenden Umgebung.
Wenig später hatte der Dunkle den Bewusstlosen darin eingewickelt und gab ihr zu verstehen, dass es vollbracht war. Dankbar berührte sie ihn mit den Fingerspitzen an der verbliebenen Hand. Mehr wagte sie vorerst im Beisein ihrer Mutter nicht.
Ohnehin wurde sie von dieser abgelenkt, die ihre Vorlieben und Sehnsüchte viel zu gut kannte, um sie nicht damit locken zu können. Ohne vorher genauer darüber nachzudenken, gab sie ihrer Verblüffung Ausdruck und erhielt die nächste Zurechtweisung, die sie den Kopf senken ließ, während ihre Wangen sich röteten. Diese Situation war für sie derzeit einfach nur bizarr und sie konnte kaum einordnen, was sie zu Recht als ungewöhnlich wahrnahm und was ihr lediglich so vorkam.
Indes offenbarte ihre Mutter einen Teil des Leids, das sie hatte durchmachen müssen. Die Scham verschwand, als Azura wieder aufsah und den Schmerz hinter all der Wut und Kühle erkennen konnte. Traurig wurde ihr Blick. "Ach, Mama...", wisperte sie voller Mitleid und irgendwie auch Schuld.
Warum hatte sie das alles zugelassen? Wieso hatte sie sich gegen ihre Entführung nicht stärker gewehrt? Es nicht geschafft, schneller wieder da zu sein, um ihren Eltern helfen zu können? Vielleicht wäre es dann nicht so schlimm... Nein, womöglich wäre es stattdessen noch schlimmer geworden, denn sie war ihren Eltern wichtig und kostbar. Nicht auszudenken, was andere Männer mit ihr getan hätten, wenn sie ihrer habhaft geworden wären...
Und als wäre das noch nicht genug für ihre Verwirrung, legte Corax noch nach, indem er zwar den Großteil der Wahrheit knapp zusammen fasste. In einem Punkt jedoch war er unehrlich und das stach spitz in ihr Herz. Er hatte sie nicht geschändet, er hatte sie verführt und sie in den Wahnsinn getrieben, aber er hatte sie nicht mit Gewalt entehrt! Im Gegenteil... Warum also sah er es noch immer so? Aus welchem Grund konnte er nicht akzeptieren, dass sie sich ihm freiwillig geöffnet hatte, im wahrsten Sinne des Wortes? Reichte es nicht, dass sie noch immer an seiner Seite war, sich nach ihm sehnte und zugleich Angst davor hatte, dass er sie irgendwann eben doch nicht mehr an seiner Seite haben wollen könnte?
Sein Krächzen entlockte ihr ein kleines Lächeln, ihrerseits ebenfalls dankbar. Allerdings war ihr ebenso klar, dass sie nach all diesen Eröffnungen den schwersten Gang vor sich hätte, den sich ein Mädchen ihrer Gesellschaftsschicht nur vorstellen könnte. Nun ja, fast, denn sie ersparte ihrer Mutter zumindest unschöne Folgen dieser Zusammenkunft. Also versuchte sie, ihren Mut zusammen zu kratzen, zu der Älteren zu treten und um deren Absolution zu bitten.
Sie erhielt dafür... eine Ohrfeige, die es in sich hatte. Ihre Mutter hatte sie noch nie geschlagen und Azura blieb einen Moment lang vor Schreck das Herz regelrecht stehen. Am Ende jedoch... hatte die andere alles Recht dazu, sodass sie dieses eine Mal nicht aufbegehrte. Sich nicht wehrte oder sich gar empörte, während ihre Haut brannte und heiße Tränen ihre Wangen entlang liefen. Mit gesenktem Kopf stand sie da und wartete auf die absolut vernichtenden Worte. Was indes in ihrem Rücken geschah, bemerkte sie nicht.
Sofort wurde sie nicht aus dem Haus gejagt, stattdessen bekam sie anderes zu hören. "Ich weiß es nicht...", wisperte sie und schluckte schwer. Ja, es hatte ihr gefallen, sehr sogar, aber sie hatte keinen Vergleich zu anderen Männern, wusste nicht, ob ihn das ausgezeichnet hatte oder einfach nur Zufall gewesen war. Sie wusste auch ehrlich nicht, ob es wirklich gut für sie gewesen war, für ihre Zukunft und für ihr Glück. Ja, ihr war nicht einmal klar, ob es das Richtige gewesen war in diesen Momenten!
Dafür aber wurde ihr etwas anderes bewusst, etwas, das ihr Kraft verlieh und ihre Tränen zum Versiegen brachte, zumindest vorerst. Azura hob den Kopf an und mit einem fast so festen Blick wie sonst sah sie ihre Mutter an. "Aber ich weiß, dass er es wert ist!", verkündete sie voller Überzeugung. Das war ihr wichtig!
Ihre Mutter konnte sie verstoßen und verachten deswegen, auch wenn sie selbst sogar ein uneheliches Kind geboren hatte. Doch sie würde nicht zulassen, dass jemand schlecht über diese eine Tat ihres Liebsten denken würde oder ihm seinen Wert absprach.
Anscheinend half das, denn ihr Gegenüber entspannte sich etwas und sprach schließlich etwas aus, das die junge Frau aufatmen ließ. Mehr noch, sie schloss seufzend die Augen und schluchzte einmal auf vor Erleichterung. Aquila hingegen zeigte erneut ihren Pragmatismus und schien schon zu überlegen, wie sich solch eine Verbindung nutzen ließe.
Woher schließlich sollte sie auch wissen, wie schwierig Corax es in seinem Leben gehabt hatte? Azura schluckte mehrfach und musste sich beherrschen, um nichts unabsichtlich zu verraten, wovon sie selbst ja noch keine richtige Ahnung hatten.
Als sie ihre Lider wieder anhob, hatte sich ihre Mutter bereits an ihren Raben gewandt. Auch sie folgte diesem Blick und fing den seinen auf. In diesem Moment traf sie eine Entscheidung und trat wieder zu ihm, schließlich musste sie ihre Zuneigung nun nicht länger verbergen.
Indes sank er auf ein Knie, bevor sie ihn aufhalten konnte, und dieser Anblick sorgte dafür, dass ihr die Kehle eng zu werden drohte. Das jedoch konnte sie sich jetzt nicht erlauben, denn Corax war drauf und dran, alles zu verraten, wie ihr schien. Nein, das konnte und durfte sie nicht zulassen, nicht, ehe sie ihre Mutter nicht darauf vorbereitet hatte.
Also stellte sie sich neben ihren Liebsten und legte ihm die Hand auf die Schulter, um ihn spüren zu lassen, dass sie bei ihm war. Dann sah sie auf und geradewegs in die Augen von Aquila. "Er ist direkt der neuen Herrin der Akademie unterstellt und ihr engster Vertrauter.", erwiderte sie und bog die Wahrheit nur minimal für ihre eigenen Zwecke zurecht. Dass diese Hexe längst tot war und sie nur noch deren Fassade aufrecht erhielten, verschwieg sie lieber und drückte die Schulter unter ihren Fingern, um zu signalisieren, dass er besser nichts zu deren Aufklärung von sich gab.
Schließlich gab ihre Mutter soweit nach, dass sie ihnen eine Atempause gönnen würde. Azura deutete ein Nicken an. "Wir werden uns solange umziehen.", erklärte sie schlicht und wartete, bis sie nur noch zu dritt waren, ehe sie hörbar aufatmete.
Danach wandte sie sich Corax zu und griff nach seiner Hand. "Komm, steh' auf.", bat sie ihn mit sanfter Stimme und zog leicht an seinen Fingern zum Zeichen, dass sie das ernst meinte. "Deine Feder sprießen wieder.", bemerkte sie und strich durch das dunkle, flaumig weiche Gefieder.
Leise seufzend sah sie ihn bedauernd an. "Mir muss es leid tun. Ich... ich hätte dich vorbereiten sollen... ach was, ich hätte dich nicht mitnehmen dürfen, bevor ich nicht mit ihr geredet habe. I... ich... ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht hab.", murmelte sie und zog fröstelnd die Schultern hoch. Es wurde tatsächlich Zeit, dass sie sich umzogen, wenn sie nicht krank werden wollten.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Dienstag 21. November 2023, 15:48

Azuras Wange brannte weniger stark als erwartet. Der Schock darüber, dass sie eine Ohrfeige erhalten hatte, überdeckte das meiste. Ihre Mutter hatte sie in ihrem ganzen Leben nicht einmal geschlagen. Doch wenn die junge Andunierin einen Blick in Aquilas Augen warf, die den ihren nicht glichen - Azura besaß eher die Augen ihres Vaters - so erkannte sie darin nicht nur Zorn. Sicher, die Edle van Ikari war verärgert, dass ihre einzige Tochter das kostbare Gut der Unberührtheit an einen dahergelaufenen Dunkelelfen gegeben hatte, bei dem unklar war, in welchen Kreisen er sich bewegte. Dieser Umstand wog tatsächlich nicht allzu schwer. Aquila hatte die Heimatstadt erobert und das Haus geplündert vorgefunden. Ihre Tochter war verschwunden, entführt. Später fiel ihrem Gatten dieses Schicksal ebenfalls zu. Es gab keine Diener mehr, es gab kaum mehr materielle Besitztümer. Das Haus war leer, ihre Hoffnung geraubt und nun, da Azura doch noch aufgetaucht war, brachte sie diese Nachricht mit. Aber sie war zurück. Ihr Kind lebte und war unversehrt - zumindest, was Dinge betraf, die sie nicht hätte selbst entscheiden können. Aquila hörte schnell heraus, dass Azura den Schritt der Körperlichkeit anscheinend freiwillig gegangen war. Sie hatte aber ebenso wenig sie ihr Kind selbst vergessen, dass Corax von Schändung gesprochen hatte. Darauf würde sie noch einmal zurückkommen, doch nicht jetzt. Es gab viel zu verarbeiten, für sie alle. Anschließend würde sie sich ihrer ehemaligen Liebschaft, dem Vater ihres Kindes, stellen müssen. Herausforderungen kamen auf die Noble zu und sie wollte dann mental gestärkt sein. Das funktionierte immer mit einem Heißgetränk. Wo Aquila van Ikari sonst allerdings einen kräftigen Kräutertee - Kamille, die Azura so verschmähte - bevorzugte, da bot sie nun allerdings an, heiße Schokolade zuzubereiten. Sie würde sie selbst machen! So weit war es mit den van Ikaris gekommen... Kein Wunder also, dass sie versuchte, aus Azuras Fehltritt einen Vorteil zu schaffen. Wenn Corax einen ansehnlichen Rang in seiner Gesellschaft vertrat, wäre es nur halb so schlimm. So hakte sie direkt bei dem Raben nach und jener sank in Demut auf ein Knie herab. Sie ahnte ja nicht, dass er drauf und dran war, die Haltung eines unterwürfigen Sklaven einzunehmen. Azura hielt ihn rechtzeitig davon ab. Mehr noch, sie drehte sich die Wahrheit ein wenig zurecht, so dass sie zu Corax' Gunsten ausfiel.
Aquila kannte ihre Tochter allerdings. Skeptisch hob sie eine Braue an. "Ist das wahr?", fragte sie auch Corax nochmal. Sie wollte es von ihm hören. Er vermasselte es nicht. Er nickte und wiederholte: "Ich bin der Leidträger, meiner Herrin Serpentis Mortis direkt unterstellt. Sie leitet aktuell die Akademie der Wassermagie zu Andunie. Aber es gab ... einen Angriff." Sein Blick wanderte zu Azura. Im Grunde waren sie und Madiha für dieses Ereignis verantwortlich. Sie beide, indem sie ihren Rabenfreund hatten retten wollen. Das war auch geglückt, doch durfte Corax es nicht nach außen tragen. So würde der Plan scheitern. Serpentis weiter zum Schein am Leben zu halten, bis sich Dinge im Hitnergrund geklärt hätten, auf die weder er noch Azura Einfluss besaßen. Doch der Rabe schien von Kjetell'o instruiert worden zu sein. Er ging nicht auf Details ein.
Aquila genügte das. Sie wirkte sogar ein wenig beeindruckt. "Ich kenne diese Herrin Mortis nicht", erwiderte sie. "Aber wenn sie eine ganze Akademie leitet - selbst als eine des dunklen Volkes wie ich annehmen muss - besitzt sie die Fähigkeiten oder Führungskraft." Die Mutter nickte der Tochter mit sichtbarer Erleichterung zu. "Du hast dir wenigstens nicht den erstbesten gesucht, der dich um den Finger zu wickeln versuchte. Gute Götter, man stelle sich vor, du wärest damals wirklich mit diesem van Tjenn verheiratet worden! Du wärest Witwe. Er soll ja auf See verschollen gegangen sein." Sei seufzte. "Andererseits ginge so nun vielleicht auch ein Erbe an dich. Sein Vater ist Gerüchten zufolge hingerichtet worden, im eigenen Haus. Es wird jetzt von irgendeiner Dunkelelfenfamilie bewohnt. Die Mutter dient ihnen als Sklavin. Ventha sei Dank bleibt mir das erspart. Ich werde keinen Dunkelelfen in diesem Haus du-" Sie brach ab und blickte auf Corax herab. "Jedenfalls keinen, der versucht, das Eigentum der van Ikaris an sich zu reißen. Doch es wird wohl Euer sein, Leidträger. Über die Hochzeitsvorbereitungen sprechen wir noch." Dann wandte sie sich ab. Die heiße Schokolade wartete.
"Hochzeit?", stotterte Corax und sah zu Azura auf, als sie ihm eine helfende Hand reichte. Er griff danach, um wieder zum Stehen zu kommen.
"Deine Federn sprießen wieder." Er nickte es ab. "Ich soll ... sie möchte, dass ich dich heirate? Ich?!" Verlegene Röte stieg ihm in die Wangen. Das angesprochene Gefieder raschelte. "Das ... ist das erlaubt?"
"Du bist kein Sklave mehr, Leidträger", drang Kjetell'os erschöpfte Stimme unter der Decke hervor. Der Waldelf klammerte sich noch immer unter sanftem Druck an Corax' Kleidung fest. Corax warf ihm einen Blick zu. Er setzte sich aber nicht zu dem Elfen hin. Auch seine Sachen waren zu nass, als dass er dies hätte wagen können. Außerdem ... seine Augen richteten sich auf Azura. "Wie kann deine Mutter das wollen? Hat sie nicht zugehört? Ich habe dich ... ich habe dich entehrt."
"Leidträger...", wisperte Kjetell'o wie eine Warnung. Aber seine Federn wuchsen bereits wieder. Sie erreichten die Höhe seiner Knie, ein langer Umhang aus gefiederter Finsternis. Nichts verursachte ihm mehr Leid als diese Annahme. "Ich hab deinen wehrlosen ... toten ... Körper ..." Corax atmete durch. Er versuchte, sein eigenes Leid in sich aufzunehmen und unter Kontrolle zu halten, aber Azura konnte bereits sehen, wie sich der schwarze Helm mit dem scharfen Schnabelvorsatz neu zu formen begann. "Es tut mir leid."
"Mir muss es leid tun. Ich... ich hätte dich vorbereiten sollen... ach was, ich hätte dich nicht mitnehmen dürfen, bevor ich nicht mit ihr geredet habe. I... ich... ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht hab." Einsicht. Selbstreflektion. Dinge, die bei einer Azura van Ikari ohne all die Erfahrungen niemals zu erwarten gewesen wären. Doch sie hatte sich entwickelt, auch wenn es Rückschläge gab. Sie sah die Welt nun mit anderen Augen. Sie sah es, weil sie sich auf einen widerlichen Schuft eingelassen hatte, der es wert gewesen war.
"Nein. Es ... tut mir ... Leid." Es war keine Entschuldigung, kein Betteln darum. Er erklärte sich. Er erklärte, was mit ihm geschah. Die Federn wuchsen, ihre Kielspitzen stachen sich durch sein Fleisch in den Nacken und verfestigten sich dort wie das weitreichende Wurzelwerk von Pilzen. Seine eigenen Taten ... er litt darunter. Es tat ihm ein Leid an. Es schmerzte.
"Ich weiß nicht, wie das passiert ist, Azura. Das musst du mir glauben. Da war dieser Traum und im Traum ... du warst da ... mir nah. So unendlich nahe. Ich hab dich gespürt. Ich hab all meine Liebe zu dir gespürt und dann ..." Er riss seine Hand aus der ihren, um sie sich über die Augen zu legen. "Ich hab sogar dein Kleid besudelt mit meiner ... deine Mutter kann das unmöglich wollen, dich an ein Monster wie mich zu binden."
Sie musste etwas unternehmen. Sie musste ihn aufhalten, denn ansonsten würde er zu dem angesprochenen Monster werden. Der Helm wuchs ihm über die Augen und drohte, sein gesamtes Gesicht zu fressen. Die rabenhaften Schultern wuchsen in die Breite. Aus seinem Umhang ragten lange Schweiffedern und das Kratzen in seinen Stiefeln deutete darauf hin, dass Krallen sich einen Weg durch das Leder stechen wollten. Für Corax existierte kein größeres Leid als Azura wehgetan zu haben. Selbst wenn sie nichts davon wusste, weil sie tot gewesen war.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Dienstag 21. November 2023, 20:31

Ja, es tat ihr leid, dass sie ihre Unschuld hergeschenkt hatte und ihre Mutter mit diesem Wissen enttäuschte. Es tat ihr auch weh, dass sie die Reaktion auf diese Weise ausfiel, obwohl sie diese verdient hatte. Aber wenigstens sah man ihr diesen Umstand der Unzucht nicht an und würde es auch nie, sollte Corax weiterhin der Einzige sein, der sich ihr auf diese Weise nähern durfte. Im Moment war es auch so und sollte es vorerst bleiben. Diese Art der Schande würde sie dann trotz allem nicht darstellen.
Wenngleich sie sich nicht vollkommen sicher darüber war, ob sie dies bedauerte oder nicht. Jedoch würde sie das bestimmt nicht mit ihrer Mutter klären, selbst, wenn diese anders reagiert hätte. Stattdessen schaffte sie es, zumindest eines klar zu stellen: Dass ihr Rabe ihr etwas bedeutete und sie dafür auch einstehen wollte.
Nach dem ersten Schrecken zeigte die Hausherrin, wie pragmatisch sie dachte, denken musste, und forderte das Wissen um den Rang des Dunklen. Jetzt, nachdem ihre Beziehung mehr oder weniger offen gelegt war, hielt Azura auch nichts mehr davon ab, an seine Seite zu treten. Zwar würde sie sich hüten, zu viele Zärtlichkeiten zu demonstrieren, aus Respekt gegenüber ihrer Mutter und der Erziehung, die sie trotz allem verinnerlicht hatte. Somit zog sie ihn nicht wieder aus seinem Kniefall herauf, legte ihm jedoch die Hand auf die Schulter, um ihn spüren zu lassen, dass sie bei ihm war.
Außerdem übernahm sie die Umschreibung seiner Position, so, wie diese gewesen war... und als Schein weiter aufrecht erhalten bleiben sollte, wenn sie das richtig verstanden hatte. Es sollte Aquila helfen, den Schrecken ein wenig besser verdauen und Hoffnung schöpfen zu können, ohne dabei angelogen zu werden.
Dennoch schien sie ihr nicht ganz zu glauben, warum auch immer. Es kränkte die junge Frau und sie konnte nicht verhindern, dass sich ihre Unterlippe in einem Anflug von Schmollen vorschob, ein Aufblitzen ihres alten Wesens. Aber im Gegensatz zu sonst würgte sie den aufsteigenden Kloß hinunter und bemühte sich um Haltung.
Corax widerlegte ihre Worte nicht, was sie innerlich aufatmen ließ. Um im nächsten Moment leicht zusammen zu zucken, das konnte sie nicht unterdrücken. Auch ihr Griff verstärkte sich minimal, während sie das Kinn hoch hielt und sich darum bemühte, sich nichts anmerken zu lassen. "Ein Angriff, der nicht länger relevant ist.", vollendete sie seine Erzählung und bat ihn in Gedanken inständig darum, dass er ihr auch hierbei nicht widersprach. Ihre Mutter machte schon viel zu viel durch!
Es schien aber durchaus vorläufig zu reichen, wenn Azura die Reaktion ihres Gegenüber richtig deutete. Im Stillen atmete sie auf und wähnte sich schon sicher, als das Gespräch eine Richtung nahm, das sie viel heftiger als zuvor zusammen fahren ließ. Ihre Finger gruben sich tiefer in die Schulter ihres Liebsten, um ihn daran zu hindern, etwas zu sagen. Oder um selbst Halt an ihm zu finden, weil sich ihre Knie mit einem Mal weicher anfühlten?
Was war es, das sie bei der Erwähnung des Kapitäns denn so mitnahm? Allein die Erinnerung an ihre Schmach, weil er sie sitzen gelassen hatte? Der Umstand, dass er den letzten Tropfen hinzu gefügt hatte, der das Fass zum Überlaufen und sie zum Springen gebracht hatte? Oder die Tatsache, dass er und die Sarmaerin eine böse Überraschung erleben könnten...? Azura wusste es nicht und im Moment wollte sie es auch gar nicht erst ergründen.
Hinzu kam, dass ihre Mutter weitaus pragmatischer dachte, als sie bisher vermutet hatte, und etwas erwähnte, das für die Tochter noch gar nicht auf der Agenda gestanden hatte. "Mama!", entfuhr es ihr keuchend und sie schüttelte heftig den Kopf. Sie und Corax... Hochzeit... Wie bitte?!
Vermutlich war es das Beste, dass die Hausherrin den Salon verließ, ehe deren Kind etwas sagen könnte, das sie früher oder später bereuen würde. Auch der zweite Betroffene war scheinbar überrumpelt und tat sich schwer mit dem eben Gehörten. Sie half ihm auf die Beine und bemerkte sein Aussehen, aber er schien es kaum zu hören oder die Berührung so zu fühlen, wie es beim letzten Mal gewesen war.
Doch auch er fing nun mit diesem einen Thema an, das sie am liebsten weit, weit weggeschoben hätte, um sich keine Gedanken mehr darum machen zu müssen. Nicht, weil sie es sich nicht vorstellen könnte oder... oder vielleicht sogar wollen könnte, um wenigstens ein bisschen die Illusion länger aufrecht erhalten zu können, dass sie an seine Seite gehörte. Nein, es bescherte ihr ein gewisses Unwohlsein, weil sie genau wusste, welche Erwartung danach folgen würde und dass ihr die Schuld daran gegeben werden würde, da es mit ihm nicht zustande käme. Und dann käme der Streit zwischen sie beide, sie fiele noch weit tiefer in die Schande und... nun ja, das Ende wäre alles andere als schön.
Azura schloss die Augen, versuchte, tief durchzuatmen und die aufsteigende Panik zu bekämpfen. Wie sollte sie ihm das nur erklären, ohne ihn zu verletzen? Es lag ja nicht daran, dass sie ihn nicht wollen würde, sondern an... an dem, was er sich in der Vergangenheit selbst zugefügt hatte.
In diesem Moment mischte sich eine weitere Stimme ein, die sie eine Spur weit zurück holte. Sie hob ihre Lider an und sah zu dem Waldelf herunter. Wie lange er wohl schon bei Bewusstsein gewesen war? Erst jetzt fiel ihr die Hand auf, die sich an das Hosenbein ihres Liebsten zu klammern schien. Ihre Stirn runzelte sich leicht, weil sie diese Haltung nicht verstand.
Ihr Mund öffnete sich und sie wollte etwas sagen, da kam ihr Corax zuvor auf eine Weise, bei der auch sie spürte, dass er sich quälte, ohne seine magische Fähigkeit dafür zu benötigen. Er litt und das war etwas, das sie nicht wollte.
Instinktiv griff sie nach seiner Hand und hielt sie fest in den ihren, versuchte, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und weg von dem Auslöser, der seine Feder so stark sprießen ließ. "Du hast mich nicht entehrt.", erklärte sie leise, aber mit fester Stimme, und wollte damit erreichen, dass er sich endlich von diesem falschen Gedanken löste.
Dazu gehörte auch ihre Ehrlichkeit, ihr Bedauern darüber, dass sie einem Impuls nachgegeben hatte, ohne ihren Liebsten darauf vorzubereiten, wie schwierig es mit ihrer Mutter werden könnte. Vor allem, weil sie befürchtete, dass der Höhepunkt dessen noch bevorstünde. Es kam ihr vor, als würde es an seinem Federkleid, das immer stärker und dichter wurde, abprallen und nicht zu ihm durchdringen.
Er blieb in seinem Leid gefangen, hüllte sich darin ein und doch bot er ihr einen Pfad, um durch das Dickicht blicken zu können. Einen sehr schmalen und nicht sofort erkennbaren, aber er war vorhanden. Zuerst allerdings übersah sie ihn, blinzelte verständnislos und deutete ein Kopfschütteln an. "I... ich... ich verstehe nicht...", murmelte sie und schüttelte erneut den Kopf.
Um im nächsten Moment große Augen zu machen, als das Begreifen allmählich bei ihr einsetzte. Doch im Gegensatz zu seiner eigenen Meinung hielt sie ihn nicht für ein Monster. Es war verwirrend und so ganz verstand sie es noch immer nicht, allerdings wurde ihr etwas anderes klarer.
Während er mehr und mehr zu einem überdimensional großen Raben wurde, griff sie, ehe auch sein Gesicht sich wandeln konnte, nach seinen Wangen und küsste ihn, ungeachtet dessen, dass er seine Hand über die Augen gelegt hatte und sie offenbar aussperren wollte. Legte ihre Lippen auf die seinen und bewegte sie zärtlich, ließ auch ihre Zunge hervor treten und sanft die Konturen seines Mundes nachzeichnen, solange, bis er sie einlassen würde. Oder auch nicht, denn sie würde ihn nicht dazu zwingen, ihn nur dazu einladen.
Schließlich zog sie sich mit brennendem Gesicht, einem verlegenen Grinsen und heftig pochenden Herzen zurück, ohne ihn dabei loszulassen. "Ich weiß, welche Situation du meinst. Aber, Corax...", wisperte sie und verging fast vor Scham, weil sie den Waldelfen hinter ihm nicht vollkommen ignorieren konnte. Ja, es war ihr gerade hochgradig peinlich, da er vermutlich ebenfalls ahnte, um was es bei ihrer traumhaften Begegnung gegangen war, und wenn er tatsächlich ihr Erzeuger war...
Egal, sie konnte es nicht ändern! Sie konnte sich nur so verhalten, um für sich selbst eine Art Illusion von Zweisamkeit zu schaffen, indem sie ganz nah an den Dunklen heran trat, sofern er es zuließe, und ihre Stimme soweit senkte, dass hoffentlich nur er es hören würde. Wäre sie sich sicher gewesen, wie viel er tatsächlich Garmisch verstand, sie hätte wahrscheinlich die Sprache gewechselt. So jedoch blieb sie beim Celcianischen, denn ihr war es wichtig, dass er sie einwandfrei verstand. "Das war kein Traum!", hauchte sie und suchte seinen Blick, um ihn voller Zuneigung einzufangen.
"Manthala hatte mir Zugang gewährt und ich war als Geist wirklich bei dir. Ich habe versucht, es dir zu sagen, aber... na ja..." Nun hatte sie das Gefühl, selbst buchstäblich in Flammen aufzugehen wie sonst nur der Waldelf, derart heftig brannte ihre Gesichtshaut. Ein kleines Kichern entkam ihr, als Ausdruck des Abbaus von dem Druck, der ihre Verlegenheit in ihr aufbaute. "Wir hatten ja anderes zu... zu tun...", nuschelte sie kaum noch verständlich, schloss selbst die Augen und versuchte, sich nicht zu sehr an dieses intensive Beisammensein zu erinnern.
Denn jetzt, da sie ihre wahre Gestalt zurück hatte, mit all ihrer Lebendigkeit, da könnten solche Bilder Gefühle auslösen, die sie derzeit nicht befriedigen könnte, aus mehreren Gründen. Außerdem bezweifelte sie, dass sie die Lust auch bei ihrem Raben wecken könnte und das war für sie dann doch eine Grundvoraussetzung, um ihm überhaupt wirklich nahe kommen zu können. Stattdessen versuchte sie tief durchzuatmen und Haltung zu wahren.
Als sie ihn schließlich wieder ansah, strich sie sanft mit ihren Daumen über seine Wangen, sollte er sich noch nicht aus ihrem Griff gelöst haben. "Noch einmal, du hast mich nicht geschändet.", sprach sie nun mit stärkerer, überzeugter Stimme und hoffte, dass sie ihn damit dieses Mal erreichen würde.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 23. November 2023, 14:56

Für Aquila van Ikari war Azuras Unschuld wichtiger gewesen als für sie selbst. Aber die Mutter wusste auch, welchen Weg ihr Kind sich damit verbaute. "Verbrauchte Ware", diesen Begriff nutzte niemand im andunischen Adel öffentlich, wohl aber stand er im Rand, wenn es wieder zu einem Ball ging, wo junge Galane auf meist noch jüngere Mädchen im gebärfähigen Alter trafen. Als Azura den Erben der neuadligen van Tjenns hätte kennenlernen sollen, hatte sie ihrem Ziehvater auch noch lange nicht bis zu den Schultern gereicht. Auch das wusste Aquila van Ikari. und trotzdem arrangierte sie sich damit, vielleicht sogar gegen ihre innere Moral. Wer sich in noblen Kreisen bewegen wollte, musste ihr Spiel spielen. Außerdem hätte ihre geliebte Tochter durchaus Privilegien genießen dürfen. Der Preis wäre eine Ehe ohne Liebe und eine Mutterschaft, um den Nachkommen ein ähnliches Schicksal zu bieten. Aber Aquila und Alycide waren sich einige gewesen, das Töchterchen niemals an den Erstbesten aus der Hand zu geben. Wenn schon Liebe nicht mit im Spiel wäre, so wenigstens Respekt und mit Glück eine freundschaftliche Beziehung zum Gatten. Daher gingen sie vom ersten Tag an sehr pingelig mit den potenziellen Heiratskandidaten um. Das hatte zur Folge, dass Azura bis heute noch immer nicht unter der Haube war. Viele ihrer Freundinnen arrangierten schon Hochzeitsfeiern, wo sie noch nicht einmal in Erwägung zog, jemanden für den Rest ihres Lebens überhaupt auszuwählen. Und nun hatte sie ein so kostbares Gut an irgendeinen Mann gegeben. Mehr noch, an einen Dunkelelfen. Natürlich bekümmerte das ihre Mutter. Natürlich schäumten Gefühle über. Aber so schnell wie der Vulkan in ihr ausgebrochen war, so schnell hatte Aquila sich auch wieder unter Kontrolle. Sie gab sich ihren Emotionen nur kurzzeitig hin, ehe sie auf die Ebene des Pragmatismus zurückkehrte und dort könnte eine derzeitige Verbindung mit einem Vertreter des dunklen Volkes vielleicht sogar von Vorteil sein. Voraussetzung blieb, dass auch er aus gutem Hause stammen oder wenigstens einen hohen Posten innehaben musste. Engster Vertrauter der Feuerhexe Serpentis Mortis zu sein, die aktuell die Magierakademie leitete, schien der Mutter zu genügen. So entließ sie Azura und Corax in eine kurze Verschnaufpause, während sie sich höchstpersönlich anschickte, für alle Heißgetränke zuzubereiten. Das Paar konnte sich die Kleidung wechseln und ein wenig reden. So war zumindest der Plan. Dass er gerade aus allen Fugen zu platzen drohte, bekam Aquila van Ikari nicht mehr mit. Wohl aber bemerkten Azura und der inzwischen wieder erwachte Kjetell'o sehr wohl zu spüren.
Corax steigerte sich in die düstere Annahme hinein, seiner Liebsten ein Leid angetan zu haben. Er selbst hatte das Jahrzehnte lang durchstehen müssen. Ganz gleich, ob körperlicher oder geistiger Missbrauch, er hatte alles mitgenommen. Er wusste, was es der Seele antat und nun war er selbst vom Opfer zum Täter geworden. Unter nichts litt er mehr und er hatte wahrlich genug Punkte auf seiner Liste, um sie als Trauma abzuhaken. Trotzdem zählte für ihn nur das Wohlergehen der Frau, die er schon vor ihrer Entführung ins Auge gefasst haben musste. Nichts war ihm wichtiger, aber nichts wurde für ihn dadurch auch zu seiner größten Schwäche. Da brauchte es keinen Dritten, um es ihm als Last auf die Schultern zu drücken. Das schaffte er allein und seine Schultern wurden immer breiter und schwerer. Schwarzes Gefieder streckte sich aus. Jede einzelne Feder war so groß wie Azuras Unterarm. Corax selbst schien anzuwachsen, sich immer mehr zu verformen. Doch er würde sich nicht in eine niedliche, kleine Krähe verwandeln, die nicht mehr imstande war zu fliegen. Aus ihm wurde, was er glaubte, bereits zu sein: ein Monster. Und er litt darunter.
Kjetell'o berührte ihn noch immer, zupfte schwach an der Kleidung des Raben. Er redete auf ihn ein. Aber er erreichte ihn nicht. Corax hörte nicht zu. Der Bezug war nicht nahe genug. Caleb hätte auch nichts bewirken können, Madiha vielleicht als die Herrin des Raben. Gewiss wäre es jedoch nicht. Doch es blieb noch Azura übrig. Sie musste nur mutig sein.
Das fiel Azura nicht schwer. Sie liebte Corax, vor allem aber ertrug sie nicht, ihn leiden zu sehen. So griff sie nach ihm, der in weiter aufsteigender Panik endlich den Grund für seine Annahme nannte. Ein Traum. Er hatte sie im Traum gesehen, war ihre verfallen und hatte ihren toten Körper in einer Art träumerischen Trance geschändet. Sie hatte sich nicht wehren oder einwilligen können. Er hatte sich einfach genommen, wonach es ihn gelüstete und das war etwas, mit dem er nicht umgehen konnte. Es verfolgte ihn und es ließ ihn in ein tiefes Loch aus selbstzerstörerischem Chaos fallen. Azura drohte, ihn zu verlieren. Wenn sie jetzt nichts unternahm, bekäme sie wahrlich ein Monster. Eines wie in Träumen ihrer Vergangenheit. Der geflügelte Vogelmann, der sie auf schwarzen Schwingen über ein karges, zerstörtes Land getragen hatte. Sie hatte Elend und Kummer gespürt, war von ihm in einem Nest abgesetzt worden, auf das sich dann die holzartigen Stockwesen gestürzt hatten, um sie zu verschlingen. Die kleinen Biester waren nicht mehr, dafür hatten sie alle gesorgt. Aber welche Zukunft erwartete Corax dann, wenn er noch immer tiefes Leid dieser Art empfand? Mehr noch: Leid wegen ihr.
Verstehen durchflutete Azura ob seiner Erklärungen und schenkte ihr den nötigen Mut, sich in Bewegung zu setzen. Sie reckte sich zu Corax Gesicht vor, legte ihm die Hände an die Wangen und küsste ihn, ehe das schwarze Material sich wie ein rabenhafter Helm um seinen Schädel legen konnte. Sie spielte mit seinen Lippen, haschte danach und lud ihn sogar auf einen Tanz mit ihrer Zunge ein. Er ließ es geschehen. Er erwiderte es nicht. War es zu spät? Azura konnte seine Augen nicht mehr sehen. Ihre Rubinschätze verbargen sich hinter einer Maske aus Schwärze. Doch sie gab noch nicht auf. Sie tat etwas, das sie niemals zuvor in ihrem Leben in Erwägung gezogen hätte. Und auch wenn es sie in Schamesröte untergehen ließ, auch wenn Kjetell'o den Skandal hören könnte, die Unzucht und all ihr Verlangen, es zu wiederholen, sprach sie es offen aus. Sie sprang über diesen Schatten - Corax' Schatten - und ... erreichte ihn.
"Ich habe versucht, es dir zu sagen, aber ... naja ... Wir hatten ja Anderes zu ... zu tun..."
Feuchtigkeit benertzte ihre Finger. Tränen liefen unter der glatten Oberfläche aus Finsternis und Schnabel heraus, die sich um seinen Schädel gelegt hatte und nur noch den Mund frei ließ. Das Wasser reinigte. Es spülte den Schmerz aus seiner Seele und das Salz machte das Material der Maske spröde. Azura konnte sehen, wie die Finsternis Riss bekam. Sie konnte das rote Leuchten seiner Augen hindurch sehen, als Corax ihren Blick suchte. Dann zersprang die Maske in Myriaden winziger schwarzer Splitter, die sich sofort auflösten. Corax starrte sie mit roten Wangen und einem verliebten Funkeln in den Augen an. "Es war ... so wundervoll", krächzte er, ehe sich schwarze Schwingen im ganzen Raum ausbreiteten. Sie zerstörten nichts, streichelten aber die Wände und auch das Bild, das in Azuras Herzen einen Platz gefunden hatte. Corax fand diesen dann ebenfalls, als er seine Flügel um seine Liebste legte, um sie innig an sich zu drücken. Die Federn schrumpften. Sie nahmen dieses Mal kein regenbogenhaftes Schillern an. Corax' Haare blieben schwarz. Er verspürte kein überdimensionales Glück, aber er fühlte die Erleichterung. Der Traum war keiner gewesen. Azura hatte ihn gesucht, gefunden und sich mit ihm in Manthalas Domäne vereint. Freiwillig und voller Liebe. Er hatte sie nicht geschändet. Er hatte sie nicht entehrt. Sie hatten einander nur geliebt. Erleichtert atmete er auf, dass es ihn erzittern ließ. Die Federn fielen allesamt von ihm ab, bis sie das Paar umhüllten wie kniehohes Gras. Nur noch eine Hand voll des Gefieders hing aus Corax' Nacken heraus - das Leid anderer, das er bereitwillig trug, bis er es abgeben konnte, wie auch immer das funktionierte. Aber sein Leid, sein eigenes, war von ihm abgefallen. Was für eine Last!
Jetzt stand er eng an Azura geschmiegt, beide Arme um ihren schlanken und wieder schönen Leib gelegt, seine Stirn an der ihren, damit er ihr tief in die Augen schauen konnte. "Ich möchte das wieder", säuselte er. Ein seichtes Kratzen schwang in seiner Stimme mit. "Nicht, wenn ich schlafe. Nicht, wenn du mit Manthala Handel abschließt. Lass uns ... das so tun. Du und ich. Hier. Jetzt. Ich liebe dich so sehr, ich möchte dich immer."
"V-vielleicht nicht unbedingt jetzt", unterbrach eine Stimme voller Ruhe und doch laut im Vergleich zum Raben dessen wachsendes Begehren. Kjetell'o schaute zu beiden auf. Nein, er starrte Corax an, öffnete den Mund und deutete schwach mit einem Finger auf ihn. Dann aber begann er kurz zu zittern und nieste. "Ohje. Eine Erkältung ist schlecht", meinte er sehr nasal, während sich eine Blase aus Schnodder an seinem Nasenloch aufblies, platzte und ihn etwas verunstaltete. Ein Schnupftuch wäre nun hilfreich. Der arme Waldelf hatte sich arg unterkühlt und sein Körper forderte nun den Tribut ein.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Donnerstag 23. November 2023, 21:35

Es war ein schwieriges und heikles, aber vor allem auch unfaires Thema. Während adelige Söhne sich möglichst früh und erfolgreich die Hörner abstoßen sollten, um zu beweisen, welche Männer sie einst werden würden, sollten die Töchter am besten bis zur Hochszeitsnacht unberührt, ja, besser noch, vollkommen ahnungslos bleiben. Dass dies den Realitäten nicht entsprach, gar nicht entsprechen konnte, wenn es sich nicht um ein hässliches Mauerblümchen handelte, stand wiederum auf einem gänzlich anderen Blatt. Und wenn das Mädchen dann auch noch so dumm war, sich dabei schwängern zu lassen...
Doch zumindest diese Schmach ersparte sie ihrer Mutter und im Prinzip müsste es außer ihnen niemand erfahren, sodass ihr Wert gar nicht so viel geringer wäre. Ihre Mutter indes dachte schon um einige Ecken weiter und stürzte damit die beiden Betroffenen in eine kleine Krise, jeden auf seine Art. Oh, wenn sie die volle Wahrheit wüsste! Doch das würde sie bestimmt nicht ausplaudern, um die Hausherrin nicht noch mehr zu schocken, aber besonders, um ihren Liebsten zu schützen. Er trug schon schwer genug an seiner eigenhändigen Verstümmelung, das ging sonst niemanden etwas an.
Auf der anderen Seite brächte diese Verbindung natürlich auch gewisse Vorteile mit sich. Einmal abgesehen davon, dass das Volk ihres Raben derzeit die Stadt beherrschte und er als Rechte Hand der Hexe galt, der ihr und ihrer Familie gewiss einige Vergünstigungen und Erleichterungen beschaffen könnte. Sie könnte, zumindest für eine gewisse Zeit, mit Fug und Recht behaupten, dass sie an seine Seite gehörte und sich weiter ihrer Gefühle für ihn hingeben, mehr noch, ohne schlechtem Gewissen die Tage und Nächte mit ihm im Bett... oder sonstigen Orten ungestört verbringen.
Und dennoch... dieser Schritt wäre wirklich sehr, sehr prägend und könnte ihr auch Nachteile bringen. Sie wäre gebunden und er hätte viele Rechte über ihre Entscheidungen, die sie eigentlich nicht hergeben wollte. So leicht konnte und wollte sie diese Entscheidung somit nicht fällen, ganz egal, was ihre Mutter haben wollte.
Sobald diese jedoch den Raum verlassen hatte, hatte Azura sowieso gänzlich andere Gedanken, als sie sehen musste, was mit ihrem Liebsten geschah. Es ließ ihr Herz schneller schlagen und ihren Magen sich verhärten vor Sorge. Sie spürte, wie er sich quälte, und er behielt es nicht für sich. Zwar dauerte es einige Atemzüge, bis sie begriff, aber dann wollte sie dagegen angehen und ihm endlich verdeutlichen, wie sehr er sich irrte.
Schon einmal hatte sie das versucht, wenn sie sich richtig erinnerte, doch da hatte er ihr nicht richtig zugehört. Außerdem war sie nicht ganz sie selbst gewesen, hatte ihm nicht so näher kommen können, wie es ihr jetzt wieder möglich war, mit all dem körperlichen Selbstvertrauen und Kraft, die in ihrem jugendlichen Körper innewohnte. Vorbei war der Gestank und die Hässlichkeit, die sie zurück gehalten hatten. Jedoch fürchtete sie sich auch nicht vor einer Berührung mit ihm, in keiner Gestalt, weswegen sie ihre Hände auf seine Wangen legte, damit er ihr nicht sofort entkommen konnte.
Bevor er es trotzdem versuchen könnte, schenkte sie ihm einen Kuss voller Gefühl und hoffte, ihn auf diese Weise wirklich erreichen zu können, ihn vorzubereiten auf die Wahrheit, die ihm helfen sollte... ihm helfen musste! Er hatte sie nicht geschändet, sie liebte ihn und sie hatte keine Angst vor ihm. Was er mit ihrem toten Körper indes getan hatte... darüber wollte sie lieber ein andermal nachdenken. Ohnehin gäbe es viele andere Dinge, die sie ihm weitaus übler nahm als sein Verlangen nach ihr.
Das sie ja schließlich erwiderte, vor allem jetzt, wo sie sich nicht mehr wie eine vertrocknete Pflaume fühlte, an der er sich nur wund reiben würde. Es war vorbei und nur das zählte, ebenso wie der Umstand, dass es nichts gab, mit dem er sie hätte schänden können.
Also küsste sie ihn, obwohl er es nicht erwiderte. Aber sie wollte ihn spüren lassen, dass sie keine Angst vor dieser Berührung hatte oder ihre Zuneigung zu ihm sich geändert hätte.
Als sie sich löste, um ihm wiederum sich nicht aufzudrängen, klopfte ihr Herz heftig in ihrer Brust und ihre Hände blieben auf seinen Wangen liegen. Sie sah zu ihm hoch und versuchte, ihm noch einmal in aller Kürze zu verdeutlichen, dass er sich irrte. Es war ihr zugleich peinlich, weil sie im Hinterkopf nicht vergessen hatte, dass der Waldelf wieder bei Sinnen war. Trotzdem musste sie es aussprechen.
Umso mehr erschrak sie, als plötzlich Feuchtigkeit herab lief und ihre Finger erreichte. "Corax...", hauchte sie voller Sorge und kam noch einen winzigen Schritt näher, sodass sie bei einem tiefen Atemzug mit ihrem Oberkörper den seinen streifen könnte. "Sch, sch, es ist alles gut.", versuchte sie es weiter und fühlte sich zugleich unsagbar hilflos.
Was hatte er denn? Warum weinte er jetzt? Hatte sie etwas falsch gemacht? Sie hatte doch nur die Wahrheit gesagt, denn sie erinnerte sich an diesen Traum nur allzu gerne! Nun ja... zumindest dann, wenn kein Elternteil in ihrer Nähe wäre.
Dann allerdings geschah etwas Unerwartetes. Mit einem Mal konnte sie seine Augen wieder erkennen, sein anziehendes Rot, das sie so leicht zu fesseln verstand. Damit noch nicht genug, zersprang plötzlich die Maske, dass sie einen leisen, erschrockenen Schrei ausstieß und gegen den Impuls ankämpfen musste, zurück zu weichen, um nicht getroffen zu werden. Es geschah ihr tatsächlich nichts, sodass sie innerlich aufatmete, als die Splitter einfach nach und nach verschwanden.
Schon lenkte er sie ab mit seinem Krächzen, das sie beinahe vergehen ließ vor Hitze in ihren Wangen. Verlegen senkte sie den Blick, musste allerdings auch grinsen dabei. "Und wie...", nuschelte sie in sich hinein und spürte, wie allein die Erinnerung es schaffte, es endlich wieder zwischen ihren Beinen pochen zu lassen. Auch wenn jetzt weder der geeignete Ort, noch die rechte Zeit dafür war.
Blinzelnd sah sie auf, als sie eine Bewegung seiner Flügel im Augenwinkel wahrnahm, und fand sich wenig später von all diesen Federn schützend umhüllt, sodass sie sich an seinen Körper schmiegen und bei ihm Halt sowie Wärme suchen konnte. Sofern man außer Acht ließ, dass sie beide noch immer klitschnass waren.
Und dann, plötzlich, fielen fast sämtliche Feder ab. Ihre Augen folgten der Bewegung einer der Letzten, wie sie zu Boden trudelte. "Genug für ein Kissen... oder sogar eine Decke...", murmelte sie unwillkürlich und biss sich auf die Unterlippe, um nicht loszukichern, jetzt, da auch von ihr die Anspannung abfiel. Hastig verbarg sie ihr Gesicht an seinem Oberkörper, um auf diese Weise hoffentlich jeglichen unpassenden Laut von sich zu ersticken. Dabei konnte sie seinen Duft in sich aufnehmen, um die durchnässte Note bereichert, und für einen Moment alles um sich herum zu vergessen.
Bis sein Säuseln sie erreichte, ihr gesamtes Gesicht erneut zum Glühen brachte... und das Kichern nicht mehr unterdrückbar sein ließ. "Wenn du nicht wieder mitten drin verschwindest...", seufzte sie, sah zu ihm hoch und wäre versucht gewesen, sogleich in seinen Armen dahin zu schmelzen, die sie fest wie eh und je umschlossen hielten. Schon hob sich ihr Gesicht an, bereit für den ersten richtigen Kuss, als sie stockte.
Moment mal! Irgendetwas... stimmte hier nicht! Blinzelnd tastete sie mit den Augen seine Mimik ab, im Glauben, dass es daran lag, doch konnte sie nichts finden.
Da mischte sich auch der Waldelf ein und holte sie aus ihrer eigenen Gemütsverfassung zurück in die Wirklichkeit. Was dazu führte, dass sie nun regelrecht zu glühen schien vor Scham. "Nun ja... ja...", nuschelte sie in sich hinein, als ein Niesen erklang. "Wie niedlich!", entfuhr es ihr, weil es sie unwillkürlich an den Laut erinnerte, den sie meistens von sich gab, wenn es in ihrer Nase einmal kitzelte.
Gleichzeitig rief es ihr aber auch ins Gedächtnis, dass es an der Zeit war, sich endlich umzuziehen. Außerdem brauchte ihr Erzeuger wohl oder übel ein Tuch für seine Nase und nur sie war derzeit im Raum, die wusste, wo es so etwas gab.
Also wollte sie sich endlich aus der Umarmung lösen, griff sanft nach den Unterarmen... und erstarrte, ehe sie mit ihrem Vorhaben ernsthaft hätte beginnen können. "Was...?", keuchte sie auf und starrte nach unten. "Corax...?!" Sie kniff leicht in die Haut, als müsse sie sich davon überzeugen, ob sie es mit einer Illusion zu tun hatte oder nicht. Wie war das nur möglich?
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Samstag 25. November 2023, 14:18

Zum Glück hatte Aquila van Ikara sich vorerst zurückgezogen. Das Wiedersehen mit ihrer Tochter, überschattet von der Anwesenheit ihres Ex-Liebhabers war schon ausreichend, um ein Familiendrama anzuzetteln. Hinzu kam noch der Dunkelelf, in den ihr Kind sich offenbar nicht nur verguckt, sondern gleich bei ihm gelegen hatte, um ihr kostbarstes Gut zu verlieren. Es war sehr viel für die Andunierin, das es zu verarbeiten galt. Ob sie der Tatsache standgehalten hätte, dass besagter Dunkelelf sich unter Stress und einer zu großen Portion Leid gern einmal in den schaurigsten Formen präsentierte? Wie gut, dass Aquila den Raum verlassen hatte! Es war so schon Skandal genug, was Azura sich aufgrund einer kleinen Liebelei geleistet hatte. Es würde größer, wenn die Hausherrin ihren pragmatischen Plan umsetzte, um ihr Kind dann wenigstens an den Fauxpas zu verheiraten und festzustellen, dass dadurch die Blutlinie ausstürbe - es sei denn, es fänden sich Möglichkeiten, einen Bastard als Corax' Fleisch und Blut auszugeben.
Azura würde sich früher oder später mit all diesen Dingen auseinandersetzen und einige davon ihrer Mutter beichten müssen. Jetzt stand jedoch im Vordergrund, ihren Liebsten erst einmal wieder zu beruhigen und es sollte gelingen. Kjetell'o war zwar wieder erwacht, konnte ihr jedoch kaum eine Stütze sein. Der Shyáner Elf wirkte noch immer arg vom persönlichen Gegenelement gebeutelt. Er konnte kaum die Hand nach Corax ausstrecken. Es war aber zum Glück nicht notwendig. Azura machte das schon. Sie wusste, wie sie ihren Raben erreichen musste und sie hatte auch keine Angst, ihm entgegenzutreten. Sie liebte ihn, küsste und hielt ihn. Das half. Das brachte Corax zurück, so dass er sein Federkleid beinahe komplett abwarf, bis eine ovale Fläche um das Paar wie ein schwarzer Grasteppich ihre Knie kitzelte. Corax aber schlang Azura in eine enge Umarmung und hielt sich an ihr fest. Ihre Worte hatten nicht nur sein Herz erreicht, sondern auch eine Last von seinen Schultern geworfen, die so groß war, dass er dabei nicht einmal wirklich Glück empfinden konnte. Es war so viel, er musste es noch verarbeiten.
Es war so viel, dass man vergaß, bestimmte Lügen aufrecht zu erhalten...
Azura musterte ihren zurückgekehrten Raben, der nun nicht länger einer war. Sie erkannte Corax' dunkle Züge, gezeichnet von einem Leben, das für ihn nicht viel Freude übrig gehabt hatte und doch hatte er sie nicht verloren. Er begann vielmehr damit, sie endlich zu leben. Ein verliebtes Lächeln umspielte seine Lippen. Ein Funkeln voller Begierde stand in seinen Augen, aber glich es nicht jenen eines Raubeins, das sich einfach nehmen würde, wonach ihm verlangte. Er hatte Azura niemals ein Leid angetan. Sie hatte es ihm eben bestätigt und so strahlte er sichtlich seine Erleichterung aus. Er glänzte richtig! Nein, seine Stirn glänzte von einem zarten Schweißfilm, als hätte ein sanfter Nebel ihn geküsst. Er würde diesen feinen Salzschleier am ganzen Körper tragen, wenn er und Azura sich nun seinem Wunsch hingäben. In ihrem Schoß meldete sich seit einer gefühlten Ewigkeit nun ebenfalls wieder ein Pochen und Kribbeln, das ihr die Entscheidung abnehmen wollte. Und sie fühlte sich bereits so wohl bei ihm, so geborgen in seinen Armen.
Nur konnten sie beide sich nicht einfach ihrer aufkeimenden Lust hingeben. Sie hatten noch mindestens einen Zuschauer, der mehr durch ein Niesen auf sich aufmerksam machte als durch seine Worte. Es war ein viel zu unpassendes Geräusch für jemanden wie Kjetell'o. Der Elf machte doch sonst immer einen so gefestigten Eindruck, wie eine Jahrhunderte alte Eiche, deren Wurzeln bodenständig und gut verankert waren, dass selbst ein reißender Sturm um ihn herum lediglich seine Blätter zum Rascheln brächte. Das Niesen jedoch klang zart und putzig, als hätte irgendein kleines Nagetier den Laut von sich gegeben und hob nun winzige Pfötchen, um sich die Feuchtigkeit aus der Schnauze zu reiben.
"Wie niedlich!", stieß Azura aus, obwohl sie nicht minder ähnliche Töne von sich gab, wenn es sie in der eigenen Nase kitzelte. Kjetell'o gönnte ihr noch einmal dieses Erlebnis. Er nieste ein zweites Mal und jetzt hing ihm kräftig Schnodder aus der Nase. Er brauchte dringend ein Schnupftuch und danach eine Wärmflasche, sowie die heiße Schokolade, die schon bald unterwegs sein würde.
Azura und Corax wollten sich zudem umziehen. Sie standen noch immer klatschnass beieinander und dass ihr Rabe sie fest umschlingen hielt, wärmte bisher nur ihr Herz. Plötzlich drückte sich ein Gedanke mit Ellenbogenkraft an anderen durch Azuras Geist und bahnte sich so seinen Weg an die Oberfläche. Eng umschlungen ... wohl geborgen ... in seinen ... beiden ... Armen!
"Was...? Corax...?!" Azuras Hände ruhten auf seinen Unterarmen - beiden Unterarmen. Sie starrte herab und erkannte, dass seine Schulter nicht nach der Amputation endete. Da waren Muskeln, überspannt von dunkler Haut, die über seinen Ellenbogen hinweg bis zum Handgelenk und in seine Hand mündeten. Fingernägel, sauber und etwas heller schimmerten ihr entgegen. Sie kniff leicht in seinen Unterarm und sorgte damit nun auch für eine Reaktion bei dem Raben. Corax blickte hinunter, blinzelte.
"Was...?!", brachte auch er verwirrt hervor. "A-Aber ... ich habe keinen linken Arm mehr!" Plötzlich geschah etwas damit. Die Haut wurde blasser, transparenter. Mit einem Mal konnte Azura nur noch die Konturen des Armes erkennen. Das Innerste davon war fast durchsichtig und wie von winzigsten Glitzersternen durchsetzt, die einen sanftgrauen Nebel bildeten. Er löste sich auf. Er verschwand wieder vor ihren Augen und dann war da ... nichts mehr. Corax' Arm war verschwunden.
"Nach dem Ritual war es genauso", wisperte Kjetell'o, der nun versuchte, sich aufzurichten. Es misslang. Er schaffte es nicht einmal, die Decke zurückzuschlagen. So blieb er liegen, seufzte und nahm sein Schicksal mit diesem einen Laut, aber mehr ruhig als resigniert hin. Er schloss die Augen, lauschte allerdings weiterhin dem Gespräch. Jedenfalls hatte er es vor, solange er noch war war. Der Rotz unter seiner Nase trocknete schon. Niemand achtete darauf. Corax starrte nach wie vor auf die Stelle, an der er eben noch seinen Arm sanft um Azura gelegt hatte. Sie hingegen meinte noch, den Druck zu spüren, aber vielleicht war es auch nur der Nachhall ihrer Sehnsucht.
Sie wurden alle eines Besseren belehrt. Plötzlich glitzerte die Luft erneut. Wie ein Schatten, so dünn, tauchte der abgetrennte Arm wieder auf. Die Hand drehte sich leicht und Corax ballte eine lockere Faust, ehe er sie wieder öffnete. Dann schwand er wieder, als der Rabe mit dem Kopf schüttelte. "Was ist das für ein perfides Spiel?", murmelte er und suchte Azuras Blick. "Ich ... musste ihn abtrennen. Er kann nicht mehr da sein!"
"Erinnerst du dich, wie du es getan hast?", drang Kjetell'os erschöpfte Stimme an ihrer beider Ohrenpaare. Corax wandte den Blick zum Sofa, doch der Elf reagierte nun nicht mehr. Er war müde und fror immer noch. Auch er benötigte neue Kleidung.
"Nein..." Mit seiner verbliebenen Hand fuhr Corax sich an die Stirn. Er wischte den sanften Schweißfilm fort, rieb sich aber über die Schläfe. "Ich habe Kopfschmerzen", brachte er hervor, ehe ein Ruck durch seinen Körper fuhr und er sich unter einem Schmerzlaut gegen Azura lehnte, um nicht zu stürzen. Er war nicht minder schwer als der Shyáner. "Nein, ich hab ihn abgeschnitten. Sie hat es verlangt. Ich ... erinnere mich nicht an Blut ... nur ... argh!" Erneut krampfte er sich unter einem weiteren, offensichtlich schmerzhaften Pochen zusammen. Nun packte er gar nach Azuras Arm, klammerte sich daran fest.
In diesem Moment schob sich die Tür zum Salon auf. Mit einem Tablett voran, auf denen aus vier Tassen heißer Schokolade Dampf entstieg, betrat Aquila van Ikari erneut die Bühne. Sie blieb halb im Türrahmen stehen, als sie Azura und Corax sah. "Was geht hier vor sich?", fragte sie und engte die Augen, angesichts Corax' festen Griffs um den Arm ihrer Tochter. "Lass sie sofort los, dunkler Abschaum!" Sie wandte sich an ihr Kind. "Hast du so deine Unschuld eingebüßt? Hat er sich einfach genommen, was er wollte? Komm her, Azura. Sofort!" Aquila war drauf und dran, das Tablett mit der heißen Schokolade zu werfen.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Donnerstag 30. November 2023, 19:58

Als sie den Weg zu ihrem Elternhaus eingeschlagen hatte, hatte sie nicht einen Moment lang darüber nachgedacht, wie es ihrer Mutter bei dem Auftauchen des Trios ergehen würde. Sie hatte nur im Sinn gehabt, dass ihr kurzfristig der Mut für dieses Wiedersehen gegeben war, und dass ihr Erzeuger schnellstens aus dem Regen raus musste.
Dass sie der Hausherrin hingegen viel mit all der Wahrheit im Hintergrund antat... das war ihr erst jetzt, nachdem diese den Raum verlassen hatte, allmählich klar geworden. Oder hätte es werden können, wenn Corax nicht mit seinem eigenen Leid sie dermaßen abgelenkt hätte.
Er wandelte sich, je mehr er sich in seine Annahme der Schändung hinein steigerte, und sie spürte richtiggehend, dass er ihre Hilfe brauchte. Mehr noch, sie wollte diese ihm bieten, und hatte dabei auch keine Scheu, ihm nahe zu sein. Wären sie zu zweit gewesen... Ihre Mutter hätte später vermutlich einen noch heftigeren Schock bei dem erlitten, was wohl zwischen ihnen dann geschehen wäre. So jedoch musste es bei einem Kuss und einer starken Umarmung bleiben.
Wobei... letzteres war trotz allem definitiv dazu angetan, große Augen zu bekommen. Wieso... hatte ihr Liebster mit einem Mal wieder zwei Arme?! Die junge Frau war noch nicht ganz wieder bei der Sache, viel zu viel prasselte gerade auf sie ein und rang gegen das Gefühl aufkeimender Lust, das ihr so oder so die Sinne vernebeln wollte, dass es eines Niesens bedurfte, um sie ihre Umgebung nicht vollkommen vergessen zu lassen.
Wohl aber eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Verursacher, sodass ihr das zweifelhafte Kompliment unbewusst über die Lippen kam. Prompt, wie um sie zu bestätigen, erklang dieser Laut noch einmal und entlockte ihr ein leises, mädchenhaftes Kichern. Dennoch wollte sie sich nicht ganz so undankbar zeigen und ein Tuch für die elfische Nase holen, als ihr endlich auffiel, warum diese Umarmung so kräftig war.
Ungläubig starrte sie jenen Arm an, der eigentlich nicht mehr da sein sollte. Ihre Hände legten sich wie von selbst auf beide Unterarme und sie konnte... keinen Unterschied spüren! Beide waren schlank, kräftig und warm, wenngleich nass, voller Leben und Stärke. Doch sie war nicht die Einzige, die darüber erstaunt war.
Auch ihr Rabe schien das nicht zu begreifen und kaum konzentrierte er sich auf diesen Anblick... da verblasste sein Arm. "Heilige Ventha...", keuchte sie und schüttelte ungläubig den Kopf. Sie kniff erneut in den teilweise durchsichtigen Körperteil ihres Liebsten. Konnte sie noch etwas fühlen? Oder bildete sie es sich ein? Wie war das nur möglich?
Da erklang schwach die Stimme ihres Erzeugers. "Was?", entkam es ihr. "Nach... nach dem... Corax...?" Fragend sah sie zu ihm hoch, suchte sein Gesicht nach Antworten ab, die er ihr wahrscheinlich gar nicht geben konnte. Oder wollte...? Nein, auch er wirkte ehrlich überrascht.
Und dann... verschwand der Arm völlig, um wenig später erneut aufzutauchen, nur schwächer, so als... als... würde ein Schleier über ihn gelegt werden. Er konnte ihn bewegen, sie konnte es sehen, solange, bis er sich wieder wie in Luft auflöste. Nun fiel auch ihre Hand herab, die keinen Widerstand mehr zu haben schien.
Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Was hatte das nur zu bedeuten? War das eine Illusion? Oder war es der Verlust? Du musst nur daran glauben... Aber der Schmerzensschrei... das Blut, das von der Schriftrolle getropft war...
Ihr wurde die Kehle eng und Tränen drohten in ihr aufzusteigen. Ihr armer Rabe... was war ihm nur angetan worden?! Und wenn das bei seinem Arm so war, was wäre dann erst möglich bei...
Hastig blinzelte sie und wollte sich erneut dem Gespräch widmen, das sich kurzfristig zwischen den Männern entsponnen hatte. Da rieb sich Corax über die Stirn und wirkte auf einmal äußerst mitgenommen, sodass sofort Sorge in ihr hochstieg. "Was ist mit di...?" Sie kam nicht dazu, den Satz zu vollenden, da stieß er einen gequälten Laut aus und sank ihr entgegen.
Azura versuchte, ihn aufzufangen und sich dagegen zu stemmen, damit sie beide nicht zu Boden gehen würden. "Corax!", stieß sie erschrocken aus und schlang nun ihrerseits die Arme um ihn, rang noch immer um ihr Gleichgewicht. "Sch, sch...", machte sie und strich ihm über den Rücken.
In diesem Moment wurde die Tür hinter ihr aufgestoßen und ihre Mutter kehrte zurück. Natürlich verstand sie die Situation falsch, wollte es vielleicht sogar, das konnte ihre Tochter nicht sagen. Doch sie spürte, wie in ihr Wut hochschoss wie eine Flamme. Ihr griff um ihren Liebsten wurde fester und endlich hatte sie einen Stand gefunden, mit dem sie ihn stützen konnte. Seinen Griff nahm sie derweil kaum wahr, obwohl auch ihr Arm schon leicht pochte, weil er ihr die Blutzufuhr abschnitt.
Sie schnaubte und hätte die Hausherrin in einem ersten Impuls am liebsten angefahren, obwohl es vermutlich ungerecht gewesen wäre. Aber etwas in ihr, eine innere Stimme oder vielleicht ein göttlicher Wink, sie wusste es nicht, hielt sie zurück. Stattdessen strich sie noch einmal über seinen Rücken und wisperte:"Sch, beruhige dich. Alles wird gut."
Dann atmete sie geräuschvoll aus und drehte ihren Kopf soweit, dass sie ihre Mutter zumindest im Augenwinkel erkennen konnte. "Er ist kein Abschaum! Er hat Schmerzen und braucht meine Hilfe.", erklärte sie mit bemüht beherrschter Stimme. "Und wir brauchen endlich trockene Sachen. Wenn du erlaubst,..." Wobei ihr Tonfall deutlich machte, dass sie sich von ihrer Mutter auch bei einer anderen Meinung nicht aufhalten lassen würde. "... gehen wir uns frische Kleidung holen und umziehen. Schaffst du es, ihn..." Sie deutete mit dem Kinn zu dem scheinbar schlafenden Waldelf hin. "... in dieser Zeit nicht zu erwürgen? Er ist offensichtlich krank nach dem ganzen Regen und braucht Pflege. Keine Angst, das werde ich übernehmen, wenn ich wieder da bin. Vielleicht holst du bis dahin allerdings einen Eimer mit Wasser?" Nur für den Fall der Fälle, falls sie nicht rechtzeitig zurück wäre und er in der Zwischenzeit beschließen könnte, erneut zur lebenden Fackel zu werden.
"Und jetzt entschuldige uns, es ist kalt in diesen nassen Stoffen." Damit wand sie sich in dem Griff ihres Raben und versuchte, seinen Arm um ihre Schultern zu kriegen, um ihn auf dem Weg, den sie mit ihm zu beschreiten vorhatte, stützen zu können.
Sie wollte mit ihm in den ersten Stock gehen, in ihr eigenes Schlafzimmer und dort nachsehen, ob und welches Kleid sie anziehen könnte. Danach wollte sie über einen Dienstbotengang in das zweite Obergeschoss gehen und nach Kleidung für die Männer suchen. Die Sachen ihres Stiefvaters kämen dafür nicht infrage, das würde sie ihrer Mutter nicht antun und wollte es selbst nicht, schon gar nicht bei dem Waldelf, sofern es sich vermeiden ließe. Außerdem könnte sich Corax solange in ihr weiches Bett legen und sich unter der Decke wärmen, ohne Angst haben zu müssen, von der Hausherrin doch noch gelyncht zu werden. So sah ihr Plan aus... die Frage war nur, ob er sich auch umsetzen ließe.
Obendrein hatte sie das Bedürfnis, noch etwas zu sagen. Ihre Miene wurde wieder weicher und sie schenkte ihrer Mutter ein kleines, beinahe schon verlegenes Lächeln, als wolle sie sich auf diese Weise für ihre ruppige Reaktion entschuldigen. "Die Schokolade duftet herrlich.", machte sie ein ehrliches Kompliment und hätte sie wirklich gerne schon jetzt probiert.
Aber das wäre eine Tortur für ihre Lippe und Zunge, die sie sich verbrennen würde damit. Außerdem musste sie sich tatsächlich endlich umziehen, wollte sie sich nicht zu ihrem Erzeuger gesellen und ebenfalls krank werden.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Freitag 1. Dezember 2023, 23:31

Etwas Seltsames ging hier vor sich, aber weder Azura noch Corax konnten es genau benennen. Plötzlich besaß ihr Liebster wieder beide Arme, als wäre es niemals anders gewesen. Doch ehe man sich Hoffnung oder vor Freude einen Luftsprung machen konnte, verlor der linke Arm erneut an Substanz. Erst schwand sein Innerstes, dass man nur noch die sanften Konturen dessen sehen konnte, was einmal gewesen war. Dann blieb nichts mehr. Im nächsten Moment aber tauchte er noch einmal auf. Corax konnte die Figner bewegen, das Handgelenk drehen. Sein Arm unterschied sich nicht vom anderen, wie Azura mit leichtem Kneifen feststellte. Alles war an seinem Platz. Hoffnung keimte auf, lockte sie, nach unten und zu seinem Schritt zu sehen, vielleicht auch prüfweise danach zu packen. Doch ehe sie die Keimlinge ihrer Planung mit Taten bewässern konnte, war es vorbei. Corax' Arm schwand, blieb verschwunden. Dafür stellten sich bei ihm Kopfschmerzen ein, nachdem Kjetell'o mit letzter Kraft einige wenige, aber bedeutsame Fragen gestellt hatte. Er gab Azura Informationen darüber, dass er den Arm schon einmal gesehen hatte - nach dem Ritual und auch dort war er wieder verschwunden. Dann erkundigte er sich, ob der Rabe sich an seine grausige Tat erinnerte. An das Blut, an den Schmerz? Corax schüttelte den Kopf, verneinte, nur um einen anderen Schmerz zu empfinden. Es musste so heftig und plötzlich über ihn gekommen sein, dass er sich kaum mehr allein aufrecht halten konnte. Er packte nach Azura, klammerte sich an ihrem Handgelenk fest und schwankte ihr dennoch entgegen. Er keuchte gequält auf, stieß einen weiteren Schmerzlaut aus und sie durfte bezweifeln, dass all die Feuchtigkeit auf seiner Haut vom Regen stammte. Er hatte sich doch nicht auch noch verkühlt? Fieberte er? Ehe sie nach Antworten suchen konnte, nahm das Unglück seinen Lauf.
Zeit war ein Sadistin. Manchmal bewegte sie sich quälend langsam, dass man meinen sollte, die Zeiger einer Uhr rückten zurück anstatt nach vorn. Gerade bei unliebsamen Tätigkeiten schien sie sich besonders gern lange aufhalten zu wollen. Aber wenn etwas Spaß machte, dann rannte sie und war nicht zu stoppen. Doch das Gemeinste, was sie einem antun konnte, waren unglückliche Momente des Schicksals, in denen falsche Personen zur falschen Zeit am falschen Ort warten.
Aquila van Ikari stand mit dem Tablett voll heißer Schokolade im Türrahmen, starrte die Szene vor sich an, verunglimpfte Corax einer bösen Tat und rief ihre Tochter mit streng besorgtem Unterton in der Stimme zu sich. Der Dunkelelf reagierte nicht auf sie und das war zumindest für Azura alarmierend. Corax ließ doch keinen schnippigen Kommentar aus, keine Gelegenheit um sie zu verteidigen. Wobei er in letzter Zeit auch solche Momente nutzte, um seine Jahrzehnte lang antrainierte Unterwürfigkeit zu präsentieren. Mit allem hätte die Andunierin leben können, aber ihn so abwesend zu erleben, gefangen in sichtlichen Schmerzen hinter seinen Schläfen war erschreckend. Sie musste etwas tun. Sie musste ihm helfen! Vor allem aber musste sie ihn auch vor ihrer Mutter schützen. Ihm durfte kein Unrecht geschehen, nicht wieder. Davon hatte er genug erlebt und es war hier und jetzt gewiss nicht sein Verschulden. Er hatte so viel für sie getan, so viel riskiert und er liebte sie. Azura liebte ihn. Nein, er durfte nicht zum Sündenbock für Vorurteile werden, die generell vielleicht gerechtfertigt waren, aber auf ihn eben nicht zutrafen. Er war keiner der Aggressoren, die Andunie erobert und geplündert hatten ... er war es nicht mehr. Er hatte sich entwickelt, so wie Azura sich gerade in letzter Zeit merklich entwickelte. So blieb sie ruhig, wo sie früher impulsiv sogar gegen Aquila gewettert hätte. In ihrem Inneren tosten die Wellen nicht mehr wild umher, dass ihr Flämmchen Angst haben musste. Sie wirbelten im Kreis um den kleinen Funken, damit er sich sicher fühlen und Azura auf diese Weise überhaupt Ruhe bewahren konnte.
"Er ist kein Abschaum! Er hat Schmerzen und braucht meine Hilfe. Und wir brauchen endlich trockene Sachen. Wenn du erlaubst..."
"Ich erlaube ni-"
"... gehen wir uns frische Kleidung holen und umziehen."
Mit säuerlicher Miene, den Mund zu einem schmalen Strich verzogen und den strengen Blick auf die Tochter gerichtet, trat Aquila van Ikari nach einer knappen Pause endlich aus der Tür und hinein in den Salon. "Darüber unterhalten wir uns noch", sagte sie, ließ aber außen vor, was genau sie meinte. Es könnte ebenso Corax umfassen wie auch Azuras Verhalten ihrer Mutter gegenüber oder die Tatsache, dass sie helfen wollte. Aquila seufzte und stellte das Tablett auf der nächstbesten Ablagefläche ab. Noch immer verstimmt, aber einen Hauch milder setzte sie nach: "Was von deinen Sachen nicht geraubt worden ist, findest du in deinem Zimmer. Von deines Vaters Sachen lässt du die Finger!" Nein, sie duldete keinen anderen Mann in dieser Kleidung. Da würde sie notfalls noch einmal zur Bratpfanne greifen und jeden Faserstoff verteidigen. "Einige der Dienstbotensachen sind noch da. Du weißt, wo sie zu finden sind?" Das wusste Azura. Nicht weit von ihrem Schlafzimmer gab es einen kleinen Gesinderaum. Ihre eigene Dienerin war dort untergekommen, aber auch zwei Pagen, die das obere Stockwerk des Hauses zu verwalten und zu reinigen hatten. Dort würde Azura schon fündig werden. Mit etwas Glück entdeckte sie sogar gehobenere Dienerkleidung. Sie wäre zwar immer noch schlicht, weit weg von ihren eigenen Sachen, aber Corax und Kjetell'o könnten darin trotzdem ein stattliches Bild abgeben.
Kjetell'o...
"Schaffst du es, ihn ... in dieser Zeit nicht zu erwürgen? Er ist offensichtlich krank nach dem ganzen Regen und braucht Pflege. Keine Angst, das werde ich übernehmen, wenn ich wieder da bin."
Aquila drehte ihren Oberkörper halb zu dem Sofa, wo der Shyáner unter der Decke lag und sich nicht rührte. Er musste nun wirklich wieder eingeschlafen sein, so erschöpft war er. Die Hausherrin versteifte sich und wandte den Blick wieder Azura zu. "Keine Sorge", meinte sie knapp, "ihm wird nichts durch meine Hand geschehen, jedenfalls vorläufig. Denn ich beabsichtige nicht, in einem Raum allein mit ihm zu bleiben." Ihr Blick huschte kurz zu dem Tablett. "Lass die Schokolade nicht wieder kalt werden." Dann deutete sie eine Neigung des Hauptes als Signal des Abschieds einer Mutter vor ihrer Tochter an. Ein Knicks war nicht nötig, denn sie war die Ältere. "Du findest mich im Musikzimmer. Ich brauche etwas Zerstreuung von den Ereignissen." Ihre Mutter war keine herausragende Musikerin. Tatsächlich beherrschte sie weder das Klavier noch die Harfe. Letztere wurde im Grunde von keinem der van Ikaris gespielt, sondern stand nur mit in dem Raum, weil Azura in einem jugendlichen Anflug um das schöne Stück gebettelt und ihr Vater ihr diese Bitte nicht hatte abschlagen können. Dass sie das Harfenspiel nicht erlernt hatte, lag natürlich nicht an mangelndem Interesse, sondern allein an der Unfähigkeit ihres damaligen Lehrers. Wenn sie oder ihre Mutter spielten, dann am Klavier oder einem der anderen Instrumente des Raumes, wobei beide eher darauf klimperten und zusammenhanglose Töne erzeugten. Aber es entspannte die Seele. Genau das brauchte Aquila nun. Corax und Azura hingegen benötigten endlich Ersatzkleidung.
Mit ihrer Hilfe gelangte der Rabe bis hinauf in ihr eigenes Schlafzimmer. Zu ihrer Überraschung oder Erleichterung war es unverändert. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, es nach dem Überfall aufzuräumen. Vielleicht hatte Aquila es auch aus Trauer nicht tun können. Wären einige Möbel nicht ausgeräumt und der Stuhl ihres Schminktisches nicht umgeworfen, sähe es dem Bild nahezu gleich, das Corax damals auf dem Schiff gezaubert hatte. Die Erinnerung an diesen Moment wollte in Azura aufsteigen und auch sein Lächeln, das sie sich still vor ihn gesetzt und ihr Gesicht auf sein Knie gelegt hatte. Corax hatte erschöpft in einem der Kaminstühle geruht, war dann aber erwacht und hatte auf sie herabgeschaut. Er hatte gelächelt, was so selten geschah. Auch jetzt war ihm nicht danach zumute.
Wenigstens ließ er von Azura ab und lehnte sich an eine der Kommoden. "Es geht schon wieder", raunte er erschöpft. Nach wie vor rieb er seine Schläfe, aber der Schmerz schien langsam nachzulassen. "Ich weiß nicht, was das war." Er blinzelte und schaute Azura an. "Was ... was war eigentlich? Wir haben uns wiedergefunden. Ich hab dich in meinem Arm gehalten und ... deine Schönheit bewundert. Oh, wie sehr ich dich liebe - später. Später!", erbat er mit einem Wink seiner verbliebenen Hand. Der andere Arm war nicht mehr aufgetaucht. "Bitte, lass mich einen Moment ausruhen. Nur kurz." Lang genug, bis sie Kleidung für ihn und Kjetell'o beschafft hätte. Das könnte Azura ihm garantieren. Vielleicht erhielt Corax noch eine zusätzlich Verschnaufpause, denn auch sie musste sich umziehen. Dann aber stünden Erklärungen aus. Außerdem mussten sie zu Kjetell'o zurück, der ebenfalls warme Kleidung benötigte. Und die Schokolade. Ihre Mutter hatte sich die Mühe gemacht. Azura sollte das Getränk wirklich nicht erkalten lassen.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Samstag 2. Dezember 2023, 13:17

Eine Illusion... etwas anderes konnte es doch nicht sein! Die Frage war allerdings... welcher Zustand war die Illusion? Woran glaubte ihr Rabe derart stark oder eben nicht stark genug? Was war Wahrheit und was Täuschung? Azura wusste es nicht und der Moment war auch nicht günstig, aber ihr war bewusst, dass sie dem nachgehen würde. Später, wenn sie alle mehr Ruhe und sich gestärkt hatten. Wenn es besser passte, sie beide womöglich sogar unter sich wären. Auf jeden Fall dann, wenn es auch Corax wieder besser ginge. Denn dieser litt, das konnte sie ihm ansehen.
Mehr noch, sie musste ihn regelrecht auffangen und stützen, was gar nicht so einfach für sie war. Er mochte kein Riese unter den Elfen sein und einen grazilen Körperbau haben, trotzdem war er ganz schön schwer, wenn er sich nicht selbst auf seinen Beinen halten konnte. Trotzdem kam es für sie nicht infrage, ihn fallen zu lassen. Entweder würden sie beide zu Boden gehen oder keiner. Darüber dachte sie nicht einmal nach, es war für sie derzeit tatsächlich eine Selbstverständlichkeit. Sogar etwas, worüber sie stolz sein könnte, da es ein weiterer positiver Schritt hin zu mehr Mitgefühl war.
Doch freuen konnte sie sich darüber nicht, stattdessen eröffnete sich eine neue Front in ihrem Rücken. Während sie noch darum kämpfte, dass sie zwei auf den Beinen blieben, kehrte ihre Mutter zurück und verstand die Situation vollkommen falsch. Unter leisem Ächzen machte sie einen kleinen Schritt, sodass es ihr endlich gelang, Stabilität zurück zu gewinnen und wirklich eine Stütze sein zu können.
Erst danach widmete sie sich dem, was die Hausherrin gesagt hatte, rückte aus zur Verteidigung ihres Liebsten. Als wenn sie der Ritter und er die Jungfer in Nöten wäre. Wann hatten sie eigentlich die Plätze getauscht? Unwichtig, es zählte nur, dass ihre Mutter begriff, dass das hier kein Spaß war und auch nicht der rechte Moment, um mit Vorwürfen um sich zu werfen.
Also rückte sie die Szene soweit wie möglich ins rechte Licht und wollte dafür sorgen, dass es nicht noch schlimmer wurde. Ob ihr das gelang? Sie wusste es nicht. Ihr war nur klar, was ihre nächsten Schritte sein mussten, wollte sie nicht, dass sie alle drei demnächst so hier liegen und leiden würden wie ihr Erzeuger.
Somit kämpfte sie darum, den nun wieder einzigen dunklen Arm um ihre Schulter legen zu können und mit ihm langsam, Schritt für Schritt, sich vorwärts zu hangeln. Dabei sah sie ihre Mutter an und überging ihren Einwurf, den sie vorausgesehen hatte. Nicht nur, weil sie ähnlich reagiert hätte, sondern auch, weil sie tatsächlich versuchte, sich auch um ihre Sicht zu bemühen. Aber dieses Mal konnte sie keine Rücksicht darauf nehmen oder mit Samthandschuhen vorgehen... oder so wie früher so lange quengeln, bis sie ihren Willen bekäme. Nein, sie musste entschlossen handeln und das tat sie auch.
Allmählich kamen sie der Tür näher und ihre Mimik war trotz der Kraft in ihrer Stimme bittend. Und wirklich, ihre Mutter gab nach und den Weg für sie frei, was Azura innerlich aufatmen ließ. Zugleich schenkte sie der Hausherrin ein dankbares Lächeln.
Bei ihren Worten nickte sie zustimmend. "Natürlich, und über vieles andere auch.", versprach sie ihr und wollte weiter. Es war anstrengend, Corax zu stützen, auch wenn sie es bis zum Schluss tun wollte. Doch sie war derartige körperliche Anstrengung nicht gewohnt und wusste außerdem, wie weit der Weg bis zu ihrem Zimmer werden könnte.
Schon glaubte sie, an so gut wie alles gedacht zu haben, als ihre Mutter in ihrem Rücken eine Anweisung gab, die sie erstarren ließ. Sie wurde blass um die Nase und spürte ihr Herz wild in ihrer Brust trommeln. War das Zufall? Sie hatte schließlich selbst gerade daran gedacht und von sich aus schon die Antwort dazu gefunden, dass sie das nicht tun könnte. Nun diese Unterstellung aber von der Hausherrin zu hören... Das tat weh!
Sie schloss die Augen und versuchte, ruhig zu bleiben, die aufsteigenden Tränen hinunter zu schlucken und ihre Mimik unter Kontrolle zu halten. Tief atmete sie durch, ehe sie den Mut fand, ihre Mutter über die Schulter hinweg anzusehen. "Hältst du mich für derart pietätlos?", fragte sie und konnte selbst hören, wie sehr ihre Stimme vor unterdrückten Gefühlen zitterte.
Hastig wandte sie den Kopf wieder ab und deutete nur noch ein Nicken an. Jetzt hatte sie es eilig, den Salon zu verlassen, um nicht noch etwas zu sagen, das sie später bereuen würde. Aber da gab es noch etwas... jemand anderes, an den sie denken musste, ehe sie vorläufig verschwinden konnte. Der Waldelf war erschöpft, inzwischen offensichtlich auch krank und im Moment absolut wehrlos.
Die Reaktion ihrer Mutter... ließ sie teilweise aufatmen und zugleich schnitt sie ihr auch ins Herz. Was hatte sie denn anderes erwartet? Was sich erhofft? Dass diese Beiden, die sie gezeugt hatten, wieder zusammen finden würden, wie eine heile Familie in den kitschigen Romanen, über die sie mit ihren damaligen Freundinnen so herrlich hatte kichern und herum albern können? Nein, das bestimmt nicht, dazu empfand sie es als viel zu schön, dass ihre Mutter in Alycide den richtigen Mann an ihrer Seite gefunden hatte. Allerdings... etwas weniger Kälte zwischen ihnen wäre durchaus angenehm gewesen. Später... das war ebenfalls etwas für später!
Corax lastete gefühlt immer schwerer auf ihren Schultern. Mit einem letzten Blick zu ihrem schlafenden Erzeuger seufzte sie leise und nahm nach einem letzten Nicken in Richtung der Hausherrin den Weg zu ihrem Schlafzimmer in Angriff. Es war mühsam und ihr trat nur allzu bald der Schweiß auf die Stirn, doch sie gab nicht auf. Sie mühte sich jeden Schritt und allmählich kamen sie dem Ziel immer näher.
Und dann, endlich, war es geschafft, sie konnte die Tür öffnen, ihn hinein führen. Zumindest in der Theorie, denn als sie einen ungehinderten Blick in den Raum werfen konnte, hielt sie inne. Unwillkürlich kamen ihr die Tränen, während sie langsam die Augen über den Zustand ihres eigenen, kleinen Reiches schweifen ließ. Es war kein absolutes Chaos und auch das Bett sah ordentlich gepflegt aus, ihre Mutter hatte ja erwähnt, dass sie hierin schlief. Und dennoch... die Verwüstung hätte schlimmer sein können, aber es fühlte sich so deprimierend an wie die leere Wand im Flur unten.
Der Verlust von Gewicht auf ihren Schultern, ließ sie aufseufzen und half ihr, blinzelnd aus ihren Gefühlen aufzutauchen. Corax hatte sich gelöst und Halt an einer Kommode gesucht. Sie sah ihn fragend an und hörte seine Worte. Es dauerte etwas, bis es durch den Nebel ihrer Empfindungen durchdringen konnte. Doch als dies geschafft war, nahm ihre Miene wieder einen entschlossenen Zug an.
Sie trat zu ihm, ergriff seine Hand und zog daran, bis er ihr in Richtung Bett folgte. "Ich verstehe es auch noch nicht, aber das bereden wir später. Jetzt zieh' ich dich erst einmal aus.", verkündete sie. Unter anderen Umständen und mit einem anderen Tonfall hätte der letzte Satz durchaus verheißungsvoll klingen und den Auftakt zu einem aufregenden Spiel zwischen ihnen beiden darstellen können. Jetzt hingegen war sie viel zu sachlich und zugleich fordernd gewesen und obwohl sie vorhin noch anders gefühlt hatte, unterdrückte sie jetzt so gut wie möglich ihren Impuls, endlich wieder seinem Körper vollkommen nahe sein zu können.
Trotzdem musste sie schmunzeln, als sie ihn dort vor ihrem Bett stehen hatte und sich vor ihm aufbauen konnte, um damit zu beginnen, ihn aus den nassen Sachen zu schälen. "Und keine Widerrede! Sonst muss ich dich küssen.", kicherte sie und reckte sich, um ihre Drohung sofort in Form einer gehauchten Berührung ihrer Lippen wahr zu machen.
Danach jedoch wollte sie ihn wirklich einfach nur schnell ausziehen und unter ihre Decke stecken, damit er es endlich warm und trocken hätte, bevor sie nach der frischen Kleidung suchte. Bei seinen Schmerzen und seiner Schwäche wäre dies die schnellere Variante. Und sobald sie die Sachen für die Männer beisammen hätte, könnte sie in ihren eigenen Schrank nachsehen, was sich zum Wechsel anbot.
Ob sie auf ihren Wegen einen Abstecher zurück in den Salon machen sollte? Der Waldelf schlief und würde es vielleicht noch länger tun. Allerdings könnte sie zwei Tassen der Schokolade mitnehmen und hier, an ihrem Bett, mit Corax genießen, damit sie beide sich aufwärmen könnten. Ja, das war ein Bild, das ihr gefallen könnte, und obendrein würden sie auf diese Weise das Getränk nicht kalt werden lassen, nachdem ihre Mutter sich solche Mühe gegeben hatte.
Oder sollte sie ihrem Raben lieber raten, sich auszuruhen und etwas zu schlafen? Ja, das könnte sie auch tun und ihn dann hier lassen, während sie ins Musikzimmer gehen würde. Ein Gespräch unter vier Augen mit ihrer Hausherrin... auch wenn sie eine gewisse Furcht davor verspürte, wäre es eventuell genauso wenig verkehrt.
Doch das konnte sie nachher noch entscheiden, sobald sie die Kleidung besorgt hätte. Sofern Corax sich nun nicht dagegen sträubte, was sie mit ihm vorhatte.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Dienstag 5. Dezember 2023, 01:47

Immer wieder hatte er es nicht nur ihr, sondern auch ihren übrigen Gefährten gesagt: Wenn du es glaubst, wird es wahr. Azura hatte diese Worte wohl von allen am häufigsten zu hören bekommen. Langsam ergründete sie, was dahinter steckte. Glaube, tiefer Glaube, aber woran? An Corax' Magie? Schuf er seine eigenen Wahrheiten, indem er einfach nur so fest daran glaubte, dass ein Arm verschwunden blieb oder wieder auftauchte? Sie konnte noch nicht genau sagen, was nun die Illusion war, aber Azura war gewillt, es herauszufinden. Das und mehr, sobald es ihrem Liebsten etwas besser ging. Irgendetwas plagte ihn, aber dieses Mal war es nicht mit Leid verbunden. Das Federkleid wuchs nicht nach und doch krümmte er sich so vor Schmerzen, dass er sich kaum eigenständig auf den Beinen halten konnte. Er brauchte Ruhe und sie alle neue Kleidung. Da ließ die Tochter aus dem Hause van Ikari sich nicht einmal von ihrer Mutter oder der süßlich duftenden Schoklade aufhalten. Nein, Corax war nun wichtiger. Nachdem einige Dinge zwischen ihr und Aquila geklärt waren, so dass Azura sicher sein konnte, auch Kjetell'o blieb vor dem Schlimmsten vorerst verschont, schleppte sie den Raben in Richtung ihres Zimmers. Mit Schmerz musste sie dort angekommen feststellen, dass ihre Mutter es nicht fertiggebracht hatte, hier aufzuräumen. Sie mochte im Bett der Tochter schlafen, ließ aber ansonsten alles unberührt. Für den Fall, dass das Kind zurückkäme, sollte sie wenigstens ihr Reich so vorfinden, wie sie es verlassen hatte. Ein Feuer brannte im Kamin und die Lichtquellen im Raum waren bereits erleuchtet. Es stand zweifelsfrei klar, wo Aquila sich die letzten Stunden aufgehalten haben musste. Azura entdeckte Stickzeug in einem kleinen Weidenkorb neben den gepolsterten Kaminsesseln. Der kurze Austausch mit ihrer Mutter trat zurück in ihre Gedanken, zusammen mit der Unterstellung, Azura könnte es wirklich in Erwägung ziehen, einem der Männer die Kleidung ihres Ziehvaters zur Verfügung zu stellen, wo jener offensichtlich noch vermisst wurde.
"Hältst du mich für derart pietätlos?", hatte sie gefragt und Aquila hatte mit der Antwort nicht gezögert. "Nein", hatte sie gesagt. "Ich halte dich für genauso stur wie mich selbst in deinem Alter. Und für pragmatisch, wenn es notwendig ist, Etikette und Sitte beiseite zu schieben für ein größeres Wohl." Aquila seufzte mit mütterlicher Milde. "Normalerweise wäre ich die erste, die in diese Richtung denkt, aber ... bei deinem Vater ... ich schätze, er ist selbst für mich eine Ausnahme." Dann war sie gegangen. Wenigstens hackte sie nicht weiter auf Kjetell'o herum. Der Elf schlief ohnehin wieder. Das Ritual musste ihn mehr Kraft gekostet haben als angenommen und so war er - gesegnet mit dem Element des Feuers - Venthas Gegenpart hilflos ausgeliefert gewesen. Auch Azura fühlte sich ein wenig unterkühlt, aber das Feuer würde es schon richten. Vielleicht erhielt sie noch Gelegenheit, die heiße Schokolade zu holen. Zunächst aber mussten sie und Corax aus den nassen Sachen heraus. Bei sich selbst konnte sie gut einschätzen, ohne eine Erkältung davonzukommen. Bei Kjetell'o hatte sie schon gehört, dass er davor nicht verschont bliebe. Ein kranker Mann genügte. Corax sollte sich nicht auch noch erkälten!
"Ich verstehe es auch noch nicht, aber das bereden wir später. Jetzt zieh ich dich erst einmal aus."
"Ich sagte doch, ich liebe dich später", bemerkte Corax mit einem matten Grinsen auf den Zügen. Er funkelte sie von der Seite her an und in seinem Blick lag dieser Charme ihres widerlichen Schufts, der sich nur einen Scherz erlaubte. Er wusste, wie sie es meinte, das hielt ihn aber nicht davon ab, die Lage ein wenig aufzulockern. Sie sollte sich um ihn einfach nicht sorgen. Trotzdem ließ er sich ohne weitere Rebellion bis zu ihrem Bett führen. Schon machte Azura sich an seiner nassen Kleidung zu schaffen. "Und keine Widerrede! Sonst muss ich dich küssen."
"Ich will aber nicht, nein, auf keinen Fall! Lass mich in den widerlich nassen Sachen, bis ich endgültig durchgefroren bin. Widerrede, Widerrede, Widerrede!" Er neigte sich ihr entgegen, um ihre Drohung abzubekommen. Den Kuss holte er sich nur zu gern ab und würde sich danach artig, sowie zufrieden aus der Kleidung schälen lassen.
Er war immer noch schön und von ansehnlicher Statur. Muskeln zeichneten sich unter seiner exotisch aschschwarzen Haut ab, die jedem Dunkelelfen gut zu Gesicht stand. Azura konnte die lange Narbe erkennen, die sich einmal quer von seiner Hüfte zur Brust hochzog. Serpentis hatte sie ihm vor so langer Zeit verpasst, nachdem er Azura vor einem Feuertod bewahrt hatte und an sie gekettet, aber schwer verletzt ob eben jener Verwundung auf einem Berg aus Leichen im geschändeten Ventha-Tempel erwacht war. Dort hatte alles angefangen ... mit dem goldenen Kettchen und einem Trank, der ihn vor allem rettete, was über die Narbe hinausging. Sie störte nicht weiter. Der Anblick etwas tiefer hingegen... Auch dort fehlte etwas. War der Verlust seiner Zeugungskraft auch nur eine Illusion?
Corax ließ sich betrachten. Er schämte sich nicht und versuchte auch nicht, sich vor Azura zu verbergen. Aber er bat darum, jegliche Körperlichkeiten auf etwas später zu verschieben. Er war erschöpft. Das waren sie alle, aber er und Kjetell'o brauchten nun die meiste Ruhe. Einer schlief bereits, für den anderen wurde es Zeit.
Rasch befehligte Azura ihren Raben unter die Bettdecke und er folgte ihrer Anweisung ohne großes Theater. "Kommst du nicht dazu?", fragte er lediglich, als sein Kopf schon das Kissen berührte. Er seufzte wohlig auf. Azuras nobles Bett war eben nicht mit den Kojen auf einem Schiff oder den unbequemen Holzkästen voller Stroh und Flöhe in irgendeiner Taverne zu vergleichen. Zwar hatten sie alle in der Akademie der Wasserakademie noch gut nächtigen können, aber auch die Betten der dortigen Eleven wirkten im Vergleich zu Azuras weichen Laken eher schlicht. Corax seufzte tief aus, kuschelte sich ein und murmelte mit bereits geschlossenen Augen: "Bringst du die Schokolade mit?"
Das hatte Azura vor. Sie ließ ihn zurück, um erst einmal genug Kleidung für alle zu beschaffen und sich anschließend noch einmal in den Salon zu stehlen. Dort war es ruhig. Kjetell'os tiefe, gleichmäßige Atmung suggerierte, dass er jetzt wirklich schlief. Ihre Mutter war nicht mehr anwesend. Wie sie angekündigt hatte, säße sie nun wohl im Musikzimmer. Es war an Azura, ob sie zu ihrem Raben zurückkehren wollte oder die Gelegenheit nutzte, mit ihrer Mutter zu sprechen. In letzterem Fall bekäme ihr Liebster wohl keine heiße Schokolade mehr, aber so erschöpft wie er gewirkt hatte, könnte es auch sein, dass sie ihn schlafend anträfe. Es lag ganz bei ihr, wem sie ihre Zeit nun widmen wollte.

Mod-Hinweis:
Du darfst die Kleidung für Corax, Kjetell'o und Azura frei wählen. Falls du Azura ins Musikzimmer schickst, kannst du die Räumlichkeit frei beschreiben - es ist dein Haus ;)
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Dienstag 5. Dezember 2023, 20:56

Es war nicht immer leicht mit ihrem Raben, schon gar nicht, wenn er von etwas überzeugt war, das womöglich gar nicht der Wahrheit entsprach. Ob das für seine Gefühle genauso galt wie für seine Magie? Nein, darüber wollte sie nicht einmal im Ansatz nachdenken, denn es hätte alles infrage gestellt und sie gar nichts mehr glauben lassen können, was er ihr sagte oder zeigte. Stattdessen versuchte auch sie, ein wenig pragmatisch zu sein und sich darum zu kümmern, was im Vordergrund stand und wichtig war.
Im Moment bedeutete das, endlich trockene Sachen anzuziehen. Und dafür musste sie den Salon verlassen. Mehr noch, sie wollte und würde es mit Corax tun, da auch er sie derzeit brauchte. Er hatte Schmerzen und sie wusste, wo er sich ausruhen könnte. Natürlich hätte sie ihn auch auf ein zweites, kleineres Sofa in dem Salon legen und davor ausziehen können, um ihn zu zudecken, ehe sie die Kleidung zusammen tragen würde. Aber das wollte sie nicht. Sie wollte ihn lieber bei sich haben und ihm etwas bequemeres bieten, worin er rasten könnte. Vor allem, weil sie insgeheim auf rasche Besserung hoffte, nachdem in jeglicher Hinsicht das Leben in ihren Körper zurück gekehrt war. Doch alles zu seiner Zeit.
Nachdem ihre Mutter noch einmal verdeutlicht hatte, dass sie Azura keine Pietätlosigkeit hatte unterstellen wollen, hatte sie sich zurück gezogen und dem Paar keine weiteren Steine in den Weg gelegt. Dieser war auch so schon beschwerlich genug und sie atmete auf, als es geschafft war. Wenngleich sie dadurch einen Blick in ihr ehemaliges Reich werfen konnte und mit ihren Gefühlen ringen musste.
Vermutlich hätte sie das auch noch länger getan, wenn ihr Begleiter sie nicht abgelenkt hätte und dadurch in die Wirklichkeit zurück holte. Jetzt nahm sie auch die wohlige Wärme im Raum wahr und war wirklich froh darüber, denn auch ihr wurde allmählich kalt in den nassen Sachen. Umso wichtiger, dass sie diese so bald wie möglich auszog.
Zuerst jedoch wollte sie sich um ihren Raben kümmern, indem sie ihn langsam, aber stetig in Richtung Bett zog und ihm auch verkündete, welche Folter ihm durch ihre Hände demnächst bevorstünde. Seine Reaktion sorgte dafür, dass sie ihre Stirn leicht runzelte, allerdings zugleich auch innerlich aufatmete. Zuvor noch war er vollkommen stumm gewesen vor Schwäche, nun hingegen konnte er zumindest schwach kontern.
In ihren Augen blitzte es herausfordernd auf, als sie ihn endlich nahe genug bei ihrem Bett hatte, um ihn, sobald er nackt wäre, hinein schubsen zu können. Auf ihre Lippen schlich sich ein feines, spöttisches Grinsen. "Natürlich tust du das später. Oder meinst du, ich will die ganze Arbeit haben und du kriegst nur das Vergnügen?", spöttelte sie und schob noch ihre Drohung hinterher, um ihre zuvor erwähnte Sturheit zu unterstreichen.
Während sie damit begann, die Verschnürung seiner Kleidung zu öffnen, kamen Worte, die sie sich irgendwie erhofft hatte. Einfach, weil es ihr zeigte, dass er sich erholte und zu seinem ursprünglichen Verhalten ihr gegenüber zurück fand. Es erleichterte sie, ohne die Sorge um ihn gänzlich vertreiben zu können.
Ja, es erheiterte sie sogar und entlockte ihr ein leises, bezaubernd klingendes Kichern, ehe sie zu ihm hoch sah, sich streckte und den angedrohten Kuss andeutete. "Du bist und bleibst ein Schuft, der mich schamlos ausnutzt. Gib es zu!", neckte sie ihn und bemühte sich dabei um einen verführerischen Tonfall, um auch in ihm die Sehnsucht nach der Vereinigung zu wecken. Wenngleich sie es nicht zu weit trieb, um ihn nicht zu übefordern.
Also entzog sie sich ihm rasch wieder und focht stattdessen den Kampf mit dem nassen Stoff. Dieser landete schlussendlich gesammelt neben ihnen und tränkte den weichen Teppichboden, ohne weiter beachtet zu werden. Nein, Azura hatte nur noch Augen für diesen dunklen, attraktiven und entblößten Körper vor ihr.
Langsam sah sie ihn sich an, glitt ihr Blick von oben nach unten und wieder höher, um einen Moment lang direkt auf jener anderen Verstümmelung hängen zu bleiben, die ihr solches Kopfzerbrechen bescherte. Beinahe lautlos seufzte sie und zwang sich, nicht zu sehr zu starren, sondern endlich zurück zu seinem Gesicht zu wandern. Dabei trat sie dichter an ihn heran, reckte sich erneut und wollte einen weiteren Kuss ergattern. Ihre Hände hoben sich wie von alleine und mit den Fingerspitzen strich sie über seine ausgekühlte Haut, wanderte jene lange Narbe entlang, die seinem Oberkörper seine individuelle Note verlieh.
Tatsächlich war sie versucht, tiefer zu trippeln und heraus zu finden, wie er sich in ihrer Hand anfühlen würde, als er sie trotz allem um Schonung bat. Schweren Herzens löste sie sich soweit von ihm, dass sie ihm in ihr eigenes Bett helfen und bis direkt unters Kinn zudecken zu können.
Noch einmal küsste sie ihn, wenngleich dieses Mal kürzer, und stippte ihm dann gegen die Nase. "Schade, dass du alter Mann so schwach bist. Ich hätte sonst vielleicht vor dir in die Knie sinken können und..." Sie verstummte und richtete sich langsam auf. Ihre Wangen waren leicht gerötet und sie fühlte sich furchtbar verrucht wegen ihrer Worte, aber das war nicht der Grund gewesen, warum sie den Satz nicht beendet hatte. Nein, vielmehr wollte sie es seinen Gedanken überlassen, um seinen Wunsch zu nähren, sie rasch bei sich zu haben.
Schon schien es zu fruchten bei seiner Frage. Azura lächelte zufrieden, schüttelte jedoch den Kopf. "Nein, besser nicht. Sonst kommst du nicht zur Ruhe.", neckte sie ihn und zwinkerte ihm frech zu. Sie hatte sein Seufzen durchaus gehört und sah auch, so schwer es ihr fallen mochte, ein, dass er genauso etwas Schlaf bräuchte. Und sie musste endlich trockene Kleidung anziehen!
Das wollte sie jetzt endlich in die Tat umsetzen, danach könnte sie dann nach den Dienerlivreen sehen. Ohne abzuwarten, ob ihrem Raben bereits die Augen zufielen oder er ihr zusehen würde, wandte sie sich ab und schälte sich aus den eigenen nassen Sachen. Nackt, in wieder vollkommenen Blüte ihrer Jugend, und vom warmen Feuerschein umhüllt, trat sie zu ihrem Schrank, öffnete ihn und musste bei dem Anblick erst einmal tief durchatmen. Auch darin war gewühlt worden und sie konnte erkennen, dass einige der kostbarsten Stoffe fehlten. Es war nicht schön und trotzdem war es für sie relativ leicht zu verkraften.
Wozu hätte sie sich schließlich aufhübschen sollen? Auf Bällen würde sie demnächst wohl kaum auftreten und sich in ihrem besten Licht präsentieren müssen. Außerdem wollte sie es auch jetzt, wie ihre Mutter schon angedeutet hatte, pragmatisch angehen und sich ein Ensemble wählen, das ihre Bewegungsfreiheit nicht zu sehr einschränken würde. Somit entschied sie sich und legte Rock, Bluse und Jacke auf den Sessel beim Kamin, neben dem der Weidenkorb ihrer Mutter stand.
Danach wandte sie sich zu der Truhe mit ihrem Weißzeug und fühlte sich erleichtert, dass diese relativ unberührt wirkte. Gut, das ein oder andere Stück Seide wirkte fleckig, mancher Saum etwas eingerissen, aber wirklich etwas damit angefangen hatte wohl niemand, sodass sie eine gute Auswahl hatte. Noch an Ort und Stelle schlüpfte sie in einen cremefarbenen Unterrock, der ihr bis zu den Knien reichte.
Mit einem Paar weißer Strümpfe in der Hand, die unterwegs zu dem Rest des Ensembles auf den Sessel flogen, wandte sie sich einer weiteren Truhe zu. Dieser entnahm sie ein schlichtes Mieder, nachdem sie festgestellt hatte, das darin schon eher gewühlt worden war. Einige Stäbe in den Miedern waren gebrochen, Stoffe aufgerissen und es herrschte reines Chaos. Natürlich, in solche Stücke waren oft geheime, kleine Taschen eingenäht, um Münzen und Schmuck darin verstecken zu können.
Vorgebeugt, mit bloßen Brüsten, denen anzumerken war, dass ihr kalt war, und durch die Seide scheinender Haut kramte sie in der Truhe und fand ein Mieder, das den Überfall halbwegs unbeschadet überstanden hatte und noch dazu vorne zu schnüren war. Der samtige, hellgrüne Stoff war nur an den Säumen leicht ausgefranst und die Stäbe darin nur minimal verbogen, was sie leicht richten konnte, ohne sie zu brechen.
Aufatmend richtete sie sich auf und legte sich das Ding an. Es war gar nicht so einfach, dieses Stück ohne Hilfe anzuziehen, aber nach einigen Kämpfen hatte sie es geschafft. Nun war ihr Körper verhüllt und dennoch kamen ihre Formen vorteilhaft zum Einsatz, wurde ihre Brust zu einem ansehnlichen Dekolleté zusammen gepresst und ihre Taille betont. Nicht so aufreizend, wie wenn sie sich hätte präsentieren wollen, aber sicherlich ausreichend, um unzüchtige Gedanken zu wecken.
Dann trat sie zu dem Sessel, setzte sich hin und schlüpfte rasch in die Strümpfe, damit auch ihre Unterschenkel und Füße endlich wieder etwas Wärme erhielten. Der knöchellange, dunkelgrüne Rock war aus Samt und etwas schwerer, dafür wärmend und nicht so schnell durchnässt, sollte sie wieder hinaus gehen. Außerdem fand sie seinen Schwung recht bequem.
Die Bluse selbst war aus Leinen und einem ähnlichen Crèmeton wie ihr Unterrock. Im richtigen Licht würde das Mieder darunter zu erahnen sein, ohne sie zu entblößen. Das Oberteil hatte Ärmel, die ihr bis zu den Ellbogen reichten, und einen gerafften Ausschnitt, sodass der Ansatz ihrer Brüste erkennbar blieben und das Mieder zu sehen wäre, wenn sie sich zu tief bücken würde.
Darüber nun zog sie die samtene, dunkelgrüne Weste, die genau auf den Rock abgestimmt war, und perlmuttfarbene Köpfe aufwies. Diese schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihre weibliche Formen an, sobald die junge Frau sie geschlossen trug. Zwar war dadurch ihr Ausschnitt dahin, allerdings blieb trotzdem viel für die Phantasie ob des darunters übrig, und ihr wurde so schneller warm.
Im Anschluss daran musste sie nur noch Schuhwerk für sich finden. Das wurde schwieriger, denn Leder, vor allem, wenn es gut verarbeitet war, war durchaus kostbar. Das hatten wohl auch die Plünderer im Sinn gehabt, denn sie fand kein einziges Paar ihrer Schuhe. Die feinen Stoffschühchen hingegen interessierten sie bei diesem Wetter nicht. Seufzend gab sie es auf und würde entweder ihre durchnässten Stiefel später wieder anziehen müssen oder darauf bauen, dass ihre Mutter noch ein Ersatzpaar besaß. Sie hatten die gleiche Größe, somit gab es diese Option. Jetzt allerdings beschloss sie erst einmal, darauf zu verzichten. Ohnehin waren sämtliche Böden mit Teppich oder wenigstens Holz ausgelegt, sodass es nicht gar so kalt wäre.
Mit einem kurzen Blick zu Corax ging sie zur Tür und huschte hinaus, um nun nach Sachen für die Männer zu suchen. Die Dienstbotenräume waren rasch gefunden und obwohl es etwas dauerte, hatte sie am Ende tatsächlich zwei Livreen zusammen sammeln können, von denen sie hoffte, dass sie passen würden. Beide Male gab es weiße, seidene Hosen, die oberhalb des Nabels enden würden, dazu passende weiße Hemden und grüne Livreejacken mit dunkelbraunen Knöpfen. Auch jetzt nahm sie keine Schuhe mit, wenngleich dieses Mal, weil sie die Größe der Füße nicht einschätzen konnte.
So bepackt ging sie zuerst in ihr Zimmer zurück und legte eine Garnitur auf den nun wieder leeren Sessel. Corax schlief inzwischen, zumindest rührte er sich nicht mehr, und sie bemühte sich, leise zu sein und ihn nicht zu wecken. Dass sie bei dieser Gelegenheit ihrer beider Kleidung nehmen und zum besseren Trocknen hätte auflegen können, kam ihr nicht in den Sinn. Sie dachte schlichtweg nicht daran, da solche Aufgaben stets von dienstbaren Geistern übernommen worden waren.
Also blieben die beiden nassen Haufen, wo sie waren, während sie hinaus schlich und auch in den Salon eine Livree brachte. Der Waldelf schlief ebenfalls tief und fest. Trotzdem legte sie ihm ein Schnupftuch, an das sie gedacht hatte bei ihrer Suche, bereit, sollte er wieder aufwachen. Dann trat sie zu der heißen Schokolade und sog den Duft tief ein.
Kurz zögerte sie und überlegte, was sie tun sollte. Der Entschluss war gefasst, ehe sie sich dessen wirklich bewusst war. Erst, als sie schon auf halbem Weg zu ihrem Zimmer zurück war, bemerkte sie, dass sie lediglich eine Tasse trug. Vorsichtig öffnete sie die Tür und konnte dank der fehlenden Schuhe über den Teppich schleichen. Auch wenn das Getränk auskühlen würde, bis er wieder wach wäre, stellte sie ihm seine Tasse neben das Bett.
Kurz sah sie auf ihn herab, auf sein friedliches Gesicht und lächelte. Oh, wie gerne wäre sie jetzt zu ihm unter die Decke geschlüpft und hätte ein wenig ausprobiert, um ihn auf erotische Weise aufzuwecken! Aber nein, er brauchte die Ruhe und sie... sie musste ein Gespräch führen.
Lautlos seufzend richtete sie seine Decke ein wenig, damit ihm nur ja nicht kalt werden würde, ehe sie ihn wieder auf leisen Sohlen verließ. Nach einem letzten Abstecher in den Salon, machte sie sich mit zwei gefüllten Tassen auf den Weg zum Musikzimmer.
Dort angekommen, war es gar nicht so leicht, die Tür zu öffnen, denn sie hatte nicht daran gedacht, das Tablett dafür zu nehmen. Und da sie drohte, etwas von dem köstlichen Getränk zu verschütten, wenn sie beide Tassen in eine Hand nähme, trank sie von beiden einen kräftigen Schluck. Sofort wärmte diese Süßigkeit sie von innen und drohte, ihr die Tränen in die Augen zu treiben vor lauter Nostalgie. Nein, sie musste sich jetzt zusammen reißen!
Dank des Schwunds der Flüssigkeit konnte sie die Tassen nun in einer Hand halten und mit der anderen die Tür öffnen, um einzutreten. Kurz hielt sie inne und sah sich unwillkürlich um, mit heftig klopfendem Herzen und einer Angst vor neuerlichem Chaos, die sich als unbegründet erwies.
Die helle Tapete mit dezenten Blumenranken schien unangetastet zu sein, ebenso wie die wenigen, kleinen Gemälde, die bislang dort gehangen hatten und allesamt auf das Thema des Raumes anspielten. Ihr gegenüber auf der rechten Seite gab es einen Kachelofen, der ausreichte, um den eher kleinen Raum wohlig warm halten zu können. Außerdem konnte er von dem schmalen Gang dahinter beheizt werden, sodass kein Diener sichtbar werden musste dafür.
Davor, mit einem gewissen Abstand natürlich, stand noch immer die Sitzgruppe, von der man einen guten Überblick über die hier vorhandenen Instrumente hatte, die zwischen zwei Fenstern aufgestollt worden waren. Ein Klavier, in noblem Schwarz gehalten, hinter dem sich an der Wand ein schräg gehängter Spiegel befestigt worden war und der interessante Einblicke von oben gewährte, eine kaum berührte, pompöse Harfe und eine freie Fläche für jene Instrumente, die nur aus dem Glasschrank links von der Tür geholt werden mussten, in dem sie lagen, um nicht zu verstauben. Soweit sie erkennen konnte, war auch dieser unversehrt und enthielt weiterhin eine Geige, eine Querflöte ebenso wie elegante, für feine Damenhände gemachte Klappern. Rechts der Tür dagegen war ein Bücherregal, in dem sich Noten befanden, ebenfalls ungewöhnlich vollständig und geordnet. Nur das Tischschen zwischen dem Regal und der Sitzgruppe war leer, dort fehlte eine kleine Büste irgendeiner Person, deren Namen, Bedeutung und Zusammenhang mit der Familie ihres Stiefvaters sie sich nie merken wollte.
"Es sieht so aus, als hätte da jemand keinen Sinn für Musik gehabt.", bemerkte sie und lächelte unsicher aufgrund ihres eher hilflosen Versuchs, das ungute Gefühl in ihrem Bauch zu überspielen und ein Gespräch harmlos zu beginnen, das gewiss nicht so verlaufen würde. Und einfach würde es gewiss nicht werden.
Leise seufzte sie und schloss die Tür hinter sich. Dann nahm sie die Tassen wieder je eine in eine Hand und kam langsam auf ihre Mutter zu. "Hier, ich habe dir deine Tasse mitgebracht. Sie ist jetzt genau richtig, um getrunken zu werden.", bemühte sie sich weiter, obwohl ihr Herz wie wild trommelte und ihr regelrecht aus dem Hals springen zu wollen schien.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 7. Dezember 2023, 07:38

So schwierig die Umstände manchmal waren, mit Corax umzugehen, so leicht ließ er sich nun überreden, erst aus den nassen Sachen und anschließend ins warme Bett zu steigen. Sein nackter Körper weckte Empfindungen in Azura, die sie lange nicht mehr gespürt hatte und nur der Umstand, dass auch sie in ihrer Kleidung fröstelte, verhinderte ein Aufkommen ihrer Erinnerungen an die heißen Quellen. Sie würden es wiederholen - mit Glück schon bald. Doch jetzt benötigte ihr Rabe erst einmal Schlaf. Das sah auch er schnell ein und schlummerte bereits, als Azura mit der heißen Schokolade und neuen Sachen zu ihm zurückkehrte. Kjetell'o hatte sie ebenfalls etwas von der Dienergarderobe bereitgelegt. Beide Männer würden in den schlichten Hosen und Fräcken trotz allem adrett aussehen. Gerade der Mangel an detailreichen Stickereien, einer Überzahl Knöpfe und Schleifen würde ihnen gut zu Gesicht stehen. Azura würde aber zugeben müssen, dass ihr Erzeuger in dem sanften Grün wohl besser aussehen dürfte als ihr dunkler Liebster. Und während sie sich auf den Weg zum Musikzimmer machte, flatterten Gedankenbilder von ihrem Traum durch den Kopf. Bilder von einem absolut düsteren, zugleich aber hocherotisch auf sie wirkenden Rabenprinzen in schwarzer Rüstung mit einem zerschlissenen Umhang aus gesponnenem Blut und der schwebenden Krone aus Rubintränen über seinem Haupt. Ihr wurde ganz warm bei dem Gedanken, ihn noch einmal so sehen zu wollen. Oder lag es an den Tassen heißer Schokolade, welche sie für sich und ihre Mutter mitgenommen hatte?
Ihre Mutter ... Aquila van Ikari erwartete sie im Musikzimmer. Viele Stunden mit langweiligen Lektionen hatte Azura hier verbracht. Natürlich hatte sie etwas Wissen mitgenommen. Dem Klavier konnte sie durchaus einige Melodien entlocken. Doch wie so oft im Leben einer wohlbehüteten, verwöhnten Prinzessin reizte sie die Vielzahl an Möglichkeiten schnell nicht mehr. Es waren Verbote und Gefahren, die sie mehr zu locken wussten. Jetzt würde sie sich ihrer Mutter stellen und vielleicht noch einmal ausführlicher erklären müssen, was sie in die verbotene, gefahrvolle Nähe eines dunkelelfischen Mannes getrieben hatte. Ihr Herz rutschte ihr bis in die Magengrube, als sie die Tür zum Rückzugsort der Mutter erreichte.
Mit etwas Mühe gelang es ihr, jene zu öffnen, ohne die Heißgetränke zu verschütten. Im Inneren war es warm. Die kleinen Kerzen hinter bauchigen Glasaufsätzen tauchten den Raum in mattgelbes Licht. Entweder waren die Plünderer nicht bis hierher gekommen oder aber sie hatten in all den Instrumenten nichts von Wert gesehen. Der Flügel fand sich unberührt an seinem Platz. Das schwarze Holz könnte zwar eine Politur vertragen, aber es waren weder Kratzer noch andere Spuren von Zerstörung an dem guten Stück zu sehen. Selbst die Harfe hatte niemand angerührt. Bedauernswert, dieses Instrument wollte einfach niemand beanspruchen. Auch Azura hatte sich konsequent davon ferngehalten und sogar ihre Mutter wagte es nun nicht, den gespannten Saiten ein paar Klänge zu entlocken. Sie stand stattdessen vor der breiten Fensterfront und blickte hinaus in den Garten. Sogar bei Regen schaute er herrlich aus. Venthas Nebelschwaden verpassten ihm einen Hauch von Mystik. Vor allem der weiße Pavillon am anderen Ende machte nun den Eindruck eines kleinen, magischen Unterschlupfs für Feen und andere Zaubergeschöpfe. Azura hatte sich manchmal dorthin zurückgezogen, auch bei Regen. Unter dem Spitzdach war es sicher und sie hatte das Prasseln auf das Holz genießen können.
Hier im Musikzimmer war es kaum zu hören. Überhaupt fand sie den Raum entgegen allen Erwartungen bezüglich seines Namens sehr still vor. Ihre Mutter wandte den Blick vom Fenster ab und drehte sich zu ihr um, als Azura die Tür hinter sich schloss-
"Es sieht so aus, als hätte da jemand keinen Sinn für Musik gehabt."
"Typisch Dunkelelfen! Sie erkennen den Wert eines Instruments nicht einmal, wenn man ihnen die neunte Sonate von Ludwig van Bachhoven zu Valvidi mit der Geige einprügelt." Azura kannte den Komponisten. Sie hatte ungemein viele Stücke von ihm lernen müssen und nicht einmal die Hälfte gemeistert. Dieser Musiker schuf sagenhafte Sinnfonien, aber sie zu erlernen war eine Qual.
Azura reichte ihrer Mutter eine der Tassen und diese nahm sie mit einem dankenden Nicken entgegen. Sie deutete zu den Sitzgelegenheiten, bevor sie sich für eine davon entschied und niederließ. Ihr Blick wanderte über ihre Tochter. "Auch ohne Dienerschaft beweist du Geschmack", lobte sie Azuras Kleidungswahl. Anschließend kehrte von ihrer Seite Stille ein, die sie mit mehreren Schlucken aus der Tasse zu überbrücken versuchte. Als sic ein unangenehm peinliches Gefühl zwischen ihr und Azura jedoch ausbreitete, räusperte sie sich. Trotzdem kam noch immer kein Wort über ihre Lippen. Dann seufzte sie, nahm einen letzten Schluck, drehte die geleerte Tasse in Händen und schaffte es endlich zu sprechen.
"Dein Vater wurde entführt." Das war ihr das wichtigste Thema, jetzt da sie wenigstens ihr Kind zurück hatte und sicher wusste. "Alycide hat unser Heim und mich beschützt, doch für seinen Widerstand wurde er mitgenommen. Ich ... kann froh sein, dass es nur das ist. Andere Familienoberhäupter wurden eiskalt von den Dunklen im eigenen Hausflur niedergestreckt." Sie kämpfte darum, nicht in Tränen auszubrechen. Es gelang. Aquila konnte sich beherrschen, wenn sie nicht gerade auf Kjetell'o traf. Leider war er Teil ihrer Ausführungen. Es stellte sich sofort eine Kälte im Raum ein, als sie seinen Namen auch nur erwähnte. "Plötzlich tauchte er hier auf. Kjetell'o Aschwurz ... aus heiterem Himmel und bereit, mir zu helfen. Er versprach, alles von seiner Seite zu tun, um mir Alycide zurückzubringen, wenn er nur einmal mit dir Kontakt aufnehmen dürfte. Er erhoffte sich, deine Spur ebenfalls aufnehmen zu können. Er ... ja, er ist derjenige, der seinen Samen in mich gepflanzt hat und dem du entsprungen bist." Sie weigerte sich nach wie vor, ihn als Azuras Vater zu bezeichnen. Denn diesen Titel musste man sich verdient und Kjetell'o hatte ihn gewiss nicht erarbeitet. "Nun ... er hat dich gefunden. Alycide nicht. Ich ..." Sie löste eine Hand von der Tasse, um sie vor den Mund zu heben. Ihre Finger zitterten. Sie konnte die Tränen kaum zurückhalten. "Was, wenn sie ihn foltern? Ich weiß nicht einmal, wo er steckt. Ich kann nicht selbst nach ihm suchen, ohne jeglichen Anhaltspunkt." Die Dämme brachen. Ihre Mutter weinte hemmungslos und mit bebenden Schultern. So sehr wie sie Kjetell'o inzwischen hasste, so sehr liebte sie den andunischen Kaufmann, der hoffentlich noch am Leben war.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Donnerstag 7. Dezember 2023, 22:22

Es gab diese seltenen Momente, in denen ihr Rabe tatsächlich vernünftig war. Wäre er es nicht gewesen... nun, Azura hätte es auch nicht sein wollen, jetzt, nachdem sie wieder lebendig war und ihn auch noch nackt vor sich sehen konnte. Und sich daran erinnerte, sobald er unter der warmen Decke steckte. Eigentlich war es ein Jammer, dass er derart rasch einschlief und nicht einmal mehr auf ihre Worte reagieren konnte, geschweige denn darauf, dass sie nackt vor ihm im Zimmer auf und ab lief, ehe sie alles zusammen hatte, um sich anziehen zu können.
Als sie das geschafft hatte, was allein nicht so einfach war, obwohl sie sich extra schlichte Stücke zusammen gesammelt hatte, ging sie auf die Suche nach Kleidung für die Männer. Auch bei diesen wusste sie ungefähr, wo sie fündig werden würde, und hatte Glück, dass bei weitem nicht so viel geplündert und vernichtet worden war, wie es auf den ersten Blick den Anschein gehabt hatte. Es war eine Erleichterung für sie, auch, um ihre selbstgewählte Aufgabe erfüllen zu können und nicht ewig lang dafür zu brauchen.
So brachte sie die beiden Ensembles zu den jeweiligen zukünftigen Trägern und eine Tasse heißer Schokolade in ihr Zimmer. Ihr Liebster schlief tief und fest, sodass sie es erst gar nicht versuchte, ihn wecken zu wollen. Sie richtete lediglich ein wenig seine Decke, damit er es schön warm und kuschelig hatte, dann schlich sie wieder hinaus.
Nun stand ihr ein anderer, viel schwerer Gang bevor, doch es musste sein. Sie musste früher oder später mit ihrer Mutter reden, wollte es ja auch, und die Gelegenheit war günstig. Denn sie wären allein unter sich und sie hoffte darauf, ein paar Dinge ins rechte Licht rücken zu können, damit Aquila ihr auf Dauer nicht böse war. Erst recht nicht, weil sie ihre Unschuld hergeschenkt hatte. Nur, ob das wirklich eine Heirat rechtfertigen würde, vor allem, sollte diese Verstümmelung bei Corax der Wirklichkeit entsprechen... Das stand definitiv auf einem anderen Blatt! Doch eines nach dem anderen.
Zuerst einmal wollte sie die beiden Tassen mitnehmen, ohne deren Inhalt auf den kostbaren Teppich zu verschütten und somit zu vergeuden. Bis zur Tür des Musikzimmers war das nicht so schwer, aber dort musste sie improvisieren und je einen großzügigen Schluck trinken, um bei ihrem Vorhaben bleiben zu können. Der Duft hatte sie die gesamte Zeit über schon in der Nase gekitzelt und den Weg für schöne Erinnerungen geebnet.
Als nun jedoch die mollig warme Flüssigkeit dick ihre Kehle hinab rann und sie von innen zu wärmen begann, trat vor allem ein Bild vor ihr inneres Auge, das einen ähnlich intensiven Effekt bei ihr hatte hervorrufen können. Corax, ganz in schwarz gehüllt und zugleich von kräftigem Blutrot umgeben, auf seinem Thron und in einer Haltung, die sowohl Macht, als auch Bedrohung ausstrahlte. Allein diese Art von Charisma ließ ihr Herz schneller pochen und strahlte bis in ihren Schoß aus. Er könnte jedem, der vor ihm stünde, gehörig Angst einjagen und einen dazu bringen, sich vor ihm so klein wie möglich zu machen und zu winden aus Furcht vor Bestrafung jeglicher Art und Weise.
Jedem, nur ihr nicht, denn sie wäre die Einzige, die sich vor ihm niemals in Acht nehmen müsste. Sie würde er mit seinen Schwingen umhüllen und sie beschützen vor jeglicher Gefahr. Ihr würde er keine Schmerzen zu fügen, sondern allen anderen, die ihr zu nahe kämen und ihr Leid bescheren könnten. In dieser Erscheinung war er die pure, dunkle Versuchung gewesen, eine ungebändigte Bedrohung für alles und jeden, in dessen Arme sie einfach nur sinken wollte.
Oh, wie gern würde sie ihn noch einmal so sehen, am besten dann, wenn sie beide einen geschützten Ort hätten und jede Menge Zeit. Denn sollte er jemals so aussehen... sie würde die Finger erst wieder von ihm lassen können, wenn sie vor Erschöpfung einschlafen würde!
Ein leiser, wohliger Seufzer entrang sich ihrer Kehle und sie war versucht, sich diese Szene noch deutlicher auszumalen, wenn... wenn sie dabei ihr Gewicht nicht verlagert und damit leise geknarzt hätte. Dieses Geräusch, so gering es auch war, erinnerte sie viel zu deutlich an ihre unzähligen Versuche, sich vor dem Musikunterricht zu drücken, indem sie nur so getan hatte, als wolle sie ins Zimmer gehen, um von dort aus wegzuschleichen. Oh, wie oft hatte sie genau diese eine verräterische Stelle erwischt in ihrer Unachtsamkeit!
Zurück in der Realität blinzelte sie und schüttelte den Kopf, um diese Gedanken rasch zu vertreiben und sich wieder zu fassen. Tief atmete sie durch, nahm die Tassen in eine Hand und konnte endlich die Tür öffnen. Ihre Knie wurden weich und ihr Herz klopfte schneller, nur ohne dem Echo in ihrem Schoß. Wenigstens konnte sie die Tassen nun wieder in je einer Hand halten, das machte das Risiko, durch mögliches Zittern etwas zu verschütten, gernger.
Ihre Mutter fand sie jedoch nicht, wie erwartet, beim Klavier sitzend vor. Nein, sie stand vor dem breiten Fenster und sah in den Regen hinaus, bis sie die junge Frau eintreten hörte. Azura schluckte schwer und versuchte, ein Gespräch zu beginnen, so unverfänglich wie möglich. Früher hatte sie mit Leichtigkeit Konversation machen können, es war um Belanglosigkeiten gegangen und das Leben trotz aller Langeweile so leicht gewesen. Jetzt hingegen... Sie hoffte, dass ihr Versuch nicht vollkommen misslang!
Doch es benötigte die Reaktion der Hausherrin, um ihr einen gewaltigen Stein vom Herzen zu nehmen und sie lächeln zu lassen. Dabei war ihr gar nicht bewusst gewesen, wie groß ihre Angst vor dieser Begegnung gewesen war, obwohl sie kaum Zeit zum darüber Nachdenken gehabt hatte. Sie hatte sich wahrlich davor gefürchtet, vor Vorwürfen oder sonstigen Worten, die verletzender wären als jede weitere Ohrfeige. So hingegen... Ja, sie lächelte und fühlte eine Welle von Mut in sich aufsteigen ebenso wie Zuversicht, ihre Mutter tatsächlich nicht gänzlich verloren zu haben.
Langsam kam sie näher, um der anderen eine Tasse zu reichen. "Wahrscheinlich bräuchten sie etwas Leichteres, etwas mit mehr Schwung wie von Johann Streuss Sohn oder Robert Schufrau. Außer, ihnen wird schnell schwindelig!", nahm sie den Faden auf und fragte sich unwillkürlich, ob ihrem Raben diese Komponisten zusagen würden.
Kennen würde er sie vermutlich ja nicht, aber vielleicht würde er ihre Musik mögen? Zumindest zu Streuss Sohn konnte man wunderbar tanzen! Doch nein... das konnte er ja wahrscheinlich auch nicht und sie wäre viel zu ungeduldig, um es ihm erfolgreich beibringen zu können. Andererseits, in den Armen eines guten Tänzers zu liegen, der zu verführen verstand... Nein, daran durfte sie jetzt nicht denken, sie musste konzentriert bleiben! Für alles andere wäre später noch Zeit... hoffentlich...
Indes nickte ihre Mutter ihr zu und traf für sie beide die Wahl der Sitzgelegenheit, zu der sie ihr folgte. Dabei hörte sie das Lob und zuckte mit den Schultern, als wäre es nicht sonderlich der Rede wert. "Du hast immer darauf geachtet, dass ich gut gekleidet bin, und meine Garderobe ausgestattet.", erwiderte sie, denn es kam ihr gerade nicht wie eine tatsächliche Leistung vor.
Dafür brachte es sie auf einen anderen Gedanken. Beide Hände fest um die Tasse geschlossen, sah sie auf die heiße Schokolade und spürte, wie sich ihr die Kehle zu zuschnüren begann. Das Herz klopfte wieder härter in ihrer Brust und in ihrem Magen bildete sich ein Klumpen. "Mama, ich... ich... mir ist da etwas klar geworden...", begann sie stammelnd und suchte nach dem Vermögen, wirklich aussprechen zu können, was ihr auf der Seele brannte.
In diesem Moment ergriff die Hausherrin wieder das Wort und lenkte sie ab mit der anderen, wichtigen Feststellung zwischen ihnen beiden. "Was?", entfuhr es Azura und sie sah blinzelnd auf, musste sich erst damit befassen, dass dieses Gespräch eine andere Wendung nahm.
Schon fuhr ihre Mutter fort, es sprudelte nur so aus ihr heraus und die Jüngere bemühte sich darum, sich erst einmal darauf zu konzentrieren. Ausnahmsweise wollte sie hierbei nicht egoistisch an sich denken. Stattdessen stellte sie ihre Tasse nach einem raschen, kleinen Schluck auf das niedrige Tischchen vor sich und griff dann nach der freien Hand ihrer Mutter vor deren Mund, um sie mit wieder warm gewordenen Fingern sanft zu umschließen. Dabei ließ sie die andere weiter reden, hörte ihr zu und versuchte, ihr dabei Halt zu spenden. Immer wieder nickte sie leicht und wartete tatsächlich ab, bis sie das Gefühl hatte, jetzt wäre der rechte Moment, um selbst etwas zu sagen.
Es tat weh, diese sonst so starke, stolze Frau derart leiden sehen zu müssen. Vor allem, weil sie diese Seite nur von heimlichen Beobachtungen kannte, dann, wenn es darum gegangen war, dass sie ihrem Ehemann kein leibliches Kind hatte schenken können.
"Mama, wir werden Vater finden.", begann sie und drückte sanft die Hand. "Es ist nicht vollkommen aussichtslos, da bin ich mir sicher. Was meinen Va... Erzeu... Du weißt schon. Was ihn angeht, es war ein Zufall, dass wir in der Akademie aufeinander gestroffen sind. Es ist auch nicht wichtig, wie und warum. Was zählt, ist, dass er und Corax auf mei... auf unserer Seite stehen. Das eröffnet uns Möglichkeiten, sie haben beide ihren Einfluss. Wir können Ressourcen der Akademie nutzen, deren Personal, um ihn zu finden, und dann Macht, um ihn frei zu bekommen. Mama, ich kann dir nichts versprechen, aber... Es ist nicht hoffnungslos!" Eindringlich sprach sie auf ihre Mutter ein, wollte ihr Mut geben, ihre eigene, aufsteigende Sorge um den Mann, der sie mit großgezogen und ihr so vieles ermöglicht hatte, dämpfen und zugleich einfach daran glauben, dass alles ein gutes Ende nehmen würde.
"Verstehst du das? Wir werden helfen, du bist nicht länger allein!" Auch ihr drohten nun die Tränen zu kommen, denn gerade der letzte Satz rutschte ihr über Lippen und drohte zugleich auch in ihrem Inneren die Dämme brechen zu lassen. Sie daran zu erinnern, dass sie wieder daheim war und zumindest einen Teil ihrer Familie um sich hatte.
Und den fehlenden Part... ja, den wollte sie auf jeden Fall finden und darauf hoffen, dass er noch lebte! Nur... was, wenn sie kein Glück hatten? Alycide nicht zu finden, wäre eine Katastrophe, das war ihr klar. Denn dieser Umstand würde keine Antworten liefern, würde Schmerz verursachen und verhindern, dass sie loslassen könnten. Im Gegensatz dazu stünde es, wenn er nicht mehr am Leben wäre. Es wäre ein große, unersetzbarer Verlust für sie beide, das stand außer Frage. Aber dann könnten sie ihn begraben, betrauern... und irgendwann wieder nach vorne sehe, um seine Erinnerung im Herzen zu behalten und trotzdem noch zu leben. Auch wenn Azura daran lieber nicht denken wollte, solange es nicht unmissverständlich als Wahrheit vor ihr stehen würde.
Nein, sie wollte daran glauben, dass er noch lebte, und vor allem daran, dass sie ihn finden und retten würde, damit er zurück zu seiner Gattin kehren könnte!
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Samstag 9. Dezember 2023, 15:42

Die Stimmung im Musikzimmer war düster und doch nicht zu vergleichen mit den Tagträumen, die sich bei einem Schluck aus der dampfenden Tasse eben noch in Azuras Kopf gebildet hatten. Dieses düstere Bild von Corax in seiner schwarzen Rabenrüstung hatte doch deutlich erotischere Nuancen hinterlassen. Seine Etremitäten, die Rabenkrallen aus schwarzem Metall glichen. Der freie Oberkörper mit dem blutenden Herz, das sie zu nähen gewusst hatte. Der nicht wallende Umhang, der an zu Textilien geformten Bahnen aus Blut erinnerte. Seine Rubintränenkrone... er warh wahrlich ein Prinz des Leids, aber hatte auch so gefährlich und verrucht ausgesehen!
Azura wollte ihren Raben nicht leiden wissen, doch ein weiterer Anblick dieser Traumgestalt würde sie schneller unter seine Lenden befördern als sie seinen Namen in willigem Stöhnen verkünden könnte. Doch jetzt war nicht die passende Zeit, geschweige denn der richtige Ort, diesen Träumen weiter nachzuhängen. Corax schlief, befreit von seinem Leid, wenigstens für eine Weile. Dafür kämpfte ihre Mutter nun damit. Sie versuchte, die Beherrschung zu behalten, doch jene war schon durch den Schlagabtausch mit Kjetell'o arg auf die Probe gestellt worden. Der Elf hatte an der Fassade gekratzt und kleine Risse hinein gebohrt. Aquila van Ikari konnte dem nunmehr nicht standhalten, da sie sich ausschließlich in Azuras Anwesenheit wähnte. Zu ihrer Tochter besaß sie Vertrauen, so dass sie sich nicht schämte, das Gesicht zu verlieren. Sie bewahrte sich trotzdem eine gewisse Würde, aber irgendwann brachen auch die letzten Dämme.
Ihre Mutter, diese starke und selbstbewusste Frau so weinen zu sehen, weckte Beklemmung in Azuras Herzen. Sie vergaß darüber hinaus glatt, was sie ihr ursprünglich hatte beichten wollen und wofür sie sich gewappnet hatte. Dass es noch zur Aussprache kommen musste, darüber war die Andunierin sich bewusst. Sie konnte es ihrer Mutter nicht länger verschweigen, doch ehe sie es wagte, musste deren Mentalität wieder gefestigt sein.
So erschreckend und schmerzend dieser Anblick allerdings war, umso beruhigter konnte Azura hinsichtlich der Liebe sein. Zwischen Aquila und Kjetell'o mochte jeglicher Funken erloschen sein. Mehr noch, er war einer Kälte gewichen, die selbst Venthas weite Ozeane zum gefrieren brächte. Aber hier und jetzt weinte ihre Mutter um einen Mann, der zwar nicht Azuras Erzeuger, wohl aber ihr Vater war. Alycide van Ikari durfte einfach noch nicht tot sein. Sie mussten ihn finden und retten. Etwas Anderes kam nicht in Frage, allein der Psyche ihrer Mutter wegen.
Sie stellte ihre Tasse beiseite, um an Aquilas Seite zu gelangen und nach ihrer Hand zu greifen. Beistand war der erste Schritt. Wenn ihre Mutter sich nicht allein fühlen musste, würde sie wieder neuen Mut fassen können und dann käme auch ihr Pragmatismus zurück. Dann könnte sie handeln, zusammen mit Azura. Dann könnten sie vielleicht etwas bewegen. Nur weil die Dunkelelfen in Andunie herrschten, machte es das Haus van Ikari nicht handlungsunfähig. Aber sie würden Hilfe brauchen und so sehr es Azura störte, ihn auch nur ansatzweise jetzt zu erwähnen, brachte sie Kjetell'o zur Sprache. Der Waldelf hatte sich bereits in der Akademie der Wassermagie befunden, als sie mit ihren Gefährten dort eingetroffen war. Er hatte sich frei bewegen können und im Moment agierte er sogar in Gestalt von Serpentis Mortis, wenn er nicht gerade seiner Tochter ihr Äußeres durch ein Ritual zurückschenkte. Auch wenn er darüber bislang schwieg, so schien er einigen Einfluss auf das Geschehen in Andunie zu nehmen. Er besaß gewiss einige Kontakte, mit denen sie würden spielen können. Vielleicht fiel Azura in diesem Zug der Erkenntnis auf, wie wenig sie eigentlich von ihrem Erzeuger wusste. Er hielt sich bedeckt, was seine Hintergründe angingen und ihre Mutter hatte auch niemals von ihm erzählt. Das meiste hatte Azura nur herausgefunden, weil sie selbst Entdeckungen gemacht und Kjetell'o anschließend damit konfrontiert hatte.
So viel mehr wusste sie über Corax Bescheid. Allein, weil sie sein halbes Leben in einem Schnelldurchlauf per Albtraumvisionen zusammen mit Madiha erblickt hatte, kannte sie zumindest seine Vergangenheit. Etwas, das eigentlich niemand wissen oder selbst erfahren sollte. Auch er schwieg darüber, wenn man es nicht direkt ansprach, doch bei ihm war es nachvollziehbar. Wer wollte sich schon freiwillig an so viel Leid erinnern, es erneut fühlen müssen? Ob Kjetell'os Leben ähnlich aussah, dass er nicht darüber sprach?
Wie auch immer, beide Elfen - so unterschiedlich sie auch sein mochten - waren ihre Verbündeten. Mit ihnen zusammen ließe sich Alycide gewiss finden. Azura versuchte, ihre Mutter über diese Argumentation zu erreichen und ihr neuen Mut zu machen. Sie ließ dabei nicht einmal ihre Hand los, denn auch sie war noch hier. Sie war wieder hier und wieder schön! Es ging ihr gut. Auch ihrem Ziehvater würde es gut gehen. Sie durften nicht aufgeben!
"Mama, ich kann dir nichts versprechen, aber ... Es ist nicht hoffnungslos! Verstehst du das? Wir werden helfen, du bist nicht länger allein!"
Endlich reagierte Aquila. Sie erwiderte den Druck, den Azura auf ihre Hand ausübte. Sie schaute auf, die Wangen zwar tränennass, aber die gleiche Sturheit im Blick wie ihre Tochter sie an den Tag legen konnte. Entschlossenheit, den eigenen Willen durchzusetzen, blitzte darin wie ein Gewittersturm über Venthas Wogen. Sie würde ihren Willen erhalten und ihr Wille war, ihren Mann zurückzubekommen.
"Sieh dich nur an", sprach sie überraschend milde und im Kontrast zu ihren Augen. Dann neigte sie sich vor, um Azuras Stirn zu küssen. Es prickelte nicht magisch wie unter Venthas Lippen, aber es mochte gewiss eine ähnlich euphorisierende Wirkung erzielen. "Da habe ich ganz verpasst, wie mein Kind erwachsen geworden ist. Du wirkst so ... reif. Endlich." Sie schmunzelte. "Zu schade, dass wir diese Entwicklung nicht auch bei deinen Lektionen sehen werden." Der Scherz misslang etwas, denn mit ihm schwang der unausgesprochene Fakt, dass sie beide nicht in ihr altes Leben würde zurückkehren können. Lektionen, Unterricht, der kurzweilige Alltag ... all das stand ihnen noch nicht bevor. Es gab Hürden zu meistern, Liebste zu retten.
"Ich bin mir nicht sicher, ob ... er" - sie meinte definitiv Kjetell'o -, "seinen Part unserer Abmachung nun noch einhalten wird. Ich gestattete ihm Kontakt zu dir, sofern er Alycide finden würde. Ja, das Kleingeschriebene hierbei war, dass nicht einmal ich wusste, ob ich noch Kontakt zu dir aufbauen könnte, aber das sind Risiken, die man bei einem Handel mit Anduniern eingehen muss." Sie alle waren gerissene Geschäftsleute. Nicht umsonst galt Andunie als erfolgreiche Handelsstadt. "Im Grunde steht er nun in einer Bringschuld, da er den Kontakt zu dir bereits erhielt." Sie schnaubte, ging offensichtlich nicht davon aus, vom Shyáner noch irgendeine Form an Hilfe zu erhalten. Folglich ging sie nicht weiter auf ihn ein. Er hatte schon wieder viel zu viel Raum in ihrem Leben eingenommen!
"Wie steht es um den Dunklen, den du so vehement verteidigst? Wie heißt er und inwiefern kann er uns bei der Suche nach deinem Vater von Nutzen sein?" Aquila fand zu sich zurück. Sie hatte sich etwas beruhigt und sah sich nun zumindest wieder in der Lage, sich durch Sachlichkeit abzulenken. Sie stellte sich den offenen Problemen, indem sie diese anging. Dabei galt es zunächst, sich Übersicht zu verschaffen. Dass sie dabei Corax ansprach, war dem Zufall geschuldet, weil Azura ihn bereits erwähnt hatte. Vielleicht könnte sie nun nicht nur die Fragen ihrer Mutter beantworten, sondern auch den Bogen zurück zu ihrem eigentlichen Gesprächsthema spannen ... sofern sie das immer noch angehen wollte. Gelegenheit dazu besaß sie jetzt.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Sonntag 10. Dezember 2023, 20:35

Auch wenn ihr Rabe in diesem einen Traum, in den sie in Geistergestalt geschwebt war, voller Leid gewesen war, dieses ausgestrahlt und zugleich eine düstere Bedrohung für alle außer ihr dargestellt hatte, hatte er dabei so in sich ruhend gewirkt und eine geballte Ladung Macht verkörpert, dass es ihr bei der leisen Erinnerung daran schon wohlig den Rücken runter rieselte. Er war ein Risiko für sich und für andere, auch für sie, und genau dieses war sie bereit, einzugehen für das, was er ihr im Gegenzug schenkte.
Mochte sein, dass es nicht von Dauer wäre, dass ihrer beider Gefühle in Wahrheit nicht stark genug für echte, langanhaltende Liebe wären oder dass sie am Ende zu verschieden wären, sie nahm es in Kauf. Zu wohl fühlte sie sich bei ihm, zu sehr brauchte sie diese ständig Reibung, bei der sie sich nichts schenkten, und zu stark war ihr Begehren nach diesem Körper, danach, ihn wieder in vollem Saft, im wahrsten Sinne des Wortes, zu erleben. Doch im Moment benötigte Ruhe, Schlaf und Wärme.
Und sie musste ein Gespräch führen, das am besten lediglich unter vier Augen stattfand. Bislang hatte sie einen guten Grund gehabt, ihre Mutter mit ihrer Anwesenheit zu verschonen, aber der war inzwischen beseitigt. Nun konnte sie höchstens noch ihre Angst davon abhalten und nach all dem, was sie an Corax' Seite erlebt hatte, wollte sie sich ihrer Furcht stellen. Mehr noch, fand sie die Kraft dazu, das Musikzimmer zu betreten und in Angriff zu nehmen, was da kommen mochte. Schließlich hatte sie ihre Mutter auch vermisst, freute sich, zumindest diese wieder sehen zu können, und wollte ihr beistehen bei der Suche nach dem geliebten Gatten.
Also verdrängte sie die sehnsuchtsvollen Empfindungen nach ihrem Liebhaber und konzentrierte sich auf die Gegenwart, so gut sie es konnte. Es tat ihr ehrlich in der Seele weh, die Hausherrin derart leiden sehen zu müssen, und sie war sich dessen bewusst, dass sie keine sonderlich geeignete Trösterin war.
Trotzdem hatte sie sich soweit entwickelt, dass sie es wenigstens versuchte und ihre eigenen Bedürfnisse hintan stellte dafür. Ganz gleich, was sie hatte sagen wollen und es später noch würde tun müssen, jetzt galt es erst einmal, dass ihre Mutter wieder Halt finden könnte. Sanft hielt sie die Hände der Älteren und tat, was vermutlich genau das Richtige in dieser Situation war: Sie war schlicht und ergreifend da. Und signalisierte ehrliche Anteilnahme und Aufmerksamkeit. Viel mehr, als sie vor ihrer Entführung vermutlich zu geben bereit gewesen wäre.
Es kam ihr jedoch nicht genug vor, weswegen sie es auch war, die das Wort wieder ergriff. Sie versuchte, ihrer Mutter Mut zu zusprechen und ihr zugleich aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sie als nächstes ergreifen könnten. Ja, sie glaubte fest daran, dass sie dank den beiden Männern, die sie hierher gebracht hatte, eine Chance haben würden, mehr über den Verbleib ihres Ziehvaters zu erfahren. Es musste einfach so sein!
Wenn sie vier also alle an einem Strang ziehen könnten... ohne dabei Aquila alles über die Umstände zu erzählen, um sie nicht noch mehr aufzuregen, verstand sich natürlich. Es gab einfach Dinge, die wollte sie ihr nicht antun, um sie zu schützen. Ganz so, als ob sie beide die Rollen getauscht hätten...
Anscheinend hatte sie die richtigen Worte dafür gewählt, denn ihre Mutter erwiderte endlich ihren Griff und hob nach gefühlten Ewigkeiten auch ihren Blick. Noch immer waren Wangen tränennass, hatte sie sich nicht verstohlen die salzige Flüssigkeit mit einem edel bestickten Tuch trocken getupft. Allerdings war das Leben in ihre Augen zurück gekehrt, ließ sie entschieden funkeln und erinnerten die Tochter daran, wie sie diese starke Frau kannte. Mutig, pragmatisch... und stur! Ihre Mundwinkel zuckten leicht, auch wenn es zu einem Lächeln noch nicht reichte, als sie innerlich über diesen Ausdruck erst einmal aufatmen konnte.
Doch dann schaffte ihre Mutter es, sie völlig aus dem Konzept zu bringen. Die ersten Worte ließen sie blinzeln, der Kuss auf die Stirn weckte Erinnerungen und brachte ihr Herz zu einem schnelleren Takt, und die folgende Bemerkung verwirrte sie endgültig. "Erwachsen? Ich?", entkam es ihr verblüfft und irgendwie auch ungläubig, das ausgerechnet von ihrer Mutter zu hören zu bekommen. Um daraufhin endlich den Sinn zu begreifen.
Während die Hausherrin noch einen Scherz versuchte, verfiel Azura in gewohnte Verhaltensmuster und stieß die niedliche, damenhafte Version eines beleidigten Schnaubens aus. "Mama, also bitte! Ich bin schon längst erwachsen!", behauptete sie und spürte, wie ihr Mund sich zu einem flegelhaften Grinsen verzog. "Ich zeig' es nur nicht jedem. Schon gar nicht irgendeinem langweiligen Lehrer mit noch langweiligeren Lektionen...", fügte sie hinzu und zwinkerte ihr zu, so wie früher, noch vor der Hochzeit ihrer Eltern, wenn sie mal wieder etwas ausgefressen hatte. Oh ja, sie hatte es noch immer faustdick hinter den Ohren, daran konnte und sollte sich so schnell nichts ändern.
Leider konnten sie nicht bei derartigen, im Verhältnis zu ihren eigentlichen Sorgen leichten Thema verweilen, sondern mussten sich dem eigentlichen Problem stellen. Leise seufzte die junge Frau und deutete ein Schulterzucken an. Ihr Blick glitt wie von allein über ihre Schulter, als wolle sie sich vergewissern, dass besagter Er nicht lautlos zur Tür geschlichen wäre und ihnen nun zuhörte. Nein, das war Unsinn! Er war kränklich und schlief tief und fest im Salon.
Sie deutete ein Kopfschütteln an und wandte sich wieder an ihre Mutter. "Er wird uns helfen, da bin ich mir sicher.", erklärte sie ehrlich und zuckte ein weiteres Mal mit den Schultern. "Mama, ich... ich glaube... ja, ich glaube, ihm liegt etwas an mir." Das war tatsächlich ihre Ansicht, warum sonst auch hätte er sich um das Ritual so bemühen sollen? Aber das war noch nicht alles.
"Und er ist interessiert an Corax. Wenn schon nicht für mich, würde er für ihn auf jeden Fall mithelfen." Was genau sie wiederum von dieser Konstellation halten sollte, stand auf einem anderen Blatt geschrieben und darüber musste sie erst nachdenken. Ebenso wie darüber, wie sie zu dem Waldelfen stand und was sie über ihn im Allgemeinen denken sollte.
Sie biss sich kurz auf die Unterlippe, ehe es auch schon aus ihr herausplatzte:"Mama, hasst ihr beide euch?" Ihre Wangen röteten sich, sie zog ihre Hände zurück und legte sie sittsam in den Schoß, ebenso wie sie ihren Blick senkte. "Ich... ich meine... na ja... Ich kenne dich und ich habe dich öfters so kühl erlebt. Aber ihn..." Sie schüttelte den Kopf. Nein, nicht einmal, als sie ihn in der Arrestzelle so deutlich abgewiesen und ihn stärker damit verletzt hatte, als es ihr Ziel gewesen war, war er dermaßen eiskalt geworden.
Leise seufzte sie und begann, ihre Finger damit zu beschäftigen, indem sie ihren Rock knetete. "Was ist wirklich zwischen euch vorgefallen?", fragte sie und hob langsam ihren Kopf, sah scheu und unsicher zu ihrer Mutter hin. "Es fällt mir schwer zu glauben, dass es nur daran liegt, dass er dich verlassen hat, als du schwanger warst. Das würde deine Reaktion erklären, aber... nun ja... nicht seine." So, nun war es heraußen, hatte sie es gesagt, was in ihrem Hinterkopf die ganze Zeit unbemerkt vor sich hingegärt hatte.
Wohin auch immer das führen würde, sie musste es einfach wissen. Und sie glaubte, dass sie von Aquila eher eine wahre Antwort erhalten würde, die sie tatsächlich annehmen könnte.
Nur leider war das nicht das einzige Thema, das näher erörtert werden musste zwischen ihnen. Und obwohl sie damit gerechnet hatte, wäre es Azura um einiges lieber gewesen, wenn sie noch länger über anderes gesprochen hätten. Ihre Wangen röteten sich noch stärker und sie senkte hastig erneut das Gesicht, um ihr verliebtes Grinsen zu verbergen und ihren Fingern zu zusehen, wie sie den Rock kneteten, anstatt an ihre Erinnerung von vorhin denken zu müssen.
"Er heißt Corax.", begann sie und schluckte. Sie war in den letzten Wochen fast ständig von ihm umgeben gewesen und obwohl er nur wenige Räume und eine Etage von ihr entfernt lag... hätte sie jetzt gern nach seiner Hand gegriffen, um sich daran festhalten zu können. "Er ist der Leibwächter und die rechte Hand der He... der neuen Leiterin der Akademie. Sie hört auf seinen Rat..."
Nun ja, im Prinzip lebte sie nicht mehr und ob sie davor seinen Worten wirklich Beachtung geschenkt hatte, musste dahin gestellt bleiben. Jetzt aber war es offiziell so dank seiner Magie und dank ihres Erzeugers. Nur durfte ihre Mutter von dem Schwindel nichts erfahren, weswegen sie es weiter vorzog, ihre Finger zu beobachten, um sich mit keinem Blick zu verraten.
"Er kann in ihrem Namen die Suche nach Vater offiziell in Angriff nehmen und ihre Kontakte nutzen. Ihr Einfluss muss groß sein, weil sie jetzt die Akademie leitet und weil sie es tut, obwohl sie eine Feuerhexe ist." Das war in etwa die Zusammenfassung, mehr Details mussten jetzt erst einmal nicht sein, wie sie fand.
Was dazu führte, dass sie endlich ihren Blick wieder anhob und verlegen grinste. "Ich bin mir sicher, dass er mir helfen wird, weil... na ja..." Ihre Wangen glühten nun nicht mehr, sie brannten regelrecht. "Er liebt mich."
Als ob das alles rechtfertigen würde, was sie dadurch gesellschaftlich ruiniert hatte. Für sie persönlich tat es das ja auch! Jedoch, ob ihre Mutter da derselben Meinung war...?
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Dienstag 12. Dezember 2023, 08:40

Was Azura nicht wirklich als solches erkannte, sah ihre Mutter sofort. Obgleich sie gerade in den letzten Wochen vor ihrer Entführung nicht allzu viel miteinander zu tun gehabt hatten, war Aquila doch aufmerksam genug, Veränderungen an ihrem Kind zu bemerken. Azura hingegen hatte in all der Zeit kaum etwas davon mitbekommen. Man konnte es ihr nicht vorwerfen. Sie hatte sich auf einer Schwelle in ihrem Leben befunden, da der Fokus auf das Interesse potenzieller Heiratskandidaten gelegt worden war. Der Spross der van Ikaris bewegte sich ohnehin bereits an der Grenze. Viele ihrer Freundinnen hatten schon vor Jahren einen Weg in die Ehe gefunden oder waren noch zu jung dafür. Erstere hatte Azura immer seltener getroffen und wenn, dann zeigte sich unter der weiter geschnittenen Garderobe ein von der nächsten Schwangerschaft gewölbter Bauch. Sie hingegen hatte es in der Zeit nicht einmal geschafft, einen Galan anzunehmen. Nach dem respektlosen Verhalten des Erben der van Tjenns in ihrer Kindheit, das sie jedoch erst in späteren Jahren wirklich verstanden hatte, war sie es nun gewesen, die keinen der Verehrer wirklich an sich herangelassen hatte. Anfangs war sie dafür noch von ihrem Ziehvater gelobt worden. Sie sollte gründlich abwägen und nur den besten Kandidaten wählen. Mit Glück fände sie jemanden, dem sie auch Zuneigung entgegenbringen könnte. Doch selbst Alycide war in der letzten Zeit nervöser geworden. Das Tuscheln hinter dem Rücken seines Hauses erreichte auch seine Ohren. Er bekam die Gerüchte mit über die Prinzessin der van Ikaris, die prinzlose Braut, die alte Jungfer...
Und nun? Azura erwiderte den Blick aus den Augen ihrer Mutter. Dort konnte sie das alte Feuer entdecken, das auch ihr innewohnte. Und von den tiefer gelegenen Lippen vernahm sie nun ein Lob über ihre Entwicklung zur Erwachsenen. Oh, wenn ihre Mutter nur wüsste, dass sie nicht nur geistig gereift war, sondern es Corax zu verdanken hatte, dass ihre Frucht gepflückt worden war. Es blieb zu hoffen, dass sie dadurch nicht verdorben und für eine ordentliche Weinlese unbrauchbar geworden wäre. Aber noch konnte Azura das Gespräch nicht darauf lenken. Noch wollte sie es nicht tun. Andere Dämonen plagten sie und sie konnte diese nicht länger zurückhalten. Ihre Mutter hatte sich wieder etwas beruhigt, war zu ihrer Stabilität zurückgekehrt. Nun wurde es Zeit, sie in den nächsten Abgrund zu schicken.
Azura fürchtete sich davor. In ihrem Magen breitete sich Unbehagen aus, das alles zu verknoten schien. Sie entschied allerdings, dass es keinen Sinn mehr hatte, es länger aufzuschieben. Die Konsequenz wäre Ungewissheit und das hätte sie nicht mehr ertragen. Ihre zuvor aufgesetzte Heiterkeit war nur gespielt. Sie lockerte die Stimmung, doch löste nicht ihr Herz. Nein, sie brauchte Antworten!
Um die wirklich unangenehmen Fragen einzuleiten, versuchte Azura zunächst, die Wogen rund um Kjetell'o ein wenig zu glätten. Sie sprach seine Hilfsbereitschaft an und sein Interesse an ihrem Raben. Sie erwähnte sogar, dass ihm durchaus noch etwas an ihrer Mutter lag. Aquila schnaubte daraufhin nur in ihre heiße Schokolade hinein. Rasch verbarg sie einen Kommentar, indem sie die Tasse zum Mund hob und ihn mitsamt dem Heißgetränk herunterschluckte.
"Mama, hasst ihr beide euch?"
Aquila van Ikara blickte über den Rand ihrer Tasse hinweg. Ihre Augen bohrten sich mit der Schärfe von Adlerkrallen in Azuras Blick. Sie nahm einen weiteren Schluck, ließ sich gehörig Zeit damit und stellte die Tasse anschließend beiseite. Mit im Schoß gefalteten Händen und aufrechter Haltung strahlte sie eben jene Erhabenheit aus, die Alycide auf sie hatte aufmerksam werden lassen. Sie, die mittel- und obdachlose Frau, die ihr bestes getan hatte, um sich und das ungewünschte Kind durchzubringen. Sie, die nun kerzengerade in ihrem Sessel saß wie eine Königin auf ihrem Thron. "Hass...", begann Aquila, "ist ein starkes Wort." Sie seufzte aus. "Ich kann nur für mich sprechen. Ich lasse ihm seine Meinung, aber sie interessiert mich nicht. Ich habe auch nicht vor, mich darin einzufinden. Soll er von mir halten, was er will. Ich weiß, was ich von ihm halte und das ist ausschlaggebend." Ihre Augen wurden milder, als sie sich erneut auf Azura ausrichteten. Sie schüttelte sanft den Kopf. "Ich hasse ihn nicht. Das würde bedeuten, dass ich auch einen Teil von dir hasse - jenen, den er in mich gepflanzt hat, um dich zu zeugen. Und das tue ich nicht. Ich liebe dich, mein Kind. Von ganzem Herzen." Sie presste die Lippen aufeinander, dass sie einen blutleeren Strich in ihrem Gesicht bildeten. "Ich hasse ihn nicht, nein. Aber ich kann ihm sein Handeln nicht verzeihen."
"Was ist wirklich zwischen euch vorgefallen?" Aquilas Augen engten sich. Sie wich Azuras Blick aus, baute Distanz auf, indem sie ihre Haltung nur noch mehr straffte. Sie wollte nicht darüber sprechen. Sie wollte nicht über Kjetell'o sprechen. Es lag viel Schmerz in dem, was Azura aus ihrem Gebaren lesen konnte. Aquila war gekränkt, so wie ihre Tochter es hinsichtlich Caleb van Tjenn war, nachdem sie begriffen hatte, was er ihr angetan und welche Auswirkungen es mit sich gezogen hatte. Nein, das stimmte nicht. Zwischen Aquila und Kjetell'o stand etwas Anderes, aber ihre Mutter gab keinen Kommentar ab.
So hakte die Tochter nach: "Es fällt mir schwer zu glauben, dass es nur daran liegt, dass er dich verlassen hat, als du schwanger warst. Das würde deine Reaktion erklären, aber ... nun ja ... nicht seine."
Wieder seufzte Aquila aus. Sie schüttelte wiederholt den Kopf. "Also gut", meinte sie und gab sich geschlagen. "Besser, du erfährst es von mir als von ihm und wie ich dich kenne, würdest du ihn als nächstes ausquetschen, nur weil ich schweige. Nein, du sollst die Wahrheit von einer Person erfahren, der du trauen kannst. Das vorab, Azura!" Ihre Mutter neigte sich vor. Ihr Blick war eindringlich, ihre Miene ernst. "Traue ihm nicht. Fall nicht auf seine Manipulationen und Spiele herein. Es bedeutet Schmerz, wenn du bei einem wie ihm Vertrauen zulässt."
Diese Worte hatte sie in ähnlicher Formulierung schon von einer anderen Frau gehört. Die Schelmin Méllyn Kicherklang hatte sie in Bezug auf Corax auf fast die gleiche Weise gewarnt. Würde sie bei ihm bleiben, bedeutete es Leid. Wenn Azuran un reflektierte, hatte Méllyn Recht behalten, aber nicht vollends. Sie hatte gelitten, sehr sogar. Sie war gestorben, hatte Zeit im Jenseits verbracht, musste sich einen Weg dorthin zurückkämpfen und bis vor kurzem in einer Gestalt umher laufen, die mehr untot als lebendig gewesen war. Aber sie hatte es geschafft und sie hatte nicht wegen Corax gelitten, sondern ob der Umstände, die man ihm auferlegt hatte. Auch er litt. Aber es hatte nachgelassen und er lächelte, wenn er bei ihr war. Er liebte sie, sagte es immer wieder. Er zog Kraft daraus, indem er sich ständig ausgesprochen klar machte, dass seine Existenz kein Leid bedeutete. Galt das in schwächerer Form auch für Kjetell'o? Würde der Shyáner sie verletzen? Bisher hatte nichts den Anschein gemacht, sah man von seinem feurigen Ausbruch einmal ab. Da hätte er sich und Azura in zwei Häuflein Asche verwandeln können, aber es war nichts, das er bewusst eingeleitet hatte. Vielleicht waren die Worte ihrer Mutter nicht ganz falsch, aber richtig waren sie garantiert ebenso wenig.
"Ich war ... verletzt und fühlte mich im Stich gelassen", setzte ihre Mutter die Erklärungen fort. Sie sprach langsam und beherrscht, um nicht zu viel der alten Emotionen wieder an die Oberfläche zu bringen. Es fiel ihr nicht leicht. "Nach unserer Liebschaft, von der ich mir mehr als das erhoffte, war er nicht nur nicht dazu bereit, mich zu ehelichen, er wollte auch nicht die Verantwortung für seine Taten übernehmen. Er lachte gar und bezichtigte mich der Lüge. Ich sei gar nicht schwanger, sondern wollte ihn nur an mich und die Stadt binden, aber er wollte die Welt sehen. Sie wäre zu groß, als dass er sich nur an ein Tal binden könnte, so paradiesisch es auch sei." Es lag eine Traurigkeit in ihren letzten Worten, die auch auf ihre Haltung überging. Aquila ließ die Schultern sinken. Diese Frau hatte wirklich darauf gehofft gehabt, etwas mit Kjetell'o aufbauen zu können ... und er hatte sie zurückgelassen. Allein und mit der Verantwortung, ein Leben auszutragen und großzuziehen. Das alles erklärte jedoch nicht seine Kühle ihr gegenüber, doch darauf kam Aquila nun ebenfalls zu sprechen.
"Ich habe mich ohne ihn durchgeschlagen, ohne irgendeinen Mann, der mich hätte auffangen und unterstützen können. Ich habe dich ausgetragen, geboren, gefüttert, gewickelt und gehalten, damit du in kalten Nächten endlich das Schreien einstelltest. Ich habe in Unrat geschlafen und auf Schlaf und Essen verzichtet, damit es dir gut ging, Azura. Ich habe das alles allein geschafft!" Ihr Blick funkelte sie an, doch der Zorn darin galt nicht ihrer Tochter. Sie war wütend auf Kjetell'o, wütend auf die Welt, die ihr diese Prüfung auferlegt hatte. Aber dann wich diese Emotion einer Wärme, wie sie Aquila sonst nicht zeigte. "Und dann wurde ich für all meine Mühen belohnt. Alycide trat in mein Leben und ... er blieb. Er nahm nicht nur mich an, akzeptierte und respektierte mich. Er war auch ganz vernarrt in dich. Niemand könnte dir ein besserer Vater sein, das wusste ich, noch bevor er mir einen Antrag machte. Umso überzeugter willigte ich ein. Und dann ... kam er zurück."
Der Stoff ihres Kleides zerknitterte, als Aquilas Faust sich darum schloss. Ihre Schultern bebten unter dem Versuch, die Ruhe zu bewahren. Wenn Azura nicht wüsste, dass in ihrer Mutter keine Feuermagie wohnte, hätte sie nun aufpassen müssen, dass nicht auch sie in Flammen aufging. Oh, sie bebte und die Knöchel ihrer Fingerglieder traten weiß hervor, wohingegen sich ihre Wangen röteten.
"Er wagte es, zurückzukehren. Er stand plötzlich einfach da, während du mit deinem Vater - deinem richtigen Vater Alycide! - durch den Garten getollt bist. Und er fragte mich, ob du sein Kind wärst. Ob er dich sehen und kennenlernen könnte. Ob er sich fortan um dich kümmern dürfte. Er hätte ja so viel dazugelernt! Ha!" Der Stoff auf Höhe ihres Knies riss. Aquila achtete nicht darauf. "Jemanden wie ihn brauchtest du nicht. Ich brauchte ihn nicht und ich wollte nicht zulassen, dass er dein Leben durcheinanderbringt wie er es mit meinem getan hatte. Seine Lügen sollten nicht auch dich noch vergiften. Ich wies ihn ab, mit Schmerz im Herzen, aber bestimmt. Die nächsten Jahre zeigte er sich immer wieder. Vielleicht hast du ihn am Rand deiner Wahrnehmung gelegentlich gesehen. Als Gast auf einem der Feste, der sich entgegen all der Galane dir nie genähert hatte. Als Besucher eines Theaterstücks, zu dem wir geladen waren, von wo er dich aus den Rängen her beobachten konnte. Als Verfolger aus meiner Vergangenheit im Versuch, nicht nur meine Seele zu quälen!"
Aquilas Stimme hatte sich gesteigert und jetzt schrie sie beinahe. Stattdessen aber erhob sie sich, wanderte durch den Raum und dass ein Teil des Überwurfs über den seidigen Stoff ihres Rocks nun ein Loch besaß ignorierte sie. Ihre feinen Damenschuhe klackerten über den Parkettboden des Musikzimmers, bis sie erneut das Fenster erreichte. Der Blick hinaus in den Garten und in den Regen beruhigte sie etwas. Trotzdem stand sie lange dort, Azura den Rücken zugewandt und die Augen nicht auf die regnerische Landschaft gerichtet, sondern tief in sich hinein, wo alte Dämonen versuchten, nach ihr zu schnappen.
"Jedes Mal habe ich ihn abgewiesen. Ich habe ihm aufgezeigt, wie gut du dich entwickelst - ohne ihn, aber unter der fürsorglichen Liebe eines Vaters, den sie verdiente. Als ich ihn aufforderte, es ein für alle Mal sein zu lassen und meine Familie nicht länger zu terrorisieren, nahm er es mir übel. Ha! Als hätte er ein Recht dazu! Das war das letzte Mal, dass er sich gezeigt hatte und nun, fast fünf Jahre später, ist er schon wieder hier." Aquila senkte den Kopf. "Ich möchte endlich Ruhe vor ihm und seinen perfiden Spielchen haben." Sie wandte sich um, kehrte zu ihrem Sessel zurück. Dort ließ sie sich niedersinken, bemerkte jetzt erst das Loch in ihrem Kleid. Ihr Nähzeug befand sich oben in Azuras Zimmer. Dort, wo ihr Liebster schlief. Auf jenen kam Aquila van Ikari nun auch zu sprechen, wahrscheinlich mehr um sich von Kjetell'o abzulenken, als dass sie wahres Interesse zeigte. Andererseits war er derjenige, der mit Azura gekommen war. Ein Mann. Ein Dunkelelf. Oh doch, das Interesse an diesem Kerl war da.
"Er heißt Corax."
"Nur Corax? Besitzt er keinen Familiennamen? Er muss doch zu irgendeiner Blutlinie gehören. Du hast nicht erwähnt, dass er ein mittelloser Strauchdieb ist." Nur von solchen wusste die hohe Gesellschaft, dass sie zumeist zu arm waren, um sich überhaupt einen Namen leisten zu können. Sie verwendeten auch selten jenen, den Eltern ihnen ausgesucht hatten. Sie nannten sich Brecher, Klinge oder Witwenmacher und hielten es für besonders verwegen. Corax aber zählte nicht dazu und Azura stellte das noch einmal klar. Sie hielt an der Geschichte fest, um die Kjetell'o gebeten hatte, sie zum Schein nach außen zu tragen. Nämlich, dass sie alle im Dienst von Serpentis Mortis standen, die noch immer lebte und die Akademie zu Andunie leitete. Hier zeigte sich, dass der Shyáner Elf wirklich spielte und sogar eine ganze Stadt versuchte, zum Narren zu halten. Allerdings geschah es offenbar aus guten Motiven heraus. Zumindest machte es den Anschein. Kjetell'o hatte den Kern seiner Pläne nicht verraten.
Azura wusste aber, selbst Fäden zu ziehen. Sie würde den Rahmen der Geschichte nun nicht nur nutzen, um ihre Mutter zu überzeugen, sondern könnte es möglicherweise wirklich so umsetzen wie sie nun behauptete. Vielleicht hätte Kjetell'o in Serpentis' Gestalt wirklich die Macht, nach ihrem Ziehvater suchen zu lassen. Wenn die Feuerhexe eine derartige Order ausstellte, hinterfragte das niemand, jedenfalls nicht öffentlich. Kjetell'o und Corax würden das umsetzen können.
"Ich bin mir sicher, dass er mir helfen wird, weil ... naja... Er liebt mich." Wo Azuras Wangen eine hochrote Färbung annahmen, sie aber lächelte, da fiel die Reaktion ihrer Mutter eher nüchtern aus. Jene verzog keine Miene, sondern musterte ihre Tochter nur mit dieser gewissen Spur Skepsis im Blick.
"Er umgarnt dich also", stellte sie fest. "Und? Wirst du ihn ebenfalls ablehnen wie alle potenziellen Galane, die keine Dunkelelfen waren? Oder ist es das, was dich anzieht? Ich muss schon sagen, Azura ..." Sie brach ab, schüttelte den Kopf und sammelte sich erneut. "Nun, die Zeiten haben sich geändert, nicht wahr? Im Moment kann es sogar von Vorteil sein, wenn du einen von ihnen an deinem Rockzipfel kleben hast. Aber..." Und jetzt wurde sie ernst. "Wie steht es um dich? Liebst du ihn ebenfalls? Wärst du bereit, deine Hand in einem Eheverbund an ihn binden zu lassen? Bist du bereit, seine Kinder zu empfangen und großzuziehen? Er scheint von ansehnlichem Rang, aber ... ist er adlig? Welche Vorteile bringt er ein? Würde er dich noch lieben, wenn er erfährt, dass deine Mitgift durch die Eroberung Andunies geschrumpft ist und ohne deinen Vater nahezu unantastbar? Ich verwalte die Kontore vielleicht, aber sie befinden sich alle inzwischen in dunkelelfischer Hand. Was an Gewinn abfällt, stecken sie sich in ihre Tasche, gewähren mit nur genug zum Leben. Ich kann froh sein, dass ich unser Anwesen behalten durfte ... weil es schon restlos geplündert und für sie uninteressant geworden ist." Aquila blinzelte das Brennen in ihren Augenwinkeln fort. "Aber ohne deinen Vater, was will ich noch hier in diesem großen, leeren..." Sie räusperte sich, festigte erneut Stimme und Haltung. "Corax also, ja? Nun, ich werde wohl einen genaueren Blick auf ihn werfen müssen. Vielleicht bei einem gemeinsamen Essen? Oder sollte ich einen Ball veranstalten? Vielleicht könnte ich Kontakte zu anderen dunkelelfischen Familien knüpfen, sobald sie erfahren, dass meine Tochter sich von einem der ihren den Hof machen lassen möchte."
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Mittwoch 13. Dezember 2023, 21:08

War es nicht für gewöhnlich so, dass man selbst keinen wirklichen Blick aufs Ganze gewinnen konnte, Außenstehende jedoch schon? Jedenfalls steckte Azura noch immer mitten in ihrer derzeitigen Entwicklung drin und würde erst mit größerem zeitlichem Abstand erkennen können, was ihrer Mutter jetzt schon ins Auge stach. Noch dazu, wo sie sich, wie so viele ihres Alters, längst als erwachsen wähnte und glaubte, bereits fertig zu sein. Dass sie es nicht war, dass sie dies bis zum letzten Atemzug nicht sein konnte, weil das Leben so nicht verlief, das war ihr noch nicht bewusst. Vielleicht würde es das ja auch niemals sein.
Trotzdem sprach Aquila davon, dass sie reifer geworden war. Ob es daran lag, dass sie sich von Corax die Unschuld hatte rauben lassen? Oder daran, dass es nun jemanden gab, der ihr wichtig war und nicht mehr allein sie selbst für sie zählte? Oder waren ihre Begegnungen mit ihrer Göttin dafür verantwortlich? Womöglich eine Mischung davon, inklusive all der Erlebnisse und überstandenen Gefahren, ihrem eigenen Tod und ihre Wiederauferstehung.
Was auch immer ausschlaggebend dafür gewesen war, es hatte gewirkt und wirkte noch weiter. Brachte sie dazu, ihre Mutter zu trösten zu versuchen und ihr helfen zu wollen, mit mehr Eifer und versuchten Pragmatismus, als es früher noch möglich gewesen wäre. Schließlich war auch ihr Alycide ans Herz gewachsen, war er ihr richtiger Vater gewesen, hatte sie aufwachsen gesehen und sie nach Strich und Faden verwöhnt, so, wie eine Tochter es sich nur wünschen konnte. Doch hinzu kam das Erlebte, das ihr den Mut gab, auch möglichen finsteren Dunkelelfen zu trotzen, um ihn aus seiner Gefangenschaft befreien zu können.
Denn das war ihr wichtig, sie wollte ihn heraus holen und ihn nach Hause bringen zu seiner Gattin, damit dieses Paar wieder vereint wäre, sich gegenseitig Halt geben könnte, wenn sie... nun ja... weiter erwachsen wurde und ihre eigenen Wege ging. Ja, auch darüber dachte sie nach, wobei das nicht zwangsläufig eine Heirat beinhaltete, vielleicht dazu, aber nicht ausschließlich. Doch dafür wollte und musste sie einiges klären.
Wozu auch das Thema rund um ihren Erzeuger zählte. Er war wichtig für ihren Plan, für ihre Suche nach Hilfe. Zugleich allerdings hatte es ihr Angst eingejagt, mit welcher Kälte ihre leiblichen Eltern einander gegenüber getreten waren. Etwas, das sie beschäftigte, insbesondere, ob sie dabei einen Blick auf ihre eigene Zukunft geworfen hätte, wie es womöglich einst mit ihr und ihrem Raben sein würde, sollten sie... nicht mehr beisammen sein. Außerdem betraf es sie ja mehr oder weniger auch direkt und sie wollte lieber die Gelegenheit nutzen und zuerst mit ihrer Mutter darüber sprechen.
Also überwand sie ihr eigenes, ungutes Gefühl und stellte ihre Fragen, eine nach der anderen. Die für sie Wichtigste als erstes, denn es verursachte ihr Bauchschmerzen, dass die beiden Personen, die für ihre Existenz verantwortlich waren, sich hassen könnten. Sie mussten sich nicht lieben oder sich noch nacheinander sehnen, nach dem, was einst gewesen war. Aber sich zumindest gegenseitig ansehen zu können... sie, das Produkt, ansehen zu können und nicht unglücklich über ihre Entstehung zu sein, das wäre ihr viel wert.
Ihre Mutter war alles andere als begeistert über dieses Thema. Das konnte Azura nachvollziehen. Doch bedeutete das nicht, dass sie es ihr ersparte. Der Blick der Hausherrin war scharf und es hatte Zeiten gegeben, da hätte die Tochter sich möglichst schnell eine Ausrede einfallen lassen, um sich davon zu stehlen. Jetzt war sie mutiger, war das Anliegen von großer Bedeutung für sie, dass sie blieb. Mehr noch, sie schaffte es, diesen Blick auszuhalten und zu erwidern. Zwar flackerte der ihre, zeigte mitunter die Unsicherheit und auch kindliche Züge, aber sie wandte ihn nicht ab, sondern wartete erstaunlich geduldig auf ihre Antworten.
Und sie hörte zu, versuchte, wirklich aufmerksam zu sein und auch zu verstehen. Den Standpunkt ihrer Mutter konnte sie gut nachvollziehen, schließlich wusste sie nur zu gut um die negativen Seiten im Umgang mit Frauen, sowohl in ihren jetzigen, als auch in ihren früheren Kreisen. Viele Erinnerungen an ihre ersten Lebensjahre hatte sie nicht, jedoch war auch an ihr nicht alles spurlos vorüber gegangen und manch anderes hatte sie bei ihren heimlichen Lauschangriffen auf ihre Eltern später manchmal zu hören bekommen. Außerdem stand sie Aquila sehr nahe, trotz ihrer Differenzen in den letzten Jahren und der versuchten Strenge, die sie in die Erziehung hatte miteinbringen wollen, weil Alycide es an dieser hatte mangeln lassen. Da war es für sie nur natürlich, dass sie sich auf die Seite ihres Gegenübers stellte und Verständnis für ihr Handeln und ihre Ansichten aufbrachte.
Allerdings hatte auch der Waldelf eine gewisse Neugier in ihr entfacht und wenn sie schon einmal die Möglichkeit hatte, ihn ebenfalls ein bisschen kennenlernen zu können... Obwohl er das Gegenteil behauptete und glaubte, hatte sie sich noch nicht entschieden, wie sie zu einem Kontakt zu ihm stand. Hinzu kam Venthas Forderung, dass sie lernen und ihre Magie endlich schulen sollte, und da könnte er ihr wahrscheinlich schon helfen. Es würde sich also noch weisen müssen...
Im Moment hingegen hörte sie zu und wollte keinen Entschluss treffen, sondern Wissen sammeln. Endlich klärte ihre Mutter sie auf und Azura atmete auf. Ein kleines, dankbares Lächeln umspielte ihre Lippen und sie nickte. "Eventuell kommt das Verzeihen... irgendwann.", murmelte sie vage und wusste selbst nicht, ob es ihr ein Anliegen wäre oder nicht. Auch das würde und könnte wohl erst die Zeit zeigen.
Anderes hingegen wollte sie gleich wissen und fragte auch danach. Es tat ihr leid, die Hausherrin damit quälen zu müssen, doch sie spürte, dass es einfach soweit war. All die Jahre lang hatte sie dazu geschwiegen, hatte sich mit ihrer Neugier zurück gehalten. Umso mehr drängte diese nun an die Oberfläche und ließ sich nicht länger ignorieren. Und die junge Frau ließ sich nicht so leicht abwimmeln.
Auch ihre Mutter schien das einzusehen und gab sich geschlagen, wollte ihr die Wahrheit über die Vergangenheit erzählen. Wenngleich Azura flüchtig grinste. "Oh, ich werde ihn ausquetschen. Wie eine Zitrone. Und das sehr, sehr gründlich.", murmelte sie zu sich selbst und verspürte dabei einen Anflug von Schadenfreude.
Schließlich kannte sie ihre eigene Neugier und ihre Fähigkeit, anderen mit ihren Fragen und ihrer Hartnäckigkeit auf die Nerven zu gehen. Warum sollte sie das bei ihrem Erzeuger anders handhaben, nur, weil er erst jetzt in ihr Leben getreten war? Oh nein, er würde dadurch höchstens noch mehr leiden, das hatte er so verdient! Gedanklich rieb sie sich schon die Hände und fragte sich unwillkürlich, wie lange es wohl bis zu seiner nächsten Selbstentzündung dauern würde. Sobald sie loslegte, würde sie wohl einen Eimer voll Wasser in der Nähe haben müssen, mindestens! Und jede Menge Ersatzkleidung!
Rasch schob sie diese Gedanken beiseite, um ihrer Mutter weiter zuhören zu können. Schlagartig wurde sie wieder ernst und musste an die Situation in dem Turmzimmer denken, mit ihr und der Sarmaerin und wie er sie für seine Zwecke hatte einsetzen wollen. Langsam nickte sie und richtete ihren eigenen Blick ebenfalls zum Fenster und auf die Tropfen, die auf der Glasaußenseite herab liefen. "Er hat gerne die Fäden in der Hand und bleibt im Hintergrund, das ist mir schon aufgefallen.", erwiderte sie mit einem leisen Seufzen, blinzelte und sah ihre Mutter wieder an. "Ich bin vorsichtig, Mama.", sagte sie ernst und meinte auch so.
Was hingegen nicht laut aussprach, war, was sie sich dazu noch dachte: Nämlich, dass sie hoffte, dass zur Not Corax auf sie aufpassen würde. Wobei... der hatte ja eine noch höhere Meinung über ihren Erzeuger. Das könnte noch schwierig werden... Aber das war eine Konstellation, über die sie lieber nicht nachdenken wollte, schon gar nicht jetzt, wo sich ihre Mutter endlich zu öffnen begonnen hatte.
Aufmerksam hörte Azura zu, versuchte, sich auf die Worte zu konzentrieren und sich lieber nicht vorzustellen, wie ihre Eltern intim miteinander geworden waren, um sie zu zeugen. Trotzdem presste sie zwischendurch immer wieder die Lippen fest aufeinander, um ihr Gegenüber nicht zu unterbrechen, als müsse sie Angst haben, den Rest danach nicht mehr hören zu können, wenn sie den Fluss stoppte.
Sie hatte Mitleid mit Aquila, konnte sich nur zu gut in deren Position versetzen und sich vorstellen, wie diese damals junge Frau sich mehr erträumt hatte, als sie in der Realität erhalten hatte. Wäre ihr Rabe ein anderer Charakter und ohne seiner Verstümmelung... es erginge ihr wohl ähnlich. Wiederholte sie gerade die Fehler ihrer Mutter? Hatte ihr Erzeuger ihr damals auch gesagt, dass er sie lieben würde, nur, um sie dann zu verlassen, nachdem er gehabt hatte, was er wollte? Ein Klumpen bildete sich in ihrem Magen und wollte sich nur schwer ignorieren lassen. Warum nur waren Liebe und Leidenschaft so kompliziert?
Indes widmete sich ihre Mutter kurz den Schwierigkeiten, vor denen sie als alleinerziehende, unverheiratete Frau gestanden hatte. Sorgte mit dieser schlichten, sachlichen Schilderung dafür, dass sich Azuras Kehle zusammen schnürte und sie hastig ihren Blick senkte, um die aufsteigenden Tränen hinter ihren Lidern zu verbergen, die ihr zu kommen drohten. "Es tut mir leid, Mama...", hauchte sie kaum hörbar.
Wobei sie nicht so sehr ihre eigene Existenz meinte, denn durch ihren Ausflug in die Geisterwelt schätzte sie es umso mehr, leben zu können. Nein, sie hatte erkannt, dass sie als Kind es ihrer Mutter viel schwerer gemacht hatte, als es notwendig gewesen wäre, und deswegen regte sich ihr schlechtes Gewissen immer stärker. Umso mehr, wenn sie sich vorstellte, dass die andere gehungert und gefroren haben könnte, um stattdessen sie versorgen zu können. Ihr wurde ganz elend zumute.
Doch die Hausherrin war noch nicht fertig mit ihrer Erzählung und schaffte es damit, ihr Kind aus aufsteigender Verzweiflung zu holen, ehe diese zu stark werden konnte. Nun wurde es richtig spannend, nach der kurzen Erleichterung über Alycides Auftreten. Abrupt hob die junge Frau wieder ihren Kopf und machte große Augen. "Wie... zurück?", hauchte sie und konnte kaum verarbeiten, was das bedeuten könnte.
Ihre Mutter litt und dennoch fuhr sie fort. Dabei wurden ihre Augen noch größer, konnten beinahe schon als kugelrund bezeichnet werden, und irgendwann klappte ihr sogar der Mund auf. Azura war... sprachlos. Es kam nur äußerst selten vor, aber dieser Moment gehörte eindeutig dazu.
Nach einiger Zeit, als Aquila aufgestanden war und angefangen hatte, unruhig auf und ab zu laufen, blinzelte sie und kehrte allmählich aus ihrer geistigen Verwirrung zurück. Hatte sie das richtig verstanden? Ihr Erzeuger hatte sich seit einigen Jahren um Kontakt zu ihr bemüht? Und ihre Mutter hatte das abgelehnt, hatte sie geschützt und unwissend aufwachsen lassen, mit einem Vater, der sie nach Strich und Faden verwöhnt hatte, ohne je etwas von ihr zu verlangen?
Was... sollte sie davon halten? Sollte sie wütend auf Aquila sein? Ja... vielleicht... nur... das konnte sie nicht. Nein, trotz der ganzen Tragweite, die ihr noch nicht einmal völlig bewusst sein konnte, konnte sie die Hausherrin verstehen.
Diese kehrte in der Zwischenzeit zurück und ließ sich in einen Sessel fallen. Azura zögerte kurz, dann erhob sie sich und trat mit pochendem Herzen näher, um neben dem Möbel auf die Knie zu sinken und die Hand ihrer Mutter zu ergreifen, um sie zu halten. Von unten sah sie zu ihr herauf und bemühte sich, ihre eigenen Tränen ebenso zu schlucken wie ihre Gefühle im Zaum zu halten.
"Mama... du wolltest mich schützen, weil er dich enttäuscht hat. Und du wolltest dich wahrscheinlich selbst schützen. Ich hatte eine schöne Kindheit und es gibt für mich nur einen Vater.", stellte sie klar und drückte sanft die Hand. "Aber ich bin mir nicht sicher, ob er dich wirklich quälen wollte mit seinen Besuchen.", fuhr sie behutsam fort und wartete erst einmal die Reaktion ihrer Mutter ab.
Erst danach ließ sie diese los und setzte sich wieder auf das Sofa, wenngleich ans Eck, um ihr weiterhin nahe sein zu können. Nun war es an ihr, einige Antworten zu liefern. Schon die erste hatte direkt ein Nachhaken zur Folge und ließ sie bis in die Haarspitzen erröten.
Oh, was war sie dumm gewesen! Auch ihre Mutter war in diese Welt des Adels in den letzten Jahren hinein gewachsen und hatte gelernt, sich darin zu bewegen, zu wissen, was von Bedeutung war.
Azura biss sich auf die Unterlippe und senkte kurz den Blick, um im nächsten Moment die Schultern zu straffen und ihr Gegenüber wieder anzusehen. "Er nennt sich Rabenschrey, Corax Rabenschrey. Er kommt aus einem reichen Elternhaus." Das hatte sie zu erkennen geglaubt in jenem Traum, der ihr noch immer kalte Schauer über den Rücken jagen konnte bei der Erinnerung daran. Nur nicht daran denken, nicht jetzt! Sie zuckte mit den Schultern.
"Mehr habe ich ihn dazu nicht gefragt, weil es... sich nicht ergeben hat. Aber er ist nicht mittellos und auch kein Strauchdieb!", verteidigte sie ihn und musste sich auf die Zunge beißen, um nicht noch mehr dazu zu sagen. Oder gar zu grinsen, weil er für sie so viel mehr war und durchaus verrucht sein durfte. Nein, das war nicht die geeignete Gesellschaft für Bilder von schwarzgewandeten Rabenprinzen! Hoffentlich verriet ihr dennoch wild hämmerndes Herz sie nicht. Das wäre einfach nur peinlich!
Um sich selbst davon abzulenken, wiederholte sie jene Mär, die sich die Männer während ihrer Bewusstlosigkeit zurecht gelegt hatten, denn sie barg viele Möglichkeiten bei der Suche nach ihrem Vater. Oh, es musste einfach gelingen!
Und weil sie das als bestes Argument fand, irgendwo in ihrer Seele war sie dann trotz allem auch romantisch, führte sie Corax' Gefühle an. Während sie errötete, hielt ihre Mutter... nun ja, nicht sonderlich viel davon. Stattdessen stellte sie viel zu trocken und nüchtern das Offensichtliche fest.
Ihre Gesichtsfarbe schwankte zwischen entsetztem Erbleichen und verlegenem Erröten. "Mama!", keuchte sie und schüttelte heftig den Kopf. "Das... das hat doch noch alles Zeit...", nuschelte sie und wand sich vor lauter Verlegenheit, senkte den Blick, ließ ihn durch den Raum wandern und wusste offensichtlich nicht, wohin mit sich.
Schließlich griff sie nach einem Knopf auf ihrer Jacke und begann, damit zu spielen. "Ich... ich... Er ist mir wichtig und ich will nicht, dass irgendjemand ihm weh tut.", gestand sie leise und linste unsicher zu ihrer Mutter. "Ist das schon Liebe...?", fragte sie, mit einem Mal wieder wie ein Kind, denn sie wusste die Antwort nicht.
Sie hatte jedoch auch Angst davor, weil eine negative Antwort so viel zerstören könnte. Nur... mit wem sollte sie sonst darüber reden, wem sich anvertrauen?
Indes fuhr Aquila unerbittlich fort und zählte alles auf, was für einen potentiellen Partner in ihren Kreisen sprach... oder eben nicht. Azura begann, sich darunter zu winden und ihr wurde regelrecht schwindelig bei all diesen Ansprüchen. Bis es ihr zu viel wurde. "Mama, Schluss, Halt!", bat sie und hob die Hände, um sich die Fingerspitzen gegen die Schläfen zu drücken.
Tief atmete sie mehrmals durch und versuchte, sich zu entspannen. Als ihr das halbwegs gelungen war, sie ihre Fassung zurück gewinnen konnte, ließ sie ihre Hände wieder sinken und griff nach denen ihrer Mutter, um sie bittend anzusehen. "Langsam, ja? Bitte, lass... lass uns zuerst sehen, wie wir Vater helfen können. Danach... danach können wir über..." Sie schluckte und leckte sich über die ausgedörrt sich anfühlenden Lippen. "... über Corax und mich reden. In Ordnung? Bitte, eines nach dem anderen." Eindringlich sah sie ihr Gegenüber an und hoffte, dass sie die andere damit tatsächlich bremsen könnte.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Freitag 15. Dezember 2023, 03:10

Aquila sprach von Reife. Azura konnte den Grund für ihre Entwicklung nicht benennen, vermutete aber, dass ein Gemisch aus Erfahrungen dafür verantwortlich gemacht werden konnte. Jetzt kam es ihr zu Gute, denn sie dachte nicht nur an ihren eigenen Verlust durch die Verschleppung ihres Ziehvaters. Sie wollte ihn nicht nur für sich zurückholen, sondern vordergründig für ihre Mutter. Mit Corax hatte Azura nun selbst erste Liebe erlebt - körperlich wie geistig, denn ihr Rabe hatte eine Priorität in ihrem Herzen eingenommen, derer sie sich nur ansatzweise bisher bewusst war. Dennoch hatte es ausgereicht, dass sie ihm die magischen Worte hatte zurückgeben können, bei denen er inzwischen nicht müde wurde, sie immer und immer wieder auf sie niederregnen zu lassen. An Bedeutung verloren sie dadurch nicht, im Gegenteil. Nun, da Azura wieder schön und frisch war, könnte sie zurück zu ihm. Sie könnte ihren Schoß noch einmal für ihn öffnen, ihn empfangen wie bei ihrem geisterhaften Besuch und dieses Mal im Wachzustand zu Ende bringen, wobei sie durch sein Erwachen aus dem Schlaf unterbrochen worden war. Sie wollte es erneut erleben, wollte diese Liebe spüren und sich danach in seinen Arm kuscheln und seine Nähe genießen. Sie wünschte sich das für sich, aber sie wünschte ihrer Mutter eben solche Freude. Mit Alycide könnte sie diese wieder erleben. Mit Kjetell'o, Azuras Erzeuger und Vater, würde es wohl nicht einmal mehr zu einem freundlichen Gespräch kommen. Beide hatten sich wahrlich angegiftet, aber hierbei erschreckte Azura vor allem das Verhalten des Elfen. Er war so kalt und distanziert gewesen. So ... abweisend.
Der Tochter blieb nichts Anderes übrig, als die Mutter mit der Frage zu konfrontieren, ob sich zwischen ihr und Kjetell'o echter Hass aufgebaut hatte. Azura verlangte keine Versöhnung und gewiss nicht, dass Aquila zu dem Elfen zurückfände. Sie war mit Alycide glücklich und so sollte es bleiben. Dennoch schwelte auch in Azuras Herzen diese Sorge, die in jedem Kind wohnte, dessen Eltern einander nicht mehr mochten: War sie schuld? War sie überhaupt geliebt von beiden und könnte es wenigstens so weit kommen, dass sie zu dritt zusammensäßen, ohne sich gegenseitig im Kopf abstechen zu wollen? Ihre Mutter erzählte ihre Geschichte und je mehr sie ausholte, um so mehr wünschte Azura sich doch ein näheres Verhältnis zu Kjetell'o aufbauen zu können. Wie aus allen Wolken aber fiel sie heraus, als Aquila davon sprach, dass der Elf schon früher versuchte hatte, die Bande zu seiner Tochter zu finden. Sie erzählte von zahlreichen Abweisungen und stellte die Situation ungeschönt dar. Aquila hatte die wiederkehrenden Besucher von Azuras biologischem Vater nicht nur als lästig empfunden. Es war herauszuhören, dass mit fortschreitenden Jahren Angst zu einem Teil ihres Alltags geworden war, wann immer der Elf sich erneut blicken ließ. Sie fühlte sich verfolgt und fürchtete nicht nur um sich selbst, sondern auch um ihr Kind. Ein Kind, das mit einem Ziehvater fröhlicher hatte aufwachsen können als jemals an der Seite eines Spitzohrs, der viel zu spät die Verantwortung für seine Taten hatte übernehmen wollen. Und Aquila konnte es ihm nicht verzeihen. Weder, dass sie von ihm im Stich gelassen wurde und ein Kind - damals noch in ärmlichen Verhältnissen - zur Welt bringen und pflegen musste, noch dass er dann erneut auftauchte, um sie zu terrorisieren, anstatt die alten Bande endgültig zu kappen, um das Kapitel abzuschließen.
"Eventuell kommt das Verzeihen ... irgendwann."
Aquila van Ikari seufzte nicht hörbar aus, aber ihr Blick sprach Bände. Außerdem schüttelte sie leicht den Kopf über die Naivität der Jüngeren, verzieh jedoch wenigstens das. Die Jugend! Irgendwann würde Azura schon verstehen. Aquila wünschte es ihr nicht, denn ein solches Verständnis war mit Schmerz und vielen Tränen verbunden. Dennoch existierte Hoffnung. "Vielleicht...", sprach sie nämlich aus, wenn auch zaghaft. "Falls er noch immer gedenkt, Alycide zu mir zurückzubringen. Dann ... vielleicht ... vielleicht aber auch nicht." Aquila konnte Kjetell'o keinen Kontakt mehr zu ihrer Tochter anbieten, denn diesen hatte der Elf sich bereits erschlichen. Sie ahnte ja nicht, dass er vor dem Ritual drauf und dran gewesen war, es aufzugeben im Glauben, Azura wünschte es nicht. Auch er hatte sich entwickelt. Er sah ein, dass er ihr wohlmöglich das gleiche antat, was er Aquila die letzten Jahre beschert hatte und erkannte, dass es nicht zum Ziel führte. Es brachte ihm nichts ein, würde er immer und immer wieder einen Versuch starten, sein Kind etwas enger an sich zu binden. Wenn sie es ablehnte, musste er das akzeptieren. Auch davon hatte sich die Kälte genährt, die er beim Zusammentreffen mit Aquila an den Tag gelegt hatte. Für Kjetell'o gab es aus seiner Sicht keine Chance mehr, Nähe zu seinem eigen Fleisch und Blut aufzubauen, ohne die Mutter und vielleicht auch die Tochter selbst zu verstimmen. Doch gewiss half er. Denn er wünschte sich Azuras Glück. Das hatte er bewiesen, indem er trotz aller Differenzen das Ritual mit ihr und Corax durchgeführt hatte. Ja und da war noch Corax. An ihm besaß er Interesse. Wie Azura schon ihrer Mutter mitgeteilt hatte, würde Kjetell'o sich darauf einlassen zu helfen, weil es ihm ansonsten den Zugang zum Raben ebenso verwehrte. Falls er diesen verlor, könnte er sein Tarnspiel als Serpentis Mortis vergessen. Er konnte gar nicht ablehnen!
Doch Azura würde sich ebenso hüten müssen. Aquila riet ihr das. Sie sah nichts Anderes hinter Kjetell'o als Ränkespiele und Manipulation. Sie glaubte nicht, dass er es mit ihrem Kind aufrichtig meinte. Er führte etwas im Schilde und sie fürchtete sich davor, dass Azura bereits jetzt so viel Zeit mit ihm verbracht hatte. Das hatte Kjetell'o Gelegenheit gegeben, ihren Geist zu verwirren.
"Er hat gerne die Fäden in der Hand und bleibt im Hintergrund, das ist mir schon aufgefallen. Ich bin vorsichtig, Mama."
"Traue ihm nicht", wiederholte sie nur, aber mit hartem Tonfall. Sie war so verletzt, dass es wirklich Alycide wohlauf benötigte, dass sie überhaupt an ein Verzeihen dachte. Aquila beherrschte sich auch jetzt, ihrer Tochter zuliebe. Ansonsten wäre sie wohl erneut mit der Bratpfanne aufgesprungen, um Kjetell'o nackt aus dem Haus zu prügeln.
"Es tut mir leid, Mama..." Azura wisperte es nur, aber bis auf den Regen dämpfte nichts ihre Stimme. So hörte Aquila sehr gut, was ihr Kind da murmelte. Jetzt seufzte sie hörbar, streckte ihrerseits die Hand nach Azuras aus und drückte einmal sanft. Fest war hingegen ihre Stimme. Fest, bestimmt und überzeugt. "Nein, Azura. Dir muss nichts leid tun. Bei allem, was geschehen ist, warst du es, die mich zum Weitermachen motivieren konnte. Jeder Blick aus deinen kindlichen Augen, jedes Lachen von dir, jeder kleine Zeh, der sich mir entgegenstreckte vor all den Jahren..." Sie lächelte wie nur eine Mutter es konnte. "Nein, dir muss überhaupt nichts leid tun", wiederholte sie.
Dann lehnte sie sich zurück, neigte den Kopf und in ihren Augen blitzte es auf. Aquila van Ikari besaß Humor, zeigte ihn aber nur versteckt. Man musste schon zwischen den Zeilen lesen oder sie gut kennen, um ihre Scherze als solche zu deuten. "Außer vielleicht die Tatsache, dass du dich manchmal ein wenig zu sehr von deinem Vater verwöhnen lässt und dafür dein Studium schleifen lässt. Achja ... wir werden einen neuen Hauslehrer für dich finden müssen, vorausgesetzt, ich kann ihn mir leisten. Solange dein Vater nicht zurück ist, sind wir ... jenseits unseres alten Status." Sie besaßen ein Anwesen, größtenteils noch möbliert. Sie besaßen nach wie vor Kleidung, Wärme und Nahrung, aber für noble Festlichkeiten, Kutschfahrten zum Hafen oder in die Stille Ebene, Reit- und Musikstunden oder die Jagd mit ihren Falken würde es gewiss nicht mehr reichen. Die Dunkelelfen hatten sich einen Großteil von Alycides Vermögen unter den Nagel gerissen. Solange er fehlte, könnten sie definitiv nicht darauf zugreifen. Und selbst wenn Kjetell'o Kontakt suchte ... er schien nicht von adligem Stand zu sein. Außerdem war zu bezweifeln, dass Aquila van Ikari überhaupt auf die Idee käme, sich von ihm finanziell unterstützen zu lassen. Sie sähe wohl Almosen darin, verbunden mit einer Abhängigkeit, die der Elf aus ihrer Sicht gewiss einfordern würde. Er tat alles, um sie weiterhin zu manipulieren. Da war Aquila festgefahren in ihren Ansichten.
"Mama ... du wolltest mich schützen, weil er dich enttäuscht hat. Und du wolltest dich wahrscheinlich selbst schützen." Die Mutter schwieg, doch ihr Mund nahm wieder die Form einer schmalen, blutleeren Linie an. "Ich hatte eine schöne Kindheit und es gibt für mich nur einen Vater. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er dich wirklich quälen wollte mit seinen Besuchen."
"Genug! Reden wir nicht mehr über ihn." Aquila winkte energisch ab. Mehr ertrug ihr Herz nicht. Sie ertrug ihn nicht. "Erzähl mir von ... deinem ... Liebhaber", versuchte sie, das Thema zu wechslen. Natürlich wollte sie sofort Namen wissen. Azura hatte ihn als engsten Vertrauten der Feuerhexe Serpentis vorgestellt. Folglich dachte Aquila daran, dass er dann auch einen entsprechend noblen Stand in der Gesellschaft haben müsse und erwartete nun einen angesehenen Namen. Mit Rabenschrey konnte sie allerdings nichts anfangen. Ihre Brauen zogen sich zusammen. "Das klingt nicht ansatzweise adlig", urteilte sie nüchtern. "Ich habe zwar keinen Kontakt zum dunklen Adel bis auf jene, die nun alle Geschäfte deines Vaters führen, aber ... ihre Namen besitzen nicht dieses ... Rabenschrey, das hört sich unheimlich und leidvoll an. Wer möchte schon nach dem Ruf eines Todesboten benannt sein?" Sie kehrte zur Sachlichkeit zurück, denn das beherrschte sie. "Glaubst du, wir können ihn überreden, dass er unseren Namen annimmt, sobald er dich ehelichen wird? Corax van Ikari hört sich gut an und wir könnten uns sogar in der dunklen Gesellschaft etablieren, selbst als Menschen."
Azura ging das zu schnell. Sie hatte Corax' Liebe doch gerade erst erwidert und sie wollte ihn zunächst ein wenig für sich haben. Außerdem gab es da noch diesen seltsamen Doppelgänger und den Namen Faelyn auf dem Beutel. Der Name eines Adelshauses, wie ihr Liebster zu berichten gewusst hatte. An Heirat dachte die Erbin der van Ikaris noch lange nicht - wie üblich. Sie war sich ihrer Gefühle ja noch nicht einmal sicher.
"Ich ... ich ... Er ist mir wichtig und ich will nicht, dass irgendjemand ihm wehtut. Ist das schon Liebe?"
"Hm." Aquila musterte ihr Kind. "Wie wichtig?", hakte sie nach. "Wärst du bereit, blind alles für ihn zu tun? Dein Leben zu geben? Dann ist es keine Liebe, Azura. Das nennt man Abhängigkeit. Verlier dich nicht für einen anderen. Nicht einmal Alycide würde von mir verlangen, mich selbst für ihn zu opfern. Liebe bewegt sich auf gemeinsam Pfaden und ordnet keinen Partner dem anderen unter. Er darf dir nicht zu wichtig sein. Nicht so sehr, dass du dein eigenes Glück dafür aufgibst. So ... und nun sag mir, wie wichtig er für dich ist." Sie lauschte, hatte darüber hinaus aber noch einen weiteren Hinweis zu geben, wobei sie mit Pragmatismus nicht sparte, denn so war sie. "Natürlich bewegen wir uns in Kreisen, bei denen du von Glück reden kannst, wenn du dich mit deinem Künftigen verstehst. Es muss keine Liebe mit im Spiel sein, aber sie würde vieles leichter machen. Vor allem ... nun ... die Hochzeitsnacht. Vielleicht wird es Zeit, dass wir darüber sprechen, wenn du dir endlich einen Galan erwählt hast. Er wird ... Dinge von dir fordern. Körperliche Dinge, die zu ... nun ... Kindern führen könnten. Beim ersten Mal tut es sogar weh, aber da musst du die Zähne zusammenbeißen und dich vor allem entspannen. Es wird mit der Zeit ... nun ... besser. Mit dem richtigen Mann kann es sogar angenehm sein." Sie schmunzelte, denn sie sagte oft, dass sie mit Alycide den richtigen Gatten an ihrer Seite besaß. Das bezog sich wohl auch auf das Ehebett. "Außerdem wird es zu deinen Pflichten gehören, deinem Künftigen beizuliegen. Denn wenn sich seine Lanze hebt, dann auch die Stimmung, sofern du mit ihr umzugehen weißt." Sie kicherte, räusperte sich anschließend aber. "Ich hatte mir unser Mutter-Tochter-Gespräch unter anderen Umständen vorgestellt, aber ich schätze, nun ist eine gute Zeit dafür. Und vielleicht ist Corax Rabenschrey sogar der Glückliche, der ... deinen andunischen Apfel pflücken darf."
Dass er sich längst an Azuras gesamtem Obstgarten bedient hatte, ohne Nährboden für eine neue Frucht zu hinterlassen, konnte Aquila nicht ahnen. Sie hielt Corax eindeutig für einen von vielen, mit denen ihre Tochter bisher gespielt hatte. Wie sollte sie auch anders denken? Azura hatte nie einen Mann so nah an sich herangelassen und das war gut so. Schließlich machte es vieles komplizierter, eine unreine Tochter an den Mann zu bringen. Und dass Azura dieses Thema nun eigentlich nicht anschneiden wollte, interessierte sie gerade wenig. Sie hob einen Finger an. "Natürlich! Eines nach dem anderen, doch solange ... er nicht wieder erwacht ist, kann ich ohnehin nicht viel für deinen Vater tun. Da bin ich leider auf unliebsame Gäste angewiesen. Nutzen wir also die Zeit, bis sein Schönheitsschlaf beendet ist und klären dich über die Pflichten auf, die mit einer tiefergehenden Beziehung einhergehen. Wer weiß, vielleicht passt du sogar in mein altes Brautkleid hinein!"
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Dienstag 19. Dezember 2023, 11:35

Während sie den Großteil ihres Lebens vor Augen geführt bekommen hatte, wie schön es sein konnte, mit dem richtigen Mann an der Seite glücklich und geliebt zu werden, war es für sie eine umso entsetzlichere Erfahrung, dass ihre leiblichen Eltern genau das gegenteilige Verhältnis zueinander zu haben schienen. So sehr sie die Position ihrer Mutter nachvollziehen konnte, war es für sie schwer zu ertragen, sie dermaßen kalt und abweisend zu erleben. Das kannte sie von ihr nicht.
Umso größer war entsprechend ihr Bedürfnis zu verstehen, wie es soweit hatte kommen können, denn das betraf auch sie persönlich. Nicht nur ihre Herkunft, wenngleich sie keine Ansprüche daran stellte, dass diese beide Personen jemals wieder ein Paar werden würden. Diese Art von kindlicher Romantik verlor man rasch in einer Welt, in der Kinder hauptsächlich aus reinem Zweck gezeugt und geboren wurden. Außerdem hing ihr Herz an dem Mann, der sie stattdessen mit großgezogen hatte und den wollte sie ebenfalls nicht verlieren. Nein, in dieser Hinsicht wünschte sie sich lediglich ein neutrales Miteinander, sollte sie den Waldelf tatsächlich weiterhin in ihr Leben lassen. Oder gar mit ihm weiter ziehen, um zu lernen... Das wusste Azura jedoch jetzt definitiv noch nicht.
Dafür aber war ihr klar, dass sie niemals erleben wollte, dass Corax und sie derart kalt aufeinander reagieren würden, wenn ihre Liebe einst erlöschen mochte. Deswegen wollte sie erst recht wissen, was passiert war, um diesen Weg vielleicht nicht selbst beschreiten zu müssen. Oder damit sie es wenigstens versuchen könnte...
Dadurch also gewann sie den Mut und die Kraft, endlich die Vergangenheit von ihrer Mutter erfahren zu wollen. Was sie zu hören bekam, war nicht einfach für sie zu verkraften und bis vor wenigen Wochen hätte sie gänzlich anders darauf reagiert auf jene Wahrheit. Sie wäre aufgebraust und hätte vermutlich so einiges gesagt, das unnötig verletzt hätte, um danach zu schmollen und dennoch nicht die Einsicht zu finden, dass sie sich dafür hätte entschuldigen müssen.
Jetzt allerdings... da verhielt sie sich ungewöhnlich verständnisvoll und aufmerksam, so, wie man es sich von einer jungen Frau ihres Alters auch erwarten konnte. Sie konnte sich in die Position ihrer Mutter versetzen und auch nachvollziehen, warum diese eine spätere Kontaktaufnahme unterbunden hatte, schließlich waren sie beide sich recht ähnlich. Was nicht hieß, dass sie es tatsächlich in vollem Umfang gut hieß oder bei diesem status quo belassen wollte.
Das sagte sie auch und merkte, dass die Hausherrin um einiges desillusionierter war in dieser Hinsicht. Natürlich, sie lebte schon viel länger damit. Trotzdem nickte sie bekräftigend. "Er wird helfen. Sonst..." Sie zuckte mit den Schultern und seufzte lautlos. "... sonst wären wir nicht hier." Was zwar nicht unbedingt aus diesem Grund geschehen war, aber im Prinzip dennoch stimmte, weil sie ansonsten noch immer eine wandelnde Leiche wäre und sich nicht hierher gewagt hätte.
Schon einmal hatte der Waldelf ihr geholfen, obendrein hatte er auf ihre Bitte hin Boten ausgeschickt, um diesem Doppelgänger ihres Raben näher zu kommen und etwas über ihn herausfinden zu können. Und er hatte von sich aus erwähnt, dass er ihren Stiefvater suchte. Somit wollte und würde sie hartnäckig bleiben, um letzteres auch wirklich zu erhalten, noch dazu, wo sie ihn für ihren vagen Plan in Gestalt der Hexe benötigte. Sollte er das jedoch ablehnen... Nun, zur Not würde auch sie diese Rolle einnehmen, aber dafür bräuchte sie mehr Informationen, um sich in diese Rolle einzufinden, und das würde mehr Zeit benötigen. Nein, besser, er half ihr weiterhin. Ein Hauch einer Idee lauerte in ihrem Hinterkopf, was sie ihm als Gegenzug anbieten könnte, sollte er es nunmehr ablehnen, wenn er wieder bei Sinnen wäre.
Auch wenn es soweit noch nicht war, ebenso, wie Aquila noch nicht zu Ende gesprochen hatte. Natürlich wollte sie auf der Hut vor ihrem Erzeuger sein. Schließlich hatte sie selbst schon erlebt, wie er sie in eine Richtung zu locken versuchte, ohne ihr mehr als nötig preiszugeben. Doch so funktionierte das nicht, dazu war sie viel zu stur und gewöhnt, alles zu bekommen, was sie wollte. Was ihr in dieser Hinsicht mehr Sorgen bereitete, war Corax. Er war so leicht zu manipulieren, so verletzlich, dass sie ihn beschützen wollte vor alles und jedem, sogar vor sich selbst.
Aber daran wollte sie jetzt lieber nicht denken. Es rückte ohnehin in den Hintergrund, als ihre Mutter die Mühen erwähnte, die sie ihr bereitet hatte. Was sie wiederum zu jenem Punkt brachte, den sie schon vorhin hatte aussprechen wollen, es jedoch nicht über sich gebracht hatte. Entsprechend kamen ihr, wie ein Hauch, jene wichtigen Worte über die Lippen, die sie viel zu selten gebraucht hatte in ihrem bisherigen Leben.
Ihre Hand wurde daraufhin ergriffen und sanft gedrückt. Azura blinzelte die aufsteigenden Tränen weg und sah ungewohnt scheu auf. Es tat gut zu hören, was nun folgte, und zugleich nährte es ihr schlechtes Gewissen nur umso mehr. Solange, bis sie seufzend ein weiteres Mal den Kopf hängen ließ. "Dabei war ich so ein schreckliches Kind... und das tut mir leid...", murmelte sie konkreter und wischte sich verstohlen, die Träne aus dem Augenwinkel, die nicht länger sich zurückhalten lassen wollte.
Im nächsten Moment geschah etwas Ungewöhnliches, das diese Gefühlsregung sofort wieder versiegen und sie aufblicken ließ. Ihre Stirn runzelte sich leicht und sie legte den Kopf schief. "Mama... Ein neuer Hauslehrer, ernsthaft? Dafür bin ich doch schon längst zu alt!", beschwerte sie sich.
Ehe sie mit den Schultern zuckte. "Ich glaube, diesen alten Status brauchen wir im Moment auch nicht, oder? Sobald Vater wieder hier ist, wird er alles zu regeln wissen und dann wird sich zeigen, ob wir überhaupt dorthin zurück kehren oder... hm... ein wenig einfacher leben?"
Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Wurde sie nun auch noch krank?! Noch nie hatte sie auf den Luxus, der ihr als van Ikari geboten worden war, verzichten wollen! Nur seit ihrer Entführung hatte sie zu schätzen gelernt, was es hieß, mit dem Grundlegendsten wie Essen und Kleidung versorgt zu sein. Vielleicht... vielleicht wurde sie allmählich bescheiden? Nein, das ginge zu weit! Oder...?
Seufzend deutete sie ein Kopfschütteln an und kniff sich in die Nasenwurzel, weil es hinter ihrer Stirn leicht zu hämmern begann, wie als Ankündigung auf etwas, das noch viel unangenehmer ausufern könnte. Vor allem, da sie einen Namen kannte, dessen Träger sich ihr als Lehrer längst angeboten hatte, unabhängig von der Bezahlung. Doch dies zu erwähnen, war definitiv der falsche Moment.
Stattdessen beschlich sie das Gefühl, dass sie das Gewissen ihres Gegenübers in Bezug auf deren Entscheidungen beruhigen wollte. Also fasste sie ihre Ansicht zusammen und erhielt als Ergebnis einen Themenwechsel, der dazu angetan war, sie ordentlich ins Schwitzen zu bringen. Mit einem Mal drehte sich ihr Gespräch um Corax und sie musste Rede und Antwort zu ihrem Liebsten stehen. Sie wand sich innerlich und das Pochen zwischen ihren Schläfen wurde stärker.
Natürlich achtete ihre Mutter auf Namen und Stand und Ansehen. Wie hatte sie das nur außer Acht lassen können? Warum hatte sie sich gedanklich nicht besser darauf vorbereitet und es in ihrem Geist mehrfach durchgespielt, um stets eine passende Erwiderung parat zu haben, um ihn zu verteidigen und in den Augen der anderen gut dastehen zu lassen, ohne lügen zu müssen? Jetzt war es zu spät dafür, sodass sie innerlich nur seufzen konnte.
Bis sie kurz aufmerkte. "Was hast du gegen Raben? Sie sind wunderschöne, kluge Tiere, großartige Räuber!", verteidigte sie diese Vogelart. Schon lange hatte sie eine Schwäche für Jagdvögel, hatte einen Falken besessen und es geliebt, sich mit ihm zu beschäftigen. Auch unabhängig von ihrem Liebsten war sie also für solche Tiere begeisterungsfähig und fühlte sich seit ihrer Bekanntschaft diesen umso mehr verbunden. Und auch anderweitig konnte ein Umhang aus schwarzen Rabenfedern seinen ganz eigenen Zauber auf sie ausüben...
Die junge Frau erschauerte leicht und kämpfte gegen die Bilder ihrer Erinnerung an, um konzentriert zu bleiben. "Mama, bitte!", flehte sie mit einer gequälten Miene und deutete ein Kopfschütteln an. "Woher willst du wissen, dass dieser Name keine Bedeutung hat, keine Stellung symbolisiert? Warum muss es unser Name sein, der mehr Gewicht besitzt?", hielt sie dagegen und fühlte sich mit einem Mal ebenfalls irgendwie... müde.
Das Gefühl hinter ihrer Stirn war nun endgültig unangenehm geworden und wollte schier gar nicht mehr aufhören, sie zu belästigen. Was gäbe sie dafür, jetzt in ihr Bett zu schlüpfen und die Augen zu schließen, ohne sich weiteren Fragen der Hausherrin stellen zu müssen!
Vor allem jener einen, auf die sie selbst keine wirkliche Antwort hatte. Nun ja, im Prinzip hatte sie diese schon, denn ihre Worte ihm gegenüber waren ehrlich gewesen. Aber woher sollte sie wissen, ob es wahre Liebe wäre, jene, die sich jedes junge Mädchen wünschte? Was, wenn es vielmehr lediglich Begehren war, das sie so an ihn fesselte? Oder überhaupt anderes? Sie wusste es nicht. Dabei wollte sie gerne daran glauben, dass es schlicht und ergreifend nichts weiter als Liebe war. Wenn nur ihre Zweifel nicht ständig gewesen wären.
Schon beging sie den Fehler, ihre Unsicherheit laut auszusprechen und wünschte sich, sie hätte es nicht getan. So gut gemeint die Worte ihrer Mutter gewesen sein mochten, Azura hatte das Gefühl, von ihnen nur noch mehr in eine Richtung gedrängt und verunsichert zu werden. Sie wollte nicht länger darüber nachdenken, sich nicht ausgiebiger damit befassen, aus Angst, es könnte sich negativ entwickeln und ihr dieses Schöne, das sie mit ihrer gewohnten Gestalt endlich wieder ausleben könnte, viel zu schnell nehmen.
Somit schüttelte sie den Kopf. "Blind? Nein. Mein Leben für seines? Ja!", erklärte sie knapp und so entschieden, dass es durchaus für ihre eigene Meinung stehen könnte.
Was sie jedoch wirklich wusste, wovon sie absolut überzeugt war, das kam erst danach. "Er verlangt nichts von mir, er will, dass ich glücklich bin. Und ich..." Die Kraft ihrer Stimme ließ nach, aber sie verblasste nicht völlig. "Ich will dasselbe für ihn. Er hat Glück verdient!" Oh ja, das hatte er eindeutig. Nur, ob sie dieses Glück darstellte, dessen war sie sich nicht so sicher.
Ihre Mutter hingegen kehrte zum pragmatischen Teil der Aufklärung über. Zu jenem, den sie keineswegs hören wollte, nicht jetzt, nicht von ihrem Gegenüber... und schon gar nicht, nachdem es längst nicht mehr nötig war. "Mama!", protestierte sie entrüstet und spürte, wie ihr Gesicht brannte vor Scham.
Hastig schlug sie die Hände vors Gesicht, als könne sie auf diese Weise sich vor ihrer Umgebung schützen. Was nicht recht gelang, denn ihre Mutter sprach weiter und wurde immer... konkreter. Bilder von jenem Moment in den heißen Quellen traten vor ihr inneres Auge, wechselten sich ab mit jenen aus der Traumwelt und ließen ihr Herz schneller schlagen, ihren Schoß leise nach Wiederholung rufen und ihre Knie weich werden. Die Sehnsucht nach Corax wurde größer und zugleich schämte sie sich gerade in Grund und Boden, dieses Thema mit Aquila zu bereden.
Nie und nimmer könnte sie ihr sagen, dass sie längst gepflückt worden war! Obwohl sie es müsste... Andererseits... musste sie das wirklich? Solange es nur Corax und sie wussten und falls sie tatsächlich eine offizielle Beziehung führen könnten... wollten...
Der Schmerz hinter ihrer Stirn drohte zu explodieren und ließ Blitze vor ihren Augen aufzucken. Sie stöhnte leise auf und drückte sich die Fingerspitzen an die Schläfen in dem Versuch, der Qual mit Druck von außen etwas entgegen setzen zu können. Indes fuhr ihr Gegenüber fort, erläuterte ihr Dinge, die sie längst wusste, und begann zugleich, Pläne für ihre Zukunft zu schmieden. Ihr wurde das alles zu viel, alles in ihr schien sich anstauen zu wollen, um mit Wucht nach außen zu dringen.
Als ihre Mutter schließlich auch noch das Brautkleid erwähnte... da konnte sie es nicht mehr zurück halten. Mit einem gepeinigten Tonfall rief sie:"Mama, hör auf!" Im selben Moment blubberte die abgekühlte Schokolade, die sie noch nicht getrunken hatte, aus ihrer Tasse heraus und besudelte den kostbaren Tisch.
Erschrocken sah sie auf das Malheur, das ihre Magie angerichtet hatte, und fühlte sich noch elender, obwohl der ärgste Druck zu verblassen anfing. "Verzeih...", murmelte sie und wischte sich über die brennenden Augen.
Ohne Aquila ansehen zu können, erhob sie sich auf ihre wackligen Beine und holte zittrig Atem. "Es... es ist gerade etwas viel. Ich... ich glaube... ich glaube, ich brauche eine Unterbrechung. Entschuldige mich.", wisperte sie und wollte das Musikzimmer verlassen, um draußen erst einmal durchatmen zu können.
Hinter ihrer Stirn pochte es weiterhin unentwegt und schien sich in ihren gesamten Körper ausbreiten zu wollen, ganz besonders ihrem Schoß, der sie dazu drängen zu wollen schien, zu Corax zu laufen und Vergessen in seiner Umarmung zu suchen, um sich der Welt nicht länger stellen zu müssen. Warum konnte sie nicht aufhören, ständig an ihn und das wohlige Gefühl zu denken, das sein Speer ihr bescheren konnte?
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 21. Dezember 2023, 08:11

Wo Azura sich so sehr wünschte, zwischen Kjetell'o und ihrer Mutter wenigstens wieder ein neutrales Verhältnis aufbauen zu können, da stellte Aquilas Verletzheit eine große Hürde dar. Sie rückte zwar mit der Sprache heraus und Azura erfuhr, dass ihr Erzeuger schon weitaus früher den Kontakt gesucht hatte als sie angenommen hatte, aber die Wunden bei ihrer Mutter saßen tief. Vor allem jetzt, da sie sich so sehr um ihren neuen Gatten sorgte. Azura kam hier erst einmal nicht weiter. Es war besser, Kjetell'o nicht nur im Salon, sondern auch als Gesprächsthema vorerst ruhen zu lassen. So wechselte sie zum nächsten Mann, der einen Platz in ihrem Herzen besaß. Vielmehr kam ihre Mutter darauf zu sprechen. Corax war ihr als Dunkelelf nach wie vor suspekt, aber sie versuchte, sich damit zu arrangieren - auf ihre Art. Als inzwischen Adlige bedeutete dies vor allem alles, was Stand, Etikette und mögliche Vorteile bei einer Eheschließung bedeutete. So weit hatte Azura gar nicht gehen wollen. Sicher, sie hatte Corax auch endlich ihre Liebe gestanden, zweifelte aber immer wieder daran. Offenbar sah sie weder sich noch ihn zusammen in der Zukunft. Dafür dachte sie viel zu intensiv darüber nach, was wäre, wenn sie nicht mehr zusammen wären. Sofern man im Moment davon sprechen konnte. Ihr Verhältnis zueinander war bis auf ihre Gefühle nach wie vor ungeklärt. Aquila wollte da deutlicher Nägel mit Köpfen machen. Sie hakte nach, störte sich aber bereits an Corax' Familiennamen. Rabenschrey klang nun einmal wenig nobel. Azura war diejenige, die hier versuchte, diplomatisch zu sein. Schon vorher hatte sie ihre Mutter indirekt darauf hingewiesen, dass sie den Gürtel würden etwas enger schnallen müssen. Selbst wenn Alycide zurückkehrte und alte Geschäfte wieder aufnehmen konnte, war ihr Anwesen geplündert. Andunie stand immer noch unter dunkler Herrschaft. Für Menschen, auch die Adligen, würde es schwerer sein, sich in der neu geformten Gesellschaft zu etablieren. Azura hatte Recht damit, sich Gedanken über ein etwas simpleres Leben zu machen. Aquila sah es ein, wenngleich sie seufzte.
"Ich will nur dein Bestes", meinte sie mütterlich. Das allein zählte für sie. Sie hatte sich schließlich auch schon in schlechteren Zeiten durchgebissen, ohne auch nur ein Wort der Klage über ihre Lippen dringen zu lassen. So war sie nicht. Das komfortable Leben, das sie bis vor kurzem hatte führen dürfen, hinterließ bei ihrem Pragmatismus keine Spuren. Sie genoss den Luxus. Sie liebte es, adlig zu sein, aber sie war bei weitem nicht so verwöhnt wie ihre Tochter. Das mochte aber auch daran liegen, dass sie keine Mutter wie sich selbst hatte. Denn als Azura sich fast schon unter Tränen entschuldigte, ein schreckliches Kind gewesen zu sein, schüttelte Aquila entschieden den Kopf. "Du bist mein erfrischender Nieselregen an einem heißen Sommertag. Wenn ich dich nicht hätte, so wie du bist, ginge es mir bei weitem schlechter." Sie zögerte. Dann sprang sie über ihren Schatten und setzte nach: "Wenn ... er in seinem Leben jemals etwas richtig gemacht hat, dann war es, seinen Teil an deiner Geburt beizusteuern. Du bist das einzige Quäntchen Dankbarkeit, das ich ihm entgegenbringen kann." Bei Corax war sie eher bereit, ihm gegenüber offen zu sein. Hier dachte die Mutter allerdings auch daran, ihre Tochter nicht nur endlich unter die Haube zu bekommen, sondern aus der Not eine Tugend zu machen. Wenn die Dunkelelfen schon ihre Heimat eingenommen hatten und ihr Kind sich offenbar in einen davon verguckt hatte, dann sollte sie alle Register ziehen, um die van Ikaris nicht abstürzen zu lassen. Für Azura ging das Ganze dann doch etwas zu schnell. An eine Hochzeit dachte die junge Frau nämlich noch lange nicht, nicht einmal bei Corax. Kopfschmerzen kündigten sich an, weil sie die Situation schlichtweg überforderte. Vor allem aber sah sie keinen Ausweg hinaus. Eine vorgeplante Zukunft mit kleinen improvisierten Elementen wie dem Ehemann selbst wurde ihr offen vor die Füße gelegt. Im Grunde müsste sie nichts weiter tun als dekorativ in ihrem eigenen Leben stehen, während andere es für sie formten. Aber schon vor ihrer Entführung durch den Raben hatte sie sich in dieser Hinsicht rebellisch gezeigt. Natürlich schätzte Azura es, nicht für jede Kleinigkeit die eigenen Finger rühren zu müssen. Gerade bei unliebsamen Pflichten war sie ja froh, wenn ihr Ziehvater alles regelte. Letztendlich besaß aber selbst ein Prinzesschen wie sie einen Freiheitsdrang und wollte nicht alles über ihren Kopf hinweg entschieden haben. Alycide konnte sie da lenken, bei Aquila wurde es weitaus schwieriger.
Leider sprach ihre Mutter hierbei auch einige Themen an, über die Azura niemals mit ihr hätte sprechen wollen. Wenn Aquila wüsste, dass diese Aufklärung längst unnötig geworden war! Ihre Tochter hatte bereits gesündigt und ihr Schoß sehnte sich nach einer Wiederholung, gerade jetzt, da sie optisch auch wieder ansehnlich genug wäre, den Speer ihres Raben nicht zu verschrecken. Diese Sehnsucht zerschlug sich beinahe, weil Aquila mit mütterlicher Peinlichkeit begann, über die körperlichen Pflichten einer Frau innerhalb einer Ehe zu sprechen. Sie ging auf diese indirekte Art ins Detail, dass es einen bitteren Nachgeschmack der Scham hinterließ, welcher sich als Glühen auf Azuras Wangen legte. Sie ertrug es nicht länger. Vor allem aber hämmerte es bereits so arg hinter ihrer Stirn, dass sie glaubte, kleine Blitze vor ihrem geistigen Auge explodieren zu sehen. Ehe ihr übel werden konnte oder sie gar erneut eine Ohnmacht befiel, stieß sie eine flehendliche Bitte aus, aufzuhören und erhob sich von ihrem Platz. Die inzwischen kalt gewordene Schokolade schwappte aus der umgestoßenen Tasse über Tisch und Spitzendeckchen.
Aquila schlug eine Hand vor den Mund. Nach dem ersten Schreck erhob auch sie sich. "Azura, ist alles in Ordnung?", fragte sie aufrichtig besorgt.
"Verzeih ... Es ... es ist gerade etwas viel. Ich ... ich glaube ... ich glaube, ich brauche eine Unterbrechung. Entschuldige mich." Ihre Beine waren weich, jeder Schritt fühlte sich an wie auf Stelzen. Trotzdem schaffte es Azura aus dem Musikzimmer heraus, ehe ihre Mutter überhaupt auf ihren Rückzug reagieren konnte. Vor der Tür lhnte sie sich gegen die Wand und rieb sich die Schläfen. Das Pochen hinter ihrer Stirn ließ nicht nach. Seltsamerweise pochte es in ihrem Schoß in ähnlichem Rhythmus und das Bedürfnis, sich zu Corax ins Bett zu kuscheln, damit er sie von allem Denken befreien würde, wuchs. So leicht entließ Aquila van Ikari ihre Tochter aber nicht in die Freiheit.
Die Tür zum Musikzimmer zog sich auf. Die Hausherrin spähte erst hinaus, ehe sie zu Azura in den Korridor trat. Sie berührte deren Wange. "Du scheint dich erkältet zu haben. Du glühst ja förmlich. Kein Wunder, dass es dir zu viel wird. Du gehörst ins Bett!" Dies war kein Ratschlag, wie sie nur zu gut wusste. Aquila duldete nun keine Widerrede, aber Azura konnte es nur Recht sein. Wesentlich milder setzte ihre Mutter nach: "Ruh dich aus, erhol dich. Unsere männlichen Gäste schlafen offensichtlich ebenfalls und ich werde mich auch etwas zur Ruhe begeben. Der unerwartete Besuch hat auch mein Nervenkostüm strapaziert." Sie zögerte nich, als sie Azura dieses Mal in eine neue Umarmung zog. Sanft strich sie über ihre Haare, die dringend eine Auffrischung vertragen konnten. Sie hatten sich in ein Vogelnest verwandelt. "Erhol dich, geliebtes Kind", sagte sie und jetzt entließ sie Azura endlich aus dem ungemütlichen Aufeinandertreffen. "Ich räume noch etwas auf, ehe die Schokolade vollständig in die Tischdecke eingezogen ist. Ins Bett mit dir, husch husch!" Aquila winkte knapp vor den Augen ihrer Tochter umher, warf ihr noch einen Blick zu, ob sie den Weg allein schaffen würde, entschied sich dann aber, dass es ihr wohl gelänge. Schon verschwand sie wieder im Musikzimmer, wo man es nochmal verärgert seufzen hören konnte. Azura hatte es geschafft ... und sie lebte noch. Sie lebte wieder. Ihr Körper lebte. Jetzt sehnte sich ihre Seele danach, sich lebendig zu fühlen, vorausgesetzt, man wähnte sie auf der Höhe ihres gepflückten Heiligtums.


Mod-Hinweis: Azura kann sich im Anwesen frei bewegen. Falls du sie also in irgendeinen Raum ihrer Wahl schicken möchtest, darfst du jenen gern beschreiben. Berücksichtige lediglich, dass das meiste aus dem Anwesen geraubt und geplündert wurde.
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