Abwartend beobachtete Caleb, wie Schild und Schwert inspiziert wurden. Es war ein Vorgang, mit dem der kleine Katzenjunge nicht vertraut war und somit war er auf unnatürliche Art fasziniert von dem Blitzen der Metalle und dem Zurren der Schneide durch stille Luft. Er selbst hatte keine Ahnung, worauf er hätte achten müssen. Vom Blick Hectors zu urteilen, der den Lauf des Schwertes vom Griff aus hinab blickte, meinte Caleb zu erkennen, dass er nachsah ob es eine Krümmung in der Klinge gab. Zudem inspizierte er die Schärfe seine Waffen. Wofür das Schwingen gut war, konnte Caleb dagegen nicht nachvollziehen. Vielleicht das Gefühl des Griffs? Gewicht wäre noch ein Faktor, der ihm auf Anhieb einfallen würde, aber ansonsten? Das Wissen darum würde er wohl kaum benötigen, immerhin war er nicht gemacht für Schwert und Schild, da war sich wohl jeder einig.
Hector jedoch schien zufrieden; und im Umkehrschluss war somit auch Caleb zufrieden mit sich.
"Sehr wohl, Hauptmann.", waren die Worten, mit denen er ihr nächstes Ziel ansteuerte. Dem Katzenjungen war es immer noch suspekt, ob und wann er einen Militärgruß zu vollziehen hatte, um einem Hauptmann Respekt zu erweisen, immer hin war er nie Teil der Armee gewesen. Irgendwie war er sich selbst jetzt nicht sicher, ob er schon dazu gehörte oder nicht. Wenn man ihn selbst gefragt hätte, wäre die Antwort natürlich nein gewesen. Aber kam es darauf jetzt noch an?
Ein ungleicheres und merkwürdigeres Paar wars in Troman wohl noch nicht die Hauptstraße hinunter zum Tor geschlendert. Ein jorsanischer Hauptmann, der sich für das Wohlergehen seiner Prinzessin mit dem Feind arrangiert und ein Albino-Hybride, der als Diener an das Könighaus verkauft wurde und nach Jahren des Teller Putzens und Flure Wischens nun mit Wappen und Waffe dabei war ins Feindesland vorzurücken. Kein Wunder, dass man ihnen mehr als nur verwirrte, sondern auch misstrauische Blick zuwarf. Nicht viele wussten vom Plan des Prinzen und so war Hector in seine alten Farben gehüllt ein seltener Anblick innerhalb der Palisade und an einen frei rumlaufenden Katzenhybriden konnte sich eine ganze Stadt auch nicht in zwei, drei Tagen gewöhnen. Wobei Caleb schon jetzt wieder vergessen hatte, seine Kapuze aufzuziehen um seine Ohren zu verstecken, und auch seinen Schweif hielt er nicht länger unter dem Wappenrock zusammengerollt. Es war in letzter Zeit einfach nicht nötig gewesen. Er musste sich nicht mehr verstecken, auch wenn er sich unbehaglich fühlte, während er durch die Straßen lief und links und rechts immer wieder Einheimische anfingen zu tuscheln oder gar auf beide zu deuten. Kinder, die vorbei liefen, waren noch viel unverfrorener. Caleb war sich in solchen Situationen immer unangenehm seiner Umgebung bewusst, auch wenn nach weniger als zwei Dutzend Schritten seine Sicht langsam verschwommen wurde. Hector dagegen lief stoisch gerade aus, mit Blick nach vorne und keinem Interesse an das Getue um ihn herum.
Caleb musste seinen Mentor wohl oder übel um diese Einstellung beneiden.
Auch wenn der junge Diener sich stets umblickte, konnte er trotzdem niemanden finden, dem er vielleicht noch einen Abschied schuldig war. Derenja möglicherweise, sie wusste bestimmt nicht, dass er bereits wieder gehen würde. Selbst Madleen hätte er zu danken gehabt, wenn seine Zeit hier auch gar zu kurz gewesen war, um mehr von ihr zu lernen. Die drei Katzen hätte er ebenfalls gerne noch einmal gesehen, besonders Rhazir. Er schien der verantwortungsbewussteste von ihnen zu sein, und würde vielleicht auf ihn hören, wenn er ihm noch einmal einredete auf die Prinzessin acht zu geben, während weder der Prinz, noch Hector in Troman waren, um sie zu beschützen.
Jedoch lief ihnen keiner davon zufällig über den Weg.
Dennoch sprach Caleb ein kurzes Dankgebet an Feylin, und bat ihn auf alle, die ihm Gutes getan hatten, ein Auge zu haben und ihnen Glück zu bescheren. Mehr konnte er nicht tun.
Vor den Toren erwarteten sie bereits Rist und Aleksander, was Caleb nicht hätte verwundern sollen, aber das tat es. Aleksander musste sich den Weg aus dem Lazarett freigekämpft haben. Seine grausige Operation war kaum zwei Nächte her und dennoch sah er hier vor den Palisaden, gerüstet und bereit für eine Mission, tausendmal besser aus, als er es im Lazarett je getan hatte. Es lag kaum daran, dass es ihm körperlich besser ging, aber er strahlte von innen heraus. Vielleicht war es genau das gewesen, was ihm auf dem Weg der Besserung gefehlt hatte. Durch und durch Soldat.
Bevor Caleb ihn fragen konnte, wie es seiner Wunde erging, legte sich ein Schatten über ihn und eine riesige Pranke griff nach seinem Kopf. Zwischen dies und einem bevorstehenden Bärenangriff hätte es kaum weniger Unterschied geben können, nur dass er hierbei mit verwuschelter Frisur davon kam.
Rist kraulte ihn sogar ein weniger, und im Affekt legte Caleb den Kopf etwas schief, gegen die Hand und den Widerstand, um den Druck auf die Stelle zu erhöhen. Er musste sich zusammenreißen, nicht zu schnurren. Plötzlich mit einem Lächeln auf den Lippen sah er auf zu dem Hünen und schüttelte kräftig den Kopf auf seine Frage hin, bevor sie sich alle wieder dem Tor zuwandten, durch das gerade Theben und der Prinz schritten. Nun waren sie wieder vollzählig.
Dies war wahrscheinlich das erste Mal, dass Caleb sich bei einem Auftritt es Prinzen nicht verbeugte; und wenn es auch am Rande seines Geistes eine Rolle spielte, war er nun eher von Theben und Aleks eingenommen, die er zum ersten Mal zusammen sah. Die beiden schienen ein gutes dynamische Duo abzugeben und Caleb freute sich, den verletzten Soldaten lachen zu hören. Es war so ein starker Kontrast zu den Bildern, die er im Kopf hatte und er wollte sich stattdessen lieber an diesen Moment hier erinnern.
"Hoffentlich hat man dir genug Verbände und Salben eingepackt!", wandte Caleb dagegen ein und sah wieder ein wenig ernster aus. Immerhin wusste niemand, wie lange sie unterwegs sein würden und Aleksander besaß immer noch eine recht frische Wunde. Es war nicht klug, jetzt ein Risiko damit einzugehen - wobei er sich wahrscheinlich erst recht wie Marlin angehört hatte.
Als der Prinz hinter ihm jedoch nach seiner Arbeit fragte, drehte Caleb sich rasch wieder um und versteifte seine Haltung etwas, bis Hector antwortete. Wenn er auch nie gewollt hatte, Knappe oder Soldat zu werden, besaß er dennoch stets in allem das Bedürfnis seine Aufgaben zur vollen Zufriedenheit auszuführen- und da er dies wohl geschafft hatte, gab es nun in Troman nichts mehr für ihn zu erledigen.
Sie waren bereit.
Unbewusst rückte Caleb etwas näher an Felix heran und legte die Hand auf den Hals des Tieres, die Zügel fester im Griff. Nicht, dass er Angst hatte. Obwohl, ja, er hatte Angst. Nicht vor den Jorsanern, aber davor zu versagen. Nichts wäre schlimmer als das. Nur gab es jetzt kein Zurück mehr.
Als der Prinz in die Runde sah, und jeder von ihnen stumm die Zustimmung nickte, schloss auch er sich an.