Wenn Legenden sterben

Wie die Todesinsel aussieht, weiß man nicht. Wie man lebend zu ihr gelangt, ist ebenfalls unbekannt. Nur die Toten kennen sie, denn nur sie finden sich dort wieder. Aber was ist mit diesen blinden Wesen, die hier hausen?
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Gevatter Tod
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Wenn Legenden sterben

Beitrag von Gevatter Tod » Freitag 29. Mai 2009, 11:21

Vana Erendis Morgaine kommt von
Der östliche Teil Celcias ‹ Das östliche Drachengebirge ‹ Die Hauptstadt Pelgar ‹ Marktplatz Pelgars -> Die Anhöhe der Verurteilten


Ein Sirren.
Und dann ... Schwärze.
Nichts. Ewige Ruhe.

"He, du ... wach auf." Das Stimmchen war kaum zu hören, vor allem, weil es furchtbar windig ringsum war. Es rauschte Vana in den Ohren. Aber die kleine Stimme - sie musste einem Mädchen gehören - setzte sich durch. "Vana Erendis Morgaine ... öffne deine Augen." Welches Kind Pelgars kannte ihren richtigen Namen?

Pelgar? Ja, dort war sie zuletzt gewesen. Die Erinnerungen kehrten zurück. Man hatte sie zum Richtberg geführt, auf die Anhöhe der Verurteilten, wie die Städter diesen schrecklichen Ort des Todes nannten. Dort hatte sie sich hinknien und den Kopf auf einen Holzblock legen müssen. Ihre letzten Worte galten dem Scharfrichter, der nur genickt und dann die Axt hatte niedersausen lassen.
Er hatte sein Versprechen gehalten. Es war kurz und absolut schmerzlos vonstatten gegangen. Aber ... Vana war tot.
"Willst du nicht endlich aufstehen? Es ist so zugig, wir sollten uns einen Unterschlupf suchen. Bitte, Vana. Ich friere."

Das Mädchen stand direkt neben ihr und stubste ihren Körper immer wieder mit dem Fuß an. Es war ein kleines Gör, blass, die Haut schimmerte fast grau, aber ihre Augen waren dafür umso größer. Tiefe Seen, in denen man sich verlieren konnte, dunkelblau und schön. Das Mädchen neigte den Kopf vor, so dass die Augen hinter einem Vorhang weißer Haare verschwanden, der an gesammelte Spinnenfäden erinnerte. Sie stand da, fast nackt. Lediglich ein kleiner Fetzen aus halbzerrissenem Stoff bedeckte ihren dürren Leib. Sie sah wie ein armseliges Bettelmädchen aus - und sie zitterte. Ihre nackten Füße standen auf steinigem Untergrund. Die Zehen gruben sich zwischen winzige Kiesel und verursachten ein kratziges Geräusch. Auch dieses übertönte den Wind.
Das Kind zeigte zu einem Bereich, der sich als schwarzer Schatten vor einem regengrauen Horizont erhob. "Wollen wir dort nicht schauen, ob wir eine Zufluch finden? Der Wind ist im Wald sicherlich nicht so zugig." Ja, es handelte sich um einen Wald. Totenbleiche Stämme und nachtschwarzes Laub. Ein unheimlich anmutendes Bild.

Das Mädchen wartete.

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Vana Erendis Morgaine
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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Vana Erendis Morgaine » Freitag 5. Juni 2009, 11:36

Vana hatte in ihrem Leben viele Vorstellungen vom Tod und dem Danach gehört, doch nichts von alledem kam dem, was tatsächlich geschah gleich. Weder wurde sie wegen ihrer Taten an einen schrecklichen Ort verbannt, wo sie dafür büßen und schreckliche Qualen erleiden musste, noch kam sie, wie es sich die Anhänger Lysanthors vorstellten, an einen lichten Ort der vollkommenen Glückseeligkeit. Nein, in dem Moment, als der Scharfrichter ihr den Kopf vom Rumpf trennte, erlosch jegliche Empfindung und sie fiel in ein vollkommenes, schwarzes Nichts, aus dem sie ihrem Empfinden nach noch im selben Augenblick von einer leisen, kaum wahrnehmbaren Stimme gerissen wurde.
"He, du ... wach auf."
Aufwachen? Aber … ich bin doch … Wie soll das gehen? Und wieso kann ich überhaupt hören? Als ob sie durch dickflüssigen Sirup schwimmen würden, bahnten sich diese Gedanken träge ihren Weg. Gedanken? Seit wann konnten Tote denn denken? Oder war sie am Ende gar nicht tot?
Nein, in ihrer Erinnerung fühlte sie noch ganz deutlich den scharfen Ruck, mit dem die Axt ihr den Hals durchtrennt hatte. Sie musste also zwangsläufig tot sein.

"Vana Erendis Morgaine ... öffne deine Augen." Da, wieder diese dünne, kindliche Stimme. Und sie kannte ihren Namen! Was ging hier vor? Und wollte sie das wirklich wissen? Sie könnte ja einfach ihre Augen geschlossen halten und dies alles als Illusion abtun oder aber, sie akzeptierte dieTatsache, dass sie von einem Kind gerufen wurde, so unwahrscheinlich dies auch sein mochte, und öffnete endlich ihre Augen, um zu sehen wo sie war.

"Willst du nicht endlich aufstehen? Es ist so zugig, wir sollten uns einen Unterschlupf suchen. Bitte, Vana. Ich friere."
Mit einem Ruck richtete sich Vana auf, vor allem auch, weil sie von dem Mädchen, das direkt neben ihr stand, immer wieder in die Seite getreten wurde.
“Verdammt noch mal, kannst du das endlich lassen? Deinetwegen bekomme ich noch blaue Flecken.“, entfuhr es ihr ärgerlich in der Sprache der Dunkelelfen. Eigentlich war es ja egal, ob sie blaue Flecken bekam oder nicht, denn sie war ja tot. Der Ärger war nur eine Reaktion auf die ihr völlig ungewohnte Situation. Zumindest hatte es den gewünschten Effekt, denn das Mädchen hörte endlich auf sie zu treten. Dafür streckte sie jetzt ihren Arm in Richtung der schwarzen Schatten und fragte sie: "Wollen wir dort nicht schauen, ob wir eine Zuflucht finden? Der Wind ist im Wald sicherlich nicht so zugig."
Vana gab vorerst keine Antwort. Stattdessen betrachtete sie das Mädchen ihrerseits genauer. Sie war klein, schmächtig und nur mit einem dünnen Fetzen Stoff bekleidet. Sie erinnerte Vana an die vielen armen, bettelnden Kinder, denen sie in den Städten Celcias immer wieder begegnet war. Wahrscheinlich hätte sie das Mädchen auf höchstens 10 Jahre geschätzt, wären da nicht diese tiefblauen Augen gewesen. Diese Augen, so tief und unergründlich wie zwei Seen, in denen man sich vollkommen verlieren konnte, wollten so gar nicht zu dem Körper eines Kindes passen. Sie vermittelten eher die Weisheit des Alters und Vana starrte wie gebannt auf die beiden Punkte im Gesicht des Mädchens, bis es schließlich den Kopf ein wenig neigte und ihr Blick von silbernem Haar verdeckt wurde.

Kopfschüttelnd löste sich Vana von dem Mädchen und folgte ihrem ausgestreckten Arm. Ja, das, was sie anfangs für einen riesigen Schatten gehalten hatte, entpuppte sich bei näherem Hinsehen als ein Gewirr aus totenbleichen Stämmen und nachtschwarzem Laub. Was für ein unheimlicher Ort war das hier, an den es sie verschlagen hatte?
So viele Fragen brannten ihr auf der Zunge, nicht zuletzt auch die nach ihrer Kleidung, denn nicht die graue, wollne Gefangenenkleidung, sondern ihre alte Priesterinnentracht und ihr blauer Umhang umspielten ihren Körper, weswegen sie auch den kalten Wind nicht so sehr spürte. Selbst ihr Katana hing wieder in der Scheide auf ihrem Rücken, nur der Kampfstab fehlte.
Wie war das möglich? Die Sachen hatte man ihr doch abgenommen und in der Kaserne Pelgars verwahrt. So viele Fragen und keine Antworten. Wo sollte sie anfangen? Als erstes war es wohl wichtig zu wissen, wo sie sich befand, wie sie hierher gekommen war und wer das Mädchen war.

„Entschuldige bitte Kleine, kannst du mir vielleicht sagen wo wir hier sind und wie ich hierher gekommen bin? Außerdem bist du mir gegenüber im Vorteil, da du mich anscheinend kennst, ich aber von dir rein gar nichts weiß, nicht einmal deinen Namen.“
Bevor das Mädchen antworten konnte, stoppte Vana sie, legte ihren Umhang ab und dem Mädchen um die Schultern. Natürlich war er viel zu groß für die Kleine, so dass die ehemalige Manthalapriesterin den Umhang raffte und kurz unterhalb der Knie verknotete.
„Na, besser so? Komm, gehen wir zu diesem komischen Wald. Du kannst mir ja unterwegs alles erzählen.“, meinte sie und setzte sich in die von dem Mädchen gezeigte Richtung in Bewegung.

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Gevatter Tod
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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Gevatter Tod » Montag 8. Juni 2009, 19:58

Ruckartig und mit einer leriumschen Beschwerde auf den Lippen riss sich Vana hoch. Das Mädchen konnte aber auch nicht damit aufhören, sie immer wieder in die Seite zu treten. Es tat nicht wirklich weh, aber das würde es, wenn sie so weitermachte. Fluchend wies Vana die Kleine darauf hin, aber ob sie Lerium verstand? Sie legte den Kopf schief und antwortete ihr: "Wenn du nicht aufwachst." Sie verstand die Mischlings-Elfe also. Und sie fror. Ihre Augen, die so tiefgründig waren, als hätten sie bereits die ganze Welt gesehen, fixierten Vana.

Was ging hier nur vor? Vana musste einfach mehr erfahren. Vielleicht konnte das fremde Mädchen ihr die Fragen beantworten, die ihr schon unter den Fingernägeln brannten. Allen voran, wo sich die Frau überhaupt befand. War sie denn nicht geköpft worden? Sie musste doch tot sein!
Das Mädchen jedoch antwortete nicht - noch nicht. Sie streckte ihre Hand aus und ergriff den Saum von Vanas Priesterinnenkleidung. Dann stapfte die Kleine voran, nachdem Vana ihr den eigenen Umhang gegen die Kälte über die Schultern gestreift hatte. Eigentlich war es gar nicht so kalt, weder windig noch von den Temperaturen her. Das Mädchen aber zitterte leicht, trotz des Umhangs. Schweigend führte sie Vana auf den Wald zu. Totenstill war es hier. Wo waren die Vögel oder das Rascheln der Blätter? Es herrschte eine Ruhe, als hätte man Vana die Fähigkeit zu hören genommen. So drang die Stimme des Mädchens auch überaus laut an ihre Ohren, als sie zu sprechen begann - und dabei flüsterte das Kind beinahe.

"Ich weiß nicht wirklich, wo wir sind. Ich war schon immer hier. Du aber ... bist neu, Vana Erendis Morgaine." Sie legte besondere Betonung auf diesen Namen. "Übrigens bin ich nicht im Vorteil, du kennst meinen Namen. Du benutzt ihn doch. Ich heiße Morticia." Die Kleine sprach es wie beiläufig aus, als wäre es nicht weiter von Bedeutung. Ihre Stimme klang so kühl, wie ihre Finger waren, die noch immer Vanas Rocksaum nicht loslassen wollten.

"Ich will dir etwas zeigen, Vana. Magst du mitkommen?" Das Kind deutete tiefer in den Wald hinein und endlich ertönten Geräusche. Schreie und Trommeln. Metall, das klirrend auf Metall traf. Irgendwo wurde eine Schlacht geschlagen. Die kleine Morticia neigte den Kopf. Sie summte eine Melodie, düster und verheißungsvoll. Ihr Summen fügte sich in die Kampfgeräusche wie der Ton eines einzelnen Instruments in ein Orchester. Sie erklangen zusammen, harmonisch und fehlerlos. Bizarr daran war nur, dass es hier nicht um Musik ging.
Morticia drehte den Kopf, klemmte sich einige Strähnen hinter das Ohr und musterte Vana mit einem ihrer tiefblauen und unergründlichen Augen. "Kosral ... wird fallen. Sark wird vergehen", verkündete das Kind ohne jegliche Gefühlsregung.

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Vana Erendis Morgaine
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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Vana Erendis Morgaine » Montag 8. Juni 2009, 23:49

Wenn Vana gedacht hatte, dass die Kleine ihr nun mehr erklärte, so sah sie sich vorerst getäuscht. Schweigend gingen sie auf den sonderbaren Wald zu, wobei der Manthalapriesterin nun erst so richtig auffiel wie ruhig, unnatürlich ruhig, es in dieser Welt doch war. Kein Vogelgezwitscher, keine Grillen, die im Gras, über das sie gerade liefen, zirpten, selbst das Rauschen des unzweifelhaft vorhandenen Windes fehlte.
Zweifellos war sie tot, das war Vana inzwischen klar, doch war sie nach ihrem Tod weder in Faldors Totenreich, noch in Lysanthors Lichtwelt eingegangen. Stattdessen fand sie sich in einer bizarren, unwirklichen Welt wieder, von der sie nicht wusste, was diese darstellte, noch wo sie sich befand.
Sie kam sich hier so fremd und verloren vor und die unnatürliche Stille dieses Ortes trug nicht dazu bei, dass sie sich wohler fühlte. So verwunderte es auch nicht, dass sie regelrecht zusammenzuckte, als die tatsächlich nur flüsternde Stimme die Stille durchschnitt: "Ich weiß nicht wirklich, wo wir sind. Ich war schon immer hier. Du aber ... bist neu, Vana Erendis Morgaine."

Verdammt nochmal, fluchte Vana innerlich. Dieser Ort raubte ihr noch den letzten Nerv, wenn man denn einer Toten überhaupt den Nerv rauben konnte. Innerlich schon wieder grinsend über diese Vorstellung fragte sie sich jedoch ein wenig sorgenvoll, was wohl mit ihr los war. Sie war doch sonst nicht so schreckhaft gewesen, aber seit sie hier aufgewacht war, fühlte sie sich irgendwie anders als sonst. Fast so, als ob sie sich vollkommen verändert hätte. Und dann noch dieses Kind, dass ihr immer mehr Rätsel aufgab. Schon wieder hatte es ihren Namen so sonderbar betont, ganz so als wollte es ihr damit etwas bestimmtes sagen, sie mit der Nase auf etwas stoßen, dass sie einfach nicht sah. Schon vorhin, als die Kleine ihr auf Lerium geantwortet hatte, beschlich sie das Gefühl, dass sie ihr damit etwas zeigen oder sagen wollte. Aber was? Es wurde wirklich Zeit, dass die Kleine deutlicher wurde. Vana wollte sie schon darauf ansprechen, da meinte diese plötzlich:
"Übrigens bin ich nicht im Vorteil, du kennst meinen Namen. Du benutzt ihn doch. Ich heiße Morticia."

Als ob sie vor eine Wand gelaufen wäre stoppte Vana mitten im Lauf und sah die Kleine an, als ob sie sie zum ersten Mal sehen würde.Mehrfach öffnete sie den Mund, so als wollte sie etwas sagen und schloss ihn immer wieder kopfschüttelnd.
Wenn das stimmte, was die Kleine da gerade gesagt hatte, und Vana zweifelte keinen Augenblick daran, es war als hätte sie es seit ihrem Erwachen gefühlt, dann war dieses Mädchen ein Teil ihrer selbst, der Teil, der ihre dunkle Seite verkörperte. Sie versuchte erst garnicht zu ergründen, wie dies möglich war, anscheinend hatten sich im Augenblick des Todes ihre beiden Perönlichkeiten voneinender getrennt und existierten nun in dieser Welt als zwei Seiten einer Person.

Mit keinem Wort gab Morticia, es war schon ein komisches Gefühl, von ihrem dunklen Ich als selbstständige Person zu sprechen, zu erkennen, dass sie Vanas Reaktion mitbekommen hatte. Vielmehr deutete sie erneut auf den unheimlichen Wald und meinte: "Ich will dir etwas zeigen, Vana. Magst du mitkommen?"
Aus dem Wald ertönten auf einmal wie auf Kommando Geräusche; Schlachtlärm, Schreie und Trommeln, ganz so als wenn irgendwo eine Schlacht geschlagen würde.Dazu summte die Kleine nun eine Melodie, die genauso düster klang und sich doch melodisch in den Lärm einfügte, so dass vana ein Schauer den Rücken hinab lief. Sie musste daran denken, dass dieses düstere kleine Mädchen, das so kalt wie eis wirkte, einmal ein Teil ihrer Seele war. Wie hatte sie nur jemals mit diesem gefühlskalten Seelenteil leben können?
Schließlich hörte Morticia auf zu summen und sagte mit vollög gefühlskalter Stimme, dass Kosral fallen und Sark vergehen würde.

Für Vana war das nichts Neues, es war ihr aus den erzählungen ihres Vaters bestens bekannt. Was also wollte die Kleine damit sagen? Waren die Geräusche aus dem Wald die der schon vor langer Zeit geschlagenen Schlacht? Warum nur zeigte ihr Morticia das dann?
"Ob ich mitkommen will? Habe ich denn die Wahl? Außerdem müsstest du mich kennen, schließlich bist du ich, also weißt du, dass ich schon aus Neugier mitkommen werde. Ich weiß, dass Kosral gefallen ist und Sark bei der Schlacht getötet wurde. Sag mir lieber etwas, was ich noch nicht weiß. Wie wäre es zum Beispiel damit, dass du mir sagst wie es möglich ist, dass du unabhängig von mir existierst. Oder willst du mir damit etwas bestimmtes sagen? Wenn ja, so muss ich gestehen, dass sich mir der Sinn hinter deinen Worten nicht erschließen will. Was vergangen ist, ist nun einmal vergangen und nicht mehr zu ändern. Also was willst du mir sagen?"

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Gevatter Tod
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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Gevatter Tod » Mittwoch 10. Juni 2009, 09:16

Das Mädchen, das sich Morticia nannte, musste zwangsläufig ihren Lauf unterbrechen, als Vana einfach stehen blieb. Dabei war die Priesterin nicht einmal gegen einen Baum oder Ähnliches gelaufen. Sie stand erstarrt da und rührte sich einen Moment lang nicht. Nur ihr Kopfschütteln kündete davon, dass sie nicht zur Salzsäule geworden war.
Das Mädchen schwieg dazu. Es wartete eine Weile ab, aber schließlich führte es Vana weiter. Ihr Ziel war etwas, das nach einer Schlacht klang und schnell berichtete Morticia, worum es sich handelte. Sie mussten sich im Wald Neldoreth befinden, zu einer Zeit, da Kosral von den dunklen Völkern angegriffen wurde und schließlich fiel. Eine Zeit, in der Sark, der damalige dunkle Herrscher, sein Leben aushauchte.

"Ob ich mitkommen will? Habe ich denn die Wahl?" Morticia nickte. "Du kannst auch hierbleiben und die Ewigkeiten genießen, bis sie dir zum Halse heraus hängt. Es ist deine Gelegenheit, die du verpasst. Ich bleibe hier gebunden. Dies ist meine Welt." Das Mädchen war seltsam und es sprach selten direkt aus, was hinter ihren Worten steckte. Das konnte doch nicht wirklich der Teil Vanas sein, der zur Legende geworden war.
"Außerdem müsstest du mich kennen, schließlich bist du ich, also weißt du, dass ich schon aus Neugier mitkommen werde. Ich weiß, dass Kosral gefallen ist und Sark bei der Schlacht getötet wurde. Sag mir lieber etwas, was ich noch nicht weiß."
"Ich kenne dich auch nicht mehr als alle anderen Seelen, die hier stranden. Aber ja", sie lächelte, "ich weiß, wie neugierig du bist. Deshalb war es nicht einmal nötig, diese Gestalt zu wählen. Aber sie gefällt mir. Sie ist ... tiefgründig."

Morticia führte Vana noch näher an die Kampfgeräusche heran. Sie gab keine Antwort auf ihre Fragen. Erst als man unter einem blutroten Himmel die rauchenden und brennenden Überreste der Stadt Kosral und dazu einen Haufen Toter - Orks, Elfen, Zwerge und Dunkelelfen gleichermaßen - erblicken konnte, blieb das Mädchen stehen und blickte mit ihren tellergroßen, dunklen Augen direkt zu Vana auf. "Ich gebe dir einen Einblick in die Vergangenheit und zugleich eine Chance. Nutze sie. Mehr will ich dir nicht sagen." Dann ließ das Kind den Saum der Priestergewandung los und verschwand einfach zwischen den Bäumen. Weg war sie, die kleine Morticia. Vana fand sich allein vor einem Schlachtfeld wieder. Sie sah auf das Resultat eines Krieges, bei dem es keine Gewinner gab.
Und oben auf den Zinnen entdeckte sie den dunklen Herrscher Sark, wie er auf die Knie fiel, aus mehreren Wunden blutend, getroffen von Khirgam. Der Zwerg hatte ihn erledigt, brach aber nun selbst zusammen. "NEIN! Mein Herr!" Die Stimme hallte durch den Wald und traf Vana wie tausend Messer. Sie kannte die tiefe, dunkle Stimmlage und wusste wohl sofort, wer da zu Sark auf die Zinnen gerannt kam. In diesem seltsamen Totentraum sah Curunir, ihr Vater, noch deutlich jünger und kräftiger aus.

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Vana Erendis Morgaine
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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Vana Erendis Morgaine » Mittwoch 10. Juni 2009, 23:56

Schweigend hörte Vana auf die Worte des Mädchens, während diese sie tiefer in den Wald führte, hin zu der Stelle an der der Schlachtlärm erscholl. Inzwischen ahnte Vana, dass sie sich im Neldoreth befanden, allerdings in einem Neldoreth aus einer anderen Zeit, aus ferner Vergangenheit. Und dann standen sie urplötzlich vor dem was einmal die stolze Stadt Kosral war und in ferner Zukunft nur noch ein Ruinenfeld sein würde.
Jetzt und hier war die Stadt noch nicht völlig zerstört, doch das Bild welches sich ihnen bot, war trotzdem alles andere als schön zu bezeichnen. Der größte Teil der Stadt lag bereits in Trümmern und brannte, nur noch der Herrscherpalast und die direkt angrenzenden Gebäude waren relativ unversehrt. Das Schlachtfeld war mit Leichen beider kriegführender Parteien übersät, selbst für Vana, die sich im Laufe der Zeit eine gewisse Abgeklärtheit zugelegt hatte war der Anblick grauenvoll. Das Ausmaß dieser einen Schlacht ließ sie erahnen, was dieser Krieg an Verwüstung gebracht hatte und dass sich die Völker auf lange Zeit nicht davon erholen würden. Noch heute waren die Nachwehen dieses Krieges zu spüren und hatten direkten Einfluss auf ihr eigenes Leben genommen. Dieser verdammte Krieg war der Grund warum sie sich nirgends zugehörig gefühlt hatte, warum sie von beiden Völkern, denen sie entstammte, gehasst wurde, warum sie am Ende so war wie sie war.

Sie war so in das Bild und ihre Gedanken vertieft, dass sie erst mitbekam, dass die kleine Morticia zu ihr sprach, als diese gerade geendet hatte. Was hatte sie gerade gesagt? "Ich gebe dir einen Einblick in die Vergangenheit und zugleich eine Chance. Nutze sie. Mehr will ich dir nicht sagen."
Abrupt drehte sie sich um und sah gerade noch, wie die Kleine zwischen den Bäumen verschwand.
"WARTE!", rief sie ihr hinterher. "Was für eine Chance? Was bedeutet das alles?", doch sie kam nicht zurück, ließ Vana allein mit ihren Fragen.
Verdammt! Wie soll ich denn nun wissen was für eine Chance sie gemeint hat. Und überhaupt, seitwann brauchen Tote eine Chance. Was meinte sie nur damit, ich sollte die Chance nutzen?, schlugen ihre gedanken Purzelbäume bis sie sich schließlich lautstark Luft machte:
"Verdammt nochmal! Kann mir endlich jemand sagen was hier los ist? Was soll der ganze Spuk überhaupt? Lasst mich doch endlich in Ruhe!"
So sehr sie auch schrie, die Schatten der Vergangenheit hörten sie nicht, woher auch, auch sie waren längst vergangen. Noch während sie ihrem Herzen Luft machte sah sie, wie oben auf den Zinnen des Herrscherpalasts der dunkle Herrscher von einem Zwerg tödlich verwundet wurde. Sie wusste, dass er nicht mehr gerettet werden würde, zu schwer waren die Wunden, welche ihm der Zwerg beigebracht hatte. Und dann hörte sie ihn: "NEIN! Mein Herr!" Diese Stimme! Sie hatte es erwartet, doch nun ging es ihr durch Mark und Bein. Diese Stimme war ihr nur allzu bekannt.
"Vater." Nur dieses eine Wort, mehr gehaucht als gesprochen und doch lag so viel Wehmut und Sanftheit darin. Sie sah ihn, wie er zu seinem Herrn eilte und wäre am liebsten selbst zu ihm geeilt. Er war jünger als sie ihn in Erinnerung hatte, doch war es unverkennbar ihr Vater, der da auf den dunklen Herrscher zueilte. Als wenn er noch etwas retten könnte! Ihr wäre es viel lieber gewesen, wenn er sich ihr zugewandt hätte, und als ob sich ihre Gedanken selbstständig gemacht hätten rief sie mit einem Mal laut über das Schlachtfeld: "VATER!" Sie konnte nichts dafür, es war ein unbewusster Reflex ihres aufgewühlten Ichs, eine unbewusste Hoffnung, noch einmal mit ihm reden zu können. Was wollte er bei seinem Herrn, der ihm letztendlich doch nicht vertraut hatte, sollte er doch dort drüben verrecken. Hier stand sein eigen Fleisch und Blut, und das sollte ihm viel wichtiger sein.

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Die dunkle Seite
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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Die dunkle Seite » Donnerstag 11. Juni 2009, 23:20

Ja, das war Kosral, eindeutig. Auch wenn Vana die Stadt niemals in voller Pracht hatte sehen dürfen, sie erinnerte sich bestimmt an den Moment, als sie die Ruinen betreten hatte - zusammen mit Myra Zhai, der Dunkelelfe, und ihren Schergen. Wie auch schon in ihrer Vergangenheit zeigten sich hier Trümmer von Mauern und Gebäuden. Zu ihrer Zeit waren die Gesteinsbrocken allerdings mit Spinnweben, Ranken und Gestrüpp bewachsen. Hier, in dieser seltsamen Totenwelt oder wo immer sie nun eigentlich steckte, färbte Blut das Mauergestein rot. Abgebrochene Klingen ragten aus Fugen oder lagen auf dem zertrümmerten Steinboden. Das Zugangstor zur Stadt, deren einzelne Flügelportale gut zwei bis drei Mann hoch waren, hingen aus den Angeln. Das Holz war teilweise gesplittert, ein Rammbock stand nun vom Angreifer unbenutzt davor. Die dunkle Horde hatte das Tor auframmen und Kosral stürmen können.
Aber sie hatten die Schlacht nicht gewonnen. Kosrals Bewohner triumphierten. Selbst jetzt konnte Vana Zwerge, Menschen und Elfen sehen, die noch immer gegen ihre Feinde vorgingen und diese langsam zurückdrängten. Eine Rotte Goblins floh soeben in die Wälder. Aber Vanas Blick war im Grunde nur auf einen gerichtet. Da oben, auf den Zinnen, stand er und beugte sich soeben über den dunklen Herrscher: Curinir. Aber Sark war verloren. Merkte das nun auch ihr Vater. Er ergriff die Schultern des Dunkelelfen und drückte ihn an sich. Das Blut befleckte seine Rüstung und den nachtschwarzen Umhang, den er trug.
Dann konnte Vana erkennen, dass Sark einfach in sich zusammenklappte. Leblos und schlaff hing er in Curunirs Armen. Dieser schaute verbissen, erhob sich dann aber und überblickte das Schlachtfeld. Nun gab es eine Änderung in der Geschichte. Normalerweise und laut Curunirs Erinnerungen, die er damals auch seiner Tochter in märchenhafter Weise erzählt hatte, war dem Heerführer und Strategen bewusst geworden, dass sie die Schlacht nicht mehr gewinnen konnten. So hatte er das verbliebene, dunkle Bataillon geschnappt und war gen Morgeria geflohen. Ohne den dunklen Herrscher fehlte den meisten der Mut und Curunir wollte hier nicht sein Leben lassen. Er wusste ja, dass seiner menschlichen Gemahlin beistehen und ein Kind würde großziehen müssen. Außerdem hatte er schon immer vorgehabt, aus der dunkelelfischen Stadt zu fliehen. Doch hier und jetzt kam es anders.

Curunir starrte über den Innenhof Kosrals und über die vielen vernichteten Häuser hinweg. Er sah Leid, Tod und Zerstörung. Dann aber wandte er den Blick in die entgegengesetzte Richtung ... und er starrte. Wer ist denn diese Frau?! Was macht sie hier und ... warum ... sie erinnert mich an ... nein, unmöglich! Curunir griff nach einem Seil und schwang sich die Zinnen herab. Elegant und trotzdem kraftvoll landete er zwischen den Büschen, die mit nun blutigen Blättern die vernichtete Stadt umgaben. Er schubste einen um Erbarmen flehenden Menschen beiseite und stapfte direkt und mit starrem Blick auf Vana zu. Ungläubig blickte er sie an, direkt. Er konnte sie sehen und nun blieb er vor ihr stehen. "Celeste?" Nein, er irrte sich doch. Und dennoch ... "Ihr erinnert mich an mein Weib Celeste. Sagt, was macht Ihr auf diesem Schlachtfeld. Das ist kein Platz für zarte Damen wie Euch, Verehrteste."

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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Vana Erendis Morgaine » Montag 15. Juni 2009, 15:36

Tatsächlich hatte Vana nicht erwartet, dass Curunir in irgendeiner Weise auf ihren Ausruf reagieren würde. Sie war sich ja noch nicht einmal sicher, ob die Szenerie überhaupt den realen Zeitablauf der Vergangenheit darstellte oder nur ein Abbild der Geschehnisse war. Sie sagte sich zwar, dass dies unmöglich die reale Vergangenheit sein konnte, aber ein Rest an Zweifeln machte sich doch in ihr breit, denn in diesem Fall würde jeder Eingriff die zukünftigen Ereignisse verändern und eine völlig neue Zukunft erschaffen.
So schrak sie denn auch zusammen, als ihr Vater auf einmal ungläubig in ihre Richtung blickte, sich daraufhin behände an einem Seil die Mauern hinab schwang und ohne auf seine Umgebung zu achten, mit starrem Blick auf sie selbst gerichtet in ihre Richtung stapfte.
Nach den Erzählungen ihres Vaters durfte dies einfach nicht sein, war dies doch bereits eine Abweichung in der vergangenen Handlungsabfolge. Normalerweise hätte sie gar nicht zu sehen sein dürfen, wäre sie nur ein Betrachter vergangener Ereignisse gewesen. War dies also die tatsächliche Vergangenheit? Bei dem Gedanken wurde Vana beinahe schwindelig und sie mochte sich nicht die Konsequenzen vorstellen, die aus dem bereits Geschehenen entstehen mochten.
Lediglich eines beruhigte sie, außer ihrem Vater schien rings um sie her niemand die nicht in diese Vergangenheit gehörende Frau zu beachten. Es war fast so, als würde nur Curunir sie sehen können.

Und dann stand er vor ihr, der Mann, der sie in Kürze in seinen Armen halten sollte, und blickte ihr fast schon etwas verwirrt ins Gesicht. "Celeste?" Nur dieses eine Wort, ungläubig, fragend, dann ein kurzes Kopfschütteln, so als wollte er etwas, was einfach nicht sein konnte aus seinen Gedanken vertreiben, ehe er, noch immer ein wenig unsicher wirkend, fortfuhr: "Ihr erinnert mich an mein Weib Celeste. Sagt, was macht Ihr auf diesem Schlachtfeld. Das ist kein Platz für zarte Damen wie Euch, Verehrteste."
Unwillkürlich musste Vana schmunzeln, während ihre Gesichtszüge eine Weichheit und Sanftheit annahmen, wie sie sie so nur in ihrer frühesten Kindheit einmal waren und dann rutschte es ihr unweigerlich und ohne dass sie es verhindern konnte heraus: “Ja, du hast mir immer gesagt ich würde wie meine Mutter aussehen.“ Erst als sie merkte, dass Curunir sie skeptisch musterte, wurde ihr klar, was sie da gerade gesagt hatte, doch nun war es zu spät und so fuhr sie schelmisch grinsend fort: “Aber einen winzigen Teil habe ich auch von dir.“, dabei fuhr sie mit der Hand durch ihr blondes Haar und strich es sich hinter die Ohren. “Ich wünschte nur, ich hätte auch den sanften Charakter meiner Mutter geerbt und nicht dein ungezügeltes dunkelelfisches Temperament, wahrscheinlich wäre dann mein Leben vollkommen anders verlaufen. Und glaube mir, ich kenne mich mit Schlachtfeldern, Mord und Tod besser aus, als dir wahrscheinlich lieb sein dürfte.“
Es war ihr inzwischen egal, ob dies tatsächlich die Vergangenheit war oder nur ein Spiegel der Ereignisse, geschaffen, um ihr irgendetwas zu sagen. Dies war ihr Vater, der Mann, dem sie eigentlich so viel hätte sagen wollen und es doch nie gemacht hatte. Hier und jetzt hatte sie endlich die Gelegenheit und sie war nicht gewillt, sie erneut ungenutzt verstreichen zu lassen.

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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Die dunkle Seite » Mittwoch 17. Juni 2009, 23:18

Dass die Fremde, auf die er sich nun zubewegt hatte, plötzlich schmunzelte, verwirrte Curunir noch mehr. Nicht nur, dass sie seiner geliebten Menschenfrau in Morgeria überaus ähnlich sah, sie zeigte sich vollkommen ungerührt von der derzeitigen Lage hier. Kosral war so gut wie vollkommen zerstört, aber auch Sark war gefallen und die Menschen- und Elfenvölker hatten noch ihre Streiter. Es war klüger, sich geschlagen zu geben - eine bittere Niederlage für Morgerias Armee. Curunir galt allerdings als fähiger Heerführer. Die Orks und Dunkelelfen würden ihm folgen, auch zurück in die Heimat, wenn es nötig war. Sie würden seine Entscheidungen nicht in Frage stellen, nicht jetzt, nachdem er beinahe das alleinige Kommando besaß. Es gab keinen dunklen Herrscher mehr, der die Truppen befehligte. Er hatte nicht einmal einen Erben hinterlassen. Ein neuer würde erwählt werden müssen, die Faldorpriester sorgten im Namen des Gottes schon dafür.
Doch das waren nun andere Probleme, die angesichts der durchaus hübschen Fremden in den Hintergrund rückten. Der Fremden, die ihm soeben offenbarte, dass er ...
"Ich habe was gesagt?! Aber ... ich kenne Euch nicht! Wie Eure Mutter ... Celeste? Meint Ihr Celeste? Aber ... wollt Ihr mich hinters Licht führen?!" Er runzelte die Stirn, glaubte dieser Menschenfrau offensichtlich nicht. Gut, seine geliebte Celeste war schwanger und zwar von ihm, aber unmöglich konnte sie jetzt schon ein Kind geboren haben; noch dazu in diesem Alter! Und sonst besaß Curunir keine Kinder. Er hatte sich auch vor Celeste auf keine Menschin eingelassen, nicht einmal auf eine Sklavin, die Händler nach Morgeria gebracht hatten. "Wer seid Ihr?", fragte er kurz heraus. Am Tonfall des Dunkelelfen war eindeutig zu hören, dass er nun keinerlei Spielchen dulden würde. Er hatte Wichtigeres zu tun. Es gab viele Verletzte in den eigenen Reihen und hinter ihnen führten die Überlebenden noch immer einen Kampf - einen Kampf, den die Dunklen bereits verloren hatten. Sie konnten höchstens noch unterstützend gegen Pelgar vorrücken, aber Kosral mussten sie als neldoreth'schen Stützpunkt aufgeben - vorerst.

“Aber einen winzigen Teil habe ich auch von dir.“ Curunir starrte, als die Fremde ihr Haar zurückstrich. Er sah die Ohren, die zwar nicht so groß wie seine eigenen waren, aber auch nicht abgerundet wie es für Menschen üblich war. Curunir hatte allein hier in Kosral genug Vertreter dieses Volkes durch eigene Hand getötet, um zu wissen, wie menschliche Ohren auszusehen hatten. Die der Frau aber waren spitz wie seine eigenen.
"Wer seid ihr?!", fuhr er sie nun ungehalten an und packte ihre Schultern; soviel zum Temperament, das die Fremde eben erst erwähnt hatte. Curunir zählte zu den impulsiven Dunkelelfen und selbst die Jahre in der morgerianischen Kaserne hatten ihn nicht vollkommen selbstbeherrscht gemacht. Manchmal lief das Fass einfach über und dies war nun geschehen. Curunir rüttelte die Gestalt, die behauptete, seine Tochter zu sein und stierte sie wütend an. "Ich lasse mich von Euch nicht für dumm verkaufen! Seid Ihr eine Agentin der Menschen?! Was immer Ihr über mich wisst, ich ... REDET ENDLICH ODER VERLIERT EUER LEBEN!" Curunir war drauf und dran, sie umzubringen. Er stieß Vana von sich und zog seine Klinge. Getrocknetes Blut hatte die Schneide rot gefärbt. Während des Krieges gab es kaum Zeit, die Waffe zu reinigen. Lieber griff man nach einer neuen, die nicht mehr rechtzeitig hatte gezogen werden können. Der Dunkelelf aber hing schon immer an seiner persönlichen Waffe. Er gab sie nicht aus der Hand. Und nun richtete Curunir sie auf seine eigene Tochter.

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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Vana Erendis Morgaine » Mittwoch 24. Juni 2009, 13:54

Es war ihr von vornherein klar gewesen, dass Curunir ihr nicht glauben würde, zu fantastisch musste ihm das Gehörte anmuten. So war sie denn auch nicht allzu verwundert, als er erst ungläubig nachfragte, ob sie ihn hinters Licht führen wollte, um sie dann sogar grob zu packen, zu schütteln und mit Wucht von sich zu stoßen, wobei er sie noch anschrie, sie solle ihm endlich sagen wer sie sei und was sie von ihm wollte oder anderenfalls ihr Leben verlieren.

Vana war von seinem Stoß kurz ins Straucheln gekommen, konnte sich jedoch schnell wieder fangen und stand ihrem Vater nun selbstbewusst und mit einem leicht spöttischen Lächeln gegenüber. Oh ja, nun wusste sie mit Sicherheit, woher sie ihr Temperament und ihre bösartige Art hatte. Curunir mochte anders als die Masse der Dunkelelfen sein, trotzdem blieb er ein Dunkelelf mit all seinen Charaktereigenschaften. Er schaffte es nur, diese besser als alle anderen zu unterdrücken und war bis zu einem gewissen Grad dadurch fähig Toleranz zu üben und Liebe zu geben.
Im Augenblick jedoch dominierte eindeutig sein dunkelelfisches Blut, das zudem auch noch von der geschlagenen Schlacht erhitzt war. Wäre Vana noch am Leben, würde sie ihn nicht ganz so spöttisch anlächeln, sondern in ihm einen ernst zu nehmenden Gegner sehen. Doch sie war tot und einer Toten konnte man nun einmal schlecht mit dem Tode drohen, was dann auch zu Vanas spöttischem Lächeln führte.

Sie hatte allerdings nicht vor, ihren Vater noch weiter zu reizen, obwohl es sicher sehr amüsant sein mochte, zu sehen, wie er versuchen würde sie zu töten. Was er wohl für ein Gesicht ziehen würde, wenn er feststellte, dass sie über sein Schwert in ihrer Brust nur müde lächeln würde. Wahrscheinlich wäre es ein recht großer Schock für ihn. Doch wie gesagt, so weit wollte sie es dann doch nicht kommen lassen, weswegen sie begütigend die Hände hob und ihm die Handflächen zukehrte, nur um ihm zu zeigen, dass sie gewillt war ihm Rede und Antwort zu stehen.
Nachdenklich schaute sie ihn an und seufzte vernehmlich, da ihr klar war, dass es sehr schwer werden würde, ihm die Wahrheit nahe zu bringen.

„Ich will dich weder hinters Licht führen, noch bin ich eine Spionin der Menschen und um ehrlich zu sein, ich weiß alles über dich, denn schließlich bin ich deine Tochter, ob du es nun glauben magst oder nicht. Bei Manthala, wie soll ich es dir nur begreiflich machen? Na schön, vielleicht überzeugt dich ja was ich dir jetzt sagen werde.“Ausführlich erzählte Vana nun alles über das bisherige Leben ihres Vaters, so wie er es ihr als Kind selbst berichtet hatte bis sie schließlich am Ende meinte: „Du hast dir damit, dass du eine Menschenfrau, eine Sklavin, zu deinem Weib gemacht hast viele Feinde unter Deinesgleichen gemacht. Du besitzt deine Stellung nur noch deswegen, weil Sark seine schützende Hand über dich hielt, doch jetzt, da er tot ist, wird dir niemand mehr beistehen und das weißt du. Ich kann es in deinem bitteren Blick sehen.
Du warst schon immer toleranter als die anderen Dunkelelfen, außerdem hast du dich nicht, wie die meisten von ihnen, von Manthala abgewandt und das wird dir nach Sarks Tod zum Verhängnis. Am Ende wirst du mit mir und meiner Mutter aus Morgeria fliehen.“

Als sie sah, wie Curunir erschrocken zusammenzuckte, musste sie leise lachen: „Oh nein, ich kann keine Gedanken lesen, aber dass ich weiß was du vorhast, obwohl du bis jetzt zu niemandem, nicht einmal zu Celeste, darüber gesprochen hast, sollte dir zeigen, dass ich die Wahrheit sage. Ich bin deine Tochter. Wenn du jedoch noch immer zweifelst, dann stoß zu! Ich werde dich nicht daran hindern.“
Sie wusste, dass dies alles nur schwer vorstellbar war und doch hoffte sie, dass sie ihren Vater überzeugen konnte. Doch wenn nicht, so würde er spätestens dann, wenn er versuchte sie zu töten, einen herben Schock erleiden, der ihn hoffentlich zu der Einsicht brachte, dass sie wohlmöglich mit dem für ihn offenkundigen Unsinn doch recht hatte und die Wahrheit sprach.

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Die dunkle Seite
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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Die dunkle Seite » Samstag 27. Juni 2009, 01:12

Curunir war außer sich. Seinen getreuen Gefolgsmännern zeigte er sich niemals derart unbeherrscht und im Moment konnte er vermutlich nur hoffen, sie würden ihn nicht von den Zinnen des zerstörten Kosrals aus sehen können. Aber diese seltsame Person, die sich als sein eigen Fleisch und Blut ausgab, machte ihn rasend.
Was bildete sie sich ein?! Wer war sie, dass sie so viel über ihn wusste? Sie würde sterben müssen, denn sie konnte zur Gefahr werden. Ja, der Dunkelelf blieb eben irgendwo immer noch das, was er war und so war es kein Wunder, dass der Tod eine der ersten Lösungen darstellte, die sich in Curunirs Kopf zusammen braute.
Und nun wagte es diese Frau auch noch, ihn voller Spott anzulächeln, zum Glück aber nur kurz. Curunirs Hand weilte bereits wieder am Knauf seiner blutigen Klinge und sicherlich hätte er sie in Vanas Brust gestoßen, wäre ihr nicht ein Seufzer über die Lippen gekommen, der ihren Spott aus dem Gesicht fegte.

Sie erklärte sich - und Curunir starrte sie voller Ungläubigkeit an. Diese Geschichte war doch mehr als bizarr! Sie wusste wahrlich alles über ihn. Alles, was er selbst in einer mündlichen Wiedergabe seines Lebens hätte preisgeben können! Auch kannte sie Celeste, wusste von ihr als Menschin und dass sie einst als Sklavin zu ihm gestoßen war. Die Tatsache, dass diese mutmaßliche Tochter, welche vor dem Dunkelelfen stand, plötzlich dieselben Ängste und Sorgen erläuterte, die sich bereits ins Curunirs Kopf eingenistet hatten, ließen seine Haltung lockerer werden. Er wusste nicht, weshalb, aber er sah kaum mehr einen Grund, diese Person anzugreifen. Ihr Erscheinen steckte so voller Zweifel und man konnte ihr doch nur mit Skepsis begegnen, aber Curunir sah in Vanas Auftauchen mit einem Mal etwas Anderes.

"Am Ende wirst du mit mir und meiner Mutter aus Morgeria fliehen.“

Mehr überrascht als erschreckt zuckte Curunir zusammen. Auch das wusste sie?! Er besaß keine Zweifel mehr, jetzt nicht mehr. Sie wusste sogar über seine Pläne Bescheid, eine Tatsache, die er selbst seiner Geliebten verschwiegen hatte und die er jetzt, nach Sarks Tod, tatsächlich würde umsetzen müssen.

"Ich bin deine Tochter. Wenn du jedoch noch immer zweifelst, dann stoß zu! Ich werde dich nicht daran hindern."
Curunir schüttelte den Kopf. Er lächelte gar. "Ich werde es nicht tun." Dann deutete er eine Verbeugung an. Das Schlachtfeld hinter ihnen schien vergessen. Ohnehin war es viel ruhiger ringsum Kosral geworden. Auf den Ruinen kämpften keine Verteidiger und Angreifer mehr. Schwarze Pflanzen hatten den Stein überwuchert und der Wald hüllte sich nun mitsamt den Ruinen in Schweigen. Tot zu sein war mehr als seltsam.
Wenigstens war ihr Vater noch geblieben. Curunir schaute seine Tochter an. "Ein Mädchen also." Er musste lächeln. "Und warum erscheinst du mir als erwachsene Frau? Bringst du mir eine Prophezeiung oder bist du nur ein gutes Omen, dass meine geliebte Celeste die Geburt überstanden hat?", fragte er in die neue Stille hinein.

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Vana Erendis Morgaine
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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Vana Erendis Morgaine » Dienstag 7. Juli 2009, 14:07

Aufrecht stand Vana vor ihrem Vater, doch der von ihr erwartete Todesstoß blieb aus, stattdessen entspannte sich Curunirs Haltung. Mit einem Lächeln deutete er eine Verbeugung an und meinte, dass er nicht zustoßen würde. Wie es schien, hatten ihn ihre letzten Worte doch überzeugt. Zumindest ließ sein gemurmeltes "Ein Mädchen also." darauf schließen.
Auch Vana entspannte sich nun, da er ihr endlich Glauben schenkte, und lächelte ihrerseits zurück. Sie registrierte dabei, dass es rings um sie herum inzwischen still geworden war und Kosral wieder, so wie sie es aus der Gegenwart kannte, als Ruinenfeld vor ihr lag. Lediglich ihr Vater zeugte davon, dass sich vor Kurzem noch die Vergangenheit für wenige Augenblicke manifestiert hatte. Dieser ließ ihr allerdings nicht viel Zeit, um über die neuerliche Veränderung nachzudenken, denn kaum hatte er die Ungeheuerlichkeit, dass die vor ihm stehende junge Frau seine Tochter sein sollte, akzeptiert, stellte er auch schon die Frage, vor der sich Vana insgeheim seit ihr Vater vor ihr stand fürchtete. Die ganze Zeit über hatte sie schon überlegt, was sie ihm sagen sollte, wenn er von ihr wissen wollte, warum sie ihm als Erwachsenen gegenüberstand.
Durfte sie ihm alles sagen? Oder würde sie damit die Zukunft, ihre Zukunft beeinflussen? Aber war ihre Zukunft nicht schon längst Vergangenheit und musste so ablaufen, wie es geschehen war? Es war schon sehr verwirrend, wenn man sich über die Zeit Gedanken machte, weswegen sie schließlich beschloss, ihm die Wahrheit zu sagen, egal welche Konsequenzen sich daraus ergeben würden.

„Du hättest besser nicht gefragt warum ich dir als erwachsene Frau erscheine, denn ich bin mir nicht sicher, ob du das wirklich wissen willst. Was ich dir sagen kann ist dies, dass meine Mutter die Geburt gut überstehen wird und ihr lange und glücklich miteinander lebt. Auch bringe ich keine Prophezeiung oder irgendein Omen, ich bin noch nicht einmal deinetwegen hier, sondern ganz allein meinetwegen. Oder soll ich sagen um meiner Seele willen? Ja, das trifft es wohl am ehesten.
Hier legte sie eine Pause ein und überlegte, ob sie noch mehr sagen sollte, holte schließlich, als sie seinen fragenden Blick sah, nochmal seufzend tief Luft und meinte:
“Wahrscheinlich wirst du es nicht verstehen, - Ich versteh es ja selbst kaum. - aber du musst wissen, dass diese Welt hier sehr wahrscheinlich nicht wirklich ist. Es ist nur eine Scheinwelt, ein Teil der Totenwelt. Vater, ich bin tot, verurteilt und hingerichtet von den Wachen Pelgars.“
Vana konnte sehen, wie sehr dies Curunir erschreckte und doch wusste sie, dass ihn das, was sie ihm jetzt noch sagen würde, viel mehr schmerzen sollte.
“Ja, aus eurer Tochter wird einmal die gefürchtetste Auftragsmörderin, seit dem Ende des Krieges werden. Warum? Oh, ich kann dir Frage förmlich an deinem Gesicht ablesen. Es ist der Hass, der zwischen den Dunkelelfen und vornehmlich den Menschen schwelt. Dieser Hass bewirkt, dass ich mich Zeit meines Lebens entwurzelt und heimatlos fühlte. Von den Dunkelelfen als Mischling verachtet und gedemütigt, von den Menschen als Mischling ebenso ver- und missachtet, wenn nicht ganz und gar wegen meines dunkelelfischen Erbteils gehasst. Am Ende war nur noch Verbitterung, die sich langsam in Hass gegen alle und jeden wandelte. Mein Weg war sozusagen seit meiner Geburt vorgezeichnet und es wundert mich, dass ihr es nie bemerkt habt oder bemerken werdet, dass sich mein Charakter immer mehr zum Bösen hin entwickelte. Dabei war es ebenso wenig hilfreich, dass dein Erbteil, deine Charaktereigenschaften dominierten, während ich körperlich vor allem nach Mutter komme. Etwas mehr von Mutters menschlicher Wärme hätte mich vielleich anders werden lassen. Das Schlimmste war jedoch, dass ihr nichts gemerkt habt und mich deshalb auch nicht beeinflussen konntet. Wäre dies der Fall gewesen, wäre es wohl auch anders gekommen. Wahrscheinlich verstand ich es zu gut, dies alles unter einer Maske zu verstecken.
Nur Mutter muss es, wenn auch nur unbewusst, geahnt haben, denn sie gab mir bei meiner Geburt zwei Namen und mein zweiter Name lautet Erendis. Ich sehe, dass du die Bedeutung kennst, es ist Lerium und heißt in der Sprache der Menschen soviel wie „Die Einsame“. Als ehemalige Sklavin kannte sie die Vorurteile und den Rassendünkel der Dunkelelfen eben besser als du selbst und ihre eigene Rasse sowieso.“


Erneut schwieg sie, diesmal jedoch länger. Sie wollte ihrem Vater Gelegenheit geben, das Gehörte zu verarbeiten. Immerhin war es viel, was da auf ihn einstürzte und nicht unbedingt zur Freude Anlass gebend.

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Gevatter Tod
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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Gevatter Tod » Samstag 11. Juli 2009, 14:53

Curunir lächelte, als Vana ihm mitteilte, er würde mit Frau und Kind ein erfülltes und glückliches Leben führen. Also werde ich Sarks Tod überstehen und mit meiner geliebten Celeste und unserer Kleinen aus Morgeria fliehen können, schloss er aus den Worten. Er verfiel kurz der Träumerei, eher untypisch für seinesgleichen, aber ihm kam die Hafenstadt Andunie in den Sinn. Dort könnte man sich doch wunderbar niederlassen. Er würde sich eine bessere Arbeit suchen, die ihn nicht daran hinderte, stets bei der Familie zu sein und abends würde er dann mit seiner Frau Apfelwein trinken und Vana beim Aufwachsen zusehen. Aber wenn alles so gut ausging, warum war Vana dann hier?
Fragend schaute der Befehlshaber seine Tochter an. Nun gab sie ihm noch seltsamere Erklärungen. Diese Welt war nicht real? Er existierte nicht wirklich. Es war eine Scheinwelt und sie war tot. Er musste schmunzeln. Das war doch verrückt! Trotzdem ließ er sie weitersprechen.
"Hingerichtet?", fragte Curunir dann doch mit entsetztem Blick. Was sollte an einem solchen Leben erfüllend und glücklich sein. Er wäre nicht glücklich, wenn seine Tochter von pelgarischen Schweinen zum Tode verurteilt und gehenkt würde. Seine Hand legte sich auf den Griff seines Schwertes. Aber er konnte kaum mehr reagieren, denn Vana erzählte weiter. Es kam einer Hiobsbotschaft gleich.
Es lag so viel Schmerz darin und alles resultierte aus dem Hass zweier Rassen, zwischen denen seine Tochter stand. Unschuldig, weil sie ein Kind war, das in diesen Hass hinein geboren worden war als Bindeglied zwischen Dunkelelf und Mensch. Und dennoch konnte ein einzelnes Wesen solche tiefen, schlechten Gefühle nicht austreiben. Vana hatte es nur akzeptieren und sich so heimatlos fühlen können.
Curunir keuchte. Man sah ihm wohl an, wie sehr es ihn schmerzte, die Trauer seiner Tochter aus diesen Worten heraus zu hören. Er ließ die Schultern und den Kopf hängen. Was hatte er dieser Frau angetan, dass er sie gezeugt hatte? Wäre ein Mensch an seiner Stelle gewesen oder hätte er sich eine Dunkelelfin genommen ...
"Du bist kein schlechter Mensch ... Elf ... keine schlechte Tochter." Mehr konnte er dazu nicht sagen und er wusste, wie sehr seine Worte einer Lüge gleich kamen. Eine Mörderin war von Grund auf schlecht. Morgerianer zu sein und sei es nur mit halbem Blut, war immer etwas Schlechtes. Dunkelelfen standen unter den Zeichen von Blut und Tod. Faldor dienlich, von Geburt an, ob gewollt oder nicht. Scheinbar konnten Curunir, seine Frau und sein neugeborenes Kind diesem Schicksal trotz einer Flucht nicht entkommen. Seine Tochter würde eine tötende Legende werden und dann sterben müssen.

Und jetzt war sie hier. An einem Ort, der nicht war. Bei einem Vater, der scheinbar auch nur unwirklich war. Ich existiere in einer Scheinwelt ... bin ich es, der tot ist? Bin ich es, der ... Nachdem Vana geendet hatte, starrte Curunir schweigend auf den Waldboden unter seinen Füßen. Er war schwarz. Das war nicht der Neldoreth, nicht der wirkliche Wald Celcias. Es war Lug und Trug wie alles hier. Doch es hatte einen Zweck, dass der Dunkelelf mit der erwachsenen Tochter hier stand. Er wusste, warum und straffte die Schultern. Seine Augen flogen zu Vana, suchten ihren Blick.

"Du bist nicht hier, um mir eine Botschaft zu bringen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus." Er atmete tief durch und drehte sich dann ab. Nun standen die Ruinen vor ihm. "Das einstige Kosral, schau es dir an, meine Tochter. Diese Mauern haben einen Angriff verteidigt, einer Belagerung lange genug Stand gehalten, nur um erfahren zu müssen, dass am Ende niemand mehr in diesen Trümmern leben kann. Schutt und Asche, Tote und Verlorene. Dieser Krieg brachte keine Gewinner - wie es kein Krieg tut." Curunir seufzte. "Ich ahne, warum du hier bist. Es ist eine zweite Chance, Vana. Irgendein Gott kann dich sehr gut leiden. Ich vermute, Faldor ist es nicht." Er schmunzelte. "Aber seine Schwester lässt sich ja bekanntlich auf Handel ein. Sie will handeln, nehme ich an. Eine zweite Chance für ein besseres Leben. Lass auf deinen Wegen keine Trümmer zurück. Beschreite andere Pfade. Du musst keine Mörderin sein, nur weil du heimatlos bist. Suche dir eine Heimat, Tochter. Kämpfe für sie und zuerstöre sie nicht. Ich glaube das ist es. Ja, deshalb bist du hier."

Und dann hustete Curunir, röchelte, als ränge er um Atem. Er beugte sich vor, seine dunkle Haut wurde blasser. Er stürzte auf die Knie, kippte zur Seite und blieb reglos liegen. Tot in einer Totenwelt? Sein Körper löste sich auf, schwand und wurde zu grau waberndem Nebel.
An seine Stelle trat eine andere Gestalt. Ihre Haut war gräulich, das Haar eine Mischung aus nachtblau und schwarz. Es handelte sich um eine Frau mit Augen, so verführerisch dunkel wie gleichermaßen unheimlich anmutend. Sie war nackt und nur der sie umschmeichelnde Nebel trug dazu bei, ihre Blöße zu bedecken. Ihre Stimme war der Ruf eines Nachtvogels und Eulenfedern regneten herab, als sie sprach. "Vana Erendis Morgaine, hast du den Worten deines Vater-Abbildes gelauscht? Handelst du gern?"
Manthala lächelte.

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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Vana Erendis Morgaine » Dienstag 21. Juli 2009, 00:18

Mit Absicht hatte Vana ihren Vater nicht zu Wort kommen lassen, obwohl sie sehen konnte, wie ihn ihre Geschichte beschäftigte. Häufig setzte er an, um sie zu unterbrechen, oder warf einen erstaunten oder auch erschütterten Zwischenruf ein, so wie an der Stelle, als sie von ihrer Hinrichtung berichtete, doch am Ende sagte er lange Zeit nichts mehr.
Irgendwann meinte er schließlich, dass sie keine schlechte Tochter wäre. Eigentlich hatte er zuerst Mensch oder Dunkelelfe sagen wollen, bis er es zuletzt auf Tochter reduzierte.
Erst als es ausgesprochen war schien ihm die Bedeutung des Satzes so richtig zu Bewusstsein zu kommen, denn er schaute mit einem Mal recht betreten zu Boden, machte der Satz doch das ganze Ausmaß des Dilemmas seiner Tochter deutlich. Selbst er, der er doch ihr Vater war, brachte es nicht fertig, sie als Mensch oder Dunkelelfe zu bezeichnen, wie sollten es dann andere fertig bringen.

Traurig sah sie zu ihrem Vater, der, so schien es ihr, gerade in Gedanken vertieft war, doch dann wurden ihre Züge weicher und freundlicher. Auch wenn er sie nicht einer Rasse zuordnen wollte oder konnte, so hatte er immerhin mit seiner Einschätzung recht. Sie war kein schlechter Mensch, sie war nicht wie diejenigen, die sich der dunklen Sache Faldors verschrieben hatten. Auch wenn sie schlimme Dinge getan hatte, so wurden sie doch durch andere, gute Dinge, wieder aufgewogen. Hatte sie nicht Kazel, den man unschuldig zum Tode verurteilt hatte, eben vor diesem bewahrt? War sie nicht erst gefangen worden, als sie einer jungen Frau helfen wollte, die von Dunkelelfen verfolgt und bedroht wurde? Hatte sie vorher nicht schon öfter Armen oder zu Unrecht verfolgten geholfen? Und dann war da noch die Sache mit dem Kristall der Dunkelheit gewesen. Hatte sie nicht verhindert, dass er den Dunkelelfen in die Hände fiel? Gut, sie wollte ihn erst für sich sich selbst nutzen, aber am Ende hatte der Kristall dafür gesorgt, dass sie ihn in die richtigen Hände gelegt hatte.
Nein, sie war nicht wie die Faldorgläubigen, sie vereinigte beide Seiten in sich, ganz so wie Manthala, der sie Zeit ihres Lebens gefolgt war.
Das ist es!, ging ihr nun endlich ein ganzer Kerzenleuchter auf. Manthala! Nur sie brachte es fertig sie in diese „Welt“ zu versetzen und mit ihrer dunklen Seite zu konfrontieren. Morticia verkörperte alles Dunkle in ihr, und Curunir? Was verkörpert er?

Es war der Augenblick, indem sich ihre Blicke trafen und Curunir aussprach, was sie gerade gedacht hatte. Nicht sie war es, die ihm eine Botschaft brachte, sondern er ihr. Er war es, der ihr klar machte, dass man ihr vermutlich eine zweite Chance geben würde. Seine Worte bestätigten ihre Vermutung und brannten sich zugleich tief in ihr Bewusstsein:

"Das einstige Kosral, schau es dir an, meine Tochter. Diese Mauern haben einen Angriff verteidigt, einer Belagerung lange genug Stand gehalten, nur um erfahren zu müssen, dass am Ende niemand mehr in diesen Trümmern leben kann. Schutt und Asche, Tote und Verlorene. Dieser Krieg brachte keine Gewinner - wie es kein Krieg tut." Ja, Krieg kannte keine Gewinner, nur Opfer. Das Trümmerfeld vor ihnen war der beste Beweis. Was hatte dieser große Krieg gebracht, nichts als Leid und Hass. Morgeria wurde durch einen Wall ferngehalten und das große Kosral war nur noch Geschichte. Unwillkürlich musste Vana an die tote Elfe in Pelgar und deren Tochter denken. "Ich ahne, warum du hier bist. Es ist eine zweite Chance, Vana. Irgendein Gott kann dich sehr gut leiden. Ich vermute, Faldor ist es nicht."
Nein, Faldor war es mit Sicherheit nicht, auch Vana musste kurz schmunzeln, denn soeben sprach Curunir aus, was sie seit einigen Augenblicken ebenfalls vermutete, dass nur Manthala ihr diese Möglichkeit eröffnete. Wahrscheinlich, weil sie sich auf bizarre Weise so ähnelten. Sie nutzten die Dunkelheit und taten im Schutze des Mantels der Nacht nicht nur dunkle Dinge. Dies mochte ebenso ein Grund sein, warum Vana Manthala Zeit ihres Lebens als ihre Schutzherrin ansah.
“Sie will handeln, nehme ich an. Eine zweite Chance für ein besseres Leben. Lass auf deinen Wegen keine Trümmer zurück. Beschreite andere Pfade. Du musst keine Mörderin sein, nur weil du heimatlos bist. Suche dir eine Heimat, Tochter. Kämpfe für sie und zuerstöre sie nicht. Ich glaube das ist es. Ja, deshalb bist du hier."

„Eine Heimat suchen? Du sagst das so leicht, aber wo soll ich sie finden?“, gab sie leise von sich, den Blick noch immer auf die Ruinen gerichtet, so dass sie nicht mitbekam, wie ihr Vater immer mehr verblasste und an seiner Stelle sich die unverhüllte Gestalt einer wunderschönen Frau manifestierte.
Reflexartig fuhr sie herum, als sie die ihr unbekannte Stimme vernahm, die sie fragte, ob sie den Worten ihres Vaters gelauscht hatte, ob sie gerne Handeln würde.
Es brauchte nur eines Blickes, um zu wissen wer da so plötzlich hinter ihr aufgetaucht war. Sie war es, sie, die von Vana schon immer verehrt wurde, ihr Göttin, vor der sie nun auf die Knie sank und leise meinte:

„Mein Leben war geprägt vom Handel, er liegt mir sozusagen im Blut. Verzeiht Herrin wenn ich euch vermessen erscheine, aber ein Handel ist erst dann interessant, wenn man weiß was man gewinnt und was es einen kostet. Wenn ihr so gütig wäret und eurer bescheidenen Dienerin erklärt, was ihr zu bieten habt und was es mich kosten wird. Erst dann werde ich wissen, ob ein Handel mit euch auch lohnt.“

Es war gewagt, einer Göttin in dieser Weise zu begegnen, doch was hatte sie schon zu verlieren? Nichts, denn sie war bereits tot. Nein, sie hatte nichts zu verlieren, aber wohlmöglich viel, wenn nicht gar alles zu gewinnen. Es kam lediglich auf den Preis, den sie zu zahlen hatte an, und sie wollte schon wissen, was genau sie zu erwarten hatte und zu welchen Bedingungen.

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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Gevatter Tod » Donnerstag 23. Juli 2009, 15:38

Vana fragte, wenn auch leise, wie sie denn eine Heimat suchen, geschweige denn finden sollte? War es im Übrigen nicht längst zu spät dafür? Sie war tot. Enthauptet. Wie sollte sie ein neues Leben in Celcia beginnen, sofern ihr überhaupt eines eröffnet wurde? Diese Fragen ... hatten sie denn Sinn? Sollte sie sich sogar im Jenseits mit solchen Dingen beschäftigen?
Den Verstorbenen wünschte man doch immer ewige Ruhe. Auf Vana schien das nicht zuzutreffen. In Frieden ruhen konnte sie in dieser Totenwelt nicht. Aber wenigstens die Gestalt ihres Vaters ließ sie nun in Frieden. Curunir war einfach verschwunden. Er wurde nicht mehr gebraucht. Vanas Verständnis hatte sie zu einem Punkt gebracht, an dem sie ahnte, wer hinter diesem Totenspielchen steckte. Zumindest glaubte sie das ...


"Du verwendest meine Gestalt, um mit ihr sprechen zu wollen? Was fällt dir ein? Du bist nur ein existenter Punkt, ein Zustand. Jeder stirbt einmal und kommt dir dann nahe, Knochengerippe! Aber ICH ... mich verehrt man. Ich bin existent. Ich bin eine Göttin! Du kannst dich nicht als mich ausgeben ... Tod, hörst du? TOD!!!!"
Ein Schatten wandte sich von Manthala ab. Normalerweise arbeiteten sie nicht oft zusammen. Faldor war jener Gott, der die Dienste des Todes am häufigsten in Anspruch nahm. Denn er verlangte Leben, das ihm geopfert wurde, damit sein Glaube an den Herrn von Hass und Mord weiter bestünde. Manthala rief ihn nur dann für ihre Zwecke her, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Sie war keine Gottheit, die sich des Todes aus einer Laune heraus bemächtigte. Sie plante, spann Intrigen und handelte ... niemals ohne einen Gewinn für sich zu vermuten. Sie zog tückisch ihre Kreise und wenn dies ohne einen Mord geschah, umso besser.
"Warum hintergehst du mich, Gevatter?" Die Göttin eilte ihm in sein Reich hinterher. Tod antwortete ihr besonnen und ruhig. Er hatte Zeit. "Du bist doch eine Göttin, warum findest du es nicht selbst heraus?"
"Aber du hast keine Motive. Dein einziger Zweck ist es, Tote in dein Reich oder zu uns Göttern zu führen. Du hast keine Pläne! Was willst du von meiner Gottesdienerin?!"
Der Gevatter verharrte. Eine knochige Hand erschien unter der Kutte, die nicht schwärzer sein konnte. Der Griff festigte sich um den Stab seiner Sense, deren Sichel mystisch glühte. Dachte er nach? Welche Motive hatte er? Die Kapuze drehte sich. Aus ihrer Finsternis heraus schauten zwei leuchtende Punkte auf die Göttin von Mond und Nacht.
"Ich diene meiner Herrin, dem Leben. Ich bin ihr Knecht und erfülle ich Wünsche. Ich ... bewahre Leben. Ich versuche es. Sterbliche funken einem ja so schnell dazwischen. Aber so ist das." Mit diesen Worten wandte sich Gevatter Tod ab und seinem Reich zu. Dort wartete jemand auf ihn. Nein! Dort erwartete jemand Manthala, die dreiste Händlerin ...


Manthala stand vor Vana, mit ungerührtem Gesichtsausdruck, aber dennoch nicht böse drein schauend. Neutral, wie der Mond selbst auf die Nacht und die Schlafenden, die Hehler, Diebe und Einbrecher herabblickte, ohne sie zu verurteilen oder ihr Treiben groß zu befürworten. Sie schaute nur und sah, dass ihre einstige Gläubige, die ihre Worte in die Welt getragen hatte, auf ein Knie herabsank.

"Ein Handel mit mir lohnt immer, Sterbliche", antwortete Manthala. Nebel umwaberten ihren nackten Körper, der makelloser nicht hätte sein können. Wenngleich er auch seltsam nebulös wirkte. Grau, beinahe wie Porzellan schimmernd, bleich wie der Mond. Das Haar aber schimmerte in einem Farbverlauf aus Schwarz und Nachtblau. Göttliche Augen musterten die Verstorbene.
Dann lächelte sie verschmitzt. "Ich will dich nicht zu lange auf die Folter spannen, Vana Erendis Morgaine. Dass du in Pelgar gefasst und gerichtet wurdest, widerstrebt mir. Ich brauche dich, denn nur du als meine Dienerin kannst mir diesen Wunsch erfüllen, der Teil unseres Handels werden soll. Was ich dir geben will, ist wahrlich eine zweite Chance. Ich schicke dich zurück ins Leben. Noch einmal, gewissermaßen. Du sollst im Gegenzug für eine ganz spezielle Wendung auf Celcia sorgen oder wenigstens dein Bestes geben, um dieses Ziel zu erreichen."
Mahthala lachte kurz auf. Ihre Stimme klang wie der Ruf einer Eule. Sie tänzelte fast um Vana herum und griff plötzlich nach einer schwarzen Rose, die aus dem Nichts aufgetaucht war. "Mein Bruder, nicht der Lichterfüllte, sondern der Dunkle, hat Pläne so finster wie sein schwarzes Herz. Pläne, die bei Ausführung schrecklich viele Leben kosten würden. Ich möchte, dass du sein Gefolge, die Dunklen, aufhältst. Suche deinesgleichen, suche Gleichgesinnte, und tu dich mit ihnen zusammen. Bewahre Celcia vor einem ganzweltlichten Blutbad." Die Göttin schaute Vana an, legte den Kopf schief und lächelte. "Eine belanglos einfach Aufgabe für ein Leben als Gegenleistung, meinst du nicht?"
Sie streckte die Hand mit der Rose nach der Mischlings-Elfe aus. "Bist du einverstanden?"

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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Vana Erendis Morgaine » Montag 27. Juli 2009, 16:59

"Ein Handel mit mir lohnt immer, Sterbliche." Die Frage ist nur, für wen., war alles was Vana dazu hätte sagen können, sich aber lieber doch nur dachte. Noch immer kniete sie vor der Gestalt Manthalas und wartete darauf, was diese ihr für einen Handel bieten würde. Nach dem Gespräch mit ihrem Vater hatte sie zwar eine gewisse Vorstellung von dem, was man ihr bieten würde, doch wollte sie noch wissen, was man von ihr dafür verlangte.
Allzulange musste sie auch nicht warten, denn mit einem verschmitzten Lächeln kam ihre Göttin auch sogleich auf den Punkt.
Sie würde eine zweite Chance bekommen und wieder in das Leben zurück geschickt werden, dafür sollte sie eine spezielle Wendung des Geschehens auf Celcia herbeiführen oder wenigstens auf dieses Ziel hinarbeiten. Wie Vana vermutet hatte, Manthala würde sie nicht einfach so zurück schicken, doch was sie da verlangte schien selbst der hartgesottenen Vana zu viel. Wie sollte es möglich sein, dass eine einzelne Person die Geschicke einer ganzen Welt beeinflusste? Sie war doch keine Göttin, sondern nur eine Sterbliche.

Aufblickend öffnete Vana den Mund und wollte schon fragen, was denn nun genau von ihr verlangt wurde, doch Manthalas Lachen und ihrer erhobenen Hand am Reden hinderten sie sogleich am Reden. So hörte die Priesterin weiter, was Manthala noch zu sagen hatte und mit jedem Wort verschlug es ihr mehr und mehr den Atem.
Sie sollte die dunklen Horden aufhalten!!! Nicht allein, nein, sie sollte Gleichgesinnte finden und sich mit ihnen zusammentun, aber trotzdem, sie würden sicher nur wenige gegen ganze Völkerscharen sein. Nein, diese Aufgabe war schier undurchfürbar, selbst wenn sie im Gegenzug wieder unter den Lebenden weilen durfte. Für wie lange würde es sein? Mit Glück überlebe du diese Aufgabe, viel wahrscheinlicher jedoch werde ich beizeiten wieder im Totenreich landen und das ist nicht das, was ich möchte. Oder ist dies die gerechte Strafe für alles was mein Vater und ich jemals getan haben? Sie wusste es nicht, sie wusste nur, dass dieser Handel sehr einseitig war. Andererseits, war alles besser als in dieser Totenwelt zu leben, auch wenn ihr Manthalas Worte wie Hohn in den Ohren klangen, weswegen sie auch mit ätzendem Spott meinte:

„Einfach? Ihr haltet dies für eine belanglose und einfache Aufgabe? Oh ja, ich vergaß, ihr seid ja eine Göttin. Für euch ist dies ganz bestimmt nur eine Belanglosigkeit. Ihr vergesst dabei nur, dass Dinge, die für euresgleichen nur Belanglosigkeiten sind, mit denen man sich bestenfalls nur am Rande abgibt, für uns Sterbliche unüberwindbare Hindernisse darstellen. Wieso also beauftragt ihr mich mit etwas, was ich unmöglich erfüllen kann? Habt ihr euren Spaß daran zu sehen, wie wir sterbliches Ungeziefer uns abmühen?
Wie auch immer...“, und damit erhob sich Vana, nahm die schwarze Rose entgegen und blickte der Göttin gefasst in die Augen: „...ich bin mit euren Bedingungen einverstanden. Ich weiß zwar nicht wie ich ganze Völker aufhalten soll, aber ich werde es zumindest versuchen. Vielleicht gibt mir dies die Möglichkeit, etwas von dem was ich getan habe wieder gut zu machen.“

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Gevatter Tod
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Re: Wenn Legenden sterben

Beitrag von Gevatter Tod » Mittwoch 29. Juli 2009, 23:02

Manthala lächelte weiterhin. Sie sah Vana an der Nasenspitze an, dass diese sich mit ihrer Aufgabe überfordert fühlte. Wie sollte eine einfache Sterbliche denn ein ganzes Volk - nein eine Völkerschar! - aufhalten, selbst wenn sie Verbündete fand? Doch Manthala sah noch mehr. Genauer gesagt, sah sie in die tiefe Seele ihrer Gottesdienerin hinein. Sie lauschte deren Gedankengängen, die wirbelten und sich verwoben. Unglauben und Spott mischten sich hinein. Sie glaubte nicht an die ihr gestellt Aufgabe und deren Erfolg.
Göttinnen konnten wohl alles. Wenn man ihnen mit dieser Einschätzung begegnete, verwunderte es wohl nicht, dass Manthala Vana auf Dinge ansprach, die sie bis dahin nicht einmal erwähnt hatte. "Fürchte nicht, wieder hier zu landen. Wenn du es richtig anstellst ... bietet unser Handel dir ein überlanges Leben, meine Liebe." In Manthalas Zügen formte sich ein Lächeln, in dem Arglist und Tücke ebenso mitschwangen wie freundliche Ehrlichkeit. Beides vermischte sich. So grinsten nur Händler, die wussten, sie würden gewinnen - egal wie es für sie ausfiel. Vermutlich stimmte das in jenem Fall sogar. Manthala ließ Vana sprechen.

Sie schmunzelte immer wieder, als Vana anmerkte, wie schwierig ihr die Aufgabe fallen würde. Warum erhob die Göttin ihre Hand eigentlich nicht selbst? Warum musste Vana das dunkle Volk aufhalten? Warum wurde sie für diese Aufgabe auserwählt. "Es hat mehrere Gründe", erklärte ihr Manthala. Nebel umtanzte ihren gesamten Körper wie ein fast durchsichtiger Schleier. Das Haar aus fasriger Nacht fiel ihr schwer auf die Schultern und doch schien es fließend zu sein.
"Ich mische mich selten in die Angelegenheiten der Sterblichen ein. Aber ich sehe euch gern zu, wie ihr eure Probleme löst. Am meisten gefallen mir bizarre Ideen, durchdachte Pläne und besonders auffallende Aktionen. All diese Dinge vereinst du in deinen Taten. Zumindest habe ich dir gern zugeschaut, Vana, als du noch lebtest. Bei deinem letzten Coup hattest du leider nicht viel Glück. Nun, soviel zum ersten Grund. Ein weiterer wäre, dass du nach Celcia zurück möchtest. Lebend ... irgendwie eben. Nicht ich. Und so einfach lasse ich dich natürlich nicht wieder ... auferstehen."

Vana schien sich schon vor der Erklärung der Göttin damit abgefunden zu haben. Es war ihre zweite und vermutlich ihre einzige Chance. Sie wollte sie wohl nicht ungenutzt lassen. Also stimmte sie zu. Manthala lächelte. "Besiegeln wir den Handel, damit er Gültigkeit erlangt."
Sie streckte eine zart anmutende Hand aus und ergriff jene Vanas. Ihre göttlichen Finger wirkten selbst in der Hand der anderen Frau klein und zierlich, aber ihr Griff war fest und kraftvoll. Sie schüttelte Vanas Hand und streichelte mit ihrem Daumen über den der Mischlingsfrau. "So sei der Handel beiderseits besiegelt. Die Bedingungen sind klar. Ich halte meinen Teil der Abmachung ein. Du, Vana Erendis Morgaine, möchtest zurück nach Celcia."
Manthalas Haare türmten sie wie von einem Windstoß hochgepeitscht, aber es wehte nicht einmal eine laute Brise. Ihre Strähnen verschmolzen mit dem Himmel, breiteten sich aus, hüllten alles in diese nachtblau, dieses fast schwarze Sein. Nebel umhüllte plötzlich Vanas Gestalt. Eine seltsame Atmosphäre nahm vom Totenreich Besitz. Dann wurde der Verstorbenen flau im Magen. Es breitete sich eine seltsame Müdigkeit über ihren Körper. Die Lider wurden schwer. Ihre Seele tauchte in Finsternis ein und Vana konnte nur noch Manthalas freundlichen, aber auch merkwürdigen Gruß hören, wie ein Echo: "Halte deinen Teil des Handels ein und viel Spaß in deinem Unleben."
Anschließend wurde es schwarz ...

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