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von Uriel Schwarzschwinge » Freitag 27. April 2012, 21:56
Das war nun wirklich langsam aber sicher ekelhaft! Uriel rümpfte angewidert die Nase, während sei weiter in den Tunnel vorstießen. Der Gestank, der sich aus sprichwörtlichem Mist, krankem Vieh und penetranten Blütenduft zusammensetzte war mehr als nur gewöhnungsbedürftig. Für einen Moment fühlte sich Uriel an das Arbeitszimmer seiner Schwester erinnert. Dort hatte es manchmal ähnlich gerochen. Liandrá hatte jedoch die einzigartige Fähigkeit besessen, so etwas als "perfekte Arbeitsbedingungen" entschuldigen zu können. Ganz im Gegensatz zum Rest der Familie, die sie schließlich freundlich gebeten hatten, ihre Experimente an einem weniger belebten Ort durchzuführen. Missmutig schüttelte Uriel den Kopf. Das waren Erinnerungen aus glücklicheren Zeiten und sie passten zur jetzigen Situation ungefähr so gut, wie seinen Füßen jeder nur erdenkliche Schuh.
Als er kurz einen Blick rüber zu Rakjar hellte sich seine Stimmung ein wenig auf. Wenigstens ging einem schlechter als ihm, das war doch schon mal etwas! Der Leonide hatte sichtliche Probleme mit der hiesigen Luft, womöglich durch seine Nase, und konnte sich nur mit Mühe davon abhalten laut zu schnaufen. Während er der Schadenfreude frönte, überlegte Uriel wie er angesichts des kommenden Kampfes vorgehen sollte. Rakjars kämpferische Fähigkeiten waren seinen weit überlegen, das war klar und musste bedacht werden. Allerdings besaß der Leonide neben diesen und seinen natürlichen Talenten vermutlich nichts weiteres. Was wiederum bedeutete, dass Uriel für die restlichen Eventualitäten vorbereitet sein musste. Ihr Gegner war ein Magier und ein mächtiger noch dazu. Überraschungsmoment alleine würde hier nicht helfen. Rakjar riss Uriel aus seinen Gedanken und verwies auf den Tunnel. Der Rabenhybrid musste bei den Worten seines Kameraden lächeln. "Erwartungen haben die unangenehme Angewohnheit, dass sie sich nur selten erfüllen, mein pelziger Freund.", meinte er. Rakjar kniff misstrauisch die Augen zusammen. "Was soll das heißen?", knurrte er drohend und man konnte ihm deutlich ansehen, dass dies eigentlich eine rein rhetorische Frage gewesen war. Dennoch antwortete Uriel, immer noch spöttisch grinsend, mit einem Achselzucken. "Dass dies einer dieser seltenen Momente ist. Vor allem aber deswegen, weil ich nicht intelligent genug bin, um mich einfach umzudrehen und dich im Stich zu lassen." Seine letzten Worte hatten ein bitteren Beiklang, was der Leonide aber nicht kommentierte, sondern stattdessen einfach einen Säbel wegsteckte und den Schild zur Hand - oder war es Pfote? - nahm.
Endlich weitete sich der ohnehin schon riesige Tunnel und gab den Blick auf eine Höhle frei. Obwohl, "Höhle" war vermutlich nicht das richtige Wort. Unter "Höhle" verstand man einen dunklen, stickigen, teils sogar kleinen Raum innerhalb von Felsgestein. Dunkle war dieser Ort zwar auch, aber auch nur deshalb weil selbst hundert Fackeln nicht im Mindesten ausgerecht hätten um ihn vollständig zu erleuchten. Diese Halle war deshalb in ein leicht dämmriges Zwielicht gehüllt, hauptsächlich wegen dem großen Feuer in seiner Mitte. Um das Feuer herum saßen fünf Orks, halb nackt, wobei ihre Anzahl Uriel mehr Sorgen bereitete als ihre Mangel an Kleidung oder Körperpflege. Der Geruch von gebratenem Fleisch kam von den Schweinen, die sich munter auf einem Spieß über den Flammen drehten. Dann ging der Blick des Boten weiter zu einem behelfsmäßigen Stall am anderen Ende der halle. Dort drängten sich dicht an dicht Schafe, Schweine und Ziegen beieinander. Zuerst bemerkte Uriels kritisches Auge den armseligen Zustand der Tiere, die definitiv nicht viel Fleisch an den Rippen hatten. Dann aber sah er die zerrissenen Kleider.
Mit einem Mal war der Hybrid froh, nichts gegessen zu haben. Anscheinend war es tatsächlich keine vage Umschreibung gewesen, als ihm gesagt worden war, die vorherigen Attentäter seien allesamt "verflucht" worden. Dennoch fiel ihm auf, dass dies keineswegs so viele Tiere waren, wie gedacht. Entweder hatten die Orks übermäßig großen Hunger gehabt oder Vampa und Nickelrah hatten mehr als nur leicht übertrieben. Uriel sondierte nun weiter die Halle und schließlich blieb sein Blick an einem Thron..."kleben". „Was bei allen Göttern IST das?“, sprach Rakjar genau das aus, was dem Kurier neben ihm durch den Kopf ging. "Nun, ich würde sagen, ein wahnsinniger Hexenmeister mit riesigen Kräften.....und einer Geschmacksverirrung.", antwortete Uriel trocken, "Entweder das, oder ein schlechter Scherz."
Dennoch, das Aussehen ihres heiß ersehnten Feindes war im Moment von nebensächlicher Bedeutung. Denn sie standen vor einem Problem. Sie kamen nicht an ihn heran. Sie trennten ungefähr 30 Meter um einander an die Gurgel gehen zu können. Dreißig Meter, beleuchtet und mit fünf Orks dazwischen. Viel war da nicht mit Überraschungsmoment. Und natürlich forderte Rakjar auch gleich ein Plan! Stimmt ja, ich trag auch ständig welche mit mir herum!, dachte Uriel wütend, Wo hab ich denn nur "Beim Kampf gegen einen nicht-geschlechtsspezifischen Naturhexer"? Trotzdem schloss er kurz die Augen und dachte nach. Jetzt war der Moment gekommen, wo er seine Karten ausspielen musste. Und der erste Zug würde entscheidend sein. Also rief sich Uriel ins Gedächtnis was er alles zur Verfügung hatte. Rakjars Kampffertigkeiten, meine Magie, möglicherweise Überrumpelung, diverse Trümpfe und die obligatorische Unterschätzung meiner Wenigkeit.
Dann öffnete er die Augen und blickte seinen Kampfgefährten unerwartet entschlossen an. Er deutete auf das Feuer und die Orks, wies dann auf sich. Er würde sich um die kümmern. Dann tippte er auf Rakjars Brust und wies zu Apollo. Der Leonid öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch Uriel schüttelte energisch den Kopf. Sie wussten zu wenig über die Fähigkeiten ihres Gegners. Es gab für Magier viele Möglichkeiten Gespräche mit anzuhören. Rakjar legte fragend den Kopf schief und blickte vielsagend zum Feuer. Nun gestatte sich Uriel ein Grinsen. Überlass es mir, formte er mit den Lippen.
Fackeln zu löschen war nicht schwer, ein großes Feuer hingegen schon eher. Dennoch wusste Uriel genau was er tun musste. Er legte seine Hände auf den flachen Stein. Dann nickte er Rakjar zu, hob drei Finger hoch und zählte langsam ab. Als er er den letzten Finger senkte, konzentrierte er sich und stellte rasch eine Verbindung mit den Lagerfeuer in den Mitte der Halle her. Dann leitete er die Hitze in den Boden, in direkten Kontakt mit den Flammen und dann tiefer ins Gestein hinein. Das Gleiche tat er mit den Fackeln. Mit einem Mal wurde es stockdunkel, als jegliches Licht erlosch. Die Orks würden vermutlich bemerken, dass sich der Boden unter ihren Füßen stark erhitzt hatte, aber sie würden nicht begreifen was vor sich ging. Dann zog Uriel seine Klinge und stürmte los. Er bemühte sich nicht im Geringsten leise zu sein und das aus purer Absicht. Man würde sich sofort auf ihn fixieren und das war der Sinn der Sache. Er lief in die Richtung, wo die orks lagerten, verließ sich auf seinen Sinn für die richtige Richtung. Rakjar würde sich im Dunkeln besser zurechtfinden, als jeder andere, das war ihr Vorteil.
Doch Uriel baute nicht darauf, dass dies funktionierte. Darum hatte er die Hitze im Gestein gelassen. So konnte er auf sie zugreifen, wenn er sie brauchte und brauchen würde er sie. Innerhalb weniger Momente hatte er die Orks erreicht. Ihr Grunzen war gut zu hören. Ohne groß zu zielen, schlug er zu, darauf vertrauend, dass er jemanden traf und dieser dementsprechend auch alarmiert reagieren würde. Dann aber, entgegen jeglicher Logik eines Ablenkungsmanövers, setzte er über die grüne Meute hinweg. Schnell und nun leise ging Uriel weiter, in der Hoffnung, dass ihn niemand in dem Chaos hörte und wendete sich nach rechts. Seine tastenden Hände fanden die Umzäunung des Stalles. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Bald würden sich die anderen von ihrem Schock erholen und Rakjar würde es alleine gegen Apollo nicht schaffen, da war sich der Hybrid sicher. Der Leonide wusste nichts davon, aber eigentlich war er die Ablenkung. Apollo musste beschäftigt werden, bis Uriel fertig war. Und eine doppelte Täuschung war dabei am effektivsten. Wer würde denn bitte schön vermuten, dass der Angreifer in Richtung der Schafe und Ziegen stürmen würde.
Mit einem Ruck riss Uriel das kleine Tor auf. Die Verfluchten sahen nichts, doch sie spürten, dass jemand kam. Uriel hörte, wie sich panisch in eine Ecke drängten. Sehr gut!, dachte er. Panik war genau das, was er jetzt brauchte. Er hob sein Schwert und sprang mit einem mal mitten in die Herde hinein. Die flache Breitseite knallte gegen speckige Haut. Zusätzlich flüsterte der Hybrid etwas und presste sein Hand in das Fell eines nahen Schafes. Die heiße Hand biss in die Wolle und qualmender Rauch war zu riechen. Nun würde die Herde mit Sicherheit durchgehen.
Uriel hechtete mit einen schnellen Sprung zur Seite um nicht unter die Hufe zu geraten. Nun war für genügend Verwirrung gesorgt. Zeit, Rakjar zu helfen. Wenn er denn noch lebte...