Das Nest der Krähen

Hier lebt das einfache Volk Grandeas. Händler, Bauern, Handwerker und ärmere Bettler und verruchtes Gesindel wohnen hier Tür an Tür.
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Erzähler » Samstag 2. Dezember 2023, 21:45

Niemand hätte wohl geglaubt, dass sein Tag so verlaufen würde. Nun, Ysara hatte zumindest ein wenig geahnt, dass dieser Tag anders als sonst ablief, doch Lianth? Der wusste seit Wochen ohnehin nicht mehr, wie man die Worte ‚geregelter Tagesablauf‘ schrieb. Dass er nun am Ende aber hier in einem Diebesnest saß und sich damit konfrontiert sah, dass alles, woran er glaubte, nicht der Wahrheit entsprach… Es war viel zu viel. Ysara bemühte sich redlich, dass der Elf nicht sofort in freien Fall geriet, doch es war schwer. Sehr schwer. Lianth besaß eine solche unerschütterliche Naivität, die an Reinheit kaum zu überbieten war, dass es schwerfiel, den Elfen nicht zu packen und schütteln zu wollen. Dabei argumentierte Lianth nicht mal sonderlich schlecht. Denn seine Erfahrungen waren ja tatsächlich so gewesen, wie er nun versuchte Tami und Ysara nahezubringen. Jedenfalls, bis er erkennen musste, dass es einen entscheidenden Moment gegeben hatte. Nämlich, als der General ein Schwert unter das Kinn gehalten hatte und sich erst nach Erwähnung seiner Profession entschied, ihn am Leben zu lassen. Und wenn er sich weiter erinnern würde, würde er auch erkennen müssen, dass die Soldaten nicht wirklich freundlich mit ihm umgegangen waren. Blicke, Gesten und Mimiken waren allesamt nicht sonderlich aufbauend gewesen, nachdem man Faldorian mitschleppen sollte. Es war einzig und allein seine Sicht auf die Welt, die ihm suggerierte, dass niemand ein schlechtes Herz besitzen konnte. Ysara aber hatte weitaus größere und vor allem dringendere Probleme, als sich mit dem Erwachen eines guten Herzens aus naiven Träumereien zu beschäftigen. Lianth war ein Kollateralschaden und sie würden niemanden dieser Gefahr wissentlich aussetzen. Das bedeutete aber noch nicht, dass sie ihn auch gleich aufnehmen würden. Ysara lenkte sich mit dem Knobeln über die Notizen und der Karte ab. Diese Fragen wollten sie klären, nicht, warum Lianth war, wie er war. Fest stand aber schnell, dass die Krähen für einen Auftrag in Morgeria nicht geeignet waren. Zumindest entschied Ysara das gleich und ausgerechnet Lianth war es, der sich gegenteilig aussprechen wollte. Was er sagte, stimmte. Tami jedenfalls blickte den Elfen schweigsam an und runzelte dann die Stirn. Sie seufzte leise und musste ihm dann schweigend zustimmen. „Irgendwie hat er recht, Ysi.“, murmelte die Jüngere und fing den Blick von der Blonden auf. „Was?“, fragte Tami und hob die Hände. „Er lebt noch.“, pflichtete sie ihm bei und Ysara strich sich über das Gesicht.

Sie wandte sich an Lianth, dem sie nahebringen wollte, dass Morgeria nichts mit Grandea zu tun hatte. Dass es in Morgeria weitaus schlimmere Dinge gab als nur die Schere zwischen Arm und Reich. Lianth verstand allmählich, dass es offenbar Dinge gab, die er eben nicht verstehen konnte. So verstand er zum Beispiel nicht, wieso Ysara und ihre Krähen davon ausgingen, dass alles um sie herum eher schlecht war. Und dass die Dunkelelfen mehr schlechte, denn gute Absichten hatten. Was er aber nicht verstand war, wieso es so war. Er kannte das Prinzip des Tötens für Fortbestand durchaus, aber aus Boshaftigkeit und niederen Gelüsten? Das war dem behüteten Elfen vollkommen fremd. Und trotzdem fasste sich Lianth ein Herz und bot doch tatsächlich seine Hilfe an. Tami blickte ihn überrascht an. „Du willst uns begleiten??“, fragte sie freiheraus und deutlich überrascht. "U-uns bleibt doch sonst nichts. D-die ganze Stadt will ... uns ... töten.", ließ er als Begründung hören und Tami war tatsächlich kurz sprachlos. Ihr Blick glitt zu Ysara, doch dann wieder zu Lianth. „Du kannst nicht mitkommen, Lianth“, sprach sie aus und seufzte. „Du würdest Morgeria doch erst recht nicht überleben…“, erklärte sie und schüttelte den roten Schopf. „Es gibt nur üble Geschichten über die Stadt der Dunkelelfen. Und jede davon ist schlimmer, als die zuvor gehörte. Folter, Mordlust, Habgier, Häme und Neid. Die Dunklen opfern ihre Schwächsten, um sie auszumerzen. Sie veranstalten perfide Spiele, bei denen sie aus Unterhaltungslust ihre Sklaven jagen und töten…“, erzählte Tami die Schauergeschichten, die man sich auch unter dem armen Volk wie ein Lauffeuer berichtete, seit der König von Grandessa mit dem dunklen Volk paktierte.
„Lianth, du würdest allein schon beim Anblick zusammenbrechen.“, unterstellte sie ihm und hob mitfühlend einen Mundwinkel. Dann aber sah sie zu Ysara. „Aber er hat auch Recht, dass es manchmal auch gutgehen kann… Und wir sind schlau! Wir sind ein gutes Team und er hat Recht – alles sucht nach uns. Wir sollten zusehen, dass wir verschwinden, damit Gras über alles wachsen kann.“, meinte sie. Aber Tami hatte auch keine Familie hier. Tami hatte Elian und die Krähen, mehr nicht. Sie würde ihre Familie mitnehmen können. Ysara hingegen…
Bevor sich die drei die Köpfe weiter heißreden konnten, ging die Tür zum Nest auf und Elian, sowie Sadia stolperten gehetzt hinein. Sie verschlossen die Türen und schnauften durch, ehe Sadia zum Tisch kam. Sie griff nach Ysara’s Wasserglas und stürzte er herunter. Schweiß stand ihr auf der Stirn. Als sie zu Atem gekommen war, wischte sie sich mit dem Handrücken über die Lippen und ließ sich neben Ysara plumpsen. „Wir sind am Arsch.“, offenbarte sie und Elian trank ebenfalls noch etwas Wasser. „Die Briefe haben eine Spur gelegt und sie sind bereits im Armenviertel. Sie nehmen alles auseinander…“, bestätigte er mit mehr Informationen, was Sadia sagte. Die Dunkelhaarige blickte zu Lianth. „Wir müssen verschwinden!“, offenbarte sie weiter und man konnte ihr ansehen, wie ernst es ihr war. „So bald wie möglich, wir haben keine Zeit zum Vertrödeln.“, Tami sah zu Elian. „Ist das euer Ernst??“, fragte sie erschrocken und blickte dann zu Ysara und Lianth. „Aber… das ist unser… zuhause.“, stammelte sie plötzlich und wurde etwas blasser. Sadia neigte sich vor und blickte zu Ysara. „Wir haben es geschafft, Cassian eine Nachricht zu übermitteln. Er wird dir den Rücken freihalten, solange er kann. Aber wir müssen jetzt weg!“, drängte sie und wusste sehr wohl, dass Ysara ihre Familie nicht ohne weiteres im Stich lassen würde. „Der Knirps ist in diesem Moment unterwegs, deiner Familie eine Nachricht zukommen zu lassen. Irgendetwas von einer kleinen Reise, die dich auf Spur bringen wird. Keine Ahnung. Hauptsache, sie wissen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen.“, redete die andere Anführerin weiter und erhob sich bereits. „Packt das Wichtigste zusammen. Proviant, Wasser, Werkzeug…“, sagte Sadia und machte absolut keine Scherze. „Ysi, du kannst deine Kleidung wechseln und was von mir nehmen!“, bot Sadia beiläufig an. Für sie stand der Aufbruch fest. Elian sah bedeutungsschwer in die Runde. „Wohin gehen wir?“, fragte er dann einmal und Tami erhob sich ebenfalls. „Morgeria.“, sagte sie und räumte Schriftrolle und Karte zusammen. Sadia und Elian starrten sie fragend an. „Mor…?!“, Tami hob die Hand. „Keine Zeit, erklären Ysi und ich später!“ Sie blickte dann auf Lianth, während Sadia und Elian bereits ihre Rucksäcke zu packen begannen. „Du musst nach Hause, Lianth. Shyáná Nelle liegt nicht so weit… Aber… du solltest zu deinem Bruder zurück. Warte nicht darauf, dass dich die Wahrheit der Welt doch noch erwischt!“ Dann machte auch sie sich daran, ihre Sachen zu packen. Offenbar stand für alle fest, was zu tun wäre… Sollte dies das Ende sein?
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Lianth » Sonntag 3. Dezember 2023, 09:05

Lianths reines Herz und der Glaube an das Gute in der Welt waren unerschütterlich, aber so langsam erhielt dieser Glaube erste kleine Kratzer. Er wurde auf die Probe gestellt, herbeigeführt durch eine Reihe von Zufällen und unglücklichen Ereignissen. Nun saß er hier inmitten einer Runde aus Fremden, in die er mehr oder weniger versehentlich hineingestolpert war. Der Elf stolperte, seit er seine Heimat verlassen hatte, aber schon davor hatte er geschwankt. Seit dem Moment, da er auf seinen Bruder gehört und das Haus trotz seiner seltsamen Krankheit wieder verlassen hatte, taumelte er durch sein Leben. Doch nichts hatte bisher seine Entschlossenheit getrübt, dass Celcias Geschöpfe einander nichts Böses wollten. Nun jedoch sprach er es selbst aus. Er riet Ysara und Tami, nach Morgeria zu gehen. Dort konnte es nicht gefährlicher sein als andernorts, wenn nun alle einen ... töten wollten. Er hatte es selbst ausgesprochen und doch klang es so schrecklich befremdlich. Lianth konnte nicht verstehen, was er sagte. Er begriff es nur insoweit, dass langsam der Gedanke zu ihm durchsickerte, dass nicht alles so gut war wie in Shyána Nelle. Und das sorgte regelrecht dafür, dass er an Farbe verlor. Trotzdem raffte er all seine Mutreserven zusammen, um sein Mitkommen anzubieten. Wenn die Gruppe einen Heiler bei sich hätte, könnten sie alle mutiger losziehen - so wie Kan'eghs Truppe hatte weiterreisen können, nachdem sie Lianth aufgegabelt hatten.
Wenn ich es recht bedenke, wirkten nicht alle Soldaten begeistert davon... aber sie hatten schon eine lange Reise hinter sich, waren müde und besorgt um Faldorian. Schlechte Laune kann man keinem verübeln, der so zu kämpfen hat.
Unerschütterlich...
... bis ein erster Splitter aus dieser Mauer herausbrach. "Du kannst nicht mitkommen, Lianth." Tamis Stimme meißelte sich in sein Herz. Er schaute auf und wischte sich die restliche, salzige Feuchtigkeit von den Wangen. Verwirrt schaute er sich an, aber auch mit der Geduld eines Mannes, der wusste, dass sie sich gleich erklären würde. "Du würdest Morgeria doch erst Recht nicht überleben.." Schon zählte sie all die Dinge auf, die einem das Leben nicht nur schwer machen konnten, sondern auch in der Lage waren, es schlagartig zu beenden. Lianths Augen wurden bei der langen Liste groß. Das kann unmöglich ihr Ernst sein. So viel ... Schlechtes. Wahrlich Geschichten. Schauergeschichten, die Angst schüren, aber unmöglich wahr sein können. Schon wollte er unter einem frohgemuten Lächeln antworten, dass er verstanden hätte und sie nicht weiter übertreiben müsste, er würde schon aufpassen, da setzte Tami erneut den Meißel an.
"Lianth, du würdest allein schon beim Anblick zusammenbrechen."
Sein Lächeln schwand. Er senkte den Kopf und richtete den Blick auf die Tischplatte, wo seine Hände langen. Erneut hatte er sie zu kleinen Fäusten geballt, ohne es bemerkt zu haben. Langsam zog er sich unter den Tisch, klammerte sich an den Robenstoff auf seinen Schenkeln und sank in sich zusammen. Tami sah ihn nicht als Hilfe an. Selbst wenn er heilte, schien sie ihn eher als Last einzuordnen. Warum auch nicht, er hatte mit seinem Ungeschick alle nur noch mehr in Gefahr gebracht, als ihm die Briefe abhanden gekommen waren. Ohne sein Verschulden hätte die Bande zwar auch einen Tumult veranstaltet, müsste nun aber nicht um ihr Leben bangen. Sie säßen hier - wahrscheinlich ohne ihn - mit ihrer Schatzkarte und auf bestem Weg in ein Abenteuer. Er hätte sich irgendwo aufgreifen lassen und Kan'egh über die Verhältnisse aufklären können. Vielleicht hätte man sich einigen können. Vielleicht könnte Kan'egh über den Schatz aufklären oder die Krähen bitten, ihn für die Dunkelelfen zu bergen und einen gerechten Anteil versprechen. Und Lianth könnte sich um den Schriftverkehrt zwischen ihnen kümmern. Ja, so wäre es wohl besser...
Seine Gedanken fanden Bestätigung, als die Tür zum Krähennest plötzlich aufging. Elian und Sadia waren zurück. Sie wirkten abgeschafft, aber auch reichlich verzweifelt. "Die Briefe haben eine Spur gelegt und sie sind bereits im Armenviertel. Sie nehmen alles auseinander..." Lianth brauchte Sadias Blick nicht zu erwidern, um nur noch mehr in sich zusammenzusinken. Er spürte die Last ihrer Worte auf seinen Schultern. Er wurde nur noch blasser. Sein Magen krampfte sich schmerzlich zusammen. Er packt nach seinem Zopf und umklammerte ihn Hilfe suchend.
Inzwischen stellten die Krähen einen Plan zusammen, was sie nun tun wollten. Sadia sah ihr aller Heil nur noch in der Flucht. Vor allem müssten sie jetzt schnell entscheiden und noch schneller handeln, um einer drastischen Konsequenz zu entgehen. "Aber ... das ist unser ... Zuhause..." Lianth schloss die Augen. Ohje, was habe ich nur angerichtet...
Doch nicht alles war verloren. Auch der Eifer der Krähen schien unerschütterlich. Angesichts der misslichen Lage hielten sie dennoch zusammen. Sie würden fliehen - gemeinsam. Und Tami war es, die aus dem Unglück eine Gelegenheit machen wollte. Wenn sie schon das Weite suchen mussten, konnten sie auch Morgeria als Ziel stecken. Die Schatzsuche musste nicht aufgegeben werden. Das wäre ohnehin unglücklich, nachdem sie so viel dafür gegeben hatten, überhaupt erst an die Karte zu gelangen. Allerdings würde nicht jeder weiter an dem Abenteuer teilnehmen.
"Du musst nach Hause, Lianth. Shyána Nelle liegt nicht so weit. Aber ... du solltest zu deinem Bruder zurück."
Er war ihnen keine Hilfe und selbst wenn, lehnten die Krähen diese ab. Er hatte ihnen genug Ärger bereitet. Zum einen hatte er die Briefe überhaupt erst geschrieben. Er hätte wissen müssen, dass sie nicht ankämen. Shyána Nelle war vielleicht einigen namentlich bekannt, aber das Tal wurde nicht von vielen anderen Völkern besucht. Lianth hatte niemals andere als Shyáner Elfen dort gesehen - hier ließ er jedoch außer Acht, dass er sich auch nie weitläufig umgeschaut oder Kontakte gesucht hatte. Er ging davon aus, dass seine Heimat ein gehütetes, verstecktes Paradies war. Dunkelelfen waren ihm vor Kan'egh und seiner Truppe überhaupt noch nie begegnet. Wie hatte er da nur erwarten können, dass Kan'egh die Briefe würde ans Ziel schicken lassen können. Ein Bote müsste durch den Urwald Kapayu und wer sich dort nicht auskannte, wurde verletzt wie Faldorian oder von einem Raubtier gefressen. Nein, es war allein Lianths Dummnheit zu verdanken, dass sich die Probleme nun häuften. Kan'egh hatte ihn nicht enttäuschen wollen. Deshalb hatte er die Briefe zumindest angenommen und aufbewahrt. Der General hatte sicherlich die Liebe als Glanz in Lianths Augen gesehen, wenn jener schrieb. Er hatte ihn nicht enttäuschen wollen.
Es war Lianth selbst, der alle enttäuschte. Er hatte die Briefe geschrieben. Er hatte sie auf einer Flucht quer durch Grandeas Innenring mitgenommen. Er hatte sie nicht festhalten können.
Seine Hand presste sich auf den Magen, der drohte, die letzte Mahlzeit zurück nach oben zu schicken. Der Elf war kreidebleich geworden, wodurch die Farbe seiner Augen und er auf die Haut geklebten Schmucksplitter nur deutlicher zur Geltung kamen. Das konnten jetzt alle sehen, als er erst sich und dann den Blick anhob. "Geht", riet er ihnen. "I-ich versuche, m-mit ihnen zu sprechen. I-im besten F-fall verschaffe ich e-euch etwas Zeit." Er lächelte, trotz seines desolaten Zustands. "I-ich sage General V-Vashnar Bescheid, d-dass ich nach Hause ... muss. V-viel Glück bei e-eurer Schatzs-suche." Er meinte es ernst. Sein Lächeln war aufrichtig. Er würde ihnen den Rücken freihalten, indem er sich zwischen ihre Flucht und die Suchtrupps stellte. Es war dumm, es war mutig, es war unerwartet, diese Entscheidung von LIanth zu hören. Aber er handelte hier nicht aus Mut heraus. Mut besaß er nicht und am liebsten hätte er sich irgendwo verkrochen, wenn er nur daran dachte, mit wie vielen er würde sprechen und wie viele Blicke auf sich er würde ertragen müssen. Oh, das Herz rutschte ihn bis in die Stiefel herab. Aber er fühlte sich schuldig gegenüber den Krähen. Sie hatten ein Abenteuer gesucht und Ärger gefunden, weil sie an ihn geraten waren. Wie Ysara schon sagte, sie hatten ihn im Zelt nicht erwartet. Er hatte all ihre Pläne ruiniert und nun würde er wenigstens sein Bestes tun, die Wogen zu glätten. Nein, es hatte nichts mit Mut zu tun. Es war der Versuch, eine Schuld wiedergutzumachen.
"Ich möchte n-nicht, dass euch ... e-etwas passiert. I-Ihr ward so n-nett zu mir, trotz a-allem. Geht jetzt. Beeilt e-euch."
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Ysara » Montag 4. Dezember 2023, 12:21

Es wurde Zeit, dass Ysara Klartext mit Lianth redete. Es hatte nie eine Rede gegeben. Sie hatten sich nicht deshalb in das Zelt des General geschlichen. Erkenntnis zeichnete sich in Lianth Augen ab und die blonde Krähe hätte sich darüber freuen können, dass er nun endlich begann, zu verstehen. Aber der Elf blieb ruhig und zwar so ruhig, dass es Ysara zunehmend unangenehmer wurde, je länger der Blickkontakt dauerte. "Ihr wolltet Gerüchten nachgehen und nur einmal schauen. Deshalb verfolgt uns jetzt Vashnars ganzes Lager. Deshalb ist seine Beförderungsfeier gestört worden." Nun war es der Elf, der Ysara klarmachte, welchen Preis sie für ihre Neugierde bezahlt hatten. Das aufmunternde Lächeln schwand fast vollständig von ihren Lippen und zurück blieb nur der Ansatz dessen. Lianth hatte Recht. Der Blondschopf hatte nicht damit gerechnet, dass sie scheitern würden. Sie hatte nicht bedacht, was passieren würde, wenn sie erwischt würden. Sie war zu überzeugt von sich und ihren Fähigkeiten gewesen und hatte sich einfach überschätzt. Es tat ihr leid. Sie sah in die honigfarbenen Augen des Elfen, die keinen Aufschluss über die Gedanken in seinem Kopf gaben. Aber sein Blick war so ruhig und fest, wie seine Worte. Ysara hingegen war es sichtlich unangenehm, welche Gefahr sie heraufbeschwört hatte, nicht nur für ihre Krähen, sondern auch für ihn als Unbeteiligten. Doch entgegen ihrer Erwartung lächelte Lianth plötzlich warm. "N-natürlich n-nicht. M-man wagt v-viel, wenn e-etwas Großes in A-Aussicht steht. I-ihr hofft auf e-etwas Gutes. W-wie könnte ich euch b-böse sein? D-danke, dass i-ihr ehrlich z-zu mir seid." Er klang so verständnisvoll und schien ihr überhaupt nicht dafür zu zürnen, dass ein Dunkelelf nach seinem Leben trachtete. Ysara schaute ihn für einen Moment erstaunt an. "Ich wollte dich nicht in Schwierigkeiten bringen", bekräftigte sie mit belegter Stimme und gestand ihren Fehler offen ein.

Auch Lianth musste sich folgend einige Dinge eingestehen. Ysara traf mit ihren scheinbar leicht daher gesagten Worten offenbar einen Nerv, denn ihrer Meinung nach stand fest, dass Vashnar das Leben des Shyáner Elfen nicht verschont hätte, wenn dieser kein Heiler wäre. Diese Erkenntnis schien Lianth nun jedoch tatsächlich zu schocken. Ysara sah die Tränen auf seinen Wangen und augenblicklich wallte noch mehr Mitleid mit dem Elfen als ohnehin schon in ihr auf. Ohne groß zu überlegen, wollte sie ihm eine Hand auf die Schulter legen, falls er es überhaupt zuließ, um sie kurz, aber sanft zum Trost zu drücken, ehe sie die Hand wieder zurückzog. Er hatte offensichtlich mit dieser Wahrheit zu kämpfen und Ysara gab ihm den Moment. Sie beantwortete auch nicht seine gestellte Frage nach dem Warum, obwohl die Antwort darauf so offensichtlich war. Sie wollte Lianth zwar wachrütteln, aber sie wollte nicht seine komplette Welt jetzt und hier auseinandernehmen. Vashnar war ein dunkelelfischer General, der seine Position nicht mit dem Streicheln von Kaninchen erreicht hatte. Deshalb hätte er ihn getötet, wenn er keinen Nutzen aus Lianth hätte ziehen können. Er war böse und gefährlich.

Ebenso gefährlich, wie Morgeria für ihre Krähen sein würde. Egal, wie sehr sie diesen Schatz haben wollte, ihre zurückliegende Aktion hatte die Anführerin der Diebesbande wach gerüttelt. Sie wollte das Leben ihrer Freunde nicht riskieren. Sie waren gerade so heil aus der Zeltstadt gekommen. Wie sollten sie da Morgeria überleben? Selbst Lianth stimmte ihr zu, dass niemand von ihnen deswegen sterben sollte. "W-wenn ich mitkomme, um euch zu helfen und euch zu heilen ... wird es schon gut gehen." Überrascht glitt der Blick aus den grünen Augen zu Lianth und sie glaubte im ersten Moment, nicht richtig gehört zu haben. Doch dieser naive Elf lächelte sie voller Tatendrang an. "Du willst uns begleiten?!", fragte sie mit Tami wie aus einem Munde. "U-uns bleibt doch sonst nichts. D-die ganze Stadt will ... uns ... töten." Ysaras Blick traf den der Rothaarigen, ehe diese zuerst ihre Sprache wiederfand. „Du kannst nicht mitkommen, Lianth. Du würdest Morgeria doch erst recht nicht überleben… Es gibt nur üble Geschichten über die Stadt der Dunkelelfen. Und jede davon ist schlimmer, als die zuvor gehörte. Folter, Mordlust, Habgier, Häme und Neid. Die Dunklen opfern ihre Schwächsten, um sie auszumerzen. Sie veranstalten perfide Spiele, bei denen sie aus Unterhaltungslust ihre Sklaven jagen und töten…“ Ysaras Blick heftete sich an die Tischplatte zwischen ihnen drei. Sie kannte all diese Geschichten viel zu gut, aber jetzt, wo Tami es so detailliert aussprach, musste sie wieder an Cassian denken, der dem allen schutzlos ausgeliefert sein würde. Es war Wahnsinn, dass er nach Morgeria ziehen musste, weil seine Eltern ihn mit der Tochter des Generals verheirateten. Aber freiwillig dorthin zu gehen, war noch viel wahnsinniger. Sie war so in ihre eigenen Gedanken versunken, dass sie nicht bemerkte, was Tamis Worte in Lianth auslösten. „Lianth, du würdest allein schon beim Anblick zusammenbrechen.“ Ysara blinzelte und tauchte aus ihren Gedanken wieder auf. "Tami hat Recht. Morgeria ist kein Ort für einen Elfen wie dich. Aber auch kein Ort für uns", blieb sie bei ihrer Meinung und erneut trafen sich die Blicke der Rothaarigen und der Blonden. „Aber er hat auch Recht, dass es manchmal auch gutgehen kann… Und wir sind schlau! Wir sind ein gutes Team und er hat Recht – alles sucht nach uns. Wir sollten zusehen, dass wir verschwinden, damit Gras über alles wachsen kann.“
"Tami..", begann sie und ihrem Tonfall war zu entnehmen, dass sie dagegen halten wollte.

Doch da wurde plötzlich die Tür zum Krähennest aufgeschlagen. Ysara zuckte erschrocken zusammen und stieß den angehaltenen Atem zischend aus, als sie Elian und Sadia erkannte. Angespannt musterte sie die beiden, die mehr als gehetzt aussahen. "Wie sieht's aus?", wollte sie wissen und versuchte, sich in Geduld zu üben, bis die beiden wieder zu Atem gekommen waren. „Wir sind am Arsch.“ "Am..?", wollte sie wiederholen, da übernahm Elian das Wort. „Die Briefe haben eine Spur gelegt und sie sind bereits im Armenviertel. Sie nehmen alles auseinander…“ Das war der Augenblick, in dem nun auch Ysara die Farbe aus dem Gesicht wich. Sadia und Elian machten keine Scherze, das war ihnen deutlich anzusehen. „Wir müssen verschwinden! So bald wie möglich, wir haben keine Zeit zum Vertrödeln.“ Ihr Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich und sie spürte ein unangenehmes Kribbeln in den Händen und im Nacken. "Verschwinden..?", hauchte sie und auch Tami war erschrocken darüber, das Nest verlassen zu müssen. Ihr Zuhause. Ysaras Herz zog sich bei ihren Worten schmerzhaft zusammen. Es war auch ihr Zuhause. Ihr sicheres Nest. Ihr Lichtblick im schnöden Alltag der Wohlhabenden. Ysara hatte das Gefühl, dass hunderte Glöckchen in ihren Ohren klingelten und es gleichzeitig in ihrem Kopf dröhnte. Sie musste sich konzentrieren, um Sadias Worte nicht nur akustisch zu verstehen. „Wir haben es geschafft, Cassian eine Nachricht zu übermitteln. Er wird dir den Rücken freihalten, solange er kann. Aber wir müssen jetzt weg!“ "Aber..", wollte sie einhaken, wusste aber gar nicht so genau, wo ihr gerade der Kopf stand. „Der Knirps ist in diesem Moment unterwegs, deiner Familie eine Nachricht zukommen zu lassen. Irgendetwas von einer kleinen Reise, die dich auf Spur bringen wird. Keine Ahnung. Hauptsache, sie wissen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen.“
"Ich kann das.. nicht", hauchte sie, aber Sadia erhob sich schon wieder und war voller Tatendrang. Während die blonde Anführerin vollkommen überrumpelt von diesem plötzlich notwendigen Aufbruch war, war Sadia zur Stelle und übernahm nun das Ruder. Während Ysara noch da saß und den Schock verdauen musste, brach plötzlich Chaos um sie herum aus. Ihre Krähen schien das nicht weiter zu kümmern, dass sie Grandea so plötzlich verlassen mussten - oder Elian und Sadia hatten einfach schon einen gewissen Vorsprung gehabt, um die Aussicht zu verdauen. Langsam kam dann aber auch Bewegung in Ysara. Die Dunkelelfen würden schnell und rabiat vorgehen bei ihrer Suche. Sie war sich sicher, dass sie ohne Rücksicht auf Verluste in die Häuser eindringen und jedes einzelne nach den Krähen durchsuchen würden. Früher oder später würden sie auch hierher kommen, die windschiefe Tür eintreten und sie alle gefangen nehmen - oder schlimmeres. Sadias Aufforderung noch halb im Ohr, ging Ysara erst einmal in das Zimmer ihrer Freundin und zog sich eilig um. Sie fühlte sich noch wie betäubt, aber sie hatte einen Entschluss gefasst. Wenn sie zurück auf die Straßen wollte, konnte sie das nicht in diesem ausladenden und völlig verdreckten Kleid tun. Sie brauchte dunkle und bequeme Kleidung, die sie in den Schatten verbarg. Als das erledigt war, schnappte sie sich einen von Sadias Rücksäcken und kehrte zurück in die Wohnstube, während sie versuchte, ihre aufsteigenden Ängste in den Hintergrund zu drängen und einen kühlen Kopf zu bewahren. Was würden sie brauchen? Was war wichtig? Ihr Blick fiel auf das Bücherregal und ihr Herz verkrampfte sich im Angesicht dessen, was sie alles zurücklassen musste. Sie hatte kaum etwas gepackt, als sie Lianth in ihrem Rücken hörte. "Geht." Ysara wandte sich zu dem Elfen um und sah ihn fragend an. "I-ich versuche, m-mit ihnen zu sprechen. I-im besten F-fall verschaffe ich e-euch etwas Zeit. I-ich sage General V-Vashnar Bescheid, d-dass ich nach Hause ... muss. V-viel Glück bei e-eurer Schatzs-suche." Lianth mochte es gerade für das Richtige halten, für selbstlos und heldenhaft, aber Ysara.. "Bist du irre..?", fragte sie und überwand den Abstand zwischen ihnen. "Ich möchte n-nicht, dass euch ... e-etwas passiert. I-Ihr ward so n-nett zu mir, trotz a-allem. Geht jetzt. Beeilt e-euch." Da huschte ein kurzes Lächeln über ihre Lippen. "Du bist mutiger, als du denkst, Lianth", bescheinigte sie ihm, wurde dann aber direkt wieder ernst. "Aber du bleibst auf keinen Fall hier." Und daran ließ sie keinen Zweifel. Sie würde diesen gutmütigen, naiven Elf nicht allein in ihrem Krähennest zurücklassen, auf dass er auf seinen General warten konnte.

"Sadia!" Sie sah zu ihrer Freundin und bedeutete ihr, zu ihr zu kommen, während Elian und Tami in ihren Zimmern verschwanden, um das Nötigste zu holen. "Wir sollten ihm die Augen verbinden. Er wird reden und wenn ihm auch nur eine Kleinigkeit im Gedächtnis hängen bleibt, die er auf dem Weg weg von hier sieht, und er Vashnar darüber informiert.." ..dann ging es ihnen allen an den Kragen. Noch immer redete Lianth davon, mit dem General reden zu wollen und Ysara hatte nun keine Zeit mehr, diesbezüglich auf ihn einzureden. Wenn er wirklich weiter einem Geist nachjagte und zu Kan'egh zurückkehrte, war Ysara überzeugt davon, dass Vashnar die richtigen Knöpfe bei Lianth drücken würde, um zu erfahren, was er wissen wollte. "Sorgt dafür, dass er nichts sieht und bringt ihn zur großen Lagerhalle im Norden", wies sie ihre Freundin an und vermittelte ihr gleichzeitig, dass sie nicht mitkommen würde. Die Lagerhalle lag sowohl in der Nähe des Tores zum Innenring als auch zum Stadttor, durch das Lianth die Stadt verlassen konnte. Es war ein guter Ausgangspunkt und die Wege nicht weit, um sie einem Fremden gut erklären zu können, damit er sein Ziel fand. Jetzt griff Ysara nach den Händen ihrer Freundin und sie sah sie eindringlich an. "Ich muss zu meiner Familie, Sadia. Ich muss wenigstens nachsehen, wie es ihnen geht und ob ich sie in Schwierigkeiten gebracht habe. Ich kann nicht einfach so gehen. Nicht, ohne mich zu vergewissern, dass es ihnen gut geht. Sie sind doch meine Familie." Ysara bemerkte das Brennen in ihren Augen und versuchte, die Tränen fort zublinzeln, die da aufsteigen wollte. Sie hatte es vollkommen verbockt. Sie mochte nicht jeden aus ihrer Familie und sie hatte immer viel dafür getan, ihren Fängen möglichst oft zu entkommen. Aber Familie blieb Familie. Sie hatte Grandea in ihren jungen 20 Jahren noch nie verlassen. Auch wenn sie die Stadt nicht mochte, konnte sie ihr doch nicht einfach so von einem Moment auf den nächsten den Rücken zukehren. Auch, wenn es Cassian gelang, ihre Eltern von einem fadenscheinigen Grund zu überzeugen, wieso sie so plötzlich nach der Feier verschwand, musste sich Ysara erst selbst davon überzeugen, dass sie unversehrt und nicht in Gefahr waren. "Bleibt ihr drei zusammen. Alleine bin ich unauffälliger. Wenn sie mich schnappen, haben die Krähen noch dich." Sie sah Sadia an und nun hatten ihre Augen doch einen feuchten Glanz. Sie umarmte ihre Freundin fest. "Wir treffen uns bei der alten Mühle, ja? Wartet dort auf mich", bat sie und entließ ihre Freundin nur widerwillig aus ihrer Umarmung. Sie wischte sich mit dem Ärmel kurz über Augen und Nase und schniefte.

Dann drehte sie sich zu Lianth herum. "Hier trennen sich unsere Wege. Du gehst mit den anderen mit. Sie bringen dich zu einem sicheren Versteck, von dem aus du gehen kannst, wohin du willst. Aber eines solltest du wissen, Lianth." Und jetzt sah sie auch ihn durchdringend an. "Wenn du dem General von unserem Versteck oder unserem Vorhaben erzählst, werde ich das erfahren und dann bist du lieber schon ganz weit weg. Wir haben .. Kontakte, mitunter übel gelaunt, gefährlich und sehr nachtragend. Verstanden?" Wie schon zum Beginn ihrer Begegnung trug Ysara etwas zu dick auf und traf einen drohenden Unterton, der den Elfen hoffentlich soweit ängstigte, dass er sie nicht verraten würde. "Du solltest wirklich nach Hause gehen. Vergiss' diese Dunkelelfen. Sie trachten dir jetzt nach dem Leben und du solltest dich ebenfalls in Sicherheit bringen", empfahl sie ihm und konnte nur hoffen, dass er ihren Rat annahm. "Passt auf euch auf." Sie nickte Lianth ein letztes Mal zu, ehe sie Sadia noch einmal umarmte, um sich dann auf den Weg zu ihrem Elternhaus zu machen.
Zuletzt geändert von Ysara am Montag 18. Dezember 2023, 21:22, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Lianth » Mittwoch 6. Dezember 2023, 00:35

Noch nicht viele hatten versucht, Lianth die Welt zu erklären. Das lag vor allem daran, dass all seine Kontakte Bewohner der Talsenke Shyána Nelle waren und somit selbst eher ins weltfremde Spektrum fielen, was das übrige Celcia betraf. Shyáner legten im Allgemeinen ein eher naives Gemüt an den Tag. Das galt zumindest für jene, die nie zuvor aus ihrer Heimat herausgelangt waren. Lianth zählte nun nicht mehr dazu, denn er befand sich mitten in Grandea. Hier aber sollte er nicht bleiben. Ysara musste langsam einsehen, dass es keinen Zweck hatte, mit ihm zu sprechen. Sie hatte es wahrlich versucht, doch der Elf mit den grünen Haaren blieb ein Sonnenscheinchen. Nichts konnte seine strahlend reine Seele trüben, nicht einmal die Aussicht auf den eigenen Tod, weil die Dunkelelfen ihn fälschlicherweise als Teil einer kriminellen Gruppierung ansehen mochten. Seine Glaube blieb ungebrochen. Er war davon überzeugt, dass es sich nur um ein Missverständnis handelte und man die Sache mit Reden aus der Welt schaffen könnte. Es kam ihm nicht einmal in den Sinn, dass andere weitaus dunklere Absichten besaßen.
Ysara gab auf. Nicht einmal unbedingt, weil sie es leid war, sondern weil ihr die Zeit davonlief. Sie mussten fliehen oder sie würden erwischt und vermutlich getötet. Dass Lianth eher unfreiwillig in all die Strapazen gezogen worden war, tat ihr aufrichtig leid und sie entschuldigte sich sogar bei ihm, denn er hielt sie und die Krähen ebenfalls nach wie vor als überaus nette Persönlichkeiten. Im Grunde war der Shyáner eine so freundliche Seele, dass man ihn eigentlich recht gern um sich hatte. Zumindest Tami schien es so zu gehen, immerhin verteidigte sie Lianths Argumente und war bereit, nach Morgeria zu ziehen. Nur nicht mit ihm zusammen und auch Ysara sah keine weitere Zusammenarbeit mehr. Da konnte er ein noch so guter Heiler sein. Seine arglose Art, aber nicht zuletzt seine eigene mentale Instabilität, was Morgerias Schrecken betreffen könnte, sagten den Krähen eindeutig, dass er keinen halben Tag dort überstünde. Ihm rannen ja bereits Tränen die Wangen herab, als er eingestand, dass etwas an der Boshaftigkeit des dunkelelfischen Generals dran sein könnte. Für Ysara und Tami stand fest: Es war besser, sie gingen fortan getrennte Wege.
Kurz darauf verfestigte sich diese Entscheidung noch durch Elian und Sadia, die in das Versteck zurückkehrten. Die Lage schien aussichtslos und alle plädierten darauf, so schnell wie möglich zu verschwinden. Ysara fürchtete zwar, diesen Schritt nicht gehen zu können, zog sich dennoch um und packte wie die anderen ein paar wenige Vorräte zusammen.
Und was tat Lianth? Er stand zunächst still im Raum, ein wenig zusammengekauert und unauffällig. Niemand achtete auf ihn, nicht einmal er selbst. Er wand sich in Gedanken und fühlte sich schuldig, dass diese kleine Bande nun ihren Unterschlupf verlassen mussten, weil er die Briefe verloren hatte. So wuchs aus Schuld, was andere als Mut bezeichnen würden und was Lianth nur als das Mindeste ansah, um Hilfe zu bieten. Er war es, der inmitten des Chaos sein Stimmchen erhob und sich zwischen die Krähen und ihre Verfolger stellen wollte. Er würde ihnen den Rücken freihalten, doch wo andere kämpfen würden, da glaubte Lianth nach wie vor daran, es mit Worten der Vernunft versuchen zu können.
"Bist du irre...?"
"Nein?" Lianth blinzelte sie an. Dann lächelte er warm, wenn auch sehr schüchtern und mit dem Blick erneut ihrem ausweichend. Er schien anderen nicht lange in die Augen schauen zu können, ohne sich unwohl zu fühlen. So lächelte er nun eher in sich hinein, aber es trübte seine Entscheidung nicht. "E-es wird sch-schon gut gehen." Er war eindeutig irre, vollkommen wahnsinnig ... und dumm. Darüber hinaus aber auch...
"Du bist mutiger, als du denkst, Lianth."
"D-das ist doch d-das Mindeste, w-was ich-"
"Aber du bleibst auf keinen Fall hier."
"O-oh..." Er machte sich klein und haschte nach seinen Haaren. Der Zopf war schon vollkommen ausgefranst, so oft hatte er ihn inzwischen zum Festhalten herangezogen. Zahlreiche Strähnen hatten sich aus dem Schopf gelöst, so dass er fast schon wie ein wilder, schlanker Busch aussah. Die grüne Haarfarbe machte dabei aber auch einiges aus.
"Sadia!" Ysara winkte ihrer Freundin und wechselte kurze Worte auf Garmisch mit ihr. Lianths Ohren zuckten, allerdings mehr aus Neugier ob der fremden Sprache. Ein paar Mal hatte er sie nun schon in Grandea aufgeschnappt, aber nie lange genug, um sie wirklich als eigenständige Sprache zu identifizieren. Bisher waren es eher Rufe oder Laute gewesen, die an seine Ohren gedrungen waren und er hatte doch noch Schwierigkeiten damit, Vashnars Truppe richtig zu verstehen, wenn sie sich wieder auf Lerium unterhielten. Einzig der Begriff des Feiglings, den konnte er inzwischen auf sich münzen. Lianth mutmaßte dahinter entweder eine waldelfische Bedeutung oder einen Bezug zu seiner Profession als Heilkundiger. Wie sonst sollten die Dunklen ihn schon nennen?
Jetzt aber hörte er nichts annähernd Ähnliches aus dem Gespräch zwischen Ysara und Sadia heraus. Er lauschte offen, aber mit diesem fragenden Ausdruck neugierigen Unverständnisses im Gesicht. Die beiden Frauen mussten nichts befürchten. Lianth verstand offensichtlich kein Wort. Er ahnte nicht, was sie mit ihm vor hatten. Dass er sich dem Verbinden seiner Augen jedoch kaum erwehren würde, geschweige denn könnte, blieb ebenfalls zweifelsfreier Fakt. Sie müssten ihm nur die Notwendigkeit erklären und dabei nicht einmal bei der Wahrheit bleiben. Es genügte eine dämliche Ausrede wie seine Augen vor der Sonne schützen zu wollen oder vor dem traurigen Anblick, den die in den Schlamm getretenen Briefe an seinen Bruder boten. Schon hätten sie das Einverständnis, mit ihm nahezu alles anzustellen, um ihn irgendwohin zu bringen, ohne dass er den Weg zum Krähennest jemals zurückfände.
Nun hieß es Abschied nehmen. Zuerst bei Sadia, die Ysara freundschaftlich umarmte. Dann wandte die Diebin sich an den Elfen. Sie klärte ihn über das Nötigste auf. Er nickte brav, wenn auch mit Bedauern im Blick. Es war schade, die Gruppe nicht begleiten zu können. Er hätte ihnen zumindest auf medizinischer Ebene helfen können. Gerade, als er es Ysara ein letztes Mal anbieten wollte und schon den Mund öffnete, quiekte er fast wie ein Nagetier auf, dem man auf den Schwanz getreten war. Er japste erschreckt, als sie ihm mit Konsequenzen drohte, wenn er auch nur daran dachte, die Krähen an Vashnar zu verraten.
"Wenn du dem General von unserem Versteck oder unserem Vorhaben erzählst, werde ich das erfahren und dann bist du lieber schon ganz weit weg. Wir haben ... Kontakte, mitunter übel gelaunt, gefährlich und sehr nachtragend. Verstanden?"
Lianth nickte hastig, verdrillte mit Schweiß gebadeten Fingern seinen Zopf und nuschelte dann: "A-aber wenn er .... fragt?" Der Elf würde nicht lügen. Er sah keinen Anlass dazu. Oder etwa doch? War dies der Zeitpunkt selbst für einen Lianth Farnhain über seinen Schatten zu springen. Er schluckte, nickte erneut. "I-ich verrate e-euch nicht. I-ich versuch's." Er erstickte fast an dem Versprechen, aber mehr aus Angst heraus, was er da gerade beteuerte. Er erinnerte sich nicht, wann das letzte Mal eine Lüge über seine Lippen gekommen war oder ob überhaupt jemals. Über seinen Hybridenzustand log er gewissermaßen, doch konnte man das Schweigen über Informationen auch schon als Lüge bezeichnen? Er sprach eben nur mit Lavellyn darüber und auch nur deshalb, weil der Bruder das Geheimnis von sich aus erfolgreich aufgedeckt hatte.
"Du solltest wirklich nach Hause gehen. Vergiss diese Dunkelelfen. Sie trachten dir jetzt nach dem Leben und du solltest dich ebenfalls in Sicherheit bringen."
Lianth ließ den Kopf hängen, nickte aber erneut artig. Er konnte immer noch nicht recht glauben, dass Kan'egh es wirklich auf sein und das Leben der Krähen abgesehen hatte. Ja, sie waren in sein Zelt gedrungen. Sie hatten die Schatzkarte mitgenommen und das gefiel ihm bestimmt nicht. Sie hatten schließlich einiges durcheinander gebracht, nicht nur bei seinen Unterlagen und dem Briefverkehr, sondern auch bei der Flucht durch das Festzelt. Aber all das war entschuldbar und sicherlich keine so große Angelegenheit, dass man Leben nehmen wollte. Ein Leben war umso vieles wertvoller. Niemand sollte töten... Lianth glaubte nicht, dass Vashnar es tun würde. Aber wohin nun mit ihm? Zunächst einmal hinaus aus dem Nest der Krähen. Sie würden ihn schon führen, schließlich wollten sie ihm noch die Augen verbinden. Wo sie den Schoßhund des dunkelelfischen Generals dann aussetzten und welchen Weg er anschließend einschlug, würde die Zukunft zeigen. Nach Morgeria ging es für den Shyáner sicherlich nicht, aber ob er auf jeglichem anderen Pfad nicht auch sofort den Löffel abgäbe, wussten wohl nur die Götter. Immerhin wäre er bald vollkommen auf sich allein gestellt ... dieser naive, gutherzige Geselle inmitten eines düsteren Celcias, das ... tötete.
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Re: Das Nest der Krähen

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 6. Dezember 2023, 11:51

Niemand hätte wohl verhindern können, dass sich am Ende alles auf jene Weise entwickelte, die sich nun darstellte. Lianth hatte zu keinem Zeitpunkt aus böser Absicht heraus gehandelt. Auch war er kein Verräter, der die Dunklen zum Nest der Krähen hatte führen wollen. Es war einfach seinem Aufwachsen geschuldet, dass er in keiner Seele einen dunklen Fleck erwartete. Er war naiv, das stimmte, aber er war auch eine Seele, die es wert war, beschützt zu werden. Denn gerade in Grandea hatten doch die meisten Menschen sehr viel mehr Schlechtes erfahren, als gutes und Lianth hatte da das beste Beispiel an der Hand: Farno, der Furunkel-Gauner, der sich an seiner Habe vergreifen wollte und schließlich aus Dankbarkeit sogar nasse Augen bekommen hatte! Lianth’s Art mochte nicht in die Welt von Ysara und den Krähen passen, die seit Jahren einen Kampf gegen Ungerechtigkeiten führten. Ihr Weg lag in dem Finden und Lösen von Problemen. Doch das war nicht Lianth’s Weg. Nicht jetzt. So kam es, wie es kommen musste und für alle wohl der beste Weg war: Sie trennten sich. Sadia erhielt Instruktionen und nickte daraufhin. Sie würden Lianth sicher und schnell durch das Armenviertel bringen können, damit er dort ausharren und schließlich seinen Weg finden konnte. Wie gut, dass er seine Tasche nie ablegte, sodass er alles das, was ihm wichtig war, bei sich trug. Die Krähen packten zügig das Nötigste ein und schon schulterten sie die Rucksäcke. Sadia, Tami und Elian würden nun mit Lianth zum Lagerhaus am Rande des Viertels gehen und anschließend in der Molkerei warten. Lianth konnte seinen Plan, den Krähen noch einen letzten Dienst zu erweisen nicht umsetzen, denn sie ließen nicht zu, dass er sich vollkommen grundlos und ohne echte Chance auf Erfolg opferte. Hierbei ging es nicht um mangelndes Vertrauen in seine Person, sondern um Schutz. Auch Tami hatte Lianth sicher nicht kränken wollen, indem sie ihm sagte, er könne nicht mitkommen. Das Nesthäkchen hatte einfach erkannt, dass der Elf das nicht ertragen konnte. Sie hatte verstanden, dass er eine gute Seele besaß und wollte nicht, dass jene befleckt wurde. Nicht so früh jedenfalls. Noch bevor jedoch Pläne erneut geändert oder Veto’s eingelegt werden konnten, trat Tami bereits an den Elfen heran und hielt eine Bandage hoch. „Zu deinem Schutz. Und zu unserem.“, sagte sie mit einem feinen Lächeln, das durchaus freundlich war. Dann wurde es dunkel um Lianth und einzig Geräusche waren noch wahrnehmbar.

Lianth weiter bei Der Scheideweg

Ysara weiter bei Villa Valerion
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