Auf der Suche

Ehemals die von vielen Rassen bewohnte und im Grün gelegene Stadt Férensis, hat sich seit dem Schlaf des Eisdrachens eine weite weiße Schneewelt gebildet und auch die Stadt blieb nicht verschont.
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Xiara
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Auf der Suche

Beitrag von Xiara » Montag 29. August 2011, 21:13

Xiara zog die Kapuze ihres Capes tiefer ins Gesicht. Der Wind fegte kalt um sie herum, doch es erschien ihr angenehm. Einen allerletzten Blick warf die junge Halbelfe zurück, als sie das Tor passierte und die Eisstadt Estria verließ und diese schon bald nur noch ein Punkt am Firmament zu sein schien. Sie wusste nicht, wann sie zurückkehren würde. Ob sie es überhaupt täte? Nicht einmal verabschiedet hatte sie sich von ihren Eltern. Sie hatte gewartet, bis sie schlafen gingen und war aus dem Haus geschlichen. Es war besser so. Ihre Mutter Elunee hätte es nie zugelassen, dass sie sich auf eine so gefährliche Reise begab. Für Elunee war Xiara noch immer ein Eiselfenkind, noch Grün hinter den Ohren, keine Lebenserfahrung. Sie hörte schon fast die Stimme ihrer Mutter, wie sie zeterte, doch nur aus Sorge um ihr einziges Kind.
Stumm schlang der Mischling die Arme um sich und wandte den Blick nach vorn. Wieder fegte der Wind über die weiten Ebenen des Eisreiches und wirbelte den Pulverschnee auf. Xiara verengte die Augen zu Schlitzen und brummte mürrisch, dann kramte sie in ihrer kleinen Ledertasche herum und zog die Karte hervor, die sie zuvor eingesteckt hatte. Ihre schmalen Finger wanderten über die Karte und hielten inne, als sie Rugta fand. Die Zwergensiedlung war ihr erster Anlaufspunkt, zwar nur ein Zwischenstopp auf dem Weg in die Wüste Sar, doch vielleicht fand sie dort einen Begleiter?
Sie mochte den Gedanken nicht, alleine durch Celcia zu wandern, kannte sie sich doch nirgendwo aus, außer in Estria.
Estria war ihre Heimat, sie kannte das Eisreich wie ihre Westentasche. Hier lag ihr Herz. Umso schwieriger war es ihr gefallen, ihre Heimat zu verlassen. Doch sie musste... Sie musste Antworten auf ihre Fragen finden!
Stumm strich sie sich über den rechten Unterarm und schob das Cape hoch. Schwarze Flecken benetzten ihre sonst so blasse Haut. Xiara fletschte die Zähne. Die Flecken gehörten nicht zu ihrem natürlichen Erscheinungsbild. Erst seit wenigen Wochen waren diese da. Einfach so. Sie waren nicht normal, soviel stand fest, schließlich brannten sie wie Feuer auf ihrer Haut. Am liebsten hätte sie sich die Haut vom Fleisch gerissen. Es fühlte sich an, als würde ihre Haut von Säure zersetzt werden. Die junge Halbelfe hatte sich in die Bibliothek begeben und in Büchern gesucht, doch hatte sie nirgendwo eine Antwort oder gar einen Hinweis auf diese ominösen Flecken finden können. Und einen Rat hatte man ihr auch nicht geben können. Ihren Eltern hatte sie nichts davon. Einzig und allein einem alten Eiselfen namens Urît hatte sie sich anvertraut. So weise dieser Elf auch sein mochte, konnte er ihr keine Antwort auf ihre Frage geben, was die Flecken zu bedeuten hatte. Er hatte ihr die Karte in die Hand gedrückt und sie fortgeschickt, mit den Worten, dass sie sich auf die Suche nach Antworten begeben musste. Sie solle in der Wüste und der Stadt dort beginnen.
Bis sie die Wüste Sar erreichen würde, würden mindestens 10 Tagesmärsche vergehen. Und dann? Wenn sie dort war? Was sollte sie dann tun? Wen sollte sie aufsuchen? Wen um Rat fragen? Fragen überrannten sie, doch sie versuchte diese beiseite zu schieben. Sie wollte noch nicht darüber nachdenken. Und auch nicht darüber, dass die Stadt dort von Banditen nur so wimmelten. Angst machte sich in ihr breit und sie begann sich zu schütteln. Sie hatte keine Kampferfahrung, außer die, die sie mit ihrem Vater Rîhan sammeln durfte. Sie war nicht ungeschickt mit ihren sichelartigen Schwertern, hatte sie jahrelang damit trainiert. Doch einem richtigen Kampf hatte sie bisher nie ins Auge blicken müssen. Würde sie es überhaupt schaffen, gegen einen kräftigen Gegner anzukommen?
Fragen blickte sie an sich herab.
Die Halbelfe war von zierlicher Statur, bei 1,60Metern war dies nicht verwunderlich. Sie wog nicht sonderlich viel. Dennoch war sie stark. Zumindest stark genug, um ihren Vater im Kampf zu bezwingen, der gelinde gesagt ein Bulle von Mann war.
Xiara strich sich die feuerroten Haare aus dem Gesicht, die fast bis zu ihren Kniekehlen reichten. Ihre dunkelblauen Augen nahmen etwas nachdenkliches an. Tja, es war wohl an der Zeit ihre Kampfkünste unter Beweis zu stellen. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in ihr breit. War es die Lust auf Abenteuer? Nie hatte sie Estria verlassen. Nie hatte sie irgendetwas aufregendes erlebt. Und doch verfolgte sie der sehnliche Wunsch, einmal ein Abenteuer zu bestreiten, schon so lange. Getraut hatte sie sich nur noch nie.
Oft hatte sie von Helden gelesen oder gehört, die die Weiten Celcia's durchschritten hatten und ein Abenteuer nach dem anderen erlebten. Sie wollte auch so sein! Sie wollte die Welt erkunden! Sie wollte die Wesen dieser Welt kennen lernen, die Weiten erforschen. Kurz machte ihr Herz einen Sprung.
Doch erst einmal musste sie Rugta erreichen.

Xiara stapfte durch den hohen Schnee und atmete tief ein. Sie vermisste schon jetzt die kalte Luft, die durch ihre Lungen strömte und ein angenehmes Brennen in ihnen hinterließ. Wehmütig sah sie sich um, während sie das Eisreich durchschritt und der Grenze vom Eisreich zum Reich der Dunsthügel näher kam.

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Re: Auf der Suche

Beitrag von Erzähler » Montag 29. August 2011, 23:44

In Estria war die Dunkelheit früh zugegen und Xiara verließ die Stadt im Schutze derselben. So traf sie beim letzten Lauf durch die Stadt auf keine in ihrer Gunst ganz unten stehenden Mengen von Leuten und auch keine Passanten, die an ihrer ungewöhnlichen Haarfarbe Anstoß nahmen.
Das Eistor war offen, aber nicht sonderlich bewacht. Ein junger Bursche, der sich an die Wand presste, um nicht allzu viel Wind abzubekommen, hielt nur halbherzig Ausschau nach draußen und ihn interessierte die Schwertkämpferin kaum, die an ihm vorbeilief. Ihr Pech, wenn sie sich in der Wildnis verirrte und erfror - noch bevor sie verhungerte. Doch anhand der knallroten Haaren – und er nahm natürlich an, dass sie gefärbt waren – würde man ihren Leichnam wenigstens finden.

[und es geht weiter im Eisreich - auf den Eisfeldern]
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Re: Auf der Suche

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 7. Dezember 2023, 20:44

Eleyna kommt von Mitfahrgelegenheit gesucht


Rund um den Handelsposten war das Gewühl dicht genug, um darin perfekt eintauchen zu können. Die Menge trieb sie weiter und öffnete zugleich immer wieder kleine Schlupflöcher. Irgendwann war sie weiter weg und fand sich in der Nähe von bewohntem Gebiet wieder, etwas außerhalb des Zentrums. Die Gebäude waren nicht ganz so hoch, aus den Schornsteinen stieg größtenteils Rauch und durch die zugefrorenen Fenster fiel schwacher Lichtschein nach draußen.
Die Gassen zwischen den Häusern waren kaum vorhanden, aber wenn, dann waren sie dunkel und wurden höchstens für Gerümpel und Abfall genutzt. Letzterer konnte dank der eisigen Verhältnisse hier kaum Gestank entwickeln oder Ungeziefer anlocken, da dieses im ständigen Freien kaum überleben konnte. Trotzdem waren es keine Orte, in denen man sich wohl freiwillig aufhielt.
Und vor allem keine, an denen sich neue Kleidung, Vorräte oder gar ein Gefährt aneignen ließe, um die Reise nach Morgeria anzutreten. Was also wäre jetzt zu tun? Sie könnte zurück kehren und ihr Glück beim Handelsposten, weiter weg von Sylvaina und dem Mantroner, versuchen oder erst einmal Ausschau nach einer Schenke halten, um sich dort zu versorgen und etwas aufzuwärmen. Beides hätte seinen Reiz und seine Berechtigung.
Das Problem war nur... die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als hinter ihr plötzlich eine bedauerlicherweise bekannte Stimme erklang. "Na, so ein Zufall aber auch!", bemerkte ein Mann, der sich vermutlich in ihr Gedächtnis eingeprägt hatte. Und im Gegensatz zu dem Mantroner musste sie hier nicht lange überlegen, hatte sie schließlich ihm das kälteste Bad ihres Lebens genommen.
Sollte sie dem Problem gleich aus dem Weg gehen und abhauen? Ja, das wäre vermutlich das Klügste. Es könnte sich jedoch als schwierig erweisen, denn das Plappermaul in ihrem Rücken war nicht allein. Oder wie sonst ließ sich erklären, dass es vor ihr so wirkte, als hätte sich eine Handvoll Eiselfenmännern so verteilt, dass sie keine wirkliche Chance auf ein neuerliches Schlupfloch hatte?
Was sollte sie also jetzt tun? Sie war allein und in einem fremden Territorium. Es würde in einer Katastrophe enden... höchstwahrscheinlich. Die Frage war nur, wie groß diese für sie persönlich ausfallen würde.
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Re: Auf der Suche

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Mittwoch 13. Dezember 2023, 14:00

Für die erfahrene Spionin war es ein Leichtes, sich abzusetzen. Dass sie den Bruder von Gunni stehenließ war dabei ein Umstand, den sie in Kauf zu nehmen bereit war. Eleyna hatte sich längst emotional wieder in eine sichere Umgebung zurückgezogen. All die Fortschritte, die sie in den letzten Monaten hatte machen dürfen, verloren sich in Anbetracht dessen, was vor ihr lag. Und hinter ihr. Denn Zeit ihres Lebens war sie in dieser ständigen Gefahr, erwischt zu werden. Sie hatte sich mit Mühe und Not abgekapselt und sich ein Leben aufgebaut, das keinen Platz für Gefühle oder Freundschaften hatte. Sie hatte nur vergessen, nein… war hinters Licht geführt worden. Das Schicksal hatte ihr suggeriert, dass auch für sie ein Leben außerhalb von Lug und Trug existierte. Dass die Liebe etwas wäre, das sie behalten dürfte… fühlen dürfte. Eleyna aber lernte darauf, dass alles stets auf wackeligen Beinen stand. Sie würde sich also wieder in ihre Schutzmauer zurückziehen und sich auf das konzentrieren, was vor ihr lag. Arvid war da ein ganz bezeichnender Faktor gewesen. Er hätte sie durchaus auf den rechten Weg führen können, wenn er einfach ein wenig zugänglicher gewesen wäre. Er hätte es durchaus schaffen können – mühelos sogar -, dass sie an Familienwerte und Zusammenhalt glaubte. Aber er zeigte sich in einer Weise, die sie ihr ganzes Leben hatte erleben müssen. Eleyna war nicht mehr bereit, sich selbst emotional zu schänden, damit andere sich an ihr abreagieren konnten. Der Schatten hatte sie gewarnt und wieder einmal sollte er Recht behalten. Doch was nutzte das nun? Auch er war nicht da, sie wusste nicht mal wo er war und ob er überhaupt nach ihr suchte. Und selbst wenn… Was wenn er sie fand? Sie würden nicht mehr an die Dinge anknüpfen können, die sie einander vorgegaukelt hatten. Sie hatte geglaubt, dass Laogh ein Weg raus wäre aus dem Schlamm, dem Schmutz und dem Dunkel. Aber er steckte selbst viel zu tief darin, um ihr die Hand zu reichen. Auch seine Dämonen waren präsenter denn je und Eleyna verstand es. Sie waren zwei Seelen, die sich in anderen Zeitlinien gewiss gut ergänzt hätten. Und sie hatten einander gutgetan. Für eine Weile… Aber die Schrecken der Welt waren vorangeschritten und nun nahm die Spionin jene an, um ein für alle Mal mit dem Wunsch eines normalen Lebens abzuschließen. So verbarg Eleyna ihr Gesicht vor der Welt in Estria, um sich im Getümmel abzusetzen. Es gelang ihr spielend, sodass es keine Spur von ihr geben würde. Ihr erstes Ziel war die Distanz. Sie musste erstmal weit genug wegkommen, um dann ein wenig ruhiger ihre nächsten Schritte abzuwägen. Arvid würde für sie keine Option sein, denn der Bengel hatte sich als viel zu unsicher erwiesen. Sie würde ihn zurücklassen und keine Träne nachweinen. Doch Eleyna musste auch zusehen, dass sie in dieser Kälte würde überleben können, deshalb suchte sie in einigen Gassen nach etwas, das ihr behilflich sein würde.
Leider war diese Gegend nicht dafür geeignet, um von einer Wäscheleine Kleidung zu klauen. Sie wäre schlicht gefroren. Also bog Eleyna um die nächste Häuserecke und fand sich in einer kleinen Gasse wieder.

Die Häuser standen hier enger zusammen, doch auch hier würde sie nichts werden. Bevor sie aber zurückgehen konnte, erklang eine Stimme in ihrem Rücken, die sie innehalten ließ. Sie schloss einmal ungesehen die Augen und atmete durch. Es war schon bezeichnend, dass sie immer wieder aufgehalten wurde. Die Götter mussten ihren Heidenspaß mit ihr haben, wenn sie nicht sogar gottlos war. Verdammt und dazu auserkoren, immer wieder zu scheitern. Die Elfe drehte sich langsam dem Sprecher entgegen und bestätigte mit einem kurzen Blick ihre Vermutung. Gleichwohl sah sie die anderen Männer sich aufstellen, um ihr eine Flucht unmöglich zu machen. „Manchmal ist die Welt deutlich zu klein.“, gab sie trocken zurück und streifte sich langsam die Kapuze vom Kopf. Sie zählte die anderen Männer und musterte sie einmal prüfend, um einzuschätzen, wie gut oder schlecht sie sich gegen einen Angriff wehren könnte. Allerdings war die Unterzahl ein Problem und so, wie die Männer sich aufstellten, waren sie ohnehin daran interessiert, ihr zuzusetzen. Wie aufs Stichwort meldete sich dann ihre Schläfe, die durch Arvid’s nächtlichen Angriff ohnehin noch lädiert war. Ihre Finger waren kalt und ungelenk. Nicht die besten Voraussetzungen. Eleyna hatte, bevor sie sich umgedreht hatte, den Rückweg geprüft, um festzustellen, ob eine Flucht nach hinten möglich wäre. Oder befand sie sich in einer Sackgasse? Konnte sie an etwaigen Giebeln und hervorstehenden Dingen die Hauswände emporklettern und über die Dächer fliehen? Sie prüfte ihre Möglichkeiten, bevor sie ihren Blick wieder auf die Männer richtete. „Gehst du mir freiwillig aus dem Weg? Oder artet das hier in etwas aus, das du… bereuen könntest?“, fragte sie ihn mit scheinbarer Neutralität. Allerdings war sie aufmerksam, wachsam und bereit, sich gegen alles zu wehren, was da auf sie zukommen sollte. Sie würde den ersten Schritt nicht machen, wenn die Männer auf eine körperliche Auseinandersetzung aus waren, dann würden sie kommen müssen. Aber sie würde ihnen auch zeigen, dass sie definitiv nicht so schutzlos war, wie sie vielleicht glaubten.

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Re: Auf der Suche

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 14. Dezember 2023, 23:04

Da sie nicht länger Sylvainas unfreiwilliger Gast war, hatte diese keinen Grund, sie noch länger in ihrer Nähe festzuhalten. Sofern es sie überhaupt noch interessierte, nachdem sowohl Arvid verschwunden, als auch ihre eigenen Geschäfte in den Vordergrund gerückt waren. Es gab also im Prinzip nichts und niemanden, der die Halbelfe aufhielt, als sie sich in die Menge mischte und den entfernten Verwandten einfach stehen ließ.
Sie ließ sich treiben und machte sich zugleich auf die Suche nach Dingen, die sie für ihren weiteren, weiten Weg benötigen würde. Etwas Kleidung, ein wenig Proviant. Auch ein Gefährt oder ein Reittier wären nicht schlecht, aber an so etwas unauffällig heran zu kommen, wäre äußerst schwierig und mühsam. Obendrein hatte sie kein Geld, das befand sich noch bei ihrem menschlichen Teil der Familie in Mantron. Somit würde es wohl oder übel erst einmal zu Fuß für sie weiter gehen, allein, so, wie sie den Großteil ihrer Laufbahn verbracht hatte.
Wie es wohl ihrem Rappen ging, der in Santros eingestellt worden war, während sie bewusstlos gewesen war? Ob es Sinn machen würde, diesen Umweg in Kauf zu nehmen, um ihn zu holen? Oder war er gut genug versorgt? Nun ja... so, wie Laogh seine bissige Stute behandelt hatte, wäre es durchaus möglich, dass es ihrem einstigen Begleiter ganz gut erging. Überhaupt hatte es so gewirkt, als wüsste der Schatten, wie er mit Pferden umzugehen hatte. Und auch in ihrem Traum, in dem sie ihre eventuelle Tochter gesehen hatte, hatte er mit diesen Tieren zu tun gehabt. Aber das war Unsinn, das war nichts weiter als ein Produkt ihrer Phantasie gewesen, reines Wunschdenken oder so! Nicht wahr...?
Das Problem jedoch an Gedanken und Erinnerungen war, in die man versinken konnte, dass sie eine Ablenkung darstellten. Auch in Eleynas Fall sorgten sie dafür, dass sie sich mehr treiben ließ, als für ihr Vorhaben gut war, und sich irgendwann nicht mehr im Umfeld des Handelspostens wiederfand, sondern in einem Wohnviertel. Noch dazu einem, das wohl nicht zu den reichsten Teilen der Stadt gehörte. Auch die Witterung lud nicht gerade dazu ein, seine Wäsche oder sonstigen Waren außerhalb der Häuser aufzubewahren. Fehlanzeige also...
Und nun? Was sollte sie tun? Umkehren und es bei den ganzen Händlern und ihren Kunden erneut versuchen? Allerdings lieber nicht ganz so nahe bei Sylvainas Stapelplatz, falls diese sonst noch auf dumme Ideen kommen könnte.
Gerade, als sie einen Entschluss fasste, erklang in ihrem Rücken eine Stimme, die sie eindeutig nicht mehr in ihrem Leben hatte hören wollen. Auch das noch! Auf diese Begegnung hätte sie eindeutig verzichten können. Nur leider war ihr das Glück nicht hold.
Nach einem kurzen Durchatmen und Fassen drehte sie sich um und konnte recht rasch erkennen, dass sie sich in keiner guten Position befand. Nicht allein, dass das Plappermaul sie entdeckt hatte, nein, er hatte auch noch Verstärkung mitgebracht. Was machte er überhaupt hier in Estria? Wobei... das war gar kein so abwegiger Gedanke. Immerhin hatte die Eiselfe ihn mitsamt seinen Kameraden vom Schiff und den Waren auf dem Lastschlitten weiter geschickt. Hierher? Oder hatte er sich unterwegs abgesetzt? War vielleicht nach getaner Arbeit in die Stadt gereist? Nun ja, es war nicht wirklich von Bedeutung, denn es änderte nichts an der Tatsache, dass sie sich jetzt erneut gegenüber standen.
Und wo war der Bogenschütze? Ihn konnte sie unter den Männern nicht entdecken, die offenbar nicht zum ersten Mal mit jemandem zu tun hatten, den sie bewusst in die Unterzahl bringen wollten.
Sie hatten sich geschickt um Eleyna positioniert, in einem Halbrund und mit Abständen zwischen sich, durch die sie nicht einfach schlüpfen könnte. Demnach hätte sie immer mindestens zwei Gegner, mit denen sie erst ringen müsste, um hindurch zu gelangen, während dem der Rest zur Verstärkung anrücken könnte.
Zurück zu weichen, war ebenfalls keine Option, denn hinter ihr befand sich eine enge, dunkle Gasse, die sich als Sackgasse erweisen würde. Noch dazu eine mit Hauswänden zu beiden Seiten, die so glatt waren, dass man an ihnen nicht hochklettern konnte, um die Mauer am Ende des Weges überwinden zu können. Ebenfalls gab es keine verborgenen Türen und selbst wenn sie vorhanden gewesen wären... Wer hätte ihr aufmachen und sie, die Fremde, hinein lassen sollen, in einer Zeit, in der sie nicht überwältigt worden wäre? Nein, wenn sie würde fliehen können, müsste sie das nach vorne tun.
Doch im Moment eröffnete sich ihr keinerlei Chance, sodass sie etwas anderes tat. Sie spielte auf Zeit und ging zumindest in den verbalen Angriff über. Schon ihre Begrüßung zeigte deutlich, was sie von dieser Begegnung hielt, aber damit beeindruckte sie ihren Gegner nicht. Der grinste und zuckte mit den Schultern. "Auch klein hat seine Vorteile.", erwiderte er, schien jedoch wenig davon zu halten, sich erst einmal ein Geplänkel zu liefern.
Stattdessen gab er seinen Kumpanen ein Zeichen. Schon stürzte sich ein Teil von ihnen auf sie und nach einem kurzen Gerangel, das zu dem ein oder anderen blauen Auge führte, war sie unterlegen und musste es über sich ergehen lassen, dass sie festgehalten wurde. Ihre Arme wurden zur Seite geführt, dass es unangenehm in ihrem Schultergürtel zog und sie sich kaum rühren konnte in dieser Position.
Plappermaul kam grinsend näher, sich seines Sieges mehr als bewusst, den er offenkundig auskostete. "Wer wird denn hier gleich grob werden wollen? Aber ich muss gestehen, du hast schon einmal besser ausgesehen.", spottete er und strich über ihre Wange, wobei er mit Absicht auch einige ihrer alten Schrammen merklich berührte. Hastig zog er die Hand dann wieder zurück, für den Fall, dass sie hätte beißen wollen.
Bei ihren nächsten Worten hob er gespielt überrascht die Augenbrauen. "Aus dem Weg gehen? Ich? Dir?" Er lachte und deutete ein Kopfschütteln an. "Das würde ich viel eher bereuen. Meinst du nicht auch?" Sein Grinsen, das nach dem Lachen auf seinen Lippen zurück blieb, war nichts weiter als dreckig und unterstrich, was er mit ihr vorhatte.
Plötzlich erhielt sie einen Schlag in den Nacken, der tausende Ameisen ihren gesamten Leib entlang zu schicken schien. Ein wenig fester und sie wäre vermutlich bewusstlos geworden. Doch auch so war der Treffer mehr als verheerend, denn er hatte ihre Nerven dermaßen mitgenommen, dass sie sich kaum rühren konnte und das Kribbeln in all ihren Gliedern einfach nur schmerzte.
"Keine Sorge, es wird dir auch gefallen,... wenn du artig ist.", redete indes ihr Gegner weiter und zwinkerte ihr zu. "Du riechst übrigens besser als bei unserer letzten Begegnung, das muss ich schon sagen.", lobte er, als hätte sie das extra für ihn gemacht.
"Ein bisschen kühl heute, meinst du nicht? Aber keine Sorge, ich bin mir sicher, ich werde es richtig schön warm haben und meine Freunde auch... in jedem deiner Löcher. Wir werden dich so richtig schön ins Schwitzen bringen!" Damit griff er nach ihrer Kleidung und wollte sich daran machen, was er ihr soeben angedroht hatte.
Und Eleyna? Sie war hilflos! Nicht nur, weil sie von zwei Kerlen festgehalten wurde, die wussten, wie sie zupacken mussten, sondern auch, weil der Schlag noch immer in ihrem Körper nachhallte. Was sollte sie tun? Wie käme sie aus dieser misslichen Lage wieder heraus? Oder sollte sie sich gedanklich verabschieden und diese Situation über sich ergehen lassen, durchstehen wie die Folter in Sarma, in der Hoffnung, am Ende zu überleben?
Noch während sie nach einer Lösung suchte und der Eiself vor ihr an ihrer Kleidung herum werkelte, wendete sich das Blatt. Plötzlich wurde der Kerl zu ihrer Linken von etwas Hartem an der Schläfe getroffen. Mit einem Jaulen ließ er sie los, erstarrte und sackte im nächsten Moment bewusstlos zusammen. Ihr Arm hingegen fiel herab und baumelte nutzlos an ihrer Seite.
Verwirrt sahen die Männer sich um und entdeckten den Schuldigen. "Finger weg!", befahl Arvid und griff erneut mit seiner kleinen Schleuder an.
Der nächste wurde zielsicher am Schienbein getroffen und heulte auf. Plappermaul ließ von ihr ab und fluchte in Esera, sah seine Kumpanen an und sprach schnell auf sie ein, forderte, dem Tonfall nach, offensichtlich, dass sie was gegen diese Störung taten.
"Versucht's doch!", knurrte indes der Mischling und zielte ein weiteres Mal. Als der Stein punktgenau einen der Kerle an der Schulter traf und ihn eine halbe Pirouette machen ließ, reichte es der Bande.
Sie hatten sich scheinbar schnellen Spaß erhofft und nicht damit gerechnet, dass irgendwer zur Rettung eilen könnte. Außerdem hatte sie sich ja auch schon ziemlich gewehrt, sodass sie lieber Fersengeld gaben, anstatt sich die nächsten Blessuren zu holen. Ihr Anführer schimpfte wie ein Rohrspatz, sah jedoch ein, dass er auf verlorenem Posten stand, und zog es vor, ebenfalls zu Verschwinden.
In der Zwischenzeit fiel die Spionin, jeglichen Halts beraubt, unsanft in den Schnee und blieb direkt neben jenem Elfen liegen, der als erster einen Stein abbekommen hatte. Blut sickerte aus der Wunde an seiner Schläfe und würde bald das schöne Weiß unter ihm rot färben. Ob er tot war? Was kümmerte es sie? Sie konnte sich nicht bewegen!
Schritte kamen näher und Arvid stellte sich vor sich. "Hoch mit dir!", verlangte er und half ihr auf die Beine. Doch sowie er sie allein stehen lassen wollte, konnte sie ihr eigenes Gewicht nicht halten und er musste ein paar Mal nachgreifen, wollte er sie nicht erneut fallen lassen.
"Hmpf.", machte er schließlich unzufrieden und ließ sie kontrolliert wieder zu Boden sinken. "Bleib sitzen.", orderte er an, als könne sie etwas anderes tun, und... verschwand einfach.
Wohin? Was hatte er vor? Was sollte das Ganze hier überhaupt?! Wie lange würde er wegbleiben? Die Zeit dehnte sich und neben der äußeren Kälte drang sie auch von innen her immer mehr in ihren Körper. Noch immer kribbelte jede Faser von dem verdammten Schlag und wenn sie niemand bald aufgabeln würde, würde sie hier auch noch sehenden Auges erfrieren.
Dann, endlich, tauchte in ihrem Blickfeld ein Rentier auf, das einen Schlitten zog. Kaum blieb es in der Nähe stehen, sprang Arvid herunter und eilte zu ihr. "Los, hoch mit dir!", murmelte er und half ihr ächzend erneut auf die Beine. "Komm schon, beeil dich!", drängelte er und bugsierte sie zu dem Schlitten.
Wo hatte er den denn her? Und warum wirkte er mit einem Mal richtig gehetzt? Hatte er etwa gestohlen und war drauf und dran, dabei erwischt zu werden? Wahrscheinlich... oder Plappermaul hatte noch mehr Verstärkung geholt. Er hatte kaum die Geduld, ihr richtig auf den Schlitten zu helfen. Es reichte ihm, dass sie nicht sofort wieder herunter rutschte, als sie halb darauf lag und halb saß, als er auch schon auf seine Position als Fahrer sprang und die Zügel schnalzen ließ.
Sofort zog das Ren an und rannte in einem Tempo los, als ahnte es, dass es sonst auf dem Rücken ziemlich schmerzhaft werden könnte. Auf diese Weise schossen sie in Richtung Stadttor zu und die Fußgänger hatten Glück, dass hier die Fahrbahnen zu den Gehwegen abgegrenzt waren. Sonst hätte es mehr als einen Unfall gegeben und nicht nur Beinah-Zusammenstöße mit Querern!


Eleyna fährt zu Der Nebel der Dunsthügel
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