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Der Spinne Lügennetz ist klebrig
Verfasst: Donnerstag 19. September 2024, 20:17
von Erzähler
Janay kommt von:
Gibt es Geister wirklich?
Nur dumpf nahm sie wieder Geräusche wahr. Es war zu Beginn nicht sonderlich eindeutig, doch dann kristallisierten sich Stimmen heraus. Janay konnte kurz darauf spüren, dass sie angenehm weich lag und das scheinbar ruhig und ohne das Schunkeln eines wiegenden Ganges. Dann spürte sie eine angenehme Wärme und später kitzelte sie etwas weiches an der Nasenspitze. Sobald sie die Augen öffnete, würde sie direkt in das Gesicht einer herrisch aussehenden Dunkelelfe blicken, mit langer Nase und stechenden, roten Augen. Ihr Mund wirkte verkniffen, doch sie war den Göttern sei Dank nur auf Leinwand gemalt. Es war ein Portrait, offenbar von einem Familienmitglied. Keines, das sie kannte. Dieses Portrait stand in einem goldenen Rahmen auf einem Sims und darunter flackerte ein kleines Feuer gemütlich vor sich hin. Vor dem Kamin gab es eine Absperrung, damit man dem Feuer nicht zu nahekam und wiederum davor, auf dem Boden lag ein runder, flauschig-roter Teppich. Und schwupps konnte Janay direkt auf die nackten Backen eines Kinderpopo’s blicken, die sich ihr entgegenstreckten, während die kleinen Beinchen in der Luft baumelten und sich offenbar ein Buch angeschaut wurde. Das Kind dürfte kaum älter als 2 oder 3 sein, die schwarzen Haare zu zwei Zöpfen gebunden, die kaum länger als ein Daumen waren. Es summte leise, während es blätterte. Dann wurden die Stimmen deutlicher und Janay konnte links von sich zwei erwachsene Dunkelelfen sehen. Einen davon erkannte sie als Gazor Gayam, den anderen kannte sie nicht. Er war ein hochgewachsener, muskulöser Vertreter ihrer Rasse. Seine Haare waren kurz und weiß, während seine Augen dunkelgrün waren. Er hatte die Arme verschränkt und hörte Gazor aufmerksam zu. Offenbar hatte noch niemand bemerkt, dass Janay erwacht war. Hinter den Männern, konnte Janay eine reichhaltig gedeckte Tafel entdecken. Einige Sitze waren leer, auf einem saß jedoch eine junge Dunkelelfe, nicht älter als Janay selbst und dem Grünäugigen nicht unähnlich. Sie aß derweil etwas Suppe und erst jetzt roch auch Janay, wie würzig, köstlich es roch. Offenbar hatte man ein kleines Abendessen gegeben. Nur… wo war sie?
„Sie ist also deine Verlobte, ja?“, fragte Gazor und der Grünäugige drehte etwas den Kopf in Janay’s Richtung, um einen Blick auf sie auf dem Sofa zu werfen. Offenbar, hatte Gazor Gayam es gut gemeint und Janay direkt zu ihrem… Verlobten gebracht.
Re: Der Spinne Lügennetz ist klebrig
Verfasst: Sonntag 22. September 2024, 14:31
von Janay
Jemandem zu vertrauen hatte ihr schon früh Probleme beschert. Ihre Eltern waren das beste Beispiel dafür gewesen, wie es nicht sein sollte. Arina, obwohl selbst eigentlich noch viel zu klein dafür, hatte sehr bald die Mutterrolle eingenommen, während ihrer beider leibliche Mutter mit Abwesenheit und Distanz reagiert hatte. Und der Vater mit Härte, sobald die Mädchen sich anders verhalten hatten, als er es erlauben wollte. Dessen Fußstapfen der ältere Bruder, sobald er glaubte, sich als heranwachsender Mann beweisen zu müssen, gefolgt war, sodass sie sich ihm, der ihr eigentlich so ähnlich gewesen war, nach und nach entfremdet hatte.
Keine Umgebung also, in der es sich gut lernen ließ, wie man Vertrauen fasste. Zwar waren sie in ihrer Kindheit, bis auf ein paar Ohrfeigen, nicht geschlagen oder gar gefoltert worden, wie bei anderen dunkelelfischen Familien, doch es hatte gereicht, um Janay zur Flucht zu veranlassen. Hinaus in eine Welt und eine Schicht, in der es ebenfalls ungesund war, zu viel Vertrauen zu hegen.
Den Fehler hatte sie in Pelgar gemacht und dafür bitter büßen müssen. Seitdem hatte sie sich davor gehütet, Zutrauen zu fassen und jemanden allzu nah an sich heran zu lassen, bis... bis Kazel gekommen war. Auch ihm gegenüber hatte sie sich anfangs verschlossen gezeigt, zumindest, was das Emotionale betroffen hatte. Nach und nach allerdings war sie aufgetaut, hatte angefangen, ihm zu vertrauen... und litt bis heute darunter, dass er genau dann einen völlig anderen Weg eingeschlagen hatte als sie.
Erneut war sie enttäuscht worden, jedoch im Gegensatz zu den vorherigen Erfahrungen war sie nicht ganz allein gewesen. Arina, schon als Kind ihr Fels, war da gewesen und auch Zissus, im erweiterten Umfeld Hopp, Schlange und all die anderen Hybriden, und auch die beiden Töpfer, mit denen sie sich ihre Existenz hatte aufbauen können. Einige Monate später waren dann ihre Zwillinge dazu gekommen, die ihr einen Halt und eine Wärme im Herzen gaben, die sie sich niemals so hätte vorstellen können.
Gemeinsam hatten sie angefangen in Grandea Wurzeln zu schlagen, die Dunkelelfe hatte sich in die Bürgerschicht eingefunden und kam mit ihren Nachbarn gut aus. Ja, sogar im Außenring hatte sie ein paar positiv verlaufende Bekanntschaften geschlossen. Und dennoch... vollkommen zurück lassen konnte sie das Erlebte nicht, konnte sich nicht einfach darauf einlassen und wieder vertrauen. Bei ihrer Familie war es noch am meisten möglich, aber diese absolute Bedingungslosigkeit, wie ihre Kinder sie noch besaßen und worum sie zu beneiden waren, kannte sie nicht. Für sie gab es immer einen Haken und sei es nur ihre eigene Furcht davor, wie es ein weiteres Mal enden mochte.
Entsprechend handelte sie, ganz gleich ob bewusst oder nicht, und hätte vermutlich auch bei einer weniger unheimlichen ersten Begegnung mit der Fremden und ihrem Gefährten Reißaus genommen. Mitten in der Nacht, auf dem Friedhof und ohne jegliche Unterstützung in der Not war ihr die Flucht die einzig rettende Option gewesen. Aber es war, als würde sich Manthala einen Scherz mit ihr erlauben, denn anstatt sich zur Mauer und dort durchs Tor hindurch in den Innenring retten zu können, schuf sie sich selbst ein scheinbar unlösbares Problem in ihrer Unbeholfenheit, die sie so früher nicht an den Tag gelegt hatte.
Ob es an ihren häuslichen und mütterlichen Aufgaben der letzten sieben Jahre lag, dass sie den Sinn dafür verloren hatte? Oder waren ihre eigene Aufgewühltheit, die späte Stunde und die unheimliche Begegnung daran schuld? So oder so, sie fand sich schließlich auf dem Weg zu jenem Dunkelelfen wieder, von dem die Wachen angenommen hatten, es wäre ihr Verlobter.
Und mit solch einer Verbindung wurde wiederum ihr in einem Maße vertraut, das ihr unangenehm wurde. Was sie zu hören bekam, weckte ihr Gewissen und tatsächlich verspürte Janay den Wunsch in sich aufsteigen, reinen Wein einzuschütten. Vielleicht nicht vollständig, doch zumindest soweit, um diesen fremden Mann nicht mit hinein zu ziehen. Wenn Zissus nur schon in der Nähe gewesen wäre, er hätte gewiss die richtigen Worte gefunden! So hingegen musste sie es allein schaffen.
Gerade wollte sie dazu ansetzen, ihr Blick auf jenes Mädchen fiel, das den Stein erst ins Rollen gebracht hatte für sie. Das war jener Moment, in dem ihr Körper beschloss, dass es zu viel des Guten war. Der lange Arbeitstag, die unterbrochene, gewohnte Routine durch das Geburtstagsfest für ihre Kinder, die vielen vergossenen Tränen am Schrein ihres verstorbenen Liebsten, der Schreck und das Unbehagen des unerwarteten Treffens mit der Fremden... Es war schlicht und ergreifend genug.
Ehe sie das Missverständnis aufklären oder sonstwie einen Entschluss fassen konnte, welchen Weg sie einschlagen wollte, begann die Welt sich um sie herum zu drehen. Sie klammerte sich an den Soldaten und schloss die Augen, versuchte, tief durchzuatmen und sich zu beruhigen. "Weiß nicht...", nuschelte sie schon ein wenig verwaschen und stöhnte leise auf, als sie den Halt unter sich verlor.
Wie war das möglich? War sie gefallen, ohne es zu bemerken? Wo blieb der Aufprall? Mit einem wahren Kraftakt hob sie ihre Lider an und befand sich weiterhin in etwa auf selber Höhe wie zuvor, wenn sie die Entfernung ihres Blickes zu dem dunklen Gesicht richtig einschätzte. Aber wieso hatte sie dann das Gefühl zu schweben?
"Geht... geht gleich wie...der...", seufzte sie, als sie ein erneuter Schwindel zu packen drohte. Um flüchtig innezuhalten, als würde die gesamte Welt stehen bleiben, ehe er sie in einen umso schnelleren Strudel in die Schwärze riss. Hilf- und machtlos ihrem Verderben ausgeliefert, wurde sie dorthin getragen, wo sie eigentlich nicht hatte ankommen wollen. Allerdings hatte sie keine Wahl und im Endeffekt steckte sie sowieso schon tief im Schlamassel drin. Wie viel schlimmer könnte es denn noch werden...?
Als sie langsam aus den Tiefen der Dunkelheit aufstieg, nahm sie als erstes eine behagliche Wärme wahr, gefolgt von einem weichen, ruhigen Untergrund. Mehrfach schluckte sie, während ihre Ohren leicht zuckten und die Umgebung mittels ihres Gehörs erfassen wollten. Ihre Lider begannen zu zucken und schließlich öffneten sie sich blinzelnd einen Spalt weit. Um im nächsten Moment sich rasch wieder zusammen zu kneifen, während ihr der Schreck durch die Glieder fuhr. Was war das für ein Anblick gewesen!
Doch sie wurde nicht bedrängt, kein aufdringlicher Körpergeruch stieg ihr aufgrund von Nähe in die Nase, kein heißer Atem wurde ihr entgegen geblasen. Ihr wild pochendes Herz beruhigte sich allmählich und sie konnte einen weiteren Versuch wagen.
Schon ein wenig wacher öffnete sie erneut die Augen... und atmete lautlos auf, als sie erkennen konnte, dass dieses dunkle, angsteinflößende Antlitz lediglich gemalt war. Niemand bedrohte sie! Nun ja... noch nicht... Denn allmählich kehrte die Erinnerung zurück und mit ihr alles andere als schöne Gefühle.
Langsam konnte sie ihren Blick von dem Bild abwenden und entdeckte als nächstes einen dunklen, nackten Kinderpopo. Unwillkürlich stutzte sie und starrte das unbekleidete Kind an, musterte es und schätzte das Alter. Und obwohl sie weitaus andere Sorgen hatte, versetzte es ihr irgendwie auch einen Stich ins Herz. Vor ein paar Jahren noch waren ihre Zwillinge so klein gewesen, hatten nackt herum laufen können und wollen, sobald es warm genug dafür gewesen war. Nun war wieder ein Jahr vergangen und bald wäre das nächste vorüber und noch eines... und mit jedem, das verstrich, war sie weniger notwendig und musste sie weiter von ihr weggehen lassen, war es länger her, seit sie Kazel zum letzten Mal gesehen, gesprochen, gefühlt hatte...
Wehmut und Trauer schnürten ihr die Kehle und ihr drohten die Tränen zu kommen. Nein, sie drohten nicht, eine kam ihr sogar und drängte sich lautlos heraus, um glitzernd über ihre Haut zu laufen. Erneut an diesem Tag musste sie mit ihren Gefühlen ringen.
Als sie soweit war, mehr als nur ihr eigenes, inneres Chaos wahrzunehmen, drangen Stimmen an ihr Ohr und stieg ihr köstlicher Duft in die Nase. Ihren Appetit vermochte er jedoch im Moment nicht anzuregen, außerdem hatte sie vor ihrem Friedhofsbesuch für ihre Verhältnisse reichlich gegessen.
Somit war das andere vordergründiger und gerade als Gayam seine verhängnisvolle Frage stellte, hob sie ihren Blick an, der... genau auf zwei ungewöhnlich grüne Augen traf. Einen gefühlt ewig währenden Moment lang konnte sie ihn aufrecht halten, bis ihren Verstand erreichte, dass sie nun wohl ihr Unglück endgültigt besiegelt hatte, ohne etwas dafür zu tun.
So schlug Janay die Augen nieder und drehte den Kopf weg. Die Wangen brannten ihr vor Scham und ihre Kehle fühlte sich noch zugeschnürter an als zuvor. Hätte sie nur auf Arina gehört und wäre nicht zum Friedhof gegangen... auch wenn sie es sich zu einer Tradition gemacht hatte...
Re: Der Spinne Lügennetz ist klebrig
Verfasst: Mittwoch 25. September 2024, 11:27
von Erzähler
Das Chaos war perfekt, man konnte es nicht anders sagen. Wie viel anders verlief doch gerade Janay’s alljährliches Ritual? Hatte sie es insgeheim herbeigeführt? Hatte sie nicht innerlich darüber nachgedacht, dass ihr Leben eintönig geworden war und sie sich mal wieder nach Abenteuer sehnte? Nun, dieses war wohl eines der etwas anderen Art und doch aufregend genug, dass die Elfe gar ihre Beine in Wackelpudding verwandelte und schlussendlich dem Drang ihres Körper nachgab. Doch anstatt in rettende Erlösung zu fallen, wurde es nur noch schlimmer. Nachdem sie erwachte und ihre Gefühle, wie Gedanken, sortiert hatte, wurde sie sich schlagartig bewusst, dass sie scheinbar genau an jenem Ort angelangt war, an dem sie partout nicht hatte landen wollen. Oh, wäre sie bloß nicht so ängstlich gewesen. Woran hatte es eigentlich gelegen? Denn die rothaarige Frau war keineswegs angsteinflößend gewesen. Und sie hatte gerade angefangen, sich vorzustellen, höflich, mit dem Geben der Hand… im Prinzip hatte nichts auf Gefahr hingedeutet und Janay müsste vermutlich einsehen, dass sie ein klein Wenig übertrieben reagiert hatte. Offenbar war ihr einst so untrüglicher Instinkt verkümmert in den Jahren der alltäglichen Eintönigkeit. Auch das Bild, das sie von Dunkelelfen hatte, musste sie vermutlich revidieren. Denn schlussendlich war sie bei den Soldaten ebenfalls zu vorschnell gewesen und hatte ihnen Unrecht getan mit der Annahme, sie würden nichts von ihr als Frau halten. Janay erkannte vielleicht, dass sich die Dinge auch änderten, sich nicht immer alles so fügte, wie sie es glaubte zu wissen. Nun aber lag sie auf dem äußerst bequemen Sofa eines ihr unbekannten Mannes. Die dunkelgrünen Augen hatten sie nur kurz gemustert, während sie ob ihrer Scham nicht mal ein Wort zu ihrer Ehrenrettung herausbringen konnte. Janay spürte, dass es ihr rein körperlich gut ging. Die Schwäche war vorüber und sie würde sogar aufstehen können. Ihr Körper hatte sich erholt und der Schwindel war vorüber. Dies war also keine Option zur erneuten Flucht aus der Lage. Als Janay sich allerdings entschied, sich nicht zu erklären, wählte sie auch hier den weiteren Weg selbst. „Ich danke dir Gazor, ich werde mich weiter kümmern.“, hörte sie eine angenehme, tiefe Stimme sagen. Der Soldat salutierte kurz, ehe er seinem Freund die Schulter tätschelte. „In Ordnung, Tavros. Lass es mich wissen, wenn ich dir noch helfen kann!“, lächelte er, was Janay nur hören konnte, ob ihrer Position. Dann näherten sich die Schritte kurz, aber im höflichen Abstand zu der Couch. „Ich hoffe, ihr fühlt euch bald wieder wohl!“, sagte Gazor an Janay gerichtet und verließ daraufhin den Salon. Dann wurde es still. Einen Moment hörte man nur das leise Scharben des Löffels der Dunkelelfe am Tisch, bis plötzlich das kleine Dunkelelfenmädchen aufsprang und jubelnd aus dem Raum lief. Die Elfe am Tisch rief noch ein „Langsam, Lavia!“, ehe sie seufzte. Janay kannte das Seufzen einer Mutter, die sich den Mund fusselig redete. Dann wurde ein Stuhl zurückgeschoben und erneut kamen Schritte herein. „Elsbeth, sei so gut und decke noch einen Teller, ja?“, hörte Janay erneut die Stimme des Hausherrn. Offenbar lud er sie zum Essen ein, sprach sie aber nicht an. Dann klapperten eintönig die Löffel im Teller und die Suppe entfaltete erneut ihr Aroma. „Du bist also verlobt?“, hörte man die Elfe am Tisch schmunzelnd sagen und Tavros leerte den Löffel, ehe er ihn wieder eintauchte: „Scheint so.“, gab er nur von sich, ehe sie sich wieder mit Essen beschäftigten, ohne sich weiter um Janay zu kümmern.
Re: Der Spinne Lügennetz ist klebrig
Verfasst: Donnerstag 26. September 2024, 14:10
von Janay
War sie schon immer so zart besaitet und unvernünftig gewesen? Nun, letzteres vermutlich irgendwie ja, nur eben auf andere Art und Weise. Als besonders empfindsam oder rührselig hätte sie sich dagegen nicht gesehen. Und dennoch kamen ihr in diesem Moment, als ihr vor Augen geführt wurde, dass ihre eigenen Kinder längst nicht mehr so klein wie dieses dunkelelfische Mädchen waren, die Tränen. Vielleicht war sie gerade generell schlichtweg zu aufgewühlt, sodass dieser Tropfen einfach gleich wieder überlaufen musste, kaum, dass er auf die übrigen gefallen war.
Jedenfalls hatte sie definitiv andere Sorgen in diesem Moment, um die sie sich eigentlich hätte kümmern müssen. Doch ihr Mund fühlte sich wie ausgedörrt an und die Scham nahm ihr die Fähigkeit, einen wirklich klaren Gedanken fassen zu können.
Der Blick auf jene ungewöhnlich grünen Augen in dem dunklen Gesicht half ihr da auch nicht wirklich. Selbst, als sie ihren eigenen wieder abgewandt hatte, schien ihr, als hätte sich diese Farbe in ihr Sehen eingebrannt, derart einprägsam war es gewesen. Ob im positiven oder negativen Sinne vermochte sie jetzt nicht zu sagen und eventuell auch niemals.
Was würde nun als nächstes folgen? Wo würde sie enden? Würde sie Hilfe von Zissus erhalten oder würde sie vergebens darauf hoffen? Wie spät war es überhaupt? Würde es ihr gelingen, wenigstens bei Sonnenaufgang zu Hause zu sein, damit der Morgen seinen gewohnten Trott nehmen könnte und ihre Kinder nichts bemerken würden? Bei dem Gedanken an ihre Zwillinge schnürte sich ihr erneut die Kehle zu.
Diese alljährliche Routine verlief absolut nicht so, wie sie es sollte! Oder eher, der nächtliche Teil davon… War das ein Wink und wenn ja, von wem und mit welchem Hintergrund? Sollte… durfte sie sich darüber groß Gedanken machen? Und wenn ja… wohin würde es sie am Ende führen? Im Moment zumindest nirgendwohin, weil sie eigentlich aufmerksam sein müsste, selbst, wenn sie sich vorerst nicht aktiv beteiligen konnte an dem kurzen Gespräch der beiden Männer. Wobei sie feststellen konnte, dass dieser grünäugige Dunkelelf nicht nur optisch so einiges her machte, sondern ein äußerst angenehm klingendes Timbre besaß und erstaunlich ruhig ob dieser Situation klang.
In der Zwischenzeit salutierte der Wachsoldat und verabschiedete sich. Als er sich ihr näherte, zuckten ihre Ohren und sie sah instinktiv auf. Bei seinen Worten musste sie schwer schlucken und spürte, wie ihre Wangen ein weiteres Mal zu glühen anfingen. „Vielen Dank…“, wisperte sie mit belegter Zunge und unternahm nichts, um ihn aufzuhalten und das Missverständnis aufzuklären.
Stattdessen verkleinerte sich die Runde und Stille trat ein. Janay senkte wieder den Blick und fing an, an ihrer Unterlippe herum zu kauen. Was sollte sie nun tun? Was konnte sie sagen? Was wurde hier von ihr, dem fremden Eindringling, erwartet?! Noch ehe sie einen ersten Schritt wagen konnte, sprang plötzlich das Kind auf und lief fröhlich und voller Energie hinaus. Fast war es, als könnte sie die junge Frau anstecken, denn diese fand wenigstens die Kraft, sich endlich aufzusetzen. Mit einem leisen Seufzer der Erleichterung konnte sie feststellen, dass ihr Moment der Schwäche vorüber war und kein Schwindel mehr im Hintergrund lauerte.
Indes erschien noch jemand im Raum und erhielt eine kurze Anweisung, die Janay endlich etwas mehr wachzurütteln schien. Tief atmete sie durch und sammelte Kraft, während die beiden, ihr fremden Dunkelelfen kurz miteinander sprachen. Es klang fast wie ihr Stichwort, erst recht, weil Tavros sie demonstrativ ignorieren zu wollen schien und sie ihr Gewissen erleichtern wollte. Das war gut und bot ihr vielleicht die Gelegenheit, dieses Treffen begrenzt zu halten und nach Hause zurückkehren zu können.
Also erhob sie sich und strich über ihren Rock. Dann stieß sie leise die Luft aus und straffte die Schultern. „Verzeiht dieses Missverständnis, ich kam nicht mehr dazu, es aufzuklären. Am besten gehe ich jetzt, um Euch nicht länger zu behelligen.“, sprach sie leise, allerdings so fest wie möglich und deutete einen respektvollen Knicks an. „Danke für das Obdach.“, fügte sie noch hinzu und sah kurz zu der Frau hin, die eher amüsiert, denn verärgert gewirkt hatte bisher.
Danach wanderten ihre Augen zu Tavros und unwillkürlich hielt sie ihren Atem an. Würde er sie noch einmal ansehen oder einfach weiter ignorieren, um zu speisen? Könnte sie einfach gehen oder würde er das wiederum unterbinden? Und… welche Reaktion würde sie erreichen wollen?
Re: Der Spinne Lügennetz ist klebrig
Verfasst: Sonntag 29. September 2024, 11:02
von Erzähler
Es war eine seltsame Verstrickung von Umständen, die Janay unmöglich hatte kommen sehen können. Eine einzige Annahme, die sie in all das hineinlaufen lassen hatte. Vielleicht war es auch dem ‚alten‘ Leben geschuldet und sie noch längst nicht darüber hinweg, wie sie oberflächlich glaubte. Vielleicht waren die Wunden, die sie auf ihrem bisherigen Weg erhalten hatten, weitaus tiefer als sie noch dachte. Ganz gleich woher dieses Manöver kam. Nun war sie genau dort, wo sie nicht hatte hinkommen wollen! Tavros G’ata, offenbar höherer Offizier, der sich nicht sonderlich dafür eignete ihn als Alibi zu benutzen. Scheinbar war dieser Tavros jemand, der sich durchaus für seine Untergebenen interessierte, denn sowohl Gayam Gazor als auch der menschliche Soldat, wussten sofort, wer für das Zahlen ihrer Gehälter verantwortlich war. Grandea hatte sich in den letzten sieben Jahren, die Janay hier lebte, deutlich an die Situation angepasst. Die ‚dunkle Epoche‘ war längst zu einer neuen Ära geworden. Inzwischen hatten sich Land und Leute daran gewöhnt, man lebte gemeinsam und dort, wo die Unterjochung erheblich gewesen war, waren neue Städte entstanden. Wie sich Celcia generell in diesen sieben Jahren verändert hatte, wusste Janay nicht. Sie hegte keine Kontakte nach anderswo, außer noch nach Morgeria und dort war, laut Kala’lenil und Theozior alles wie immer. Morgeria änderte sich wohl nur gemächlich, denn bisher war das bunte Künstlerviertel, das Janay damals vorfand, noch nicht geräumt worden. Es war sogar gewachsen und man ließ die junge Generation ihren Willen. Nun aber befand sie sich in einer Zwickmühle, denn nach ihrer kurzen Ohnmacht, fand sie sich bei Tavros wieder. Wie war der Dunkelelf wohl? Würde er sie dafür züchtigen? Janay wollte es gar nicht erst herausfinden und setzte sich bereits auf, während Tavros mit der Elfe am Tisch weiterspeiste.
Janay konnte nach dem Aufstehen sehen, dass ein weiteres Gedeck bereitgestellt worden war und dennoch wollte sie nichts mehr als diesen Ort verlassen. „Verzeiht dieses Missverständnis, ich kam nicht mehr dazu, es aufzuklären. Am besten gehe ich jetzt, um Euch nicht länger zu behelligen. Danke für das Obdach.“ Bewies sie Höflichkeit und deutete gar einen Knicks an. Die junge Dunkelelfe am Tisch sah von ihrer Suppe auf und musterte Janay genauer. „Sie ist hübsch, deine Verlobte!“, ließ sie es sich nicht nehmen, Tavros weiter zu necken. Jener aber griff nach einer Serviette und wischte sich den Mund ab, ehe er einen Schluck aus einem Wasserbecher trank und schließlich endlich zu Janay aufblickte. Das Tiefgrün besaß eine Seelenruhe, die man nur schwer beim dunklen Volk vorfinden konnte. Er musterte sie einige lange Sekunden, die auf der Haut zu brennen schienen, dann erhob er sich schließlich und zeigte, dass er erheblich größer als Janay selbst war.
Er ging um den Tisch herum, griff nach einem Stück Brot und blieb vor Janay stehen. Sein Blick fiel auf ihr Gesicht und seine Nähe hatte etwas Einnehmendes. Es war beinahe so, als könnte sich ein jeder bei ihm sicher fühlen. Man wollte sich anschmiegen, die kräftigen Arme um sich wissen. Schutz finden. Ein seltsames Gefühl, bedachte man die Umstände. Er reichte ihr das Stück Brot. „Nehmt das mit, damit ihr nicht noch einmal weiche Knie bekommt“, sprach er ruhig und in eben jenem Timbre, das ihr bereits aufgefallen war. „Ihr hättet auch etwas Suppe essen können, Elsbeth ist da sehr versiert. Aber ich denke, wir beide wissen, dass es besser ist, wenn ihr jetzt geht.“, bestätigte er auch Janay’s Gefühl. Die Elfe am Tisch räusperte sich und Tavros straffte etwas die breiten Schultern. „Fühlt ihr euch in der Lage nach Hause zu gehen? Braucht ihr Schutz auf dem Weg dorthin?“, fragte er noch und musterte sie abwartend.
Es war nicht leicht zu ergründen, was er eigentlich von alldem hielt. Aber er schien auch keinen Wert darauf zu legen, es jetzt zu erfahren. Er wirkte fast schon geheimnisvoll und gleichwohl gab er Janay die wohl beste Gelegenheit, ohne irgendwelche Repressalien aus dieser Lage zu verschwinden. In jenem Moment kam die ältere Frau, eindeutig Mensch, und räusperte sich, um Aufmerksamkeit zu erhalten. „Mein Herr, an der Tür ist ein Nar’Zissus de Quis. Er sagte, er wäre ein Freund der jungen Dame“, bemerkte Elsbeth und Tavros löste endlich seinen einnehmenden Blick von Janay’s Augen. Als die Verbindung brach, hinterließ sie beinahe eine klamme Kälte. Allerdings dürfte die Freude über Zissus‘ Auftauchen diese bald wettmachen. Sie war gerettet! Obwohl… vermutlich hätte das nicht sein müssen, wenn man die Situation bedachte. Interessant war es allemal und dieses ganze Hin und Her dazu geraten in Ruhe darüber nachzudenken. Vielleicht… oder es ganz schnell zu vergessen. Plötzlich hörte Janay Schritte und schließlich tauchte der schönste aller Dunkelelfen auf. „Liebes!“, sprach er Janay an, ohne Gefahr zu laufen etwaige Decknamen zu verraten, die sie verwendet haben könnte. „Hier bist du! Die Soldaten am Tor waren so nett, mich in Kenntnis zu setzen. Komm, wir gehen nach Hause!“, streckte er die Hand nach ihr aus und lächelte. Dann trat Tavros zur Seite und legte die Hände auf den unteren Rücken, was ihm einen noch erhabeneren Anblick bescherte. „Wie schön. Dann seid ihr auf eurem Weg sicher.“, bemerkte er nur. Es war schon beinahe als kunstfertig zu bezeichnen, dass er der Neugierde gar keinen Raum gab. Er fragte nicht einmal nach dem Grund der ganzen Scharade oder wer Janay in Wahrheit war… Es war fast… frustrierend? War er gleichgültig? Oder nur höflich genug, sie nicht noch mehr in Bredouille zu bringen? Janay würde es wohl nicht mehr erfahren, denn Zissus nickte Tavros zu. „Vielen Dank, dass ihr ihr geholfen habt!“, sagte er noch und Tavros nickte zustimmend. Dann neigte er zum Abschied an Janay gerichtet seinen Kopf. „Gehabt euch wohl“, verabschiedete er sich und sah zu, wie Zissus Janay am Arm in Richtung Tür zog. Draußen angekommen war die frühe Morgenluft deutlich spürbar. Sie reinigte, war wohltuend oder schürte Kopfschmerzen. Janay war auf jeden Fall mit einem blauen Auge davongekommen. Auch wenn sie womöglich nie erfahren würde, was es mit Tavros auf sich hatte. War es schade? Oder Glück? „Los! Lass uns etwas gehen und dann erklärst du mir mal, was das alles zu bedeuten hat, in Ordnung ?“, zischte Zissus und führte Janay daraufhin weiter, um endlich nach Hause zu gehen.
Re: Der Spinne Lügennetz ist klebrig
Verfasst: Sonntag 29. September 2024, 21:13
von Janay
Sobald sie aus dem Schlamassel draußen wäre... und vielleicht noch ein wenig Schlaf bekommen hätte, gälte es, in Ruhe über das Geschehene nachzudenken. Darüber, warum sie derart reagiert hätte und darüber, worauf sie sich nun einstellen sollte, welche Konsequenzen ihr blühen würden. Im Moment jedenfalls brannte sich dieses ungewöhnliche Grün eines Augenpaares in ihr Gedächtnis ein. Eine Farbe, die durchaus dazu angetan war, ihr noch einiges an Kopfzerbrechen zu bescheren.
Jetzt aber musste sie erst einmal die befürchtete Gefahr abwenden... und auch ihr Gewissen beruhigen, das sich nach der hilfreichen Aufnahme wieder meldete. Selbst, wenn Gayam übertrieben hätte und vieles nicht ganz so schlimm gewesen wäre, das Tavros widerfahren war, war es dennoch nicht rechtens von ihr, in diese Position zu schlüpfen. Spät, aber doch wollte sie die Wahrheit auf den Tisch legen und damit verhindern, sich noch tiefer in Schwierigkeiten reinzureiten.
Nach einem kurzen Zögern setzte sie sich nicht nur auf, sondern konnte ebenfalls aufstehen und feststellen, dass ihre Knie lediglich ein wenig noch weich sich anfühlten. Allerdings nicht so sehr, dass sie befürchten müsste, ihre Beine würden sie nicht länger tragen. Somit gäbe es keinen Grund mehr, das Unangenehme weiter hinaus zu zögern. Nein, Janay trat an den Tisch heran und bemühte sich um Haltung, während sie ein paar Worte an die beiden Anwesenden richtete.
Die Reaktion fiel... gemischt aus. Von der Frau wurde sie gemustert und sie erwiderte den Blick flüchtig. Dann erklang die Neckerei, die ihr jedoch eine feine Röte in die Wangen trieb und sie schluckend zu Tavros sehen ließ, der hingegen vorerst so getan hatte, als wäre nichts geschehen. Seelenruhig genoss er seine Mahlzeit solange, wie er es wollte, bevor er nach der Serviette griff und sich nobel den Mund abtupfte, obwohl sie sich sicher war, dass ohnehin nicht ein Tropfen daneben gegangen war. Absolut ohne dem Bedarf, sich zu beeilen, kümmerte er sich um sein leibliches Wohl und ließ sie auf eine Antwort warten.
Ob dies das Zeichen dafür war, dass sie gehen konnte? Eigentlich wäre genau das angebracht! Oder würde er mit ihr spielen, so tun, als würde er sie gehen lassen, um sie im letzten Moment aufzuhalten und, schlimmer noch, den Befehl geben, sie einzusperren? Bis alle Umstände geklärt wären, hätte er jedes Recht dazu, schließlich hatte sie offensichtlich gelogen und sich damit einen Vorteil verschafft. Wie streng würde er urteilen? Bislang hatte sie mit ihm weder etwas zu tun gehabt, noch von ihm gehört, sodass sie ihn überhaupt nicht einschätzen konnte. Andererseits war sie keine Käufliche mehr und trotz der Schmutzflecken konnte man ihr ansehen, dass sie nicht zu den Ärmsten und Rechtlosen zählte. Wie also würde er entscheiden?
Endlich sah er sie wieder an und die Spannung, die sich für ihr Empfinden aufgebaut hatte, ließ sie unwillkürlich den Atem anhalten. Doch anstatt etwas zu sagen, musterte nun er sie auf eine Art und Weise, als wolle er bis in ihre Seele blicken. Ein weiteres Mal schluckte sie schwer und spürte, wie ihr Herz schneller schlug, das Blut in ihr Gesicht trieb und ihr den Mund trocken werden ließ. Ihre Knie wurden etwas weicher und einen Moment lang blitzte weit hinten in ihrem Denken die Frage auf, wie sie reagiert hätte, wenn sie diese Augen in einer anderen Situation so angesehen hätten.
Während sie noch seiner Antwort harrte, auf die Zustimmung zum Abschied, erhob er sich gemächlich und ging um den Tisch herum, um etwas zu holen und sich damit vor sie zu stellen. Überrascht darüber blinzelte sie und brauchte zwei geschlagene Sekunden, um nicht länger direkt gegen seinen Brustkorb zu starren, der sich nun einmal bei ihr auf Augenhöhe befand. Langsam hob sich ihr Blick, gemeinsam mit ihrer Augenbraue, hinauf zu seinem edel geschnittenen, dunklen Gesicht mit diesen beiden grünen Farbtupfern.
Was war dieser Mann groß! Sie wusste ja, dass sie eine eher kleine Person für ihre Herkunft war, und da Zissus viel mehr dem Durchschnitt entsprach, hatte sie sich in den letzten Jahren tagein, tagaus daran gewöhnen können, aufsehen zu müssen. Und dennoch wirkte Tavros mit all seiner Ausstrahlung und seiner Statur so viel überragender, dass es ihr weiterhin ein wenig die Sprache zu verschlagen drohte.
Dieser ihr bislang fremde Mann war es schließlich, der den Moment durchbrach, indem er nun das Wort ergriff. Mit ehrlicher Überraschung blinzelte sie und sah auf das Brot, das er ihr anbot und sogar reichte. "Oh... ähm... danke...", murmelte sie verdutzt und hob ihre Hände, um das Geschenk an sich zu nehmen. Alles andere wäre schließlich viel zu unhöflich und auch undankbar gewesen, nachdem er sie scheinbar gehen ließ.
Dabei berührte sie einen Atemzug lang mit den Fingerspitzen seine Haut und hatte das Gefühl, als würde ein Blitz sie durchzucken. Scharf sog sie die Luft ein, während ihr Herz einen Schlag aussetzte, um diesen doppelt und dreifach nachholen zu wollen. Ihre Wangen glühten und beinahe hätte sie das Brot fallen lassen, bevor sie es in einem sicheren Griff an sich drücken konnte.
Wieder erklang seine Stimme und fast war es, als hätte diese leichte Berührung ein wenig ihres alten Selbst hervor gekratz. Trotz der brennenden Haut ihres Gesichts sah sie zu ihm hoch und hatte ein feines, verschmitztes Lächeln in ihrem Mundwinkel. "Ihr tut gut daran, Eure Köchin zu schätzen.", erwiderte sie leise und dennoch mit einem Hauch Neckerei in der Stimme.
Erneut suchte sie seinen Blick, als aus dem Hintergrund ein Räuspern erklang. Es führte zu einem Straffen der Haltung von Tavros und das wiederum lüpfte ihre Augenbraue etwas in die Höhe. Diesmal allerdings ließ er sie nicht lange warten, sondern... bot ihr Schutz an? Verblüfft darüber schwieg sie erst einmal und kam gar nicht dazu, etwas zu erwidern. Vor allem, weil sie selbst nicht wusste, was sie darauf sagen sollte.
Natürlich schaffte sie den Weg alleine, Angst vor einem nächtlichen Überfall hatte sie im Innenring keine und orientieren würde sie sich schon können. Jedoch noch ein wenig Zeit an seiner Seite verbringen, sich womöglich erklären und noch etwas diese grünen Augen bewundern zu können...
Der nächste Seufzer bildete sich in ihrer Brust, kam aber nicht mehr heraus, als eine weitere Person in das Geschehen eintrat. Es war besagte gute Suppenköchin, die einen Gast ankündigte, einen, bei dessen Namen sie Erleichterung verspürte. Gepaart mit einem Hauch von Bedauern, den sie nicht einmal im Ansatz wahrnehmen wollte.
Schon erklangen Schritte und kurz darauf erschien das bekannte, lieb gewonnene, dunkle Antlitz. Janay schenkte ihm, nachdem Tavros den Bann seines Blickes selbst gebrochen hatte, ein ehrliches Lächeln, als er zu ihr kam. Sie nickte und ergriff seine Hand, froh darüber, nun mit keiner Zelle mehr rechnen zu müssen. Während die Männer die letzten Formalitäten übernahmen, drückte sie das Brot an sich und verhielt sich bewusst still, um ihre Lage nicht ein weiteres Mal zu ruinieren.
Solange zumindest, bis der Hausherr sich direkt bei ihr verabschiedete, kühl und distanziert und trotzdem auf eine Weise, die ihr Herz noch einen Hüpfer machen ließ. Erneut knickste sie und wollte sich zumindest keine Unhöflichkeit zuschulden kommen lassen. Außerdem hoffte ein ganz kleines, leises Stimmchen in ihr, dass sie dadurch vielleicht nicht sofort in Vergessenheit geraten würde. "Ich danke Euch... und werde Eure Gabe würdig zu verspeisen wissen.", erklärte sie und wagte einen letzten Blick in sein Gesicht, mit diesem kleinen Lächeln im Mundwinkel.
Dann spürte sie die warmen Finger, die ihre Hand hielten, leicht zucken und während ihre Wangen sich röteten, wandte sie sich auch an die Frau am Tisch, knickste zum Abschied und ließ sich hinaus führen. Mit wild pochendem Herzen und weichen Knien folgte sie Zissus und ließ ihren Freund auch nicht los, aus Sorge, sonst doch noch kurzfristig wieder zu Boden zu sinken.
Die Augen fest auf das Pflaster vor sich gerichtet, glühten ihre Wangen noch, selbst, als sie sich längst nicht mehr im Lichtschein des Hauses von Tavros befanden. Die Stimme ihres Freundes war es schließlich, die ihre Ohren wieder zucken ließ. Stumm nickte sie, ehe sie den Kopf schüttelte und mit den Schultern zuckte. "Tut mir leid. Wie fuchsteufelswild ist Arina?", murmelte sie und versuchte instinktiv, ein wenig abzulenken. Zissus wäre sicherlich ebenfalls wütend auf sie, auf seine Weise, aber er würde sie vermutlich eher noch verstehen können als ihre Schwester.
Dann durchfuhr sie ein ordentlicher Schreck, sie zuckte zusammen und wurde ganz blass um die Nase. Mit leicht geweiteten Augen sah sie zu ihrem Freund und Helfer auf. "Haben die Kinder etwas mitbekommen?!", war ihre nun größte Sorge. Denn das wollte sie auf jeden Fall vermeiden!
Re: Der Spinne Lügennetz ist klebrig
Verfasst: Mittwoch 2. Oktober 2024, 07:50
von Erzähler
Janay hätte vermutlich selbst nicht geglaubt, dass die Begegnung mit ihrem erfundenen Verlobten derart ablaufen würde. Sie hatte sich ganz andere Dinge ausgemalt und nun stand sie einem Mann gegenüber, der nichts dergleichen erfüllte. Tavros G’ata war geheimnisvoll und eben das machte einen gewissen Reiz aus. Schließlich hätte sie mit einer erheblichen Portion Ärger gerechnet. Das Ausbleiben dieser führte bei Janay dazu, dass sie sich bei dem Gedanken erwischte, gar nicht so schnell von dem Unbekannten fortzukommen. Allerdings hielt Tavros sie auch nicht auf. Sein Grün war es, das ihr so ruhig und abgeklärt entgegenblickte. Es bannte Janay und ließ irgendwo ganz weit hinten in ihrem Kopf etwas kribbeln. Es reichte aus, dass sie ihn ein wenig provozieren oder locken wollte, ohne es wirklich bewusst zu tun. Es geschah einfach und sie ertappte sich dabei, dass sie Altbewährtes hervorrief. So legte sich ein schelmischer Ausdruck über ihr Gesicht, das eben noch vor Scham errötet gewesen war. Nun zierten die Augen der Elfe ein feiner Glanz und als sie das Brot griff, berührte sie nicht nur zufällig seine Finger. Sie spürte, wie es sie elektrisierte ihn zu berühren. Allerdings ließ sich Tavros nicht anmerken, dass es ihm ebenso erging.
"Ihr tut gut daran, Eure Köchin zu schätzen." Tavros musterte Janay.
„Wie wahr.“, kam nur von ihm aber nicht weniger anregend durch das ihm offenbar angeborene Timbre. War er nun ein Gefühlsklotz? Oder einfach nur richtig gut darin, sich nicht in die Karten schauen zu lassen? So oder so, würde Janay diese Begegnung noch sehr viel länger im Kopf herumspuken als es wohl die Begegnung mit der Rothaarigen könnte. Jene vergaß Janay komplett, vielleicht eine Art Selbstschutz.
Als Zissus endlich zur Hilfe eilte, war es ein zweischneidiges Schwert. Zum einen wollte Janay endlich die Flucht ergreifen, zum anderen war es eben nicht so schrecklich, wie befürchtet.
"Ich danke Euch... und werde Eure Gabe würdig zu verspeisen wissen.", verabschiedete sie sich nun auch, denn auch ihr war klar, dass der Zeitpunkt zum Gehen nicht länger überschritten werden dürfte. Alles andere wäre unangenehm geworden. Janay folgte Zissus mit geröteten Wangen und weichen Knien, die nichts mit dem Stress der letzten Tage zu tun hatten. Es war einzig Tavros‘ Verdienst, dass es der Elfe so erging, doch schließlich war die frische Luft heilsam. Es brachte die Nerven wieder zur Raison und stabilisierte den Pudding in ihren Beinen. Man könnte es auch als ernüchternd bezeichnen. Im Haus selbst war es erneut die Frau am Tisch des Offiziers, die sprach und Janay nicht hören würde:
„Scheint, als hättest du Eindruck gemacht!“, frotzelte die Elfe mit einem amüsierten Ausdruck. Tavros aber schaute zur Tür und hob eine Schulter an.
„Und wenn schon.“, meinte er nur und kehrte an den Tisch zurück, um sich erneut eine Portion Suppe einzufüllen.
Draußen aber gingen Zissus und Janay einige Schritte, um das Haus der G’ata’s hinter sich zu lassen. Erst nach dem das erfolgreich war, fand Janay ihre Stimme, nachdem Zissus verlangte, dass sie sich erklärte.
"Tut mir leid. Wie fuchsteufelswild ist Arina?", kam sie reumütig und Zissus atmete hörbar aus. „Sie weiß nichts. Ich habe den Jungen abgefangen, der mir von dir erzählte. Wenn wir uns beeilen, dann wird Arina auch nichts erfahren.“, brummte Zissus und wurde im Schritt dennoch etwas langsamer. Er wandte den Blick und sie gerieten in eine Art von Flanieren.
"Haben die Kinder etwas mitbekommen?!" Zissus schüttelte auch hier den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste. Sie schlafen noch, auch wenn es bald Zeit wird für sie, aufzustehen. Ich hoffe, wir können das ganze vergessen. Was hast du dir nur dabei gedacht?“, wollte er erneut wissen, während sie sich immer weiter von Tavros entfernten und allmählich in die Gegend von ihrem Zuhause einkehrten. „Na, komm! Ich mache uns zu Hause erstmal eine warme Schokolade, dann wecken wir die Kinder und Arina und im Anschluss daran, erzählst du mir alles, in Ordnung?“, wollte er sie ein wenig milde stimmen, dass er ihr nicht böse war. Schließlich wusste er noch nicht, worum es ging und auch Janay dürfte ein wenig kaputt von den Strapazen sein.
Janay weiter bei:
Das Heim Maclyn