Das Nest der Krähen

Hier lebt das einfache Volk Grandeas. Händler, Bauern, Handwerker und ärmere Bettler und verruchtes Gesindel wohnen hier Tür an Tür.
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Ysara
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Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Mittwoch 4. Oktober 2023, 20:20

Einstiegspost

Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu, als Ysara es endlich schaffte, erfolgreich von ihrem Elternhaus zu verschwinden. Ständig hatte man sie aufgehalten und ihr noch diese und jene Aufgaben aufs Auge gedrückt, als ahnte man bereits, dass sie so schnell nicht wiederkommen würde. Aber nun war sie endlich im Armenviertel und lief dessen Straßen mit gestrafften Schultern und gerader Haltung entlang, um Selbstbewusstsein zu signalisieren. Wenn sie in der Ferne Dunkelelfen sah, wummerte das Herz in ihrer Brust gleich einige Takte schneller. Sie strahlte es nicht unbedingt aus, aber sie vermied ein Aufeinandertreffen so gut sie es konnte. Während sie sich früher im Armenviertel viel Zeit gelassen hatte, waren ihre Schritte inzwischen schneller, um ihr Ziel zu erreichen. Die Diebin war froh, als sie endlich den Eingang zum Hinterhof erreicht hatte. Bevor sie jedoch um die Ecke bog, schaute sie sich unauffällig, aber sehr genau um, bis sie sicher war, dass niemand in der Nähe war und sah, wie sie sich dem Krähennest näherte. Als sie vor der alten, verbogenen Tür stand, sah sie sich erneut um, bevor sie das geheime Klopfzeichen gegen die Tür hämmerte und wartete, dass man von innen die Tür öffnete. Seit die Dunkelelfen durch die Straßen liefen, hatten sie sich dazu entschlossen, die Tür abzuschließen. Jeder von ihnen besaß einen Schlüssel, aber Ysi ging davon aus, dass jemand da war. Als die Tür geöffnet wurde, begrüßte sie die entsprechende Person mit einer freundschaftlichen Umarmung - egal, wer es war, denn sie lagen ihr alle gleich stark am Herzen.
"Tut mir leid, dass ich so spät bin!" Sie schob sich am Türöffner vorbei und warf ihre Umhängetasche in die nächstbeste Ecke. "Ich musste noch meine Strümpfe sortieren, damit sie farblich zu den Blumen im Vorgarten passen", beschrieb sie scherzhaft und überspitzt, dass sie noch langweilige Dinge Zuhause zu erledigen hatte, deren Sinn sie ernsthaft anzweifelte.
"Was hab ich verpasst? Was machen unsere dunklen Freunde?", wollte sie mit lauter Stimme wissen, damit auch alle hörten, dass sie hier war und sich zusammen fanden. Ysi hoffte natürlich auf gute Neuigkeiten und dass die Dunkelelfen keine Probleme bereiteten, weder für die Armen im Allgemeinen noch für die Krähen im Besonderen.

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 4. Oktober 2023, 22:44

Als wäre das Leben in Grandea nicht bereits schon anstrengend genug, machte man es Ysara an diesem Nachmittag besonders schwer. Dabei drehten sich ihre Gedanken bereits seit einiger Zeit um das ‚Nest der Krähen‘. Seit die Dunkelelfen in Grandea herumstolzierten, waren Zusammenkünfte ein wenig seltener geworden. Es war nicht mehr so einfach sich fortzuschleichen und die üblichen Routen und Wege konnte Ysi teilweise nicht mehr nutzen. Zudem lag der Fokus sehr viel stärker auf ihr, die sich stets fortschlich. Was früher noch halbwegs toleriert wurde, war nun zu einer nervigen Angewohnheit geworden. Ständig sorgte sich ihre Mutter um sie, sodass sie sie einmal öfter herbeizitierte, um sich zu vergewissern, dass sie noch im Hause der Valerian anwesend war. So auch an diesem Nachmittag. Immer wieder gellte ihr Name durch das hübsche Anwesen, welches ihr Vater mit seinem Vermögen noch vor Ysara’s Geburt gekauft hatte. Ihre Mutter trug ihr so manche, langweilige Aufgabe auf. Sie sollte einmal nachsehen, ob sie noch ausreichend Briefpapier im Sekretär ihres Zimmers besaß. Sie sollte bitte Trine, dem Hausmädchen, mitteilen, welches Blumenarrangement sie sich für ihre Balkonkästen wünschte und sie sollte Gernot, dem Diener ihres Bruders Severin zur Hand gehen, um die geeigneten Manschettenknöpfe für seine Militäruniform aus der Sammlung ihres Vaters aussuchen. Im Grunde wusste Ysara, dass ihre Mutter ihr nur unzählige Aufgaben übertrug, um sie an das Haus zu binden. Aber die blonde Grandessanerin stand nicht ohne Grund unter Beobachtung. Sie würde früher oder später ihren Willen bekommen. Leider war es an diesem Tag doch eher später und der Nachmittag rutschte bereits in den Abend über. Jetzt war es kaum noch schicklich, sich allein und als Dame aus gutem Hause, in der Stadt zu bewegen. Ohnehin fuhren die meisten Bewohner des Adelsringes nur in schicken Kutschen oder ließen sich teilweise sogar in Sänften durch die Straßen tragen! Einige von ihnen würden vermutlich ihre eigenen Füße nicht mehr nutzen können, weil das Gewicht ihrer Fettwanze sie bersten ließ. Doch Ysara war nicht so. Sie nutzte schnell und wendig ihre Möglichkeiten und fand das Schlupfloch im Tor. An jenen Übergangspunkten waren immer Wachen postiert, die Ein- und Ausgang kontrollierten. Niemand aus dem gemeinen Volk konnte und durfte ohne Dokumente, die ihm eine Erlaubnis gaben, in den Ring wechseln und ebenso wurde geprüft, warum ein Adeliger sich aus dem gut bewachten Zuhause in den Volksring wagte. Ysara aber hatte lange Zeit die Wachwechsel und Posten beobachten können, sodass sie wusste, wann ein günstiger Zeitpunkt war, einfach ungesehen hindurchzuschlüpfen. Ohne pompöse Robe und auffallendem Schmuck, war sie ohnehin unsichtbar für das gierige Auge, selbst wenn ihre schlichte Kleidung durchaus Vermögen schrie.
Nachdem diese Hürde geschafft war und sich weitaus weniger Menschen als gewöhnlich auf den Straßen tummelten, da erreichte Ysara den äußeren Ring.

Grandea war wohl eine der wenigen Städte in ganz Celcia, die Arm von Reich in dem Maße und mit solch einer Zurschaustellung trennte. Die gierige, machthungrige Regentschaft ihres Königs erstreckte sich auch auf die Hauptstadt und so hätte es kaum einen Wall aus Stein gebraucht, um die Unterschiede deutlich zu machen. Wo Ysara in einer schicken Gegend mit gepflegten Wegen und hübschen Gärten Zuhause war, da lebte der Großteil des Volkes im Dreck. Allein der Geruch war hier bereits etwas vollkommen anderes und Unrat und Verfall waren deutlich wahrzunehmen. Die Hütten glichen eher Baracken, überall lagen kaputte Schindeln und faulige Bretter herum. Müll lag hier und dort verstreut, weil es keinen Platz dafür gab. In finsteren Gassen und Nischen saßen verkümmerte Männlein, die kaum mehr Kraft für einen Blick hatten. Viele von ihnen sahen krank und dem Tode näher als Leben aus. Ysara hatte schon früh erkannt, dass dieser Ort das genaue Gegenteil von ihrer Welt war. Und er lag nur eine Tür weiter… Ihre Mutter hatte damals den Fehler gemacht, sie etwas lehren zu wollen. Dass sie damit zwar ins Schwarze traf, aber anders als geplant, hätte sie wohl nicht für möglich gehalten. Nun waren es bereits fünf Jahre, da sie die Anführerin einer Bande von jungen Erwachsenen war, die allesamt das gleiche Ziel verfolgten: Ein Bisschen Gutes tun, wo andere nur wegsahen. Dass ihre Mühen kaum ausreichten, verblasste hinter ihrem Idealismus. Ysara und Sadia kämpften Seite an Seite um das Volk, das keine Fürsprecher mehr besaß. Ihr König, den interessierte das ganze nicht. Den Weg waren schon einige gegangen und daran gescheitert. Zudem brauchten die Menschen hier direkte Hilfe. Und sie wollten ihren Teil dazu beitragen. Ysi folgte zügig den Wegen, die sie sonst eher gemächlich nahm. Sie fühlte sich bedeutend wohler in diesem Loch als noch zuvor in ihrer blankpolierten Welt, die kaum einer näheren Überprüfung standhalten konnte. Allerdings hatten sich die Gewohnheiten eben geändert. Mit dem Pakt ihres Königs zu den Aggressoren der Dunkelelfen, wurden auch die Wege immer unübersichtlicher. Sie waren Störfaktoren, die es erst noch einzuordnen galt. Und so vergewisserte sich Ysi, dass niemand ihre Schritte beobachtete oder gar verfolgte. Hier und dort traf sie ein bekanntes Gesicht, doch wurde sich nicht mit einem Gespräch aufgehalten.
Die ohnehin gebeutelte Masse von armen Menschen wurde jetzt noch mal schwer getroffen. Denn die Anhänger der dunklen Armeen boten da noch mal ein gänzlich anderes Bild der Drangsalierung. Ysara hatte bereits mitbekommen, dass Raub, Körperverletzung und gar Vergewaltigungen im Volksring zunahmen. Sadia hatte ihr davon berichtet und nun galt es endlich zu besprechen, was sie dagegen zu tun gedachten. Ein paar Tage war es nun schon her, dass sie sich hatte, gefahrlos herausschleichen können. Noch vor wenigen Monaten hatte sie geglaubt, dass ihre Mutter ihr größtes Problem darstellte, ihre Aktionen zu verheimlichen doch nun… Immer wieder war sie zu etwaigen Festlichkeiten geladen, die neue Geschäftspartner innerhalb der Dunklen auftun sollte. Selbst Cassian war kaum anwesend, denn auch er hatte Verpflichtungen. Nachdem Ysi sich nun vergewissert hatte, dass sie nicht verfolgt und nicht beobachtet wurde, gelangte sie endlich an die etwas windschiefe Holztür ihres geheimen Verstecks. Das Häuschen war reichlich heruntergekommen, etwas schief gelegen und besaß dennoch alles, was sie benötigten. Vor allem fiel es nicht auf! Und als sie gegen das Holz klopfte – dreimal lang und zweimal kurz -, da konnte sie die Schritte hören, die sich der Tür näherten. Bereits am Gang erkannte sie die unverkennbare Schwere. Dieses fast schon lustlose Schlurfen. "Tut mir leid, dass ich so spät bin! Ich musste noch meine Strümpfe sortieren, damit sie farblich zu den Blumen im Vorgarten passen" Ysara verfing sich etwas in den roten Strähnen, als sie Tami umarmte. Die Siebzehnjährige schnaubte kurz und drückte Ysi mit einer Hand, ehe sie die Tür, mit prüfendem Blick wieder zufallen ließ. Und innehielt, weil die Tür wieder aufschwang. Noch einmal schloss Tami die Tür, nur um das Quietschen der sich von selbst öffnenden Tür erneut zu erleben. „Verdammte Kaschemme!“, maulte die Jüngste der Truppe und rüttelte etwas an dem Knauf, sodass endlich der Schnapper einrastete und die Tür im Schloss hielt. Sie schloss vorsichtshalber wieder ab, damit nicht bei all den Geheimnissen, plötzlich halb Grandea zugucken konnte.

Dann schlurfte Tami ebenfalls in den Raum zurück. „Und? Passen sie nun zu den Blumen?“, fragte Tami gelangweilt und grinste frech in ihre Richtung. Sie wusste, das Ysara nicht gerne lebte, wo sie nun mal lebte. Aber Tami war, seit sie klein war, auf der Straße und ab und an war Luxus etwas, was sie auch gern mal ihr eigen nennen wollen würde. Zumindest wenn es darum ging, ein weiches Bett und ein heißes Bad zu ergattern. Die Rothaarige warf sich schwungvoll auf ein etwas zerschlissenes, aber gemütliches Sofa, das prompt den Halt verlor und eines der schartigen Beine wegbrach, sodass das Sofa in Schieflage geriet und Tami aufjapste und mit den Armen ruderte. „Verdammte! Scheiß! Bruchbude!“, maulte sie erneut und erhob sich fluchend und schimpfend von dem kaputten Ding. Das rief auch endlich die anderen auf den Plan. Sadia kam mit Elian aus einem Nebenzimmer.
Die "Bruchbude", wie Tami sie liebevoll betitelte, war eigentlich nicht wirklich eine. Nicht sehr groß, besaß das Nest gerade mal drei Zimmer, doch jene hatten sie in liebevoller Pflege die letzten Jahr immer mal wieder ausgestattet.
Das Hauptzimmer war so etwas wie eine Wohnstube. Nicht wahnsinnig groß, aber gemütlich, hatte jene an der gegenüberliegenden Seite zur Tür einen steinernen Kamin
in dem ein Feuer prasselte. Links davon stand ein länglicher Tisch mit drei hölzernen Stühlen und einer Sitzbank..rechts davon stand das Sofa, welches Tami soeben in den Ruhestand geschickt hatte. Neben dem Kamin stand noch ein Bücherregal und ein kleines Pult zum Schreiben. Zwischen Bücherregal und Kamin befand sich noch ein kleiner Flur, von dem die anderen beiden Zimmer abgingen. Beide Räume waren Schlafräume und wurden von Tami, Elian und Sadia bewohnt. Seit Ysi das Haus gekauft hatte, lebten die drei nicht mehr auf der Straße. Besonders viel Habe hatte niemand von ihnen, doch strahlte ihr Krähennest tatsächlich unwahrscheinlich viel Gemütlichkeit aus. Für Kerzen wurde gesorgt, sodass sie hier immer Licht hatten. Auch hab es eine kleine Vorratskammer, in der es zumindest ein wenig was zum Essen gab. Wurst oder Brot, aber auch ein paar weniger faulige Äpfel. In dem Bücherregal standen einige von Ysis Lieblingsromane. Sie hatte begonnen, Tami das Lesen beizubringen. Elian und Sadia hatten es sich selbst irgendwann beigebracht, doch war es gemeinhin im Armenviertel gabg und gäbe, dass hier niemand lesen konnte. So konnten ihre Freunde jederzeit üben, wenn sie es denn wollten. Ebenso das Schreiben.
Eine kleine Treppe führte in einen tieferliegenden Raum. Hier konnte man sich waschen, wenn man denn sauberes Wasser fand und seine Notdurft verrichten, die dann direkt in einer Kloake unterhalb des Hauses führte. Alles in allem waren die Krähen nicht besonders wohlhabend, hatten sich hier aber unter erschwerten Bedingungen eine heimelige Zuflucht geschaffen. Mit kleineren.. Schönheitsfehlern.
Man hatte versucht hier ein wenig Liebe reinzubringen und es besaß durchaus Persönlichkeit der Bewohner, aber wirklich viel Geld war in den letzten Monaten nicht übrig gewesen, denn die erschwerten Treffen und dadurch erschwerten Raubzüge, warfen gerade mal so viel ab, dass sie den Hungerleidenden wenigstens etwas geben konnten. Zudem konnten sie ihr Versteck auch nicht mit all dem Prunk ausstatten, sonst rief das gewiss Neidende auf den Plan.

Sadia begrüßte Ysara mit einer Umarmung und einem Lächeln, ehe sie sah, was Tami angerichtet hatte. Die Hände in die Hüften verzog sich ihre Miene. „Dein Ernst, Tami?! Ich glaub ich spinne! Wir haben ohnehin nicht genug Ressourcen, um jetzt auch noch das da hinzubekommen!“, schnauzte die zweite Anführerin im Bunde. Tami hob abwehrend die Hände. „Ich bin ja wohl kein Fettwanzt und es ist TROTZDEM auseinandergebrochen!“, verteidigte sie sich, ehe Elian sich seufzend an die Seite von Ysi stellte und dem Streit von außen beiwohnte. Er lehnte sich etwas zu ihr herüber. „Und schon… streiten sie wieder. Uns fällt allmählig die Decke auf den Kopf, fürchte ich. Seit die Dunklen hier sind, läuft es nicht besonders gut für uns…“, rief er noch mal ins Gedächtnis und ja, es stimmte. Die Krähen waren eingeschränkt in ihrer Handlungsfähigkeit. Ysi musste sich eingestehen, dass sich etwas ändern musste, wenn sie ihre Vorhaben noch weiter in die Tat umsetzen wollten. „Hast du etwas von Cassian gehört? Er hat sich wirklich rar gemacht in der letzten Zeit.“, bemerkte Elian und traf wohl einen gewissen Punkt. Auch Ysi hatte Cassian länger nicht mehr gesehen. Ob es ihm gut ging? "Was hab ich verpasst? Was machen unsere dunklen Freunde?", versuchte die Blonde die Stimmungen zu retten und schaffte es tatsächlich, dass sich die Streitenden zu ihr umdrehten und auch Elian etwas Platz machte, damit sie alle am Tisch zusammenkommen konnten. „Sie stören unsere Möglichkeiten!“, antwortete Tami und zuckte die Schultern. „Wir brauchen mal wieder etwas Größeres, damit wir auch hier ein wenig was reißen können. Und was ist eigentlich mit Cassian?!“, fragte nun auch sie. Sadia musterte Ysi fragend. „Hast du ihn nicht mal gesehen, auf einem der zahlreichen Feste?“, hatte sie nicht. Jetzt, wo sie darüber nachdachte…
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Donnerstag 5. Oktober 2023, 10:53

Das Gesicht der Blonden erhellte sich, als sie Tami in der Tür stehen sah. Während ihrer kurzen Umarmung schlich sich ein kleines Grinsen auf ihre Lippen, weil sie schon in Erwartung einer frechen Erwiderung war und Tamis Temperament zuweilen sehr belustigend fand. Sie warf ihre Tasche in die Ecke und schaute der Jüngsten seelenruhig dabei zu, wie sie mit der Tür kämpfte. „Verdammte Kaschemme!“
So schlecht ist unser Versteck auch wieder nicht, dachte Ysara und beobachtete Tami mit meinem Schmunzeln. Dann ließ sie den Blick durch den Raum und über die Möbel schweifen. Es gefiel ihr, was sie sah. Sie hatten sogar ein gemütliches Sofa, auf dem alle Platz fanden! Über die Jahre hatten sie dem Haus eine persönliche Note und einen eigenen Charme gegeben und Ysi war schon ziemlich zufrieden über den derzeitigen Zustand. Sie träume natürlich von Größerem - einer richtigen Villa -, aber dass man viel Zeit, Ausdauer und Geduld für das Erreichen seiner Ziele brauchte, wusste selbst sie.
„Und? Passen sie nun zu den Blumen?“ Die grünen Augen blickten zurück zu der Rothaarigen. "Darauf kannst du deinen Hintern verwetten!", grinste sie und wurde dann plötzlich zur hilflosen Beobachterin, als sich Tami auf das Sofa warf und eines seiner Beine abbrach, wodurch der Teil mit Tami darauf absackte. Schwungvoll hob sich Ysis Augenbraue und sie sah die Jüngere beinahe tadelnd an, während ihr direkt durch den Kopf ging, wie viel Beute sie machen müssten, um das Sofa zu ersetzen. Die Tage waren gerade schlecht für einen großen Deal und sie würden das Ding erst einmal behelfsmäßig reparieren müssen. Tami beleidigte erneut ihre Bruchbude, sodass sich noch die zweite Braue der Anführerin in die Höhe schwang. Es fiel ihr nicht leicht, aber sie verkniff sich einen Kommentar dazu. Ihr Versteck war allemal besser, als die Baracke, in der Tami mit ihrem Bruder zuvor gelebt hatte. Aber Ysi war sich ziemlich sicher, dass Tami das Krähennest im Inneren schätzte, auch wenn sie sie nicht daran erinnerte, wie sie vor ihrer Mitgliedschaft bei den Krähen leben musste.

Die Grandessanerin erblickte Sadia und Elian, die sie ebenfalls beide umarmte - ob Elian wollte oder nicht, ganz drum herum würde er nicht kommen. Ihre beste Freundin sprach auch sofort an, was Ysi durch den Kopf ging. Sie hatten keine Münze zu viel übrig, um jetzt noch Inventar zu ersetzen! Allerdings hätte sie Tami dafür nicht zurechtgewiesen, wie Sadia es tat, immerhin konnte die Rothaarige nichts dafür, dass sie ein Sofa ergattert hatten, das schon damals beim Hereintragen fast auseinander gebrochen wäre.
„Und schon… streiten sie wieder. Uns fällt allmählig die Decke auf den Kopf, fürchte ich. Seit die Dunklen hier sind, läuft es nicht besonders gut für uns…“
Sie schaute zu Elian hinauf und nickte dann mit einem Seufzen. Sie verstand, dass die Nerven aller gerade überaus angespannt waren. Alles hing gerade in der Schwebe und sie mussten sich zwangsweise in Zurückhaltung üben, was wohl dem Temperament und Tatendrang aller Krähen widersprach. Sie nahm seine Worte durchaus ernst und in ihrem Kopf begannen schon Überlegungen, wie sie wieder zur alten Unbeschwertheit finden konnten.
„Hast du etwas von Cassian gehört? Er hat sich wirklich rar gemacht in der letzten Zeit.“
"Cassian? Nein, hab ihn lange nicht mehr gesehen." Sie zuckte die Schultern, weil sie annahm, dass sie die Einzige war, der es so ging. Immerhin war sie in den letzten Wochen selbst gerade nicht besonders oft hier und ging bei Elians Worten noch davon aus, dass Cassian sich in ähnlichen Abständen wie sie hier blicken ließ. Andererseits war die regelmäßige Anwesenheit der Anführerin deutlich wichtiger und sie sah Cassian nach, wenn er nicht jedes Risiko auf sich nahm, um von Zuhause zu verschwinden.
Zuerst wollte sie jedoch wissen, was sie selbst verpasst hatte und wie es mit den Dunkelelfen lief, die Elian schon kurz erwähnt hatte. Sie schaffte es wie beabsichtigt, Sadia und Tami aus ihrem Streit herauszuholen. Sie wollte, dass etwas Ruhe einkehrte und sie die ganze Thematik ernsthaft angehen konnten. Sie setzte sich auf die Sitzbank an den Tisch und wartete, dass sich die anderen ebenfalls dazu gesellten.
„Sie stören unsere Möglichkeiten! Wir brauchen mal wieder etwas Größeres, damit wir auch hier ein wenig was reißen können. Und was ist eigentlich mit Cassian?!“ Die grünen Augen erfassten kurz Elian, der ihr gerade erst dieselbe Frage gestellt hatte, und blieben dann auf Tami hängen. Auch Sadia wusste offenbar nicht mehr. „Hast du ihn nicht mal gesehen, auf einem der zahlreichen Feste?“
Es gefiel ihr gar nicht, wie sich die anderen nach Cassian erkundigten - und dass sie selbst nichts von ihm gehört hatte. Sie musste erst überlegen, wann sie ihn das letzte Mal gesehen hatte und erst jetzt wurde ihr klar, dass das schon etliche Tage her sein musste! Wann war das gewesen? Ach genau, das Haus von Ebenstein hatte ein Jubiläum gefeiert und deshalb ein großes Fest in ihrem Garten ausgerichtet. Ysi erinnerte sich daran, Cassian gesehen zu haben und ihrer Meinung nach war das Aufeinandertreffen so wie immer gewesen. Jetzt wo sie darüber nachdachte, stellte sie fest, dass das nicht nur Tage, sondern Wochen her sein musste. Dass das schon ewig lange her war, spiegelte sich nun auch in ihrem Blick.
"Das letzte Mal hab ihn vor zwei Wochen gesehen, Haus Ebenstein feierte ein Jubiläum.. vielleicht ist es auch schon drei Wochen her. Da war alles noch ganz normal, würde ich sagen. Wir hatten nicht viel Zeit zum Reden. Hat keiner von euch was von ihm gehört?!", fragte sie mit ehrlichem Erstaunen - und auch Sorge. Sie tauschte einen Blick mit Sadia, der ihr bedeutete, dass ihr das gar nicht gefiel. Sollten sie sich Sorgen machen? Ysi tat es bereits. Die Blonde war davon ausgegangen, dass er wenigstens im Krähennest gewesen war, aber wenn keiner etwas von ihm gehört hatte, war das unüblich. Manchmal schrieben sie sich Zettel, für die sie im Umkreis ihrer Häuser mehrere Verstecke hatten. Oder sie schickten Mägde zum Haus des anderen mit kleineren Aufgaben, die eigentlich nur dazu gedacht waren, den anderen unauffällig darüber zu informieren, wenn man gerade verhindert war. So hatte Ysi einmal eine Magd zum Hause Jafor geschickt, um nach Medizin für sich zu fragen. So war die Information an Cassian gelangt, dass sie gerade gesundheitlich verhindert war und sie sich erst einmal nicht sehen würden. Dass aber seit drei Wochen absolute Funkstille herrschte, war sehr ungewöhnlich und machte sie unruhig.
"Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich einen Abstecher zu ihm gemacht. Soll ich direkt nachsehen gehen?", schlug sie vor und sah sich schon die Fassade seines Hauses hinauf klettern, um heimlich an sein Fenster zu klopfen. Die Sache beunruhigte sie sehr, sodass sie schon ungeduldig mi dem Bein unter dem Tisch wippte. Andererseits war sie nun gerade endlich mal wieder hier.
"Mir gefällt das mit den Dunklen aber auch überhaupt nicht - ist klar. Ich würde ihnen gerne eins auswischen, aber ich denke, wir sollten nicht kopflos etwas überstürzen. Seit dem Jubiläumsfest ist nicht viel passiert bei uns, keine gute Gelegenheit in Sicht. Stattdessen denken manche sogar darüber nach, mit den Dunkelelfen ins Geschäft einzusteigen." Ysi wirkte reichlich unzufrieden darüber. Das größte Unverständnis und der Ärger darüber, als sie das zum ersten Mal gehört hatte, waren inzwischen verraucht. Trotzdem war ihr anzusehen, dass sie diese Gedanken nicht nachvollziehen konnte und nicht unterstützen würde.
"Das sind gerade schwierige Zeiten für uns alle. Ihr könntet mit in den Innenring kommen - nacheinander, jeder für sich über unsere Schleichwege und natürlich umgezogen, damit ihr nicht auffallt. Bestimmt läuft euch ein dummer reicher Sack über den Weg, an dem ihr euch abreagieren könnt, während ich nach Cassian sehe?" Sie grinste kurz. Für große Vorhaben war gerade nicht die richtige Zeit, sie hatte leider nichts in der Hinterhand. Aber sie verstand den Missmut der drei und wenn ein, wenn auch anspruchsloser Straßendiebstahl dabei half, die Laune zu heben - wieso nicht?! "Außer, ihr habt noch von anderen Gelegenheiten was mitbekommen?", stellte sie dann in den Raum und sah zu Sadia, deren Meinung ihr sehr wichtig war.

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 5. Oktober 2023, 21:26

Ihr Versteck war ganz und gar nicht schlecht. Sowohl Tami als auch Elian und Sadia hatten, bis sie Ysara getroffen hatten, wirklich schlecht gelebt. Wenn man daran zurückdachte, dann konnte einem schon regelrecht schwer ums Herz werden. Elian und Tami waren seit frühester Kindheit an allein. Tami war damals vier gewesen, während Elian gerade mal zehn Jahre alt gewesen war, als ihre Eltern starben. Die Mutter hatte sich beim Vater mit einer Lungenentzündung angesteckt und aufgrund von mangelnden, finanziellen Mitteln, hatten sie keinen Heiler aufsuchen können. Es war ein langsamer Prozess gewesen, während dem Elian zum Mann heranreifen musste. Er übernahm seitdem die Versorgung seiner kleinen Schwester. Sorgte dafür, dass es ihr an so gut wie nichts mangelte und opferte sich auf. Tami hatte durch Elian eine halbwegs unbekümmerte Kindheit gehabt und das Resultat war eine freiheitsliebende, schlagfertige junge Frau, die man nicht so schnell kleinkriegte. Elian hingegen war der Ruhepol der Krähen. Wenn es zu hitzig wurde, dann trat er meist in den Vordergrund und kühlte alle mit seinem analytischen und ruhigen Verstand wieder ab. Sadia hingegen war… kraftvoll. Sie konnte den Ton ebenso gut angeben, wie Ysi und war dennoch mit mehr Wassern gewaschen. Auch sie hatte keine Mutter mehr, war allerdings schon immer allein gewesen. Ihr Vater steckte irgendwo oder war ebenfalls bereits verstorben und ihre Mutter hatte die Niederkunft nicht überlebt. Sadia wuchs im Armenviertel auf und wurde von jedem, der etwas entbehren konnte, mit aufgezogen. Sie war die Stimme des Volkes, da sie zu den Menschen hier einen besonderen Draht hatte. Wo Ysi die Augen und Ohren im Viertel der Reichen hatte, da war es Sadia, die sie mit Informationen im Slum versorgte. Es war eine perfekte Harmonie und darüber hinaus ein Miteinander, das niemand so schnell würde, durchdringen können. Keiner von ihnen würde den anderen verraten. Keiner von ihnen würde jemals Schaden auf die Krähen laden. Dessen konnten sie sich alle sicher sein. Und trotzdem war das, was sie hier seit Jahren trieben, gefährlich. Und sie konnten es sich weniger denn je erlauben, dass man sie erwischte. Früher hätte man sie vielleicht noch mit einer Ermahnung davonkommen lassen, sollten sie je erwischt worden sein. Man hätte es als Kinderei abgetan. Doch diese Zeiten waren längst vorbei. Das dunkle Volk würde weitaus weniger zimperlich sein, das hatten sie bereits in den letzten Monaten erlebt. Immer wieder gab es Übergriffe auf Ahnungslose oder Vagabunden, die von den Schergen aus Morgeria im besten Falle nur vertrieben wurden. Weitaus schlimmere Dinge wurden in der Nacht getrieben, sodass sie einhellig entschieden hatten, sich ein wenig zurückzuhalten. Auch gingen Tami und Sadia nur selten allein in der Dämmerung hinaus. Zu riskant, wenn das Risiko keine lohnenswerte Beute hervorbrachte. Allerdings konnten sie so langsam nicht weitermachen. Die Krähen mussten fliegen, denn sie waren nichts für den goldenen Käfig. Sie saßen auf Dächern und spähten in die Dunkelheit. Erblickten glänzende Dinge, die sie stehlen und weiterverbreiten konnten. Es lag ihnen im Blut und so sah sich Ysi drei Augenpaaren gegenüber, die allesamt das gleiche wollten: Arbeit!

Doch zuvor galt es noch ein anderes Problem zu besprechen: Cassian. Er war scheinbar, wie vom Erdboden verschluckt und auch Ysi dämmerte es auf einmal, dass ihr Freund nicht, wie gedacht, immer mal wieder sporadisch im Nest vorbeigeschaut hatte. Allmählich wurde ihnen bewusst, dass das nichts Gutes heißen konnte. "Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich einen Abstecher zu ihm gemacht. Soll ich direkt nachsehen gehen?“ Im Grunde hatte Ysara bereits ihre Tasche geschnappt und war auf und davon, doch Elian schüttelte den Kopf. „Nicht allein. Dieses Mal nicht. Wer weiß, was da los ist.“, gab er zu bedenken und auch Sadia nickte. „Er hat Recht, Ysi. Wer weiß, ob er nicht vielleicht in Schwierigkeiten steckt. Wir sollten alle gemeinsam nachsehen gehen.“, schlug ihre Freundin vor. Auch Tami nickte, während sie sich noch immer das Gesäß von ihrem unfreiwilligen Sturz rieb. Bevor sie allerdings dahingehend einen vernünftigen Plan schmieden konnten, mussten sie sich mit dem Problem der Dunklen Patrouillen auseinandersetzen. "Mir gefällt das mit den Dunklen aber auch überhaupt nicht - ist klar. Ich würde ihnen gerne eins auswischen, aber ich denke, wir sollten nicht kopflos etwas überstürzen. Seit dem Jubiläumsfest ist nicht viel passiert bei uns, keine gute Gelegenheit in Sicht. Stattdessen denken manche sogar darüber nach, mit den Dunkelelfen ins Geschäft einzusteigen." Tami schnaubte herablassend. „Die zecken sich auch überall rein!“, maulte sie und verschränkte die Arme. Sadia nickte bestätigend. "Das sind gerade schwierige Zeiten für uns alle. Ihr könntet mit in den Innenring kommen - nacheinander, jeder für sich über unsere Schleichwege und natürlich umgezogen, damit ihr nicht auffallt. Bestimmt läuft euch ein dummer reicher Sack über den Weg, an dem ihr euch abreagieren könnt, während ich nach Cassian sehe?! Außer, ihr habt noch von anderen Gelegenheiten was mitbekommen?“ Tami war die erste, die sich zu Wort meldete: „Bin dabei! Ich kann die Ablenkung gut gebrauchen.“, pflichtete sie Ysi’s Plan bei und auch Sadia nickte leicht. „Die alte Effel hat seit einigen Tagen nichts mehr gegessen. Sie hat uns letztes Jahr diese Socken gestrickt, erinnert ihr euch? Wir sollten ihr auch helfen, sobald wir können!“, bemerkte die Dunkelhaarige und richtete die braunen Augen auf Elian. Er war ruhig geworden und hatte wieder diesen Ausdruck in den Augen. Er dachte nach. Dabei fummelte er stets an seinem Kinn mit Zeigefinger und Daumen herum und hatte glasige Augen. Stille kehrte ein. Dann wurde die Stille mit einem leisen „Tock-tock-tock“ durchbrochen. Es war Tami’s Fuß, der ungeduldig auf den Holzboden tippelte. Dann ein Seufzen von Sadia. Auch sie war eher von der schnellen Eingreiftruppe und manchmal konnte man sich fragen, wieso sie mit Elian zusammengefunden hatte. Immerhin waren sie grundverschieden. Wo er ruhig und besonnen reagierte, da explodierte sie gerne mal temperamentvoll. Dann hustete Tami bedeutend laut und rollte mit den Augen. Sadia grinste Ysi an und gähnte theatralisch. Doch sie kannten ihren Tüftler. Elian war der, der die Pläne ausfeilte. Er war derjenige, der sich am besten auskannte und Grandea wie seine Westentasche kannte. Wenn er nicht einen Fehler entdeckte – dann wohl keiner. Es dauerte noch einige ‚Tock-Tock-Tock‘ von Tami’s Fuß, ehe er aus seiner Welt auftauchte. „So.“, begann er, als wäre er kurz körperlich weggewesen. „Hier ist der Plan:“, er neigte sich auf dem Tisch vor, sodass ihm alle folgen konnten. Er nahm Salzstreuer und Äpfel zur Hilfe und veranschaulichte dann ihren Plan: „Tami und Sadia, ihr werdet vor uns ins Pfeffersackviertel gehen.“, Pfeffersack war ein Begriff, den die Krähen aufgeschnappt hatten. Er bezeichnete die dicken Sultane in Sarma, doch passte er auch hervorragend hierher. „Ihr werdet am Tor für ein wenig Aufruhr sorgen, sodass wir alle ungehindert hindurchschlüpfen können. Unsere üblichen Schleichwege sind derzeit nicht sicher und werden unvorhersehbar von Dunklen patrouilliert. Ysi!“, sprach er die Blonde an und musterte sie. „Du wirst dieses Mal unerkannt bleiben und dir einen Weg ins Anwesen von Cassian suchen. Du kennst dich dort am besten aus und weißt gewiss, wie du ins Gebäude kommst, ohne dass dich jemand sieht.“, schlussfolgerte er. „Vorher wirst du mir noch eine Notiz verfassen, die ich dann als dein treuer Diener überbringen will. So locke ich den ersten Hausdiener an die Tür und räume hoffentlich den Weg für dich frei.“, er wandte sich wieder an Sadia und Tami. „Ihr müsst dafür sorgen, dass auf der Straße niemand Verdacht schöpft. Tratscht, kichert, benehmt euch eben wie diese reichen Puppen, die kaum mehr Verstand haben als die Schminke, die sie tragen!“ Er zuckte zusammen und warf Ysi einen Seitenblick zu. „Nichts für ungut“, meinte er noch, obwohl sie wussten, dass Ysi es genauso sah. Dann aber schaute Elian in die Runde. Er wurde ernst. „Lasst uns herausfinden, was Cassian aufhält. Und wenn die Sache droht aufzufliegen… Dann sucht Schutz überall, aber kommt nicht wieder her. Lasst Zeit vergehen, wenn ihr entdeckt wurdet! Erst wenn die Luft rein ist, sehen wir uns alle wieder hier und besprechen, was zu tun ist.“, schloss er und holte sich von jedem noch mal die Bestätigung ab, ob der Plan so ausführbar wäre und alle wussten, was sie zu tun hatten. Erst danach, nachdem noch etwaige Details besprochen und abgenickt wurden, rieb er sich die Hände. „Dann los!“, und ging in das 3. Zimmer, in dem ihre Habe war. Hier fand er die feine Kleidung eines Dieners aus gutem Hause und wappnete sich für seine Aufgabe. Auch die anderen zogen sich um, verwandelten sich in richtige ‚Ladies‘, bevor sie alle nacheinander das Haus verließen. Nun wurde es ernst. Ysara sollte noch eine Notiz schreiben, die Elian überbringen konnte, aber würde unauffällig bleiben müssen. Sie musste das Haus erklimmen und vor allem Cassian finden…

Ysara weiter bei Das Anwesen Jafor
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Erzähler » Freitag 13. Oktober 2023, 21:57

Ysara kommt von: Das Anwesen Jafor

Nachdem sie die Küche wieder in ihren Ursprungszustand zurückversetzt hatte, verließ sie das Haus ihres Freundes mit bitterem Geschmack. Es fühlte sich an, als hätte sie es das letzte Mal betreten. Als wäre sie für immer gegangen, hätte die Schwelle übertreten und würde nie wieder zurückkehren. Es musste verdaut werden und dafür brauchte sie Zeit. Es reichte noch bis über die Mauer, die das Anwesen umrahmte und unliebsame Gäste aussperrte. Ysara war nie ein unliebsamer Gast gewesen – sofern sie eine Einladung offizieller Note besaß. Doch jetzt… Jetzt würde sie lange Zeit nicht mehr zurückkehren und das wurde ihr schlagartig bewusst. Sie brauchte einen Moment, in dem sie ihre Tränen laufenlassen konnte und davon überrascht wurde. Sie weinte… Sie weinte um ihren Freund und darum, dass sie zwischen den Stühlen hatte stehen müssen. Sie wollte nie, dass er fortan nicht mehr dazugehörte und konnte nur hoffen, inständig hoffen, dass Cassian das auch noch verstand. Jetzt aber rief sie nach Elian, der sich auf ihren Pfiff hin aus dem Dunkel einer Hecke schälte. „Wurde aber auch Zeit.“, murmelte er und hatte sich die Beine in den Bauch gestanden. Er trat an Ysi heran und musterte sie prüfend. „Hast du etwa geschwitzt? Du glänzt so im Gesicht!“, bemerkte er scharfsinnig und zeigte einmal mehr, dass er eben ein Analyst war. "Er ist wohlauf. Aber er hat ein großes Problem. Ich erzähl' es dir und den anderen im Unterschlupf" Elian sah sie zweifelnd an und wandte dann den Blick zum Haus, das über die Mauer emporragte. „In Ordnung, dann komm!“, wies er sie an und griff sie kurz am Arm, um sie mit sich zu ziehen. Er ließ dann wieder los und schritt mit ihr zusammen durch die leicht erleuchteten Gassen des Viertels der Reichen. „Der alte Diener war sichtlich erstaunt, dass du Cassian eine Nachricht schickst.“, grinste er und erinnerte sich offenbar an das Gesicht des Hausdieners. „Zudem zu so später Stunde. – Schickt sich wohl nicht, was?“, meinte er ein wenig spaßig und hatte ja keine Ahnung.

Elian und Ysara kannten sich inzwischen so gut aus, dass sie mühelos die Patrouillen auf den Straßen umgehen und durch die Tore schlüpfen konnten, bevor sie sich in ihrem Ring wiederfanden. Hier fühlte man sich doch etwas sicherer, denn niemand nahm groß Notiz von ihnen. Hier konnte man noch anonym sein und sich so geben, wie man war. Die meisten Bewohner hier kamen nicht mal zwei Häuserecken weit, denn ihnen fehlte die Kraft zum Laufen. Hier einen wirklichen, ordentlichen Coup zu landen, würde wahrlich dauern. Vielleicht war dieser Tipp von Cassian doch gar nicht so schlecht. Vielleicht wäre es interessant mal einen Abstecher in diesen Generalszelt zu machen, um ein wenig die Lage zu auszukundschaften. Immerhin mussten diese Dunkelelfen auch Pläne haben. Und es wäre gewiss nicht schlecht, jene Pläne zu kennen. Es dauerte nicht lange, da gelangten sie in „ihre“ Nachbarschaft und schließlich auch an die windschiefe Tür. Das geheime Klopfzeichen brauchten sie hier nicht, denn Elian zückte ihren Schlüssel, den sie alle besaßen und entriegelte die Tür. Drinnen bemerkten sie sofort, dass Tami und Sadia schon wieder zurück waren, denn sie saßen an dem Tisch und schienen auf sie gewartet zu haben. Ihre Köpfe ruckten herum und beide hatten einen Becher mit etwas Trinkbarem darin. „Da seid ihr ja endlich!“, kam es gleich von Tami, die ihren Bruder musterte. „Ging alles glatt? Habt ihr etwas erreicht?“, fragte sie und ihr Blick glitt zu Ysara. Auch Sadia musterte ihre Freundin. Dann runzelte sich ihre Stirn. „Ysi? Was ist los?!“, fragte sie und kannte sie sehr gut. Sie musste nach Problem riechen, wenn Sadia gleich mit der Tür ins Haus fiel. Nun war es an Ysara zu erzählen.
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Samstag 14. Oktober 2023, 15:10

Das war es jetzt wohl. Ysara wollte den Gedanken nicht zulassen, sie wollte sich an die Hoffnung klammern, dass Cassian vor der Verlobung und damit auch ihre Freundschaft gerettet werden konnte. Aber sie konnte sich auch nicht gegen die harte Realität wehren. Diesmal nicht. Diesmal musste sie ihr ins Auge sehen. Elian überraschte sie mit seinem plötzlichen Auftauchen. „Wurde aber auch Zeit. Hast du etwa geschwitzt? Du glänzt so im Gesicht!“
"Hm? Achso, ja. Kletter du mal über die Mauer", gab sie gedankenverloren zurück und ließ sich mit ihm mitziehen. Die Tränen konnte sie vielleicht überspielen, aber dass sie bedrückt war, nicht. „Der alte Diener war sichtlich erstaunt, dass du Cassian eine Nachricht schickst. Zudem zu so später Stunde. – Schickt sich wohl nicht, was?“
"Ja, sicher", murmelte sie und war mit den Gedanken woanders. Sie war froh, dass mit Elian ein erfahrener Dieb an ihrer Seite war, in dessen Schatten sie wörtlich schleichen konnte. Sie war unkonzentriert, weil das, was sie vor wenigen Minuten erfahren hatte, sie immer noch nicht verarbeitet hatte. Die Diebin kannte das Viertel und die Schleichwege wie ihre Westentasche, aber jetzt gerade war es gut, noch ein Paar offene Augen und Ohren an ihrer Seite zu wissen. Wenige Minuten, bevor sie das Tor zum Armenviertel passierten, ließ Ysara genauer den Blick zu den Straßen, die nach Westen führten, schweifen. Sie orientierte sich an der Wegbeschreibung, die Cassian ihr auf den Weg gegeben hatte. Ob sie das Zelt des zukünftigen Generals auf ihrem Weg zurück zum Krähennest sehen konnte? So oder so, es war klar, dass sie die Unterkunft des Offiziers genauer ausspionieren würde. Später.

Nun ging sie erst einmal zurück zu ihrem sicheren Unterschlupf. Während der Ältere die Tür aufschloss, stand Ysara in seinem Rücken und atmete einmal tief ein und aus, um sich zur Ruhe zu zwingen. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren. Wenn sie jetzt zu emotional wurde, wäre das nicht hilfreich. Als sie Tami und Sadia gesund und munter am Tisch sitzen sah, musste sie kurz erleichtert lächeln. Sie hatte die beiden Mädels ganz vergessen und hatte gar nicht mehr darüber nachgedacht, ob sie wohlbehalten zurückgekommen waren. Zu ihrem perfekten Schauspiel vorhin am Tor machte sie jedoch keinen lockeren Spruch, auch wenn es ihr durchaus gefallen hatte. Aber sie hatten andere Probleme und das bemerkte auch Sadia sofort. „Da seid ihr ja endlich! Ging alles glatt? Habt ihr etwas erreicht?“ Ysara sah zu Tami. Erreicht? Wenn man das Verletzen eines Freundes dazu zählen wollte, hatte Ysara jede Menge erreicht. „Ysi? Was ist los?!“ Die Blonde schaute in die braunen Augen ihrer besten Freundin. Offenbar konnte sie ihre Gefühle nicht so gut verschließen wie Cassian. Sie hatte den ganzen Weg überlegt, wie sie die Nachricht überbringen sollte. Doch es gab keine Umschreibung dafür, was Cassian blühte. Egal, welchen Satz sie sich überlegt hatte, keiner machte es annähernd leicht, es auszusprechen.
"Cassian wird eine Dunkelelfe heiraten." Einfach frei heraus. Ysara sagte, wie es war. Aber ihre Worte klangen voller Ablehnung. "Ta'nurie." Sie klang schon beinahe gehässig, als hätte die Elfe sie persönlich verletzt - tief im Inneren war das wohl so. Eine Krähe nach der anderen blickte Ysara aus den grünen Augen an. Sie wirkte beinahe hilflos, wie sie da verloren vor der verschlossenen Tür in ihrem Rücken stand. "Sie ist die Tochter eines Offiziers. Bald ist er ein General, dann sind ihm die Soldaten in Grandea unterstellt. Man will sich mit den Dunklen gut stellen, bevor sie die Stadt überrennen wie alle anderen. Die Dunkelelfen schließen Bündnisse mit den hohen Tieren", gab sie Cassians Worte wider und wirkte überhaupt nicht glücklich. Sie verabscheute diesen Gedanken und hier zeigte sie dies so offen, wie sie dürfte. Dunkelelfen, die sich in ihrer Stadt breitmachten.. als gäbe es in ihrer Heimat nicht schon genug Probleme. Es gab jetzt schon genug Männer wie Frauen, die sich über die arme Bevölkerung stellten. Aber noch mehr verabscheute sie den Gedanken, dass Cassian gegen seinen Willen eine von den Dunklen heiraten musste. Bevor jemand Einwände anbringen konnte, fühlte sich Ysara dazu bemüßigt, weiter zu reden und damit jede Idee im Keim zu ersticken. "Es ist bereits offiziell. Er kann dem nicht entkommen. Wenn Cassian die Ehe nicht eingeht, könnten er und seine Familie sogar umgebracht werden." Ysara gab ihr Bestes dabei, die Fakten zu schildern, wie sie waren. Sie bemühte sich darum, ruhig zu klingen, aber das Zittern ihrer Stimme verriet, dass ihr das aus mehreren Gründen durchaus nahe ging. " Es ist alles geplant, es gibt kein Entkommen - außer ihr habt noch eine Idee", sagte sie abschließend und endete. Hoffnungsvoll und flehend sah sie nun doch wieder auf und einen nach dem anderen an.

Sie sah so hilflos aus, wie sie sich fühlte. Hilflos und machtlos. Und da waren auch immer noch die Schuldgefühle, weil sie Cassian vorübergehend von den Krähen ausgeschlossen hatte. Sie kaute auf ihrer Unterlippe und spielte nervös mit den Fingern. Für einige Momente schwieg sie, hörte den vermutlich überraschten Einwänden und Vorschlägen der anderen zu, während sie ganz offenbar noch mit Weiterem haderte. Sie sah Sadia an und überlegte, ob sie es lieber später mit ihr alleine klären sollte. Insgeheim hoffte sie, dass einer von den dreien ebenfalls zu der Erkenntnis kam, dass es besser war, wenn Cassian weiterhin die Füße still hielt. Doch irgendwann hatte sie das Gefühl, dass das schlechte Gewissen sie auffraß. "Ich muss euch noch etwas sagen." Sie seufzte und es kostete sie einige Überwindung. Sonst gab sie sich als die starke Anführerin, die hinter jeder ihrer Entscheidungen stand. Doch das, was sie alleine entschieden hatte, betraf sie persönlich in solch einem Umfang, dass sie gar nicht unbetroffen sein konnte. "Ich habe Cassian gesagt, dass seine .. die Dunkelelfe eine Gefahr für uns ist. Ich habe ihm gesagt, dass er .. nicht mehr herkommen soll. Vorübergehend." Vorsichtig sah sie auf. Ihre gemurmelten Worte und ihre Haltung zeigten, dass sie nicht wusste, ob sie richtig gehandelt hatte.

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Erzähler » Sonntag 15. Oktober 2023, 21:52

Ysara hatte Übung darin, schlechte Nachrichten zu überbringen. Allerdings bedeutete das nicht, dass ihr die Aufgabe dadurch auch leichter fiel. Zudem betraf es sie nun alle gemeinsam, persönlich und nah. Allen voran betraf es Ysara, die einen Freund verlieren würde, wenn sie es nicht richtig anstellten. Die Tochter aus gutem Hause verhielt sich entgegen ihrem Naturell sehr schweigsam, sodass Elian sie immer mal wieder auf ihrem Weg zum Krähennest zurück musterte. Es war seltsam, dass Ysi gar nicht scherzte oder zumindest sich über die Zustände beschwerte. Etwas musste vorgefallen sein und Elian achtete besonders auf sie beide, weil er merkte, dass sie gerade mit den Gedanken woanders war. So war es bereits seit langer Zeit zwischen den Mitgliedern der Krähen gewesen: Einer achtete auf den anderen und tat alles dafür, dass es ihm gut ging und er unbeschadet aus ihren Manövern herauskam. Nun aber hatte Ysara mit dem Kodex etwas brechen müssen. Sie hatte Cassian allein zurückgelassen und ihn ausgeschlossen. Zwar nicht für immer, aber sie kannte auch ihren Freund. Er war stets bemüht, es allen recht zu machen! Es konnte nervend sein, und doch war das eine wundervolle Eigenschaft. Bis jetzt. Cassian sollte sofort ausbrechen, sollte hinschmeißen und sich weigern, wenn es nach Ysara ginge. Doch die Aussicht, dass seine Weigerung tatsächlich tödliche Konsequenzen hätte… Wie sollte man damit umgehen? Wann war die Zeit der Spielerei vorbei und wann hatte die Zeit der Konsequenzen angefangen? Ysara wälzte noch ihre Probleme, da hatte Elian bereits die Tür geöffnet. Erst als sie beide Frauen am Tisch sitzen sah, konnte sie sich ein wenig von ihrem Denken lösen und aufatmen. Elian schloss die Tür wieder in ihrem Rücken und ging dann an dem Tisch vorbei, um für alle etwas zum Trinken hinzustellen, bevor er sich setzte.
Ysara stand nun vor den drei Augenpaaren und musste sich endlich der unschönen Wahrheit stellen: "Cassian wird eine Dunkelelfe heiraten." Elian fiel der Krug Wasser aus der Hand, sodass sich der gesamte Inhalt über den Tisch ergoss und er wie ein angestochenes Huhn aufsprang. Seine Hose war nass, doch er starrte nur Ysi an. “Ta’nurie“ „Gesundheit.“, sagte Tami trocken und starrte ebenso wie Elian zu ihr hoch. „Ist das dein Ernst?!“, kam es von Sadia und dann herrschte… Stille. Die Information saß und keiner wusste recht damit umzugehen. Gleiche Hilflosigkeit, wie Ysara sie empfand, spiegelte sich auch in den Ausdrücken ihrer Freunde wider.

"Sie ist die Tochter eines Offiziers. Bald ist er ein General, dann sind ihm die Soldaten in Grandea unterstellt. Man will sich mit den Dunklen gut stellen, bevor sie die Stadt überrennen wie alle anderen. Die Dunkelelfen schließen Bündnisse mit den hohen Tieren.", versuchte sie eine Erklärung abzugeben und scheiterte damit. Sie verstand es ja selbst nicht. Allerdings löste das die Schockstarre, in der sich plötzlich alle befanden und zumindest Elian fluchte zischend und bemerkte jetzt erst, den nassen Fleck auf seiner Hose. „Bin gleich wieder da.“, murrte er ungehalten und angespannter, als es normalerweise seine Art wäre. Er ging ins Nebenzimmer, um sich umzuziehen, während die Frauen zurückblieben. „Aber Ysi, das kann doch unmöglich passieren! Wir müssen etwas tun!“, legte Sadia los und Tami schnaubte trotzig, während sie ihre Arme ablehnend verschränkte. „Und was? Wir können da gar nichts tun! Cassian ist so scheiß-vernünftig, dass ich kotzen könnte!“, fluchte Tami, die ein wenig getroffen klang. Allerdings überspielte sie diesen Umstand mit pampiger Wut. „Er würde nie dagegen rebellieren!“, meinte sie und Sadia fuhr sich durch die dunklen Haare. "Es ist bereits offiziell. Er kann dem nicht entkommen. Wenn Cassian die Ehe nicht eingeht, könnten er und seine Familie sogar umgebracht werden. Es ist alles geplant, es gibt kein Entkommen - außer ihr habt noch eine Idee", fügte Ysara noch bei, damit Sadia völlig ratlos zu ihr aufsehen konnte.
"Ich muss euch noch etwas sagen. Ich habe Cassian gesagt, dass seine .. die Dunkelelfe eine Gefahr für uns ist. Ich habe ihm gesagt, dass er .. nicht mehr herkommen soll. Vorübergehend." Tami presste die Lippen aufeinander und sah zur Seite. Ihr Ausdruck sah… verkrampft aus. Irgendwie seltsam, doch bevor noch jemand fragen konnte, rutschte ihr Stuhl schwungvoll zurück und sie stampfte wütend und Türen knallend ebenfalls ins angrenzende Zimmer. Nun waren Sadia und Ysara allein.

Erneut breitete sich Stille aus, bevor Sadia aufstand und sich Ysi mit ausgebreiteten Armen näherte. Sie umarmte ihre Freundin fest, ließ ihr stumm ihr Mitgefühl zuteilwerden und sagte erstmal nichts. Sie tröstete Ysara, weil sie wusste, wie es ihr gehen musste. Die Geschwister kehrten vorerst nicht zurück. Vermutlich beredeten sie nun auch, was Elian ob seines Malheurs nicht mitbekommen hatte. Vielleicht war es gut, dass sie erstmal allein berieten, wie sie nun vorgehen konnten und danach alle Informationen und Ideen zusammentrugen. Sadia führte Ysi zum Tisch und schob ihr einen Becher mit Apfelsaft hin. „Hier, das hebt die Stimmung etwas. Ich hab ein wenig Zimt und Zucker reingemischt.“, grinste sie. Es war Sadia’s Lieblingsgetränk, denn es versüßte einem den Tag, wie sie immer zu sagen pflegte. Vielleicht half es ja. „Du siehst ganz schön mitgenommen aus, Ysi…“, bemerkte Sadia vorsichtig und legte ihre Hand auf die ihrer Freundin. „Wie fühlst du dich dabei wirklich?“, wollte sie wissen. „Dass er ausgerechnet eine Dunkelelfe heiraten soll. Damit konnte keiner rechnen. Aber… er hat gut reagiert, nicht wahr? Hat sich vollkommen bedeckt gehalten, damit wir nicht auffliegen. Wie hat er es aufgenommen, dass du ihn vorerst ausgeschlossen hast? Ich hätt’s übrigens genau so gemacht. Wir müssen jetzt erstmal in Ruhe nachdenken und abwägen, was unsere Optionen sind! Da können wir keine Ta’mumel gebrauchen!“, grinste sie. Sadia wusste genau, wie die Elfe hieß. Sie hatte ein super Gedächtnis, wenn es um Namen ging. „Glaubst du, er zieht es wirklich durch? Denn wenn ja… dann wäre … nun, also – dann wäre er nicht länger Mitglied. Das siehst du doch auch so, oder?“, hakte Sadia nach und legte den Kopf etwas schief. „Willst du etwas essen? Wir haben noch Butter und Brot und… der knurrige Schlachter hinten in dem Viertel der verrückten Schwestern – du weißt schon, die, die zu viele Kräuter rauchen -, dem konnte ich ein neues Schlachtermesser besorgen. Da hat er uns…“, sie erhob sich und fingerte aus einem Kasten, einen eingeschlagenen Braten hervor. „Tadaaa, einen Schinken geschenkt! Superlecker!“, grinste sie und kehrte mit dem Essbaren zurück an den Tisch, um für Ysara bei Bedarf etwas herzurichten.
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Dienstag 17. Oktober 2023, 12:28

Ysara war so angespannt in Anbetracht der Informationen, die sie ihrer Bande überbringen musste, dass sie kurz erschrocken zusammen zuckte, als Elian vor Schreck der Wasserkrug aus der Hand fiel. Ihr Problem hatte einen Namen: Ta'nurie. Sie nannte den Namen von Cassians Angetrauten und er missfiel ihr ganz offensichtlich. „Gesundheit.“ Was sonst ganz ihrem Humor entsprach, prallte nun ohne jedes Lächeln an der Blonden ab. Sie sah Tami nur für einen Moment an, bevor Sadia sich vergewisserte, ob sie es ernst meinte. Ysara nickte, noch immer stumm. Stille breitete sich in dem Häuschen aus. Die Diebin nutzte sie und versuchte sich in einer Erklärung für die Ehe, wobei sie das alles selbst noch nicht verstand und sortieren musste. Sie sah Elian nach, der sich entschuldigte und den Raum verließ, um sich umzuziehen. Ysara bemerkte sehr wohl, dass auch er angespannt war. Auch er musste das erst einmal verdauen. Sie alle.
„Aber Ysi, das kann doch unmöglich passieren! Wir müssen etwas tun!“ Ysara seufzte. Sie war die Erste, die alles tun würde, wenn sie nur wüsste, was sie tun konnte! „Und was? Wir können da gar nichts tun! Cassian ist so scheiß-vernünftig, dass ich kotzen könnte!“ Jetzt musste Ysara doch kurz schmunzeln, weil Tami es so gut auf den Punkt brachte. Cassians Loyalität konnte wirklich anstrengend und problematisch sein. „Er würde nie dagegen rebellieren!“ Ysi nickte zustimmend, denn genau darin lag das Problem. Aber er hatte auch keine Wahl. Er konnte es nicht darauf ankommen lassen, nicht, wenn seine Familie dafür büßen musste. Das war vollkommen ausgeschlossen, den Tod seiner Eltern auf sich zu nehmen. Das erklärte sie auch Sadia und Tami. Und sie rückte nach einigen Momenten mit der Sprache heraus, dass sie Cassian gesagt hatte, dass er nicht mehr herkommen dürfte, weil die Dunkelelfe an seiner Seite sie alle in Gefahr brachte. Die grünen Augen blieben auf Tami liegen, die das ganze emotionaler aufzunehmen schien als Sadia. Die Rothaarige wirkte getroffen und erhob sich dann schwungvoll, um in das nächste Zimmer zu stampfen. Ysara seufzte erneut und murrte kurz ungehalten. Für einige Momente blickte sie auf die Zimmertür, die Tami hinter sich zugeknallt hatte. Tami dachte vielleicht, es wäre ihr Geheimnis, dass sie Cassian mochte. Aber Ysi entging nicht, wie sie den reichen Erben oft anschaute, wenn sie sich unbeobachtet fühlte oder dass sie manchmal überraschend verhalten sprach, wenn sie mit Cassian redete. Ysara beobachtete das stets still, sie ließ Tami in dem Glauben, dass ihr nicht klar war, wie sehr sie Cassian mochte - mehr als den Bruder, als den er sich ihr gegenüber verhielt. Sie hatte nie diejenige sein wollen, die sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen musste. Als Straßendiebin ohne Abstammung hätte Tami niemals die Chance, dass etwas Ernsthaftes aus Cassian und ihr werden würde. Und für ein lockeres Verhältnis, wie es Cassian mit manchen Frauen heimlich pflegte, fühlte er sich ihr gegenüber zu sehr wie ein Bruder und Beschützer verpflichtet. Ysara glaubte nicht, dass Cassian auch nur annähernd das in Tami sah, was sie sich wünschte. Es tat ihr leid, sie nun vor den Kopf zu stoßen und ihr die bittere Wahrheit überbringen zu müssen.

"Was für ein scheiß Abend", murmelte Ysi und sah niedergeschlagen zu Sadia, die zu ihr kam und sie still in die Arme nahm. Sie legte ihre Hände an den Rücken ihrer Freundin und genoss das Gefühl von Trost und Geborgenheit. Es tat gut, wenigstens ihre beste Freundin bei sich zu wissen. Sie ließ sich auf der Sitzbank nieder und nahm dankend den Becher mit Apfelsaft entgegen. „Hier, das hebt die Stimmung etwas. Ich hab ein wenig Zimt und Zucker reingemischt.“ Sie lächelte sacht und nahm einen Schluck von dem süßen Getränk, das direkt ein heimeliges Gefühl in ihr auslöste. „Du siehst ganz schön mitgenommen aus, Ysi… Wie fühlst du dich dabei wirklich?“
"Ich weiß nicht, ob ich das Richtige getan habe." Sie drückte Sadias Hand und schaute sie fragend an. Was dachte sie darüber? „Dass er ausgerechnet eine Dunkelelfe heiraten soll. Damit konnte keiner rechnen. Aber… er hat gut reagiert, nicht wahr? Hat sich vollkommen bedeckt gehalten, damit wir nicht auffliegen.“ Sie nickte bestätigend. Das konnte ihm keiner vorwerfen. Er hatte die Füße still gehalten, seit der Verlobung. Und sie verlangte doch nur, dass er das weiterhin tat. „Wie hat er es aufgenommen, dass du ihn vorerst ausgeschlossen hast? Ich hätt’s übrigens genau so gemacht. Wir müssen jetzt erstmal in Ruhe nachdenken und abwägen, was unsere Optionen sind! Da können wir keine Ta’mumel gebrauchen!“
Ysaras Gesicht erhellte sich in dem Augenblick, als Sadia ihr Recht gab. Ihr fiel ein riesiger Stein vom Herzen, dass sie das genauso sah und ihre Entscheidung unterstützte. "Das tut gut zu hören, Sadia! Ich habe ein schlechtes Gewissen. Er hat ganz auf die Cassian-Art reagiert." Sie seufzte und ihre Freundin wusste wohl, was sie meinte. Er hatte seine Gefühle augenblicklich verschlossen und es verständnisvoll hingenommen - mit einer angelernten Überzeugung, die Ysi ihm nicht abkaufte. "Ich habe ihn sehr enttäuscht. Er hat es gut überspielt, aber.. ich kenne ihn besser."
„Glaubst du, er zieht es wirklich durch? Denn wenn ja… dann wäre … nun, also – dann wäre er nicht länger Mitglied. Das siehst du doch auch so, oder?“ War das so? Die Augenbrauen der Blonden zogen sich überlegend zusammen. Sie musste darüber nachdenken, auch wenn sie es nicht wollte. Ihre Freundin sprach inzwischen schon weiter. „Willst du etwas essen? Wir haben noch Butter und Brot und… der knurrige Schlachter hinten in dem Viertel der verrückten Schwestern – du weißt schon, die, die zu viele Kräuter rauchen -, dem konnte ich ein neues Schlachtermesser besorgen. Da hat er uns… Tadaaa, einen Schinken geschenkt! Superlecker!“
Ein feines Grinsen bildete sich auf ihren Lippen. "Danke, aber ich habe keinen Appetit", erwiderte sie dann, noch immer bedrückt und kehrte gedanklich zu ihrem eigentlichen Problem zurück.

"Ich glaube, er muss es durchziehen. Er kann seine Familie nicht gefährden. Ich habe ihm angeboten, hier unterzutauchen. Aber auch das schlug er aus. Als würde er nicht mal darüber nachdenken, wie er seinen Pflichten entkommen kann." Sie schnaubte kurz. Es war eben, wie Tami gesagt hatte. Cassian war scheiß-vernünftig. Lieber schnitt er sich ins eigene Fleisch, als einen Zweifel an seiner Loyalität zuzulassen. "Ich hab ihm gesagt, er soll ihr ein Anwesen kaufen, ganz weit weg, sodass er sie wenigstens nicht ständig sehen muss. Aber selbst das kann er nicht mit seinem Anstand vereinbaren." Sie stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab und vergrub ihr Gesicht seufzend in ihren Händen. Sie konnte sich bildlich vorstellen, mit welcher geraden Haltung und Höflichkeit Cassian die Information über seine Verlobung hingenommen hatte. Vermutlich hatte er nicht ein Wort des Widerstrebens von sich gegeben! Es war seine Pflicht und die erfüllte er ohne Wenn und Aber. Es war zum Haare raufen!
"Ich glaube, er wird dagegen nicht rebellieren. Er tat immer das, was seine Familie von ihm erwartete. Wenn sein und ihr Vater die Verlobung nicht lösen, wird er sie heiraten." Sie versuchte, den riesigen Kloß in ihrem Hals hinunter zu schlucken, der sich bei dieser Erkenntnis bildete. Was würde das für sie bedeuten? "Ich werde mich von ihm fernhalten müssen. Das gerade wäre schon fast schief gegangen. Sie war in seinem Zimmer und hätte man uns zusammen gesehen.. Wie sollte das je funktionieren?" Ihre Stimme klang erstickt und sie brach ab. Der Gedanke, ihren Freund an diese Dunkelelfe zu verlieren, schmerzte. Nun hatte sie Zeit, sich mit den Konsequenzen genauer auseinanderzusetzen. "Müssen wir ihn dann wirklich ausschließen?" Sie ließ ihre Hände sinken und sah Sadia an. Nicht unbedingt, weil sie diesen Schritt in Frage stellte, sondern weil sie hoffte, dass es vielleicht doch noch eine andere Möglichkeit gab. Doch ihr fiel keine ein. "Eine Krähe kann keine Dunkelelfe heiraten. Wie soll er ihr erklären, wo er steckt? Wem gilt dann seine Loyalität? Ich dachte, wir wären eine Familie, aber.. sie ist dann.. seine Familie." Wie furchtbar das alles war! Diese Abgründe, die sich in ihrem Inneren auftaten, jetzt wo sie genauer darüber nachdachte. Cassian und Ta'nurie Jafor. Sie wären Mann und Frau. Da wäre kein Platz mehr für Dritte. Nicht in der Welt, in der Cassian lebte und an die er sich ohne Wenn und Aber anpasste. Sie vertraute ihm, er würde sie nicht verraten. Aber was war eine Krähe, die eine Dunkle heiratete? Auch Ysi wurde klar, dass sich beides nicht vereinbaren ließe. "Er wird mich dafür hassen", stellte sie mit einem Schniefen fest. Ihre Augen glänzten plötzlich und sie wischte sich mit dem Ärmel darüber.

Doch sie konnte jetzt hier nicht sitzen und weinen, auch wenn ihr der eben ausgesprochene Gedanke das Herz zuschnürte. Aber sie gestattete sich nur diesen einen Augenblick der Schwäche vor Sadia, dann seufzte sie und krempelte die Ärmel ihrer Bluse hoch. Cassian auszuschließen war die schlimmste aller Möglichkeiten und die allerletzte, die sie in Betracht ziehen wollte. "Cassian mag verletzt und enttäuscht sein, aber er gab mir noch einen Tipp mit. Ta'nurie sprach mit ihrem Vater über einen Gegenstand von größter Wichtigkeit. Er soll ihnen den Weg zu einem der größten Schätze zeigen, der auf Celcia zu finden ist. Cassian weiß nicht genau, was es ist, aber er mutmaßt, dass sie eine Schatzkarte oder etwas in der Art haben." Ysaras Augen bekamen nun einen anderen Glanz: Tatendrang und Abenteuerlust spiegelten sich darin. Sie beschrieb Sadia den Ort vom Quartier von Ta'nuries Vater, das laut Cassian im Westen des Innenrings lag. "Was hälst du davon? Vielleicht können wir Ta'nuries Familie um einiges an Reichtum erleichtern, sodass Cassians Familie keinen Vorteil mehr aus der Verbindung ziehen kann. Oder wir stoßen auf ein anderes Familiengeheimnis.. oder bekommen eine Idee, wie wir das alles torpedieren können und vielleicht.. vielleicht müssen sie dann auch die Verlobung lösen", überlegte Ysara laut und ein kleines bisschen Hoffnung keimte wieder im Herz der Blonden auf.

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 18. Oktober 2023, 10:58

Als sie sich aus ihrem Elternhaus gestohlen hatte und ihrer Mutter, die immer neue Aufgaben zu finden schien, aus dem Weg ging, da war sie noch beflügelt von dem Gedanken gewesen, endlich wieder ins Nest der Krähen zu kommen. Derzeit standen so einige Feste, einige Empfänge und Essen an, die allesamt immer wichtiger wurden. Wenn man ihren Eltern Glauben schenkte. Auch Ysi hatte mitbekommen, wie sich die Dinge in der Oberschicht immer mehr veränderten. Zusätzlich zu den ohnehin ‚wichtigen‘ Familien, zu denen man regen Kontakt pflegen musste, gesellten sich nun eben auch die der Dunklen hinzu. Irgendein Ritter von sowieso und eine Tochter von wem-auch-immer, wollten ständig vorgestellt werden. Es war gewiss interessant zu sehen, dass es eben nicht nur in Grandea Adel und höfisches Gehabe gab. Und so unzivilisiert die Dunkelelfen manchmal wirken mochten, so sehr waren auch sie daran interessiert, Familien zu einen und größere Dynastien zu etablieren. Sehr zum Leidwesen von den adeligen, reichen Kindern Grandea’s. Sie waren doch die Leidtragenden!
Ihre Eltern hatte man ihrerzeit auch zwangsverheiratet, aber wenigstens waren diese Ehen im Land geblieben. Jetzt aber sollten Töchter den Elfen versprochen werden und dann … in dieser finsteren Stadt Morgeria leben? Eine Stadt, die kaum einer von außen mal gesehen hatte? Ysara’s Abend verlief ganz und gar nicht gut. Erst die Sorge um ihren Freund, dann das böse Erwachen und ihre schwere Entscheidung. Zudem kam, dass auch Tami irgendwie sauer zu sein schien und Ysi ahnte auch, warum. Elian hatte sich noch gar nicht geäußert… Tami würde ihm schon alles berichten, doch wie dachte der kluge Kopf darüber? Wie dachte er über Ysara’s Entscheidung?
Sadia pflichtete ihrer Freundin bei und das erleichterte das Herz der Blonden erheblich. Dankbar sah sie Sadia an und gemeinsam gerieten sie in Überlegungen, wie sie Cassian nun befreien könnten. "Das tut gut zu hören, Sadia! Ich habe ein schlechtes Gewissen. Er hat ganz auf die Cassian-Art reagiert. Ich habe ihn sehr enttäuscht. Er hat es gut überspielt, aber.. ich kenne ihn besser." Sadia nickte wissend. Wenn Cassian eines war, dann treu. Natürlich galt das auch für die Treue zu den Krähen, aber gerade Cassian würde lieber alle Brücken zu ihnen abbrennen, anstatt Gefahr zu laufen, sie durch törichtes Verhalten zu gefährden.

Die Dunkelhaarige hatte noch immer leichte Schwierigkeiten mit dem jungen Jafor, aber sie vertraute Ysara unbenommen. Und grundsätzlich auch Cassian. Dass er sich nicht gemeldet hatte, sprach in Sadia’s Augen definitiv für ihn. Nun aber hatte sie eine geknickte Freundin vor sich und musste für sie da sein. Die nächste Frage war ein klares Statement seitens Sadia’s. Wenn er Ta’nurie heiratete, musste er gehen. Und sie musste Ysara darauf vorbereiten, denn sonst wusste Sadia dieses Mal nicht, was die Blonde tun würde. Ob sie es akzeptieren könnte? Er war ihr einziger Freund in der Welt der Reichen. Sadia wusste das sehr gut. Dennoch… Das Schweigen seitens Ysara’s verankerte sich im Hinterkopf der zweiten Anführerin. Sie würde sie beobachten müssen und gegebenenfalls einschreiten, wenn es zu heikel wurde. Jetzt gönnte sie Ysi ihre Pause, die Nachricht war noch frisch und musste erstmal gründlich verdaut werden. Um die Stimmung zu heben, kümmerte sich Sadia um das leibliche Wohl, aber Ysara konnte sich nicht dafür begeistern. Nickend stellte sie die Sachen trotzdem auf den Tisch und setzte sich dann wieder. "Ich glaube, er muss es durchziehen. Er kann seine Familie nicht gefährden. Ich habe ihm angeboten, hier unterzutauchen. Aber auch das schlug er aus. Als würde er nicht mal darüber nachdenken, wie er seinen Pflichten entkommen kann. Ich hab ihm gesagt, er soll ihr ein Anwesen kaufen, ganz weit weg, sodass er sie wenigstens nicht ständig sehen muss. Aber selbst das kann er nicht mit seinem Anstand vereinbaren." Schnaubend schüttelte die Dunkelhaarige den Kopf. Griff sich dann selbst das Messer und schnitt sich eine dicke Scheibe Brot ab. „Wo kommt das bloß her, dass man bei Cassian immer darauf wartet, dass er endlich mal aus seiner Rolle fällt? Dass er so richtig platzt und auf den Tisch haut, laut wird und sich gegen alles und jeden wehrt, der nicht seine Idee war?!“, wollte sie nachdenklich wissen und schob sich die Scheibe mit dick Butter in den Mund. „Ich meine“, schmatzte sie ungeniert, „er muss doch Träume haben?? Habt ihr mal darüber geredet?“, wollte sie neugierig wissen und sah nachdenklich in die Luft, während sie abermals herzhaft abbiss.

"Ich glaube, er wird dagegen nicht rebellieren. Er tat immer das, was seine Familie von ihm erwartete. Wenn sein und ihr Vater die Verlobung nicht lösen, wird er sie heiraten. Ich werde mich von ihm fernhalten müssen. Das gerade wäre schon fast schief gegangen. Sie war in seinem Zimmer und hätte man uns zusammen gesehen.. Wie sollte das je funktionieren?" Sadia richtete die dunklen Augen wieder auf das Gesicht ihrer Freundin. Ihr Brot sank zur Tischplatte und sie klopfte sich das Mehl von den Händen. „Ysi…“, wollte sie beginnen, doch die hoffnungsvolle Frage erreichte vorher die Ohren Sadia’s: "Müssen wir ihn dann wirklich ausschließen?" Sadia wurde ernst und wischte sich kurz über den Mund. „Ja.“, antwortete sie schlicht und doch sah man ihr an, dass es ihr leidtat. „Ysi, wenn er die Tochter des General’s der Armee heiratet…“ "Eine Krähe kann keine Dunkelelfe heiraten. Wie soll er ihr erklären, wo er steckt? Wem gilt dann seine Loyalität? Ich dachte, wir wären eine Familie, aber.. sie ist dann.. seine Familie.", erklärte sie sich selbst ebenfalls den Umstand. Sadia nickte schlicht. "Er wird mich dafür hassen."
Erneut wanderte die Hand der Freundin zu Ysara’s und drückte sie leicht. „Wird er nicht. Er wird es verstehen… Und… keine Ahnung, aber vielleicht wäre es mal gut, wenn er selbst spürt, was ihm wichtig ist? Vielleicht muss er erstmal erkennen, dass es eben doch etwas gibt, was er für sein Pflichtgefühl nicht sausenlassen will? Ihr seid so lange befreundet und er ein Teil dieser verlausten Bande!“, sie grinste leicht und meinte es liebevoll. Für Sadia gab es nichts anderes, außer die Krähen. „Er wird hoffentlich erkennen, dass er das hier nicht aufgeben will. Und begehrt endlich mal auf!“ Es klang wie eine hoffnungsvolle Prophezeiung, doch sicher sein konnten sie natürlich nicht. Keiner wusste vorauszusagen, was Cassian Jafor wirklich tat und vor allem, was er wirklich wollte… Um das Thema dennoch eher auf einer positiven Note zu beenden, da wechselte Ysara auch aus Selbstschutz das Thema.

"Cassian mag verletzt und enttäuscht sein, aber er gab mir noch einen Tipp mit. Ta'nurie sprach mit ihrem Vater über einen Gegenstand von größter Wichtigkeit. Er soll ihnen den Weg zu einem der größten Schätze zeigen, der auf Celcia zu finden ist. Cassian weiß nicht genau, was es ist, aber er mutmaßt, dass sie eine Schatzkarte oder etwas in der Art haben. Was hältst du davon? Vielleicht können wir Ta'nuries Familie um einiges an Reichtum erleichtern, sodass Cassians Familie keinen Vorteil mehr aus der Verbindung ziehen kann. Oder wir stoßen auf ein anderes Familiengeheimnis.. oder bekommen eine Idee, wie wir das alles torpedieren können und vielleicht.. vielleicht müssen sie dann auch die Verlobung lösen." Sadia hatte zugehört und wirkte dabei äußerst aufmerksam. Immer wenn es eine Möglichkeit gab, den Krähen ein wenig Rückenwind zu verschaffen, dann war sie im höchsten Maße konzentriert. Bevor sie aber antworten konnte, ging die Tür auf und Elian, sowie Tami kamen wieder. Letztere sah immer noch etwas schmollend aus, aber sie setzte sich ohne Kommentar an den Tisch und griff nach Schinken und Messer. Elian hatte sich umgezogen und setzte sich neben Ysi. Er wandte den Kopf zu ihr und nickte langsam. „Cassian wird das Richtige tun. Wir müssen ihm vertrauen..“, gab er seinen Senf dazu ab und hatte offenbar mit Tami alles besprochen. Jetzt aber wiederholte Sadia schnell, was Ysara gerade erzählt hatte, um ihre Freunde auf den neusten Stand zu bringen. Tami war es, die am Finger lutschte und die Augenbrauen hob. „Ein Schatz? So… so ein richtig echter?“, ihre Augen glühten auf einmal auf. „Oh! Ich bin dabei!“, grinste sie. Ihre Laune hob sich schlagartig. „Es würde mich diebisch freuen, wenn wir dem verdammten General-wie-auch-immer so richtig die Laune verhageln könnten!“, feixte sie und kaute dann auf ihrem Stück Schinken herum. Elian nickte langsam. Auch ihm sah man die Lust an dieser Planung an, auch wenn er nie so überschwänglich war, wie Tami. „Das Zelt des Offizier’s der Dunklen ist im Westen, unweit des Tores. Sie haben dort eine Zeltstadt für diejenigen aufgebaut, die hier keine Hütte oder Anwesen beziehen können. Unser ‚lieber‘ König gewährt nämlich nur zahlenden Kunden Einlass, wenn ihr versteht. Es ist gut bewacht, davon können wir ausgehen. UND…“, wollte er anfügen, aber Sadia kam ihm zuvor: „…und es ist mitten unter ihnen. Wir wären umzingelt von Soldaten der dunklen Armee, die allesamt gewiss derzeit an Langeweile sterben könnten. Das wird… heikel.“, mahnte die Dunkelhaarige und Tami winkte ab. „Aber wir kennen uns sehr viel besser hier aus!“, grinste sie erneut und sah zu Ysara.
Das erste Mal, seit dem sie offenbart hatte, Cassian ausgeschlossen zu haben. „Ob du eine Audienz beim General bekommen würdest?“, feixte sie und ihre Augen blitzten erneut. „Vielleicht will ja der Wildfang von Valerian… auch eine gute Partie haben?“, sie wackelte humorvoll mit den Augenbrauen, aber ein wenig Gift schoss dennoch in Richtung Ysi. Tami war sehr vorlaut, sehr leidenschaftlich und gleichzeitig dann und wann ein Kind. So früh sie hatte ohne Vater und Mutter aufwachsen müssen, war sie trotzdem immer mal wieder, dank Elian’s Fürsorge, unbedarft, liebte und hasste ebenso schnell, wie dass sie diese Gefühle wieder vergaß. Im Moment war Ysara jemand, der ihr liebstes Spielzeug weggenommen hatte. Das würde verfliegen und der Verbund innerhalb der Krähen viel zu eng. Es galt nun einfach Nerven bewahren. „Das könnte gehen, die Frage wäre nur, wie wir anderen dann dazukämen. Und wie wir den General aus dem Zelt bekommen... Und wie wir überhaupt unentdeckt im Zelt suchen könnten, wenn gewiss auch Patrouillen auf und ab marschieren.“ Er sah wieder Ysi an. „Hat Cassian erwähnt, wie dieses Ding, das wir suchen aussehen könnte?“ Sadia sprang ein und erwähnte, dass es eine Art Karte sein könnte. Elian nickte. „Gut, klein genug jedenfalls, dass es in eine Tasche passt. Oder eventuell ließe sich diese ja kopieren, damit ein Diebstahl gar nicht erst die Wachen auf den Plan rief?“, sinnierte er und schaute in die Runde. Offenbar war ein jedes – verbliebenes – Mitglied bei dem Plan dabei. Jetzt musste er nur noch ausgefeilt werden!
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Donnerstag 19. Oktober 2023, 20:18

Ysara beobachtete ihre beste Freundin dabei, wie sie sich eine dicke Scheibe Brot abschnitt, während sie selbst sich lieber verständnislos über Cassian ausließ, der all ihre Vorschläge, die Hochzeit und die Anwesenheit seiner zukünftigen Frau betreffend, abgeschmettert hatte. „Wo kommt das bloß her, dass man bei Cassian immer darauf wartet, dass er endlich mal aus seiner Rolle fällt? Dass er so richtig platzt und auf den Tisch haut, laut wird und sich gegen alles und jeden wehrt, der nicht seine Idee war?!“ Ysara musste kurz grinsen. Sie hatte schon oft auf diesen Moment gewartet. Während sie kaum an sich halten konnte, wenn ihr etwas gegen den Strich ging, da strahlte Cassian eine Ruhe aus, die locker für sie beide reichen würde. "Da sagst du was", stimmte sie Sadia zu. „Ich meine, er muss doch Träume haben?? Habt ihr mal darüber geredet?“
Ysara schaute in Sadias braune Augen und schien für einen Moment zu überlegen. "Normal sein", sagte sie dann nur. Es konnte so einfach sein, oder? "Machen zu können, was und wann er es will." Sie schaute Sadia prüfend an. In ihren Ohren musste das sehr langweilig oder abwegig klingeln. Wer wollte normal sein, wenn er in den Genuss der Vorzüge der Reichen kam? Aber Cassian und sie hatten sich oft nach Normalität gesehnt. Ohne die strengen Regeln, die wachsamen Augen überall und die kaum zu ertragende Oberflächlichkeit. Kaum jemand war authentisch in der hohen Gesellschaft, Ysi mochte da noch eine Ausnahme bilden. Nach einer Pause sprach Ysara leiser weiter. "Manchmal haben wir uns vorgestellt, wie wir nach Berna gehen und einen kleinen Bauernhof übernehmen. Wir würden in den Tag hinein leben und die Tiere wären die Einzigen, die uns etwas zu sagen hätten." Sie grinste kurz und man konnte das Gefühl bekommen, dass sie es sich immer noch manchmal vorstellte. "Wir wollten zum Meer, in den Süden nach Serna und uns als Fischer verdingen. Wir hätten ein Haus am Hafen kaufen können. Oder hätten von dem Geld eine Überfahrt nach Sarma bezahlt, als die Welt dort noch in Ordnung war. Dann hätten wir uns den Wüstendieben angeschlossen." Sie wirkte nachdenklich, als sie es erzählte, fast ein bisschen wehmütig. Am Ende grinste sie jedoch einen Moment. Sie dachte daran, wie viele Leben sie sich zusammen ausgemalt hatten. "Sadia, ich sag's dir. Ich war so oft kurz davor, einfach loszulaufen. Aber Cassian.." Sie zuckte mit den Schultern. ".. ist nun mal Cassian. Er würde nie seine Rolle in dem großen Ganzen aufgeben. Unter vier Augen lässt er durchblicken, wenn ihm etwas missfällt, aber gegenüber seinen Eltern? Niemals! Er ist keine zwei Schritte weit gekommen, bevor sich sein schlechtes Gewissen gemeldet hat."

Genau das brachte Ysara zu ihrem nächsten Punkt. Cassian würde nie rebellieren und stets das tun, was seine Eltern wünschten. Ysara musste wohl oder übel einsehen, dass er die Dunkelelfe heiraten würde - und dass sie sich spätestens dann von ihrem Freund fernzuhalten hatte. Was nun zwar ungerne gesehen, aber irgendwo toleriert wurde, wäre dann undenkbar. Sie würde ihn als Freund verlieren und womöglich auch als Krähe? Sie wollte von Sadia wissen, ob sie ihn wirklich ausschließen mussten und sah sie hoffnungsvoll an. „Ja.“ Es war eine einfache Antwort. Ysara versuchte, tapfer zu bleiben, als der Kloß in ihrem Hals ins Unermessliche wuchs. Sie erkannte, dass ihrer Freundin diese Entscheidung ebenso schwer fiel wie ihr selbst und es ihr leid tat. Ysara wandte den Blick ab und bemühte sich um Fassung. „Ysi, wenn er die Tochter des General’s der Armee heiratet…“ Sie nickte und unterbrach hier nun leise ihre Freundin, weil sie selbst einsah, dass er keine Krähe mehr sein konnte, wenn er diese Ta'nurie heiratete. Der Gedanke trieb ihr Tränen in die Augen. Es war schlimm genug, sich mit diesen Gedanken anfreunden zu müssen, aber noch schlimmer zu wissen, wie sehr sie ihn enttäuschen würde. Sie war überzeugt, dass er sie dafür hassen würde, ihr die einzige Normalität in seinem Leben zu nehmen, in die er sich dann und wann flüchten konnte.
„Wird er nicht. Er wird es verstehen… Und… keine Ahnung, aber vielleicht wäre es mal gut, wenn er selbst spürt, was ihm wichtig ist? Vielleicht muss er erstmal erkennen, dass es eben doch etwas gibt, was er für sein Pflichtgefühl nicht sausenlassen will? Ihr seid so lange befreundet und er ein Teil dieser verlausten Bande! Er wird hoffentlich erkennen, dass er das hier nicht aufgeben will. Und begehrt endlich mal auf!“
Ysara schniefte und sah mit einem Schimmer voll Hoffnung ihre Freundin an. Sie dachte einige Momente darüber nach. "Weißt du was, vielleicht hast du Recht. Ich hab ihn so oft versucht, ihn dazu zu bewegen, zu machen, was er möchte. Und immer steht ihm sein Pflichtgefühl im Weg. Vielleicht rüttelt es ihn wirklich einmal wach." Sie nickte und lächelte sacht. So wie Sadia es sagte, klang es irgendwie schlüssig und als wäre das durchaus möglich. Ysara klammerte sich einfach daran, dass das klappen könnte, denn ehrlicherweise sah sie keinen anderen Weg, wenn Cassian all ihre Vorschläge kategorisch ausschloss.

Gänzlich überzeugt war sie nicht, aber hier zu sitzen und zu trauern, war auch keine Lösung. Sie wandelte das beklemmende Gefühl in ihrem Inneren lieber in Tatendrang um. Sie mussten etwas tun! Ysara brachte das Gespräch auf den Schatz zu sprechen, den Cassian noch erwähnt hatte. Vielleicht konnten die Krähen nicht nur Reichtum daraus schlagen, sondern über ein paar Umwege auch die Verlobung vereiteln. Gerade als sie geendet hatte, kamen die Geschwister zurück in den Raum. Sie musterte Tami für einige Momente und stellte fest, dass sie noch angefressen war. Doch mit Sadia in ihrem Rücken, die der gleichen Meinung wie sie war, fühlte sie sich nun deutlich besser als noch vor einigen Minuten. Sie schaute Elian an, der sich neben sie setzte und sich an sie wandte. „Cassian wird das Richtige tun. Wir müssen ihm vertrauen..“ Ysara gab einen Laut von sich, der Zustimmung aber auch Zweifel ausdrücken konnte. So ganz sicher war sie sich da nämlich nicht, aber sie hoffte es natürlich sehr, dass Cassian vor allem das Richtige für sich selbst tat.
„Ein Schatz? So… so ein richtig echter? Oh! Ich bin dabei! Es würde mich diebisch freuen, wenn wir dem verdammten General-wie-auch-immer so richtig die Laune verhageln könnten!“ Ysara nickte schmunzelnd, denn die Freude darüber würde sie zu gerne teilen! Elian machte seinem Denkerhirn wieder alle Ehre und brachte alle Details kurz und knapp, aber zielgerichtet auf den Tisch. Er erklärte ihnen, wo die Zeltstadt aufgebaut worden war, während Sadia zu beachten gab, dass es dort nur von dunkelelfischen Soldaten wimmeln würde. Da erstarb das Lächeln auf Ysaras Lippen und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, während es in ihrem Kopf begann, zu arbeiten. Wie Tami sagte, kannten sie sich besser aus, aber wenn sie entdeckt wurden und dazu noch ihre Absichten, hätten sie alle die längste Zeit ihres Leben in Grandea verbracht.

Tami schien auch direkt eine Idee zu haben, die bei der momentan psychisch nicht gerade gefestigten Ysara, deren Welt innerhalb der letzten Stunden auf den Kopf gestellt worden war, nicht gerade auf offene Ohren traf. „Ob du eine Audienz beim General bekommen würdest? Vielleicht will ja der Wildfang von Valerian… auch eine gute Partie haben?“
"Auf keinen Fall!", platzte es aus Ysara heraus und sie schüttelte vehement den Kopf. Sie sah die Rothaarige verstimmt an und versuchte zu ergründen, ob das ihr Ernst war oder nur die Retourkutsche dafür, dass sie Cassian vorübergehend Hausverbot erteilt hatte. „Das könnte gehen..“, warf da ihr Bruder ein und Ysara blieb der Mund offen stehen. Mit jedem Wort, das er sprach, wurden ihre Augen ein Stückchen größer. Wollten Elian und Tami sie hier gerade veralbern? „Die Frage wäre nur, wie wir anderen dann dazukämen. Und wie wir den General aus dem Zelt bekommen... Und wie wir überhaupt unentdeckt im Zelt suchen könnten, wenn gewiss auch Patrouillen auf und ab marschieren.“
"Hey, halt! Moooment", schaltete sich Ysi ein, bevor das hier seinen eigenen Lauf nahm. Die Richtung, in die sich der Plan entwickelte, gefiel ihr nicht. Gar nicht. Sowas von überhaupt gar nicht. "Ich werde nicht mit einem Dunkelelfen anbandeln!", warf sie bestimmt ein und klang aufgebracht. Was dachten sich die beiden überhaupt dabei!? Auch wenn es nur eine Idee, ein Scherz oder auch nur die Überlegung davon war, nur so zu tun, als hätte sie Interesse an diesem General - so hatten die Geschwister offenbar zielsicher einen wunden Punkt bei ihrer Anführerin getroffen. Ysara war in den letzten Stunden klar geworden, dass sie das gleiche Schicksal wie Cassian ereilen konnte, und das schneller als ihr lieb wäre. Wenn ein Dunkelelf auch nur einen einzigen triftigen Anreiz für ihre Eltern schaffte, der schwerer wog als ihr Sturkopf, der sich bisher immer durchgesetzt hatte, weil sich die Diskussionen mit ihr und ihr Aufbegehren in Anbetracht des Zieles nicht lohnten, dann wäre das fatal. Ysi wurde ganz schlecht bei dem Gedanken. "Wie stellt Ihr euch das vor? Ich werde meine Eltern nicht noch auf die Idee bringen, mich dem General vorzustellen! Ich werde kein Interesse an diesen Dunkelelfen oder irgendeinen anderen bekennen und auch noch freiwillig ins Messer laufen. Wir denken uns etwas anderes aus", beschloss sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Wangen waren gerötet, weil der Vorschlag der Geschwister einen empfindlichen Nerv getroffen hatte, der sie sofort in Abwehrhaltung gehen ließ. Die drei bekamen gerade einen Eindruck davon, wie sich Ysara hitzigen Diskussionen in ihrem Elternhaus stellte. Im Stillen musste sie zugeben, dass die Idee nicht schlecht war - wenn es nicht um sie persönlich gehen würde. Elian könnte als ihr Diener fungieren und die Lage ausspionieren, während sie den General ablenkte. Aber nein! Ysi schnaubte und schüttelte den Kopf. "Wir müssen ihn anders heraus locken und ins Zelt gelangen, um uns die Schatzkarte, oder was auch immer das sein soll, zu schnappen." Das beantwortete wohl auch die Frage, wonach sie suchen mussten.
„Gut, klein genug jedenfalls, dass es in eine Tasche passt. Oder eventuell ließe sich diese ja kopieren, damit ein Diebstahl gar nicht erst die Wachen auf den Plan rief?“
"Diese Idee gefällt mir", bescheinigte Ysara Elian und griff dann doch nach dem Messer. Sie schnitt sich eine dicke Scheibe Brot ab und beschmierte sie ordentlich mit Butter. Denken machte hungrig und es war schon ziemlich spät geworden. Da tat eine kleine Zwischenmahlzeit sowieso gut. Je mehr sie über einen Alternativplan nachdachte, desto eher musste sie im Stillen zugeben, dass ihr kein besserer einfiel. Am liebsten würde sie Sadia oder Tami zu diesem General schicken, doch der würde die beiden Diebinnen aus dem Armenviertel wohl mit den ersten gesprochenen Worten entlarven. Unter dem Tisch wippte sie mit dem Fuß, während sie in ihrem Kopf mehrere Ideen formte und wieder verwarf. Am Ende seufzte sie und sah die drei mit kurz zusammen gekniffenen Augen an, was verdeutlichte, dass sie gerne etwas anderes sagen würde.
"Ich werde da nicht als Valerian-Spross hingehen. Am Ende kommen meine Eltern noch auf dumme Ideen", wiederhole sie. "Können wir nicht einfach für Aufruhr vor dem Zelt des Generals sorgen? Eine Prügelei anzetteln? Einen Überfall auf mich, eine edle Dame aus vornehmen Hause, verüben, der seine Aufmerksamkeit auf sich zieht? Sadia könnte mich ausrauben? Sie ist verdammt schnell und kennt die Wege über die Dächer. Und Tami gibt dir Rückendeckung, während du dich ins Zelt schleichst und die Karte - oder was auch immer - suchst und dir einprägst um es zu kopieren?", schlug sie ihrerseits vor und sah von Elian, zu Tami und zuletzt Sadia an, in der Hoffnung, dass sie die anderen mit ihrer eigenen Idee halbwegs überzeugen konnte.

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Erzähler » Freitag 20. Oktober 2023, 13:25

Ysara hatte sich seit langem schon ziemlich erfolgreich gegen eine Zwangsehe gewehrt. Ihre Eltern hatten sie für eine Weile von der Leine gelassen und geduldet, dass sie sich etwas freier fühlte. Allerdings wog sie das auch in falsche Sicherheit, die ihr nun schmerzlich bewusstwerden sollte. Während ihre Krähen einen Plan ins Leben rufen wollten, machten sie eine Andeutung, die erst jetzt Ysara’s Verstand wirklich erreichte. Wenn Cassian eine Zwangsehe blühen konnte… Würden ihre Eltern nicht auch so mit ihr verfahren? Immerhin war sie längst überfällig, jemandem versprochen zu werden. Sicher, sie wehrte sich, aber irgendwann… Das war nun mal das Los eines Kindes in edlen Kreisen. Das Finden der wahren Liebe war gar keine Option. Die Eltern suchten die richtige Partie aus und entschieden dann. Als Kind konnte man allenfalls hoffen, dass die Wahl nicht auf jemanden fiel, der nun so gar nicht den eigenen Vorlieben entsprach. Dass er oder sie wenigstens etwas an sich hatte, was man zumindest mögen könnte. Es war wohl der absolute Glücksfall, wenn aus einer arrangierten Ehe tatsächlich noch eine Liebe wurde, die dann das Leben lang hielt. Ihre Eltern hatten das besser gehabt. Ihr Vater hatte sich die Stellung erarbeitet, war nicht adelig, aber ihre Mutter hatte er schon bewusst gewählt. Doch mit dem Reichtum und dem Anwachsen der Stellung, kam nun auch die Pflicht der Kinder ins Spiel. Ysara hätte wohl jede Armut diesem Umstand vorgezogen.
Auch wenn sie sich gewiss nicht das erste Mal diesbezüglich geäußert hatte, so wusste sie auch, dass das leichtfertig dahingesagt sein konnte. Sadia, Elian und Tami waren gewiss anderer Meinung. Zumindest was das ‚härtere Leben‘ betraf. Ysara hatte zwar unliebsame Pflichten und mit Arroganz, Schein und Stutenbissigkeit zu tun… Doch gegen ein Leben in Angst, dass jeder Tag der letzte wäre, weil man seit Tagen nichts gegessen hatte, das war etwas ganz anderes. Ysara besaß ihre Freiheiten, weil sie sich jene leisten konnte. Ohne Sorgen im Rücken. Nicht wenige im Armenviertel mussten Dinge tun, die sie einfach nicht wollten, aber keine Möglichkeit hatten, eine gegenteilige Entscheidung zu treffen. Ysi wusste das. Sie war nicht eine von denen, die sich nur um sich scherte und am lautesten klagte, während sie inmitten von Verhungernden stand. Sie wusste es. Und doch fiel es ihr manchmal schwer, freiheraus über ihr Dasein zu maulen. Es war und blieb eben immer eine gewisse Drahtseilwanderung.

Jetzt aber kamen Elian und Tami auf Themen zu sprechen, die ihr persönlich an die Nieren gingen! Sie würde im Leben keinen Dunkelelfen heiraten. Diese Verschlagenheit in Person, diese Niedertracht und Empathielosigkeit! Niemals käme sie einem Angehörigen dieses Volkes auch nur zum Schein nahe! "Ich werde nicht mit einem Dunkelelfen anbandeln!", stellte sie gleich mal klar und erntete nur einen kurzen Blick. Man hörte sie kaum noch, so enthusiastisch waren ihre Krähen dabei, einen Plan auszuarbeiten. "Wie stellt Ihr euch das vor? Ich werde meine Eltern nicht noch auf die Idee bringen, mich dem General vorzustellen! Ich werde kein Interesse an diesen Dunkelelfen oder irgendeinen anderen bekennen und auch noch freiwillig ins Messer laufen. Wir denken uns etwas anderes aus. Wir müssen ihn anders herauslocken und ins Zelt gelangen, um uns die Schatzkarte, oder was auch immer das sein soll, zu schnappen.", entschied sie bestimmend und machte deutlich, wer hier das Sagen hatte. Natürlich entschieden sie stets gemeinsam und im besten Falle einstimmig. Aber dabei? Elian schaute nun endlich auf und hielt inne. Er wirkte nachdenklich, aber verständnisvoll. Anders als Tami, die mit der Zunge schnalzte und ebenfalls die Arme verschränkte. Sadia aber bot die Stimme der Vernunft: „Ysi hat wohl recht. Das wäre zu riskant. Stellt euch vor, die Idee gefällt, dann muss sie den General heiraten?! Bei allen Göttern!“, stieß sie aus und auch jetzt konnte man sehen, wie die Tragweite dessen den Verstand der Geschwister erreichte.
Selbst Tami sah nicht mehr so rotzig aus. „Nein… das wollen wir bestimmt nicht!“, murmelte sie ehrlich und sah zu Ysara. „Tschuldige Ysi!“, meinte sie reumütig und auch Elian nickte. „Ja, von mir auch. Haben wir nicht bedacht, was das lostreten könnte.“, räumte auch er ein. Sie waren sich einig und Ysara fasste zusammen. Eine neue Idee musste her: "Ich werde da nicht als Valerian-Spross hingehen. Am Ende kommen meine Eltern noch auf dumme Ideen. Können wir nicht einfach für Aufruhr vor dem Zelt des Generals sorgen? Eine Prügelei anzetteln? Einen Überfall auf mich, eine edle Dame aus vornehmem Hause, verüben, der seine Aufmerksamkeit auf sich zieht? Sadia könnte mich ausrauben? Sie ist verdammt schnell und kennt die Wege über die Dächer. Und Tami gibt dir Rückendeckung, während du dich ins Zelt schleichst und die Karte - oder was auch immer - suchst und dir einprägst, um es zu kopieren?"

Alle dachten über das Gesagte nach und zumindest Elian bekam wieder einen gewissen Ausdruck. Tami lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und kippelte etwas. Nachdenklich wippte sie mit dem Stuhl hin und her. Auch Sadia hielt in ihrem Abbeißen inne und schnaufte kurz. Einen Moment sagte niemand etwas, während alle sich vorstellten, dass sie für Furore sorgen würden. „Nein.“, kam es dann von Tami tatsächlich. „Wir bringen den General erst gar nicht auf deine Spur! Ta’nurie hat dich gesehen und es könnte zu Reibereien kommen, wenn das irgendwie bekanntwürde. Wie willst du das erklären?“, fragte sie. Elian nickte und auch Sadia schien einverstanden. „Tami hat recht. Dann übernimmt Ysi die Spionage im Zelt und gegebenenfalls das Kopieren. Wenn es zu kompliziert ist und die Zeit drängt, dann steckst du das Ding ein.“, meinte er leichtfertig. Er sah zu Sadia und Tami. „Und ihr werden einen ordentlichen Streit anzetteln. Sodass ihr die Aufmerksamkeit auf euch lenkt und denkt daran, reumütig zu bleiben. Wir wollen nicht riskieren, dass sie euch einsperren. Seid ruhig etwas laut, aber geht bloß keine Soldaten oder gar den General an!“, mahnte er ernst. Sie wussten, es wäre ein heikles Unterfangen. Keiner von ihnen konnte die Elfen richtig einschätzen, dafür hatten sie zu wenig miteinander zu tun. Aber sie waren auch nicht erst seit gestern Krähen. „Ich bilde die Sicherheitsleine. Wenn es bei einem von euch brenzlig wird, bin ich da und boxe euch raus!“, sagte Elian dann und sah jeden an, um ein einvernehmliches Nicken abzuholen. „Abgemacht?“, fragte er und legte seine Hand auf die Mitte des Tisches. Tami folgte seinem Beispiel und grinste breit. „Sowas von!“, ehe Sadia ihre Hand auch auf Tami’s legte. „Für die Krähen!“, rief sie gutgelaunt. Alle hatten Lust und wollten endlich mal wieder etwas zu tun haben. Dann sahen sie Ysara an und warteten ab.
Bevor es allerdings richtig losgehen konnte, musste Ysara sich gewiss zu Hause blicken lassen. Es war bereits spät geworden, bald würde schon der nächste Tag anbrechen und man würde sie gewiss vermissen. Sie durfte jetzt bloß nicht mehr Aufmerksamkeit erreichen, als ihr lieb wäre. Zudem wäre ein wenig Schlaf hilfreich für das, was sie planten. Sie konnte sich am nächsten, frühen Abend mit den Krähen verabreden, sodass sie sich vor der improvisierten Zeltstadt einfanden, um dort dann ihren Coup zu starten.
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Samstag 21. Oktober 2023, 17:44

Die Krähen entwickelten manchmal eine Dynamik, die schwer zu stoppen war. Dafür reichte nur das Fünkchen einer Idee, die ein anderer aufnahm und weiter spann, wodurch nach und nach ein großes Feuer in Brand gesetzt wurde. So war es auch jetzt, als Elian und Tami voran preschten und einen Plan entwarfen, in dem sie ihr kurzerhand die Rolle zuteilen wollten, Interesse an dem General zu zeigen. Ysara wollte die Geschwister stoppen und sah, dass zumindest Elian ihre Worte schnell begriff und nachvollziehen konnte. Tami derweil schnalzte trotzig mit der Zunge und Ysi musste sich zurücknehmen, um sich nicht von dieser jugendlichen Art provozieren zu lassen. „Ysi hat wohl recht. Das wäre zu riskant. Stellt euch vor, die Idee gefällt, dann muss sie den General heiraten?! Bei allen Göttern!“ Ysara nickte zur Unterstreichung von Sadias Worten. Genau so war es! Sie würde sich nicht freiwillig in die Höhle des Löwen begeben. Sie wollte nicht einmal ansatzweise den Eindruck erwecken, dass sie für eine Ehe bereit war - schon gar nicht mit einem Dunkelelfen, der vermutlich hunderte Jahre älter als sie war. Bei diesem Gedanken schüttelte es Ysara. Auch Tami schien das nun einzusehen und entschuldigte sich mit Elian kleinlaut. Ysis Miene wurde versöhnlicher und sie entspannte sich ein Stück, als sie merkte, dass die beiden verstanden und Abstand von der Idee nahmen.
Die blonde Diebin versuchte es also mit einem Gegenvorschlag, den Tami jedoch ausschlug. „Nein. Wir bringen den General erst gar nicht auf deine Spur! Ta’nurie hat dich gesehen und es könnte zu Reibereien kommen, wenn das irgendwie bekanntwürde. Wie willst du das erklären?“
"Ich weiß nicht, ob sie mich erkennen würde. Meine Kleidung wäre eine andere und vorhin hat sie meine Haare nicht gesehen", wandte Ysi ein, war sich selbst aber nicht ganz sicher. Wieviel hatte die Dunkelelfe in dem dunklen Korridor von ihr wirklich erkannt? Ob sie sich überhaupt näher für die Magd hinter Cassian interessiert hatte? Ysara konnte es nicht einschätzen, ein Restzweifel blieb jedenfalls und damit auch ein Restrisiko. „Tami hat recht. Dann übernimmt Ysi die Spionage im Zelt und gegebenenfalls das Kopieren. Wenn es zu kompliziert ist und die Zeit drängt, dann steckst du das Ding ein.“
Ysara lockerte ihre Arme wieder und legte sie vor sich auf dem Tisch ab. Sie hatte kein Problem damit, sich ins Zelt zu schleichen. Aber ob sie es schaffte, das Ding zu kopieren? Im Moment hatte sie ja nicht mal eine Idee davon, was es sein könnte. Sie wusste nicht, ob sie wirklich dafür geeignet war und würde sich lieber auf Elian verlassen, den sie zweifelnd ansah. Dass sie es aber im Zweifel immer noch einstecken könnte, ließ sie schlussendlich dem Plan nickend zustimmen.
„Und ihr werden einen ordentlichen Streit anzetteln. Sodass ihr die Aufmerksamkeit auf euch lenkt und denkt daran, reumütig zu bleiben. Wir wollen nicht riskieren, dass sie euch einsperren. Seid ruhig etwas laut, aber geht bloß keine Soldaten oder gar den General an!“
"Genau, legt euch nicht mit denen an und haut lieber ab, bevor sie euch festsetzen können. Es könnte auch zufällig etwas in Flammen aufgehen. Hauptsache weit genug von den Häusern entfernt steht, damit sie nicht beschädigt werden", zwinkerte sie Tami zu. Die junge Feuermagierin konnte das ja im Hinterkopf behalten, um sich zur Not aus der Situation zu ziehen. Aber wenn alle Stricke rissen, war natürlich noch Elian da. „Ich bilde die Sicherheitsleine. Wenn es bei einem von euch brenzlig wird, bin ich da und boxe euch raus! Abgemacht?“ Ysara nickte ihm zu. Es war gut, jemanden zu haben, der die Situation überblickte und zur Not eingriff.
Die drei stimmten dem Plan zu und legten ihre Hand in die Mitte des Tisches. Ysara war die Letzte und legte ihre Hand auf Sadias. "Abgemacht! Auf die Krähen", sagte sie. Sie blickte jede Krähe nacheinander an, dann grinste sie fein. "Treten wir den Dunklen gehörig in den Hintern." Das wollten sie doch schon lange und jetzt hatten sie die perfekte Gelegenheit dazu! Vorfreude war doch die schönste Freude, die jedoch etwas getrübt wurde. "Nun muss ich euch aber leider alleine lassen, meine Lieben, bevor meine Eltern mich noch suchen lassen", grinste sie und ihr gefiel der Gedanke auf der einen Seite. Trotzdem durfte sie es sich gerade jetzt nicht mit ihnen verscherzen, wenn sie sich morgen Abend wieder auf den Weg machen wollte, um Cassians zukünftiger Braut und Schwiegervater eins auszuwischen. So verabschiedete sie sich herzlich von ihren Freunden und machte sich auf den Weg nach Hause.

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Erzähler » Montag 20. November 2023, 21:16

Die Krähen und Lianth flüchten von: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Der Weg hierher war nicht einfach gewesen. Sie mussten klug vorgehen, mussten manchmal innehalten, sich verstecken, warten und dann weiterschleichen. Sie durften nicht zu hektisch werden und mussten ihre Impulse, zu rennen unterdrücken. Soldaten suchten nach ihnen. Drei Frauen und zwei Männer. Darunter der Heilerelf der dunkelelfischen Armee. Ja, Lianth war diskreditiert und das obwohl er gar nichts dafür konnte. Mit gehangen, mit gefangen, wie man so schön sagte. Jetzt aber brauchten sie erstmal ein Versteck und die Krähen wussten, dass man sie hier nicht finden würde. Nachdem sie sicher sein konnten, dass ihnen keiner auf die Schliche kam, fanden sie allesamt Schutz in dem gemütlichen Zuhause der Diebe. Erst hier ließ Tami den Elfen los und warf sich völlig erledigt auf die Couch, die erneut einen Fuß einbüßte und nur noch auf drei Beinen stand, sodass sie fluchte. Elian und Sadia schlossen sich in die Arme und versuchten die Nerven zu beruhigen, während Ysara und Lianth allein dastanden. Das war knapp gewesen! Das war… zwei Worte…. „Schöne Scheiße!“, gesprochen, wie eine echte Poetin.
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Dienstag 21. November 2023, 14:59

Ysara bemerkte sehr wohl die Verwirrung und auch die Spur Verärgerung in Lianth' Stimme, als sie offen ihre Verwunderung darüber äußerte, wieso er sich dem dunkelelfischen General angeschlossen hatte. Für den Elfen war die lebensgefährliche Verletzung Faldorians Grund genug dafür. Ysi sah ihn einen Moment an, kam dann aber zu dem Schluss, dass das wohl wirklich der einzige Grund war, wieso er hergekommen und geblieben war. Lianth war offenbar ein Heiler mit Leib und Seele. Ysara hätte dem Elfen gerne ein Stück weit seine Naivität genommen - aus dem Grund heraus, ihm helfen zu wollen, indem sie ihm aufzeigte, dass es eine geeignetere Gegend und einen besseren Umgang für einen Elfen wie ihn gab als der Aufenthalt in einer vorübergehenden Zeltstadt voller Dunkelelfen. Aber das Gespräch mussten sie wohl verschieben, denn noch immer besaß das Erlangen der Schatzkarte höchste Priorität für die Blonde. Nachdem Tami den Elfen wegzog und ihn in Grund und Boden redete, konnten Sadia und sie endlich ihrem eigenen Begehren nachgehen. Sie durchsuchten die Schränke und wurden gleich mehrfach fündig und endlich für ihre Mühen belohnt. Während sich Ysara ein Loch in den Bauch freute, weil sie zum ersten Mal im Leben eine richtige Schatzkarte in den Händen hielt, hatte Sadia etwas entdeckt, das für Lianth von großem Interesse war. Allein der Familienname reichte aus, dass Ysara begriff, dass er diese Briefe geschrieben hatte. Lianth kam zu ihnen hinüber zum Schreibtisch und ihr Blick verweilte abwartend in seinem Gesicht. Er hatte offenbar viele Briefe verfasst und kein einziger hatte seinen Bruder erreicht. Kan'egh Vashnar hatte sie gut unter Verschluss gehalten. Lianth verfiel vor Unglauben ins Stottern und schien nicht zu glauben, was er sah. Ysara wusste nicht, was sie sagen sollte. Ein belehrendes 'Siehst du', den General betreffend, wäre jetzt sicher nicht hilfreich.

Doch bevor ihr passende Worte einfielen, ertönte der warnende Pfiff. Ysara ließ zuerst die gefaltete Schatzkarte in ihrem Gewand verschwinden, ehe die grünen Augen zu dem Dunkelelfen huschten, der das Zelt betrat. Bei seinem Anblick hatte zumindest Ysara die Briefe sofort wieder vergessen. Jetzt musste sie erst einmal dafür sorgen, dass ihre Krähen und sie nicht gefangen und gerupft wurden. Also versuchte sie es mit resoluten Worten, die den Dunkelelfen vor einem vermeintlichen Fehler bewahren sollten. Der Blick aus den roten Augen, der sie dann aber traf, ließ sie erschaudern und zittern. Sie kannte die Dunkelelfen, die sich inzwischen unter die Menschen im Reichenviertel mischten, sie kannte auch die patrouillierenden Soldaten, die die Stadt 'sicherer' machen sollten - in welcher Art auch immer. Aber sie hatte noch nie einem bewaffneten Dunkelelfen gegenüber gestanden, der sie gerade auf frischer Tat beim Diebstahl ertappt hatte. Kurz glomm da die Hoffnung auf, dass seine Naivität und Gutgläubigkeit mit der von Lianth mithalten konnten, doch sie hoffte vergebens. Er zog das Schwert ein ganzes Stück aus der Scheide und Ysara konnte nichts gegen den Impuls tun, zurück zu weichen. Im Angesicht des Bewaffneten fiel ihre Maskerade. Er glaubte ihr nicht. Die Blonde starrte den Dunkelelfen an und schluckte leer, während sich die Angst nun auch in ihrem Gesicht spiegelte. Sie hörte Lianth etwas von Zuhause und der Rede murmeln, aber seine Worte erreichten nur ihre Ohren und würden erst sehr viel später ihren Verstand erreichen. Es war fast, als würde die Zeit stillstehen, und das ziemlich beängstigend und lange. Dann sah Ysara, wie der Dunkelelf sein Schwert zur Gänze zog und im gleichen Moment lauthals auf Lerium auf sie aufmerksam machte - da gab es keinen Zweifel, auch wenn Ysara das Wort nicht verstand. Panik erfasste sie und sie sah den Dunkelelfen fassungslos an, fast als könnte sie nicht glauben, dass das hier gerade wirklich geschah. Da setzte Sadia einen Impuls an ihrem Handgelenk, woraufhin Ysara ihrer Freundin augenblicklich und ziemlich kopflos folgte. Aber sie vertraute ihr blind und folgte ihr einfach durch das Loch in der Zeltplane, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wo es plötzlich hergekommen war. Sie konnte froh sein, dass ihre Freunde so schnell und beherzt handelten, während ihr noch der Schreck in den Gliedern saß. Da war plötzlich Elian, der sie aus dem Zelt zog und bei dessen Anblick Ysara stutzte, ehe sie erst realisierte, dass Sadia nicht mehr vor, sondern hinter ihr war. Sie warf einen Blick zurück und sah, wie ihre Freundin gemeinsam mit Lianth auf sie zukam. Hinter den beiden schwang der Dunkelelf sein Schwert und Ysaras Herz stockte kurz, als sie die Absicht dahinter erkannte.
„Er will uns töten! Lauft!“
Das war wohl der Moment, in dem Ysara gänzlich aus ihrer Schockstarre erwachte. Sie vergewisserte sich, dass Sadia und auch Lianth unversehrt folgten und rannte dann Tami hinterher. Da war plötzlich nur noch der Drang zu überleben. Ysara rannte so schnell sie konnte, wobei sie schnell merkte, dass sie ihr Kleid mit beiden Händen raffen musste, damit sie nicht darüber stolperte oder irgendwo hängen blieb. Die Rufe des Dunklen in ihrem Rücken, die wie beabsichtigt und merklich das Lager zum Leben erweckten, befeuerten ihre Kräfte. Bald schnaufte sie, aber an eine Pause war nicht zu denken. Sie hatten in das Nest der Hornissen gepiekt, sie in Aufregung versetzt und die einzige Möglichkeit, die nun blieb, war Flucht! Plötzlich blieb Elian vor ihr stehen und überraschte sie damit. Sie bremste ebenso abrupt ab und drückte sich mit den Händen von seinem Rücken ab, sodass es ihr noch rechtzeitig gelang, das Gleichgewicht zu halten und Elian nicht von den Füßen zu reißen. Ohne zu überlegen, folgte sie ihm dann, als er ein Stück zurück lief, um aus der Sackgasse zu gelangen. Sadia fand einen freien und unbewachten Weg durch die Zelte hindurch und Ysara griff ganz selbstverständlich nach Lianth' Arm. "Nicht stehen bleiben!", mahnte sie ihn schnaufend und zog ihn dann einfach mit sich. Wenn er stehen blieb, würde er sterben, so viel war sicher. Auch wenn er keine Krähe war, so hatten sie ihn mit reingezogen und auch Ysara würde den Elfen nicht im Stich lassen und nicht opfern. Falls er auf ihrer Flucht auch nur einmal zögerte, würde Ysara ihn beherzt bei der Hand packen und ihn einfach mit sich ziehen, direkt in das Zelt hinein, in dem sie eine Orkfrau erwartete. Sie schob Lianth vor sich und an die Köchin vorbei, falls er nicht selbst vorauseilte. "Weiter!", rief sie unerbittlich und erinnerte ihn regelmäßig daran, dass jetzt Zeit zum Handeln war. Sie selbst kroch unter dem großen Küchentisch hindurch und erwartete auf der anderen Seite den Shyáner Elfen. Es zählte jetzt jede Sekunde. Ihre Brust hob und senkte sich schnell, während sie schon völlig durchgeschwitzt war. Erneut griff sie nach Lianth' Hand, wenn er nicht schon die Beine in die Hand nahm und bereits vor ihr war, und folgte den anderen, während sie darauf achtete, dass der Elf nicht den Anschluss oder Mut verlor. Mit der freien Hand raffte sie erneut ihr Kleid und sah dann, wohin die anderen sie führten: Das Festzelt. Gehetzt suchten die grünen Augen die Umgebung ab, während sie dem Zelt näher kam. Gab es keinen anderen Weg?! Doch Ysara kannte die Antwort: Gab es nicht. Auch sie musste durch das Festzelt fliehen und das trieb ihr zusätzlich Schweiß auf die Stirn.

Sie war die Letzte der Truppe, die schon in das Zelt rannte, während sie kurz davor stockte. Es kostete sie eine enorme Überwindung, jetzt einen Schritt in das Festzelt zu setzen, in dem sich ihre gesamte Familie und auch der General befand. Es kam ihr vor, als hätte sie das Fest schon vor Stunden verlassen. Erst hatte sich ein dreister Elf zum Tanz aufgedrängt und dann hatte sie ihm eine verbale Retourkutsche erteilt, die nur dazu gedient hatte, die Aufmerksamkeit aller auf sich zu lenken. Ysara hatte einen Schwächeanfall inszeniert, damit die Krähen so unbemerkt das Festzelt verlassen konnten, um das Zelt des Generals aufzusuchen. Cassian, der ihr überhaupt erst von der Schatzkarte erzählt und den Braten gewittert hatte, hatte sie anschließend hinaus begleitet, damit sie frische Luft schnappen konnte - und ihr damit den Weg geebnet, um den Krähen zu folgen. Doch nun sah sie weitaus weniger erholt aus als vor dem Verlassen des Zeltes. Ihre Frisur hatte sich gelöst und die dicken Strähnen klebten ihr im Gesicht oder hingen ihr wirr vom Kopf. Das Kleid hatte nun nicht mehr nur Weinflecken, sondern der gesamte Saum war verschmutzt und an einigen Stellen war sie wohl doch irgendwo hängen geblieben, denn die obere Stofflage ihres Kleides war ziemlich lädiert. Ysara machte sich klein und huschte direkt in eine Ecke, um in der Menge unterzutauchen. Zuerst hielt sie Ausschau nach irgendetwas, mit dem sie ihre Gestalt verdecken konnte - einen Mantel vielleicht, aber zu ihrer Enttäuschung fand sie nichts dergleichen. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass die anderen den Weg mitten über die Tanzfläche wählten - frech kam nun mal weiter. Aber Ysara musste verhindern, dass sie erkannt oder gar aufgehalten wurde, weshalb sie beschloss, nicht den kürzesten Weg durch das Zelt zu nehmen, sondern den sichersten. Sie schlich sich nicht ganz am Rande entlang, aber war auch nicht so wahnsinnig, sich erneut auf der Tanzfläche den Blicken der anderen zu stellen. Sie suchte sich große Männer, hinter denen sie entlang schleichen konnte, und schlug so einen Bogen bis zum Ausgang des Zeltes. Sie konnte nur hoffen, dass niemand sie sah. Ihre Augen selbst hatten nur ihren Weg und ihr Ziel im Blick. Nicht einmal Cassian suchten ihre Augen und schon gar nicht ihre Mutter. Sie widerstand nur mit Mühe dem Drang, zu rennen, aber je näher sie dem Ausgang kam, desto schneller wurden ihre Schritte dann doch.
Als sie das Zelt verlassen hatte, schnappte Ysara nach Luft, schloss zu ihren Freunden hinter den Kutschen auf und hörte im nächsten Augenblick schon einen allgemeinen Aufschrei im Zelt. "Weiter", schnaufte sie kurz angebunden und außer Atem, denn sie waren noch lange nicht in Sicherheit. "Du kommst mit, sonst knüpfen die dich auf", wandte sie sich an Lianth und machte ihm sein Schicksal gleich mal deutlich. Er hing da jetzt gemeinsam mit ihnen drin. Die Dunklen würden auch ihn wegen Diebstahls suchen und ihn als Mittäter bestrafen, da war sie sich sicher. Und sie bezweifelte, dass sie sich zuvor noch seine Ansicht der ganzen Geschichte anhören würden. Wenn er jedoch darauf bestand, würde Ysara ihn nicht zwingen, sie weiter zu begleiten. Das machte sie auch damit deutlich, dass sie gemeinsam mit ihren Freunden das Weite suchte. Die Soldaten waren nur wenige Meter hinter ihnen. Den Vorsprung würde sie nicht dafür aufgeben, um mit dem Elfen zu debattieren.

Lianth bekam auf dem Weg zum Nest der Krähen wohl langsam eine Ahnung davon, mit wem er es in Wirklichkeit zu tun hatte. Die vier Krähen kannten sich ganz offensichtlich auf den Straßen Grandeas aus. Sie wussten, welche Wege sie nehmen mussten, wann es besser war, sich zu verstecken und auszuharren. Einmal zog Ysara ihn einfach mit um eine Ecke, als sie um eine Entdeckung fürchtete. Sie war wachsam und konzentriert und war ganz sicher keine Adelige, die hier gerade zum ersten Mal durch das Armenviertel spazierte. Jede Faser ihres Körpers war angespannt, selbst ihr Gesicht wirkte verkniffen, und sie sagte auf dem gesamten Weg kein Wort mehr. Auf dem letzten Teil des Weges übernahm Ysara die Führung und überließ Lianth wieder Tami. Hinter jeder Ecke erwartete sie einen Dunkelelfen und spähte daher hinter jeder einzelnen vorsichtig hervor. Gleichzeitig verließ sie sich darauf, dass die Nachhut den Weg im Auge behielt, den sie gekommen waren. Eilig gelangten sie irgendwann endlich in den Innenhof, in dem das Haus stand, das ihnen als Versteck diente. Die Blonde deutete dem Rest der Truppe an, zur Tür zu gehen, denn sie wollte sich selbst davon überzeugen, dass ihnen niemand gefolgt war. Sie beobachtete eine Weile die Straße, die am Innenhof vorbei führte, und kehrte erst, als sie sich sicher war, dass keiner sie beobachtet oder verfolgt hatte, ebenfalls ins sichere Nest der Krähen zurück. Sie schloss kräftig die schiefe Tür, sodass diesmal der Schnapper beim ersten Versuch einrastete, und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Türblatt, den Kopf leicht in den Nacken gelegt. Sie schloss die Augen und erlaubte sich erst jetzt ein Aufatmen.

Das Haus, das ihnen als Versteck diente, war für die Verhältnisse im Armenviertel relativ groß. Kam man in das Krähennest hinein, stand man auch schon mitten in der Wohnstube. Sie hatten hier drei Räume zur Verfügung, die sie über die Jahre praktikabel, aber auch mit einer persönlichen Note eingerichtet hatten. Der erste Eindruck war tatsächlich ziemlich gemütlich. Sie hatten einiges aus dem Haus herausgeholt. So fand sich von jedem Mitglied etwas, das seinem persönlichen Geschmack entsprach. Ysara hatte zum Beispiel für das Bücherregal gesorgt, das zusammen mit einem Schreibpult an der gegenüberliegenden Wand neben dem steinernen Kamin stand. Darin hatte sie einige ihrer Lieblingsromane untergebracht - aber auch viele lehrreiche Bücher, mit denen sie ihren Krähen gerne mal Wissen vermittelte. Zwischen dem Bücherregal und Kamin befand sich ein kleiner Flur, von dem die beiden Schlafräume abgingen, die Tami, Elian und Sadia bewohnten. Links neben dem Kamin stand ein länglicher Tisch mit drei hölzernen Stühlen und einer Sitzbank und rechts davon das Sofa, auf das sich Tami fallen gelassen hatte. Es hatte schon am Vortag einen Fuß eingebüßt, und wenn die Rothaarige so weitermachte, würde es das Ende der Woche wohl nicht mehr erleben. Im Gegensatz zu ihnen - hoffte Ysara. Wäre sie gläubig, würde sie nun wohl dutzende Stoßgebete an sämtliche Götter schicken.
"Scheiße!", entfuhr es ihr stattdessen und das überraschend laut. Sie klang aufgewühlt und sie klang ängstlich.. oder gar verzweifelt? Im Moment konnte sie nur an eine Sache denken: Sie hatte versucht, sich unauffällig durch das Zelt zu winden und hoffte, dass sie keinen Verdacht erregt hatte. Aber sie war sich sicher, dass sie nicht völlig ungesehen durch die Menge gelangt war. Sie konnte nur hoffen, dass die meisten den anderen hinterher geschaut hatten und sie sich an dem ein oder anderen Augenpaar erfolgreich vorbeischleichen konnte. Doch darauf verlassen konnte sie sich nicht. Irgendjemand hatte sie mit Sicherheit gesehen und wenn sie Pech hatte, hatte derjenige auch erkannt, dass sie den vier Dieben - als einer von ihnen wurde inzwischen ganz sicher auch Lianth gehalten - hinterhergelaufen war. Die dunkelelfische Wache, die sie erwischt hatte, würde sie fünf beschreiben können und er würde sie wiedererkennen - irgendwann. Abrupt öffnete Ysara die Augen und starrte Sadia, die bei Elian stand, aus großen Augen an. "Wir haben den verdammten General bestohlen! Auf seiner Feier! Sie haben uns alle gesehen." Ihre Stimme zitterte. Was ist, wenn sie mich gesehen und erkannt haben?, dachte sie und spürte, wie Panik in ihr aufwallte. "Sie wird mir den Hals umdrehen!", rief sie aus, als sie im nächsten Moment an ihre Mutter denken musste. Was war, wenn sie ihre Mutter ins Visier nahmen? Wenn sie sie ausfragten und..? "Sie werden uns auf die Schliche kommen! Sie werden uns dafür töten." Ysaras Gedanken sprangen hin und her. Irgendjemand der Gäste würde dem General ihren Namen nennen. Er würde sie suchen und sie war sich sicher, dass er Mittel und Wege kannte, um sie zu finden. Gleichzeitig wurde sie von einer bisher unbekannten Furcht erfüllt. Das Bild des Dunkelelfen, der ohne Zögern eine von ihren Krähen getötet hätte, wenn er nur schnell genug gewesen wäre, flackerte vor ihren Augen auf. Das war kein alter, fetter Geldsack, den sie um ein paar überflüssige Münzen erleichtert hatten. Sie hatten einen Dunkelelfen mit Rang und Namen beklaut. Ihre Hände zitterten und sie spürte kalten Schweiß auf ihrer Stirn. "Sie werden die ganze Stadt auseinandernehmen, um uns zu finden." Ihr gingen mehrere Horrorszenarien gleichzeitig durch den Kopf und sie spürte, dass ihr die Panik den Hals zuschnürte und sich wie ein beklemmendes Gefühl auf ihre Brust legte. Immer wieder schnappte sie nach Luft, aber statt Erleichterung zu spüren, spürte sie nur diese Beklemmung, die ihr das Atmen erschwerte. Sie steigerte sich in die Angst hinein und dann wurde ihr auch noch schummrig vor den Augen. Sie versuchte noch, den Tisch zu erreichen und sich an ihm abzustützen, dann schwankte sie jedoch und drohte, das Gleichgewicht zu verlieren, wenn sie nicht jemand rechtzeitig festhalten würde. Das hier war viel mehr als ein talentiertes Schauspiel, das hier war die kalte Realität, die die Diebin erfasste.

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Lianth » Mittwoch 22. November 2023, 01:48

Dass die Zeit für alle einfror, weil sie wie gebannt im Zelt standen, während der Grobian von Dunkelelf das Zelt betreten hatte, bemerkte Lianth nicht und doch bewegte sich seine Zeit ebenfalls zähflüssiger als Honig auf einem porenreichen Toastbrot. Sie versickerte in jedem bröseligen Loch und gab ihm Gelegenheit, den Fokus seines Blicks genauer in Augenschein zu nehmen. Briefe. Seine Briefe. Sadia hielt sie in den Händen und nicht etwa sein Bruder, zu Hause in Shyána Nelle. Der Stapel deutete daraufhin, dass kaum eine seiner Nachrichten abgeschickt worden war. Dazu waren es zu viele, aber es waren seine. Lianth erkannte es nicht nur an der Schrift, sondern auch an den Umschlägen. Er hatte sie mit sich geführt und zunächst eigenhändig aus seinem Pergamentpapier gebastelt. General Vashnar war so großzügig gewesen, ihm richtige Umschläge zu überlassen. Dass der Dunkelelf dadurch nur Lianths Talente weiter an sich band, hatte der Shyáner nicht einmal ansatzweise in Erwägung gezogen. Er sah es als unerwartetes Angebot und war dankbar gewesen. Umso sorgsamer hatte er Vellyns Namen und den Zielort vorn auf die Umschläge geschrieben. So musste Vashnar erkannt haben, dass Lianth nicht nur des Schreibens mächtig war, sondern auch eine Rettung für all jene, die sonst die Sauklaue des Generals entziffern müssten. Aber wie bereits erwähnt waren es weder Schrift noch Umschläge, die dem Elfen Aufschluss gaben. Er sah darüber hinaus auch die abgeknickte Ecke des fünften Briefes an seinen Bruder. Da war ihm der Umschlag aus der Hand gefallen und einer der Soldaten war draugetreten. Natürlich sicher unabsichtlich! Er sah aber auch die leichten Aschereste auf dem siebten Umschlag, wo ein Grandessarer seinen Tabak-Sargnagel hatte ausdrücken wollen. "Feigling, glaubst du wirklich jemand liest das?" Ja. Das hatte er fest geglaubt. Er hatte fest daran geglaubt, dass er Kan'egh all die Briefe überlassen konnte, weil jener angeboten hatte, sie weiterzuleiten. Damit sein Bruder sich nicht sorgen musste und Lianth die Soldatengruppe bis nach Grandea begleitete. Er hatte schließlich nicht nur Faldorian versorgt. Er benötigte die meiste Zuwendung, aber er hatte einem der Elfen auch die Blasen an den Füßen aufgestochen, einem anderen einen entzündeten Schnitt behandelt und einem dritten etwas Lavendel- und Baldrian-Extrakt überreicht, damit er trotz seiner Albträume etwas Schlaf fand. Kan'egh hatte erkannt, dass er nützlich war und dafür gesorgt, dass er sie nicht verließ. Er hatte ihm Versprechungen gemacht. Lianth hatte sich darauf verlassen. Und nun hielt eine Dienerin Seraphinas seine Briefe in den Fingern, von denen nicht einer Lavellyn erreicht zu haben schien. Und noch immer dachte er nicht daran, dass jemand ihn ganz bewusst hintergangen hatte. Er wusste nur eines: Lianth musste nach Hause, um die Angst und die Ungewissheit seines Bruders zu vertreiben. Vellyn durfte nicht denken, noch jemanden verloren zu haben. Sein Herz setzte für Ewigkeiten aus, die die Zeit immer noch verlangsamt ablief. Dann traf ihn sein nächster, realitätsnaher Herzschlag wie ein Hieb direkt auf den Solarplexus. Lianth keuchte auf, als der Dunkelelf sie als Eindringlinge enttarnte, die Frauen sich zur Flucht bereit machten und Sadia ihm plötzlich die so lang angestarrten Briefe in die Hände drückte. Er umklammerte sie reflexartig, quiekte aber auf, als hätte sie ihm ein heißes Eisen auf die Haut gedrückt. Das wirkte. Lianth erwachte aus seiner Schockstarre. Tiefes Bernstein schaute entsetzt in die Augen der Dunkelhaarigen. "Gib sie ihm selbst!"
Dann aber schien die Zeit sich zu entscheiden, ihren Verlust wieder aufzuholen. Mit einem Mal ging alles ganz schnell - zu schnell für den Elfen. Er hatte noch nicht einmal die zähen Momente verarbeitet, da schubste Sadia ihn schon voran und jemand rief lauthals, dass er laufen sollte. "Äh..." Lianth blinzelte, aber in gutem Vertrauen, dass man nur sein Bestes wollte, folgte er der Aufforderung. Er lief los. Er folgte den Schatten, deren Staturen ihm mehr vertraut waren und die keine Klinge nach ihm schwangen. Eigentlich bekam er nicht einmal mehr mit, dass der Dunkelelf nach ihm hieb. Er entkam dem Tod nur knapp, ohne es zu wissen. Aber er lief. Er lief mit Tami, Sadia und Ysara aus dem Zelt hinaus, obwohl er der einzig Unschuldige in dieser Gruppierung war. Doch die Dunkelelfen machten keine Unterschiede. Und sobald er stehenblieb, würde er es mit seinem letzten Atemzug erkennen müssen. Glücklicherweise sorgten die Krähen dafür, dass es nicht dazu kam. Sie hatten den Elfen in die Bredouille gerissen und nun rissen sie ihn mit. Ob es aus Nächstenliebe, einem schlechten Gewissen oder der Erkenntnis heraus geschah, dass er ihnen ebenfalls nützlich sein könnte, blieb zunächst ungeklärt. Wichtiger war es jetzt, zu entkommen.
"Er will uns töten! Lauft!"
"T-tö... a-aber wieso...?" Niemand beantwortete ihm die Frage. Er spürte nur den Zug an seiner Kleidung und das Drücken von Sadias Händen in seinem Rücken. Sie nahmen ihn mit und sie alle rannten. Also rannte er mit. Hin und wieder hörte er die Rufe des Grobians hinter sich, aber auch einige der Dunkelelfen, die durch ihre Flucht augeschreckt wurden. "Hey, ist das nicht der Feigling?"
"Hey, Feigling! Renn, renn!"
"Was geht hier vor sich?"

Er verstand nichts davon. Er verstand kein Lerium. Lianth wusste lediglich, dass sie ihn meinten. Ihn, den Feigling. Das war er. Oh, er störte ihre Ruhe und das Fest. "V-verzeihung!", rief er nach hinten und konnte im Augenwinkel den Schwert schwingenden Grobian erkennen, der hinter ihm und den Frauen her hetzte. Lianth verstand nicht, was vor sich ging. Niemand ließ ihm die Zeit, es herauszufinden. Er war vollkommen verwirrt, rannte dennoch in gutem Vertrauen einfach weiter. So passierte es, dass er mit den Mädchen in das Küchenzelt des Lagers geriet, wo diese dralle Orkin arbeitete. Lianth hatte sie nur flüchtig gesehen, wenn sie Teile von Schlachtvieh durch das Lager schleppte oder zum Brunnen ging, um sich das Blut von den Armen zu waschen. Er kannte nicht einmal ihren Namen. Er kannte sie im Grunde überhaupt nicht. Dennoch versetzte es ihm einen Stich, als sie ihren Kochtopf retten wollte und sich daran verbrannte. Das war der erste Moment, bei dem Sadia auf Widerstand stieß. Lianth bremste und wand sich halb um die Dunkelhaarige herum. Er drehte sich ab, schaffte zwei Schritte zurück Richtung der Orkin. "Ich helfe Euch!", rief er mit fester Stimme und Entschlossenheit im Blick. Dann wurde er erneut gepackt und mitgezogen. Sadia würde ihn nicht hier zurücklassen, ebenso wenig die anderen. Und Lianth konnte der Kraft der jungen Frau kaum etwas entgegen wirken. Sein Wille zu Heilen war stark, aber sein Stubenhockerfleisch schwach. Er hatte keine Wahl und musste die Flucht mit ihnen fortsetzen. Plötzlich befand sich auch ein anderer junger Mann unter ihnen. Lianth sah ihn als Schatten an sich vorbei und zu Yasara huschen. "G-g..." Sein Gruß ging im Schnaufen unter, als sie das Tempo noch einmal anzogen. Ihr nächstes Ziel war das Festzelt.
Der General ist darin... "W-wir h-haben ... habt ihr die ... R-rede?" Niemand hörte ihn. Niemand achtete auf ihn, auch nicht die Gäste, welche plötzlich alle aufschreckten, als die Krähen das Festzelt stürmten. Sie bewegten sich wie windige Schatten zwischen den Tischen hindurch. Lianth griff wohl mehr unbewusst auf seine hybridischen Fähigkeiten zurück. Wer schon einmal versucht hatte, eine Ratte mit bloßen Händen zu schnappen, der wusste, dass es nur gelang, wenn sie irgendwo sitzenblieben und selbst dann blieb es riskant. Ratten plusterten sich auf, sobald man sie schnappte. Sie quiekten und notfalls bissen sie auch. Sie arbeiten mit den Schrecksekunden ihrer Häscher, um im rechten Moment erneut zu entwischen. Lianth beherrschte diese Fähigkeiten natürlich nicht so gut. Er war nur ein Rattenhybrid und zumindest optisch kaum mit diesem Fluch befallen. Was möglicherweise neue Fähigkeiten anging, war ebenso noch ungewiss wie die Frage, ob er sich im Lauf der Zeit nicht noch gänzlich in eine dieser Pelznasen verwandeln würde. Das war doch der Grund gewesen, weshalb er sich auf Anraten seines Bruders in den Urwald aufgemacht hatte. Das war der Anfang gewesen und nun drohte ihm ein Ende, falls er stehenblieb.
Er tat es nicht. Er rannte weiter. Er stieß hier und da auch jemanden von der Festgesellschaft an. Und er stammelte jedes Mal eine Entschuldigung, wenn es geschah. Als Ken'agh Vashnar in sein Blickfeld geriet, nahm er sich ein Herz. "E-eure Rede! E-es tut mir leid ... die K-Korres ... i-ich bin nicht f-fertig ...!" Mehr bekam er nicht heraus, aber vermutlich hatte Kan'egh ihn ohnehin nicht einmal richtig wahrgenommen. Es herrschte Chaos. Alle schrien und rannten wild durcheinander herum. Die kühlen Köpfe zogen Waffen, die Krähen flogen über den Boden auf der Suche nach einem Schlupfloch und Lianth ... der ließ sich im Wirbel der Gefahren einfach mitziehen. Er wusste überhaupt nichts. Später würde er sich an die Flucht selbst ohnehin nur lückenhaft erinnern. Zu viele Eindrücke hämmerten auf ihn ein, dass sein ganzer Leib schmerzte. Seine Lungen brannten, seine Füße taten ihm weh und sein Blick war vollkommen verschwommen, weil ihm schon die Tränen in den Augen standen. Er folgte den Flecken roter und blonder Haare vor ihm - das einzige, was er von Tami udn Ysara noch ausmachen konnte. Wie sie den Wechsel vom Innen- in den Außenring vollzogen, hatte er auch nicht mitbekommen. Er bemerkte die Veränderungen auch nur, weil es mit einem Mal schwerer war, durch die Gassen zu fliehen. Hier gab es kein sauberes Pflaster. Teilweise liefen sie durch Schlamm und mussten aufpassen, in zu tiefen Karrenfurchen nicht auszurutschen. Ob sie noch verfolgt wurden, konnte er ebenfalls nicht sagen. Irgendwann hörte es einfach auf. Irgendwann fand er sich im Inneren eines Gebäudes wieder und endlich schubste und zog ihn niemand mehr mit sich. Lianth beugte sich leicht vor, legte seine Hand auf die Brust und keuchte. Ein Brief. Ein einziger Brief lag noch zwischen seiner verschwitzten Handfläche und dem Stoff seiner Roben. Er hatte auf der Flucht nur einen retten können. Es war unerheblich. Keiner von ihnen würde Lavellyn erreichen.
"W-warum hat e-er sie nicht..."
"Schöne Scheiße!"
Lianths Stimmchen ging im Fluchen unter. Er zuckte zusammen, machte sich klein. Den verblieben Brief schob er in den Gürtel seiner Robe. Erst jetzt wagte er, sich ein wenig umzuschauen. Tami, die ihn auf den letzten Zügen mit sich gezerrt hatte, lag auf einem schiefen Sofa. Eines der Beine fehlte und versetzte sie in die Lage, aber selbst dem Elfen wäre es nun zum kurzen Ausruhen recht gewesen. Er verstand den Rotschopf. "D-Danke...? Sch-schätze ich...", murmelte er, noch immer nicht mehr als ein Flüstern im Wind. Niemand lauschte dem Wind, wenn um ihn herum ein Sturm tobte. So ließ er sich auffangen wie ein Blatt, aber nicht mehr erneut herumwirbeln. Lianth stand. Er stand mitten in einem überraschend großen Raum für die Verhältnisse des grandessarischen Armenviertels. Allerdings konnte es den Elfen kaum beeindrucken, denn er kannte die engen Verschläge und Barracken der anderen Bewohner dieses Ortes nicht. Er besaß keine Vergleiche. Ihm fiel lediglich auf, dass es neben der Hauptstube noch weitere gab, insgesamt drei an der Zahl. Außerdem wollten die Hausbewohner - Ysara und ihre Freunde mutmaßlich - eine heimelige Atmosphäre schaffen. Es war gelungen, jedenfalls, wenn man den Shyáner fragte. Lianth empfand die Stube wirklich gemütlich. Sie strahlte Geborgenheit und Familiäres aus mit den kleinen, persönlichen Ecken aller. Das Brücherregal fiel dem Elfen sofort auf und seine Augen huschten über die Einbände, auch wenn er von seiner Position aus natürlich nichts davon lesen konnte. Ein Kamin fand sich ebenfalls. Er würde Licht und Wärme all jenen spenden, die sich auf das schiefe Sofa wagten oder einfach davor an dem langen Tisch sitzen wollten. Dort wurde wohl die meiste Zeit gemeinsam verbracht, ganz gleich ob mit Mahlzeiten oder Gesprächen. Es zauberte Lianth ein Lächeln auf die Lippen. Er dachte unwillkürlich an die fast schon rituellen Mahlzeiten mit seinem Bruder. Lavellyn hatte dafür gesorgt, dass er regelmäßig aß und auch hin und wieder ihre Mutter eingeladen. Selbst wenn sie nur schweigend an ihrem Küchentich gesessen hatten, war es jedes Mal eine Zeit der Verbundenheit gewesen, aus der der Jüngste der Farnhains mentale Kraft hatte schöpfen können. Dass auch Nichtelfen solche Sammelstellen in ihrem Heim schufen, erwärmte sein Herz.
Ysaras Herz erfüllte sich derweil mit Unbehagen. Alles war schiefgelaufen, was hatte schiefgehen können. Sie fluchte, aber auch damit konnte sie die aufsteigende Panik in ihrem Inneren nicht in die Flucht schlagen. Ihre eigene war gelungen, aber das bedeutete keine Sicherheit. Sie ahnte nicht, wer sie alles gesehen und möglicherweise erkannt haben mochte. Die Dunkelelfen würden Grandea nach den Eindringlingen abgrasen und je nachdem wie wertvoll die mutmaßliche Schatzkarte für Kan'egh Vashnar war, würde er sie nicht aufgeben. Um Lianth machte der Dunkelelf sich wohl am wenigsten Sorgen und auch Faldorian wäre ersetzbar, wenn dieser es nun ohne die Pflege nicht mehr schaffen sollte.
Ohja, es war einiges schiefgegangen und nicht einmal Ysara konnte alles überblicken, am wenigsten die drohenden Konsequenzen. Das sorgte für Unsicherheit und jene schürte Panik. Ysara verfiel in Panik. Ihre Gefährten mochten es nicht gleich erkennen, aber Lianth hatte ein Heilernäschen dafür. Er roch die Unsicherheit beinahe so stark wie den Eiter aus Farnos Furunkel, nachdem er diesen zum Platzen gebracht hatte. Heilkundige entwickelten im Laufe ihrer Karriere vielleicht ein Gespür, aber dem Shyáner kam hier auch noch seine rattenhafte Wandlung zugute. Ratten konnte man auf den Geruch von Krankheiten trainieren, dass sie erkrankte Patienten erkannten. Leider machten das nur wenige, denn die Tierchen lebten nicht lange, schon gar nicht im Vergleich zu Elfen. Man suchte sich Alternativen. Hunde besaßen auch feine Nasen. Lianth aber war nicht von einem Hund gebissen worden und jetzt profitierte er von etwas, das sein ohnehin introvertiertes Gemüt nur noch mehr in einen Rückzugsort verbannt hatte. Jetzt konnte er frühzeitig erkennen, dass etwas im Argen lag. Ein Patient wurde geboren und er würde helfen. Ysaras Panikattacke strömte zu ihm herüber, um seine heilerischen Alarmglocken zu läuten.
Bereits als Ysara um Atem rang, setzte der sonst so scheue Elf sich in Bewegung. Instinktiv machte er längere Schritte, um sie schnell zu erreichen, wo die Blonde es nicht mehr bis zum Tisch schaffte. Tami sah wohl nur noch den grünen, stark zerzausten Zopf des Elfen an sich vorbei fliegen, als er auch schon Ysara erreichte und mit beiden Armen auffing. Er drückte sie nur lang genug an sich, um sie auf einen der Stühle verfrachten zu können, denn er wusste, dass eine Panikattacke schlimmer würde, wenn die Umgebung zu beengt war. So löste er sich von Ysara, sobald sie sicheren Halt auf dem Stuhl hatte und kniete sich halb vor sie. Er schaute ihr gezielt in die Augen, wo er es während ihrer Gespräche meist gemieden oder nur kurz durchgehalten hatte. Bernstein funkelte ihr nicht nur aus den Iriden entgegen. Auch die aufgeklebten kleinen Spliter um seinen Blick herum glitzerten warm.
"Ganz ruhig, Seraphina. Atme ruhig", forderte Lianth sie mit sanfter Strenge auf, mehr um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Nicht eine Silbe stammelte er und löste auch nicht den Blick von ihr. Wenn es darum ging, anderen mit seinen medizinischen Kenntnissen helfen zu können, war er in seinem Element. Dann vergaß der Elf seine eigenen Ängste, Sorgen und dass er diese Form der Aufmerksamkeit eigentlich scheute. Dann wusste er, was zu tun war und welche Wichtigkeit es besaß. Er musste helfen. Alles andere war nebensächlich.
Ohne Ysara aus den Augen zu verlieren griff er in seine Tasche hinein. Seine getreue Heilertasche, die niemals seinen Körper zu verlassen schien. Andere suchten sich Geliebte, Lianth hatte sie bereits gefunden. Das weiche Leder schmiegte sich um sein Handgelenk, als er die Finger in ihrem warmen Inneren versenkte. Er streichelte flüchtig die getrockneten Kräuter in einer der vielen Unterfächer, wanderte mit den Fingerspitzen an seinen ebenfalls in Leder eingeschlagenem Heilerbesteck entlang und setzte eine Stelle aus, wo er seine Knochensäge wusste. Auch wenn sie zusammengeklappt war, konnten die Zähne doch recht spitz sein. Zwei Taschen weiter ruhten Phiolen mit Extrakten aller Art. Das kühle Glas seines Vorrats an Wundalkohol beruhigte ihn, war für den Moment aber nicht nötig. Endlich fand er, was er suchte. Seine Finger schnürten geschickt das Säcklein auf, glitten hinein und kehrten zu ihm zurück. Er ließ das Entommene in seine Handfläche rollen und zeigte es Ysara. "Schau hin! Konzentriere dich darauf. Atme, zusammen mit ihr. Sie leitet dich. Verlass dich nur auf sie."
In Lianths Hand aber lag lediglich ein Samekorn, kaum größer als eine Kellerassel. Entgegen allen Erwartungen bewegte sich das Körnchen plötzlich auch ähnlich, bis die feine Schale unter einem sanftgrünen Leuchten aufbrach, welches auch um Lianths Hand schimmerte. Ein Pflänzchen entwuchs dem Korn, streckte sich und schuf eine schöne, auffällige Blüte. Ein wahrer Blickfang, selbst oder besonders für Personen, die sich in einem panischen Wirbel gefangen sahen. Die Blüte sparte mit Farben und Mustern, war aufgrund ihrer Schlichtheit aber schön. Sie zog sich langsam wieder zu einer Knospe zusammen und entfaltete sich, als würden Tag- und Nachtzyklen über sie hinwegziehen, um sie zu animieren, sich immer wieder für die Sonne zu öffnen. Den Rhythmus passte Lianth mithilfe seiner Naturmagie ebenfalls an. Er ließ ihn langsamer ablaufen als seinen eigenen Atem, denn Ysara musste ruhiger werden als er es war. Solange sie sich auf die Blüte konzentrieren und ihren Weisungen mit der eigenen Atmung folgen konnte, würde es wohl gelingen. Falls auch das nichts half, blieb Lianth noch die Möglichkeit, die Blüte anders wachsen zu lassen, so dass ihr Kelch eine fast geschlossene Form erlangte, ähnlich einem weichen Behältnis. Das könnte er Yasara dann anbieten, damit sie in die Blume wie in eine Tüte atmen könnte. Auf diese Weise würde sie nicht von zu viel aufgenommener Luft hyperventilieren, sondern Ruhe finden können. Natürlich redete der Elf dabei weiter auf sie ein - ruhig und ohne sie zu drängen. Er passte sich ihr an, versuchte aber zugleich, sie aus der Hysterie herauszuleiten. "Atme. Mehr musst du jetzt nicht tun. Alles andere hat Zeit. Atmen. So wie die Blüte es dir zeigt. Sie wird dir helfen. Schau, wie ruhig und schön sie ist. Atme mit ihr. Ein und aus ... und wieder ein ... du machst das ganz wunderbar."
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Mittwoch 22. November 2023, 14:19

Die blonde Krähe wurde in Anbetracht der drohenden Konsequenzen ihres Diebstahls von einer Welle der Panik überrollt. Sie rang nach Luft und als ihr schwarz vor Augen wurde, versuchte sie zumindest noch, die Sitzecke am Tisch zu erreichen. Doch es gelang ihr nicht und sie wäre gefallen, wenn Lianth nicht so schnell bei ihr gewesen wäre. Sie stützte sich an ihm ab und irgendwie gelang es ihr, sich mit seiner Hilfe auf einen der Stühle zu setzen. Sie sah blass und ängstlich aus, denn sie hatte noch nie eine Panikattacke erlebt. Sie wusste nicht, was mit ihr passierte. Sie schloss die Augen, damit die Welt davor nicht mehr im Schwarz flimmerte und lehnte sich mit dem Rücken an den Stuhl an. Sie versuchte, genug Sauerstoff in ihre Lungen zu lassen, doch sie atmete so hektisch, dass die erhoffte Erleichterung ausblieb und die Beklemmung eher zunahm. "Ganz ruhig, Seraphina. Atme ruhig." Zu ihrer Überraschung hörte sie Lianth neben sich und das mit klarer und stotterfreier Stimme. Auch wenn sie ihn kaum kannte, hatte sie ihn lang genug reden gehört, sodass ihr das Wegbleiben des Stotterns durchaus auffiel. Die Angesprochene, wenn auch unter falschem Namen, öffnete die Augen und sah, dass der Shyáner neben ihr kniete. Er fixierte sie mit seinen bernsteinfarbenen Augen und mit diesen Augen und seinen Worten schaffte er es tatsächlich, ihre volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. "Ich bekomme keine Luft", presste sie hervor und ihre Hand legte sich an ihr wummerndes Herz. Sie versuchte ja zu atmen, aber es war, als würde sie gegen einen Widerstand ankämpfen. Ihr Blick rutschte kurz zu den Bernsteinsplittern in seinem Gesicht, die so funkelten wie seine Augen. Dann schloss sie für einige Momente die Augen. "Schau hin! Konzentriere dich darauf. Atme, zusammen mit ihr. Sie leitet dich. Verlass dich nur auf sie." Ysara folgte der Weisung des Heilkundigen, die grünen Augen öffneten sich und sie blickte überrascht auf das Samenkorn in seiner Hand. Was sollte das? Ein entsprechend zweifelnder Blick wollte sich schon heben, als sich der Samenkorn plötzlich bewegte! Ysaras Mund öffnete sich nun vor Staunen und sie beobachtete das magische Schauspiel auf der Hand des Elfen. Sie verstand in dem Moment nicht, wie er das machte, aber die Krähe begann, die Bewegungen der schlichten und dadurch umso schöneren Blüte zu beobachten. "Atme. Mehr musst du jetzt nicht tun. Alles andere hat Zeit. Atmen. So wie die Blüte es dir zeigt. Sie wird dir helfen. Schau, wie ruhig und schön sie ist. Atme mit ihr. Ein und aus ... und wieder ein ... du machst das ganz wunderbar." Sie folgte Lianth Anweisung, denn sie allein trug schon zu einem Großteil dazu bei, dass sie sich beruhigte. Im Gegensatz zu ihr, konnte er die Situation offenbar einschätzen und wusste, was zu tun war. Dieser Beistand war schon mal viel Wert. Ysara atmete also ein, wenn sich die Blütenblätter schlossen und atmete aus, wenn sie sich wieder öffneten. Sie versuchte, nicht über all die Konsequenzen ihres Handelns nachzudenken, die die Panik erst hervorgerufen hatten, und schob die Gedanken vorerst aus ihrem Kopf. Da war nur noch diese magische Blüte und ihre Atmung, die sich ihr Stück für Stück anpasste und somit immer ruhiger wurde. Mit ihrer Atmung beruhigte sich auch ihr Herzschlag, die Wärme kehrte langsam zurück in ihre Glieder und auch ihre Gesichtsfarbe war nicht mehr ganz so blass. Als Ysara merkte, dass die Panik sie nicht mehr im Griff hatte, entspannten sich auch langsam ihre Muskeln und sie sank etwas auf dem Stuhl zusammen. "Danke." Sie lächelte Lianth ehrlich an und seufzte dann, ehe sie sich verstohlen nach den Krähen umsah. Es war ihr sichtlich unangenehm, dass sie so aus der Haut gefahren war. Sie war schließlich eine der Anführerinnen und musste einen kühlen Kopf bewahren. Aber konnte man es ihr verdenken? Ysara war im Innenring aufgewachsen, in dem es solche Gefahren im Prinzip nicht gab. Da war das höchste der Gefühle, dass ihre Mutter ihr Hausarrest aufbrummte. Und auch wenn sie die Krähen schon vor Jahren mit Sadia ins Leben gerufen hatte und sie inzwischen so einige Beutezüge erlebt hatte, kam doch nichts, was sie bisher getan hatten, an das heran, was sie heute angestellt hatten. Sadia schenkte klares Wasser in Becher ein und stellte jedem von ihnen einen vor die Nase. Ysara trank dankbar einige große Schlucke. Danach fing sie die besorgten Blicke ihrer Krähen auf, aber Ysara brachte es schon wieder fertig, die anderen schief anzulächeln. "Es geht mir wieder gut", winkte sie ab. Tatsächlich sah sie schon besser aus, aber so schnell wie sie vorgab, konnte man sich wohl nicht von diesem Schrecken erholen. Die grünen Augen wanderten zurück zu Lianth. "Ich heiße eigentlich Ysara. Das sind Sadia, Elian und Tami", stellte sie die anderen der Reihe nach vor. "Tut mir leid, dass wir dich hinters Licht geführt und in Gefahr gebracht haben. Wir dachten, das Zelt wäre leer", erklärte sie ihm, verschwieg jedoch, was sie da eigentlich genau im Zelt des Generals gesucht und getan hatten. Ob er wohl immer noch glaubte, dass sie die Rede gesucht hatten oder verstand er langsam, dass sie mit etwas anderem das Unheil ausgelöst hatten? Ysara schaute zu seiner Hand hinab. Ob die Blüte noch zu sehen war? "Wie hast du das gemacht?", fragte sie neugierig und nahm sich dann zum ersten Mal seit ihrer Begegnung Zeit, ihn ausgiebig zu mustern. Ihre Augen blieben für einige Momente an den grünen Haaren hängen und dann grinste sie fein. Ihre Mutter würde ausflippen, wenn sie mit solchen Haaren nach Hause käme! Dann wurde sie aber plötzlich wieder ernst. Ihre Mutter.. die Geschehnisse.. Sie schaute wieder zu ihren Freunden und jeden nacheinander an. "Jetzt, wo wir uns alle wieder beruhigt haben.." - und es war klar, dass sie vor allem sich selbst damit meinte - ".. was sollen wir jetzt tun? Das Ganze bis zum Ende aller Tage aussitzen und darauf warten, bis Vashnar dement wird?"

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Lianth » Donnerstag 23. November 2023, 15:44

Tatsächlich kannte niemand der Krähen Lianth auch nur ansatzweise. Wie auch, er hatte sich so gut bedeckt gehalten, dass er zum Mobiliar in General Vashnars Zelt geworden war. Trotz seiner Größe konnte er mit seiner zurückhaltenden Art sehr unauffällig sein. Jetzt aber trabte er nach vorn, als hätte ihn irgendeine Kellerspinne in den Allerwertesten gebissen. Er stürmte geradezu, aber enorm zielstrebig zu Ysara herüber, um sie aufzufangen, ehe sie knapp vor ihrem Ziel das Gleichgewicht verlor. Er kniete sich zu ihr, redete auf sie ein, hielt Augenkontakt und schaffte es dann sogar, sie aus ihrer Panik-Attacke herauszuholen wie durch Magie. Nun, im Grunde war es Magie. Lianth legte einen Teil seiner eigenen Energiereserven in das Samenkorn hinein, damit es sich entfaltete und wieder zusammenzog. In einem stetig ruhiger werdenden Rhythmus zeigte das Pflänzchen Ysara auf, langsamer zu atmen. Dem Blondschopf gelang es, sich darauf zu konzentrieren und sich anzupassen. Die Panik schwand. Luft wurde wieder in einem erträglichen Ausmaß in die Lungen gezogen, so dass auch der Schwindel bald nachlassen dürfte. Der scheue Elf mit den grünen Haaren hatte es geschafft. Tatsächlich wirkte die Farbe seiner Strähnen nun noch etwas satter. Das sanfte Moosgrün war gesättigter und ein wenig dunkler. Im Moment käme niemand auf die Idee, darunter das sanft naturelle Nussbraun vorzufinden. Lianth achtete überhaupt nicht darauf. Sobald Ysara unter einem Wort des Dankes auf dem Stuhl etwas zusammensank, legte er ihr die Blüte in die Hände. Dann fühlte er mit einem kurzen, signalisierenden Blick ihren Puls am Handgelenk und erhob sich anschließend, als er zufrieden war.
"Sch..schon g-gut", murmelte er. Nun kehrte der Lianth zurück, den die Krähen bislang kennengelernt hatten. Er duckte sie wieder ein wenig, brach den Blickkontakt sofort ab und schaute stattdessen auf seine Hände. Eine knibbelte an einem losen Faden der Ledertasche herum, die andere strich den eigenen Zopf etwas zurück. Er lächelte warm, wagte es aber nicht mehr, Ysara in die Augen zu schauen. Mehr noch, er zog sich etwas von ihr zurück, als Sadia die Gläser mit frischem Wasser verteilte. Er schob sich hinter einen Stuhl zurück, so dass er nun zwischen dem Esstisch und dem Kamin ein wenig verloren dastand, während die Welt sich weiter drehte. Es wirkte so bizarr, wie schnell er sich in sein Schneckenhaus zurück verkroch. Hätte er nicht immer noch zufrieden über seinen Erfolg gelächelt, hätte man ihn für absolut eingeschüchtert halten können, weil um ihn herum noch anderes Leben existierte. Trotzdem zuckte er unter einem Quieken zusammen, als die stellvertretende Anführerin der Gruppe ihn ansprach.
"Ich heiße eigentlich Ysara. Das sind Sadia, Elian und Tami", stellte sie gleich mal alle Krähen vor. Lianth hob den Blick nur weit genug, um den Namen fortan auch Gesichter zuordnen zu können. Sobald er aber auf ein anderes Augenpaar traf, huschte sein eigener Blick rasch weiter. Dafür löste er seine Hand von der Tasche und hob sie grüßend an. "H-hallo...", entkam es ihm leise. "I-ich b-bin Lianth. Lianth Farnhain und ... äh ... ja ..."
"Wie hast du das gemacht?" Lianth hob erneut den Blick in Richtung der Quelle dieser Fage. Ysara hielt die Blüte sicherlich noch in Händen. Sie bewegte sich nicht mehr. Der Blütenkelch blieb offen und auch das sanfte Leuchten war verschwunden. Es handelte sich einfach um eine einzelne Blüte irgendeiner Seerosenpflanze, die an Land und erst recht nicht in Ysaras Hand lange Überlebenschancen besaß. Sie gehörte ins Wasser. Das allein machte es schon unglaublich. Für Lianth war die Antwort allerdings simpel.
"I-ich ... beherrsche N-N-Naturmagie. N-nicht so g-gut, a-aber..." Er kratzte sich verlegen an der Wange, wandte den Blick wieder ab. Schamesröte stieg ihm ins Gesicht. Er wusste, dass er nie ein Musterschüler auf dem Gebiet gewesen war - aus seiner Sicht. Tatsächlich beherrschte er die Kräfte der Natur sogar auf höherem Niveau als so mancher Nicht-Shyáner. Für ihn galt nur, dass es für seine heilkundlerischen Fähigkeiten genügte und wenn er sich ausruhen konnte, war es ihm sogar möglich gewesen, manch fremde Pflanzenkulturen im eigenen Garten zu ziehen. Das war hin und wieder notwendig, wenn sein Bruder spezielle Inhaltsstoffe für seine Medizin benötigte. Lianth taten nur die kleinen Pflänzchen dann etwas leid. Nicht alle waren für ein Paradies wie Shyána Nelle geeignet und gingen schon binnen kürzester Zeit wieder ein. Er bemühte sich, wollte sie aber auch nicht unnötig lange quälen, indem er sie mit seiner Magie am Leben erhielt.
"Jetzt, wo wir uns alle wieder beruhigt haben ... was sollen wir jetzt tun? Das Ganze bis zum Ende aller Tage aussitzen und darauf warten, bis Vashnar dement wird?"
"Er zeigt keine Symptome, eine ausgeprägte Demenz zu entwickeln, aber natürlich kann es im Alter jeden treffen", brachte Lianth wieder stammelfrei hervor. Dann stutzte er, weil er sich einfach in das Gespräch eingemischt hatte und machte sich wieder klein. Zwei kleine Schritte führten ihn in Richtung Tür. "I-ich ... äh ... D-Danke für das W-wasser. Ich ... w-werde gehen. V-vielleicht k-kann ich Kan'egh - äh, Gen-General Vashnar! - a-alles erklären. E-er wird s-sicher n-nicht allzu w-wütend sein. I-immerhin wolltet Ihr ihm helfen. U-und bei all d-dem Chaos ... s-sicher kann er s-seine Rede m-morgen n-noch halten. I-ich f-frage ihn." Und dann würde er sich erkundigen müssen, warum die Briefe an seinen Bruder nicht abgeshickt worden waren. Sicher gab es auch dafür eine logische Erklärung. Lianth traute dem General einfach keine bösen Absichten zu, aber er war auch bereit, nun einfach das Nest der Krähen zu verlassen, um sich am besten direkt ins Maul der Raubtiere zu begeben, die nun wohl halb Grandea nach ihnen absuchten. Er wäre schneller tot als er realisieren könnte, dass nicht jede wandelnde Seele auf Celcia grundsätzlich Gutes im Sinn hatte.
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Erzähler » Freitag 24. November 2023, 21:37

Es war alles vollkommen schiefgelaufen. Dabei hatte es so gut ausgesehen, als sie Lianth tatsächlich dazu bewegen konnten, ihnen zu helfen. Wäre dieser Soldat nicht aufgetaucht und kurzerhand in das Zelt des Generals gestürmt, es wäre vermutlich vollkommen anders gelaufen. Die Flucht durch das Heerlager verlief halbwegs glimpflich, doch sollte sie ebenfalls eine mehr als schlechte Wendung nehmen. Wo Ysara nur noch die Flucht sah, behielt Lianth auch die Umgebung im Blick. Er wollte immer wieder mal daran erinnern, dass sie den General nicht vernachlässigen sollten. Und auch der dicken Orkfrau, die die Köchin für die Meute war, wollte er doch zur Hilfe eilen. Aber man ließ ihn nicht. Es ging nicht, denn im Gegensatz zum Elfen hatten die Krähen erkannt, dass es hier keinen Verhandlungsspielraum mehr geben würde. Der Soldat hatte entschieden, dass sie allesamt Eindringlinge und schließlich auch Diebe waren. Egal, ob Lianth eigentlich zu den Dunklen gehörte und sich in deren Reihen nützlich machte. Er hatte ihn im Bunde mit den Frauen erwischt und als er sein Schwert zum letzten Streich zog, da war es keine Frage, dass die Krähen den naiven Elfen mitnahmen. So wurde auf ihn geachtet, man kümmerte sich um ihn. Dass Lianth auf der Flucht sämtliche Briefe verlor und nur noch einen retten konnte, machte die ganze Sache nicht besser – eher im Gegenteil. Doch zuerst musste vor allem Ysara noch eine immense Hürde überstehen: Das Festzelt. Tami, Sadia und Elian eilten alle zusammen darauf zu und verschwanden dann darin. Aber Ysara war… bekannt. Man achtete auf sie. Sie würde man erkennen. Wo dann also die Krähen einfach durch die Mitte flüchten konnten und Lianth mit sich zogen, da musste Ysara anders vorgehen. Sie versuchte sich zu verbergen, nicht mit dem Tulmult in Verbindung gebracht zu werden, doch gestaltete sich das als gar nicht so leicht. Die Gäste waren in hellem Aufruhr und sprachen wild durcheinander, was das denn zu bedeuten hatte. Am Ende hatte Ysara es tatsächlich geschafft, das Festzelt zu verlassen, doch was sie nicht mehr mitbekam, war, wer und wie viele sie tatsächlich gesehen hatten. Getrieben von den Rufen des Generals, als er endlich eingeweiht wurde, flüchteten die Diebe weiter und fanden schließlich endlich den Durchgang zum Außenring. Natürlich nahmen sie nicht den offiziellen, denn da standen ebenfalls Wachen. Im Außenring dann aber wurde die Flucht etwas durchdachter und auch wenn es Ysi weitertrieb, handelte sie vorsichtig. Sie lotste Lianth und die Krähen durch die Stolperfallen und schließlich zielsicher ins Nest.

Hier angekommen, mussten alle erstmal ein wenig verschnaufen. Tami warf sich erneut auf das Sofa und erneut knickte das Bein ab, das auch am letzten Morgen bereits Federn gelassen hatte. Die Rothaarige schnaufte und schloss die Augen. Auch Sadia und Elian keuchten vom vielen Laufen und hielten sich die Seiten, weil das Seitenstechen einsetzte. In den ersten Minuten sagte niemand etwas. Alle verdauten, was gerade geschehen war und ließen revuepassieren, was sie erlebt hatten. Es war Ysara, der als erstes das ganze Ausmaß der Katastrophe bewusstwurde. Und darüber bekam sie eine simple, aber ebenso beklemmende Panikattacke. Besorgt reagierten die drei verbliebenen Krähen, als sie zu hyperventilieren begann und wollten ihr auch helfen, doch Lianth war als erster zur Stelle. Und er wirkte dabei so souverän und behände, dass keine der anderen Krähen einen Einwand erhob. Mit Wissen, Selbstvertrauen und Magie schaffte es der schüchterne Shyanér, dass sich Ysara endlich beruhigte. Jedenfalls vorerst. Er vermittelte so viel Ruhe, wie sie es derzeit brauchte und glänzte. Anerkennend blickte Elian auf den Elfen und musterte ihn genauer, während sich Lianth ausschließlich auf seine Patientin konzentrierte. Sadia aber blickte ebenfalls staunend auf die Blume, die eine magische Anleitung zum Atmen gab und atmete ebenfalls nach dem Öffnen und Schließen, sodass sich ihre Seitenstiche in Luft auflösten. Tami klopfte Lianth anerkennend auf die Schulter, als Ysara wieder klar denken und er sich erheben konnte. „Nicht schlecht, Heiler. Ich bin beeindruckt!“, feixte die Rothaarige und wirkte, als wäre alles nur ein Spiel. Aber das war es nicht. Nicht für Ysara. Die Blonde war im Begriff alles zu verlieren. Und Lianth auch, wenn man es genau nahm. Auch der Elf wurde sich bewusst, als er aus seiner Tätigkeit wieder auftauchte, dass er den General vermutlich lieber Bescheid sagen sollte. Er wollte aufbrechen, denn er musste ganz schnell mit Vashnar sprechen. Vielleicht konnte er ja noch etwas herausholen und auch ein gutes Wort für Ysara und ihre Freunde einlegen. "I-ich ... äh ... D-Danke für das W-wasser. Ich ... w-werde gehen. V-vielleicht k-kann ich Kan'egh - äh, Gen-General Vashnar! - a-alles erklären. E-er wird s-sicher n-nicht allzu w-wütend sein. I-immerhin wolltet Ihr ihm helfen. U-und bei all d-dem Chaos ... s-sicher kann er s-seine Rede m-morgen n-noch halten. I-ich f-frage ihn." Tami war wieder am schnellsten mit ihrer Zunge. „Das geht nicht!“, rief sie aus und trat Lianth in den Weg. „Tami!“, rief Elian ihr mahnend zu und die Rothaarige hob den Blick. Sie runzelte die Stirn und öffnete die Hände, während sie stumm nach der Begründung verlangte, dass er sie ermahnte. „Lianth, richtig?“, fragte dann Elian, der ganz offenbar der Bruder von Tami war. Er musterte den Elfen und trat auf ihn zu. „Ich bin Elian, wir hatten noch nicht offiziell das Vergnügen“, sprach er und lächelte freundlich. Aus den dunklen Augen sprach Ehrlichkeit in seinem Handeln. „Das Problem ist, Lianth, dass der Soldat glaubt, du würdest ein Dieb sein.“, erklärte er ihm sachlich. „Und General Vashnar hat es längst als solches erfahren. Sie suchen nun alle nach uns und werden nicht zögern, uns alle zu töten.“, berichtete der Rothaarige und neigte etwas den Kopf. „Die machen kurzen Prozess mit uns, Lianth!“, schnaubte Tami dazu und Sadia trat an Ysara heran.

Sie lächelte ihrer Freundin aufmunternd zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter, die sie leicht drückte. „Tami hat recht, wobei ich finde, dass wir alle ein wenig die Emotion herunterschrauben sollten.“, mahnte Elian erneut und gab Lianth Raum, damit er sich nicht eingeengt fühlte. Tami verschränkte die Arme und streckte ihrem älteren Bruder die Zunge heraus. Dann lehnte sie sich schmollend gegen die Tür, damit Lianth nicht hinauskonnte. „Du kannst mit dem General nicht reden. Er…“, Elian zögerte und sah hilfesuchend zu Sadia. Sie verließ Ysi’s Seite und nickte dem Elfen zu. „Er wird dir nicht zuhören, Lianth. Schau… die…. Br…“, Sadia stockte mit einem Mal und runzelte dann die Stirn, als ihr etwas klar wurde: „Lianth… du hast die Briefe verloren…“, traf sie die Erkenntnis und alle Augen richteten sich auf den Elfen. „Scheiße.“, brummte Tami, während Sadia seufzte und vorsichtig auf Lianth zutrat. „Sie werden jetzt erst recht nach dir suchen, Lianth. Auf den Briefen steht überall dein Nachname drauf, nicht wahr? Ysi hat es vorhin vorgelesen…“, erinnerte sie sich und schluckte. „Sie werden glauben, dass du an seinem Schreibtisch warst… dass du die Briefe geklaut hast, obwohl sie dir gehören.“, sprach die Dunkelhaarige weiter. Elian atmete geräuschvoll aus und trat zum Tisch. Er goss Lianth nun auch ein Glas Wasser ein und reichte es ihm. „Willst du nicht doch noch etwas trinken? Wir müssen bereden, wie es weitergeht… Auch für dich.“ Tami polterte kurz los: „Wir müssen vor allem darüber reden, dass seine Spur aus Briefen direkt zu uns führen könnte!“ Sadia und Elian tauschten Blicke, dann nickten sie. „Wir müssen nachsehen, ob die Briefe zu uns führen!“, entschied Sadia und blickte zu Ysara. „ELian und ich werden kurz gehen. Wir kommen gleich zurück.“, versprach sie. Auch Elian nickte und bestätigte Ysara mit einem Blick, dass sie sich beeilten aber das nun nötig sei. Sadia griff in ihre versteckte Tasche und zog ihren Fund heraus. Sie legte das Schreiben neben Ysara auf den Tisch und lächelte sie noch mal an. „Gut, ihr kümmert euch um die Karte und das Schreiben und wir sehen zu, dass niemand die Spuren herverfolgen kann!“, entschied sie weiter und Tami nickte kurz. „In Ordnung, passt auf euch auf!“. Dann verschwanden Sadia und Elian wieder und ließen Lianth, Tami und Ysara allein. Das Feuer knackte ein wenig, bis Tami das seltsame Schweigen brach. „Alsooo…. Was haben wir denn da?“, fragte sie und ging zum Tisch, um sich Ysara gegenüberzusetzen und auf das Schreiben zu blicken. Dann wandte Tami den Kopf und musterte Lianth. „Komm schon, Lianth. Wir beißen nicht und wir wollen wirklich nur, dass dir nichts geschieht. Der General ist ein Idiot, der nutzt dich doch nur aus! Hat ja nicht mal deine Briefe weitergeleitet. Oder wolltest du die alle auf einmal abschicken, damit sich der Empfänger so richtig freut und drei Wochen aus dem Lesen nicht mehr herauskommt?“, sie grinste ihn an. Tami war frech, laut aber ebenso herzlich, wie die anderen.
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Samstag 25. November 2023, 17:58

Es lief leider nicht immer alles nach Plan oder nach Ysaras Kopf und sie hatte zunächst ganz schön damit zu kämpfen. Ausgerechnet bei diesem gefährlichen Vorhaben mit sehr großer Auswirkung lief es ganz und gar nicht so, wie die Krähe es sich gewünscht hätte. Zum Glück war Lianth da und holte Ysara mit klaren Anweisungen und magischer Unterstützung aus ihrer Panikattacke. Die grünen Augen huschten von der Blüte, die er ihr im Anschluss in die Hände legte, zurück zum Heiler, der ihren Puls prüfte und zufrieden wirkte. Direkt danach nahm er jedoch wieder eine geduckte Haltung ein und wirkte plötzlich nicht mehr so selbstsicher wie in den Minuten, in denen er sich um sie gekümmert hatte. Mit einem Stirnrunzeln musterte Ysara Lianth und wurde noch immer nicht ganz schlau aus dem Heiler. Offensichtlich lebte er dafür, anderen zu helfen - und wenn seine Hilfe dann nicht mehr gebraucht wurde, zog er sich in sein Schneckenhaus zurück. Einzig das Lächeln, das auf seinen Lippen verblieb, war ein Hinweis dafür, dass er gerade zufrieden mit sich war. In der Blonden kam unweigerlich die Frage auf, wieso das wohl so war. Gab es spezielle Gründe dafür oder war es einfach eine Charaktersache? Vermutlich hätte er am liebsten weiter dort gestanden und wäre froh darüber gewesen, nicht weiter beachtet zu werden. Doch so einfach machte es ihm die kontaktfreudige Blonde nicht. Zuerst stellte sie sich und die Krähen vor und grinste dann für einen Moment, als sich auch Lianth ihnen vorstellte, obwohl er das schon im Zelt getan hatte. Doch Ysara verdrückte sich eine freche Erwiderung, um ihn nicht noch mehr zu verunsichern. Stattdessen gab sie ihrer Neugierde nach und fragte ihn, wie er das mit der Blüte angestellt hatte, bevor sie eben jene in ihren Händen noch einmal genauer betrachtete. Sie bewegte sich nicht mehr und leuchtete auch nicht mehr, trotzdem hatte sie ihre eigene Schönheit behalten.
"I-ich ... beherrsche N-N-Naturmagie. N-nicht so g-gut, a-aber..."
"Naturmagie?", wiederholte Ysara staunend und die grünen Augen suchten seinen Blick. Doch er wich ihrem erneut aus und lief rot an. Ysara nahm an, dass er sich unwohl fühlte, weil er plötzlich im Mittelpunkt stand und ihm das nun klar wurde. Sie musterte Lianth erneut, gab ihm mit ihrer Nachfrage Gelegenheit, weiter drauf einzugehen, aber löcherte ihn nicht weiter mit Fragen, da sie den Eindruck hatte, dass es ihm unangenehm war.

Schnell kam Ysara jedoch zurück zu ihrem eigentlichen Problem: Kan'egh Vashnar. Die Soldaten des Generals schwärmten vermutlich gerade in ganz Grandea aus und waren auf der Suche nach den fünf Dieben aus seinem Zelt. Ysara wusste nicht recht, wie sie sich nun verhalten sollten. Dass sie sich für immer in ihrem Nest verschanzten und darauf warteten, dass der Dunkelelf schon irgendwann vergessen würde, was geschehen war, war natürlich nur ein Scherz. Nur Lianth schien das nicht klar zu sein. "Er zeigt keine Symptome, eine ausgeprägte Demenz zu entwickeln, aber natürlich kann es im Alter jeden treffen." Ysi stutzte kurz und sie musterte Lianth prüfend. Sie wartete auf ein Lachen, das seinen Scherz auflöste, doch je länger dieses ausblieb, desto mehr dämmerte ihr, dass er gerade ernsthaft eine Diagnose ausschloss. "Schade", meinte Ysara daher trocken und versuchte noch immer mit einer offenen Körpersprache Lianth das Gefühl zu geben, dass er hier sicher war und sich nicht mehr so klein machen brauchte. Sie sah, dass er sich in Bewegung setzte und sie erkannte auch sehr wohl sein Ziel.
"I-ich ... äh ... D-Danke für das W-wasser. Ich ... w-werde gehen. V-vielleicht k-kann ich Kan'egh - äh, Gen-General Vashnar! - a-alles erklären. E-er wird s-sicher n-nicht allzu w-wütend sein. I-immerhin wolltet Ihr ihm helfen. U-und bei all d-dem Chaos ... s-sicher kann er s-seine Rede m-morgen n-noch halten. I-ich f-frage ihn."
Auf keinen Fall!, schoss es Ysara augenblicklich durch den Kopf und der Stuhl, auf dem sie saß, quietschte fies in den Ohren, als sie ihn zurück schob, um sich zu erheben und Lianth aufzuhalten. Tami war jedoch deutlich schneller. Doch bevor diese den Elfen mit ihrer forschen Art, die Ysara in diesem Moment sehr nachvollziehen konnte und befürwortete, verschreckte, war es Elian, der das ganze ruhiger und behände anging. Der Denker der Bande erklärte Lianth ruhig, aber ohne beschönigende Worte, wieso er nicht einfach zum General laufen konnte. Auch er würde fälschlicherweise für ein Dieb gehalten werden - und auch er würde dafür gerichtet werden. Ysara spürte, wie ihre Kehle trocken wurde und nahm erneut einen großen Schluck Wasser, während sie Sadias Hand auf ihrer Schulter spürte. Die rothaarigen Geschwister waren dabei, Lianth davon abzuhalten, das Haus zu verlassen, und Ysara musste sich zurückhalten, um nicht einfach dazwischen zu reden. Wenn Lianth das sichere Nest der Krähen verließ, wäre nicht nur er in Gefahr. Der General war mit Sicherheit ein guter Stratege und erbarmungslos - sonst wäre er nicht zum General befördert worden. Er würde Lianth zuerst aushorchen, bis er auch den Rest von ihnen fand, und Ysara hatte überhaupt keine Zweifel daran, dass der hilfsbereite Lianth dem General ohne Widerstand helfen würde.
"Er darf auf keinen Fall raus", raunte sie Sadia zu, während Tami und Elian weiter auf den Elfen einredeten. Es fiel ihr schwer, sich bei dieser Diskussion zurückzuhalten. Jetzt ergriff Sadia das Wort und während sie zu sprechen begann, schien ihr etwas aufzufallen. Ysara runzelte die Stirn und betrachtete ihre beste Freundin fragend. „Lianth… du hast die Briefe verloren…“, stieß sie schließlich aus und Ysaras Kopf ruckte zu Lianth herum, um sich selbst davon zu überzeugen. "Verflixter Mist", zischte Ysara leise und auch ihr war nun deutlich im Gesicht abzulesen, was das bedeutete. Wenn diese Briefe nun auf dem ganzen Weg verteilt lagen und schlussendlich auch nur in die Nähe ihres Verstecks führten.. "Das kann doch nicht wahr sein", murmelte sie, während Lianth sich mit Sadia, Elian und Tami konfrontiert sah. „Wir müssen vor allem darüber reden, dass seine Spur aus Briefen direkt zu uns führen könnte!“, brachte es schließlich Tami auf den Punkt. "Dann hätten wir gleich eine Spur aus Brotkrumen legen können", bekräftigte Ysara und konnte ihren Ärger darüber nicht mehr verbergen. „Wir müssen nachsehen, ob die Briefe zu uns führen!“ Die grünen Augen fingen Sadias Blick auf und sprachen ganz deutlich: Das gefiel ihr überhaupt gar nicht! „Elian und ich werden kurz gehen. Wir kommen gleich zurück.“
"Das ist eine beschissene Idee", äußerte Ysara offen ihre Meinung und erhob sich nun doch. Nun war sie es, die den Augenkontakt zu Lianth vermied. Sie ärgerte sich über ihn, aber sie war immer noch empathisch genug, um ihn das nicht ganz offen und zur Gänze spüren zu lassen oder ihren Ärger an ihm auszulassen. "Das gefällt mir gar nicht, wenn ihr jetzt da raus geht. Vashnar wird den ganzen Harax in Bewegung gesetzt haben, um uns zu finden." Sie schnaubte und blickte Elian und Sadia an, wobei ihr Blick dabei etwas weicher wurde. Ihre Worte waren vielleicht hart, aber es war nur die Sorge um sie beide, die sie ausdrückten. "Passt verdammt gut aufeinander auf", schärfte sie ihnen ein. Sie war dagegen, dass sie nun auf die Straßen gingen - aber viel schlimmer wäre es, wenn die Spur aus Briefen tatsächlich hierher führen würde. Sie konnte nur hoffen, dass Lianth alle Briefe mit einem Mal verloren hatte oder dass sie genug Vorsprung hatten, um die Spuren noch zu verwischen.

Sadia legte das Schreiben auf den Tisch, das sie vorhin gestohlen hatte und Ysara erwiderte ihr Lächeln halbherzig. Sie sah nicht besonders glücklich aus. „Gut, ihr kümmert euch um die Karte und das Schreiben und wir sehen zu, dass niemand die Spuren herverfolgen kann!“ Ysara seufzte und nickte. Sie blickte dem Pärchen noch kurz nach, dann sah sie zu Lianth und blieb erst einmal stehen, falls er erneut Anstalten machen wollte, das Haus zu verlassen. Nach dem ersten Schock über die verlorenen Briefe schien sich nun aber auch Ysara wieder etwas zu besinnen. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie seufzte erneut und strich sich die blonden Strähnen aus dem Gesicht. "Lianth, wir müssen jetzt erst einmal hier bleiben und die Füße still halten. Auch du. Aber du kannst uns helfen", stellte sie ihm in Aussicht. Hier kam ihr wohl ihre Aufmerksamkeit und Menschenkenntnis zugute. Sie war eigentlich niemand, der andere manipulierte - aber nun wollte sie seine Hilfsbereitschaft durchaus ausnutzen. Sie hoffte inständig, dass sie ihn davon überzeugen konnten, zu bleiben. Auch Tami versuchte sich in ihrer Überzeugungskunst und versuchte ihm die Augen bezüglich des Generals zu öffnen.
Ysara griff derweil in den Ausschnitt ihres Kleides. Ihre Finger tasteten suchend unter dem Stoff herum, während sie vor Konzentration das Gesicht verzog, bis sie endlich eine Ecke der Schatzkarte erwischte und sie aus ihrem Kleid zog. "Ha, hab ich dich", murmelte sie und ein triumphierender Ausdruck legte sich in ihre Augen. Sie hatte tatsächlich eine Schatzkarte gestohlen! Welche Diebin würde sich nicht tierisch darüber freuen. Doch auch jetzt verheimlichte sie dem Elfen bewusst, was sie da eigentlich gestohlen hatten. Sie hatten ihn da mit reingezogen - aber bedeutete das auch, gleich alle Geheimnisse offen legen zu müssen? Ysara setzte sich wieder Tami gegenüber an den Tisch, entfaltete die Karte und legte sie auf den Tisch. "Hier am Rand stehen Notizen, kann das irgendjemand von euch entziffern?", fragte sie und sah von Tami zu Lianth. Sie wusste, dass Tami nicht gut lesen konnte, trotzdem bezog sie sie mit ein, um ihr keine Blöße zu geben. Und vielleicht überraschte die Rothaarige ja. "Oder erkennt ihr den Ort an den Umrissen? Leider steht nicht drauf, wo das ist. Das wäre ja auch zu einfach." Ysara überließ den beiden den ersten Blick und griff schon zu der Schriftrolle, die Sadia ihnen überlassen hatte und die sie nun mehr als neugierig auseinander rollte, um das Schreiben vorzulesen. Sie war neugierig, was der General geschrieben hatte und sie hatte sich vorhin schon gefragt, wieso das Siegel seines Briefes gebrochen war und dennoch in seinem Schreibtisch gelegen hatte. Erst nach dem Vorlesen würde auch sie die Schatzkarte genauer betrachten und so versuchen, zu ergründen, welchen Ort die Schatzkarte abbildete.

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Lianth » Montag 27. November 2023, 14:16

Das Gesicht des Soldaten kehrte langsam in Lianths Erinnerung zurück. Es wurde mit jeder Minute klarer, die er sich nicht länger darauf konzentrierte, Ysara zu helfen. Der Blondschopf fand Dank seiner Hilfe aus der Panik-Attacke heraus, atmete im Rhythmus der naturmagisch gewachsenen Blume und konnte sich so endlich beruhigen. Der Elf erhob sich und trat etwas zurück. Zum einen, um Ysara Platz zu machen, zum anderen weil er es gewohnt war, nun wieder in die Schatten zu rücken. Nicht nur gewohnt, er bevorzugte es. Lianth stand ungern im Mittelpunkt und nutzte seine Zeit der Unauffällgikeit lieber, um über Dinge nachzudenken, die ihn beschäftigten.
So hätte er darüber grübeln können, wer der Grobian von einem Dunkelelf eigentlich war, dass er ohne höfliche Kundgebung einfach ins Zelt des Generals marschieren konnte. Wer war er, dass er sich das Recht herausnahm, seine Klinge gegen Seraphina und die anderen zu erheben. Schließlich sah Lianth sie nach wie vor nur als Kan'eghs Bekannte, die ihm hatten aushelfen wollen. Noch war er nicht darüber aufgeklärt worden, aber das sollte in den nächsten Augenblicken noch passieren. Bis dahin hätte er sich auch fragen können, ob man dem feisten Kerl wirklich so viel Glauben schenken mochte, dass ein ganzes Lager der Dunklen nicht nur Diebe verfolgte, sondern auch den Shyáner Feigling. Spätestens Vashnar würde da doch dementieren. Lianth war kein Diebstahl dieser Sorte zuzutrauen, es sei denn, sie hielten ihn darüber hinaus nun für einen Schauspieler mit herausragenden Fähigkeiten. Dabei war er doch nur ein kleiner Heiler, der unfreiwillig in das Geschehen gestolpert war. Und nun saß er darin fest, zusammen mit einem Haufen Halbstarker. Wenigstens akzeptierten die Krähen ohne jegliche Revolte sofort, dass sie ihn ins Boot geholt hatten und folglich auch unterstützen würden. Mehr noch, sie retteten Lianth vor sich selbst. Aber auch das sollte erst etwas später geschehen. Vorher zuckte der Elf unter Tamis Schulterklopfen zusammen.
"Nicht schlecht, Heiler. Ich bin beeindruckt!"
Verlegen wich er einem möglichen Blick in seine Richtung aus und nestelte erneut an dem losen Faden seines Taschendeckels. Das Leder war am Rand schon ein wenig abgewetzt. Die meisten Fransen hatte Lianth selbst sorgsam herausgepuhlt, jedes Mal, wenn ihn jemand so lobte wie Tami. "D-Danke", nuschelte er und schaute nicht auf.
Inzwischen hatte Ysara nicht nur zu sich zurückgefunden, sondern wurde sich des Ausmaßes ihrer Tat noch einmal mit kühlerem Kopf bewusst. Sie stecken alle gehörig im Unrat der Konsequenzen fest, vor allem aber sie. Für eine junge Dame ihres Standes bedeutete es nun mehr als Hausarrest, denn gewiss musste sie erkannt worden sein. Möglicherweise wurde ihre Familie inzwischen ebenfalls schon belangt, das konnte keiner im Krähennest gerade erahnen und Spekulationen halfen nicht weiter. Es genügte allerdings schon die Erkenntnis, dass ihr Plan trotz Eroberung der Karte reichlich schief gelaufen war. Jetzt aber sollte noch eine Schippe draufgelegt werden. Der naive Lianth sah sich nämlich eher besorgt um den Ruf seines Generals. Welche Blamage, nicht nur aufgrund der überstürzten Flucht, sondern weil er seine Rede immer noch nicht in Händen hielt. So wollte er sich auf den Weg machen und steuerte schon die Haustür an. Dabei versicherte er der Gruppe, sein Möglichstes zu geben, um Vashnar von der Unschuld der Gruppe zu überzeugen. Er meinte es gut, aber so viel Mühe konnte oftmals gefährlicher sein als hätte er Böses im Sinn gehabt. Jemand musste ihn aufhalten, bevor sich die Situtation wirklich noch in einen Grund verwandelte, dass Ysara die Luft wegbleiben konnte.
Sie rutschte geräuschvoll von ihrem Stuhl, aber erneut war es Tami, die schneller eingriff. Nicht nur ihr Mund bewegte sich unentwegt, wenn er einmal losgelassen. Auch sie wuselte flink wie ein Frettchen durch den Raum, an Lianth vorbei und stellte sich ihm in den Weg. Mehr noch, sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür, so dass er sie würde beiseite zerren müssen, um hinaus zu gelangen. Eine clevere Aktion, denn Tami schien schon erkannt zu haben, dass es fern jeglichen Handelns von Lianth war, jemanden auf diese Weise anzugehen.
Er blieb stehen. Da mischte sich der andere Rotschopf ein. Ob beide verwandt sind?, fragte sich Lianth für den Bruchteil einer Sekunde und suchte nach mehr Ähnlichkeiten als nur der Haarfarbe. Er wurde allerdings schnell von Elian abgelenkt.
"Lianth, richtig?" Der Angesprochene nickte und selbst jetzt färbten sich seine Wangen etwas rosig. Er schämte sich sogar für seinen Namen, obwohl er im Klang ganz angenehm war. Den Namen seines Bruders mochte er allerdings noch eine Spur mehr und das nicht nur, weil er ihn so sehr liebte. Lavellyn klang ... lieblich. Warm. Ich vermisse dich, großer Bruder. Und du hast keinen der Briefe erhalten. Kummervoll sank der Blick auf das verbliebene Schreiben um Umschlag, das Lianth hatte retten können. Die anderen lagen irgendwo in Grandea verteilt herum, vermutlich für immer verloren. Er wusste nicht einmal mehr, ob er sie im Ganzen verloren hatte bei irgendeinem Zusammenprall oder ob sie ihm nach und nach aus den Händen entwischt waren. Wichtig für ihn war nur die traurige Erkenntnis, dass keines seiner mit so viel Liebe geschriebenen Worte jemals von Vellyns Augen gelesen würde. Elian hingegen sah bedeutend größere Probleme und das nicht nur in Hinblick auf die verlorenen Briefe. "Das Problem ist, Lianth, dass der Soldat glaubt, du würdest ein Dieb sein."
"I-ich bin k-kein Dieb", entgegnete der Elf. Er sprach ruhig und nicht erschüttert. Er sagte einfach die Wahrheit. Er war kein Dieb. Damit löste sich für ihn das Problem, denn in Shyána Nelle hatte man ihm stets geglaubt, so wie er anderen gutmütig vertraute, dass sie aufrichtig mit ihm umgingen. Wenn er den Irrtum des Soldaten einfach deutlich machte, würde dieser seine Annahme schon fallenlassen. Davon war Lianth überzeugt. Jemand mit Menschenkenntnis - oder in diesem Fall Elfenkenntnis - könnte es spielend aus der Reaktion des Shyáners heraushören. Er glaubte wirklich daran, weil es für ihn keine anderen Optionen gab. Für Lianth existierten keine Geschöpfe Celcias mit schlechten Absichten.
"Sie suchen nun alle nach uns und werden nicht zögern, uns alle zu töten", versuchte Elian an die Logik zu appellieren. Tami ging da deutlich direkter vor: "Die machen kurzen Prozess mit uns, Lianth!"
"A-aber ... töten? W-warum denn? W-warum sollte jemand ... das tun?" Erschüttert blickte der Elf auf. Er sah die Rothaarigen abwechselnd an. Er war bestürzt darüber, dass sie auf die Idee kamen, jemand könnte ein Leben nehmen wollen. Dass es das klassische Handeln vieler Soldaten der dunklen Völker war, schloss er gänzlich aus. Er war über Wochen mit Soldaten gereist und hatte nach wie vor nicht den Eindruck, dass ihre Profession das kaltblütige Töten mit sich brachte. Denn in Shyána Nelle tötete man nicht, zumindest keine anderen Elfen. Jäger töteten, Fleischer töteten, selbst Elfenkinder traten mal auf einen Schmetterling. Letzteres geschah aus Versehen. Nichts davon aber jemals um des Tötens Willen. Shyáner Jäger, Fleischer, Fischer brachten allesamt Nahrung mit sich. Und jene, die damit nicht umgehen konnten oder wollten - wie Lianth - ernährten sich fleischlos. Er tötete nur die Chance der Pflanzen darauf, ihren Fortbestand zu erweitern, wenn er ihre Früchte aß. Aber selbst dann packte er sich gern die kleinen Samenkörner und Kerne ein, um sie irgendwo mittels Magie wachsen zu lassen oder einfach einzupflanzen. Es war kein Tötungskreislauf, sondern der natürliche Zyklus des Lebens. Dass es Wesen gab, die aus perfiden Emotionen wie Zorn, Rache oder einfach aus Lust töteten, war so unnatürlich, dass es in Lianths Weltbild einfach nicht existierte. Er verstand nicht, was Elian und Tami ihm sagen wollten. Noch nicht.
Die Krähen versuchten aber ihr Bestes, um Lianth die Verdorbenheit ihrer Welt nahezulegen. Sie redeten nacheinander auf ihn ein, wobei Elian und Sadia es geduldiger angingen als Tami. Doch es genügte, dass der hochgewachsene Elf immer kleiner wurde. Er senkte den Kopf, hörte allerdings aufmerksam zu, denn seine Spitzohren zuckten immer wieder kurz auf. Schließlich entdeckte Sadia den letzten verbliebenen Brief. Die Probleme wuchsen an.
"Lianth ... du hast die Briefe verloren.. Sie werden jetzt erst Recht nach dir suchen, Lianth. Auf den Briefen steht überall dein Nachname drauf, nicht wahr?" Der Elf schrumpfte in sich zusammen. Sein Kopf sank zwischen die Schultern und er drückte den letzten Brief an seinen Bruder eng an seiner Brust, während er sich halb darüber kauerte. Schon nahm er all seinen Mut zusammen, um sich wenigstens zu entschuldigen. Es reichte nicht. Es war gerade nicht ansatzweise genug Mut übrig in ihm. Sadia redete weiter und er hörte voller zu, um all ihren Tadel in sich aufzunehmen. Mit dem von Elian gereichten Glas Wasser schluckte er ihn herunter.
"Wir müssen bereden, wie es weitergeht ... Auch für dich." Sie redeten. Alle Krähen sprachen miteinander und LIanth stand da mit seinem Glas Wasser, dem letzten Brief und dem Blick auf den Boden gerichtet. Er sagte kein Wort. Es tat ihm unendlich leid, diesen Fehler begangen zu haben und dass so viele nun deshalb Probleme haben könnten. An sich dachte er dabei nicht. Stattdessen kam ihm nur der Gedanke, wie jemand möglicherweise gerade einen matschigen Fußbabdruck auf einem der Umschläge hinterließ, in dem so viele liebevolle Worte für seinen Bruder notiert worden waren. Ihm wurde ganz flau im Magen und das Gefühl übermannte ihn. In seinen Ohren rauschte es, sein Kopf wirbelte. Er bekam kaum mit, was die Diebesbande nun besprach. Lediglich als Elian und Sadia sich von den anderen verabschiedeten, hob er knapp den Blick. "E-e...", brachte er hervor, aber es war mehr ein Fiepsen, unbemerkt von den Anwesenden. Die beiden gingen. Tami wandte sich Ysara zu und beide betrachteten sich nun den einzigen Erfolg ihrer Aktion. Immerhin hatten sie die Karte ergaunern können.
Sowohl Tami als auch Ysara wollten Lianth einbinden. Vielleicht, weil sie ihn nun als Mitverschworeren in ihrem missglückten Plan sahen oder um ihn von weiteren Versuchen abzuhalten, das Haus zu verlassen. Tami erläuterte hierbei erneut auf direktem Wege, dass Kan'egh Vashnar nichts weiter als ein Idiot war, der die Gutmütigkeit des Elfen ausnutzte. Dabei war es Ysara, die sich nun ebenfalls jener Mittel bediente und an Lianths Hilfsbereitschaft appellierte. Aber sie wusste, dass es funkionierte und das war im Moment einfach nötig. Der Shyáner setzte sich langsam in Bewegung, kam an den Tasch heran und zog sich nach kurzem Zögern einen Stuhl zurück, um sich zu setzen. Er stellte das Glas Wasser ab, faltete dann den letzten Brief an seinen Bruder und schob ihn unter seine Robe auf Herzhöhe. "V-verzeiht ... all d-die Umstände, die ... i-ich euch mache", murmelte er nach wie vor mit gesenktem Kopf. "I-ich glaube nicht ... e-er ist ... nett, der G-general. K-kein Idiot. Er hat er-erkannt, d-dass sich seine Schrift n-nicht für Briefverkehr ei-eignet. Deshalb d-durfte ich ... die Korres-Korrespondenzen..." Lianth verstummte. Auch diese Arbeit könnte er nun nicht fortsetzen. Oh, es würden viele wütend auf ihn sein. Am liebsten wäre er jetzt wieder zu Hause, in seinem kleinen Heim und bei Vellyn. Sie würden Tee trinken und dann könnte er sich Tage lang im Haus verkriechen, bis die Welt ihn wieder mit dem warmen Licht der Sonne begrüßte. Grandea war so dunkel...
"E-entschuldigt. Ich v-versuche, mich einzubringen", wisperte er und blickte nun wenigstens ebenfalls auf die Karte. Die eingezeichneten Orte würden ihm nichts sagen. Sofern dort nicht seine Talsenke selbst zu erkennen wäre, kannte er es nicht. Er hatte Shyána Nelle nie weiter als ein Stück in den Urwald verlassen. Seine Reise nach Grandea war ein gewaltiger Ausbruch aus seinem Alltag und im Moment schien es die falsche Entscheidung gewesen zu sein, den Dunkelelfen zu folgen. Nein, war es nicht. Faldorian hat mit meiner Hilfe überlebt. Es war richtig und wichtig, dass ich mitgekommen bin. Nur jetzt... Seine honigfarbenen Augen wanderten über die Notizen am Rand der Karte. Wenn er die Regionen schon nicht erkannte, konnte er das Geschriebene vielleicht lesen, möglicherweise auch nicht. Aber er versuchte, so gut es ging zu helfen. Schließlich machte ausgerechnet das einen Großteil seiner sonst so zurückgezogenen Persönlickeit aus.
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 29. November 2023, 11:49

Auch wenn er nicht in Panik verfiel, wie Ysara, wurde auch Lianth langsam alles ein wenig viel. Innerhalb von ein paar Stunden hatte sich wieder mal grundlegend alles geändert. Er war dafür nicht geschaffen. Lianth brauchte lange, um sich an Dinge zu gewöhnen und benötigte einen sicheren Rahmen, Zeit und ganz viel Einfühlungsvermögen, damit er endlich auftaute. Dabei hatte es nicht mal sein Bruder geschafft, ihn etwas mehr Selbstbewusstsein zu geben. Auch dort hatte Lianth den Kopf zwischen die Schultern gezogen und war lieber ein paar Zentimeter kleiner geblieben, anstatt sich zur vollen Größe und Stärke aufzurichten. Dabei besaß der Heiler ein so unerschütterliches Vertrauen in seine Fähigkeiten, dass er durchaus auch aufblühen konnte. Souverän, mit fester Stimme konnte er Ysara von ihrer Panik erlösen und schlimmeres verhindern. Er besaß eine Stärke in sich, die nur darauf wartete herausgeholt und gezeigt zu werden. Aber dafür musste Lianth erst einmal so viel Vertrauen zusammenhäufen, dass er das auch ausleben konnte. Die Situation derzeit half ihm dabei ganz und gar nicht. Er war gefangen in einem wirbelnden Strudel an Informationen, Charakteren und Gegebenheiten, die ihm Angst und gleichwohl Sorge bereiteten. Lianth besaß ein unerschütterliches Urvertrauen in sämtliche Geschöpfe. Dieses sorgte dafür, dass er sich partout nicht vorstellen konnte, dass der General oder irgendjemand in dessen Tross kurzen Prozess machen konnte. Es existierte in ihm nicht die Niedertracht, die viele erlebt oder gar ausgelebt haben. Während die Geschwister auf ihn einwirkten, damit er eben nicht zum General lief und ihn auch noch mit einem Liedchen auf den Lippen zu den Krähen führte, offenbarte er zumindest der rothaarigen Tami, welch Naivling er doch war. "A-aber ... töten? W-warum denn? W-warum sollte jemand ... das tun?" Elian schaute nur ratlos, während sich in Tami etwas regte, das in ihren Augen glitzerte. Sie betrachtete Lianth und neigte den Kopf leicht. „Weil manchmal die Welt nicht so angenehm ist, Lianth und sich viele über ein gemeinsames Miteinander hinwegsetzen“, antwortete ausgerechnet Tami sehr erwachsen. Danach aber verflog dieser erwachsene Moment, denn Sadia entdeckte, dass sie noch mehr Probleme zu lösen hatten: Die Briefe. Lianth hatte sie verloren, erinnerte sich nicht daran, ob im Ganzen oder einzeln und nun mussten die Krähen dafür sorgen, dass sie nicht gefunden wurden.
Ysara hingegen musste beweisen, dass sie eine wahre Anführerin war. Die Panikattacke war Ausdruck ihrer derzeitigen, ganz persönlichen, Lage, doch das änderte nichts daran, dass sie geschworen hatte auch Verantwortung für ihre eingeschworene Gruppe zu übernehmen. Sie konnte sich nun nicht erlauben, die Probleme der Krähen ihren eigenen unterzuordnen. Eines nach dem anderen. Sadia und Elian wollten nachsehen, ob die Briefe zum Problem würden und das passte Ysara gar nicht. "Das ist eine beschissene Idee“, sie war sauer und hegte Groll gegen den naiven Elfen, der ihnen das eingebrockt hatte. Ihren Ärger konnte man durchaus verstehen, denn sie waren so schon nur knapp dem Ganzen entronnen. Trotzdem war Ysara aber einfühlsam genug, um nun nicht auf den ohnehin verschreckten Lianth einzuhacken. "Das gefällt mir gar nicht, wenn ihr jetzt da raus geht. Vashnar wird den ganzen Harax in Bewegung gesetzt haben, um uns zu finden." Sadia und Elian nickten leicht, doch Elian seufzte. Er wischte sich über das Gesicht. Es war eine schwere Lage und alle hatten das Gefühl, dass sich hier etwas anbahnte, was durchaus eine Nummer zu groß werden könnte für sie alle. "Passt verdammt gut aufeinander auf", beschwor sie ihre Freunde und Sadia umarmte ihre Freundin. „Werden wir“, versprach sie und Elian nickte entschlossen. „Sie kriegen uns nicht!“ Dann verließen sie das Krähennest und ließen Tami, Lianth und Ysara allein.

Auch wenn die Krähenanführerin nicht gerade gut auf Lianth zu sprechen war, wusste sie dennoch Prioritäten zu setzen. "Lianth, wir müssen jetzt erst einmal hierbleiben und die Füße stillhalten. Auch du. Aber du kannst uns helfen", band sie ihn mit ein und es wirkte. Lianth fühlte sich mehr als unbehaglich, dass er die Krähen in eine missliche Lage gebracht hatte – ohne zu erkennen, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte – und so wollte es wiedergutmachen. Auch Tami kam zum Tisch, überließ LIanth den Stuhl am Kopf des Tisches, setzte sich dann auf ihre Knie auf die Bank und beugte sich über die Tischplatte, um sich sowohl die Karte als auch das Schreiben anzusehen. "Hier am Rand stehen Notizen, kann das irgendjemand von euch entziffern? Oder erkennt ihr den Ort an den Umrissen? Leider steht nicht drauf, wo das ist. Das wäre ja auch zu einfach.“ Ysara offenbarte den beiden verbliebenen Augenpaaren ihre Funde und sowohl Tami als auch Lianth schauten darauf. Leider stellte sich weder bei ihr noch bei ihm sofort eine Erkenntnis ein. Auch Lianth kannte sich nicht in der Welt aus und so herrschte für einen Moment ratloses Schweigen. Das, was die drei sahen, glich auf jeden Fall einer Karte. Sie war nicht auf die Schnelle gekritzelt, besaß aber auch nicht den offiziellen Charakter. Jemand hatte sich Mühe gegeben, die Eigenheiten jener Stadt zu skizzieren, war aber selbst kein versierter Kartograph. Tami fuhr mit dem Finger über die Linien und brummte. „Sieht irgendwie aus, wie jene andere Stadt, findet ihr nicht? Könnte auch Grandea selbst sein.“, zuckte sie die Schultern und widmete sich dem Schreiben, in Form der Schriftrolle. „Das ist das Siegel des General’s.“, kommentierte sie, was sie sehen konnte. „Und es ist in Garmisch geschrieben. Aber…“, sie errötete leicht und reichte die Schriftrolle dann Ysara. „Könntest du es vorlesen?“, fragte sie kleinlaut. Es war für die sonst so selbstbewusste Tami nicht einfach, dass sie nicht lesen konnte. Ein paar wenige Brocken, aber sonst? Sie hatte nie die nötige Begeisterung aufbringen können, lesen zu lernen. Und es gab für jemanden wie sie auch kaum Gelegenheit dazu. Tami ließ den Blick kurz zu Lianth wandern und sah ihm prüfend ins Gesicht. „Wehe du lachst mich aus!“, schnappte sie nach ihm, auch wenn es mehr dazu diente, den Elfen ein wenig aus der Reserve zu locken. Gleichzeitig versuchte Tami sich offenbar darin, Lianth aus seinem Schneckenhaus zu holen. „Du hast so komisch reagiert, als du dachtest, Ysara könne nicht lesen.“, erklärte Tami und deutete auf das Bücherregal hier im Nest. „Dabei tut sie gefühlt den ganzen Tag nichts anderes!“, murmelte sie und grinste Ysi frech an. „Liest du denn gerne, Lianth? Kannst du es gut?“, plapperte Tami und ließ sich deutlich von dem Elfen ablenken.
Während Tami allerdings kaum etwas beizutragen wusste, konnte Ysara den Brief lesen, den der General an eine unbekannte Person geschrieben hatte:

Verehrter 'Freund’,
Der 'Schatz‘ besitzt wahrlich einen unschätzbaren Wert. Wir haben bereits begonnen, alles zusammenzutragen und an Ort und Stelle vorzubereiten.
Er wird uns helfen, unsere Pläne in die Tat umzusetzen, wenn wir fertig sind. Da sind sich alle sicher. Nun bedarf es Euer Handeln und Können, damit auch der letzte Schritt getan werden kann. Wir zählen auf Euch in dieser Phase und erwarten Eure Antwort.

Das letzte Puzzle-Teil ist bald auf dem Weg zu euch!

-Kan’egh Vashnar
Schriftrolle Fuss
Es gestaltete sich etwas schwierig, denn der General besaß wahrlich eine Sauklaue. Es wurde aber ganz klar, dass die Nachricht von Vashnar geschrieben wurde. Das konnte auch Lianth erkennen, der die Handschrift des Generals nun zur Genüge studiert hatte. Auch fiel ihm auf, sobald er auf den Brief achtete, dass unter dem Absender eine zweite Handschrift auftauchte. Auch sie war verschnörkelt und schwer zu lesen, aber sie gehörte definitiv nicht zum General. Das musste eine Antwort sein, geschrieben auf demselben Briefpergament:

-‘Freund’,

Niemand hält uns jetzt noch auf, die Wege zu ebnen und uns zu holen, was wir begehren! Ich bin hier vor Ort und sende Euch die Karte, damit ihr wisst, wohin ihr das letzte Teil schicken müsst. Dort befindet sich der ‚Schatz‘ und wartet nur darauf, sich unserem Tun zu beugen!

- 'Freund' -
Schriftrolle Fuss
Lianth konnte das zweite Garmisch wohl nicht verstehen, aber gewiss die Worte in weitaus schönerer Schrift wiedergeben, sodass Ysara im Stande war, jene zu entziffern. Tami hatte sich erhoben, um Pergament und Federkiel zu holen, sodass Lianth schreiben konnte, wenn er sich bereiterklärte. Während also Ysara und Lianth damit beschäftigt waren, die Worte zu entziffern und schließlich auch zu lesen und den Inhalt zu erfahren, hatte sich Tami die Karte gegriffen und hielt jene vor eine Kerze. Am Rand standen Worte, die sie nicht lesen konnte. Sobald Lianth einen Blick darauf warf, konnte er zumindest erkennen, dass es sich um Lerium handeln musste. Er hatte nun einige Zeit im Dunstkreis von Dunkelelfen verbracht, um zumindest die Eigenheit der verschriftlichten Sprache wiederzuerkennen. Tami aber hatte noch etwas anderes entdeckt und runzelte die Stirn. Unten an einer Ecke der Karte, war ein Symbol abgebildet. Sie legte die Karte auf den Tisch und es verschwand. Hob sie es an, tauchte es blass wieder auf. Sie dreht die Karte, neigte den Kopf und schnaufte dann: „Ist das etwa eine Fledermaus?“, fragte sie und deutete auf das Symbol. Dann wandte sie den Kopf. „War nicht über dem Generalszelt eine Fledermaus zu sehen? Ist das nicht… ihr Symbol?“, fragte sie und wurde etwas blass. Sie schaute abermals auf die Karte. Dann zuckte sie zurück. „Leute?! Was wenn diese Karte Morgeria zeigt??“, fragte sie erschrocken und fasziniert gleichermaßen. Dann aber legte sie die Karte hin und sah Ysara fragend an. „Wir … wir können doch nicht einem Schatz in Morgeria nachjagen… oder?“, wollte sie wissen und musste die Nachricht wohl erstmal verdauen.
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Mittwoch 29. November 2023, 20:45

Erleichterung breitete sich in Ysara aus, als Lianth zu Tami und ihr an den Tisch herantrat und er nicht weitere Versuche unternahm, das bisher sichere Nest der Krähen zu verlassen. Sie war nicht gerade stolz darauf, die Hilfsbereitschaft des Elfen nun auszunutzen, aber in diesem Fall heiligte der Zweck die Mittel, oder? Lianth durfte auf keinen Fall zum General rennen, den er selbst jetzt noch verteidigte, obwohl er all seine Briefe an seinen Bruder weggeschlossen hatte anstatt sie abzuschicken. Es war ein Wunder, dass er sie nicht direkt verbrannt hatte. "V-verzeiht ... all d-die Umstände, die ... i-ich euch mache." Ysara schaute Lianth einen Moment an und seufzte dann. Weiter ging sie jedoch nicht darauf ein, sie wollte es ihm nicht noch schwerer machen. "I-ich glaube nicht ... e-er ist ... nett, der G-general. K-kein Idiot. Er hat er-erkannt, d-dass sich seine Schrift n-nicht für Briefverkehr ei-eignet. Deshalb d-durfte ich ... die Korres-Korrespondenzen…"
"Nett?", wiederholte Ysara und ihre Augen verengten sich. Der Elf hatte zuvor schon verdeutlicht, dass er nicht nachvollziehen konnte, wieso jemand jemanden töten sollte - wieso der Dunkle oder seine Soldaten sie alle hier töten sollte. Und er glaubte tatsächlich noch immer an das Gute im General. Ysara schüttelte den Kopf und verzweifelte langsam über Lianth' Naivität. "Du bist wirklich noch nicht lange in Grandea, oder?" Ysara war schließlich der Meinung, dass man nur einen Blick auf ihre Heimatstadt werfen musste, um ein Gefühl für die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt zu bekommen. "Lianth, er ist ein Dunkelelf. Er hat deine Briefe nicht weggeschickt und er.." Sie stockte kurz und seufzte dann. "Ich bin sicher, er nutzt dich nur aus. Wenn er dich nicht mehr braucht, wird er dich nicht anders behandeln als den unliebsamen Dreck an seinen Schuhen." Sie betrachtete den gutmütigen Elf für einen Moment und es war ihr anzusehen, dass sie es gar nicht so böse meinte, wie es vielleicht klang. Sie wollte ihm die Augen öffnen. So unvorstellbar es für ihn sein mochte, dass die Dunklen töteten oder andere Gräueltaten vollbrachten, so wenig konnte Ysara daran glauben, dass sie irgendetwas aus einer guten Absicht heraus taten.

Doch jetzt wollte sie sich nicht länger damit befassen, sondern mit der Schatzkarte. Die grünen Augen folgten den Linien auf dem Pergament. Ysara runzelte die Stirn und es war ihr anzusehen, dass auch sie den Ort nicht erkannte. Als Tami einwarf, dass es jede Stadt sein könnte, vielleicht auch Grandea, brummte die Blonde kurz. "Es gibt keinen Innen- und Außenring. Es muss eine andere Stadt sein, aber welche..?", murmelte sie halb zu sich und halb zu den anderen. Sie schaute zu Lianth, doch auch er schien den Ort leider nicht zu erkennen. Als sie damit vorerst nicht weiterkamen, lenkte Tami die Aufmerksamkeit auf die kleinere Schriftrolle und reichte sie ihr, um sie vorzulesen. "Klar", sagte Ysara nur und nahm sie ihr mit einem kleinen Lächeln ab, ohne irgendwie darauf einzugehen, dass Tami nicht so gut lesen konnte. Aber auch Ysara musste schnell feststellen, dass sie das Schreiben nicht lesen konnte, obwohl Garmisch ihre Muttersprache war. Doch die Schrift von Vashnar konnte sie nicht mal auf den zweiten Blick entziffern. Während sie versuchte, das Gekritzel zu lesen, fragte Tami Lianth aus. Als die Rothaarige ihm erzählte, dass sie den halben Tag lesen würde, hob Ysara den Blick von der Schriftrolle und grinste Tami belustigt an. Dann wanderte ihre Aufmerksamkeit aber wieder zurück zu der Schriftrolle, bis sie seufzend aufgab. "Wo hat der schreiben gelernt? Ist er Heilkundiger?" Sagte man jenen doch nach, besonders unkenntlich und kryptisch zu schreiben. Im nächsten Moment wurde ihr klar, was sie gesagt hatte, und warf Lianth grinsend einen Seitenblick zu. "Nichts für ungut. Du hast seine Korrespondenz abgeschrieben? Kannst du das lesen? Kommt dir das bekannt vor?", fragte sie Lianth. Vielleicht hatte er das schon mal in seinen Fingern gehalten, wenn der General ihn mit seinen Briefen betraute? Sie legte das Pergament zwischen sich und dem Elf und kam ihm ohne Berührungsängste näher, sodass sie ihre Köpfe zusammenstecken und die Nachricht gemeinsam entziffern konnten. Es war äußerst hilfreich, dass Lianth die Handschrift von Vashnar entziffern konnte und es deutlich und klar für sie abschrieb. Sobald er einen Satz fertig geschrieben hatte, übersetzte Ysara ihn ins Celcianisch, damit auch Lianth erfuhr, was er da eigentlich abschrieb.

Es dauerte eine ganze Weile, aber irgendwann war es geschafft und die Blonde las noch einmal alles nacheinander vor. Dann senkte sie recht missmutig das Pergament. "Das ist nicht sehr hilfreich", merkte sie an und las die Worte erneut, konnte sich aber auch danach keinen Reim darauf machen. Währenddessen hantierte Tami so auffällig mit der Schatzkarte, dass Ysara sie einige Zeit beobachtete, bis die Jüngste eine Entdeckung machte. „Ist das etwa eine Fledermaus?“ Ysara nahm ihr die Karte ab und bewegte sie hin und her, bis auch sie das Symbol ganz klar erkennen konnte. „War nicht über dem Generalszelt eine Fledermaus zu sehen? Ist das nicht… ihr Symbol?“
"Die Fledermaus von Morgeria..", bestätigte Ysara, legte die Schatzkarte auf den Tisch zurück und bedachte Tami, die im nächsten Moment ihre Gedanken aussprach, mit einem ungläubigen Blick. „Leute?! Was wenn diese Karte Morgeria zeigt?? Wir … wir können doch nicht einem Schatz in Morgeria nachjagen… oder?“
Bei dieser Erkenntnis und den Gedanken an die weitere Schatzsuche, beschleunigte sich Ysaras Herzschlag vor Aufregung. "Ich fürchte, du hast Recht", sagte sie dann und warf Lianth einen Blick zu, um seine Reaktion zu sehen. Dann wurde Ysara recht schweigsam, lehnte sich an die Stuhllehne an und dachte über all das nach. Am Ende schüttelte sie den Kopf und schaute Tami an. "Das ist definitiv eine Nummer zu groß für uns", sagte sie, auch wenn sie es nicht gerne zugab. Sie waren eine kleine Diebesbande und ihre bisherigen Taten hatten noch nicht sehr viel gemeinsam mit den wirklich großen Heldengeschichten aus ihren Büchern, denen Ysara nach eiferte. Auch wenn sie es nicht gerne zugab, war ihr Platz doch hier in Grandea. Ihre Familie war hier und ihre Freunde - bis auf Cassian, der ausgerechnet nach Morgeria gehen musste. Während sie Tami anschaute und ihr plötzlich Cassian in den Sinn kam, änderte sich etwas in dem Blick der Blonden - es spiegelte sich die Erkenntnis darin, dass sie ihren Freunden noch gar nicht erzählt hatte, was Cassian bevorstand. Nach seiner Hochzeit mit Ta'nurie, der Tochter des Generals, würde er nach Morgeria ziehen. Er hatte es ihr heute Morgen in ihrem Elternhaus erzählt und dann waren sie sich unverhofft näher gekommen.. Ysara senkte schnell den Blick und räusperte sich. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Und es war klar, dass sie auch Cassian nicht mit hineinziehen würde, auch wenn er der Einzige von ihnen war, der bald in greifbare Nähe des Schatzes gelangen würde. Aber er konnte das nicht tun und sie würde ihn niemals in Gefahr bringen.
"Das übersteigt unsere Kompetenz. Wir waren noch nie außerhalb von Grandea. Wir sind den Dunklen gerade so - vorerst - entkommen. Wir können nicht nach Morgeria spazieren. Das ist kein Ort für uns. Das wäre Selbstmord." Sie schüttelte den Kopf und sah die rothaarige Diebin erneut an. Ysaras Entschluss stand fest. Ob Tami der gleichen Meinung war? "Trotzdem wüsste ich zu gerne, wer dieser Freund ist. Jemand aus Grandea? Wieso schreiben sie in Garmisch? Ich glaube nicht, dass eine Truhe voller Gold in Morgeria wartet. Es muss etwas anderes sein. Was der 'Schatz' wohl ist? Und was dieses Puzzleteil?", stellte sie ihre Überlegungen laut in den Raum. Sie schloss aus, dass diese Schatzsuche etwas für die Krähen war - außer sie wollten in Morgeria untergehen. Trotzdem blieb sie nun mal eine Diebin, die diesem Geheimnis zumindest theoretisch gerne auf den Grund gehen wollte.

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Lianth » Donnerstag 30. November 2023, 00:07

Es war nicht leicht mit jemandem, der in allem nur das Gute sah. Es war noch schwerer, wenn derjenige sich aufgrund seiner scheuen Art sofort in sich zurückzog, wenn man den falschen Ton anschlug. Wobei das nicht jedes Mal der Fall war. General Vashnar ging mit Lianth garantiert auch nicht so um, als würde er sich dabei Samthandschuhe anziehen und dennoch verteidigte der Shyáner den Dunkelelfen nach wie vor. Mehr noch, er sah in ihm nichts Schlechtes. Er hielt ihn sogar noch immer für...
"Nett?" Lianth nickte. "Du bist noch nicht lange in Grandea, oder? Lianth, er ist ein Dunkelelf. Er hat deine Briefe nicht weggeschickt und er .. Ich bin sicher, er nutzt dich nur aus. Wenn er dich nicht mehr braucht, wird er dich nicht anders behandlen als den unliebsamen Dreck an seinen Schuhen."
Der Shyáner lächelte weich. "I-ihr irrt euch ... g-glaube ich. S-so wie v-viele Dreck als sch-schlecht empfinden. D-dabei k-kann das gute, sch-schlammige Erde sein. G-guter Boden, a-aus dem G-gutes entsteht." Ein Naturmagier wusste Dreck zu schätzen. Er war reichhaltig an Nährstoffen und lieferte oftmals bessere Grundlagen als wenn man Erde von einem der Gärtner-Elfen erwarb. Zwar durchsetzten diese ihren Boden mit ausgesuchten Mineralien, aber dann war klar, dass ein Pflänzchen sich darin wunderbar entwickelte. Fügte man einen unbekannten Faktor in Form von Dreck von irgendwo hinzu, wurde es interessanter. Und die Pflanze wuchs dennoch, manchmal zeigte sich vielleicht sogar eine zweite. Dann kreuzten sie sich und etwas Neues entstand. Etwas Wunderbares. Lianth liebte diese Phänomene der Natur.
"E-es wird einen G-grund geben, weshalb Kan'egh - G-general Vashnar! - die B-Briefe g-gesammelt hat. Vielleicht k-konnte er s-sie bei all dem St-Stress wegen seiner F-Feier noch nicht abschi-schicken. I-ich glaube nicht, d-dass er es mit böser A-Absicht meinte. W-warum sollte e-er?"
"Weil manchmal die Welt nicht so angenehm ist, Lianth und sich viele über ein gemeinsames Miteinander hinwegsetzen."
Vielleicht gaben beide Mädchen inzwischen auf, was Lianths unerschütterliche Gutmütigkeit anbelangte. Vielleicht wäre es auch gut, ihn ins offene Messer laufen zu lassen. Wie auch immer, sie beließen es erst einmal dabei. Wichtiger als die Frage hinter Kan'eghs Entscheidung war nun, dass die Briefe seine Soldaten nicht zum Krähennest lockten. Elian und Sadia würden sich darum kümmern. So blieb Ysara, Tami und auch Lianth die Möglichkeit, einen Blick auf Karte un Briefe zu werfen. Letztere untersuchte Tami zuerst, musste sich aber schnell damit geschlagen geben. Sie erkannte zwar das Siegel von Vashnars Truppe auf dem unteren Briefrand, ebenso, dass die Worte auf Garmisch verfasst worden waren, aber lesen konnte sie diese dennoch nicht. Dazu beherrschte sie es nicht gut genug. Außerdem war es ohnehin eine Kunst, die Krakelschrift des Generals zu entziffern. Nein, Tami kam hier nicht weiter. Sie schob die Briefe an Yasara weiter und murrte in Lianths Richtung: "Wehe, du lachst mich aus!"
"W-warum sollte ich?", erwiderte er sichtlich überrascht. Nein, das würde er wahrlich nicht tun. Ebenso wenig wie er glaubte, dass jemand das Leben eines anderen nehmen oder Briefe unter Verschluss halten würde, aus reiner Boshaftigkeit heraus. So dachte er nicht.
"Du hast so komisch reagiert, als du dachtest, Ysara könne nicht lesen."
"I-in meiner H-heimat lernt j-jeder lesen ... u-und schreiben. B-beides ist w-wichtig, um sich weiter zu b-bilden. W-Wissen öffnet T-Tore", murmelte der Elf und wurde dabei immer leiser, denn Tamis Art überfuhr ihn, zusammen mit all ihren Fragen. Sie prasselten auf ihn herein, dass er erneut ganz klein in sich zusammensank, den Blick auf die Tischplatte gerichtet und die Hände darunter unwohl knetend. Tamis Grinsen entging ihm dadurch, aber er blieb trotz aller Introvertiertheit freundlich. Es war unhöflich, Fragen unbeantwortet zu lassen. Lianth gab sich große Mühe, es richtig zu machen. Er nickte auf alle Fragen hin, die den Wasserfall aus Tamis Mund heruntergespült worden waren. "J-ja", fügte er noch an. Er las sehr gern, denn das konnte er allein tun und andere respektierten, dass man dabei ungestört sein wollte. Es war nicht nur eine gute Ausrede, sich zurückzuziehen, man lernte auch viel dabei, je nachdem, was man als Lektüre wählte. Entsprechend gut konnte Lianth lesen, nur eben kein Garmisch. Die Sprache der offenen Handelsstädte war ihm fremd. Dafür durfte er schnell durch eine andere Fähigkeit glänzen.
"S-seht ihr? E-er m-meinte es gut", verteidigte er erneut Vashnars fragliche Methoden, seinen Shyáner Schoßhund beschäftigt zu halten. Durch all die Arbeit an den Korrespondenzen des Generals hatte Lianth inzwischen ein Auge für dessen Schrift und konnte sie auch in einer fremden Sprache entziffern. Die Lettern blieben schließlich gleich, unabhängig welches Wort sie bildeten. Ysara nutzte diesen Vorteil aus und beschaffte dem Elfen kurzerhand Pergament und Feder. Lianth begann zunächst, die Briefe ebenfalls in seiner feinsten Schrift zu übertragen, doch nach einigen Anmerkungen von Tami ging er zu einer normaleren Schreibweise über. Der Rotschopf konnte seine ordentlichen Buchstaben sogar besser erkennen, wenn er sie nicht schnörkelte. Vielmehr wirkte sie jedoch gereizt, weil ihnen durch die Schönschrift Zeit verloren ging.
Irgendwann waren beide Briefe sorgsam abgeschrieben, so dass Ysara sie für alle vorlesen und dabei gleich ins Celcianische übersetzen konnte. Leider ließ sich nicht allzu viel Hilfreiches aus den Texten herausziehen. Tami wirkte enttäuscht. Lianth blieb neutral. Er war nach wie vor eher Außenstehender, selbst wenn er sich so hilfsbereit zeigte. Er fragte lediglich: "I-ihr sucht einen Sch-Schatz? ... A-aber die Rede!" Verwirrt blickte er von Tami zu Ysara. Beide würden erkennen, dass sich keine Enttäuschung in den leuchtenden Bernsteinen seiner Augen ausbreitete. So wenig wie Lianth dem General böse Absicht zutraute, so wenig fühlte er sich auch von den Krähen hintergangen. Er gab ihnen lieber die Chance sich zu erklären und blieb guten Gewissens, dass sich so jegliches Missverständnis würde aus der Welt schaffen lassen. Frohgemut lächelte er beiden zu, damit auch sie sich nicht scheuten. Nur Mut ... ihr könnt mir bestimmt eine plausible Antwort geben.
Ganz gleich, was Yasara und Tami ihm aber auch sagen würden, eine Antwort auf die seltsame Schatzkarte und den Brief bekamen sie eine ganze Weile nicht. Erst als Tami das halb verborgene Fledermaussymbol auf dem Papier entdeckte, fanden sie einen neuen losen Faden, den sie aufgreifen könnten. Sofort vermuteten beide jungen Frauen hinter der Karte eine Wegzeichnung von Morgeria. Lianth lauschte aufmerksam. Er konnte mit dem Namen des Ortes nichts anfangen. Er hatte sich zwar mit den Dunkelelfen aus Vashnars Truppe ein wenig unterhalten - Faldorian war nach erster Besserung noch der Gesprächigste gewesen - aber das hieß nicht, dass sie ihm vertrauensvoll alles erzählt hätten. Keiner von ihnen war ein so offenes Buch wie Lianth selbst. Aber der Shyáner war nicht dumm. Es gab also einen Ort namens Morgeria und er schien weit weg zu sein. Dem Austausch beider Krähen nach zu urteilen, schien es mit Gefahren verbunden zu sein und ein Ziel, das sich die Gruppe nicht setzen konnte. Sie fürchteten sich davor, es zu wagen. Morgeria musste ein noch seltsamerer Ort sein als Grandea.
"Das übersteigt unsere Kompetenz", war Ysara drauf uns dran, aufzugeben. "Wir waren noch nie außerhalb von Grandea. Wir sind den Dunklen gerade so - vorerst - entkommen. Wir können nicht nach Morgeria spazieren. Das ist kein Ort für uns. Das wäre Selbstmord." Es war ihr anzuhören, dass es sie wurmte. Sie hatte offenbar viel in Kauf genommen, um diesem Schatz nachzujagen. Jetzt aufzugeben, da sie endlich eine Karte zu haben schienen, war frustrierend. Während Tami schwieg und Ysara lamentierte, war es auf einmal Lianth, der unerwartet sein Stimmchen erhob. Nun, nicht wirklich. Er fiepste vielmehr wie eines der Krankheiten übertragenden Nagetiere, die Grandeas Außenring gern noch unsicherer machten.
"I-ich lebe noch..." Dann räusperte er sich erneut und endlich kam auch ein kräftigerer Ton aus dem Elfen heraus. "Ich lebe noch", wiederholt er, dieses Mal sogar ohne zu stammeln. Seine Augen wanderten ruhig von einer Frau zur anderen. Er legte seine Hand an die Brust, schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Nur Mut, rief er sich die Zauberworte seines Bruders ins Gedächtnis, die bei ihm mehr bewirkt hatten als jeder seiner naturmagischen Zauber jemals in seinem kleinen Garten. Dann kehrte sein Honigblick zu den Mädchen zurück. "I-ich war noch nie von Z-Zuhause fort. Ich hab Shyána Nelle u-und den Urwald n-nie verlassen. U-und jetzt bin ich hier. Ich bin mit D-Dunkelelfen gereist, von denen i-ihr sagt, sie ... seien ... g-gemein. Ihr sagt, s-sie ... töten!" Er ließ das Wort sacken, was noch einmal seinen eigenen Unglauben darüber unterstrich. Er konnte es nach wie vor nicht fassen. Dann aber setzte er die bedeutenden Worte seines kleinen, tapferen Vortrages nach: "Ihr sagt, s-sie töten ... a-aber ich lebe noch."
Lianth war gutherzig, naiv und gutmütig. Er war schrecklich scheu, dass selbst ein zu schneller Schlag eines Mottenflügels ihn verschrecken könnte. Jemand wie er wirkte außerhalb seiner heilen, kleinen Welt kein bisschen lebensfähig. Aber er war schon länger als einen Tag aus diesem Schutz entkommen. Er war mit Dunkelelfen gereist. Er hielt ihren grausamen General für ... nett. Er hatte das geschafft. Wie weit und wie lebendig kämen dann wohl gerissene Krähen?
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Donnerstag 30. November 2023, 13:20

Als der Elf vor ihr nun auch noch versuchte, selbst dem Dreck unter dunkelelfischen Schuhen etwas Positives abzugewinnen, hielt Ysara inne und starrte Lianth an. Da blieb ihr tatsächlich der Mund vor Erstaunen über seine positive Art als auch vor Unverständnis über seine Naivität offen. Wollte er es nicht verstehen? Konnte er tatsächlich nur das Gute in den anderen sehen? Noch immer verteidigte er den General und suchte nach Gründen, wieso dieser seine Briefe aufgehoben hatte. Ysara wechselte einen Blick mit Tami und zuckte dann mit den Schultern, als sie einsehen musste, dass ihre Worte nicht auf fruchtbaren Boden fielen. Sie beschloss, das Thema ruhen zu lassen und sich den Atem zu sparen. Stattdessen widmete sie sich anschließend der Karte, die offenbar zu einem Schatz in Morgeria führte. "I-ihr sucht einen Sch-Schatz? ... A-aber die Rede!" Grüne Augen trafen den Elfen von der Seite. "Man Lianth", sprach sie aus, als könnte sie nicht glauben, dass er es immer noch nicht begriff, aber wie sollte er auch. Sie hatten ihn seit ihrer Bekanntschaft nicht darüber aufgeklärt, dass es hier nicht um eine Rede ging. Er kannte nun ihre richtigen Namen, aber nicht ihre wahren Absichten, und hatte diesbezüglich scheinbar noch immer keinerlei Zweifel. Ysara verschränkte mit einem Schmunzeln die Arme vor der Brust und suchte seinen bernsteinfarbenen Blick. "Es gibt keine Rede." Sie machte eine Pause, damit diese Information sacken konnte. "Ich hab deinen General heute zum ersten Mal gesehen. Ich bin keine Adelige und Tami und Sadia auch nicht meine Dienerinnen. Wir haben von dieser Schatzkarte in Vashnars Besitz erfahren und wollten nur mal einen Blick drauf werfen", klärte sie ihn, in einem weiteren Anflug davon, dem Elf die Welt zu erklären und die Augen zu öffnen, unverblümt auf. Vashnar war nicht das, was er glaubte, und auch die blonde Krähe vor ihm war nicht das, was er glaubte. Sie hatte ihn ebenfalls getäuscht, sprach nun aber äußerst ehrlich. "Wir wussten nicht, dass du im Zelt bist und du hast uns überrascht. Wir konnten nicht riskieren, dass du uns verrätst, deshalb musste ich dich aufhalten. Deshalb die Ausrede mit der Rede. Tut mir leid, Lianth. Nimm's nicht persönlich, ja?" Sie lächelte ihn beinahe aufmunternd an, es nicht so schwer zu nehmen. Sie erzählte ihm zwar, was sie nicht waren, sie verschwieg aber auch geflissentlich, was sie stattdessen waren. Sie erwähnte mit keinem Wort die Diebesbande, deren Name man irgendwann über die Grenzen Grandeas hinaus kennen würde - wenn es nach dem Kopf der Blonden ging. Doch jetzt war nicht die richtige Zeit, um das Wissen um die Krähen nach draußen zu tragen. Niemand durfte von ihnen erfahren, also erzählte sie Lianth lieber nicht zu viel. Es war schon eine große Ausnahme, dass er nun ihr Versteck kannte, auch wenn das notwendig gewesen war, um auch ihn vor ihren Häschern zu retten - und es war das Mindeste, das sie tun konnten, um ihn vor Vashnars Soldaten zu retten. Trotzdem mahnte sich Ysara nach ihren offenen Worten im Stillen zur Vorsicht. Je weniger er wusste, desto weniger konnte er weiter erzählen und desto sicherer waren die Krähen.

Dass sie ihn aber mit ins Krähennest gezerrt hatten, stellte sich noch als eine glückliche Fügung heraus. Ysara hätte ewig gebraucht, um die Schrift des Generals zu entziffern. Lianth' Augen waren jedoch geübt darin, sie zu lesen und er übernahm die aufwendigste Arbeit, um das Schreiben noch einmal leserlich abzuschreiben. Auch wenn die Briefe selbst nicht viel eindeutiges hergaben, kam Tami bald darauf, dass sich der Schatz in Morgeria befand. Ysara gefiel das gar nicht! Sie kannte die Stadt aus Büchern und aus Erzählungen, und es waren zumeist schaurige und grausame Geschichten. Morgeria war kein Ort für andere, außer für Dunkelelfen, Orks und Goblins. In der Stadt war kein Platz für Elfen wie Lianth oder Menschen wie sie. Und es war auch kein Ort für Cassian, wie sie mit schweren Herzen im Inneren feststellte. Dorthin zu gehen, käme einem Selbstmordkommando gleich. Allein die Reise nach Morgeria war wahnwitzig. Sie waren nur eine Bande von Halbstarken, die nichts als Grandea kannten - auch wenn Ysi das nie offen zugeben würde. Aber sie war nicht auf den Kopf gefallen und realistisch genug, um sich ihre Überlebenschancen auszurechnen.
"I-ich lebe noch..." Lianth unterbrach ihre Gedankengänge und Ysara schaute fragend zu ihm. Was hatte er gesagt? "Ich lebe noch." Ihre Mimik zeigte, dass sie versuchte, zu begreifen, was er ihnen damit sagen wollte, und sie wartete geduldig, bis er sich gesammelt hatte, um zu sagen, was er zu sagen hatte. "I-ich war noch nie von Z-Zuhause fort. Ich hab Shyána Nelle u-und den Urwald n-nie verlassen. U-und jetzt bin ich hier. Ich bin mit D-Dunkelelfen gereist, von denen i-ihr sagt, sie ... seien ... g-gemein. Ihr sagt, s-sie ... töten! Ihr sagt, s-sie töten ... a-aber ich lebe noch."
Erst runzelte Ysara die Stirn, dann öffnete sich ihr Mund ein wenig und schließlich lachte sie tatsächlich kurz auf. "Willst du uns Mut machen? Du meinst, wir sollen einfach nach Morgeria gehen?", fragte sie dann und schüttelte den Kopf, ehe sie sich seufzend mit den Händen über das Gesicht fuhr. "Warst du schon einmal dort?", wollte sie dann wissen und konnte sich die Antwort schon denken. "Das ist ein ganz anderes Pflaster als das Armenviertel hier in Grandea. Ich war selbst noch nie dort, aber die Geschichten, die man über diese Stadt hört.. da möchte wirklich niemand freiwillig hin. Es ist bestimmt nicht zu vergleichen mit deiner Reise mit Vashnar. Ich glaube, du hattest einfach unfassbares Glück und möchte gar nicht wissen, was dein netter General getan hätte, wenn du kein Heiler wärst, der diesem Faldo..dingsda geholfen hätte." Auch das meinte sie nicht böse und sie mochte diese harte Realität ja selbst nicht. Aber hier ging es nicht mehr um ein geschriebenes Abenteuer in einem Buch, dessen glückliches Ende man sich gewiss sein konnte. Nein, hier ging es um viel mehr. Es ging um ihre Krähen, die sie nicht in eine weit entfernte Stadt schicken würde, um sich in der Heimat des Dunklen Volks mit eben jenen anzulegen. Alles in ihr sträubte sich gegen diese Idee. Erneut schüttelte Ysara den Kopf und sah dann zu Tami hinüber. "Ich würde diesen Schatz unglaublich gerne in die Finger bekommen, aber es ist viel zu gefährlich. Unsere Köpfe sind es nicht wert." Eindringlich sah sie Tami in die Augen und hoffte auf ihr Verständnis und dass sie ihr beipflichten würde.

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Lianth » Freitag 1. Dezember 2023, 09:26

Um Lianths Gutgläubigkeit zu erschüttern, brauchte es mehr als fremde Einbrecher in das Zelt eines Generals, der ihn wie einen Schoßhund an der langen Leine hielt. Es brauchte mehr als die Verdeutlichung, dass eben jener General die Hilfsbereitschaft des Elfen skrupellos ausnutzte. Es brauchte mehr als den Blick auf das Armenviertel einer Stadt, die so ganz anders als die wohlbehütete heimatliche Talsenke war. Es brauchte...
"Ihr habt mich belogen." Lianths Augen ruhten auf Ysara. Weder in seinem Blick noch in seiner Stimme klangen Entsetzen oder Vorwurf mit. Er sprach aus, was er anhand ihrer Worte nun erkannt hatte. Die Krähen schienen weder Freunde von Kan'egh Vashnar zu sein, noch suchten sie dessen verlegte Rede. Sie hatten den Elfen eiskalt belogen, als sie sich in das Zelt geschlichen hatten - unerlaubt. "Deshalb war der Dunkelelf von vorhin auch sofort wütend." Er stotterte nicht. Der Verrat ließ ihn seine scheue Art vergessen.
"Ich hab deinen General heute zum ersten Mal gesehen. Ich bin keine Adlige und Tami und Sadia auch nicht meine Dienerinnen. Wir haben von dieser Schatzkarte in Vashnars Besitz erfahren und wollten nur mal einen Blick drauf werfen."
Lianth rührte sich nicht. Er saß gerade auf seinem Stuhl und betrachtete Ysara während ihrer Ausführungen. Seine Iriden schimmerten wie die glänzende Oberfläche von frisch gesammeltem Honig. Ob und welche Gedanken dahinter im seinem Kopf umher wirbelten, war schwer zu deuten. Er wirkte so ruhig wie er vorher ständig nervös gewesen war. Vielleicht machte das die Situation gerade besonders unangenehm. "Ihr wolltet Gerüchten nachgehen und nur einmal schauen. Deshalb verfolgt uns jetzt Vashnars ganzes Lager. Deshalb ist seine Beförderungsfeier gestört worden." Und deshalb sah man nun auch ihn als Dieb an, als Eindringling. Er würde sich laut Tamis Aussage nicht mehr bei Kan'egh und seinen Soldaten blicken lassen können, ohne Gefahr zu laufen, von ihren Schwertern aufgespießt zu werden. Und das, weil eine kleine Gruppe halbstarker Jungen und Mädchen sich eine Schatzkarte ansehen wollten.
"Tut mir leid, Lianth. Nimm's nicht persönlich, ja?" Ysara versuchte sich an einem Lächeln, um die Stimmung zu heben. Aber das war gar nicht nötig. Lianth erwiderte es mit der sanften Wärme, mit der er auch den Schmutz unter Vashnars Stiefeln als nichts Negatives angesehen hatte. Dann brach der Blickkontakt ab, als er blinzelte und auf seine Hände schaute, die vor ihm auf dem Tisch gefaltet waren. Er knetete die Finger und fand zu seiner ureigenen Art zurück. "N-natürlich n-nicht. M-man wagt v-viel, wenn e-etwas Großes in A-Aussicht steht." Ihm ging es doch selbst so. Er war einer Idee gefolgt, einer Spur aus Hoffnung und das nur, weil sein Bruder beiläufig erwähnt hatte, dass es vielleicht ein Heilmittel für seinen rattenhaften Zustand im Urwald zu finden geben könnte. Auch LIanth hatte nur einmal danach schauen wollen. Er hatte gehofft, etwas zu finden, so wie die Krähen hofften, nun eine Schatzsuche begehen zu können. Er mochte nicht die Grausamkeit eines Ortes wie Grandea erkennen, ebenso wenig, mit welcher Hand das Königreich Grandessa geführt wurde. Wohl aber erkannte Lianth, dass die Menschen des Armenviertels es nicht allzu leicht hatten. Wer ergriff da nicht die Gelegenheit beim Schopf? Ein Schatz könnte vieles verändern, für so viele. "I-ihr hofft auf e-etwas Gutes. W-wie könnte ich euch b-böse sein?" Sein Lächeln wuchs, auch wenn er nicht erneut Blickkontakt aufbaute. Lianth schmunzelte voller Aufrichtigkeit in sich hinein und rieb verlegen die Finger ineinander. Er vezieh Ysara und allen Krähen dafür, dass man ihn nun in der ganzen Stadt suchte, jagen und töten wollte. Er verzieh ihnen einfach so. "D-danke, dass i-ihr ehrlich z-zu mir seid." Selbst wenn es verspätet kam, das war ihm wichtiger als nachtragend oder rachedurstig zu sein. Lianth war ein Unikat.
So verwunderte es auf den zweiten Blick wohl auch nicht, dass ausgerechnet er Argumente entgegenbrachte, um doch nach Morgeria zu gehen. Die Krähen hatten viel riskiert für die Aussicht auf Hoffnung. Sie wurden nun gesucht, aber sie hatten etwas gefunden ... und nun wollten sie einfach aufgeben? Nicht einmal seine eigene scheue Lebensweise konnte sich damit arrangieren. Sie hatten doch so viel gegeben! Sie hatten nun etwas in der Hand! Warum jetzt aufhören?
Aber es gab Gründe, weshalb er so dachte. Er ahnte nicht einmal im entferntesten, was in Morgeria lauern könnte. "I-ich kenne M-Morgeria n-nicht", antwortete der Elf auf Ysis Frage hin. Daraufhin wollte sie ihm nahebringen, dass Grandeas Straßen ein Witz zur Stadt der dunklen Völker war. Auch wenn sie selbst noch nicht einen Fuß hineingesetzt hatte, so kannte sie doch Geschichten und keine davon besaß ein glückliches Ende. Ha, nicht einmal einen annehmbaren Hauptteil ... oder einen Anfang, der darauf hoffen ließ, dass man den Protagonisten bis zum Ende der Geschichte würde begleiten können.
"Ich glaube, du hattest einfach unfassbares Glück und möchte gar nicht wissen, was dein netter General getan hätte, wenn du kein Heiler wärst, der diesen Faldo...dingsda geholfen hätte."
"Faldorian", murmelte Lianth und senkte nun betroffen den Kopf. Der arme Soldat würde nun wohl auf seine Hilfe verzichten müssen. Denn Lianth durfte das Krähennest nicht verlassen. Er konnte weder zu ihm, noch zu Kan'egh gehen, um die Situation aufzuklären. Aber langsam verstand er. Seine Augen weiteten sich. Sie wurden groß genug, dass sie seinen Kopf anhoben, damit er Ysara und Tami anschauen konnte. Erkenntnis tropfte in seinen Geist hinein. "I-ich hatte e-eine Schwertk-klinge am Hals. U-und sie wurde e-erst gesenkt, a-als ich meine P-Profession mitteilte." Hätte er nicht erwähnt, heilkundig zu sein und darum gebettelt, Faldorian zu untersuchen... Hätte Kan'egh mich noch im Urwald ... ge...tötet? Aber warum? Ich bin keine Gefahr!
Das Bernstein schwamm plötzlich. Dann rannen Lianth dickte Tränen über die Ränder seiner Lider und die Wangen herab. Er lächelte, aber es sah hilflos aus, weil er nicht verstand, was ihm gerade klar wurde. "W-warum...?", wisperte er. Er konnte nicht verstehen, dass jemand aus reiner Grausamkeit ein Leben nahm. Er wusste, dass die Shyáner Wachen ebenfalls ihre Klingen zogen und auch nutzten, aber nur, um die Königin und die Stadt zu verteidigen. Er wusste, dass die Jäger in den Urwald zogen und auch dort Leben nahmen. Selbst Tiere töteten. Doch keiner von ihnen tat es ... einfach so. Grundlos. Lianth war für die Dunkelelfen keine Gefahr gewesen. Aber Kan'egh hätte ihn töten lassen...
"D-das ... ist ... sch-schrecklich", brachte er hervor und wischte sich die Augen. Er war blass geworden, griff mit zitternder Hand nach seinem Wasser, um das Glas rasch zu leeren. Jetzt war auch er endlich in Grandea angekommen.
"Ich würde diesen Schatz unglaublich gern in die Finger bekommen, aber es ist viel zu gefährlich. Unsere Köpfe sind es nicht wert." Daraufhin konnte Lianth nur nicken. "N-niemand von e-euch soll st-sterben", murmelte er, meinte es aber vollkommen ehrlich. Aber irgendetwas mussten sie doch unternehmen. Nur Mut...
Lianth zog seine Hände unter den Tisch. Er legte sie auf die Knie, knautschte dort den Stoff seiner Robe, krallte ihn in die Finger und ballte langsam seine zierlichen Fäuste. Er brachte nicht den Mut auf, Ysara oder Tami anzuschauen. Ihre Blicke hätten seine Entschlossenheit brechen können. Er war nicht mutig, nie gewesen, aber er brachte seine kleinen Reserven auf, um zu sprechen. Dafür musste es reichen. Dafür und für eine gewichtige Entscheidung. Eine Chance auf Hoffnung ... für andere. "W-wenn ich mitkomme, um euch zu helfen und euch zu heilen ... wird es schon gut gehen." Endlich schaute er auf. Auf seinem Gesicht schimmerten die Spuren seiner Tränen, aber er lächelte wieder. "U-uns bleibt doch sonst nichts. D-die ganze Stadt will ... uns ... töten." Morgeria konnte nun unmöglich gefährlicher sein.
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