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von Asgar » Mittwoch 17. November 2010, 21:38
Er hörte noch das Fluchen des Dunkelelfen und grinste belustigt, bevor die Dunkelheit ihn verschluckte. Das musste sein! Der Kerl wird mir sonst zu aufdringlich. Er wusste jedoch genau, dass Dorcha die unvollendete Drohung durchführen würde, sobald er eine Gelegenheit dafür bekam. Aber vorerst würde der schön auf dem Boden der Tatsachen bleiben: dem Scheppern nach zu urteilen, hatte er ins Schwarze getroffen. Manthala steht mir in der größten Not zur Seite...dafür werde ich ihr mindestens zehn Drachmen opfern...
Unten angelangt, sehr unsanft übrigens, umfing ihn erst einmal Dunkelheit. Sein Schädel schmerzte bestialisch. Was geht mit mir vor? Warum habe ich diese Gedanken? Verfalle ich langsam aber sicher dem Wahnsinn? Er brauchte Antworten auf diese Fragen. Aber nicht hier oder jetzt. Zuerst einmal zählte, dass sie in Sicherheit kamen, bevor… Er dachte den Gedanken nicht zu Ende. Zu groß war die Furcht.
Was verwunderlich war, das war die Tatsache, dass es hier außer ihrem Atem und ihren Herzschlägen keine Geräusche gab. Diese Luke schluckt den Lärm…interessant. Der Geruch von Erde umfing ihn. Es roch irgendwie nach Heimat. Als er wieder klarer sehen konnte, erkannte er die Konturen der Wände. Sieht fast wie in einem Tierbau aus…Hoffentlich keins von der Sorte, die gerne Nachtelfen verspeisen möchten…
Hinter ihm war auch Windfuchs nun gelandet. So auf allen vieren hatte er etwas Tierhaftes an sich. Das lag wohl daran, dass er tatsächlich eine Mischung aus Tier und Elf oder was auch immer war. Da übernahm man einige Merkmale der anderen Seite. Asgar versuchte sich aufzurichten, stieß aber mit dem Kopf an der Decke an. Uff! Wenigstens weiß ich jetzt, dass die Decke da ist, wo sie sein soll. Dachte er und rieb sich den Kopf.
Da spürte er eine vertraute Gestalt, die ihn am Arm packte und ihn hochzog. Rin. “Wo warst du so lange…pass auf die Decke auf, die ist verschieden hoch.” An ihrer Stimmlage konnte er erkennen, dass sie sich große Sorgen um ihn gemacht hatte. Er wollte gerade anfangen zu erklären, als sie ihn auch schon umarmte. Während sie so dasaßen erklärte er ihr alles: „Ach, ich hab Dorcha nur den Himmel auf den Kopf fallen lassen, salopp gesagt. Nein, ich hab eine Vase nach ihm geworfen…und ihn getroffen. Man ist der sauer. Was das mit der Decke angeht, nun, das hab ich auch gerade schmerzlich erfahren“. Ein Grinsen schlich sich über sein Gesicht. Aber damit hatte er sich den Dunkelelfen nun endgültig zum Feind gemacht. Egal. Der Feind meiner Freunde ist auch mein Feind!
Er spürte ihren Herzschlag, ihren Atem. Sie war wirklich fast vor Angst um ihn gestorben, könnte man glatt meinen. Noch lebten sie ja. “Dann lass uns verschwinden…bevor er uns folgt…Asgar ist mit dir alles in Ordnung?…”, meinte sie, als sie ihn langsam losließ und dann seine Hand nahm.
Er nickte. „Ja, lass uns abhauen, bevor er hier reinplatzt. Das wäre das Letzte, was wir gebrauchen könnten.“ Auf die Frage antwortete er: „Es geht. Ich hab gerade etwas Kopfschmerzen…sicher von der ganzen Aufregung. Gehen wir.“ Dann schlichen sie los, Rin an der Spitze, dicht gefolgt von Asgar. Windfuchs blieb ihnen die ganze Zeit dicht auf den Fersen. Fast schon zu dicht. Ein ganz ungewohntes Gefühl. Normalerweise waren sie ja sonst immer zu zweit unterwegs gewesen. Jetzt einen Dritten dabei zu haben, war doch etwas gewöhnungsbedürftig.
Besagter Hybrid kam ihnen trotz allem recht zügig hinterher. Anscheinend hatte Asgar mit seiner Vermutung recht behalten…Windfuchs wusste, wo er war, denn immer wenn der Nachtelf nach hinten sah, konnte er ihn geschickt Wurzeln ausweichen sehen, wo er und Rin sich beinahe die Köpfe stießen. Dann nach einer Weile hielt Rin plötzlich an. Asgar wäre beinahe auf sie geprallt, konnte den Schwung jedoch noch abfangen. “Wo werden wir hingehen, wenn wir raus sind?…meinst du Dorcha wird uns folgen…oder andere. Wir müssen doch etwas tun können”, meinte sie. Sie könnten etwas tun.
Doch das würde wohl darauf hinauslaufen, dass sie den Dunkelelfen töten mussten. Aber das lag natürlich nicht in ihrem Ermessen. Vielleicht, wenn sie weit genug flohen, würde der Dunkelelf der Jagd überdrüssig werden und sie in Ruhe lassen. Da rachsüchtige Dunkelelfen aber unberechenbar und schwer einzuschätzen waren, würde das wenig bringen.
Auch die Gefahr der anderen war nicht zu verachten. Sie würden nach ihnen suchen, aber nur, wenn sie Pech hatten. Aber vielleicht würden sie auch Dorcha als Verräter abstempeln und auch ihn jagen, weil er seine Vorgesetzte ermordet hatte.
Oder er würde den Nachtelfen den Mord anhängen, das wäre ihm durchaus zuzutrauen. Er war alles in allem ein mieser, schleimiger Drecksack, der nur töten wollte. Sie beide töten wollte. Rin, weil er sie einfach nicht mochte, ja sogar hasste und Asgar nun, weil er ihm eine Vase entgegen geschleudert hatte.
Es war Notwehr! Rief sich der Nachtelf ins Gedächtnis. Schließlich hatte der Dunkelelf Rin mit dem Tod gedroht. Da sah auch der sonst so gefasste Asgar schon einmal rot. Es war eine ganz natürliche Reaktion.
“…glaubst du, wir können das alles hinter uns lassen?”, meinte Rin schließlich. Eine schwierige Frage. „Ich weiß nicht, ob wir das einfach so vergessen können…zumindest noch nicht.“ Im Moment waren die Wunden noch zu tief. Wären sie in der Hafenstadt nicht getrennt worden, wäre das alles nie passiert: kein Dorcha, kein Urwald-Lager, kein Windfuchs…kurzum: kein Ärger! Zumindest nicht der, der über das Alltägliche hinaus ging.
Aber eine gute Sache hatte das alles: sie hatten endlich zueinander gefunden, darin wären sie sich wohl einig. „Wir sollten weiter.“ Er war erpicht darauf, so viel Abstand wie möglich zu dem Dunkelelfen aufzubauen.