Ein Tag des Rechts - ein Gerichtstag

Thure Sturmschreier, Anführer der Mantroner, lebt mit seiner Familie in diesem Haus – und seine Familie ist nicht gerade klein. Zu zwölft wohnt man hier und wer Thure sprechen will, besucht ihn einfach. Er behandelt jeden wie ein Familienmitglied.
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Ein Tag des Rechts - ein Gerichtstag

Beitrag von Erzähler » Sonntag 7. Juli 2019, 13:08

(Bilgar kommt von: Bilgars Elternhaus)

Der Tag war klar und sonnig und nichts trübte den Himmel. Sonnenstrahlen glitzerten im frisch gefallenen Schnee der Nacht und verzauberten die Eislande in eine Märchenwelt. Fast hätte Bilgar glauben können, dass sich im Glanze dieses Lichts heute alles zum Guten wenden würde, doch sein schmerzendes Bein sagte etwas anderes.
Es standen ihm stürmische Zeiten bevor, dass spürte er in allen Knochen. Misstrauisch betrachtete er den blauen Himmel und fühlte wie Ventha scheinheilig auf ihn herab lächelte. Es war zu still, zu ruhig, als braute sich etwas zusammen.

Nur wenig später schoben sie sich zwischen den Schaulustigen vor Thure Sturmschreiers Langhaus hindurch. Es hatte anscheinend schon die Runde gemacht, dass einmal wieder Recht gesprochen werden würde. Ein kleine Traube von Mantrons Einwohnern drängten sich vorm Eingang und reckten neugierig die Köpfe. Das Stimmengewirr ließ kaum etwas verstehen, nur vereinzelten Worte und hier und da fiel der Name Olofs oder Jennas. Einer der Getreuen des Anführers achtete darauf, dass nicht zu viele Menschen das Haupthaus betraten, denn es war schon ziemlich voll. Man hatte das Haupttor offen gelassen und warme Luft drängte aus dem Inneren hinaus. Als Fin Eisläufer, der den Torwächter heute mimte, Bilgar sah, winkte er ihn lautstark seinen Namen rufen durch und wies ihn an nach vorne zu gehen, vorbei an der langen Feuerstelle, in der rosige Glut brannte und weiter nach vorne, wo Thure und seine Frau Elin auf ihren thronartigen Stühlen saßen.
Sie bahnten sich ihren Weg zwischen den neugierig sie beobachtenden Mantronern und in Bilgars Bauch bildete sich wieder diese Knoten, wie damals, als er beim jugendlichen Diebstahl des Trockenfleischs erwischt worden war. Für die kleinen Details um ihn herum hatte er gerade gar kein Auge und auch Aria sah nichts von den Schnitzereien, die überall die Balken verzierten und von der Geschichte Mantrons erzählten. Sie liefen dicht vorbei an der Feuerstelle, dessen steinerne Umrandung Bilder und sogar manch eine Rune zierte. Hier in der Halle standen jetzt die Leute dicht gedrängt und nur weiter an den Seiten des Langhauses saßen noch einige der älteren Jahrgänge, an den Tischen, auf den mit Fell gepolsterten Bänken. Insgesamt war es ziemlich voll.
Als Bilgar und seine Mutter das Podest erreichten, dass Thure ermöglichte die ganze Halle zu überblicken, zog eine Bewegung kurz seine Aufmerksamkeit auf die ledernen grob verwobenen Vorhänge, die Thures privaten Räume nach hinten abteilten. Drei seiner 13 Kinder, hielten sich dort halb offensichtlich versteckt um das Geschehen zu belauschen. Eines hielt ein gekochtes Ei in den Händen und kaute in kleinen Happen darauf herum. Der Anblick ließ Bilgars Magen leise knurren, was im allgemeinen Gemurmel vollkommen unter ging. Hungrig und ohne Frühstück, mit schmerzendem Bein, aber wenigstens ausgeschlafen, nahm er mit seiner Mutter den Platz zur Linken neben Jennas Familie ein. Auf der anderen Seite sah er Olof mit breit geschwellter Brust siegessicher grinsen. Neben ihm standen seine Eltern. Ansgar Eisenherz war ein angesehener Schmied mit gutem Ruf und Einfluss und seine Frau Bjarka Immerstich eine gesprächige Näherin die meistens in einer Traube aus lustigen Klatschweibern unterwegs war. Vielleicht kannte Aria sie deswegen. Wenn man die beiden so nebeneinander stehen sah, so war ganz klar, wer von beiden das Regime im Haus führte. Bjarka hielt ihre Nase hoch erhoben und trug eine deutlich feinere Gewandung mit hübschen Stickereien, als die der meisten Frauen hier. Ihr Mann hingegen wirkte, als sei er mit seinen Gedanken ganz wo anders. Olofs Mutter stand auch näher bei ihrem Sohn und tätschelte immer wieder in stolzer Geste die Hand, oder den Arm ihres Lieblings, was ein leichtes Zucken in seinem Gesicht auslöste, dass man nicht recht deuten konnte. War es ihm unangenehm? Oder war er einfach angespannt, trotz seiner offensiven Siegerpose.
Bilgar sah sich noch einmal um.
Außer den Beteiligten des gestrigen Vorfalls, erkannte er noch viele Gesichter. Er war ein Kind Mantrons und manch einer nickte ihm wohlwollend zu. Manch einer schaute zweifelnd, andere schüttelten nur den Kopf. Ein jeder war hier um sich das Urteil Thures anzuhören. Wen er aber nicht sah, das war Eirik! Er sah die Schiffsbauerfamilie, den Vater, Mutter und die Geschwister, aber Eirik selbst war nirgends zu sehen. Der Vater schaute sich etwas verlegen drein.
Dann erhob sich Thure und es wurde schnell leiser und dann still. Alle Gesichter drehten sich zu ihm.
„IN DER WELT DA DRAUSSEN NENNT MAN MICH - ANFÜHRER DER FREIEN!“
, hob er an zu sprechen und seine Stimme drang weit, klar und machtvoll hinaus bis zum lebten Einwohner der Stadt.
„DER FREIEN, WEIL EIN JEDER VON UNS FREI IN SEINEM WILLEN, FREI IN SEINEN TATEN UND FREI IN SEINEN ENTSCHEIDUNGEN IST!“
Jetzt war es vollkommen still in Mantron, denn nun sprach sein Anführer.
„UND SO FREI WIE WIR SIND, SO STEHT EIN JEDER AUCH FÜR SEINE TATEN EIN. AM HEUTIGEN TAGE WIRD RECHT NACH UNSEREN GESETZEN GESPROCHEN!“
Thure begann ein wenig hin und her zu laufen und näherte sich dabei mal der einen und der anderen Partei des Streits.
„ES STEHT WORT GEGEN WORT. ZWEI GESCHICHTEN WURDEN ERZÄHLT UND NUR EINE TRÄGT DEN KEIM DER WAHRHEIT IN SICH. MEINE TAPFEREN...!“
Er wandte sich zur Mitte der Halle und sah einmal zu Olof, einmal zu Bilgar.
„ZWEI MÄNNER WOLLEN IHREN NAMEN EHREN. DER EINE...“
Damit wandte er sich mit ausgestrecktem Arm an Olof und sprach:
„... DER EINE SPRICHT VON SORGE UND DEM WUNSCH EINEM MÄDCHEN DIE LAST ABZUNEHMEN, SIE ZU BEGLEITEN UM IHR ZU GEFALLEN. ER WURDE ANGEGRIFFEN UND MIT DER KLINGE BEDROHT, NIEDERGESCHLAGEN UND FÜHLT SICH ENTEHRT.“
Damit wanderte der andere Arm zu Bilgar:
„DER ANDERE SPRICH VON ARGLIST, RÄNKESPIELEN UND EINEM VEREITELTEN ÜBERFALL AUF DIE UNVERSEHRTHEIT DES KEUSCHEN MÄDCHENS. ER RETTETE DIE FREUNDIN VOR ÜBERGRIFF UND SCHANDE.“
Er ließ beide Arme wieder sinken und fuhr fort:
„VIELE ZEUGEN WURDEN GEHÖRT UND DIE WAHL STEHT AUF MESSERS SCHNEIDE. SO FRAGE ICH, WENN JEMAND NOCH ETWAS ZU BERICHTEN WEIS, MÖGE ER JETZT SPRECHEN!“
Einen Moment war es fast, als könnte Bilgar seinen eigenen Herzschlag hören. Es war so still, dass man unmöglich glauben konnte, dass sich hier gerade über 50 Mann dicht an dich zusammen drängten. Dann erhob sich Elin Meersegen und trat an die Seite Thures.
„Es wurde nach Eirik Eulenruf gesucht. Hat ihn jemand gesehen?“
Einige Gesichter wandten sich fragend einander zu und nun wurde leise getuschelt. Eine Frau, die alte Dagny, die immer besonders früh zum Waschen raus ging, drückte sich langsamdurch die Menge nach vorne.
„Ich...“
Sie kam an und atmete einmal tief durch.
„Ich hab heute in aller Frühe einen Mann mit Schlitten fort fahren sehen. In Richtung der Nordwälder zur Eiskanalenge.“
„Könnte es Eirik gewesen sein?“
„Ja, aber auch jeder andere.“
„Das hilft uns leider nicht weiter. Hab Dank, Dagny. Gebt ihr warmen Met für ihre müden Knochen.“

Elin wandte sich wieder ihrem Mann zu.
„FIN EISLÄUFER! WENN WIR HIER FERTIG SIND, FOLGE IHM. BRING IHN ZURÜCK WENN DU KANNST!“
Elin wandte sich an die Mutter Eulenrufs:
„Hat dein Sohn gestern irgendetwas erzählt als er nach Hause kam?“
„Nein, er war still. Er meinte, er wäre müde und ist gleich zu Bett.“

Eine kleine Pause entstand und plötzlich schaltete sich Bjarka Immerstich ein:
„Ich weis überhaupt nicht was das bringen soll! Mein Olof spricht die WAHRHEIT! Er ist so ein guter Junge! Immer fleißig und ein HELD! Ich schäme mich fast euch erinnern zu müssen, dass er gegen den SCHRECKEN DER TIEFE gekämpft hat! ER ist hier das Opfer falscher Beschuldigungen!“
Dabei strich sie ihrem viel größeren „Jungen“ über die Wange, der erst etwas zuckte, dann aber wieder stolz vor sich hin grinste.
„Mein Olof hat mir alles berichtet! Er wollte doch nur mit seinem Freund feiern, weil er halt ein HELD ist! Er wollte eine feine Flasche Wein! So einen teuren Tropfen, die ihr dummen Hornochsen euch nicht einmal leisten könntet, wenn ihr das ganze Jahr über...“
Sie hatte angefangen zu schimpfen, räusperte sich jetzt aber und sprach wieder mit melodiöser Stimme weiter:
„Entschuldigung! - Mein Olof wollte einen feinen Tropfen, hat ihn bestellt und gesehen, dass Jenna viel zu dünnen Gewändern an hat um den Wein aus dem Lager zu holen, wo er ja sein musste. Mein Olof hat Ahnung von Gewändern! Ich bin ja schließlich seine Mutter! ...und ist dann dort hin, wo jeder Mann einmal hin muss. Auf den Topf! Ja! Und bevor er zurück kam, da dachte er sich, seinen Mantel anzubieten! Also hat er sich also nur gesorgt. Mein Olof ist ein feiner Junge! Ist ihr doch nur zur Lagerhalle um ihr zu helfen, den Wein zu tragen und da war nichts arglistiges dabei! Er hat sie halt abgefangen und ganz offen ist er an sie heran getreten. Durchs Vordertor ist er rein, hat auf sie gewartet und plötzlich griff ihn dieser kleine Dieb an! Ihr wisst doch noch, dass er das Trockenfleisch gestohlen hatte?! Wollt ihr so einem wirklich glauben?“
Ihr Entsetzen war anscheinend so überzeugend, dass sich einige nun Bilgar genauer ansahen und er gerade froh war, gewaschen und mit sauberer Kleidung hier her gekommen war. So im Mittelpunkt zu stehen war sicher nicht angenehm. Aria ballte die Fäuste an ihrer Seite und Bilgar vermutete schon, dass sie gleich zu einer heftigen Erwiderung oder schlimmeren ansetzen würde, da trat jemand vollkommen unerwartetes aus der Menge.
Norna Wolfsruf hob die Hand und bat um Gehör.
„Hab ich das richtig verstanden, Olof ist von vorn in das Lagerhaus um Jenna seinen Mantel anzubieten und ihr den Wein zu tragen?“
„So ist es!“

, sprach seine Mutter mit Nachdruck. Olof nickte eilig und bestätigte:
„Ja, so war es. Ich dachte mir, sie könnte frieren und wollte nicht, dass sie vielleicht den guten Tropfen des Zitterns wegen noch fallen lässt. Allein deshalb wollte ich zu ihr, ihr zuvorkommen und “
Norna hob die Brauen und stemmte eine Hand in die Hüfte.
„Und warum hab ich dich dann auf der Rückseite der Lagerhalle gesehen, wie du da hinein bist?“
Olof blinzelte.
„Nein, ich war... ähm... vorne... Ist das wichtig?“
„Thure, Elin, ich melde mich als Zeuge für Bilgar Schneeblick!“
Ihr Blick wanderte kurz zu Jenna und Bilgar und sie lächelte flüchtig um dann ernst fort zu fahren. Norna war eine der angesehensten Personen in Mantron und ihr Wort hatte Gewicht.
„Einer meiner Welpen ist mir gestern entwischt. Der kleine Raufbold mit den schwarzen Ringen um die Augen. Du hast ihn gestreichelt, als du letztens bei mir warst. Der der so gerne schwimmt.“
Thure nickte und lächelte versonnen wie es nur ein Riese mit riesigem Herzen tun konnte. Norna merkte aber schnell, dass sie vom Thema abkam und fuhr fort:
„Ich bin gestern noch spät unterwegs gewesen um ihn am Hafen zu suchen, da habe ich jemanden an den Lagerhäusern herum schleichen sehen. JA ich meine *herum schleichen*, denn die Körperhaltung ließ darauf schließen, dass derjenige nicht gesehen werden wollte! Also bin ich näher und hab gesehen wie jemand in Ulmgars Lager von HINTEN rein ist. Da hab ich meinen kleinen heulen hören und bin aber weiter gegangen. Hab ihn leider nicht gefunden. Der Wind heulte diese Nacht lauter als mein kleiner Welpe. Bin später noch mal am Lager vorbei, aber da war niemand. Bin nach Hause und höre heute von dem Trubel um Jenna. Aber dass Olof hier jetzt erzählt, er wäre vorne rein, weil er doch so ritterlich und ehrenhaft ist, das halte ich für gelogen.“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust, was diese wirklich nett betonte. Ihr dunkelrotes Haar fiel in weichen Wellen lang über die Schultern und einzelne Zöpfe hielten es in Form. Die grünen Augen funkelten Olof an und man könnte meinen, dass sie ihn von Anfang an nicht so recht gemocht hatte.
„Und wenn das hier weiter geht, möchte ich betonen, dass ich die Letzte war, die Imke Sternenblick gesehen hat. Ich war es, die ihr vier meiner besten Wölfe gab.“
Thure sah verwirrt drein und auch Elin wirkte nicht so, als wüsste sie, was gemeint war. Olof hingegen verkrampfte sich und die Adern an seinen Schläfen traten hervor, so fest biss er wohl die Zähne zusammen.
„Also wenn Bilgar nicht auch auf der Hafenseite die Lagerhalle betreten hat, dann kann das nur Olof gewesen sein.“
Nun drehten sich wieder alle Köpfe zu Bilgar und Elin fragte:
„Wo bist du in das Lagerhaus hinein?“
und Thure schaute so streng, als würde jede weitere Lüge in seinem Heim zum sofortigen Verlust eines Körperteils führen. Aria sah zu ihrem Sohn auf und zittrige Hoffnung lag in ihren weichen Zügen und vielleicht war Bilgar gerade ein bisschen glücklich, dass er ein Detail über den Ort des „beinahe Verbrechens“ wusste, dass er zur Not auch beweisen und seine Glaubwürdigkeit steigern konnte.
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Re: Ein Tag des Rechts - ein Gerichtstag

Beitrag von Bilgar Schneeblick » Montag 15. Juli 2019, 02:00

Wir kommen zu spät!“ Erneut trieb die autoritäre Stimme der Mutter ihren Sohn zur Eile an und immer wieder fragte sich dieser, was der Grund für einen gemeinsamen Aufbruch gewesen sein mochte. Egal wie skeptisch sein Blick auch war, die lächelnde Maske der pelgarischen Frau konnte er nicht durchschauen. Am Ende gab Bilgar auf, ließ das Rätsel auf sich beruhen und fasste den Entschluss zu glauben, es wäre ein Zeichen mütterlicher Fürsorge und Zuneigung. Während die schweren Schritte den frisch gefallenen Schnee knirschend unter sich begruben, fasste er mit der nackten Hand in den schmalen Lederbeutel an seinem Gürtel. Die dort aufbewahrten Stücken Trockenfleisch sollten seinen aufkeimenden Hunger besänftigen. Doch selbst nach wiederholtem umpflügen des Inhalts, konnte Bilgar keinerlei Leckerbissen mehr finden und stellte mit enttäuschter Miene fest, dass er bereits jeden Rest Proviant verspeist hatte. Dennoch knurrte der Magen unaufhörlich. Ein ausgedehntes Morgenessen war unabdingbar für einen Menschen seiner Größe und Statur. Doch hatte die lange Nacht und der daraus resultierende, tiefe Schlaf ihm ein solches verwehrt. „Du trödelst schon wieder!“, tadelte Aria und stemmte ihre Hände in die Seite. Schneeblick hatte nicht bemerkt, dass ihn die Suche nach der Wegzehrung so stark verlangsamt hatte. Entschuldigend hob der Jäger die Hand und schloss eilig zu ihr auf. Doch mehr als ein Seufzen und ein wenig ernst gemeintes Kopfschütteln bekam Bilgar nicht als Antwort. Während ihres Weges stellte der junge Mann etwas sehr seltsames fest: Der klare Himmel und das kristalline Glitzern des Neuschnees in der mittäglichen Sonne, hätte viele Stadtbewohner an die frische Luft locken sollen, aber es war niemand zu sehen. Aus der Ferne hörte man das metallische Klirren der Schmieden und das dumpfe Schlagen der Holzfäller, dennoch fehlte die alltägliche Geräuschkulisse und das rege der Treiben der Menschen. Neugierig sog der Jäger die Luft ein und versuchte den bekannten Geruch einer Mahlzeit wahrzunehmen. Jedoch war niemand mit der Zubereitung beschäftigt. An den tiefen Spuren war zu erkennen, dass irgendetwas die Leute aus ihren Hütten und durch die Straßen, in Richtung der nahen Anhöhe getrieben hatte. Allerdings war dies nicht die Zeit für krude Rätsel oder deren Lösung. Aria und ihr Sohn mussten zu Thure gelangen und das bevor das Himmelsgestirn den Zenit erreichen würde. Schnell riss er sich von den Gedanken los und prüfte nochmal den Sitz seiner Haare. Nicht das ihn ein glanzvolles Äußeres interessierte, aber so wie bei der Jagd, oder beim Ausnehmen der Tiere, war die Länge seiner Frisur eher hinderlich und musste daher mit einem Riemen in Zaum gehalten werden. Dennoch würde er sich um nichts in seinem Leben von der Mähne auf seinem Kopf trennen - Es war Ausdruck seiner Art von Freiheit. Ein Gut, welches in den nächsten Stunden zum Verlust werden könnte, je nachdem was passieren würde. Just in dieser Sekunde hob die Strecke an und die grünen Augen konnten über die Dächer Mantrons blicken. Tatsächlich gab es nur wenige Feuer und viele Schlote und Rauchlöcher blieben kalt. Vereinzelt sah man Schlitten und Fuhrwerke die schmalen Gassen passieren. Viele der Fahrer grüßten einander und hielten sogar für ein kurzes Gespräch, denn es war stets wichtig die neusten Informationen auszutauschen. Auch Bilgar hielt es damit. Über seine Bekanntschaften und Freunde war es oft ein Leichtes einen Abnehmer für Felle, Fleisch oder Trophäen zu finden. Erst vor Kurzem tauschte Jorn, Sohn von Finbar Langarm, ein paar Pfeile gegen ein paar Wildschweinhauer. Da sich so etwas häufig lohnte und ein gutes Bild auf die jeweilige Profession warf, gab der junge Mann dieser Form des Handels vortritt vor der des Ostens. Als sich die beiden unbekannten Männer wieder trennten, kam es ihm in den Sinn, nach der Verhandlung nach der Ware im Hafen zu sehen und diese gegebenenfalls zum Besuch der Immerdurst-Taverne mitzunehmen. Kopfschüttelnd besann Bilgar sich auf die aktuelle Situation und schalt sich selbst einen Wirrkopf, jetzt Pläne für die Zukunft zurecht zu legen, obwohl es wichtiger war im Hier und Jetzt zu verweilen, um in der nahenden Verhandlung nicht zu versagen. Seine Mutter hatte Recht und er sollte sich nicht mehr ablenken lassen. Es war zweifelsohne riskant die sieben Sinne nicht bei sich zu haben – Mehr denn je, da nicht nur seine Ehre, sondern die von Jenna, Jan und vermutlich auch Ulmgard auf dem Spiel stand. „Ich bin sehr gespannt, was uns dort erwarten wird.“, verrieten die Gedanken des Jägers und sein Herz machte einen Hüpfer, denn es wollte dem Knoten ausweichen, welcher sich kurz in dessen Magen bildete. Es fühlte sich alles an, als würde man zu einer Eisbärenjagd aufbrechen oder ein Rudel Wölfe in Fallgruben locken. Man wusste zwar, wie es ablaufen und was man für ein Ergebnis erwarten sollte, doch der Weg dahin und vor allem das Ende waren stets unvorhersehbar. Entschlossen und willens sich dieser Beute zu stellen, spannte Bilgar kurz die Muskeln an und schüttelte all' die Gedanken von sich, damit das Ziel klar erkennbar vor ihm lag: Olof musste auf seinen Platz verwiesen werden. Ein Wolfsrüde mit dem Gesicht Eisenherzes entsprang seiner Fantasie, welcher sich, einem Fingerzeichen folgend, auf einem Platz in der Ecke zusammenrollte. Diese Vorstellung zauberte ein selbstsicheres Grinsen auf die spröden Lippen Schneeblicks. Mit dieser fest eingebrannten Miene, schritt er weiten Schrittes an seiner Mutter vorbei und der Halle ihres Anführers entgegen. „Ich muss dich hoffentlich nicht tragen, Mutter.“, feixte Bilgar noch, bevor sein Umhang um die Ecke des nächsten Hauses verschwand.

Bald schon wusste das Grünauge, wo all' die Leute waren, die er beim Spaziergang durch die Gassen nicht finden konnte. Das Stimmengewirr war weit zu hören und man konnte meinen es wäre Markttag. Auf dem Weg zum großen Tor des Haupthauses stießen immer wieder kleine Grüppchen zum Gespann aus Mutter und Sohn dazu. Viele waren in tiefe und teilweise hitzige Gespräche vertieft, so dass es nur selten zu einem Gruß kam und man konnte sich bereits glücklich schätzen, dass die wenige Aufmerksamen zumindest mit einem Nicken das gegenseitige Wahrnehmen bestätigten. Viele Wortfetzen erreichten den Jäger und ließen kaum Raum für Spekulationen. Ein paar gealterter Männer, etwas gebeugt und mit drahtigen Haaren in den Ohren, fachsimpelten über die unterschiedliche Kognition von jung und alt. Sie warfen mal mit Erfahrung um sich, mal mit Klatsch und verstrickten sich alsbald in einem Netz aus Vermutungen und Wiederholungen. Bilgar empfand es als lästig, wenig informativ und kaum wertvoll genug, um weiterhin zuzuhören. Aria und er kämpften sich durch eine 'Herde' Waschfrauen, welche immer noch nach gekochtem Wasser rochen, als sie am anderen Ende der Versammlung den Torwächter erblickten. Für diesen war es aktuell unmöglich das Gespann zu sehen, denn bei den vielen Menschen hier, gingen die beiden natürlich unter. „Wir müssen uns wohl oder übel durch die Meute hier schlagen.“, kommentierte Aria seufzend und folgte damit Bilgars Gedanken. Von überall drangen nun Mantroner zusammen und der Platz wurde zusehends kleiner. Jeder wollte sehen was bei Sturmschreier stattfand und ein jeder schien seine Meinung mitzubringen. Eine Gruppe Wachen, die wohl erst heute Morgen den Dienst angetreten hatten, mutmaßte eine kriegerische Handlung durch Nachbarvölker oder Piraten. Viele der herumlaufenden Kinder waren daran interessiert, wie schnell diese Veranstaltung beendet wäre, da sich wohl mit den Eltern gekommen waren und auch erst mit diesen wieder gehen durften. Selbstverständlich gab es auch gut informierte Menschen, diese wussten um die Dinge, welche in dem Lagerhaus stattgefunden haben mochten. Jeder bildete sich aber seine Meinung und daher sah der junge Jäger nicht nur aufrichtige und freundliche Gesichter, sondern auch Ablehnung und gespieltes Desinteresse. So oft er konnte, schüttelte Schneeblick Hände oder erwiderte ein anerkennendes Schulterklopfen. Gerade alte Freunde seines Vaters blieben für aufmunternde Worte stehen und manchmal auch, um etwas mehr zu erfahren, womit man dann in einer der umherstreifenden Klatschrunden prahlen konnte. Doch immer bevor sich der junge Mann, sich seiner Art nicht erwehrend, zu einem kurzen Gespräch niederlassen wollte, schob ihn Aria weiter und verwies, höflich, auf die Dringlichkeit seiner Ankunft. Nicht zu selten warf man dann die Arme in die Luft, fluchte kurz und versuchte dann einen guten Platz in der Menge zu finden. An solchen Tagen wurden vielen Bewohnern Mantrons bewusst, dass diese wenigen, wichtigen Ereignisse den Stoff für viele unterhaltsame Nächte boten. Bereits jetzt wusste Bilgar, egal was am Ende des Tages passieren sollte, dass sich die Weiber den Mund zerreißen und die Männer Tischgespräche darüber führen werden. Endlich waren Aria und ihr Sohn so dicht an das Haupttor herangekommen, dass sie vom dortigen Wächter bemerkt wurden. Dieser reckte einen Arm in die Luft und schob mit dem anderen ein paar der Leute aus dem Weg, welche sich sofort lautstark beschwerten. Das allerdings ignorierend, hob der Mann an und brüllte Schneeblicks Namen über alle hinweg. Als ob es nicht ausreichen sollte, dass nun viele ihre Gespräche unterbrachen, wiederholte der Dummkopf das Spektakel noch ein paar Mal. Jetzt hatte Bilgar das Gefühl von jedem Augenpaar auf dem Platz angestarrt zu werden. Beim hinaufsteigen der steinernen Stufen erkannte er Fin Eisläufer und gab ihm einen freundschaftlichen Hieb gegen den Oberarm. „Wie ein Eber auf der Bache, Dunghirn!“, kommentierte Schneeblick seinen Schlag, ging weiter und konnte hören, wie Fin den restlichen Gästen den Zugang verwehrte, denn es wurde sich lauthals darüber beschwert. Erst jetzt, wo er die Wärme der Feuer im Inneren spürte, fühlte sich Bilgar an seine Jungendzeit erinnert, als man ihn beim Diebstahl von Trockenfleisch erwischte. Die damalige Strafe war im ersten Moment eher harmlos, denn man verurteilte ihn zu Hilfsarbeiten bei der alten Jaila Vielwort. Die unzähligen, sich ständig wiederholenden Geschichten, die er dabei ertragen musste, waren die eigentliche Strafe und der schadenfrohe Ausdruck in Elins Gesicht, jedes Mal wenn sie den Vollzug kontrollierte, war der Beweis, dass es auch so gedacht war. Erneut schnürte sich sein Magen zusammen. Allerdings konnte Bilgar nicht sagen, ob dies eine Folge der Erinnerungen oder des Hungers war. Das sein Magen in diesem Moment aufheulte, machte die Entscheidung jedoch weniger schwierig. Der Jäger beschloss, dass er sich ablenken musste, bevor seine Zunge die alten Töpfe und Pfannen an den unzähligen Brat- und Feuerstellen ablecken würde. So entgingen ihm zwar die reichlichen Verzierung in diesem alten Haus, aber ihm viel auf, dass sich sehr viele Menschen für diese Sache zu interessieren schienen. Selbstverständlich war eine Rechtsprechung immer etwas Aufregendes, aber in seiner Erinnerung war die Halle deutlich weniger stark gefühlt als es um seinen jugendlichen Diebstahl ging oder um Kippas, Thorn's Sohn, unerlaubten Schlittenritt im vorletzten Spätsommer. Die jüngeren Vertreter sammelten sich meist hinter den Bänken und Tischen, damit die alte Generation noch etwas sehen konnte, ohne die müden Knochen beanspruchen zu müssen. Doch hier war die Neugierde etwas geringer als noch vor wenigen Momenten auf dem Platz. Vermutlich lag es daran, dass sich unter den Anwesenden der Grund für das Gericht bereits ausgiebig herumgesprochen hatte. Die meisten Besucher aßen, tranken oder feixten miteinander. Doch nicht jeder war so ausgelassener Stimmung. Zwischen den Zugegenen sah man auch nervöse und ungeduldige Personen. Dort war Kippa, dem es sichtlich schlecht ging, höchst vermutlich aus den selben Gründen wie ihm. Der etwas beleibte Kerl war im Grunde herzensgut, aber etwas tollpatschig. Da Thorns Sohn bei seiner Irrfahrt den Schlitten zerbrach, musste er diesen und einen weiteren nachbauen. Es waren schwere drei Monate. Als sich die Blicke der beiden Mantroner trafen, nickte dieser unwirsch zum Podium. Unweigerlich folgte der Jäger und sah, dass man wohl geduldig, aber bestimmt, seine Ankunft erwartete. Ein dankbares Nicken erfolgte, dann trat das ungleiche Gespann endlich vor Thure Sturmschreier und seine Frau. Aria wirkte zwischen all' den riesigen Vertretern der Westländer wie eine Kleinwüchsige. Eher als könnte sie die Tochter von jemanden sein. Doch nichts an ihrer Erscheinung oder ihrem Verhalten verriet etwas von Unsicherheit. Ganz im Gegenteil. Ihre Ausstrahlung ar makellos und zeugte von Stärke, Vertrauen und Durchsetzungsvermögen. Gerade Bilgar wurde in solchen Momenten klar, was sein Vater an dieser ostländischen Frau anziehend fand und hoffte, einstmals auch so jemanden zu finden. Unweigerlich suchten seine Augen Jenna. Doch statt der Wirtstochter erweckte eine Bewegung hinter dem Anführer der Freien seine Aufmerksamkeit. Dort waren Kinder und naschten halb versteckt ein paar gekochte Eier. Schneeblicks Magen knurrte wie ein wütender Dachs. Ein merkwürdiger Druck baute sich in seinem Innersten auf und verlangte sehr deutlich nach Nahrung. Allerdings musste sich Bilgar immer wieder selbst sagen, dass es wichtiger gewesen war, sauber und ausgeschlafen zu sein, statt satt. Zudem, so fand er weiteren Zuspruch durch seine innere Stimme, wäre niemand gestorben, nur weil man auf die erste Mahlzeit des Tages verzichten musste. Und trotzdem: In diesem Moment hätte der Jäger lieber das gekochte Ei, als den Willen ohne es weiterzumachen. Den Traditionen entsprechend grüßten Aria und ihr Sohn Thure mit der Hand auf dem Herzen. Ein Zeichen, dass das Innere spricht und nicht nur die Zunge. Eine wichtige und gern gesehene Geste bei den Verhandlungen. Nachdem Sturmschreier seine Erwiderung beendet hatte, nahmen die beiden letzten Ankömmlinge endlich Platz.
Sie durften neben Jenna, Jan und ihrem Vater verweilen. Auf der anderen Seite der Halle saß der Abkömmling einer verlausten Bergziege und ihres stummen Bockes. Eben in diesem Moment formte sich eine gut durchdachte Beleidigung in seinem Kopf. Die Lungen des Jägers füllte sich und kurz bevor ihm ein Muttersöhnchen über die Lippen kam, wurde ihm bewusst, dass Aria direkt neben ihm saß. Niemand hier wusste, dass Bilgar seine Mutter nicht hatte dabei haben wollen. So würde er sich nur selbst in Bockshorn jagen. Also entwich die angesammelte Luft unverrichteter Dinge. Jenna und Jan sahen zu ihrem Freund herüber, da es sich angehört haben musste, als würde dieser schwer seufzen. Seine Hände hoben sich zur Abwehr, als Jenna stumm nach seinem Wohlbefinden fragte. Verstohlen versuchte der junge Mann in ihrem Gesicht zu lesen, doch da wandte sich die Wirtstochter wieder ihrem Bruder zu und begann eine leise Unterhaltung. Damit er nicht ununterbrochen seine Stiefel anstarren musste, entschloss sich Bilgar die Gegenseite etwas genauer anzusehen. Eine kräftige, etwas in die Jahre gekommene Frau, flankierte Eisenherz und musste wohl die Mutter des Hundes sein. Ihren Namen kannte Schneeblick bereits, aber bisher gab es weder Gelegenheit, noch Wunsch, ihr leibhaftig zu begegnen. Es gab einige Gerüchte über ihre 'Häuslichkeit' und dass sie ihren Mann ordentlich bei der Knute hielt. Kein sehr erstrebenswertes Ziel für einen Mantroner und daher kam es nie über das Gerede hinaus. Allerdings, jetzt wo er sie vor sich stehen sah, wunderte ihn ein Funke Wahrheit in den Erzählungen nicht mehr. Dabei war dieser Kerl von Mann ein stadtbekannter Schmied. Bilgar hatte bei diesem sogar ein paar Werkzeuge ausbessern lassen. Die stumme und unterwürfige Art machte Schneeblick stutzig, da er den älteren Eisenherz sonst immer als lebensfrohen Kerl wahrgenommen hatte. Zumindest nahe der glühenden Esse. Doch all' diese Fragen und Vermutungen verblassten vor dem arroganten Gesichtsausdruck Olofs. Seine breiten, grinsenden Lippen waren so in seine Mimik eingemeißelt worden, wie Runen in Stein. „Widerlich.", waren seine knappen Gedanken. Selbstverständlich entging es dem Jäger nicht, dass die Nähe zu Bjarka ihrem Sohn arg zu schaffen machte. Bei jeder Berührung verlor sich der Ausdruck in dessen Gesicht für einen winzigen Augenblick. Was genau das zu bedeuten hatte, darauf konnte und wollte sich Bilgar jetzt keine Gedanken machen. Kurz bevor Thure das Wort erhob, wanderten die grünen Augen Schneeblicks noch einmal durch die Halle. Es war nun viel ruhiger als vorher und die alten Teilnehmer dieser Versammlung wusste, dass es alsbald beginne würde. Viele grüßten ihn ein letztes Mal oder warfen einen alles vernichtenden Blick in seine Richtung. „Das kann ja mal wieder lustig werden!“, murmelte Bilgar. Jenna, die ihn in diesem Moment beobachtete hatte, versuchte ein schwaches Lächeln. Sie war wohl etwas nervös. Ob es ihr erstes Gericht war? Nichtsdestotrotz hob der junge Mann seine Hand und vollführte eine selbstsichere Geste. Just zu diesem Zeitpunkt hob Thure an zu sprechen und als die grünen Augen ihren Anführer fixierten, nahm Bilgar aus dem Augenwinkel die Eltern Eulenrufs wahr. Doch Eirik selbst war nicht dort. Um zu protestieren, stemmte sich der junge Mann nach oben. Doch auf halben Weg durchzog ein unbedachter Schmerz sein Bein, zwang ihn zurück und machte es unmöglich, den Beginn des Gerichtes zu verhindern.
Immer wieder ging ein Raunen durch den Raum. Dann folgte eine Welle aus 'Aha' oder 'Oh', bevor Sturmschreier die Anklage beendete und Elin die Frage stellte, welcher sich auch Bilgar nicht erwehren wollte: Wo Eirik war! Lange konnte oder wollte sich niemand dazu äußern. Erst nach einem kurzen Moment schob sich die alte Dagny durch die Bänke, Tische und Menschen. Sie verwies auf einen Schlittenfahrer am frühen Morgen mit Richtung Norden. „Dieser feige Mistkerl. Das darf doch nicht wahr sein!“, fluchte Bilgar nun lauter. Das es jeder hörte, störte den Jäger nicht. Die meisten Bewohner der Stadt wussten um seine direkte und offene Art. Das man Eisläufer mit der Jagd beauftragte, schmeckte dem jungen Mann gar nicht. Die Suche wäre ihm ein Vergnügen gewesen und Erik hätte man am Kragen seines Mantels in diese Halle geschliffen. Doch als Teilnehmer und Angeklagter war ein Verlassen nicht ohne Weiteres möglich. Gerade als man sich darauf verständigt hatte, ob es Auffälligkeiten in Eulenrufs Verhalten gegeben hätte, mischte sich Immerstich ein und verteidigte ihren Sohne auf das Schärfste. Sie versuchte sogar gegen Bilgar zu wettern und erinnerte an seinen kleinen Diebeszug in der Jugendzeit. Noch bevor Aria etwas erwidern konnte, erhob sich Schneeblick so gut es ging von seiner Bank. „Ich habe meine Strafe wenigstens ertragen wie ein Mann und musste mich nicht hinter meiner Mutter verstecken! Dein Sohn ist so viel Held wie die Scheiße, die ihm vom Topf noch am Stiefel klebt!!“, Bilgar holte kurz Luft und in seinen Augen brannte ein unstetes Feuer. „Der Kerl kam doch aus dem Kampf wie aus deinem Schoß, Bjarka! Aalglatt und ohne eine Schramme! Steh' da neben deinem Unrat von Sohn und nenne mich noch einmal Dieb ...“, begann der Mantroner zu drohen, wurde dann jedoch von Aria auf die Bank zurückgezogen. Ihm stand der Zorn ins Gesicht geschrieben und erst nach einem kurzen Augenblick schnaufte Bilgar die angestaute Wut hinaus. Gerade als Elin das Wort wieder an die Menge richten wollte, trat Norna vor und gab ihre Version der Geschichte kund. Die Wut des Jäger war plötzlich wie verflogen, denn dort gab es jemanden, der ihrer kleinen Gruppe beistand und es war jemand mit einem unvorstellbar großen Einfluss. Zudem sorgte Wolfsblut Aussage für eine Art Ruhe und Zuversicht. Natürlich hatte Schneeblick auch im Vorfeld nicht daran gezweifelt, dass man Eisenherz der gerechten Strafe zuführte, aber jetzt waren die Chancen um ein Vielfaches gewachsen. Das Norna auch Imke erwähnte, gab Olof deutlich den Rest. Selbst wenn ein große Teil der Anwesenden die Gerüchte kannte, so war der verkrampfte Ausdruck um die Augen des Eisenherz-Sohnes ein offenes Buch. Bilgar war so von dieser plötzlichen Wendung überrascht worden, dass ihn Elin's Frage beinahe nicht erreicht hatte. Doch Aria stupste ihn kurz in die Seite und wiederholte noch einmal die Worte der Anführerin.
Kurz schluckte der junge Mann und legte sich die Worte so gut es ihm möglich war zurecht. Selbst ohne den zurechtweisenden Blick Thures hätte Bilgar es mit der Wahrheit gehalten und nicht versucht irgendeine Fantasiegeschichte zu erfinden. Zu Lügen war eines Mantroners unwürdig. Man musste sich stets der Gefahr stellen und auch den Konsequenzen die das eigene Handeln nach sich zogen. „Als Kinder haben wir uns oft in das Immerdurst-Lagerhaus geschlichen. Jenna hatte Jan und mir damals gezeigt, wie man durch ein Loch in der Westwand ins Innere gelangte.“, holte der Jäger etwas aus. „Am gestrigen Abend waren jedoch die Kisten davor, die Ulmgard vor einigen Zyklen als Hindernis dort abstellte. Ich musste sie wegräumen. Man kann sicherlich sehen, dass sie erst vor kurzem bewegt wurden. Der Schnee sollte dort dünner sein als in der Gasse.“ Und dann viel ihm etwas ein, um Norna's Aussage sogar noch zu unterstützen. „Da fällt mir ein ...“, sein Blick wandte sich an Jan. „Jan, hast du nicht das Tor zur Hafenseite geschlossen, bevor wir gingen?

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Re: Ein Tag des Rechts - ein Gerichtstag

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 17. Juli 2019, 21:09

Gerade als man sich darauf verständigt hatte, ob es Auffälligkeiten in Eulenrufs Verhalten gegeben hätte, mischte sich Immerstich ein und verteidigte ihren Sohne auf das Schärfste. Sie versuchte sogar gegen Bilgar zu wettern und erinnerte an seinen kleinen Diebeszug in der Jugendzeit. Noch bevor Aria etwas erwidern konnte, erhob sich Schneeblick so gut es ging von seiner Bank.
„Ich habe meine Strafe wenigstens ertragen wie ein Mann und musste mich nicht hinter meiner Mutter verstecken! Dein Sohn ist so viel Held wie die Scheiße, die ihm vom Topf noch am Stiefel klebt!!“
, Bilgar holte kurz Luft. Olof, dieser Trottel, schaute doch tatsächlich für einen kurzen Moment runter auf seine Schuhe. Hatte er wirklich Unrat an den Stiefeln? Schneeblick brauste ohne Zögern weiter auf:
„Der Kerl kam doch aus dem Kampf wie aus deinem Schoß, Bjarka! Aalglatt und ohne eine Schramme! Steh' da neben deinem Unrat von Sohn und nenne mich noch einmal Dieb ...“
, begann der Mantroner zu drohen, wurde dann jedoch von Aria auf die Bank zurückgezogen. Bjarka stand neben ihrem Sohn und tätschelte beruhigend seinen Arm, was Olofs Lippe wieder zucken ließ. Vielleicht waren die Berührungen seiner über-fürsorglichen Mutter ihm doch nicht so angenehm. Vielleicht sah er sich deshalb gern als Held und nicht als den Muttersohn, der er war. Aber anscheinend war ihm der Auftritt seiner Mutter doch ein bisschen peinlich. Er nahm die Hand seiner Mutter von seinem Arm und sie schaute gekränkt drein.
Gerade als Elin nun das Wort wieder an die Menge richten wollte, trat Norna vor und gab ihre Version der Geschichte kund. Die Wut des Jäger war plötzlich wie verflogen, denn dort gab es jemanden, der ihrer kleinen Gruppe beistand und es war jemand mit einem unvorstellbar großen Einfluss. Zudem sorgte Wolfsblut Aussage für eine Art Ruhe und Zuversicht zwischen den Zuhörern, der wie ein ansteckendes Gähnen die Runde machte. Schnell war es wieder ruhig in Thures Heim und alle hörte aufmerksam zu. Das Norna auch Imke erwähnte, gab Olof deutlich den Rest. Selbst wenn ein großer Teil der Anwesenden die Gerüchte kannte, so war der verkrampfte Ausdruck um die Augen des Eisenherz-Sohnes für Bilgar wie ein Schuldeingeständnis. Blieb zu hoffen, dass Thure das auch so sah. Schneeblick war so von dieser plötzlichen Wendung überrascht worden, dass ihn Elin's Frage beinahe nicht erreicht hatte. Doch Aria stupste ihn kurz in die Seite und wiederholte noch einmal die Worte der Anführerin. Kurz schluckte der junge Mann, dann sprach er frei von der Seele:
„Als Kinder haben wir uns oft in das Immerdurst-Lagerhaus geschlichen. Jenna hatte Jan und mir damals gezeigt, wie man durch ein Loch in der Westwand ins Innere gelangte.“
, holte der Jäger etwas aus. Jennas Blick traf ihn und ein kleines Funkeln lag in ihren Augen. Sie lächelte ganz sanft, bei dieser gemeinsamen Kindheitserinnerung:

Vergangenes:
„Jenna?“
„Das da hinten, ist ein Berg und da vorne ist die Wiese.“
„Ich sehe keine Wiese.“
„Ich meiner die freie Fläche zwischen den Kisten da vorn. Du musst es dir in deinem Kopf vorstellen.“

Zur Untermalung zeigte sie mit der Hand in die Richtung und malte mit dem Finger die vor ihrem inneren Auge gut sichtbaren Konturen der Bergwipfel nach.
„Jenna?“
„Psssssssssst! Du musst leise sprechen Jan!“
„Warum denn?“
„Weil man das so macht.“

, konterte Janay nun auch schon wieder etwas lauter und gereizt aus ihrem Versteck heraus, doch Jan schien den Sinn ihres Spiels noch immer nicht recht verstanden zu haben und seine Schwester verlor langsam die Geduld.
„Ich will aber nicht Hase und Jäger spielen. Ich hab Hunger.“
„JAN, WIR HABEN ERST VOR EINER STUNDE WAS GEGESSEN! DU KANNST UNMÖGLICH SCHON WIEDER HUNGRIG SEIN!!! UND ZU HASE UND JÄGER GEHÖRT NUN MAL DAS ANSCHLEICHEN, WENN MAN GEWINN....!“
„Hab euch!“

Bilgar war es, der den unüberhörbaren Streit der Geschwister beendete und dabei leise gluckste. Er war mit Suchen dran gewesen und hatte Dank Jan's Hunger schon drei mal gewonnen. Jenna stimmte, nach einer Schrecksekunde, schnell in sein Lachen ein nur Jan schaute etwas verwirrt und flüsterte seiner Schwester ins Ohr:
„Haben wir schon wieder verloren?“
, was nur noch mehr Gelächter hervor rief, gefolgt von einer Umarmung für den Bruder. Bald danach drückten sich die drei Kinder zurück aus den Spalt der Lagerhalle und liefen zur Taverne zurück, da ein hungriger Jan einfach nicht gut bei ihren Spielen war.


Bilgar erinnerte sich gut an diesen Abend. Er sah Jennas freches Grinsen fast bildlich vor sich, wie sie damals als erste den geheimen Eingang benutzt hatte und fuhr mit seiner Beschreibung fort:
„Am gestrigen Abend waren jedoch die Kisten davor, die Ulmgard vor einigen Zyklen als Hindernis dort abstellte. Ich musste sie wegräumen. Man kann sicherlich sehen, dass sie erst vor kurzem bewegt wurden. Der Schnee sollte dort dünner sein als in der Gasse.“
Thure nickte einem anderen seiner Gefolgsmänner zu, der sich sofort aufmachte, das zu überprüfen.
Dann viel Bilgar etwas ein, um Norna's Aussage sogar noch zu unterstützen.
„Da fällt mir ein ...“
, sein Blick wandte sich an Jan.
„Jan, hast du nicht das Tor zur Hafenseite geschlossen, bevor wir gingen?“
Der Angesprochene hob ruckartig den Kopf und wirkte, als wäre er fast eingeschlafen und grade erst erwacht.
„Ääähm...“
Er nestelte nervös an seinen Hemdärmeln herum. So viele Menschen um ihn herum, die ihn nun auch noch alle ansahen, dass was wohl etwas viel.
„Ich... ich weiß nicht mehr so genau... ...Entschuldigung.“
Jan stand gern in der Küche und gar nicht gern im Mittelpunkt. Es machte ihn nervös. Viele Kinder hatten ihn wegen seines einfachen Gemüts als Kind gehänselt und dafür von Jenna auf die Nase bekommen. Wenn sich aber jemand gegen Jenna gewehrt hatte, so hatte der binnen einer Sekunde den großen Jan am Hals, bzw. dieser den armen Tropf. So hatte sich ein Kreislauf entwickelt, der beide Kinder zusammen geschweißt hatte. Sie beschützten einander, jeder auf ihre Weise und Bilgar war ihr bester Freund und fast auch schon ein Bruder. Jetzt sah Jan Hilfe suchend zwischen Bilgar und Jenna hin und her. Jenna stand auf und erhob ihre glockenreine Stimme:
„Jan hat das Hafentor zugemacht.“
Olofs Mutter fuhr auf und funkelte Jenna an, die erschrocken etwas zurück wich.
„Das habt ihr euch doch alles nur ausgedacht! Ihr steckt alle unter einer Decke! NORNA! Dass du dich für diese Kinder stark machst! Ich kann es kaum glauben! Mein Olof ist ein guter Junge! Er...“
Thure unterbrach sie und seine Stimme ließ alle schweigen. Er brüllte nicht, aber er konnte auch nicht leise reden:
„SEI RUHIG, BJARKA!“
Stille legte sich über die Halle.
„ICH SCHÄTZE EURE FAMILIE SEHR. DEIN MANN IST EIN ALTER FREUND MEINER SIPPE, DOCH BITTE LASS DEN DINGEN JETZT IHREN LAUF. ES WIRD SICH RAUSTELLEN, WER HIER WAHRHEIT SPRICHT ...UND WER NICHT!“
Damit war das Thema wohl erst einmal solange vertagt, bis die restlichen Beweise zusammen getragen worden wären. Thure Sturmschreier und Elin Meersegen standen gemeinsam auf und nahmen sich bei den Händen. Wie immer waren sie eine Einheit und so gingen sie gemeinsam nach hinten zu ihren Kindern. Sobald sie das Podest verlassen hatten, hob Gemurmel an und alle warteten gespannt darauf wie es weiter gehen würde.
Jenna kam an Bilgars Seite und die Älteren um sie herum redeten über den Verlauf des Gerichtstages. Einzelne Formulierungen wurden hin und her gewälzt und Meinungen ausgetauscht. Allgemeines Palaver, Gemurmel … und nebenher, ganz heimlich, schob sich Jennas kleine Hand in Bilgars. Ein winzig kleiner Druck und ein riesen großes Zeichen des Vertrauens und der Dankbarkeit, dass sein junges Herz berühren durfte, wenn es ihn erreichte. Norna gesellte sich just in diesem Moment ebenfalls zu ihnen. Wolfsruf sah Bilgar an und beugte sich ein wenig zu ihm, als sie sprach:
„Normaler Weise mische ich mich nicht in solche Angelegenheiten, aber dein Mädchen hier hat etwas Sicherheit verdient.“
Jenna schoss das Blut in die Wangen und schon war ihre Hand wieder fort.
„Ich bin nicht SEIN Mädchen!“
Kam das vielleicht ein bisschen zu schnell, zu entrüstet? Norna grinste und ihr fiel eine ihrer roten Haarsträhnen ins Gesicht als sie wieder einen Schritt zurück machte und sich ergebend gestikulierend die Hände hob. Jenna verschränkte ihre Arme vor der Brust und wandte sich schmollend zur Seite. Norna wandte sich abermals an Bilgar:
„Wie gesagt, ich mische mich normaler Weise nicht ein. Ich habe etwas gut bei dir!“
Sie zwinkerte und schlenderte ohne eine Antwort abzuwarten wieder zwischen den Leuten hindurch zum Ausgang. Ihr gutes Werk für diesen Tag war wohl getan. Bilgar folgte ihr noch einen Moment mit den Augen, als er Thures Gefolgsmann herein kommen sah. Der Mann hatte frischen Schnee auf seinen Haaren und Schultern. Er drängelte sich durch die Menschenmenge, die ihn teils heimlich, teils ganz offen fest halten wollten um als erste zu erfahren, wen denn nun Recht hatte. Doch er sagte nichts und seine Miene war wie in Felsen gemeißelt. Als er am Podium gerade ankam, traten auch Thure und Elin wieder hinter ihrem Vorhang hervor. Der Mann ging zu Thure und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was nur ein Elf im allgemeinen Stimmengewirr wohl hätte verstehen können. Dann trat er zurück und stellte sich an die hintere Wand, gleich einer Säule. Thure sah nachdenklich auf den Boden. Vorgebeugt, die Ellenbogen auf den Knien abgestützt, rieb er sich die Knöchel. Einige hatten wohl den Atem angehalten, denn nach ein paar langen Sekunden hörte man hier und da ein gepresstes Ausatmen.
„BILGAR SCHNEEBLICK!“
Er erhob sich und sah dem Angesprochenen in die Augen. Ein Zeichen seiner Hand beschwor ihn näher zu treten. Niemand wagte es zu reden und ein einziger Blick auf Aria genügte um zu erahnen, dass sie jeden Moment ohnmächtig werden könnte, so blass war sie. Die Angst, dass ihr Sohn unschuldig verurteilt werden könnte, stand ihr deutlich in den glasigen Augen. Thure baute sich vor dem jungen Mann auf und überragte ihn um einiges. Sein klarer Blick bohrte sich tief in seine Seele, als er weiter sprach:
„DU HAST WAHR GESPROCHEN! DEINE TATEN WURDEN BEWIESEN. DU BIST HIERMIT FREI VON SCHULD!“
Wobei er halb an ihm vorbei trat, aber seine Hand auf Bilgars Schulter liegen ließ. Sie ruhte schwer dort, aber bot auch Zuversicht, Schutz und Ruhe.
„WAS MICH ZU OLOF EISENHERZ BRINGT! ES SCHMERZT MICH, DASS EIN SO ANGESEHENER GEBOHERNER MANTRONER ZU SOLCH FALSCHER REDE FÄHIG IST. DEINE TATEN MÜSSEN NOCH BEWIESEN WERDEN FÜR EIN ABSCHLIESSENDES URTEIL, ABER SEID GEWISS, ES WIRD GERECHT UND UMFASSEND SEIN! - SPERRT IHN EIN!“
Damit löste er seine Hand von Bilgars Schulter, trat weiter vor, wandte er sich wieder der Gemeinschaft der Tapferen zu und Olof stand wie vom Donner gerührt steif neben seiner plötzlich sehr stillen Familie. Besonders der Vater sah aus, als hätte er einen Tritt in den Magen bekommen, während die Mutter Jenna mit zusammengekniffenen Lippen an stierte. Zwei Getreue traten vor und packten Olof an den Armen, der wie in Trance sich abführen ließ. Für solche Zwecke gab es ein kleines leicht zu bewachendes Haus, wo der Eisenherz-Sohn jetzt hin gebracht wurde. Einige unmissverständliche Bezeugungen des Missfallens wurden laut und jede Menge strafende Blicke trafen den Mann, der Jenna fast entehrt hätte. Alles was er schon getan hatte, dass musste nun noch offiziell bewiesen werden, aber das lag nun in Thures Hand.
„UND JETZT ALLE RAUS HIER!!!!“
Diesmal hatte er gebrüllt und man konnte fast meinen, ein bisschen alten Staub von den Dachbalken rieseln zu sehen. Sofort trollten sich die meisten der Anwesenden, doch es dauerte bis sich die Halle leerte. Elin Meersegen trat indes zu der Familie des Schuldigen und glättete dort leise die Wogen, denn böses Blut sollte man nicht köcheln lassen. Sie sprach leise, so dass man nichts hören konnte, doch schnell nickte der Vater und die Mutter sah zornig zu Boden. Elins Hand fand ihren Unterarm und Bjarka schüttelte sie unwirsch ab. Sie hob ihre Stimme, so dass man nun doch kurz etwas verstehen konnte:
„Ich liebe meinen Sohn!“
Elin nickte und erwiderte.
„Das wissen wir jetzt, Bjarka! Das wissen wir.“
Elins Stimme hatte dabei keinen freundlichen Unterton wie sonst, sondern etwas bedrohliches schwang in ihr mit, dass man von ihr so nicht kannte. Bjarka biss die Zähne so fest aufeinander, dass Adern an ihren Schläfen hervor traten und dann stapfte sie mit hoch erhobenem Kopf davon. Die meisten machten ihr Platz, doch jetzt da ihr ach so guter Ruf so plötzlich Schräglage bekommen hatte, so plötzlich begannen ihre einstigen Freundinnen zu tuscheln und eine spuckte ihr sogar vor die Füße. Als Bjarka die Geste unerwidert und hochnäsig hinter sich gelassen hatte, steckten die alten Freuen ihre Köpfe zusammen und Bilgar hörte mit wechselnden Stimmen, etwas verstörendes zwischen dem umgebenen Murmeln heraus:
„...geschieht ihr ganz Recht... ...gehört, dass sie ihn bis zum 10ten Jahr gestillt hat. Kannst du dir das vor... ...und gewaschen?... undenkbar... kein Wunder, dass... ...hat Jenna Glück gehabt! Was wäre wohl...“
Eine der Alten hatte Bilgars Blick aufgefangen und verstummte. Sofort dirigierte sie die Anderen Tratschbasen nach draußen, wo sie zwischen dem Volk von Mantron verschwanden. Die Aufregung des Tages legte sich langsam und Thure scharte seine Männer um sich. Sicher besprachen sie das weitere Vorgehen. Natürlich gab es die Möglichkeit sich hier freiwillig zu melden und seine Hilfe anzubieten, aber jeder würde auch verstehen, wenn sich vor allem die Betroffenen nun zurück zogen, so wie es Ulmgard tat. Seine tiefe Stimme kündigte an:
„Ich muss mich hinlegen! Heute Abend werden ALLE kommen und noch mal im Detail hören wollen, was passiert ist... Ich würde die Schenke am liebsten zu lassen!“
Er seufzte schwer, rieb sich die Stirn und sah sein Mädchen an.
„Jenna, du hast heute frei. Ich will dich nicht in der Nähe der Schenke sehen, verstanden! Jan, du kochst mir was vor und begleitest dann Jenna wohin sie auch will. Pass gut auf sie auf. Und morgen sieht die Welt hoffentlich wieder anders aus.“
Jetzt drückte Aria den Arm ihres Sohnes und nickte ihm zu:
„Ich geh nach Hause. Das hier war echt anstrengend für meine Nerven! Ach ja, und denk dran, was du mir versprochen hast.“
Ja, er wollte ihr was mitbringen, in der Taverne lagen noch Sachen von ihm und an seinem Stand am Hafen auch. Außerdem knurrte sein Magen und drohte mit spontaner Selbstverzehrung!
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Re: Ein Tag des Rechts - ein Gerichtstag

Beitrag von Bilgar Schneeblick » Samstag 20. Juli 2019, 21:52

Wie warmes Wasser lösten die Worte des Anführers jedes Gramm Nervosität und Anspannung. Natürlich waren Jan, Jenna und Bilgar unschuldig gewesen, aber es wäre mit Sicherheit nicht das erste Mal gewesen, dass jemand ohne tatsächliche Schuld eine Strafe hatte absitzen müssen - Oder Schlimmeres. Ruhig legte der Mantroner eine Hand auf das schmerzende Bein und obwohl er wusste, dass dies die Beschwerden nicht zu lindern vermochte, so war es eine Möglichkeit die Gedanken zu sortieren und den Blick für zukünftiges zu klären. Auch wenn viele Dinge während der Verhandlung nur unbewusst wahrgenommen wurden, so gab es eine Sache, die noch sehr gut in der Erinnerung des jungen Jäger verweilte. Er hob die Hand und betrachtete deren Innenfläche nachdenklich. Wie bereits der versuchte Kuss war auch diese Berührung ein Zeichen der Zuneigung, welches für die Wirtstochter und ihn neu und unbekannt war. Selbstverständlich gab es unzählige Gelegenheiten in denen man als Kinder oder junge Menschen die Hand des anderen gehalten hatte. Zum Beispiel gewann Jan vor ein paar Sommern die Tapferkeitsspiele im Baumstamm werfen. Allerdings war das Ergebnis lange unklar und vor Anspannung umklammerte Jenna seine Finger. Doch dieses Mal war es anders. Es lag eine ungeahnte Vertraulichkeit darin und selbst, wenn Bilgar nicht wusste, was genau das blonde Mädchen sich dabei dachte, so verursachte es bei ihm ein Gefühl von unnatürlicher Sicherheit. Noch viel markanter als die aufkeimenden Emotionen war jedoch die Reaktion auf Nornas Aussage. Sein Gesichtsausdruck verriet ein gewisses Maß an Entrüstung. Zwar war Jennas Aussage nicht falsch, aber sie kam doch recht schnell und abrupt. Thure verließ das Podium, Bilgars Blick suchte seine alte Jungendfreundin und als sich diese, von seinen Augen durchbohrt fühlend, zu ihm wandte, hob er den Arm kurz an, zeigte dabei seine Handinnenfläche. „So schlimm kann ich gar nicht stinken ...“, kommentierte der junge Mann, setzte ein breites Grinsen auf und wollte auf eine klug gewählte, schnippische Antwort hoffen. Allerdings durchbrach das wütende Gekeife Bjarkas die gelöste Stimmung in der Halle. Die junge Mantronerin wirkte etwas verunsichert. Dies war ihm bereits während des Gerichts aufgefallen. Immerstich schien einen persönlichen Groll gegen Jenna zu hegen und richtete den Zorn über die Verurteilung des einzigen Kindes wohl mehr auf die Wirtstochter als auf ihn, Schneeblick.
Dann jedoch stürmte Bjarka, begleitet vom Hohn und der Verachtung, hinaus aus der Halle und in den Gassen der Stadt. Ulmgard hatte das Ganze mehr mitgenommen als es dessen gewaltiger Körperbau vermuten ließ. Schnell beschloss Immerdurst die Taverne bis zum Abend zu schließen, gab seinen Kindern frei und verschwand alsbald. Auch Aria war nicht an so viel Aufregung gewöhnt. Ein Grund für das Leben im Westen, war die Abgeschiedenheit und Ruhe - Wenn man sie suchte. Natürlich erinnerte er sich an das Versprechen seiner Mutter etwas mitzubringen und nahm sich fest vor, die verdiente Ware abzuholen und später vorbeizubringen. Doch es gab etwas, dass er vorher erledigen musste und das in seinen Augen keinen Aufschub duldete. Die beiden Geschwister wollten zu ihm aufschließen, doch Schneeblick hielt sie mit einer Geste zurück. Während sich die Halle nun beinahe vollständig geleert hatte, humpelte Bilgar nach Vorne, um sich der Gruppe von Thure Sturmschreier anzuschließen. Sein Eintreffen wurde vermutlich bemerkt und wenngleich er nicht die Stimmgewalt ihres Anführers besaß, so war Schneeblick nicht gewillt, untätig in einer Ecke zu sitzen, bis sich vielleicht Beweise oder Zeugen für Olofs Schuld fanden. Aus dem Augenwinkel betrachtete der junge Mann Jenna und vielleicht, wenn man danach gesucht hätte, fand man einen Hauch Zuneigung, der mehr war als der eines Freundes. Vielleicht der eines Bruder oder gar mehr, von dem selbst die Betroffenen nicht wussten. Bilgar konnte nicht riskieren, dass Eisenherz am Ende wieder auf freien Füßen war und ungehindert durch den Schnee wandelte.
Thure! Ich will helfen! - Und versuch' erst gar nicht, es mir auszureden. Ich werde nicht hier warten und riskieren, dass Olof Eisenherz aus Mangel an Beweisen wieder in die Freiheit entlassen wird. Und ich kann helfen! Ich kenne das Gebiet um Mantron und lebe beinahe in den Wäldern. Ich weiß Spuren zu lesen, du kennst meine Fertigkeiten!“, Bilgar holte kurz Luft und setzte schnell erneut an, bevor jemand etwas sagen konnte. „Schicke mich an Eisläufers statt oder gestatte mir wenigstens ihn zu begleiten. Wir müssen Eirik finden!“ Seine Worte waren fest und willens, allerdings gab es etwas, dass Bilgar in all' seiner Tapferkeit und seines unüberlegten Mutes nicht beachtete hatte. Sein Magen knurrte nun sehr laut und ein leichter Stich durchfuhr den jungen Mann. „Nunja … sobald ich etwas zu Essen gefunden habe.“, konnte er den vorlauten Spaß nicht unterdrücken.

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Re: Ein Tag des Rechts - ein Gerichtstag

Beitrag von Erzähler » Montag 22. Juli 2019, 17:50

Jennas Reaktion auf Nornas Aussage zeigte bei Bilgar Wirkung. Sein Gesichtsausdruck verriet ein gewisses Maß an Entrüstung. Zwar war ihre Aussage nicht falsch, aber sie kam doch recht schnell und abrupt. Thure verließ das Podium. Derweil suchte Bilgars Blick seine alte Jungendfreundin und als sich diese, von seinen Augen durchbohrt fühlend, zu ihm wandte, hob er den Arm kurz an, zeigte dabei seine Handinnenfläche.
„So schlimm kann ich gar nicht stinken ...“
, kommentierte der junge Mann, setzte ein breites Grinsen auf und wollte auf eine „klug gewählte“ Antwort hoffen. Schon öffnete sich ihr hübscher, leicht schnippisch verzogener Mund, doch durchbrach das wütende Gekeife Bjarkas die gelöste Stimmung in der Halle. Die junge Mantronerin wirkte etwas sofort wieder verunsichert. Dies war ihm bereits während des Gerichts aufgefallen. Immerstich schien einen persönlichen Groll gegen Jenna zu hegen, was auch die Wirtstochter wohl nicht so recht verstand. Der Zorn über die Verurteilung des einzigen Kindes projizierte Bjarka wohl mehr auf die Wirtstochter als auf ihn, Schneeblick, oder den eigentlich schuldigen, ihren Sohn!
Dann jedoch stürmte Bjarka, begleitet vom Hohn und der Verachtung, hinaus aus der Halle und in den Gassen der Stadt. Ulmgard hatte das Ganze mehr mitgenommen als es dessen gewaltiger Körperbau vermuten ließ. Schnell beschloss Immerdurst die Taverne bis zum Abend zu schließen, gab seinen Kindern frei und verschwand alsbald. Auch Aria war nicht an so viel Aufregung gewöhnt und verabschiedete sich bald. Natürlich erinnerte Bilgar sich an das Versprechen seiner Mutter etwas mitzubringen und nahm sich fest vor, die verdiente Ware abzuholen und später vorbeizubringen. Doch es gab etwas, dass er vorher erledigen musste und das in seinen Augen keinen Aufschub duldete. Die beiden Geschwister wollten zu ihm aufschließen, doch Schneeblick hielt sie mit einer Geste zurück, was Jan tat, aber bei Jenna eine hochgezogene Braue bewirkte. Sie blieb jedoch stehen und beobachtete Bilgars weiteres Vorgehen.
Während sich die Halle nun beinahe vollständig geleert hatte, humpelte Bilgar nach vorne, um sich der Gruppe von Thure Sturmschreier anzuschließen. Sein Eintreffen wurde bemerkt und der Anführer der Tapferen und seine Gefolgsmänner sahen von ihren Met-Krügen und der vor ihnen ausgebreiteten Karte Celcias auf.
„Thure! Ich will helfen! - Und versuch' erst gar nicht, es mir auszureden. Ich werde nicht hier warten und riskieren, dass Olof Eisenherz aus Mangel an Beweisen wieder in die Freiheit entlassen wird. Und ich kann helfen! Ich kenne das Gebiet um Mantron und lebe beinahe in den Wäldern. Ich weiß Spuren zu lesen, du kennst meine Fertigkeiten!“
, Bilgar holte kurz Luft und setzte schnell erneut an, bevor jemand etwas sagen konnte.
„Schicke mich an Eisläufers statt oder gestatte mir wenigstens ihn zu begleiten. Wir müssen Eirik finden!“
Seine Worte waren fest und willens, allerdings gab es etwas, dass Bilgar in all' seiner Tapferkeit und seines unüberlegten Mutes nicht beachtete hatte. Sein Magen knurrte nun sehr laut und ein leichter Stich durchfuhr den jungen Mann.
„Nunja … sobald ich etwas zu Essen gefunden habe.“
, konnte er den vorlauten Spaß nicht unterdrücken.
Thure Sturmschreier stand auf und griff beide Schultern des jungen Mannes:
„ICH GESTATTE!“
Sein Grinsen hielt jedoch nicht lange und eine Ausdruck von Sorge mischte sich in seine ohnehin schon harten Züge.
„VIER AUGEN SEHEN MEHR ALS ZWEI UND MEIN WEIB SAGTE MIR, VENTHA IST VERSTIMMT UND UNS STEHEN STÜRMISCHE ZEITEN BEVOR. ALSO IST ES BESSER KEINER IST ALLEIN DA DRAUSSEN! “
Thure klopfte ihm so fest auf die Schulter, dass es schon fast ein bisschen schmerzte und setzte sich dann wieder. Ein anderer der Gefolgsmänner, Sigvard Eisbrecher, der jüngste in der Runde der gestandenen Männer hob an:
„Wir freuen uns über jede Unterstützung, doch Fin hat schon gut eine halbe Stunde Vorsprung. Ich hoffe deine Fähigkeiten sind so gut, wie du meinst.“
„GEH ZU NORNA. SAG IHR ICH SCHICKE DICH UND SIE SOLL DIR EIN SCHNELLES RUDEL GEBEN! - UND ISS WAS!“

Damit begann er und dann auch seine Männer zu lachen. Einer hob sogar eine Keule hoch und „prostete“ ihm damit zu und Bilgar war mit einem neuen Auftrag entlassen. Der Duft von Gebratenem wehte ihm in die Nase, hatte sicher eine anspornende Wirkung auf Bilgar und sein Magen drohte jetzt nicht nur mehr mit spontaner Selbstverdauung, nein, er reichte jetzt offiziell mit Antrag und dreifacher Ausfertigung Beschwerde ein! Sein Hungergefühl begann sich nun langsam aber sicher in leichte Übelkeit zu verkehren und sein Körper begann an den Reserven zu nagen, von denen Bilgar nicht viel hatte. Er brauchte dringend etwas zu essen zwischen die Zähne und plötzlich hatte er viel zu viel vor. Was musste er gleich erledigen, was konnte er vielleicht an jemand anders weiter delegieren und wofür war vielleicht gar keine Zeit mehr? Vielleicht ließen sich ein oder zwei Sachen miteinander verbinden. Wenn er zu Jenna ging und sie bat seine Habseligkeiten seiner Mutter zu bringen, so würde er wenigstens an was zu Essen kommen, Proviant einpacken können und vielleicht ein paar Zeilen schreiben können. Aber wenn er ging ohne sich zu verabschieden, könnte Aria auch furchtbar wütend sein, oder schlimmer, ernsthaft enttäuscht! Vielleicht brauchte er auch noch etwas von zu Hause, wenn er vorhatte länger unterwegs zu sein? Dann lagen noch immer Sachen an seinem Stand im Hafen und zu Norna musste er auch noch. Wenigstens die Aussicht auf ein schnelles Rudel ließ ihn hoffen, vielleicht doch noch heute und nicht erst morgen aufbrechen zu können. Ob er Fin vor Einbruch der Dunkelheit noch einholen würde, war ohnehin mehr als fraglich. Es gab viel zu tun, viel vorzubereiten. Irgendwo musste er ja anfangen.
Mit sich überschlagenden Gedanken drehte er sich also zum gehen um und prallte erst mal gegen Jans Brust. Jenna beugte sich zur Seite und schaute an ihrem Bruder vorbei.
„Und? Was machen wir jetzt?“
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Bilgar Schneeblick
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Re: Ein Tag des Rechts - ein Gerichtstag

Beitrag von Bilgar Schneeblick » Dienstag 6. August 2019, 16:58

Lass mich kurz nachdenken!“, ermahnte Bilgar sein Gegenüber und schloss die Augen, während seine Finger durch den wilden, dunklen Bart fuhren. Es fiel ihm nicht leicht die Gedanken zu sammeln, während in seinem Magen eine offene Revolte stattfand. Ein unangenehmes Bauchgefühl stellte sich ein, erinnerte an Übelkeit und Entbehrung. Dennoch zwang die Situation den jungen Mann dazu die nächsten Schritte hinreichend zu planen. Es war bereits früher Nachmittag und Fin Eisläufer hatte einen guten Vorsprung. Zwar wusste Bilgar wohin Eirik geflohen war und es gäbe wohl kaum Probleme die beiden Männer in der Wildnis aufzuspüren, allerdings beunruhigte ihn die Tatsache, dass das Wetter bald umschlagen sollte. Nicht nur sein Bein, sondern auch die oberste Priesterin waren dieser Meinung. Dann sollte es deutlich schwerer werden, wenn nicht sogar unmöglich sein, einen der Beiden ausfindig zu machen.

Bilgar hob die Hand, drehte die Innenfläche zu sich und zählte an den ausgestreckten Fingern die wichtigsten Vorbereitungen ab, welche für seine Aufgabe von Nöten waren. “Ich brauche etwas zu Essen, Ausrüstung und muss mich von meiner Mutter verabschieden. Sie würde es mich spüren lassen, wenn ich zu so etwas aufbreche und ihr davon nicht persönlich berichte.“ In seinen Erinnerungen dachte Bilgar an die Anfänge in der Jagdgruppe zurück. Oft zogen die Männern in die Wildnis, gerade als die Sonne sich am Horizont zu zeigen begann. Aria zu wecken, wäre ihm damals nie in den Sinn gekommen. Nachdem sie dem jungen Mann allerdings mit der ehernen Schöpfkelle die Flausen aus dem Kopf geprügelt hatte, war ihm klar geworden, wie sehr sich seine Erzeugerin um ihn sorgte. Zudem wusste der junge Mann um die Reste des gekochten Wildfleisches. Dies sollte als Proviant dienen und eine passable Zwischenmahlzeit abgeben. Dabei umwehte der Geruch von Gebratenem seine Nase. Die Männer des Anführers taten sich gütlich an der Tafel Sturmschreiers und beinahe war Bilgar versucht gewesen, sich auch daran zu bedienen. Aber auf der einen Seite war er körperlich nicht in der Lage sich um die Ausbeute zu prügeln und auf der anderen Seite wäre es wenig ratsam gewesen, sich nach der ausdrücklichen Genehmigung durch Thure an der Tafel seiner Männer zu vergehen. Unter anderen Umständen hätte niemand ein solches Verhalten beanstandet, aber es galt als unschicklich und beleidigend vom Tisch der Erste des Anführer zu nehmen. Zumindest solange man nicht dazu zählte. Aber bevor der junge Mann zu weit abschweifte und um sich vom nagenden Hungergefühl abzulenken, dachte er an die Ausrüstung im Waffenschrank des Hauses. Heute Morgen hatte Bilgar nicht damit gerechnet noch auf die Jagd gehen zu müssen und daher nur die gehalfterte Axt über den Rücken geschnallt. Daher war der heimatliche Besuch zwingend notwendig. Waffen, Zunder und Feuersteine gehörten neben einem Seil zur Grundausrüstung. Eine Fahrt in die Wildnis ohne diese unablässigen Utensilien wäre einem Sprung mit Todeswunsch nicht unähnlich. “Zudem muss ich noch an die Waren in der Taverne und am Hafen denken. Mutter würde mir den Hals umdrehen, wenn der Gewinn von zwei Wochen einfach so verschwinden sollte. Vielleicht könnten Jenna und Jan hier aushelfen?“ Bilgar ballte die Faust, öffnete die Lider und hoffte am Ende nicht doch etwas vergessen zu haben. Die blonde Mantronerin war wohl weniger begeistert über die abverlangte Stille, denn nach einem solchen Ereignis wäre Freude, feiern und singen angesagt. Vermutlich hatte das Geschwisterpaar darauf gehofft etwas freie Zeit zu Dritt verbringen und den Druck der letzten paar Stunden abbauen zu können. Natürlich wussten sie nichts von Schneeblicks Entscheidung. Es gab keine Möglichkeit diese sanft und vorbereitend mitzuteilen, außerdem war es gegen Bilgars direkte Art sich um eine Antwort und Reaktion zu winden. „Wir werden gar nichts machen, ich mache … ich werde Eisläufer folgen und mit etwas Glück bringen wir Eirik zurück.“, sein Seufzen war schwer, aber eine gewisse Erleichterung schwang darin mit. Natürlich hätte er sich lieber mit einem Bier im Haus seiner Mutter niedergelassen, seine Freunde um ihn herum und man würde es sich gut gehen lassen. Aber verantwortungslos wäre das schwächste Wort, mit dem man einen Freispruch Olofs beschreiben würde, sollte Eiriks Aussage nicht vor Thure gehört werden. „Hört zu! Hört zu!“, unterbrach der Jäger die beiden Geschwister. Wie wahre Freunde es eben tun würde, hatten sie sofort damit begonnen sich gegen Bilgars Meinung aufzulehnen - Jeder auf seine ganz eigene Art. „Wir müssen sicher gehen, dass Olof den Kerker nicht mehr verlässt. Aber im Moment sind wir zwar von der Schuld befreit, aber ihm ist die seine nicht bewiesen worden. Ohne Eirik und mit Hilfe seiner Brutmutter wird Eisenherz bald wieder frei sein und ich will mir nicht wirklich vorstellen, was sich dann für Pläne in seinem Schrumpfkopf entwickeln könnten.“, ein kurzer Blick in Jennas Augen verriet die größte Befürchtung des jungen Mannes, doch dieser schwieg darüber, denn häufig waren Worte unnötig. „Fin ist gut und kennt sich auf dem Packeis aus, aber ob das reicht, um den Feigling Eirik zurückzubringen – Ich bin mir das nicht sicher. Und ich warne euch ...“, Bilgar setzte einen ernsten Blick auf, fixierte beide abwechselnd und begleitet von seinem Zeigefinger, „ … ihr kommt weder mit, noch folgt ihr mir! Ich kann weder den Riesen Jan, noch die Näktergal Jenna in einem Wald gebrauchen, der jedes Geräusch über Meilen hinweg durch die Äste trägt. Zumindest vermute ich, dass Eulenruf zum Wald auf der anderen Seite des Kanals will. Alles andere wäre selbstmörderisch. Aber für euch ist das uninteressant, klar?“, schloss das Mischblut knapp, verschränkte die Hände vor der Brust und erwartete eine Antwort. Dabei grollte sein Magen etwas. Die 'Wie-Ein-Berg'-Pose bröckelte dadurch zusehends und mit einem tiefen Seufzen unterbrach Bilgar diese ernste Situation. „Ihr könntet mir allerdings helfen, mich vorzubereiten. Bevor ich zu Norna gehe und mir den von Thure versprochenen Schlitten geben lassen, muss ich meine Ausrüstung holen und meiner Mutter Bescheid geben. Könntet ihr so gut sein und meine restlichen Waren aus dem Stand am Hafen holen? Sie befinden sich am selben Ort wie immer.“ Selbstverständlich kannten die Geschwister das Versteck, denn häufig lagerten dort auch kleine Leckerbissen, Biere oder andere Dinge, die man für einen späteren Nutzen aufheben wollte, aber deren Lagerung an anderen, leicht einsehbaren Orten, moralische Fragen aufwerfen würde. Die Gegenstände in der Taverne waren sicher, solange diese geschlossen war. „Wir könnten uns dann in meiner Hütte treffen, bevor ich gehe.“ Inständig hoffte der Mantroner, dass Jenna und Jan seine Beweggründe verstanden. Keiner der beiden kannte sich dort draußen wirklich aus. Jan ging zwar hin und wieder einige Zutaten sammeln, aber nie tiefer in den Wald als das Auge die verschneiten Dächer der Stadt sehen konnten. Und Jenna war eine Tochter Mantrons und derer Straßen. Wenn er sich recht erinnerte, dann war das blonde Mädchen selten bis gar nicht im Wald gewesen. Allerdings hatten sich beide Kinder immer nur in den Straßen des Ortes getroffen, daher wusste Schneeblick eigentlich nichts über ihre Erfahrungen im frostigen Forst. Dennoch war das Risiko zu groß. Es war beinahe unmöglich Führer, Beschützer und Jäger zugleich zu sein. Zumal sich das Wetter ändern sollte. Nicht nur sein Bein sagte dies, sondern auch Venthas Hohepriesterin. Noch eine Tatsache, die Bilgar lieber verschwieg, denn dann wäre der Protest gegen seinen Aufbruch noch um ein vielfaches höher. Am Ende allerdings wusste der junge Mann, dass er weder Jan noch Jenna abhalten könnten, sollten sie sich fest entschließen, ihn zu begleiten. Doch hoffte er darauf, dass seine Worte dieses Mal Gehör fanden. Ein Schaden, der seinen Freunden zugefügt werden würde, wäre eine Belastung die ihn im Moment nicht ausbremsen durfte. Bereits am gestrigen Abend war er dumm gewesen und hatte es versäumt Eirik persönlich festzusetzen. Doch war er weder Krieger, noch ein Mann der Gesetze. In diesem Moment war er froh gewesen, dass niemand unschuldiges verletzt worden war und glaubte an die Ehre im Herzen eines Mannes. Doch das Eulenruf geflohen war, bewies, dass in seinem Innersten kein Mann mehr war, sondern nur ein gehetztes Tier. In diesem Moment wurde ihm die Sorge um seine langjährige Freundin bewusst. Doch Bilgar schob dies auf die Tatsache, dass ihr in der gestrigen Nacht beinahe etwas unaussprechlich Schreckliches widerfahren wäre. Es war also nur ein freundschaftliches Verlangen nach Sicherheit der Liebsten - oder?

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Re: Ein Tag des Rechts - ein Gerichtstag

Beitrag von Erzähler » Dienstag 6. August 2019, 19:03

Bilgar wusste zwar nicht genau, wo Eirik Eulenruf hin wollte, aber der nördliche Wald hinter dem Packeis war ein guter Unterschlupf und ein logisches Ziel, doch bald würde der Sturm einsetzen. Der Feigling hatte sicher unbewusst seinen Fluchtzeitpunkt gut gewählt. Er war vor dem Sturm aufgebrochen und könnte Glück haben, vor ihm davon zu fahren. Das ganze war ein Balanceakt. Es war durchaus möglich, dass der Sturm seine Verfolgung unmöglich machte. Es war riskant, zumal Eirik auch noch deutlich mehr Vorsprung hatte als Bilgar und Fin. Sie riskierten ihre Gesundheit, vielleicht sogar ihr Leben. So ganz war das vielleicht noch nicht in Bilgars Bewusstsein eingedrungen, zumal dieses gerade auf Hochtouren lief und Pläne schmiedete. Doch bei all dem störte die Sorge um seine Freunde, die er hier in Mantron in Sicherheit wissen wollte.
„Wir werden gar nichts machen, ich mache … ich werde Eisläufer folgen und mit etwas Glück bringen wir Eirik zurück.“
, sein Seufzen war schwer, aber eine gewisse Erleichterung schwang darin mit. Seine Entscheidung war raus, aber damit leider lange nicht akzeptiert! Während Jan einfach nur grimmig guckend die Arme vor der breiten Brust verschränkte und gemütlich mit dem Kopf schüttelte, da ergoss sie von Jenna ein wahrer Sturzbach von Beschimpfungen über ihn - - - Sie musste sich wirklich Sorgen um ihn machen. Eigentlich niedlich... wenn man die Schimpfworte weg ließ, die sie von ihrer Mutter gelernt hatte. Ja, Mutters Tochter hatte viel von Elsa Klingenzunge gelernt! Ventha hab sie selig.
„Wenn der Fletangel(: Flegel) Olof nicht schon meine ganze Wut für die nächsten sechs Jahre aufgebraucht hätte, würd ich dich jetzt vertobaken (: verprügeln). Wie kommst du Fischkopp auf die bescheuerte Idee, den Feigling Eirik jagen zu wolln?! Fin ist gut, also warum willst du auch noch hinterher?! Das ist doch ...aaarrrg! Müsst ihr Döspaddel euch immer zum Töffel machen, nur um euch was zu beweisen? MÄNNER!“
Jenna stemmte voller Entrüstung die Hände in die Hüften, was ihre Taille schön betonte. Ihr Busen wogte unter ihren schnellen Atemzügen. Ihre Wangen waren erhitzt und ihre Augen sprühten nur so vor Temperament! War sie schon immer so schön gewesen?
„Hört zu! Hört zu!“
, unterbrach der Jäger die beiden Geschwister. Wie wahre Freunde es eben tun würde, hatten sie sofort damit begonnen sich gegen Bilgars Meinung aufzulehnen - Jeder auf seine ganz eigene Art.
„Wir müssen sicher gehen, dass Olof den Kerker nicht mehr verlässt. Aber im Moment sind wir zwar von der Schuld befreit, aber ihm ist die seine nicht bewiesen worden. Ohne Eirik und mit Hilfe seiner Brutmutter wird Eisenherz bald wieder frei sein und ich will mir nicht wirklich vorstellen, was sich dann für Pläne in seinem Schrumpfkopf entwickeln könnten.“
, ein kurzer Blick in Jennas Augen verriet das Aufblitzen ihrer größten Befürchtung, dem jungen Mannes doch dieser schwieg darüber, denn häufig waren Worte unnötig. Mit seinen gut gewählten, wenn auch geradeheraus und harten Worten, hatte er nicht nur ihre Wut besänftigt, sondern ihr vor allem den Wind aus den Segeln genommen. Trotzdem biss sie sich fest auf die Unterlippe, was sie immer tat, wenn er Recht und sie Unrecht hatte.
„Fin ist gut und kennt sich auf dem Packeis aus, aber ob das reicht, um den Feigling Eirik zurückzubringen – Ich bin mir das nicht sicher. Und ich warne euch ...“
, Bilgar setzte einen ernsten Blick auf, fixierte beide abwechselnd und begleitet von seinem Zeigefinger, den er aber wohl wissentlich nicht zu weit in Jennas Richtung streckte. Sie hatte ihn schon einmal am selbigen gepackt und ihn fast gebrochen. Damals hatte er das erste Mal vor ihr geweint. Trotz der kurzen Erinnerungseinblendung sprach er eindringlich weiter. Das hier war zu wichtig!
„ … ihr kommt weder mit, noch folgt ihr mir! ...“
Oh er kannte diesen Blick von Jenna! Wie sich ihre Lieder leicht senkten, hinter ihren Seelenspiegeln die verwegensten Pläne woben und sie dabei nur scheinbar lieblich lächelte!
„Ich kann weder den Riesen Jan, noch die Näktergal Jenna in einem Wald gebrauchen, der jedes Geräusch über Meilen hinweg durch die Äste trägt. Zumindest vermute ich, dass Eulenruf zum Wald auf der anderen Seite des Kanals will. Alles andere wäre selbstmörderisch. Aber für euch ist das uninteressant, klar?“
, schloss das Mischblut knapp, verschränkte die Hände vor der Brust und erwartete eine Antwort. Doch Jenna und Jan sahen sich einfach nur still an, und einmal mehr verfluchte er die „geheime Sprache“ der Geschwister, mit der sie so mühelos und still miteinander kommunizierten. Dabei grollte sein Magen etwas. Die 'Wie-Ein-Berg'-Pose bröckelte dadurch zusehends und mit einem tiefen Seufzen unterbrach Bilgar diese ernste Situation.
„Ihr könntet mir allerdings helfen, mich vorzubereiten. Bevor ich zu Norna gehe und mir den von Thure versprochenen Schlitten geben lassen, muss ich meine Ausrüstung holen und meiner Mutter Bescheid geben. Könntet ihr so gut sein und meine restlichen Waren aus dem Stand am Hafen holen? Sie befinden sich am selben Ort wie immer.“
Selbstverständlich kannten die Geschwister das Versteck, denn häufig lagerten dort auch kleine Leckerbissen, Biere oder andere Dinge, die man für einen späteren Nutzen aufheben wollte, aber deren Lagerung an anderen, leicht einsehbaren Orten, moralische Fragen aufwerfen würde. Die Gegenstände in der Taverne waren sicher, solange diese geschlossen war.
„Wir könnten uns dann in meiner Hütte treffen, bevor ich gehe.“
Jenna fixierte Bilgar, als könnte allein ihr Blicke ihn treffen, nach hinten schleudern und an der gegenüber liegenden Wand fest pinnen.
„Echt? Wie gnädig!“
Oh oh, da war jemand wirklich wütend!
„Du bescheuerte Fluddertrine“ (eine, bei der alles husch-husch geht), dann geh doch. Mach dich aus dem Staub. Klei mi ann Mors (: was soviel heißt wie "Kratz mich am Hintern").“
Jenna drehte sich um und schnappte sich die Hand ihres Bruders. Über ihre Schulter hinweg, sah sie Bilgar bitter ...aber auch böse an.
„Komm Jan, unser 'Freund' hier braucht unsere Hilfe für 'seine Vorbereitungen'. Lass uns brav seine Sachen holen und ihm packen helfen. Zu was anderem sind wir dem holden Jäger nach nicht nütze.“
Autsch.
Hatte Bilgar das verdient? Vielleicht... aber es war sicher besser eine wütende Jenna zurück zu lassen, als sie mit in die drohende Gefahr und einen todsicheren Sturm zu führen. Hatten sie bisher alles zusammen gemacht, jeden Unsinn verbreitet und jedes 'Pferd gestohlen', so war das hier etwas anderes. Er könnte ihr erklären, warum er sie nicht dabei haben wollte. Das der Sturm jetzt schon gefährlich nah war und er sich zu sehr um sie sorgte, sie zu sehr mochte... seine Liebste...
Aber dann hätte sie ihn ganz sicher niemals gehen lassen!
So zögerte er halt einen Moment zu lange und sah dann ihre hübsche Kehrseite, wie sie ihren Bruder vor sich aus dem Langhaus schob. Tatsächlich hielten sie sich rechts, wo es Richtung Hafen ging, wohl um seine Sachen aus dem Versteck zu holen.

Jetzt galt es für ihn sich zu sputen.

(Bilgar weiter bei: Bilgars Elternhaus)
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