Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Sie steht direkt am Strand. Hier wird die Wassermagie gelehrt, aber das ist offensichtlich. Das Wasser fließt nämlich aus Fenstern und über Zinnen, wie kleine Wasserfälle, bildet einen Graben um sie und strömt schließlich ins Meer hinein.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Freitag 1. September 2023, 10:30

Eine regnerische Nacht hing über Andunie. Azura befand sich an einem ihrer Lieblingsplätze älterer Tage und sie war schon immer sehr wasseraffin gewesen. Diese Faktoren halfen ihr nun, sich an dem neuen Zauber auszuprobieren. Venthas Launen vom Himmel unterstützten sie mit jedem Regentropfen, der auf ihr Haupt fiel. Dabei traf er sie gar nicht, sobald Azura den magischen Schild manifestieren konnte. Das Wasser machte einen Bogen um den nach oben offenen, gezeichneten Ring und fügte sich ganz natürlich in die zylindrische Wand ein, die sie nun umgab. Der Schild bewegte sich sogar mit ihr, hielt einen kleinen Abstand von etwa einer Armeslänger zu ihr, so dass sie sich innerhalb ihres Schutzes selbst noch frei bewegen konnte, ohne nass zu werden. Kein fremder Zauber, kein Geschoss und vermutlich nicht einmal ein Hieb käme nun zu ihr durch, zumindest nicht, ohne sich des Wassers zuvor erwehren zu müssen. Was allerdings ihre größere Aufmerksamkeit erregte, war nicht der Erfolg über den Zauber selbst, sondern was er freilegte. Inmitten ihres Bewusstseins, wo die Seele wohnte, war sie stets von einem Meer umgeben. Es war ihre Magie, die wellengleich schwappte, mal ruhig und glatt dalag und mal aufbrauste wie unter einem gewaltigen Sturm. Sie hatte Azura sie seit Angebinn betrachtet und sich daran gewöhnt, zusammen mit der Furcht, dass irgendetwas tief in ihr erlöschen und sterben könnte, würde sie sich nur zu stark diesem Wellengang hingeben. Nun sah sie vor ihrem geistigen Auge endlich, was diesen Kern ausmachte. Es war klein, aber hell, erinnerte an den letzten Funken Hoffnung und doch war es soviel mehr. Azura spürte eine innere Verbundenheit. Auch diese winzige, nun freigelegte und vom Wasser selbst geschützte Flamme gehörte zu ihr. Sie war Teil ihrer Seele, obgleich sie zu ihrem bekannten Magiefluss so gegensätzlich war. Trotzdem spürte sie instinktiv, dass auch diesem winzigen Leuchten Magie innewohnte. Sie konnte es nur betrachten, vielleicht durch ihre wütenden Momente ein wenig zum Flackern bringen. Ansonsten hatte Azura aber keinen Zugriff darauf. Die Flamme wirkte zum Greifen nah, schien sich aber wie hinter Glas zu befinden. Nein, hinter Wasser! Ihre eigene Magie schützte sie davor oder vielmehr verhinderte, dass sie sich dieses gegensätzlichen Elementes zu sehr annäherte. Denn Wasser mochte kein Feuer. Wasser wollte Feuer vernichten, ehe es zu groß würde und die eigene Existenz verdampfte. Trotzdem ... irgendetwas hatte ihr eigenes, inneres Wasser begriffen. Es könnte niemals diesen Funken löschen. Die Angst war rein instinktiv, aber letztendlich verging die magische Flammenquelle genauso wenig wie gegensätzlicher Elementarfluss. Deshalb und wohl nur deshalb schützte das Wasser dieses eine, kleine Feuer ihrer Seele. Es würde nicht zulassen, dass Azura sich selbst zerstörte, auch wenn sie zu einem Teil aus brennender Hitze und Glut bestünde. Ein kleiner Teil, aber existent genug, um ihn nicht ignorieren zu können. Es war seltsam, denn Azura hatte keine ihrer magischen Quellen je richtig gefördert. Ihre Befähigung, wenigstens ein bisschen mit dem Wasser zu spielen, lag allein an ihrem heimlichen Selbststudium. Aber von einem inneren Feuer hatte sie niemals gewusst! Woher kam es, warum besaß sie es und wie konnte es passieren, dass es nicht in sich selbst vergangen war, weil sie es nie auch nur im Ansatz gebraucht hatte? Angeblich verkümmerte ungeförderte Magie doch und so konnte selbst ein grundlegend magisch begabter Celcianer seinen Zugang zum arkanen Fluss verlieren und ein nichtmagisches Leben fristen.
Antworten würde sie darauf nicht finden, zumindest nicht allein. Azura kannte sich auf den magischen Gebieten - seien sie nun auf ihre Richtung spezialisiert oder allgemeine Theorie - zu wenig aus. Sie würde sich eingestehen müssen, einen Lehrer oder zumindest jemanden in beratender Funktion zu brauchen, der mehr Erfahrung besaß. Ehe sie sich aber auch zu diesem Thema weitere Gedanken machen konnte, nahm sie jenseits ihres schützenden Wasserschleiers die Konturen einer Gestalt wahr. Es handelte sich um einen Mann, wenngleich seine Statur nicht muskelbepackt war, sondern eher schlank. Er saß in Hockhaltung am Rand des Kieswegs, einen Arm um seine Knie geschlungen und den anderen nach etwas zwischen den Sträuchern ausgestreckt. Dann aber richtete er sich auf, drehte sich in Azuras Richtung, schien sie einen Moment zu mustern und winkte zum Gruß. Die Geste allein hätte sie nicht allzu stark verblüfft, aber da sie mit der linken Hand geschah und von einer Person kam, bei der sie sich unmöglich irren konnte, durchfuhr Azura ein innerer Ruck.
Corax. Das war eindeutig ihr Rabe! Sie erkannte ihn an seiner Statur, der Körperhaltung, den leichten Bewegungen, seiner Haut- und Haarfarbe und nicht zuletzt an den wunderschönen Rubinen seiner Augen, in die sie sich so verliebt hatte. Aber er wirkte ... intakt. Vollständig. Er besaß zwei Arme und mit jenem, den er sich selbst entfernt hatte um Serpentis die Treue zu schwören, winkte er ihr nun zu. Leider wähnte dieser Moment recht kurz. Jemand vom Rand der kleinen Parkanlage rief nach ihm. Azura konnte nicht genau verstehen, was es war. Seinen Namen hörte sie jedenfalls nicht heraus. Diese Bestätigung erhielt sie, als sie dem Verschwindenden selbst hastig nacheilte und nach ihm rief: "Corax! Corax, warte! Bitte, warte auf mich!"
Azura erhaschte noch einen Blick auf die Gestalten. Da waren ein halbes Dutzend dunkelelfischer Wächter in ihren schwarzen Rüstungen. Sie trugen aber nicht das morgerianische Wappen, das sie inzwischen von den Wänden und Zinnen der Wasserakademie kannte - dort hing die schaurige Fledermaus nach wie vor überall aus - es war ein anderes Symbol. Im Regen wirkte es verschwommen und Azurak konnte in der Dunkelheit auch nur einen flüchtigen Blick darauf erhaschen. Es erinnerte sie entfernt an eine Frau mit Flügeln. Das Symbol hätte aber auch eine Libelle sein können oder ein Drache, der nicht die klassischen Schwingen besaß wie man sie aus den Fabeln und Märchen kannte. Mit vom Regen schweren Umhängen aus violettem Stoff wandten die Wachen sich ab. In ihrer Mitte spazierte der Gerufene, welcher nur einmal kurz nach ihr Ausschau gehalten und zurückgesehen hatte. Sein Blick war jedoch fragend gewesen, ohne Erkennen, als hätte er seinen eigenen Namen vergessen. Dann marschierten sie alle davon, hinein in von Nebel und Nacht verhangene Schwärze und Azura schaffte es nicht mehr, sie einzuholen. Venthas klatschnasses Prasseln schluckte ihre Geräusche, die Nacht ihr Gestalten. Sie fand sich irgendwann in den Gassen wieder, die nicht nur ob des Regens aktuell wie ausgestorben wirkten. Schließlich herrschte mittlerweile tiefste Nacht. Niemand mit Verstand wagte sich um diese Zeit noch auf die Straße und jeder, der Azura dort würde herum schlurfen sehen, erkannte in ihr wohl nur eine wandelnde Untote auf der Suche nach Nahrung. Eine unheimliche Vorstellung!
Azura blieb nichts Anderes übrig, als umzukehren. Sie würde Corax und diese Wächter nicht so leicht finden und konnte nur spekulieren, was diese ganze Szene zu bedeuten hatte. Wichtiger aber war, dass sie erneut den Park aufsuchte, denn in ihrer Eile hatte sie nicht nur die magische Schriftrolle dort vergessen, sondern auch den Beutel mit ihren Tränenperlen auf dem Brunnenrand liegengelassen. Langsam fühlte sie sich ein wenig ermattet, was am Aufrechterhalten ihres Wasserschildes liegen mochte. Selbst mit Venthas Regen als Unterstützung zehrte der Zauber doch an ihrer Kraft, allein weil sie ungeübt darin war. Sie musst ihn entweder aufgeben oder bald erneut darum kämpfen, nicht einer Ohnmacht zu verfallen.
Ihre Füße trugen sie nur noch lustlos Richtung Springbrunnen zurück. Der Kries knirschte unter ihren Schuhen. Als sie allerdings an jener Stelle vorbei kam, wo sie Corax hockend entdeckt hatte vorhin, da fühlte sich der Untergrund kurzzeitig anders an. Auch knirschte kein Kies unter ihr. Ein Blick zu Boden zeigte ihr den Grund. Sie war aud die Ecke eines Lederbeutels gestiegen, der wie ihre Perlen und die Schriftrolle vergessen worden war. Nichts Ungewöhnliches, hätte sie auf dem Leder nicht ein Wappensymbol erkannt: die blaue Silhouette einer wie zum Tanz bereiten Frau mit feinen Libellenflügeln auf violettem Grund. Eine Fee. Und darunter, in der Nacht nur schwer leserlich, weil so filigran eingestickt, stand der Name Faelyn.
Sofern Azura den Beutel an sich nahm, würde sie nicht nur dessen Gewicht schnell bemerken, sondern auch das gläserne Klirren im Inneren. Darin fänden sich nebst einigen, offenbar frisch gepflückten Kräutern wie Lavendel und Salbei zwei Trankflaschen und mehrere Phiolen. Letztere waren leer, aber die Flaschen beinhalteten Flüssigkeiten unterschiedlicher Farbe. eine sanft orange, die andere in einer Mischung aus Eisblau und Smaragdgrün, dass sie fast an die Augen Calebs van Tjenn erinnern mochten.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Freitag 1. September 2023, 12:35

Sie hätte niemals gedacht, dass es dermaßen einfach sein könnte, diesen Zauber zu wirken. Nicht nur, weil sie gerade generell sich sehr klein fühlte und wenig zutraute, hatte sie bislang noch nie nach Anweisung das Wasser zu formen versucht. Was sie getan hatte, war aus einem inneren Impuls heraus gekommen, von ihrem Instinkt geleitet und nicht wirklich reproduzierbar. Jetzt hingegen hatte sie etwas in der Hand, eine Anleitung, nach der sie handeln konnte und das ausreichend, damit sie tatsächlich Erfolg damit hatte.
Allerdings war da noch mehr, viel mehr und mit Worten gar nicht zu beschreiben. Mit einem Mal erhaschte sie einen Blick auf ihr Innerstes, auf ein Bild, von dem sie nicht sagen konnte, woher es kam, und von dem sie dennoch wusste, dass es der Wirklichkeit entsprach. Dieses kleine Flämmchen brannte in ihr, flackerte und kämpfte beständig um sein Überleben, ganz so, wie sie sich oftmals beim Wirken ihrer Magie gefühlt hatte, wenn sie zu viel gewagt hatte. Als würde sie, ihr Lebenslicht, erlöschen. Und hier sah sie vor ihrem geistigen Auge genau dieses winzige Feuerchen. Doch anstatt wie sonst von den Wassermassen bedroht zu werden, wurde es dieses Mal davon beschützt und erhielt obendrein Platz, um sich ein wenig recken und festigen zu können.
Es war eine reine Wohltat, dieses Gefühl, ein Geraderücken von so vielem und ein gedankliches Aufatmen, während sie ankam. Ja, sie konnte es kaum anders benennen, als das Finden jener Tür, die sie an den Ort gelangen ließ, an dem sie ihr Gleichgewicht und ihren Frieden finden konnte. Aber da war noch mehr, Dinge, die ihr vielleicht erst später bewusst werden würden oder die mit dem weiteren Schulen ihrer Kräfte einher gehen würden. Nur eines, das war ihr vollkommen klar, ohne sich darüber mehr Gedanken machen zu müssen. Einmal gefunden, würde sie dieses Bild nie wieder vergessen können, würde sich all das Wasser in ihr daran erinnern, dass dieses kleine Flämmchen schützenswert war und keine Bedrohung darstellte, selbst dann nicht, wenn es wuchs.
Es war möglich, dass diese beiden gegensätzlichen Elemente in ihr vereint existierten und vielleicht, irgendwann einmal, wären sie womöglich in der Lage, sich gegenseitig zu unterstützen. So wie sie und... und... die Sarmaerin...
Diese Erkenntnis sorgte zusätzlich dafür, dass die junge Frau aus ihrer Innenschau in die Realität zurück fand und dort einen Anblick geboten bekam, der sie anfangs erschreckte und danach irritierte, hauptsächlich allerdings von sich selbst wieder ablenkte. Es war schon seltsam genug, dass ihr Rabe sich am selben Ort befand wie sie, obwohl sie es nicht darauf angelegt hatte, und noch mehr verwunderte es sie, dass er ihr winkte, als hätte es keinen Streit zwischen ihnen gegeben.
Jedoch wirkte diese Version von Corax nicht nur aufgeräumter, in sich ruhender und frei von seinem Federkleid, nein, er hatte obendrein auch noch beide Arme! Wie nur war das möglich? Das musste sie herausfinden, unbedingt!
Doch ehe sie die Gelegenheit dazu erhielt, wurde der Mann bereits gerufen und wandte sich von ihr ab. Nein, das konnt sie nicht zulassen! Also erhob auch sie ihre Stimme, rief und wurde tatsächlich höflich dabei, indem sie jenes magische Wort mit den beiden T's in der Mitte benutzte. Sie verlangte nicht, sie bat ihn, auf sie zu warten.
Das Problem daran war nur... er hörte nicht darauf. Warum auch immer, er warf ihr flüchtig noch einen scheinbar verwunderten Blick zu, wenngleich dies bei den schlechten Lichtverhältnissen trügen mochte, und setzte seinen eigenen Weg fort, ohne sie weiter zu beachten. Nun, das mochte sie verdient haben, aber... es entsprach trotz aller angestoßener Veränderung nicht ihrem Wesen, sich das einfach gefallen zu lassen.
So schnell sie konnte, lief sie auf dem Kiesweg in seine Richtung, ignorierte das mulmige Gefühl beim kurzen Anblick auf die gerüsteten anderen Gestalten und kam trotzdem am Ende zu spät. Sie waren weg und mit ihnen ihr Rabe...
Azura rief erneut, ohne etwas damit zu bewirken, und rannte ein paar Schritte weiter die Gasse entlang, zuerst in die eine, dann in die andere Richtung. Jedoch war es unmöglich, ihn noch zu entdecken, das Licht war zu dunkel und Nebel hatte begonnen sich zu bilden. Wenn sie nicht aufpassen würde, würde auch sie sich heillos verlaufen.
Sie mochte in Andunie aufgewachsen sein und es gab ausreichend Straßenzüge, die sie selbst im Schlaf und mit verbundenen Augen durchstreifen könnte, ohne die Orientierung zu verlieren. Aber das galt nicht für die ganze Stadt und auch mit viel Übung konnte es geschehen, dass man bei diesem feuchten Wetter in der Finsternis der Nacht nicht zu seinem Ziel gelangen würde. Unabhängig davon, wie sicher... oder eher unsicher es nachts draußen sein mochte. Nein, unter diesen Umständen wäre es schlichtweg dumm, die Suche fortzusetzen. Vielleicht könnte sie ihn nachher dafür in der Akademie finden und mit ihm reden.
Was jedoch bedeutete, dass sie selbst ebenfalls zurückgehen sollte. Sie seufzte lautlos und wäre lieber draußen im Regen geblieben, nur war sie nicht so unklug, um das in der Nacht wirklich durchziehen zu wollen. Bislang fühlte sie den Regen zwar und dass sie durchnässt war, allerdings war ihr noch nicht kalt. Das würde noch kommen, also musste sie vernünftig sein. Nicht, dass sie es wirklich wollte oder sich darauf freute, zurück an jenen Ort zu gehen, an den sie sich einst gesehnt hatte, jedoch hatte sie keine andere Wahl.
Außerdem... musste sie noch einmal zurück in die kleine parkähnliche Anlage und ihre Sachen holen. Die Schriftrolle hatte sie anfangs noch fest gehalten, auf dem Weg aber anscheinend in ihrer Hast trotz allem losgelassen, und der Beutel mit ihren Tränen... Oh ja, den musste sie unbedingt wieder an sich nehmen!
Danach wollte sie zurück zur Akademie und dort in jenes Zimmer gehen, in dem sie aufgewacht war, um ein wenig noch nachdenken zu können. Eventuell auch etwas ausruhen, denn die Müdigkeit kroch ihr allmählich die Glieder hoch, während ihr Magen es längst aufgegeben hatte, auf sich aufmerksam machen zu wollen. Das wäre vermutlich erst einmal besser, als sofort nach Corax zu suchen und selbst nicht so genau zu wissen, was sie ihm sagen wollte. Allzu böse schien er ihr ja nicht mehr zu sein, nachdem er ihr derart unvoreingenommen gewunken hatte...
Der Kies knirschte indes unter ihren Füßen bei jedem Schritt und der Regen rauschte noch immer, wenngleich durch den Nebel um einiges gedämpfter. Bis plötzlich... etwas anders war. Azura ging noch ein Stück weiter, bis es diese Information, die da an ihr Ohr gedrungen war, in ihr Denken schaffte.
Abrupt blieb sie daraufhin stehen, drehte sich um und ging noch einmal ein paar Schritte zurück. Aufgrund des schlechten Lichtes konnte sie es nicht sofort erkennen, aber ihre Neugier war geweckt, weswegen sie ungefähr an jener Stelle verharrte wie ihr Rabe vorhin. Auch sie sank in die Hocke und als sie die Augen ein wenig zusammen kniff, da erkannte sie endlich, dass vor ihr etwas lag. Es war an einer Seite flach, dort, wo sie drauf getreten war, und wirkte offenbar nicht spitz oder scharfkantig.
Trotzdem blieb sie vorsichtig, als sie ihre Hand ausstreckte und nach dem Beutelchen griff, das sie gefunden hatte. Seltsam... Sie nahm es an sich und befühlte das Leder, aus dem es geschaffen worden war. Dabei machte sie auch eine Stickerei ausfindig, deren Konturen sie ertasten, aber kaum sehen konnte. Was das wohl sein mochte?
Rasch sah sie über die Schulter zurück, aber selbst wenn Corax zurück gekehrt wäre, um diesen Beutel zu holen, sie hätte ihn vermutlich erst ausmachen können, wenn er direkt vor ihr stünde. Also befestigte sie ihn an ihrem Gürtel und hörte dabei ein gläsernes Klirren, das auf den Inhalt schließen ließ. Oh, wie gerne hätte sie sofort nachgesehen und ihre Neugier befriedigt! Doch es hatte keinen Sinn, das war selbst ihr klar.
Stattdessen beeilte sie sich lieber zurück zu dem Brunnen und sammelte auch die Schriftrolle sowie ihren eigenen Beutel ein, die sie zum Glück beide noch finden konnte. Nachdem sie alles gut verstaut und sich tastend vergewissert hatte, dass sie nichts davon gleich wieder verlieren würde, wandte sie sich erneut dem Ausgang zu.
Sie wollte zurück zur Akademie, auch wenn der Weg sie durch die halbe nächtliche Stadt führen würde. Näher und damit im Prinzip sicherer wäre es tatsächlich zu ihrem eigentlichen zu Hause. Nur... durfte sie es wagen? Die junge Frau hielt inne und zögerte. Der Waldelf hatte behauptet, ihre Mutter wäre wieder da, allein und in Sorge um Mann wie Kind. Gerne wäre sie zu Aquila gegangen, hätte mit ihr gesprochen und sich Rat geholt, auch wenn sie diesen höchstwahrscheinlich nicht befolgt hätte. Oder hätte nach all den Jahren sogar Fragen zu ihrem Erzeuger gestellt...
Auch hätte sie, sobald sie das Wappensymbol auf dem Beutel und den Namen darunter hätte im Licht sehen können, in die Bibliothek ihres Vaters gehen und dort nach Hinweisen suchen können. Die Büchersammlung ihres Stiefvaters war immens und vielleicht wäre etwas Passendes dabei.
Doch da war noch immer das Problem mit ihrem Aussehen und mit ihren... Handlungen, mit dem Umstand, dass sie nicht mehr unberührt war und somit Schande über sich, als auch über ihre Familie gebracht hatte. Schwerwiegende Gründe, die sie davon abhielten, diesen Weg nach Hause sofort einzuschlagen, obwohl ihr Herz dorthin strebte. Nein, es wäre besser, angebrachter, wenn sie es sein ließe, wenn sie zur Akademie ginge.
Lautlos seufzte sie und haderte noch einen Moment mit sich, dann wandte sie sich ab und hatte sich entschieden. So konnte und wollte sie ihrer Mutter nicht unter die Augen treten, schon gar nicht ohne Vorwarnung. Also würde sie nicht nach Hause gehen.
Aber einen Brief, den wollte sie so bald wie möglich schreiben und ihr überbringen lassen, damit sie sich wenigstens ein paar Sorgen weniger zu machen brauchte. Ja, das wäre zumindest ein Anfang... und obendrein leichter, als ihr in die Augen sehen zu müssen, wenn sie ihr das ein oder andere erzählte, was seit ihrer Entführung passiert war.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Samstag 2. September 2023, 11:06

Durch den Regenschleier ihres Wasserschildes war er ihr wie ein Traum erschienen, allerdings intakt und scheinbar kein bisschen nachtragend wegen ihrer Meinungsverschiedenheiten. Doch gleichermaßen wie ein Traum war er wieder verschwunden, mit den zahlreichen dunkelelfischen Soldaten. Sie hatten ihn einfach in Nebel, Nacht und Regen fortgeführt. Doch es bestand kein Zweifel darin, dass Azura Corax gesehen hatte. Gesünder, frischer zwar, dass er eine Spur jünger ausgesehen haben mochte, aber das konnte auch an den schlechten Lichtverhältnissen gelegen haben. Ähnlich mäßige wie nun im Park und doch gelang es ihr, nicht nur die Schriftrolle der Wassermagie und ihren Beutel mit Tränenperlen wiederzufinden, um beides einzusammeln, nein. Sie stieß darüber hinaus noch auf einen weiteren, fremden Beutel. Da sie ihn in der Dunkelheit nicht genauer untersuchen konnte, zugleich aber nicht zurücklassen wollte, denn sein Inhalt besaß durchaus etwas Gewicht, befestigte sie ihn an ihrem Gürtel und machte sich auf den Rückweg. Dabei konnte Azura nur ihren Füßen vertrauen. Es war so finster, zumindest in dem Teil der Stadt, durch den sie sich gerade bewegte. Würde sie zum Anwesen ihrer Familie gehen, wären die Wege dorthin nicht nur mit den kleinen, runden Steinen gepflastert, sondern auch im Abstand von einigen Metern beleuchtet. Andunie legte Wert auf Straßenlaternen und es schuf Arbeitsplätze, denn man brauchte einige gewillte Seelen, die zu später Stunde mit Fackeln von Mast zu Mast gingen, um dort die Lichter zu entzünden, ebenso wie überdurchschnittlice Frühaufsteher, welche mit ihren Kerzenkappen an langen Stangen noch vor Sonnenaufgang ihren Rundgang machten und die Beleuchtungen erlöschen ließen. Für die Azura der Vergangenheit, die gerade erst den Luxus des Adels entdeckt hatte, waren diese Prozeduren magischer gewesen als für die Frau von heute. Es hatte sich so viel verändert. Sie hatte sich verändert, leider nicht zum Besten. Sie war eine wandelnde Tote, die dennoch lebte und nicht weiter verfaulte wie man es annehmen mochte. Sie war nicht mehr unberührt und somit eine Schande für ihre Familie und gefundenes Fressen für den Adel, sofern er in der ihr bekannten Konstellation überhaupt noch existierte. Die Furcht, ihrer Mutter mit so viel Abstoßendem unter die Augen zu treten, war einfach zu groß. Sie konnte nicht zu ihr gehen - noch nicht oder wenigstens nicht allein. Das musste sie sich reichlich überlegen. Die Kraft dafür fehlte ihr im Moment jedenfalls. Der Streit mit Kjetell'o und Corax hatte sie ausgelaugt, das Wasserschild - so leicht es auch beschworen werden konnte - zerfiel nun und sie spürte nicht nur den Regen wieder auf sie niederprasseln. Sie spürte auch, dass die Aufrechterhaltung dieses Schutzzaubers ihr durchaus ein wenig abverlangte. Nichts, womit sie gerade nicht fertig würde, aber ihre Glieder sehnten sich nach Wärme und der Bequemlichkeit, auf weichen Polstern zu liegen. Ihr Herz sehnte sich ebenfalls nach Wärme, aber der eines anderen Körpers, in dem ein Herz für sie schlug. Warum hatte Corax nicht auf sie reagiert. Warum war er mit diesen Soldaten fortgegangen?
Diese Fragen ohne Antworten beschäftigten die Andunierin auf ihrem Weg zurück zur Akademie. Sie brauchte einige Zeit, denn dieser Pfad war ihr fremd. Mehrmals verlief sie sich in den düsteren Gassen. Einmal wurde sie fast angesprochen. Irgendein Halsabschneider näherte sich ihr mit wankenden Schritten, streckte schon eine Hand nach ihr aus, während er versuchte, sich mit der anderen die Hose zu öffnen. Doch dann sah er ihr Erscheinungsbild, schrie auf und torkelte in die Dunkelheit davon. Es hatte unter gewissen Umständen schon sein Gutes, für einen bestimmten Kreis nicht ansprechend genug zu sein.
Noch weit vor Sonnenaufgang erreichte Azura dann doch noch die Akademie der Wassermagie. Sie hatte den festungsartigen Gebäudekomplex auf der Klippeninsel stets im Blick gehabt. Er erhob sich als dunkler Schatten aus dem Nachthimmel ermpor, der durch einige Fackeln udn Feuerschalen erhellt wurde. Am Tor wurde sie angehalten, sich erneut auszuweisen. Man erkannte sie jedoch rasch, sowohl an ihrer Kleidung als auch ihrem Zustand.
"Lass die vorbei, das ist die untote Schülerin der Feuerhexe."
"Warum lässt die nun Leichen für sich arbeiten? Sie hat doch uns?"
"Aber Leichen sind schon tot! Halt die Klappe und lass das wandelnde Ding durch. Besser, die verteilt ihre Knochen auf dem Boden als wir."

Das Gespräch der Wachen am Tor war harsch und klang fast schon ablehnend. Ihre Blicke waren es auf jeden Fall. Azuras Bild widerte die beiden Elfen an. Trotzdem ließen sie sie passieren und sie gelangte durchnässt und fröstelnd zurück ins Innere der Akademie. Es war still geworden. Nur Nachtschwärmer und vereinzelte Wachpatrouillen der Akademie selbst wandelten noch durch die Korridore. Der Großteil der Bewohner schlief um diese Zeit. Auch Azura zog es wie von allein zu ihrer persönlichen Zuflucht. Das Zimmer, in dem sie und Madiha unter Calebs Augen erwacht waren, fand sie noch genauso aufgeräumt vor wie sie es verlassen hatte. Niemand schien in der Zeit hier gewesen zu sein. Nicht einmal die Betten waren gemacht. Dafür hatte sich vor dem offenen Balkonfenster, das hoch genug war um auch als Tür zu dienen, eine Pfütze gebildet. Die Vorhänge waren nass, wehten nicht mehr in den Raum hinein. Sie hingen jetzt schwer und aufgesorgen gerade herunter, tropften ihrerseits den Boden voll. Und noch immer nieselte es in den Raum hinein. Ventha schickte kalte Nachtwinde, die Azura eine Gänsehaut bescherten.
Sobald sie es sich etwas häuslicher eingerichtet hatte - beispielsweise, indem sie das Fenster schloss und den Kamin befeuerte - konnte sie sich endlich ihrem Fund widmen.
Im besseren Licht erkannte sie rasch das Wappen der bläulichen Fee auf violettem Grund, sowie dem Namen des Eigentümers: Faelyn. Ob es sich dabei nun wirklich um den Namen einer Person handelte, konnte man anzweifeln. Wenn jemand sein Eigentum kennzeichnete, dann mit Initialen. Azura hatte zahlreiche Schnupftücher besessen, auf denen A.v.I. eingestickt worden war. Manche davon hatte sie billig herstellen lassen. Die kostbarsten aber waren allesamt Geschenke ihres Ziehvaters gewesen und diese gab sie auch an keinen Galan aus der Hand. Bisher war das jedenfalls nicht geschehen, denn niemand war es wert gewesen, ein so kostbares Kleinod besitzen zu dürfen.
Sie konnte also ausschließen, dass Faelyn der Name einer Person war. Vielmehr ließ sich dahinter ein Handels- oder Adelshaus vermuten. Das wäre in Andunie so üblich. Allerdings schien Corax den Beutel zurückgelassen zu haben oder aber er hatte ihn selbst gefunden, durch den Ruf dieser Wachen aber nicht mehr geschafft, ihn einzustecken. Wie auch immer: Erneut hatte Azura Fragen, die sie allein nicht würde klären können, ohne nachzuforschen oder wiederum andere Leute einzubinden. Die Tasche beherbergte zwei Flaschen und eine Hand voll Phiolen. Letztere waren leer, sauber und aus Glas mit kleinen Korken zum Verschließen. Sie erinnerten Azura an wenig ansehnliche Duftflakons für Parfumproben. Die großen Flaschen mit den beiden Flüssigkeiten in Orange und Grünblau hingegen sahen nicht nach Duftwässerchen aus. Dafür waren sie zu groß. Eine Dame von Rang würde mit einer einzigen Flaschen mehrere Jahre auskommen. Darin konnte sich unmöglich Parfum befinden. Die orangefarben Flüssigkeit bewegte sich geschmeidig, beinahe wie Öl. Die Grünblaue hingegen wirkte etwas zäh, erinnerte von ihrer Konsistenz her an Honig, war aber so klar und im Verlauf fließend, dass man nie genau wusste, welcher Farbanteil vorherrschend war. Weitere Hinweise gab es nicht.
Gerade als sie vor der Entscheidung stand, sich dennoch weiterhin mit ihrem Fund zu beschäftigen, ins Bett zu gehen oder doch lieber eine Nachricht an ihre Mutter zu schreiben, öffnete sich die Tür zu ihrem Zimmer. Nahezu lautlos, dass man nur das sanfte Kratzen von Stiefeln auf dem Stein und das leichte Rascheln seines Gewandes hören konnte, betrat Corax den Raum. Er war ohne dunkelelfische Wachen, ging gebeugt und lange nicht so federnd wie noch vorhin im Park. Vor allem aber trug er wieder sein Trauergewand aus zahlreichen schwarzen Federn, die nur gelegenltich auf ihrer Unterseite in allen Regenbogenfarben zu schimmern schienen. Der Umhang bedeckte seine gesamte Gestalt bis hinunter zu den Füßen. Einzelne Federn standen wie das ungebändigte Haar des andunischen Kapitäns zu allen Seiten von den Schultern ab. Statt seines Schnabelhelms trug Corax nun allerdings eine schwarze Kapuze, frei von Gefieder, dadurch aber nicht minder düster. Seine gesamte Erscheinung strahlte so viel Dunkles aus, erinnerte an leibhaftig gewordenes Pech. An Leid. Es war sein Leid, das er trug.
Wenigstens erreichte es nicht seine Züge. Die Augen waren nicht so überschattet wie Kjetell'os. Sie leuchteten wie üblich als rote Edelsteine aus seinem dunklen Gesicht hervor und seine Züge wandelten sich von Kummer zu Überraschung, als er Azura entdeckte. "Du bist wirklich hier", grüßte er, hatte wohl nicht damit gerechnet, sie tatsächlich anzutreffen. Schon senkte sich sein Kopf. Dann winselte er auf und ging vor ihr auf die Knie, einem schwarzen Rabenritter gleich. Er schwor ihr jedoch nicht die Treue, sondern neigte sein Haupt voller Reue. "Bitte, verzeih mir. Ich ... hab mich dir widersetzt." Er rutschte näher, stützte sich mit der verbliebenen Hand - ja, es war wieder nur eine - auf dem kalten Steinboden ab und war schon bereit dazu, Azura wahrhaftig die Füße zu küssen. "Ich akzeptiere jede Strafe", brachte der getretene Hund - Rabe - hervor. "Lass mich nur nicht allein. Bitte!"
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Samstag 2. September 2023, 12:53

Sie fühlte sich verwirrt und es nagte an ihr, dass sie nichts dagegen tun konnte, weil er einfach nicht auf sie gewartet hatte. Stattdessen blieb sie mit ihren Fragen zurück, die sie ihm erst zu einem späteren Zeitpunkt würde stellen können. Aber sie würde diese nicht vergessen, das stand fest! Also kehrte sie, notgedrungen um, und holte ihre wenigen Habseligkeiten. Doch auf dem Weg dorthin stieß sie auf noch einen Beutel und da sie annahm, dass er Corax gehörte... ließ sie ihn nicht liegen.
Nun ja, wenn sie ehrlich war, war auch ihre Neugier mit ein guter Grund, weswegen sie ihn an ihrem Gürtel befestigte. Sie wollte sich das Ganze genauer ansehen und ihren Raben dann zur Rede stellen.
Hier aber war das nicht länger möglich, nicht so sehr wegen des Regens, der auch sie allmählich auskühlte, sondern hauptsächlich wegen dem mangelnden Licht. Eine weitere Entscheidung musste getroffen werden und so sehr sie auch zu ihrer Mutter wollte, es war derzeit einfach noch nicht realisierbar. Zu groß wäre die Enttäuschung bestimmt und auch die Sorge, die sie damit heraufbeschwören würde.
Schweren Herzens wandte sie sich demnach ab und versuchte, zur Akademie zurück zu finden in der Finsternis. Das war alles andere als einfach und mehr als einmal musste sie umdrehen, weil sie entweder bemerkte, dass sie in eine falsche Richtung lief... oder weil sie in einer Sackgasse gelandet war. Noch nie war ihr so deutlich vor Augen geführt worden, wie verwinkelt manche Gegenden ihrer Heimatstadt sein konnten!
Seltsam... früher hatte sie sich darüber niemals Gedanken gemacht. Als kleines Kind sowieso nicht, da hatte sie viel mehr daran gedacht, die noch so winzigste Gasse zwischen den Marktständen zu nutzen, um ihrer Mutter zu entkommen und sich am Kai der Hafenanlage ein Plätzchen suchen zu können, um dort mit Blick auf das Meer träumen zu können. Am besten mit einem andunischen Apfel oder anderem frischen Obst in der Hand, das sie auf ihrer Flucht zufällig in die Finger bekommen hatte. Und später, nach der Heirat ihrer Eltern, hatte sie sich in Stadtvierteln aufgehalten, in denen die Gassen breite Straßen waren, in denen Kutschen fahren und Fußgänger flanieren konnten, erleuchtet von Straßenlaternen und somit nie ein Ort, um sich ernstlich verlaufen zu können.
Jetzt hingegen... Lautlos seufzend drehte sich Azura mal wieder um und nahm eine andere Abzweigung, ohne dabei zu bemerken, dass sie Aufmerksamkeit erregt hatte... um diese bei näherer Betrachtung dank ihres lädierten Äußeren gleich wieder zu vernichten. Vermutlich war das ganz gut so, denn dadurch verlor sie nicht auch noch jenes trügerische Sicherheitsgefühl, das sie noch besaß. Seinen Schrei indes hatte sie auch durch ihre Grübeleien gehört, sodass sie ihm einen Moment lang verständnislos nachsah, ehe sie sich schulterzuckend abwandte.
Schließlich, nach gefühlten Ewigkeiten, erreichte sie trotz allem tatsächlich wieder jene Brücke, die zum Eingangstor der Akademie führte. Gerne wäre sie einfach durchspaziert, so, wie sie es bis vor kurzem noch erwartet und eingefordert hätte. Jetzt allerdings war sie in einer anderen Position, sodass sie zähneknirschend etwas näher heran trat, damit das Licht der Fackel ihr Gesicht besser beleuchten konnte. "Ausweis genug?", fragte sie kühl und sich ausnahmsweise einmal bewusst darüber, dass ihre optische Erscheinung durchaus Wiedererkennungsmerkmal besaß. Wenngleich nicht auf jene Weise, wie sie diesen Umstand bisher zu erreichen versucht hatte.
Die ablehnenden, kalten Blicke erwiderte sie mit einem leichten, trotzigen und höchstwahrscheinlich äußerst unklugen Anheben ihres Kinns. Ihr eigener Ausdruck war entschlossen, denn sie wollte sich von den Dunklen nicht einschüchtern lassen. Es dauerte seine Zeit, bis die Wächter endlich Platz machten und sie in den engeren Bereich der Akademie treten konnte.
Dort angekommen, machte sie sich einen Moment lang Sorgen, ob sie den Weg bis zu dem ihr zugeteilten Zimmer finden würde, doch dann deutete sie ein Kopfschütteln und Schulterzucken an, um weiter zu gehen. Sie hatte halb Andunie durchquert und es bis hierher geschafft, da würde sie auf den letzten Metern nicht aufgeben! Und sollte sie sich dennoch verlaufen... Irgendwer würde sich schon finden lassen, um ihr zu helfen und sei es auch nur aus Abscheu, um sie möglichst schnell nicht länger sehen zu müssen. Ein Hauch von Bitterkeit huschte über ihre Mimik, dann bemühte sie sich wieder um Konzentration.
Tatsächlich schaffte sie es letzten Endes alleine bis zu ihrem Zimmer und als sie eintrat, fröstelte es sie erheblich. Die große Balkontür stand noch immer offen, die kalte Nachtluft strömte ungehindert herein und ihr Körper war inzwischen endgültig ausgekühlt genug, um es sie spüren zu lassen. Seufzend trat sie ein und wunderte sich bei den wenigen Schritten bis zur Balkontür, wo die Sarmaerin sein mochte und warum sich niemand um diesen Raum bislang gekümmert hatte.
Aber dann tappste sie direkt in die Lacke vor der Tür und spürte, wie das Wasser kalt in ihren durchweichten Stiefel drang, dass es sie schüttelte vor Unbehagen. Sie sah herab und schüttelte leicht den Kopf. Vorsichtiger trat sie an der Flüssigkeit vorbei, soweit ihr das möglich war, und schloss erst einmal die Tür.
Danach wandte sie sich ab und suchte nach einer Lichtquelle, die sie zum Glück auf dem Nachttischchen neben ihrem Bett finden konnte. Es war eine kleine Lampe und daneben lagen Zünder, sodass sie den kleinen Docht in Brand setzen und daraufhin das schützende Glas darüber stülpen konnte. Sogar einen Regler gab es, sodass sie die Flamme höher drehen konnte, um mehr sehen zu können, was sie auch tat. Dann legte sie die beiden Beutel als auch die Schriftrolle auf ihrem zerwühlten Bett ab und überlegte kurz.
Ihre Neugier war ungebrochen, was ihren Fund betraf, aber sie spürte auch, wie Kälte und Müdigkeit immer stärker Besitz von ihr ergreifen wollten. Zumindest gegen ersteres musste sie rasch etwas unternehmen, wollte sie keine Krankheit riskieren, die womöglich zu viel für ihren mitgenommenen Leib wäre. Aber was konnte sie tun?
Der Kamin sah einladend aus und gerne hätte sie sich vor ein prasselndes, wärmendes Feuer gesetzt, um auf diese Weise möglichst rasch zu trocknen. Das Problem war nur... sämtliche Tätigkeiten rund um diese Art von Wärmequelle hatte sie niemals ausführen müssen. Ja, sie konnte eine Kerze oder einen Lampendocht entzünden, dazu war sie noch fähig genug. Doch die Scheite in einem Kamin? Nein, dazu war sie nicht in der Lage und wollte es lieber auch nicht versuchen.
Also musste eine andere Lösung gefunden werden und diese bedeutete vor allem, sich auch umzuziehen, wenngleich diesmal ohne Hilfe anderer. Sie wandte sich demnach von ihrem Bett ab und schlüpfte aus den nassen, klammen Sachen, die sie achtlos auf den Boden fallen ließ, wo sie ihrerseits wohl ebenfalls wässrige Spuren hinterlassen würden. Nackt und ungesehen stand sie vor dem Schrank und suchte sich darin ein neues Kleid. Es hingen einige Stücke darin, die genauso unberührt wirkten wie vor Stunden, als sie sich das erste Mal für ein Ensemble hatte entscheiden müssen.
Nun nahm sie sich einen hellblauen, fast weiß wirkenden Unterrock heraus, der ihr bis zu den Knien reichte und somit ausreichend Blick auf die dunkelblauen Strümpfe bot, die sie darunter anzog. Für darüber wählte sie ein Mantelkleid mit eingebautem Mieder in derselben Farbe wie jene Strümpfe, mit langen, durchscheinenden, locker fallenden Ärmeln und freien Schultern. Auch ihr Dekolleté, einst ihr ganzer Stolz, wurde vorteilhaft hoch gedrückt und betont durch denselben Stoff, der sich erst um ihren Hals schloss und einen kleinen Hakenverschluss in ihrem Nacken besaß, den sie offen ließ, sodass lediglich die Schulterpartie unbekleidet war. Diese allerdings auch auf der Rückseite, bis in Höhe ihres Solarplexus vorne.
Ihre Taille wurde durch das eingearbeitete Mieder betont, das ihre Form gut nachzeichnete. Sie mochte untot aussehen, aber wenigstens war sie dabei nicht in die Breite gegangen. Zusätzlich gab es eine goldene Knopfleiste von je vier Knöpfen pro Seite, zwischen denen locker dunkelblaue, geflochtene Schnüre hingegen und sich bei jeder Bewegung mitregten, ähnlich wie Wellen im Wasser. Ab ihrer Taille öffnete sich der Rock und ließ ihren Unterrock auf der Vorderseite frei, während hinten der dunklere Stoff bis zur Höhe ihrer Waden reichte. Auf frische, trockene Stiefel verzichtete sie, denn sie hatte nicht vor, diesen Raum in naher Zukunft schon wieder zu verlassen.
So gekleidet, obwohl sie sich früher viel mehr Zeit und Betrachtung ihrer Wahl genommen hätte, ging sie zurück zu ihrem Bett und setzte sich darauf. Noch immer war ihr kalt, sodass sie nach ihrer Decke hangelte und diese um ihren Oberkörper zog. Von dieser schützenden Hülle umgeben, wurde es rasch besser und sie konnte sich endlich auf ihr Fundstück konzentrieren.
Im Licht der Lampe erkannte sie das erste Mal das Symbol, das in das Leder gestickt worden war. Mit leicht gerunzelter Stirn und höchst aufmerksam, besah sie es sich und fuhr sogar mit ihrem Zeigefinger die Konturen entlang. Sie kannte es nicht, zumindest fiel ihr nicht sofort ein Name dazu ein, der ihr einen Anhaltspunkt geben konnte. Jedoch erinnerte sie sich daran, dass sie dieses Zeichen auch auf den Rüstungen der fremden Männer, die mit Corax weggegangen waren, gesehen zu haben glaubte. Was es wohl darstellen sollte? Wozu es gehörte?
Und dann war da noch ein Wort eingestickt worden, Faelyn. War das ein Name? Oder eine Bezeichnung, vielleicht gar eine Abkürzung? Es war auf jeden Fall etwas, dem sie auf den Grund gehen könnte. Ob es in der Akademie eine Bibliothek gäbe, die ihr Aufschluss darüber geben könnte? Oder wäre es doch besser, nach Hause zu gehen und dort nachzuforschen? Eine weitere Option wäre es, Corax direkt zu fragen und ihm im Anschluss daran den Beutel zurück zu geben, der vermutlich seiner war. Oder sie ginge zu dem Waldelfen, der zumindest den Anschein erweckte, viel Wissen zu besitzen. Nur... würde er ihr überhaupt noch zuhören? Vielleicht, wenn sie gleich am Anfang erwähnen würde, dass es um ihren Raben und nicht um sie ginge...?
Azura begann, an ihrer Unterlippe zu kauen, während sie nachdachte, und fand doch keine wirklich befriedigende Antwort. Stattdessen beschloss sie, erst einmal nachzusehen, was eigentlich in dem Beutelchen war. Behutsam, da sie das Glas darin schon hatte hören können, holte sie die einzelnen Gegenstände heraus und breitete sie vor sich auf dem Bett aus, um sie sich ansehen zu können. Sie nahm eine der großen Flaschen, die mit der faszinierenden grünblauen Flüssigkeit darin, in die Hand und hielt sie hoch, als hinter ihr ein Geräusch ertönte.
Inzwischen, da das Rauschen des Regens ausgesperrt worden war durch die geschlossene Tür, hatten sich ihre Ohren an die Stille in dem Raum gewöhnt, sodass sie aufhorchte. Instinktiv drehte sie ihren Kopf und... blinzelte, als ihr gebeugter, mit seinem Federmantel bekleidete Rabe herein geschlurft kam. "Corax...", hauchte sie und spürte, wie ihr Herz schneller klopfte und zugleich schwerer wurde bei seinem Anblick.
Rasch legte sie die Flasche zurück und wandte sich ganz ihrem Liebsten zu, über dessen Erscheinen sie sich trotz allem freute. Nur... wieso hatte er wieder diesen Mantel umgelegt, der ihn zu erdrücken schien? Warum hatte er den zweiten Arm nicht mehr, den er zuvor definitiv besessen hatte? Und... wo war seine Ausgeglichenheit hin, die er in der Anlage gezeigt hatte?
Wieder kamen neue Fragen hinzu, die sie daran hinderte, sofort zu ihm zu eilen und ihn zu umarmen, um ihm zu zeigen, dass sie froh war, ihn zu sehen. Außerdem zögerte sie, weil sie nicht sicher sein konnte, ob ihm das überhaupt recht wäre. Das verschaffte ihm wiederum die Zeit, sie zu entdecken und als erstes das Wort an sie zu richten.
Es war irgendwie... seltsam und ließ sie ein weiteres Mal blinzeln, diesmal verständnislos. "Natürlich, warum sollte ich nicht?", entkam es ihr, ehe sie sich auf die Zunge beißen konnte.
Hatte er sie bereits gesucht? Hatte er bemerkt, dass sie nicht hier gewesen war...? Wie dumm von ihr, natürlich hatte er das, sie hatte ihn schließlich draußen getroffen! Und dann hatte er sie allein gelassen, hatte nicht auf sie gewartet und...
Ihr Gedanke brach ab, als sie sein Winseln hörte und er sich plötzlich vor ihr auf den Knien befand. Erschrocken und verwirrt sah sie auf ihn herab, wie er sich klein machte und auf Höhe ihrer bestrumpften Beine näher rückte, wobei er es schwerer hatte als früher mit nur einem Arm. "Was...?", wisperte sie und verstand zuerst absolut gar nichts.
Es dauerte ein wenig, bis ihr klar wurde, dass nun er es war, der zurück in alte Muster fiel. Wäre sie noch dieselbe von früher, sie hätte widersprochen, hätte abgelehnt wie schon auf dem Schiff und ihn gemaßregelt, dass er nicht ihr untertan war, nicht so! Jedoch... hatte auch Azura ein wenig gelernt und nicht ganz so viel vergessen, wie es mitunter den Anschein machen wollte. So zögerte sie und überlegte, dann traf sie eine Entscheidung.
"Eine Strafe also, ja? Gut, so soll es sein.", begann sie und griff mit beiden Händen nach seinen Wangen, um sie darauf legen und ihn spüren lassen konnte, dass er sie ansehen sollte. Dabei beugte sie sich zu ihm vor, kam ihm nahe und ließ sich so wenig von seiner düsteren Erscheinung abschrecken wie er sich von der ihren.
Ernst sah sie ihm bei dieser Gelegenheit in die Augen. "Deine Strafe lautet wie folgt...", fuhr sie fort und senkte ihre Stimme immer weiter, als müsse sie befürchten, noch jemand außer ihnen beiden wäre hier, um sie zu belauschen. "Ich verbiete dir, je wieder zu vergessen, dass du einen eigenen Willen hast, hast du das verstanden? Solltest du dem zuwider handeln, werde ich mir überlegen, wie das zu ahnden ist. Was isst du am liebsten?" Die Strenge wich aus ihren Zügen und ein feines, herausforderndes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Ihre Daumen fingen an, sanft seine Haut zu streicheln.
"Denn genau darauf wirst du dann verzichten müssen, auch wenn ihr dir nicht verrate, für wie lange!", löste sie ihre Androhung endgültig auf und ließ ihm die Chance, ihre Worte zu begreifen. Und sie schickte im Stillen ein kleines Stoßgebet zu Ventha, dass sie dieses Mal die richtige Methode im Umgang mit seiner Unterwürfigkeit gewählt hatte.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Sonntag 3. September 2023, 12:20

Es war ungewohnt für Azura, dass andere ihr plötzlich den Rücken kehrten. Normalerweise tänzelten alle um ihre Eleganz, ihre Schönheit, ja sogar ihre Dreistigkeit mit ihnen zu spielen, herum. Heute aber war sie von vielen allein gelassen worden. Wohin Madiha und Caleb verschwunden waren, hinterfragte sie nicht einmal. Beide hatten sich lange nicht mehr blicken lassen und lebten sicherlich ihr Leben, während sie sich mit einem nackten Kjetell'o, einem Arrestzimmer und einem Corax herumschlagen musste, der ihre Bitte sie zu begleiten abgelehnt hatte. Mehr noch. Selbst im Park, in dem er eindeutig nicht zufällig hatte auftauchen können, war er nach kurzem Zeigen wieder verschwunden. Er hatte nicht auf sie gewartet und so war Azura immer wieder in die ungewohnte Situation gestürzt worden, in der sie allein zurück blieb.
Ob es diese emotionale Erkenntnis war oder tatsächlich die Kälte, die im Raum vorherrschte, sie fröstelte. Ein Feuer im Kamin konnte sie allerdings nicht entzünden. Auch diese Tätigkeit war ihr gänzich ungewohnt, mehr noch: unbekannt. Selbst bei einem Versuch würde sie vermutlich eher sich in Brand stecken und eine entflammte Person in den Hallen der Akademie reichte für eine Nacht. Sie schuf sich lediglich genug Licht, um ihren Fund zu begutachten, wechselte die Kleidung und kuschelte sich in ihre Bettdecke. Es fehlte noch an Wärmezufuhr, dass sie es als komfortabel hätte bezeichnen können, aber einen Erfrierungstod würde sie nicht sterben müssen. Ob sie sich jedoch erkältete, würde sich erst noch zeigen. Mit Glück blieb es ihr erspart. Sie kannte zumindest keine Geschichten von Untoten, die an irgendwelchen Gebrechen Sterblicher litten. Niesende Zombies oder hustende Skelette tauchten in keiner ihr geläufigen Sage auf. Wenngleich es lustig wäre, würde gerade so ein Knochenmann bei jedem Hustenanfall den Unterkiefer oder einige Rippen verlieren.
Diese Gedanken halfen ihr nicht weiter, die Gegenstände zu ergründen, die sich im Beutel mit dem eingestickten Wort "Faelyn" und dem Feensymbol befand. Fasziniert betrachtete sie die Flüssigkeiten in den Flaschen. Vor allem der fließende Wechsel von Grün und Blau in der einen zog sie in ihren Bann. Je länger sie ihn betrachtete, desto mehr innere Ruhe fand sie sogar. Die Flasche besaß durch ihre bloße Existenz eine hypnotische Wirkung. Würde Azura sie neben eine Kerze stellen und den Blick doe dem Einschlafen darauf richten, fände ihre Seele Ruhe, lange bevor auch ihr Körper sich inzugesellte. Sie wagte es allerdings nicht, eine der beiden Flaschen zu öffnen, um am Inhalt zu riechen oder ihn gar zu probieren. Das war keine unkluge Entscheidung. Wer wusste schon, was sie da gefunden hatte. Vielleicht handelte es sich um Gifte, so schön sie auch aussahen. Hier musste ein Experte her, ein Kundiger! Gleiches galt auch bei der Entschlüsselung des Feensymbols. Es erinnerte an ein Wappen und so konnte man es wohl auch sehen. Folglich stammte es entweder von einem Handelshaus, eine Adelsfamilie, einer Handwerkszunft, Gilde oder geheimen Organisation. Es gab viele Ansätze, bei denen man suchen konnte. Das Wort "Faelyn" würde ebenfalls hilfreich sein. Wenn man aber nicht wusste, wo man nach beidem zu suchen hatte, zog es die Nachforschungen unnötig in die Länge. Azura überlegte bereits, ob sie in der Wasserakademie eine Bibliothek gäbe, in der sie fündig werden könnte. Möglicherweise sollte sie doch nach Hause gehen und dort die Bücher ihres Ziehvaters durchstöbern. Vielleicht ließ aber auch Kjetell'o noch einmal mit sich reden, vor allem, wenn ihm erklärte, dass es hier mehr um Corax ging als um sie selbst.
Und gerade, als sie diesen Gedankengang führte, tauchte ihr Rabe auf. Sein mit schweren Federn behangener Anblick versetzte sie jedoch in Sorge. Man musste nicht befähigt sein wie er, das Leid anderer riechen zu können um zu erkennen, dass er sich in genau diese Emotion hüllte. Wenig später zeigte er sich auf altbekannte Weise reuig, indem er vor Azura auf die Knie ging und um Vergebung bettelte. Im Gegensatz zu anderen Sklaven meinte Corax es ernst. Wie viele stammelten falsche Reueschwüre aus Furcht, getötet zu werden. Corax aber hatte wirklich Angst, einen Fehler begangen zu haben. Azura sah es, als sie seine Wangen umfasste und ihn sanft zwang zu ihr aufzuschauen. Sie sah es tief in seinen Augen. Er versuchte zwar, es durch den leeren Blick eines Sklaven zu übertünchen, doch hinter der Fassade wappnete er sich für eine Strafe. Er bereitete sich darauf vor, mental zerbrochen zu werden und er fürchtete diesen Augenblick wie keinen anderen. Vermutlich würde er sich lieber noch den anderen Arm ausreißen, als eine Strafe zu erhalten, die ihn von Azura wegstieß ... oder von allen anderen, an denen er inzwischen so hing. Es war blanke, Jahrunderte gefütterte und durch Misshandlung bestärkte Angst. Azura hatte gesehen, wie er gelitten hatte. Sie hatte seine Traumbilder gesehen, vom Säuglingsalter über seine Kindheit hinaus zu Szenen, in denen sich diese Angst in Wahnsinn gewandelt und zu unaussprechlichen Befreiungsaktionen gegenüber seiner Peiniger geführt hatte. Nadel und Faden spielten eine wichtige Rolle in diesen Momenten und schafften es, Azura kalte Schauer über den Rücken zu jagen. Doch sie hielt stand. Sie wusste, sie musste ihn nun mit einer Strafe belegen, die ihm diese Angst für immer nehmen sollte. Er hatte nichts Falsches getan! Es war für sie nur überraschend gewesen und auch ein wenig verletztend, dass er sich ausgerechnet in einer so wichtigen Situation dazu entschieden hatte, seinen eigenen Willen zu zeigen. Wenn sie dies aber nun wahrlich abstrafte, würde sie diesen Willen vielleicht für immer zerschmettern. Er durfte in seiner Handlung keinen Fehler sehen. Er musste belohnt werden, damit er es wiederholte. Damit sein Wille wuchs und er wieder so sehr er selbst sein konnte, wie Azura ihn kannte.
War er denn stets er selbst gewesen? Sie konnte diese Frage mit einem Ja beantworten. Zumindest, wenn sie nur zu zweit gewesen waren. Wenn er sich unbeobachtet gefühlt hatte, da waren all seine Fragmente einer eigenen Persönlichkeit ans Licht gekommen. Die wenigen, aber tiefgründigen Augenblicke, in denen er ihr gestanden hatte, dass er sie mochte. Als er sie geküsst hatte, aber nicht, um sie zu demütigen, sondern weil er sich danach sehnte, ihre Lippen zu schmecken. Als er sie gehalten und still getröstet hatte. Als er sie in den heißen Quellen der Zwergenbäder verführt und zur Frau gemacht hatte. Das war echt gewesen. Das war er gewesen, der Rabe, den sie liebte.
"Deine Strafe lautet wie folgt..." Er spannte sich an. Seine Muskeln festigten sich, als fürchtete er einen Peitschenhieb. Seine Augen aber zeigten, dass er sich bewusst war, Schläge würde es von Azura nicht geben. Sie würde ihn auf einer ganz anderen Ebene bestrafen. Eine, die ihn vernichten konnte. Er versuchte, den Haut zerfetzenden Schlag auf seine Seele anzunehmen. Er sammelte all seine Kräfte, kämpfte bereits gegen die aufkeimende Angst an, die seine Rubine zum Flackern brachte. Er winselte wieder. Er litt und starb Tausend Tode zwischen ihrer Verkündung und dem nächsten Atemzug, in dem Azura ihm seine Bestrafung vermittelte. "Ich verbiete dir, je wieder zu vergessen, dass du einen eigenen Willen hast, hast du das verstanden?"
"Ja..."
"Solltest du dem zuwider handeln, werde ich mir überlegen, wie das zu ahnden ist."
"... ich nehme jede Strafe an..."
"Was isst du am liebsten?"
"Ich werde ... W-was?" Corax' von Furcht fast zerrissener Blick sammelte sich. Verwirrt schaute er Azura an, suchte in ihren Zügen nach einer Bestätigung, dass er sich verhört hatte. Gedanklich ging er ihre Worte noch einmal durch, runzelte anschließend die Stirn. "Lieblingsessen?", fragte er fast demütig, aber noch immer vollkommen ratlos, warum sie das nun wissen wollte.
"Genau darau wirst du dann verzichten müssen, auch wenn ich dir nicht verrate, für wie lange!"
Er blinzelte. "Ich ... äh..." Das brach das Eis. Es zerschlug seine Ängste, denn die Verwirrung war zu groß, als dass er sich noch aufrichtig fürchten konnte. Corax entspannte sich etwas, hockte sich auf, bis er vor Azura saß und beide einander auf gleicher Höhe anschauen konnten. "Ich weiß nicht, was ich am liebsten esse. Ich ... esse..." Das stimmte. Was immer man ihm bisher auf ihrer gemeinsamen Reise vorgesetzt hatte, das landete ohne eine Spur von Abscheu in seinem Magen. Allerdings hatte er sich auch nie auf irgendeine Mahlzeit wirklich gefreut. Er schien einfach froh zu sein, versorgt zu werden. Er genoss Essen nicht so wie andere. Trotzdem gab es etwas. Er neigte den Kopf leicht, wie zum Kuss bereit, doch führte er ihn nicht durch. "Wäre eine solche Strafe nicht für dich schlimmer zu ertragen?", fragte er mit einer Spur des Neckischen, das immer wieder zwischen ihnen aufkam. "Wenn du nicht weißt, wann ich wieder von deinen Lippen koste?" Er haschte danach und wagte es trotzdem nicht, sie zu küssen. Es waren Andeutungen, bei denen Corax genau schaute, wie Azura darauf reagierte. Schließlich fragte er offen, denn das war es, was sie gefordert hatte. "Du hasst mich also nicht?" Dann lächelte er. "Nein, tust du nicht. Ich hasse dich auch nicht. ich liebe dich. Das werde ich immer tun, auch wenn wir uns mal ... streiten." Seine Mundwinkel zuckten, aber das Lächeln wirkte für den Bruchteil dieses Zuckens unglücklich. "Mein letzter Streit dieser Sorte hat mich ... zu viel gekostet." Er schaute an sich herab, zu seinem Schritt. Dann schüttelte er den Kopf. "Nein! Ich ... will nicht mehr daran denken." Er kniff die Augen zusammen, zog die Stirn kraus. Dann blieb es still. Corax wirkte in sich gekehrt. Sein Gefieder raschelte, lichtete sich etwas, aber schwand nicht.
"Pudding", meinte er schließlich. "Mit eingekochten Himbeeren. Es war nicht für mich, ich hab's geklaut. Es war die Schläge wert. Das ... das hat mir geschmeckt", murmelte er, bevor er knapp auflachte. "Dass ich mich daran erinnere, das ist ... fast 90 Jahre her."
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Sonntag 3. September 2023, 13:12

Ungewohnt und verletzend war es, dass sich niemand um sie kümmerte, ganz gleich, welche Launen sie gerade nachhing. Keiner lief ihr nach, himmelte sie dennoch an oder versuchte, ihr Gemüt wieder mit Geschenken zu besänftigen. Sie war allein, wirklich und vollständig allein. Doch es tat ihr auch gut... oder lag es an der Nachwirkung des Wasserschilds, den sie für sich entdeckt hatte? Jedenfalls brach sie darüber weder in Tränen aus, noch geriet sie in Zorn.
Im Gegenteil, sie handelte ausnahmsweise pragmatisch, anstatt nach helfenden Händen zu verlangen, als sie die Balkontür schloss, die Lampe entzündete und sich sogar umzog. Trotzdem war ihr die Kälte tief in die Glieder gedrungen, sodass sie auch noch unter der wärmenden Decke, in trockener Kleidung zitterte und ihre Zeit brauchte, bis ihr Körper sich entspannen könnte.
Lief ihre Nase eigentlich schon oder war dies noch das Wasser, das aus ihren pitschnassen Haaren über ihr Gesicht lief? Darauf hatte sie nämlich vergessen und hatte obendrein kein Tuch parat, um ihre einstige Pracht darin einwickeln zu können. So klebte es stattdessen auf ihrer Haut und in ihrem Nacken, nässte die Decke und kühlte ihre Kopfhaut. Doch anstatt sich darum zu kümmern, ja, überhaupt daran zu denken, war sie mit ihrer gesamten Aufmerksamkeit bereits wieder bei ihrem Fund, den sie nun endlich richtig betrachten konnte.
Bei dem Anblick kamen ihr so einige Gedanken und jeder für sich wäre sicherlich nachzuverfolgen gewesen. Immerhin war sie nicht so dumm oder lebensmüde, um die unbekannten Flüssigkeiten zu kosten oder überhaupt daran zu riechen. Nein, das war selbst der jungen Frau zu heikel, nachdem sie diesen Fehler einmal bei der Flaschensammlung ihres Stiefvaters gemacht und einen ziemlich starken Apfelschnaps erwischt hatte. Einer von jener Sorte, bei denen ein paar Tropfen einem erwachsenen Mann bereits reichten, um eine feurige Spur die Kehle hinab zu ziehen. Bei einem mageren Kind, wie sie es anfangs nach der Hochzeit noch gewesen war, hingegen... Nun ja, die Kopf- und Magenschmerzen danach waren derartig gewesen, dass sie sich heute noch daran erinnern konnte. Und die dafür gesorgt hatten, dass sie ihre Lektion gelernt hatte!
Dennoch, mit Vergangenem kam sie genauso wenig weiter wie mit ihren zahlreichen Vermutungen. Sie musste etwas unternehmen, Entscheidungen treffen und darauf hoffen, dass es die richtigen wären.
Ehe sie allerdings soweit war, wurde die Tür geöffnet und herein kam... ihr Liebster als personifiziertes, federgeschmücktes Leid. Sein Anblick versetzte ihr einen Stich, dass es ihr ebenfalls körperlich fast schon weh tat. Nein, so wollte sie ihn nicht sehen müssen, dafür gab es schließlich auch keinen Grund! Oder war ihm etwas zugestoßen, nachdem er sich diesen dunklen Wächtern angeschlossen hatte? Hatte ihn wieder einmal jemand bedrängt und ihm Gewalt angetan?
Sorge um ihren Raben stieg in ihr auf, während er sich näherte und zu ihren Füßen sank. Wie sie es schon erlebt hatte, machte er sich vor ihr klein und bettelte wimmernd um eine Strafe. Wofür? Dafür, dass er sich widersetzt und seinen eigenen Willen gezeigt hatte? Aber... das sollte er ja auch! Nun gut, es hatte ihr natürlich nicht gepasst und hatte sie durchaus enttäuscht, das würde sie nicht bestreiten, sollte er sie danach fragen.
Jedoch war es trotz allem etwas, das sie von ihm dennoch erwartete. Schließlich wollte sie ihn so sehen und erleben, wie er wirklich war, damit er sie herausfordern und reizen und sie sich mit ihm messen konnte, bis sie wie früher womöglich wieder übereinander herfallen würden. Sie wollte keinen willfährigen Sklaven, sie wollte einen echten Mann! Allerdings hatte sie das schon einmal versucht, ihm deutlich zu machen. Mit dem Ergebnis, dass er sich der Sarmaerin angedient hatte, anstatt zu begreifen. Auch wusste sie inzwischen viel mehr über ihn, sodass sie dieses Mal eine andere Strategie wählte, um zu ihm hoffentlich durchdringen zu können.
Zwar schnitt es ihr eine tiefe Wunde ins Herz, ihn so leiden lassen zu müssen, weil sie sich ihre Worte noch zurecht legen musste, doch war dies allemal besser, als mit unbedachten Worten alles erneut zunichte zu machen. Auch musste sie schlucken, als er sich anspannte, als erwartete er Schläge von ihr und zwar solche von jener Art, die weh taten. Als ob sie jemals die Hand gegen ihn zu erheben gedachte! Höchstens um ihn zu streicheln oder im Herumbalgen zu kneifen...
Trotzdem schaffte sie es, ihre Maske aufrecht zu halten, um den Eindruck zu erwecken, sie meine es ernst... zumindest bis beinahe zum Schluss. Denn als sie die Verwirrung in seinem Blick bemerkte, musste sie sich auf die Zunge beißen, um nicht sofort los zu kichern. Es war richtig niedlich und am liebsten hätte sie ihn damit gleich mal richtig aufgezogen, indem sie ihm in die Wange kniff und übertriebene Babylaute machte. Aber dazu war die Situation noch zu ernst und ihr Plan noch nicht gut genug aufgegangen. Also fuhr sie fort, wenngleich mit einem kleinen Grinsen auf den Lippen und einem herausfordernden Funkeln in den Augen.
Und dann... schien sie es geschafft zu haben! Zumindest fühlte es sich so an, als löse sich die Anspannung in der Luft, während er blinzelte und seine Haltung änderte, sodass er es ein bisschen bequemer hatte. Bei seinem Geständnis legte sie den Kopf leicht schief. "Ach komm, da gibt es sicher was! Gib's ruhig zu, dass du eigentlich eine Naschkatze bist und nur dank eiserner Disziplin so schön schlank bleibst!", neckte sie ihn und wollte tatsächlich herausfinden, was er am liebsten aß.
Bislang hatte sie noch gar nicht daran gedacht... Es war ein eher unwichtiges Detail und dennoch irgendwie auch ein schönes, denn es würde ihr etwas über seinen Geschmack verraten.
Dann allerdings drehte er plötzlich den Spieß um und nun war sie es, die irritiert bei seiner Frage blinzelte. "Für mich?", entkam es ihr zweifelnd, als er ihr auch schon die Auflösung verriet. "Hey!", beschwerte sie sich und tippte mit einem spitzen Finger gegen seine Brust. "Ich bin nicht essbar!"
Schon schien er ihr das Gegenteil demonstrieren zu wollen, als er nach ihrem Lippen haschte. Sie wich mit einem leisen Kichern aus, um daraufhin ihrerseits nach ihm zu schnappen. "Aber du schmeckst bestimmt köstlich!", gurrte sie und würde spielerisch an ihm knabbern, sollte sie ein Stückchen von ihm erwischen. Dieses Spiel hätte sie noch länger verfolgen wollen, wenn er nicht ernst geworden wäre.
Seine Frage ließ sie ihn ansehen, blinzeln... und dann entschieden den Kopf schütteln. Danach fuhr er fort und offenbarte ihr, warum seine Angst dermaßen groß gewesen war. Unwillkürlich folgte sie seinem Blick mit ihren Augen und schluckte leer, als er auch schon weiter sprach und seinerseits den Kopf schüttelte.
Azura wusste nicht so recht, was sie ihm dazu sagen sollte, denn sie hatten erst vor einigen Stunden darüber gesprochen. Damit sie im Anschluss daran den Waldelfen danach gefragt hatte, ob es etwas gäbe, das wichtige Dinge nachwachsen lassen könnte. Eine wirkliche Antwort, eine Zuversicht, hatte er ihr nicht gegeben, also wollte sie das auch nicht an Corax heran tragen. Es hätte... vielleicht Hoffnungen geweckt, die nicht erfüllbar wären. Da reichte es, dass sie diese hatte und mit der Enttäuschung würde umgehen müssen. Das wollte sie ihrem Liebsten nicht ebenfalls antun. Stattdessen griff sie lediglich nach seiner Hand und hielt diese, bis er bereit war, sich anderen Gedanken zu widmen.
Es dauerte ein wenig, bis er wieder zu ihr zurück kehrte und an einen Faden von vorhin anknüpfte. Im ersten Moment war der Übergang zu plötzlich, als dass sie ihm folgen konnte, ehe auch sie den Anschluss fand. Unwillkürlich musste sie bei dem Gedanken daran, wie er sich solch einen Pudding zugemüte führte, am besten noch mit ordentlich verschmiertem Mund, lächeln. Solange, bis er erwähnte, was er dafür erhalten hatte, sich diesen Genuss gönnen zu können.
Doch noch bevor sie mitfühlend und traurig seufzen konnte, lachte er auf und erwähnte auch, wann das ungefähr gewesen sein mochte. Für die junge Frau eine unvorstellbare Zahl an Jahren! So sehr, dass sie aufkeuchte und den Kopf schüttelte. "Bei Ventha, was bist du schon für ein alter Sack!", entfuhr es ihr. Obwohl er ihr schon erzählt hatte, wie alt er ungefähr war, fiel es ihr noch immer schwer, weil sie einfach zu sehr Mensch war, als dass diese Lebensspanne für sie greifbar wäre.
Wenig später allerdings war es für sie an der Zeit, das Thema zu wechseln. Auch, weil sie spürte, wie die Müdigkeit, nun, wo sie immer mehr warm wurde, deutlicher wurde und sie mehr als einmal gähnen ließ. Also griff sie nach seiner Hand und zog sanft daran, um ihm zu zeigen, dass er sich zu ihr aufs Bett setzen sollte. "Genug gealbert, ich möchte jetzt noch ein paar Antworten von dir.", begann sie und griff nach dem Beutel auf ihrer anderen Seite, um ihm diesen zu zeigen.
"Das hast du vorhin liegen lassen. Was ist das für ein Zeichen? Wer ist Faelyn? Was sind das für Flaschen mit welchen Flüssigkeiten, die da drin waren? Und wie kann das sein, dass du mir im Park mit zwei Armen gegenüber stehst und dann einfach mit deinen Dunkelelfenkameraden verschwindest, um jetzt wieder mit deinem Federkleid bei mir zu sein? Wieso hast du nicht auf mich gewartet?", sprudelte es auch sofort aus ihr heraus und mit wenig Fingerspitzengefühl. Dazu war sie einfach zu neugierig und hatte sich, für ihre Verhältnisse, schon viel zu lange gedulden müssen, sodass sie umso schneller jetzt alles auf einmal erfahren wollte.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Sonntag 3. September 2023, 19:45

Endlich die Erlösung. Corax blieb eine richtige Strafe erspart, aber auch für Azuras Selbstbewusstsein war der aufgegangene Plan wichtig. Sie hatte offensichtlich etwas richtig gemacht, indem sie in eine Order an einen Sklaven packte, was nur gut für ihn wäre. Sowohl sie als auch Corax wussten, dass er längst kein Sklave mehr war. Er mochte sich Madiha unterstellt haben, doch sogar der Rabe sprach von ihr als Freundin. Er musste sich nun nur noch abgewöhnen, sie die kleine Herrin zu nennen und jegliche skurrile Idee mit sich machen zu lassen. Azura brachte ihn durch ihre Warnung auf Strafe dabei auf den richtigen Weg und sie konnte spüren, wie die Anspannung von ihm abfiel. Nur ein Lieblingsessen wollte ihm zunächst nicht einfallen. So nannte er stattdessen seine Liebste als die köstlichste Leckerei, auf die er nicht verzichten wollte.
"Hey! Ich bin nicht essbar!"
"Ach nein?", erwiderte Corax. Er ging sofort auf das Spiel ein, ließ sich locken und hatte sichtlich selbst Spaß daran, den Köder zu schlucken. "Sag das nochmal, nachdem ich dich verschlungen habe." Ein lüsternes Kratzen begleitete sein Raunen und er neigte sich schon in ihre Richtung, ganz so, als wollte er seine Androhung wahr machen. Aber er küsste Azura nicht. Er wagte es nicht. Er hatte es bei ihrem ersten Wiedersehen versucht und sich nur schwer zurückhalten können, sie nicht vor aller Augen auf dem Steinboden seines eigenen Zimmers zu nehmen. Einzig der Respekt vor ihr und dass sie in ihrem halb verwesten Körper nicht so weit gehen könnte, hielten ihn auf. Doch dieses Mal war es Azura, die nicht stillhalten konnte. Sie haschte nach seinen Lippen, schnappte nach ihnen und bekam sie zwischen die Zähne, um ein wenig daran zu knabbern. Er schmeckte ein bisschen salzig, wie das Meer. Umso interessanter war dann seine Nennung nach einer Lieblingsmahlzeit, denn ein Vanillepudding mit heißer Himbeersoße unterschied sich eben doch sehr von dem herben Geschmack seines Kusses. Ob es sich dabei wirklich um seinen essbaren Favoriten handelte, wusste er selbst nicht. Er nannte ihn jedoch, weil er gute Erinnerungen an den Geschmack besaß. Es war ihm Schläge wert gewesen und er sehnte sich jetzt noch danach - 90 Jahre später. Bedeutete das, dass er sei dieser langen Zeitspanne keinen Pudding mehr probiert hatte?
Für Azura trat zunächst eine andere Erkenntnis in den Vordergrund. "Bei Ventha, was bist du schon für ein alter Sack!", entkam es ihr unter einem Kopfschütteln.
"Ich bin in Elfenjahren gar nicht so alt und auch ...", Corax stockte. "Ist Kjetell'o wirklich dein ... Vater?" Corax engte die Augen in furchtsamem Zweifel. Sein Gefieder raschelte ein wenig. "Du ... hast nicht vorgehabt, mit ihm ..." Er schaute zur Seite, betreten. Es kristallisierte sich heraus, woher er einen Teil seines Leidgewandes her hatte. Allein der Gedanke, Azura hätte ihn beiseite geschoben für jemanden wie Kejtell'o schmerzte ihn. Dennoch murmelte er erneut: "Ich würde mich dir und jeglichem anderen ... nicht in den Weg stellen..." Dann keuchte er, rieb sich die Faust über den Schenkel. Er erinnerte sich an Azuras Forderung und welche Strafe es für ihn setzte. Wenigstens war er stets ein Sklave gewesen, der versuchte, Forderungen sofort umzusetzen. So fügte er an: "Aber ich will das nicht. Lass es mich wenigstens nicht wissen ... schick mich weg, damit ich so wenig davon mitbekomme. Und rede nicht darüber, ja? Ich ... will diese Bilder nicht in meinem Kopf haben." Corax wandte das Gesicht wieder Azura zu. Ein sanftes Glimmen erhellte seine Augen, dass er mit ihnen mehr lächelte als sein Lippen gerade dazu fähig waren. "Aber mit Kjetell'o wird es nicht passieren, das ... wäre ... irgendwie seltsam." Plötzlich grinste er schief auf und reckte auch das Kinn vor. "Mit diesem alten Sack!"
Schon kam er ihrer Aufforderung nach und setzte sich neben sie auf das Bett. Er wollte schon den Arm um sie legen, als ihn ein Wasserfall aus Fragen abhielt und ihn beinahe fortspülte. Offen irritiert starrte er Azura an. "Was?", fragte er im ersten Moment, weil er zu perplex war, um zu begreifen. Es dauerte, bis nach und nach die Bedeutung ihrer Worte bis in seinen Verstand sickerte. Seine Augen wanderten zu dem Beutel. Nun sah auch er das eingestickte Faelyn darauf prangen. Er sah das Symbolbild, die Flaschen. Seine Rubine huschten zu Azura zurück. Der Rabe schüttelte den Kopf. "Ich ... war die ganze Zeit hier, in der Akademie. Ich bin ... ich war auf den Türmen und hab versucht, mit Kjetell'o zu sprechen, aber er will gerade allein sein. Dann hab ich dich gesucht. Ich war nie in einem Park und ..." Corax deutete auf Azuras kleinen Fund. "Ich weiß nicht, was das ist. Faelyn ... das ... doch ... doch, ich kenne das Bild, wenn ich auch nie direkt mit ihnen zu tun hatte." Corax neigte sich herüber, um mit einem Finger den Namen auf dem Beutel nachzufahren. "Es ist ein altes, morgerianisches Adelsgeschlecht. Das heißt, soweit ich weiß. In den letzten Jahrzehnten ist es still geworden um die Faelyn-Elfen. Man sagt ihrer Familie nach, dass sie über Generationen hinweg ganze Waldstücke in der Toten Ebene ausgelöscht haben. Warum, das weiß ich nicht. Was ... hast du mit denen zu schaffen, Azura? Jede dunkelelfische Familie ist gefährlich und der Adel mit Sicherheit - glaube ich." Das verdeutlichte, dass man zwar selbst Dunkelelf sein konnte, aber ohne adliges Blut in den Adern nicht unbedingt ein gutes Leben führte. Corax war über Hundert Jahre alt. Er hatte viel Zeit in Morgeria verbracht und trotzdem keinen näheren Bezug zu Adelshäusern gehabt. Er war in Kreisen aufgewachsen, in denen er höchstens den Dreck jener Noblen entfernen sollte, ohne jemals einen von ihnen zu Gesicht zu bekommen. Lediglich Serpentis konnte man zu den besser betuchten Dunkelelfen zählen, aber auch hier hatte sie ihren Sklaven nur zum Leibwächter ernannt - niemand, den man zwingend überall hin mitnahm. Erst Recht nicht, wenn es mit dem Gehorsam haperte.
"Wie kommst du darauf, das wäre mein Beutel, ich in einem Park und ... ich würde immer auf dich warten, Azura. Ich liebe dich doch!" Ihren Hinweis über seinen unversehrten zweiten Arm ging er bewusst nicht an. Wie kam sie überhaupt darauf, dann jemanden für ihn zu halten, der noch beide intakten Arme besaß? Er würde nie wieder so aussehen. Corax machte sich da keine Hoffnungen.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Sonntag 3. September 2023, 21:20

Es erleichterte sie, dass sie es dieses Mal geschafft hatte, seinem alten Muster auf eine Weise zu begegnen, die er auch annehmen konnte. Tatsächlich hätte sie nicht wirklich weiter gewusst, wenn sie auch jetzt gescheitert wäre. Denn für sie, so schmerzlich und enttäuschend es auch gewesen sein mochte, war es wichtig, dass er ihr auch einmal Konter gab und auf seinem Willen beharrte. Das hatte er schließlich am Anfang ihrer Beziehung... oder ihres Kennenlernens auch getan und es war mit ein Grund gewesen, warum sie ihm schlussendlich verfallen war!
Mit niemandem ließ sich so gut streiten und leidenschaftlich versöhnen wie mit diesem Trotzkopf, der es verstand, ihr in mehrfacher Hinsicht einzuheizen. Nun ja, zumindest, solange sie keine wandelnde Leiche darstellte...
Gerne hätte sie ihn wieder mehr an sich heran gelassen, seine Küsse und seine Berührungen, seinen ganzen Körper genossen, denn sie sehnte sich durchaus weiterhin nach ihm. Besonders, da sich ihre Verwirrung in Richtung des Waldelfen allmählich zu legen begonnen hatte, weil sie Abstand gewonnen hatte und es ihr dadurch leichter fiel, seinen Anblick zu verdrängen. Aber sie konnte es einfach nicht, konnte und wollte ihm nicht zumuten, ihre Hässlichkeit unbekleidet zu sehen. Ihre Runzeln und Falten zu spüren, ihren Verwesungsgeruch zu riechen oder gar zu schmecken. Noch dazu fühlte sie sich dort unten einfach nur ausgetrocknet und bezweifelte, dass da in ihrem derzeitigen Zustand auch nur irgendetwas an der richtigen Stelle fließen würde. Nein, es war nichts zu machen mit ihr!
Bei ihm hingegen... wenn er ihr ein Zeichen geben oder ihr sagen würde, dass er es wollte, sie würde mit ihren Fingern gerne an seinem Körper herum spielen, womöglich bekäme er sie sogar dazu, ihren Mund für ihn zu öffnen. Doch auch das bot sie nicht von sich aus an in Erinnerung dessen, was er ihr schon mehrfach gesagt hatte. Dass es ihm im Prinzip kein wirkliches Vergnügen bescheren konnte aufgrund seiner Verstümmelung.
Trotzdem schaffte er es, sie zu locken und sie stimmte nur zu gerne seinem Spielchen zu, das eigentlich sie begonnen hatte mit ihrer Strafe. Seine Stimmlage änderte sich ein wenig und erinnerte sie an intimere, sinnlichere Momente, sodass sie nicht an sich halten konnte und nach ihm schnappte. Sie erwischte seine Unterlippe und knabberte zärtlich daran, während sie das salzige Aroma schmecken konnte. Beinahe schon so, als hätte er sich an ihr liebstes Element anzupassen versucht, um sich ihr schmackhafter zu machen.
Lange hielt sie sich allerdings nicht damit auf, sodass sie beide nicht in Versuchung gerieten, einen intensiveren Kuss daraus entstehen zu lassen. Außerdem kam ihm etwas in den Sinn, das ihre Frage beantwortete. Zumindest, solange er keine anderen, ihm mehr zusagenden Genüsse zu kosten bekäme.
Sollte sie sich wieder nach Hause wagen und den Mut besitzen, auch ihn mitzunehmen, würde sie das ein oder andere ihm auf jeden Fall vorsetzen lassen. Und als erstes diesen Pudding!
Zuvor jedoch machte er ihr wieder einmal deutlich, dass er in ganz anderen Zeitspannen alterte als sie, sodass sie sich eine entsprechende Bemerkung nicht verkneifen konnte. Schon fing er an sich zu verteidigen und kam darüber hinaus auch auf den Waldelfen zu sprechen. Bedauerlicherweise in diesem Fall...
Sie öffnete ihren Mund bei seiner Frage, als sie seine Mimik bemerkte, ebenso wie das Rascheln seines Gefieders. Ihre Stirn runzelte sich leicht und sie vergaß ihre ehrliche Antwort, weil er fortfuhr. Um damit ihren wunden Punkt haargenau zu treffen.
Während er den Blick abwandte, begannen ihre Wangen regelrecht zu glühen und sie musste hoffen, dass das Licht schlecht genug wäre, um die Intensität wenigstens ein bisschen verbergen zu können. "Corax...", hauchte sie und wusste nicht recht, was sie sagen sollte... durfte.
In Gedanken hatte sie ihn betrogen und ihn hintergangen, etwas, das ihr sehr zusetzte, auch jetzt noch, nachdem er den Finger auf diese Wunde gelegt hatte. Dass es in der Wirklichkeit nicht dazu gekommen war... war dem Umstand geschuldet, dass sie eine wandelnde Leiche und er womöglich ihr... Erzeuger war. Dennoch gehörte ihr Herz ihrem Raben, in all seiner Unvollständigkeit, daran hatte sich nichts geändert.
Was sich hingegen gewandelt hatte, war der Umstand, dass sie nun, in die Ecke gedrängt, nicht sofort aufbrauste und um sich biss wie noch ein paar Stunden zuvor. Es hätte nichts daran geändert, dass sie sich schuldig fühlte und sich mit jeder Reaktion verraten konnte. Jedoch war auch sie sich nicht vollständig sicher, was zwischen ihrem Liebsten und dem anderen alles vorgefallen war und wie er sich dabei fühlte, wenn diese schlanken, in ihrer Farbe an fruchtbare, feuchte Erde erinnernde Finger durch sein Gefieder strichen. Was wiederum ihre Eifersucht nährte und sie unter anderen Umständen zur Ablenkung genutzt hätte.
Jetzt hingegen rang sie mit sich selbst, kämpfte mit ihren widersprüchlichen Gefühlen, mit ihrem Gewissen und mit ihrer Unsicherheit, was und wie viel sie ihm sagen sollte, auf welche Weise, damit er ihr bis zum Schluss zuhörte. Und vielleicht irgendwann verzeihen könnte...
Darum schwieg sie, während Corax die Gelegenheit zum Weitersprechen bekam. Zuerst noch fing er wieder damit an, dass er es hinnehmen würde, doch dann... beachtete er tatsächlich ihre vorhin erst gesprochenen Worte und wurde nicht nur ehrlicher, sondern auch... eine Spur selbstbewusster. Leise seufzte sie und spürte, wie ein wenig von dem Druck, ihm sofort alles zu erzählen, verging. Genauso wie die Röte in ihren Wangen, die allmählich nachließ.
Ihre Haut brannte kaum noch, als sie sich vorbeugte und ihm sanft die Finger auf seinen verbliebenen Unterarm legte. Jetzt erst sah er sie wieder an und sie suchte gleichfalls seinen Blick. Ein kleines, sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen. "Ich will das auch nicht.", erwiderte sie und meinte das vollkommen ehrlich, wenngleich doppeldeutiger, als er hoffentlich ahnte. Nein, sie hatte diese Bilder nicht in ihren Gedanken sehen wollen und noch weniger wollte sie sehen müssen, wie ihr Liebster sich wiederum seinerseits anderen zuwenden könnte, obwohl sie fest damit rechnete.
Er indes blieb noch kurz bei dem Waldelfen hängen, was sie nun doch zu einem Aufbegehren brachte. "Tz!", entkam es ihr auf den Hinweis, dass auch der andere in einem für ihre Begriffe äußerst hohen Alter schon war. "Aber wenigstens weiß ich jetzt, woher ich das habe, dass ich so unwiderstehlich bin, dass du die Finger nicht von mir lassen kannst!", versuchte sie, das Thema ein wenig umzulenken und die Stimmung zwischen ihnen wieder etwas anzuheben, lockerer werden zu lassen.
Wobei sie diesen Umstand selbst torpedierte, indem sie seufzend die Schultern hochzog und Unsicherheit in ihre Miene trat. "Nun ja, sofern... sofern er nicht gelogen hat.", murmelte sie. Noch immer fiel es ihr schwer, sich auf diesen Gedanken einzulassen, ihren Erzeuger gefunden zu haben.
Die Zweifel blieben und auch das Bemühen, nicht zu genau darüber nachzudenken. Auf der anderen Seite hatte diese Neuigkeit trotz allem Zeit gehabt, um allmählich bei ihr besser sacken zu können, sodass die Erklärungen für manches bei ihr nicht mehr so gänzlich abwegig waren. Doch einen Beweis, einen wirklichen Beweis für Wahrheit oder Lüge hatte sie noch immer nicht... Ob es so etwas überhaupt gab? Konnte sie irgendwie herausfinden, ob es stimmte, abgesehen von einer Konfrontation ihrer Mutter mit diesem Mann?
Seufzend versuchte sie, diese Gedanken beiseite zu schieben. Sie war ohnehin müde und allmählich wurde es schwieriger, konzentriert zu bleiben, sodass ein anderes Thema wieder verstärkt in ihren Fokus rückte. Dafür allerdings wollte sie ihren Raben näher bei sich haben, nicht noch immer zu ihren Füßen, sodass sie ihn sanft zu sich aufs Bett zog.
Kaum jedoch saß er neben ihr und griff sie nach dem Beutel, da sprudelte es auch schon aus ihr heraus, was sie zu lange mit sich allein hatte ausmachen müssen. Auffordernd und in fast schon kindlicher Neugier sah sie ihn an, wartete dermaßen offensichtlich auf Antworten, dass jedweges Ausweichen eine pure Enttäuschung dargestellt hätte.
Seine Antwort kam auch... und fiel trotzdem im Groben und Ganzen vollkommen anders aus als erwartet. Zuerst war er es, der verwirrt wirkte, doch mit jedem weiteren Satz übertrug sich dieses Gefühl auf sie. "Aber... aber...", murmelte sie mehr als einmal und schüttelte leicht den Kopf.
Das verstand sie nicht, sie hatte ihn gesehen, haargenau, seine roten Augen, seine Konturen, die ihr so vertraut waren! Ja, er hatte etwas jünger und leichtfertiger gewirkt, doch das hatte an den Lichtverhältnissen liegen können. Und er hatte beide Arme besessen, das hatte sie durchaus bemerkt und erst recht nicht verstanden. Allerdings hatte er schon des Öfteren Illusionen erzeugen können und sie könnte es sich damit erklären. Dass er jetzt hingegen meinte, er wäre gar nicht dort gewesen... Nein, sie hatte sich nicht getäuscht! Oder...?
"Ich... verstehe das nicht...", murmelte sie und sah selbst wieder auf den Beutel herab, als er gerade mit seinem Finger den Namen entlang strich.
Immerhin schien er damit etwas anfangen zu können und gab ihr sein Wissen weiter, das sie im Moment jedoch kaum erreichen konnte. Er war nicht dort gewesen... aber sie hatte ihn gesehen! Noch immer hatte sie an diesem Umstand zu knabbern und verstand es einfach nicht. Übersah sie etwas? Hatte sie es sich eingebildet? Nein, sonst gäbe es schließlich den Beutel nicht, den sie gerade in der Hand hielt!
Nur... wenn es nicht Corax gewesen war, wer dann? Er hatte ausgesehen wie sein Ebenbild, lediglich eine Spur jünger und trotzdem...
Wie ein glühend heißer Strom durchfuhr sie ein Gedanke, der sie zusammen zucken ließ. Ihre Augen weiteten sich und ihr Blick ging einen Moment lang ins Leere, als sich etwas hinter ihrer Stirn ineinander fügte, das sie unbedingt weiter verfolgen musste. Was wenn... wenn es nicht ihr Rabe gewesen war, sondern... sondern... ein Verwandter? Vielleicht sogar ein naher, so etwas wie ein... ein Bruder...?!
Ihr wurde mit einem Mal heiß und kalt bei dieser Möglichkeit, während diejenige, dass es sich auch um die Frucht seiner einstmals vollständigen Lenden handeln könnte, ihr nicht in den Sinn kam. Oh, das wäre einfach nur wunderbar! Wobei sie noch nicht einmal so weit war, die Information verarbeitet zu haben, dass es sich dabei um blaues Blut handeln könnte, das in ihrem Raben fließen mochte, sollte sich ihr Gedanke bestätigen. Obwohl das für sie und ihre Gefühle eine äußerst vorteilhafte Wendung gewesen wäre...
Nein, sie war lediglich soweit, dass sie eventuell jemanden gefunden hatte, der helfen könnte, dass er seine Wurzeln fände, seine Familie, diejenige, aus deren Armen er gerissen worden war! Doch wie könnte sie mehr dazu herausfinden? Wie es so handhaben, dass sie ihm keine unnötigen Hoffnungen machte, während sie noch keine klare Antwort auf diese Ähnlichkeit hatte? Womit sie wieder bei dem Punkt wäre, dass sie nicht wusste, ob es überhaupt eine Möglichkeit gab, solche Blutsverwandtschaften feststellen zu können.
Doch vielleicht... Es gab da jemanden, der viel Wissen angesammelt hatte, zumindest tat er stets so, und der laut eigenen Aussagen auch gerne nachforschte. Was, wenn sie ihn danach fragen würde? Nicht für sich, das war gerade ausnahmsweise in den Hintergrund ihres Denkens gerückt. Nein, für Corax und wenn ja, dann müsste sie sich nur noch auf die Suche nach diesem ominösen Fremden machen, nach seinem jüngeren Ebenbild.
Er wäre hoffentlich noch in Andunie und wenn sie sich beeilte, dann könnte sie ihn womöglich noch erwischen, weil es unklug wäre, mitten in der Nacht die Stadt zu verlassen. Meinte sie zumindest. Er hatte ihr ja schon einmal zugewunken, da könnte es ihr sicherlich gelingen, noch einmal in seine Nähe zu kommen und mit ihm zu reden. Ja, warum auch nicht? Und warum sollte sie noch länger warten?
"Ich muss zu ihm!", fuhr sie plötzlich und unvermittelt aus ihren Gedanken hoch, nachdem sie einmal mehr getan hatte, was der Waldelf ihr bereits mehrfach vorgeworfen hatte. Sie hatte nicht mehr wirklich zugehört.
Stattdessen sah sie nun ihren Liebsten an mit Augen, die voller Tatendrang und Hoffnung leuchteten. "Du warst bei ihm, wo ist er? Wo ist mei... mei..." Nein, das kam ihr dann trotz allen Eifers noch nicht über die Lippen, sodass sie seufzend abwinkte. "Du weißt schon, wen ich meine. Ich muss mit ihm reden, dringend!"
Damit sprang sie auf, noch ohne seine Antwort abzuwarten. Und ohne Rücksicht auf ihren körperlichen Zustand, denn die Erschöpfung machte ihr einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Kaum auf den Beinen drehte sich alles um die herum und sämtliche verbliebene Farbe wich aus ihrem Gesicht. Tastend griff sie blind hinter und neben sich, in der Hoffnung, sich an etwas oder jemandem festhalten zu können, als ihr die Knie auch schon wegknickten.
Das war einfach zu viel für ihren Kreislauf gewesen, der deutlich machte, dass sie eigentlich etwas Erholung bräuchte. Und etwas im Magen, denn dieser war noch immer vollkommen leer, auch wenn sie das Hungergefühl inzwischen gar nicht mehr bemerkte.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Dienstag 5. September 2023, 09:14

Es war nicht ganz leicht, Corax in jene Bahnen zu lenken, die man selbst wünschte. Sogar Serpentis hatte mit ihm so ihre Schwierigkeiten gehabt und vor ihr viele, viele andere Herrinnen und Herren. Erst die Feuerhexe schien einen Punkt gefunden zu haben, wie sie ihn nach ihren Wünschen zu formen wusste. Corax brauchte klare Anweisungen, eine feste Order, aus der er nicht ausbrechen durfte. Serpentis hatte diese Methodik allerdings mit harter Hand geführt, die Persönlichkeit ihres Sklaven sogar in Ketten gelegt, indem sie von ihm verlangte, ein harter, skrupellose, mordbereiter Soldat zu sein. Azura wandte ähnliche Methoden an, aber ging dabei behutsamer vor, so dass Corax er selbst bleiben konnte und seine Seele davon nicht geschädigt würde. Er brauchte nur eine Hand, die ihn wies und an der er sich dennoch festhalten durfte. Azura reichte sie ihm, indem sie ihm zwar "befahl" sich an Dinge zu halten, diese jedoch so formulierte, dass er davon für sich selbst profitierte. Indem er seinen Willen bekannt gab, befahl sie ihm die Erlaubnis, genauso gleichberechtigt zu sein wie alle anderen. Damit konnte er umgehen, das nahm er an und bald würde es Früchte tragen. Schon viel zu früh, denn Corax war bestrebt darin, seine Aufgaben stets zeitig umzusetzen.
Mit etwas Glück bekäme Azura den Mann zurück, der ihr so fehlte. Zu kleinen Teilen war er immer noch vorhanden. Er wagte sich nur bisher nicht mehr offen an die Oberfläche, aber in stillen Momenten zwischen ihm und ihr, da zeigte Corax seine altbekannte Dreistigkeit, der sie so gerne versuchte hatte, Konter zu geben. Sie wollte wieder mehr davon, denn es war schön, sich mit ihm zu messen. Vor allem war es leicht, denn sie konnte sich dann nicht nur körperlich an ihm reiben. Bei Kjetell'os glatter Oberfläche reinster Ruhe war sie regelmäßig abgerutscht. Warum nur kam der Waldelf erneut zur Sprache? Weil Corax nachhakte, ob er wirklich Azuras Vater war oder ob sie ihn einfach nur als Liebhaber bevorzugte. Der Rabe erhoffte sich da eindeutig Ersteres, denn jetzt brach ein wenig seines Willens aus ihm heraus. Es verdeutlichte, dass er trotz seiner Selbstentmannung auch an Azuras Körper hing und ihn ungern teilen wollte. Er würde es tun, allein schon um ihrer selbst Willen. Sie sollte alle Freuden eines Mannes genießen können, eine vollständigen Mannes. Er würde sie nicht daran hindern, aber er wollte es nicht erfahren. Sein Herz brauchte nicht noch mehr Narben, seine Schultern keinen dichteren Umhang aus schwarzen Leidensfedern.
Azura fielen dieses Mal aber erneut die passenden Worte in die Wiege. Sie bestätigte einfach, dass auch sie diese Bilder nicht wünschte. Wie Corax das nun aufnahm, blieb ungeklärt. Ob er davon ausging, dass sie ihm Bilder ihres Körpers zusammen mit einem anderen Mann nicht zeigen wollte oder nicht wünschte, dass er ihr solche Bilder in den Kopf setzte - denn auch er besaß seine Geschichten - schwebte in der Stille gleichermaßen vor sich her wie Azuras Schweigen über ihre Fantasien mit Kjetell'o. Konnte man von Betrug sprechen? Das würde das Paar selbst definieren und auch herausfinden müssen, ob und wieviel davon verzeihbar wäre. Im Moment fanden sie einfach nur gemeinsam Spaß daran, ein wenig über das Alter des Waldelfen zu lästern, Azuras Vater.
"Nun ja, sofern ... sofern er nicht gelogen hat."
Corax lehnte sich bei seiner Liebsten an. Im Geiste legte er ihr den Arm um, den er nicht mehr besaß. Azura spürte das Gewicht nicht, denn er existierte nicht mehr, aber trotzdem wurde ihr ein wenig wärmer durch die aufgebaute Nähe. "Warum sollte er dich belügen?", fragte Corax plötzlich. Ausgerechnet er, der im Grunde jedem einzelnen mit Misstrauen begegnen müsste nach all der Zeit seiner eigenen Misshandlung. Kjetell'o aber hatte einen Stein bei ihm im Brett, wie es schien. Hatte Azura Recht? War er ihr deshalb so verfallen, weil sie einen Teil von Kjetell'os Charme geerbt hatte? Durfte der Waldelf ihm deshalb den Nacken kraulen?
"Er leidet viel zu sehr darunter, dich nicht als seine Tochter zu sehen und wie sonst sollte er darauf kommen, wenn es nicht wahr ist?", setzte Corax nach. "Es bringt ihm keinerlei Vorteile, zumindest nicht bei den Dingen, denen er sich eigentlich widmen sollte. Vielmehr hat er sie in den Hintergrund gestellt, um dir näher zu kommen ... jedenfalls sieht es für mich inzwischen so aus. Er hat sich überhaupt nicht mehr für Serpentis oder die Wasser-Akademie interessiert, seit er wusste, wer du bist. Dabei lag all seine Aufmerksamkeit vorher nur darauf." Corax schaute zum geschlossenen Balkonfenster und hinaus in die nach wie vor verregnete Nacht. "Wir alle werden in deiner Gegenwart unvorsichtig." Er schmunzelte und schaute zu ihr zurück. "Du hast Recht. Ich kann meine Finger nicht von dir lassen." Er raunte es, sehnsüchtig. Er neigte sich in ihre Richtung, bereit für einen neuen Kuss. Einen, der länger anhalten und weitere Spielereien einleiten sollte, aber Azura übersah es. Entweder bewusst oder weil ihr Fokus derzeit nicht auf dieser Ebene lag. Sie wechselte das Thema, brachte ihren Raben damit vollkommen aus dem Konzept und ließ auch seine Gedanken sich neu ordnen.
Das Haus Faelyn, ein mutmaßliches Adelsgeschlecht morgerianischer Dunkelelfen. Und einer davon sah aus wie Corax! Azura zweifelte inzwischen ebenfalls daran, ihren Raben gesehen zu haben, wenngleich sie auch an dem Bild selbst nicht zweifelte. Aber sie glaubte seinen Worten. Er war nicht im Park gewesen. Wer aber war dann derjenige, der ihm nahezu bis auf's Haar glich und noch beide Arme besaß? Recht schnell kam Azura die Idee, dass es ein Verwandter gewesen sein könnte. Es war nicht auszuschließen, Corax wusste nichts über seine Vergangenheit. Möglicherweise besaß er einen Bruder...
Bei Elfen aller Subvölker ließ sich das Alter stets schwer einschätzen. Sie konnten erst zwanzig sein und entweder noch sehr kindliches oder bereits gereiftes Verhalten an den Tag legen. Sie konnten mit dem gleichen Gebaren aber auch schon über Hundert sein. Ihre Lebensphase schien sich einfach nur auszudehnen. Sie durften länger jung sein, länger Kind, länger die Welt erleben. Das machte es kurzlebigen Völkern umso schwerer, ihr Alter anhand optischer Merkmale einzuschätzen. Wie alt war der Mann, der Corax so sehr glich und den Azura gesehen hatte? Könnte es wirklich ein Bruder sein? Vielleicht ein Cousin, sein Zwilling oder auch gar ... nein, wohl kaum sein Vater. Andererseits ... Kjetell'o war nicht viel älter als Corax wie es schien und er hatte eine herangewachsene, ansehnliche Tochter! Nun, ansehnlich, wenn sie endlich diese untote Erscheinung loswerden könnte, aber daran dachte Azura im Moment nicht. Tatsächlich drehte sich nicht alles in ihrem Kopf einmal um sie selbst. Sie dachte an Corax und was es für ihn bedeuten könnte, Kontakte zu seiner Vergangenheit zu knüpfen. Sie behielt ihre Überlegungen jedoch vorerst für sich. Wenn sie sich irrte und er sich inzwischen Hoffnungen machte, könnte der Rückschlag größeren Schaden anrichten, als wenn sie nun schwieg. Nein, sie musste erst tiefer forschen. Sie brauchte Beweise, die ihre Thesen bestätigten. Erst, wenn sie nahezu garantieren könnte, ihrem Raben durch ihre eigenen Annahmen kein neues Leid zuzufügen, würde sie sprechen. Denn genau das war es, was sie sich für ihn - nicht für sich! - wünschte: Er sollte nicht leiden, sondern glücklich sein.
Dabei kamen ihre Gedanken erneut auf den Waldelfen. Kjetell'o mochte ihr Vater sein oder auch nicht. Was nicht von der Hand zu weisen war, war die Tatsache, dass er einiges an Wissen angereichert hatte. Nicht nur bezüglich verschiedener Magie-Arten. Er war ein erfahrener Elf, ein alter Sack, der sicherlich auch ein paar Jahrzehnte darauf verschwendet hatte, über die Strukturen elfischer Adelsgeschlechter zu sinnieren. Azura ahnte, dass sie sich ihm würde stellen müssen, denn er könnte vielleicht helfen. So festigte sich der Plan schon in ihrem Kopf, bevor sie auch diesen an Corax hätte herantragen können und impulsiv wie sie war, riss es ihren Leib aus dem Bett. Sie wollte sofort nach dem Shyáner suchen. Sie wollte ... sie ... schwankte. Alles drehte sich. Mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie nicht vollkommen untot sein konnte. Untote mussten nicht essen, sie allerdings schon. Sie spürte, dass sie ihre letzten Kraftreserven verbraucht und nicht wieder ersetzt hatte. Die Müdigkeit, die auch durch die Kälte und Nässe hervorgerufen worden war, schwächte sie zusätzlich. Nun, da ihr Leib einen Moment hatte ruhen können, wollte er nicht wieder in den Zustand zurück, der ihn noch mehr Kraft kosten könnte. Ihre Knie gaben nach. Sie stürzte. Sie würde fallen, in die vertraute Schwärze. In eine Ohnmacht und langen Schlaf. Das letzte, was Azura sah, waren die Umrisse von Corax, der aus dem Bett aufsprang, um sie mit ... beiden Armen aufzufangen.

Azura träumte. Seltsamerweise wusste sie es dieses Mal. Sie wusste, dass sie an Manthalas Hand durch deren Reich wandelte und eine ihrer fantastischen Geschichten erlebte. Nein, es war nicht wie üblich. Wo sie in ihren Träumen doch meist der Dreh- und Angelpunkt von all dem war, was wichtig erschien, da schwebte ihr Bewusstsein nun leicht und befreit am Rande dieser Wahrnehmung. Sie durfte heute Beobachterin eines Traumes sein und es wirkte nicht, als wäre es ihr eigener. Was geschah hier?
Sie sah ein Zimmer. Die Ränder verschwammen mit der alles umgebenden Weite eines Traumes, wurden zu Wolken und dann zu Schwärze. Sie sah nur einen Ausschnitt und jener zeigte diesen liebevoll und mit Fürsorge hergerichteten Raum. Er besaß Steinwände, wirkte dadurch aber weder kalt noch karg. Überall hingen kleine Wimpel, Schleifen, Bänder. Eine Fledermaus aus grünen und purpurnen Stoffresten hockte auf einer Anrichte und schaute mit viel zu großen Knopfaugen zu einer Wiege herüber, die mitten im Zimmer stand. Sie schaukelte noch sacht vom letzten Schubs einer Mutter, die das Zimmer längst verlassen hatte, damit ihr kleines Glück friedlich schlummern konnte. Azura schwebte zu der Wiege herüber, um einen Blick zu wagen. Zwischen Laken aus violettem Stoff lugte ein Köpfchen heraus, umrahmt von einem Flaum schwarzer Haare. Die Haut war dunkel wie ebenholz mit winzigen Spitzohren. Kleine Finger klammerten sich an die Decke, zupften leicht daran, bis Azuras Aufmerksamkeit darauf fiel. Eine violette Schmusedecke für den Säugling mit dem Bild einer geflügelten Frau darauf. Eine Fee, blau, auf violettem Grund. Und darüber das unschuldige Augenpaar eines Kindes, das so kostbar schimmerte wie die schönsten Rubine, die Azura je zu Gesicht bekommen hatte. Es schaute sie an, voller Neugier und Überraschung. Sie verspürte, dass sie aufgrinste.
Dieses kleine Etwas war perfekt, denn ihr Wissen vermittelte ihr, dass es ein Faelyn war. Faelyn, mit dem Feensymbol als Wappenbild. Wer, wenn nicht dieses kleine Geschöpf, passte besser zu ihr? Es würde Spaß machen, mit ihm zu spielen, ihm kleine Tricks beizubringen. Kleine Albernheiten, auf Kosten anderer bis es alt genug wäre, auch größere zu begehen. Blutige unwiderbringliche Taten ... zerreißen, zerfetzen sollten diese winzigen Finger. Erst andere und am Ende es selbst. Was für ein Spaß, zuzusehen, wie diese kleine Seele unter ihrer Macht aufging, die sie ihr schenkten, nur um dann daran zu vergehen, denn kein sterbliches Wesen ihrer Art konnte mit der Reinheit purer Feenmagie umgehen. Sie nutzten Ableger. Sie nutzten Schelmenmagie. "Ich kann es kaum erwarten, herauszufinden, wie weit dieses Spielzeug kommen wird ... was meint ihr, Brüder? Wie talentiert ist es, die Macht der Kobolde zu nutzen?" Kichern hinter Azura. Es waren ihre Worte. Sie verstand sie, obwohl ihr die Sprache doch fremd war. Dann streckte sie ihre spindeldürren, knorrigen Finger mit den Wurzelknoten als Gelenken nach dem Kindchen aus. "Komm, kleine Fee, kleiner Faelyn ... ich lade dich ein, mit uns zu spielen..." Und der Säugling Corax, der zu dem Zeitpunkt noch nicht diesen Namen trug, umschloss den langen Stockfinger mit seiner winzigen Hand, um in einem Knall aus bunten Farben und schwarzem Rauch zu verschwinden. Mit Wohlwollen blickte Azura auf die leere Wiege und das Paar Dunkelelfen, welches daraufhin ins Zimmer stürzte, hinab. Sie schwebte fort, das Kindchen im Besitz. Sie sah noch, wie die Frau mit Haaren so schwarz und seidig und Augen so rot wie jene ihres Raben, vor der Wiege zusammensank. Sie weinte. Der Elf aber - ein kräftiger, junger Mann von hohem Wuchs, ebenfalls mit schwarzem Haar aber wachsamen grauen Augen - eilte zu einem der Fenster, um nach Spuren einer Entführung zu suchen. Er würde keine finden. Sie würden nichts mehr finden, auch nicht ihr Kind. Sie würden es nie wiedersehen, denn es war jetzt ihr, Azura und ihren Brüdern allein. Sie würden mit dem kleinen Balg ihren Spaß haben, zusehen, wie es unter der Feenmagie aufwuchs und sich vielleicht die Ableger - irgendeine Form der Schelmenmagie - aneignete. Hoffentlich die Graue, denn die war viel lustiger mit anzuschauen. Azura verspürte Vorfreude. Sie konnte es kaum erwarten, herauszufinden, wie viele Leben ihr neuestes kleines Spielzeug nehmen würde und wieviel Leid es schuf, bevor die Kinderseele an den Folgen dieser unglücklichseligen Magie zerbrach.

Wärme umfing sie, als es Azura aus dem Schlaf riss. Es war nicht nur die kuschlige Wärme weicher Laken, sondern auch jene eines anderen Körpers, die sie geborgen hielt. Einzig der Traum hatte sie hochgeschreckt, so dass sie im Bett aufrecht saß, ehe ihr bewusst wurde, wo sie sich überhaupt befand. Ihr Zimmer. Sie hockte in ihrem eigenen Schlafzimmer in der Akademie der Wassermagie. Das andere Bett war leer. Madiha und auch der Kapitän waren nicht zurückgekehrt. Dafür hatte jemand aufgeräumt. Ihre Kleidung vom Vorabend lag ordentlich gefaltet auf einem Stuhl neben dem Bett. Über dessen Lehne hing das Kleid, das sie sich noch neu aus dem Schrank gesucht hatte, zusammen mit den dunkelblauen Strümpfen. Ihre Stiefel standen neben dem Stuhl. Im Kamin brannte ein Feuer, hielt den Raum ein wenig erhellt und warm. Regenverhangene graue Wolken begrüßten sie von der Fensterseite aus. Es nieselte, aber wenigstens schien das Gewitter ein wenig nachgelassen zu haben. Venthas Laune war noch immer nicht perfekt, aber für den Moment etwas gemildert.
Der Körper, der neben Azura im Bett lag, gehörte Corax und er hatte sie nicht mit einer Decke aus Stoff warm gehalten, sondern mit seinem Federumhang, der wie ein übergroßer Flügel auf dem Bett ausgebreitet lag. Die Federn waren weich. Schwarz an der Außenseite schimmerten sie kunterbunt auf der warmen Innenseite. Vereinzelt erkannte sie sogar silbrigen Flaum, der sich besonders weich auf ihrer nackten Haut anfühlte. Sie ... war nackt. Dieses Mal nicht Kjetell'o, sondern sie! Aber der Shyáner war nicht hier, sondern ihr Liebster, ihr Rabe. Auch er trug keine Kleidung. Das erkannte Azura aber nur, weil er auch seine Sachen ordentlich neben dem Bett auf dem Nachttisch zusammengelegt hatte.
Corax schlief noch. Seine Züge waren dann weich, frei von Sorge und Kummer, ähnlich wie die des Säuglings aus ihrem Traum. Sehr ähnlich. Er hatte seinen Kopf auf seinem verbliebenen Arm gebettet. Der andere fehlte, wie zu erwarten. Wäre er vorhanden gewesen, er hätte sich bestimmt um Azuras Körper geschlungen, ohne eine Spur von Ekel. Denn schön war sie nicht. Ihre Nacktheit offenbarte faulige Hautstellen, kleine Löcher im Gewebe mit Blick auf den blanken Knochen und die fahle Farbe, wie die nur eine Tote besaß. Sie war hässlich, geradezu abstoßend! Aber Corax lag neben ihr, ganz dicht. Er hatte sie ausgezogen, das Zimmer aufgeräumt und den Kamin angefeuert. Und er hatte sich zu ihr gelegt, ohne eine Spur von Abneigung. Denn bei ihr fühlte er sich sicher und geborgen. In ihrer Nähe gab es die Stockwesen seiner Vergangenheit nicht. Die Kobolde, die Feenmagie beherrschten und sie ihm eingeflößt hatten, damit er Schelmenmagie wirken konnte ... graue? Eine andere? Oder war er schon wie sie eine elfengroße Fee ... mit Rabenflügeln?
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Dienstag 5. September 2023, 20:06

Sobald etwas zu leicht zu erreichen war, bestand das große Risiko, die junge Frau ebenso leicht zu langweilen. Azura braucht die Herausforderung und das Wissen, dass sie ihren Willen nur mit etwas mehr Anstrengung auch am Ende bekommen würde. Oder dass immer wieder eine neue Ecke und Kante darauf wartete, dass sie sich daran stieß und etwas dagegen unternehmen musste. In der Hinsicht passte ihr Rabe wahrlich perfekt zu ihr, nachdem sie ihre Sinnestäuschung in Bezug auf den Waldelfen zumindest vordergründig erst einmal überwunden hatte.
Aber es war für sie auch schwer, sich tatsächlich auf Corax einzustellen, seine Eigenheiten zu beachten und nicht einfach ihre eigenen Ansichten ihm überzustülpen. Dank ihrer Gefühle jedoch wollte sie es versuchen, bemühte sich... und wurde mit Erfolg belohnt. Zwar würde es das Verhältnis zwischen ihnen beiden keineswegs erleichtern, allerdings war es ihr wichtig, dass er auch auf seinen eigenen Willen und seine eigenen Bedürfnisse achtete.
Wer sie kannte, mochte es kaum glauben, und dennoch bedeutete es ihr viel, was hinter seiner Stirn vorging, und vielleicht wäre sie hin und wieder bereit dazu, sich diesen Einfällen unterzuordnen. So, wie vorhin, als er darauf bestanden hatte, allein zu sein und ihr nicht zu folgen. Auch jetzt wollte sie seine Gedanken und Gefühle wissen, obwohl diese wieder an ihrem eigenen Gewissen knabberten und es aufbegehren ließen.
Dass sie dabei unbewusst genau die richtige Antwort gab... war wohl eher ein Zufall, denn wirklicher Instinkt. Und auch für sie selbst waren ihre Worte mehrdeutig. Nein, sie wollte sich nicht vorstellen, wie der Waldelf, ihr angeblicher Erzeuger, sie berührte, sie in Besitz nahm, wie es bislang nur Corax hatte tun dürfen und eigentlich auch nur sollte. So sehr es ihre Sehnsüchte auch geweckt hatte, hatte sie ihren Liebsten niemals betrügen wollen, obwohl sie wahrlich knapp davor gewesen war. Doch genauso wenig wollte sie sich vorstellen, was die beiden Männer alles miteinander anzustellen vermochten, wenn sie unter sich waren. Oder was ihr Rabe bereits alles getan hatte, um zu jener Erfahrung zu gelangen, die er im Umgang mit ihr gezeigt hatte.
In diesem Fall war es vermutlich wirklich besser, wenn sie beide sich darüber ausschwiegen und sich anderen Themen widmeten. Wie zum Beispiel ihren Zweifeln, die sie partout nicht aufgeben wollte. Sie... konnte es einfach nicht, denn das würde wiederum Gefühle in ihr wecken, die leicht verletzt werden könnten. Hoffnung war ein zartes Pflänzchen, das gehegt und gepflegt werden musste und viel zu rasch kaputt gemacht werden könnte. Würde sie ihre Ablehnung aufgeben, würde sie zu hoffen beginnen.
Worauf? Auf vieles, da es in ihr durchaus einen Wissensdrang gab, der, einmal entfacht, kaum zu bändigen war. Und sie hätte viele Fragen, unendlich viele! Nein, besser für ihren eigenen Schutz waren die Zweifel, die sie nun äußerte.
Dabei spürte sie, wie ihr Liebster sich an sie lehnte und ihr wurde etwas wärmer, sodass auch sie mehr gegen ihn sank. Hätte er noch seinen Arm, sie konnte sich gut vorstellen, dass er ihn um ihre Schultern gelegt hätte. Wenn sie doch nur etwas tun könnte, um ihm dieses fehlende Glied zurück zu bringen!
Und mit einem Mal war es Corax, ausgerechnet er, der an ihrer Mauer aus Zweifel kratzte. Der die zielsicher die Fugen des Mörtels fand und diesen herausholte, sodass der Halt weniger wurde. Zuerst nur sah sie zu ihm auf, unsicher, ob sie sich nicht gerade verhört haben könnte.
Dann fuhr er fort und ließ sie blinzeln, während sie etwas unsicher die Schultern höher zog. "Na ja... es gäbe genug Vorteile, die er sich verschaffen könnte. Geld, Verbindungen... Mein Stiefvater ist nicht der reichste und nicht der mächtigste, aber... unbedeutend ist er auch nicht. Oder... war es...", murmelte sie, während eine Hand unter der Decke hervor kroch, um mit den Federn seiner neuen Gewandung zu spielen. Sie strich darüber, zupfte hie und da oder grub die Finger auch mal etwas tiefer zu den Federkielen, als suche sie seine Haut. "Und wenn er es wäre, dann hat er meine Mutter im Stich gelassen, als sie ihn gebraucht hätte...", fügte sie noch leiser hinzu.
Lautlos seufzte sie und zog ein wenig an einer Feder. "Warum sollte er also jetzt darunter leiden? Wir sind uns fremd...", nuschelte sie in sich hinein, ehe sie ihren Kopf abrupt anhob und ihn erstaunt einen langen Moment lang ansah.
Dann seufzte sie erneut und deutete ein Kopfschütteln an, während ihr Blick sich wieder auf ihr Fingerspiel an seinem Gefieder senkte. "So wichtig kann ich ihm nicht sein...", wehrte sie schwach ab.
Daraufhin schwiegen beide, bis Corax etwas sagte, das sie abzulenken und ebenfalls zum Grinsen zu bringen wusste. "Unvorsichtig? So bist du mir bislang nicht vorgekommen.", neckte sie ihn zurück und wanderte gedanklich weiter zu dem Beutel, den sie gefunden hatte.
Und während er anderes im Sinn gehabt hätte, etwas, das sie ihm in ihrem derzeitigen Zustand einfach nicht erfüllen konnte, bemerkte sie sein Sehnen nicht, weil ihr eigenes Streben nach Wissen sich bemerkbar machte. Plötzlich sprudelte es nur so aus ihr heraus, drängte es sie, endlich Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. Was letzten Endes darin gipfelte, dass ihr bewusst wurde, dass sie sich früher als gedacht wieder dem Waldelfen stellen musste. Am besten so schnell wie möglich!
Jedoch überschätzte sie ihre eigenen Kräfte und als sie aufsprang, um ihren Gedanken Taten folgen lassen zu können, da ließ er sie im Stich. Sie spürte noch, wie ihr schwindelig wurde und hatte das Gefühl, in einen Strudel zu geraten, als sie auch schon die allzu bekannte Schwärze umfing und damit alles andere auslöschte.

Als sich das Dunkel um sie herum lichtete, war es seltsam. Sie war nicht aufgewacht, sondern befand sich in Manthalas Reich, das spürte und wusste sie, ohne sich ernsthaft Gedanken darum machen zu müssen. Stattdessen erlebte sie eine Szene, die sie aus einer anderen Perspektive bereits kennen gelernt hatte. Allerdings war das noch lange nicht alles. Irgendetwas war... anders mit ihr. Sie war nicht sie selbst und auch ihre Gedanken, ihre Empfindungen, ihr Wissen waren anders.
Wo sie sonst Mitleid mit ihrem Raben empfand und sie ihm ehrlichen Herzens wünschte, er wäre seinen Eltern nicht gestohlen worden, um in Leid und Qual heranwachsen zu müssen, da gefiel ihr diese Vorstellung in diesem Traum umso mehr. Ja, es kam ihr sogar so vor, als wäre sie die Urheberin dieses Plans und sorgte dafür, dass ihre Untertanen... oder Kumpanen oder wie auch immer man sie nennen mochten, dies auch in die Tat umsetzten. Sie freute sich darauf, ihre Spielchen mit diesem kleinen, noch unschuldigen Wesen zu treiben, es zu formen und knechten, bis es wie ein Stückchen trockenen Holzes brechen würde.
Wann dies soweit sein würde, das gelte es abzuwarten, aber sie spürte, dass es länger dauern würde als mit seinen Vorgängern und dass es ihr dadurch umso mehr Vergnügen bereiten würde. Mit diesem Würmchen würde sie keine Enttäuschung erfahren! Er war die richtige Wahl und er hatte mit ihnen zu kommen in das Reich von Schmerz und Leid!
Keinen Wimpernschlag, nachdem es geschehen war, erschienen die Eltern und deren Verzweiflung war weitere Labsal für sie, dass sie höchst zufrieden grinste, während sie die Dunklen noch beobachtete. Sich darüber freute, dass sie litten, obwohl sie noch nicht einmal damit begonnen hatten, diesen Säugling zu formen und zu benutzen. Sie hatte das Gefühl, als müsse sie lachen, kalt und schadenfroh kitzelte es in ihrer Kehle, stieg auf und wäre ein letzter Gruß an die Hilflosen.

Plötzlich verblasste dieses Bild und sie schrak aus ihrem Traum hoch. Kerzengerade, zitternd und schwitzend saß sie auf dem Bett, während ihre Augen blicklos herum irrten, bis sich allmählich die Umgebung davor zu klären begann. Es dauerte einige sich in die Länge ziehende Sekunden, ehe sie erkannte, wo sie sich befand und dass sie wieder sie selbst war, mit ihren eigenen Emotionen und nicht mit denen fremder Wesen. Trotzdem schüttelte es sie noch einmal kräftig durch, dass es einem Wunder gleich kam, dass ihr dabei nicht die Zähne klapperten.
Instinktiv zog sie die Beine an und wollte sich klein machen, um den Schrecken, der durch die Bilder allmählich in ihren bewussten Verstand einsickern wollte, nicht so viel Angriffsfläche zu bieten. Dabei bemerkte sie die kühle Luft, die ihre Haut streifte, weil sie sich dadurch aus dem schützenden, wärmenden Federkleid befreit hatte.
Es lenkte sie ab, ließ sie blinzeln und an sich herab sehen. Schwer musste sie schlucken, als sie feststellen musste, dass sie... nackt war und wie schlimm ihr Äußeres gelitten hatte. Um im nächsten Moment abwechselnd blass und dann wieder rot zu werden, als ihr klar wurde, dass nicht sie es gewesen sein konnte, die sich entkleidet hatte.
Übelkeit stieg ihr die Kehle hoch und sie wagte es kaum, ihren Kopf weiter zu drehen, um nach Corax zu sehen. Wäre da nicht sein ruhiger, gleichmäßiger Atem gewesen, der sie am Ende doch soweit sich verrenken ließ, dass sie zu seinem Gesicht blicken konnte. Wie friedlich er wirkte, wie... unverdorben und ungebrochen.
Heiße Tränen schossen ihr plötzlich in die Augen und verdrängten die Scham, die sich ihrer bemächtigen wollte. Dabei hatte sie ihn so sehr auf Abstand gehalten, damit er niemals diesen Anblick ertragen musste, den sie derzeit bot! Trotzdem... hatte er es getan und sich danach zu ihr gelegt, um sie zu wärmen. Wie schon bei ihrem Geruch hatte er sich nicht gescheut, sich ihr zu nähern, denn sein Körper lag ihr zugewandt da.
Eigentlich hätte sie sich also zurück legen und an ihn kuscheln können, um die Wärme, die er bot, zu genießen. Hätte, nachdem er nun ihren Zustand bereits gesehen hatte, ihn ein wenig streicheln und noch mehr an sich heran lassen können, sobald er dadurch aufgewacht wäre. Wäre... ja, wäre da nicht dieser Traum gewesen, der ihr jetzt die Tränen des Mitleids und des Schmerzes in die Augen trieb, dass diese überqollen und feuchte Spuren ihre Wangen entlang zogen.
"Mein armer Rabe...", formten ihre Lippen tonlos, um ihn nicht zu wecken. Langsam und vorsichtig bewegte sie sich, um sich weniger stark verrenken zu müssen, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
Da blitzte ein Erinnerungsfetzen aus den Traumbildern hinter ihrer Stirn auf und ließ sie erstarren. "Faelyn...", wisperte sie kaum hörbar und spürte, wie der Drang, etwas zu tun, für ihn zu tun genauso drängend wieder wurde wie vor ihrer Ohnmacht.
Doch anstatt wie zuvor einfach aufzuspringen, ging sie dieses Mal langsamer vor. Einerseits, um nicht noch einmal in die Schwärze zu sinken, andererseits aber auch, um ihren Liebsten nicht zu wecken. Sobald es ihr gelungen war, sich aus dem Bett zu schleichen, tappte sie bloßfüßig zu ihren Sachen, die er so fein säuberlich zusammen gelegt hatte.
Das Ensemble vom Abend dauerte ihr zu lange, um es überzuwerfen, und das Kleid von davor würde sie alleine nicht anziehen und schließen können, auch wenn es schon gut getrocknet war. Also fischte sie aus dem Stapel lediglich das hellblaue Unterkleid heraus und streifte es sich über, unabhängig davon, ob es sich noch klamm anfühlen mochte oder nicht. Es bedeckte einen Gutteil ihres Körpers und war trocken genug, um nichts hindurchscheinen zu lassen, das niemandes Blicken ausgesetzt werden sollte.
Dann wollte sie schon das Zimmer verlassen, den Moment nützen, solange sie ihn nicht geweckt hatte, um ihr Vorhaben dieses Mal in die Tat umsetzen zu können. Jedoch zögerte sie und entschied sich um. Auf leisen Sohlen, denn ihre Füße waren weiterhin unbekleidet, schlich sie zu dem einzigen Tisch in diesem Raum, auf dem sogar Schreibgerät parat lag. In der Annahme, Corax hätte zumindest das Lesen gelernt, schrieb sie rasch ein paar Worte auf.

Mein Liebster,
Ich wollte dich nicht wecken, du siehst so süß aus, wenn du im Schlaf sabberst.
Schriftrolle Fuss
Diese Bemerkung konnte sie sich einfach nicht verkneifen und musste grinsen, als sie diese niederschrieb. Danach besann sie sich auf die Eile, die sie verspürte, und kam zum Wesentlichen.

Ich muss etwas heraus finden, über diese Faelyn. Ich bin bald zurück!
Azura
Schriftrolle Fuss
Zufrieden damit legte sie ihre Nachricht dann auf das Kissen neben seinem Kopf. So würde er es sehen können, sobald er die Augen aufschlug. Gerne hätte sie ihm über die Wange gestreichelt oder ihm einen Kuss auf die Haut gehaucht, aber das verkniff sie sich lieber, um ihn nicht trotz allem noch aufzuwecken.
Sollte ihr das Glück hold sein und er weiter schlafen, würde sie so leise wie möglich den Raum verlassen. Draußen auf dem Gang hätte sie die Qual der Wahl, wohin sie sich wenden sollte, denn sie hatte überhaupt keine Ahnung, wo sie nach dem Waldelfen suchen sollte. Das hatte ihr Corax schließlich nicht mehr verraten, ehe sie bewusstlos geworden war. Und fragen wollte sie auch niemanden.
Wie spät mochte es eigentlich sein? War noch Nacht oder würde bald die Sonne schon aufgehen? Sie hatte sich darum nicht gekümmert.
Mit einem Schulterzucken würde sie, wenn niemand sie aufhielt, den einzigen Weg einschlagen, der ihr nachvollziehbar schien. Sie würde wieder in jenes Turmzimmer gehen, in dem sie schon einmal auf ihn gestoßen war, und darauf hoffen, dass er sich auch jetzt dort aufhielt. Sollte dem nicht so sein... würde sie weiter überlegen müssen.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 7. September 2023, 12:12

Corax genoss Azuras gedankenverlorenes Durchwühlen seines Gefieders. Sie lockerte das Leid, das er trug. Es schien ihn sogar ein wenig zu kitzeln, denn hin und wieder kicherte er, wenn sich ihre Finger zwischen die weichen Federn schoben. So manche davon leuchtete in einem sanften Farbverlauf auf, bevor das Schwarz wieder dominierte. Es war schön anzusehen, wie schillernde Regenbögen auf einer Öllache, die in der Sonne glänzte. Es wollte gar nicht zur Bedeutung des Gewandes passen, ebenso wenig wie das Gespräch, das beide gerade führten. Noch immer drehte es sich um Kjetell'o und seiner Blutsverwandtschaft zu Azura. Derzeit mutmaßten sie gemeinsam, ob er sich Vorteile aus einer solchen Verbindung erhoffte. Die gab es genug. Azura kannte sich aus. Allein die Möglichkeit, sich durch eine Verwandtschaft in den Adel zu schleichen, bot so viele neue Wege an, dass kaum einer darauf verzichten wollte. Natürlich konnte man sich auch mit genug Vermögen einen Platz unter den Wohlhabenden sichern, würde sich dort über seinen Reichtum hinaus dennoch beweisen müssen. Man sah den Neuadel, diese durch Vermögen gut Betuchten eben mit anderen Augen als gebürtig blaues Blut. Selbst Azura hatte es hier und da zu spüren bekommen, wenngleich sie dafür noch zu jung gewesen war, um sich der Tragweite bewusst zu sein. Aber hinter so mancher Hand war über das Töchterchen des neuen Ehepaares van Ikara getuschelt worden. Ein adoptierter Zögling aus den Lenden eines anderen Mannes oder ein Bastardkind, das endlich doch anerkannt wurde? Die Gerüchteküche hatte gebrodelt und nur Alycide selbst war es gelungen, kräftig genug im Topf zu rühren, hier und da wichtige Gewürze einzustreuen, dass der Adel alsbald lieber stillschweigend die Suppe aß, anstatt sich die Finger daran zu verbrennen.
Ob Kjetell'o das vorhersehen konnte, falls es ihm wirklich darum ging, sich diesen Vorteil zu verschaffen, indem er sich zu Azuras Vater machte? Wohl kaum. Er sah nicht nach einem Mann aus, der das adlige Ränkespiel anstrebte, auch wenn seine Ruhe sicher einige interessante Gespräche mit sich brächte. Oh, er würde so viele bissige Noble in den Wahnsinn treiben mit seiner Art!
Plötzlich fragte Corax: "Macht das denn einen Vater aus? Streben Eltern nach Vorteilen, indem sie Kinder haben? Vorteile in der Gesellschaft, meine ich. Das Offensichtliche - billige Arbeitskräfte zu haben - kann man wohl außen vorlassen." Es wurde immer deutlicher, wie wenig der Rabe doch von familiären Strukturen wusste. Wie man sich innerhalb einer Familie bewegte und dass Nachkommen keine Kindersklaven waren, bis sie ein Alter erreichten, um sich selbst welche heranzuzüchten. Er hatte bisher nur begriffen, dass Mütter sich schützend vor ihre hilflosen Kleinen stellten und bereit waren, sie mit dem Leben zu verteidigen, nur weil sie ihre Kinder liebten. Das hatte er sich für sich selbst gewünscht und nur aus diesem Grund in eigener Kinder-Illusion Azura als seine Mutter bezeichnet. Er sehnte sich einfach nur nach jemandem, der ihn liebte. Inzwischen hatte er dieses Geschenk erhalten, aber wie sah es bei Kjetell'o aus? Dachte er ähnlich wie der Rabe oder folgte er dem Schema, das Azura herausbeschwor?
Ohne mit ihm zu sprechen, würden diese Fragen unbeantwortet bleiben. Aber Azura hatte es ohnehin vor, am besten noch sofort. Einzig ihr Körper spielte da nicht mit, sondern knipste ihr die Lichter aus. Manthala gewährte ihr statt seliger Schwärze jedoch einen Einblick in Erinnerungen, die sie durch Corax' Silbernadel-Schlange einst zu sehen bekommen hatte. Dieses Mal durfte sie diese aus einer anderen Perspektive beobachten. Dadurch erfuhr sie nicht nur mehr Hintergründe vom Schicksal ihres Raben, der als Kindchen nicht schöner hätte aussehen können, sondern sie sah noch mehr. Sie hatte das Feenwappen im Traum erkannt - die Farben, die Formen. Corax war mit Faelyn verbunden, was immer dahinter steckte und Manthala hatte ihr diese Erkenntnis beschert. Und Azura wollte etwas daraus machen.
Zunächst jedoch musste sie zu sich selbst finden. Der Traum hatte sie recht ruckartig aus dem Schlaf schrecken lassen. Außerdem fing der neue Morgen nicht so an, wie der alte Abend geendet hätte. Eigentlich müsste sie auf dem harten Steinboden ihres Zimmers liegen. Nun fand sie sich in ihrem Bett vor, zudem ausgezogen, dass ihr Blick am eigenen ramponierten Leib ungestört entlang wandern konnte. Er fand recht schnell aber auch zu jenem Mann, der für all das verantwortlich war: Dafür, dass sie sich beim Sturz zu Boden nicht verletzt hatte. Dafür, dass sie ausgezogen worden und ins Bett gebracht worden war. Dafür, dass im Kamin noch immer ein kleines Feuer brannte, der Raum aufgeräumt und ihre Kleidung ordentlich gefaltet worden war. Und dafür, dass sie sich mit ihrem Schicksal nicht allein fühlen musste, denn ganz gleich wie sie aussah, roch, schmeckte ... Corax blieb bei ihr. Sein Mantel deckte sie zu wie die riesige Schwinge eines schwarzen Gottesboten oder Raubvogels. Er schlief friedlich, ohne jegliche Abscheu ihr gegenüber an ihrer Seite. Für ein bisschen erwiderte Liebe war er all das, was keine Frau Celcias verdiente. Aber er litt auch darunter. Er gab vieles auf - zu viel - um das Wenige halten zu dürfen. Allein deshalb drängte es Azura, den Geheimnissen ihres Traums und den Entdeckungen im Park vom Vorabend nachgehen zu wollen. Für ihren Raben.
Sie verließ das Bett, schrieb ihm ein paar Zeilen und zog sich an. Dann machte sie sich auf den Weg durch die Gänge der Akademie. Der Tag musste noch jung sein und das anhaltende regnerische Wetter ließ nicht viel helles Licht hinein. Aber auch so war noch nicht viel los. Einige Dunkelelfen passierten sie in den Gängen und Azura traf auf die ersten Frühaufsteher, welche vor den Lektionen noch vergessene Aufgaben fertigstellen oder einfach nur lernen wollten. Eine betagte Menschenmagierin grüßte sie im Vorbeigehen mit "Guten Morgen, Schülerin der Hexe" und schlurfte dann weiter. Azura zog es indessen zum einzigen Ort, den sie von selbst auffinden konnte und wo sie sich erhoffte, jemand Bestimmten anzutreffen. Nach all der schweren Zeit, die schien, als sei sie vom Pech verfolgt worden, schimmerte nun endlich ein hoffnungsvoller Silberstreif am Horizont.
Kjetell'o befand sich wirklich oben im Turmzimmer. Er hatte die komplette Fensterfassade von den Läden befreit. Graues Tageslicht strömte von allen Seiten in den Raum hinein. Nebelfeine Regentropfen trafen auf das Glas und ließen die Außenwelt wie durch einen diffusen Schleier ein. Der Blick über Andunie war dennoch ebenso frei wie jener bis über die Stille Ebene und zum Drachengebirge hin oder weit über das Meer, wo irgendwo in ungesehener Ferne die Inel Belfa liegen musste. Man konnte auf die Stadt selbst schauen, in der in manchen Bezirken bereits die ersten arbeitenden Seelen ihre Häuser verließen. Man konnte den Hafen erkennen, in dem viele Schiffe vor Anker lagen. Ein Stück weiter entfernt dümpelten erste Fischerboote in der Bucht von Kad Harat umher. Möwen stoben durch den Regen auf der Suche nach Nahrung.
Kjetell'o genoss die Aussicht nicht. Er saß im Turmzimmer vor dem kleinen Kamin in dessen Mitte und starrte in die Flammen. Er saß nicht einmal bequem, sondern hatte sich nur einen der hölzernen Hocker herangezogen, um in gekrümmter Haltung darauf zu verharren. Seine Hände umfassten eine dampfende Tasse und neben sich auf dem Boden lagen nebst zahlreichen Schriftrollen, aufgeschlagenen Büchern und Schreibmaterial noch eine Kanne, sowie ein Teller mit einer angebissenen Scheibe Brot, einem Apfel und etwas Marmlade im Glas. Kjetell'o schien eine Naschkatze zu sein. Das Glas war offen, halb geleert und ein Löffel ragte daraus hervor. Der Elf wirkte so in Gedanken versunken, dass er Azuras Kopf in der Luke ebenso wenig bemerkte wie ihr Eintreten, sollte sie nicht anderweitig auf sich aufmerksam machen. Vielleicht hörte er sie aber auch und reagierte nur nicht. Seine grünen Wälder suchten Funken in den Flammen, um die eigenen Goldsprenkel wieder etwas zu erhellen. Seine Miene war nachdenklich mit Fragen, ohne Antworten und Reue für Taten, die er nichts anders begangen hätte, bekäme er noch einmal die Möglichkeit dazu. Das Gesamtbild beschrieb Kjetell'os Art sehr gut. Es besaß die geheimnisvollen Schleier der Elemente und die innere Ruhe eines unerschütterlichen Felsens. Eine Ruhe, die Azura nun würde stören müssen, wenn sie irgendetwas von ihm wollte.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Donnerstag 7. September 2023, 20:23

Auch wenn es im Moment eigentlich nur dem Beschäftigen ihrer Finger diente, genoss auch sie es, dieses Federkleid zu streicheln und zu erkunden. Dass sie ihnhin und wieder kitzelte, merkte sie zwar, achtete jedoch nicht bewusst darauf. Dafür verinnerlichte sie es umso mehr, wie es schien, denn besagte Bewegung erfolgte daraufhin öfters. Dabei nahm sie auch wahr, dass nicht alles an ihm schwarz war, sondern mitunter farbenfroh schimmerte. Es war schön zu sehen, auch wenn ihre Gedanken gerade ganz wo anders waren. In einem anderen Moment würde sie sich vielleicht ausgiebiger und bewusster mit seinem Gefieder beschäftigen können.
Ob ihm die Federn auch manchmal ausfallen würden oder würden sie stets einfach sich in Luft auflösen, wenn er diese Gewandung ablegte? Wenn nicht... würde sie gerne eine seiner Federn behalten und anspitzen, um sie als ihr persönliches Schreibgerät zu verwenden, denn die Kiele fühlten sich kräftig und wie dafür geschaffen an.
Aber soweit war sie noch nicht, stattdessen scherzten sie ein wenig miteinander, bis sie mal wieder auf den Waldelfen zu sprechen kamen. Jenen Mann, der ihre Sinne zuerst so betört hatte allein mit seine Anwesenheit und seiner Wirkung, und der sie dann umso tiefer zum Fallen gebracht hatte, weil er behauptete, ihr Erzeuger zu sein. Noch immer wehrte sie sich dagegen, denn die Angst vor der Enttäuschung, wenn sich seine Worte doch noch als Lüge herausstellen sollten, war einfach zu groß.
Allerdings auch davor, dass es stimmen mochte, denn dann wäre ihre nächste Frage die nach dem Warum. Warum hatte er sich damals auf ihre Mutter eingelassen, warum sie im Anschluss verlassen? Warum sollte er sich jetzt um sie kümmern nach all den Jahren und warum sollte sie darauf vertrauen, dass er nicht wieder bei passender Gelegenheit einfach verschwinden würde?
Schon vorhin hatte er sie allein gelassen, anstatt sich ihren Attacken zu stellen und sich zu verteidigen. Ja, wenn er sie wenigstens einmal so richtig anschreien oder scharf anreden würde, wie Corax es getan hätte! Stattdessen hatte er sie ein ums andere Mal auflaufen lassen und war dann gegangen. Lautlos seufzte sie und wollte nicht länger daran denken.
Trotzdem war sie so offen wie sonst bei keinem, als sie ihrem Liebsten einen Teil ihrer Sorgen mitteilte. Nicht, dass sie erwartete, dass er es verstehen könnte oder gar nachvollziehen, ihm war das Familienleben schließlich gestohlen worden mit seiner Entführung. Dennoch vertraute sie ihm so viel, dass sie ihn ein wenig an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben ließ, weil sie sich vor ihm nicht so verschließen wollte wie vor all den anderen.
Nachdem sie sich geäußert hatte, widmete sie sich in dem darauf folgenden kurzen Schweigen zwischen ihnen ihren eigenen Überlegungen. Hatte sie wirklich recht mit ihren Zweifeln oder machte sie sich nur etwas vor? Wollte der Waldelf sich als ihr Erzeuger melden, um sich Vorteile in Andunie oder anderen Handelsposten, die in enger Verbindung standen, zu verschaffen? Nicht, dass der Adel hier noch viel zu sagen hatte, aber ihr Stiefvater hatte tatsächlich so manch interessante Beziehung in seinem Leben knüpfen können. War der andere nun darauf aus? Oder ging es um Geld, das er früher oder später verlangen würde, um zu reden... oder besser zu schweigen?
Die Stimme ihres Raben durchdrang ihre Fragen und ließ sie blinzelnd aufsehen. "Was...?", murmelte sie und brauchte einige Atemzüge, um seinen Worten einen Sinn geben zu können.
Schließlich seufzte sie leise und zuckte mit den Schultern. "Kinder bieten die Chance, sie vorteilhaft zu verheiraten und so zu mehr Geld, Einfluss oder anderem zu kommen.", erklärte sie relativ neutral, da dieser Umstand etwas war, mit dem sie aufgewachsen war und mit dem sie sich soweit arrangiert hatte, dass sie eine Vernunftehe unter gewissen Voraussetzungen nicht bekämpft hätte.
Allerdings war ihr Wille sehr dominant gewesen und dadurch hatte sie das Schicksal vieler anderer Mädchen nicht geteilt, bei denen es die Eltern, allen voran die Väter, nicht gekümmert hatte, ob sie ihre Kinder ins Unglück stürzen würden mit einer Verbindung. Dadurch war sie jedoch auch jetzt noch immer unverheiratet, nachdem der eine Versuch damals gescheitert war und dadurch die Kriterien ihres Stiefvaters um einiges strenger geworden waren, um ihr und ihnen als Eltern eine Wiederholung dieser Schmach zu ersparen.
Ob das der Grund war, warum der Waldelf sich als ihr Vater ausgab? Hatte er jemanden, den sie zu seinem Vorteil ehelichen sollte? Wohl kaum, denn dann hätte allein ihr derzeitiges Aussehen dieses Vorhaben schon zunichte gemacht. Obwohl... er wollte ihr ihr altes Aussehen wiedergeben, hatte ihr gesagt, er wolle sie so schön sehen, wie sie gewesen war. Steckte dahinter eine versteckte Botschaft?
Lautlos seufzend schob sie diese Gedanken beiseite, allein würde sie darauf keine Antwort finden können. Stattdessen widmete sie sich wieder Corax' Frage.
"Vielen ist auch wichtig, dass sie nicht die letzten ihres Geschlechts sind, dass jemand den eigenen Namen in allen Ehren weiter führt und am besten noch Ansehen und Besitz mehrt. Und dann gibt es noch die, die einfach ihr Vergnügen suchen und nicht daran denken, dass es Folgen haben kann." Bei dem letzten Satz schwang Bitterkeit in ihrer Stimme mit, der sie sich bis dahin nicht bewusst gewesen war.
Schließlich war sie scheinbar selbst solch ein Produkt, während ihr hingegen diese Folgen mit ihrem Liebsten an ihrer Seite niemals zuteil werden würden. Nicht, sollte sie keine Lösung für seine Verstümmelung finden.
Ehe die damit verbundenen Gefühle zu stark werden konnten, sprach sie ohnehin über anderes und wollte auf jeden Fall einer vollkommen anderen Eingebung folgen. Blöd für sie, dass sie nicht auf ihre körperlichen Bedürfnisse geachtet hatte und sich dadurch zuviel zumutete. Unverhofft fand sie sich in Manthalas Reich wieder und erlebte dort einen Moment, der ihr deutliches Unbehagen einflößte. Jedoch auch einiges an Wissen vermittelte, das sie bislang nicht besessen hatte und das, nachdem sie aus dem Traum hochgeschreckt war, umso dringender nach Vertiefung schrie.
So gerne sie auch länger an der Wärme ihres Liebsten teilgehabt oder unter der direkten Vor-Augen-Führung ihres desolaten Zustandes gelitten hätte, es drängte sie hinaus. Behutsam verließ sie das Bett, bekleidete sich notdürftig und vergaß nicht, ihm eine Nachricht zu hinterlassen. Sollte Corax aufwachen, ehe sie zurück wäre, sollte er sich schließlich keine Sorgen machen!
Alsdann verließ sie auf leisen, bloßen Sohlen das Zimmer und schlug auf dem Gang, nur in dem Unterkleid und mit wirrem, unfrisiertem Haar, Ausdruck ihrer Eile, den Weg zu dem Raum im Turm ein, weil sie sonst keine Idee hatte, wo sie den Waldelfen finden könnte. Dabei hatte sie kaum einen Blick dafür, was in ihrer unmittelbaren Umgebung geschah, sie nahm weder die dunkelelfischen Wächter, noch den Großteil der (un-)freiwilligen Frühaufsteher wahr.
Bis garmische Worte direkt an ihr Ohr drangen. Sie hätte die Magierin ebenso übersehen wie den Rest, wäre deren Zungenschlag nicht erklungen, der sie überrascht innehalten ließ. Es dauerte noch ein paar Liderschläge länger, bis sie auch den Sinn begriff, während sie sich bereits umdrehte. Dass sie grüßend zurück genickt hatte, wie bei so manch anderem, der an ihr vorbei gegangen war, hatte sie nicht einmal bewusst wahrgenommen.
Nun aber sah sie auf den leicht krummen Rücken und fragte sich, warum sie derart angesprochen worden war. Kannte sie diese Frau etwa? Nur... woher? Da sie deren Gesicht nicht mehr sehen konnte und eigentlich ganz anderes erledigen wollte, zuckte Azura schließlich nach ein paar Momenten mit den Schultern und ging weiter ihres Weges.
Der zum Glück nicht sonderlich schwer zu finden war, sodass sie wenig später schon die letzten Stufen in die Höhe nahm und die Luke zu dem Turmzimmer öffnete. Noch den Griff in der Hand lugte sie bereits über den Rand, suchte und... fand den Erhofften. "Gut, dass du da bist!", entfuhr es ihr seufzend, bevor sie sich noch auf die Zunge beißen und es unterdrücken konnte.
Es erfolgte... keine Reaktion und nährte ihre Hoffnung, dass sie zu leise gesprochen hatte, als dass er es gehört haben mochte. Oder schlief er...? Sie war sich nicht ganz sicher, doch da er sie nicht sofort wegschickte, kletterte sie vollends durch die Öffnung und schloss die Luke wieder hinter sich, erstaunlich behutsam sogar, als ahne sie, dass ein lautes Geräusch hier vollkommen fehl am Platze wäre.
Als sie sich aufgerichtet hatte, suchte ihr Blick ihn erneut und sie biss sich auf die Unterlippe. Er wirkte so... so ruhig, so starr und irgendwie auch konzentriert, dass es ihr Gewissen weckte, ihn in diesem Zustand stören zu wollen. Nur... ihr Anliegen war zu dringend, ihr Wissensdurst zu stark, als dass sie einfach unverrichter Dinge wieder hätte umkehren können.
Trotzdem zögerte sie es noch etwas hinaus, indem sie an sich herab sah und unwillkürlich ihr Unterkleid glatt strich. Vielleicht war es unklug gewesen, sich nicht ordentlich anzuziehen, auch wenn sie nun nicht mehr daran dachte, dass er Interesse an ihren vergangenen körperlichen Reizen gewinnen sollte. Auch schimmerte nichts Verräterisches unter dem Stoff durch, noch zeichnete er zu deutlich ihre Konturen ab, wie er lose an ihr bis unterhalb der Knie herab fiel. Aber, wer sich auch nur ein wenig mit Kleidung auskannte, würde erkennen, dass es sich hierbei eigentlich um Unterwäsche handelte. Für mehr hatte sie sich keine Zeit genommen und jetzt war es zu spät für eine Änderung.
Entschieden schüttelte sie über ihr eigenes Zaudern den Kopf und trat näher. "Bevor du was sagst, hör mir erst einmal zu und lass mich ausreden. Es ist wichtig und ich... Hörst du mich überhaupt oder schläfst du?", plapperte sie los und merkte nicht nur, dass sie schon wieder wankelmütig wurde und ihre Gedanken viel zu durcheinander waren, um sich anhand eines roten Fadens konzentrieren zu können.
Nein, sie war auch nervös und sie war besorgt darüber, wie er überhaupt auf sie reagieren würde nach ihrem letzten Aufeinandertreffen. Und sie hatte mit einem Mal Angst davor, dass er ihr gar nicht würde helfen können und sie mit ihren Fragen wieder nicht weiter käme. Wohingegen sie nicht aufgehalten wurde in Bezug darauf, sich ihm zu nähern.
Sie kam auf den Kamin zu und es sprudelte indes scheinbar unaufhörlich aus ihr heraus, unerheblich davon, ob er bereits auf sie reagiert hatte oder nicht. "Was weißt du über Faelyn? Gibt es da überhaupt etwas zu wissen oder ist das wieder geheim? Gibt es eine Möglichkeit, herauszufinden, wie jemand mit einem anderen verwandt ist? Ich frag nicht für mich, es geht um Corax und..."
Plötzlich stockte sie, denn ihr stieg ein Duft in die Nase, dass deren Flügel bebten, ganz zart nur und dennoch unverkennbar, dass ihr sofort das Wasser im Mund zusammen lief und ihr Magen sich daran erinnerte, lautstark zu knurren, nachdem sie am gestrigen Tag schon nichts gegessen hatte. Ihr Blick senkte sich auf das Tablett und sie musste mehrmals schlucken, weil sie Angst haben musste, sonst wie ein Säugling überzulaufen vor lauter Sabber.
"Ist das Apfelmarmelade? Mit Zimt?!", entkam es ihr und ihre Finger zuckten, weil sie direkt nach dem Glas greifen wollte, um es an sich zu nehmen und den Inhalt eigenhändig sowie vollständig zu vernichten. Allein der Umstand, dass der Waldelf derjenige war, neben dem sie sich befand, hielt sie davon ab... vorerst zumindest.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Freitag 8. September 2023, 19:37

Es tat gut, sich mal jemandem öffnen zu können und Azura wagte es, Corax dafür zu erwählen. Wen, wenn nicht den Mann, dem sie ihre Liebe gestanden hatte? Und Corax verhöhnte sie nicht für ihre schwache Seite. Er hörte zu, versuchte sogar, auf die Thematiken einzugehen, auch wenn es ihn gerade beim Familienleben mehr als schwer fiel. Er besaß keine Erfahrungen, um sich überhaupt ein Bild davon machen zu können. Vielmehr erklärte Azura ihm, wie es zumindest in ihren Kreisen lief. Kinder wurden geboren, ordentlich erzogen, um für andere Familien von genug Interesse zu sein, sie an deren Kinder zu binden. Liebe spielte in den wenigstens Ehen des Adels eine Rolle, war eher ein positives Beiwerk zu all den Fusionen, die sich um ein neues Ehepaar herum bildeten. Familien schlossen sich zusammen. Handelsabkommen wurden getroffen, verbunden, neu geformt. Reichtum wurde noch und nöcher angehäuft. Und neue Kinder wurden gezeugt, um ihnen das gleiche Schicksal zuteil werden zu lassen. Oder um das Fortbestehen der eigenen Blutlinie zu sichern, so erzählte Azura es ihrem Raben.
"Vielen ist es auch wichtig, dass sie nicht die letzten ihres Geschlechts sind, dass jemand den eigenen Namen in allen Ehren weiter führt und am besten noch Ansehen und Besitz mehrt."
"Ist dir das wichtig?", fragte er, ehe er in Schweigen verfiel. Hinter seiner Frage stand mehr als nur Interesse. Sie beide wussten es. Mit ihm an ihrer Seite würde Azuras Linie nicht fortgeführt. Ihr Blut fände sich in keinem Nachkommen wieder, zumindest nicht aus ihrer gemeinsamen Verbindung. Wenn sie sich auf die Liebe einließ, ging es auf Kosten all dessen, was sich vielleicht auch ihr Ziehvater durch die Verbindung mit ihrer Mutter erhofft hatte. Obwohl man auch hier diskutieren könnte, dass sein Blut nicht in Azura floss und ihm raten sollte, mit Aquila ein für sein Geschlecht vorteilhafteres, neues - ein besseres - Kind zu zeugen. Ein eigenes...
Alycide van Ikari hatte dies nie angestrebt. Seine Liebe zu Aquila war echt und ihne Hintergedanken für eigene Vorteile. Da bestand auch kein Zweifel, denn ihre Mutter hatte nichts als gute Mitgift in die Ehe mit einbringen können, außer sich selbst und das kleine Kindchen, das sich nun in Gestalt einer Untoten nicht zu ihr wagte. Ein Kindchen, sicherlich ebenfalls nicht mit geldgierigen Gedanken geschaffen, sondern aus anderen Gründen. Azura stieß es bitter auf. "Und dann gibt es noch die, die einfach ihr Vergnügen suchen und nicht daran denken, dass es Folgen haben kann."
"Ich bin so jemand", gestand Corax. "Ich hab damals ... auch nicht dran gedacht, was passieren könnte. Und nun lebe ich mit den Konsequenzen." Sein Gefieder verlor an Farbe, wurde nur noch schwärzer und verdichtete sich. Nichts schien ihm gerade größeres Leid zu verschaffen, als dass er Azura nicht geben konnte, wonach sie sich sehnte ... aus einer Dummheit heraus, weil er in jüngeren Jahren schon einmal der Liebe verfallen war. Vielleicht sogar einer wahren Liebe, die zum Ende von gleich zwei Leben und seiner Fähigkeit, neues zu erschaffen geführt hatte. Ehe er in neue Abgründe fallen konnte, war es Azura, die diese aufsuchte. Sie fiel in den Schlaf der Erschöpften. Sie träumte und sie erwachte mit neuen Vorhaben an einem neuen Morgen.
Sie ließ ihren Raben zurück. Er schlief und sie wusste, dass auch er diese Ruhephase einmal brauchte. So hinterließ sie eine Nachricht und verließ den Raum. Man nahm von ihr Notiz, aber niemand hielt sie auf. Was immer in der Woche ihres Komaschlafes geschehen war, keiner wagte es, sie für ihr Erscheinungsbild aufzuhalten. Sie konnte in Unterwäsche bekleidet, mit ungepflegtem Haar und einem Zustand jenseits aller Gesundheit durch die Akademie wandeln - einfach so! Sie wurde sogar gegrüßt! Welche Strippen auch immer Kjetell'o im Hintergrund zog, er hatte auch dafür gesorgt, dass sie gewisse Freiheiten besaß. Nun aber verlangte sie nach Antworten ... und Hilfe. Sie brauchte sie für ihren Liebsten.
Den Shyáner Elfen fand Azura dann tatsächlich im Turmzimmer vor, in dem sie eine Chance auf magische Lehrstunden hätte haben können. Er wirkte in sich gekehrt, nachdenklich und hoch konzentriert mit seinem Blick in den Flammen. Er reagierte nicht auf ihre erste Bemerkung und somit war weiterhin nicht klar, ob er des Garmischen überhaupt mächtig war. Aber ihre Stimme hätte er als Elf doch hören müssen. Trotzdem rührte sich kein Muskel bei ihm, bis Azura sich näherte. Ihr Magen verriet sie, bevor es ihre Worte konnten. Dennoch entließ sie jene in formulierten Fragen und Bitten, dass sie einem Wasserfall gleich auf Kjetell'o hernieder stürzten. Bei Corax hatte das schon geklappt, nun versuchte sie es auch bei diesem Elfen.
"Bevor du was sagst, hör mir erst einmal zu und lass mich ausreden. Es ist wichtig und ich ... Hörst du mich überhaupt oder schläfst du?"
"Ich höre dich", erwiderte Kjetell'o, ohne den Kopf zu drehen. Er schaute nicht einmal aus dem Augenwinkel heraus zu ihr hin. Sein Blick gehörte den Flammen, die Wärme und Licht spendeten. Er rührte sich nicht, aber das war auch nichts, was Azura wollte. Er tat genau das, was sie verlangte. So konnte sie frei sprechen, ohne von ihm unterbrochen zu werden. Der einzige Störenfried war ihr Magen, der im Gegensatz zu ihr darauf reagierte, was ihre Sinne erfassten: den lieblichen Duft von Apfelmarmelade mit einer Spur Zimt. Den saftigen Anblick eines unangerührten Apfels und die knackige Kruste eines gerösteten Brotes, nur einmal angebissen. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie hatte Hunger! Es war nicht dieser beiläufige Appetit, den man sich in ihren Kreisen erlaubte und immer nur häppchenweise stillte, eben weil überall und zu jeder Zeit etwas zu bekommen war. Es war ehrlicher, reiner Hunger, denn ihr Leib hatte schon sehr lange nichts mehr zu sich genommen. So selbstbeherrscht sie sonst auch war, dieses Mal gab sie dem Drang nach. Beinahe gänzlich, denn am liebsten hätte sie sich sofort auf das offene Glas mit dem einladenden Löffel gestürzt. Doch Aquila und Alycide hatten ihre Tochter gut genug erzogen. Sie hielt sich zurück, wenn auch mit angelegten Ketten, denn alles andere würde reißen.
"Ist das Apfelmarmelade? Mit Zimt?" Ihre Finger zuckten. Vermutlich stießen sie endgültig hervor, um sich das Glas zu schnappen, als Kjetell'o ihr mit einer stummen Geste die Erlaubnis zum Essen erteilte. Er schob sein Tablett mit dem Fuß in ihre Richtung. Noch immer löste er den Blick nicht vom Feuer. Er gab Azura Gelegenheit zu essen. Er hatte Zeit. Gedanklich verarbeitete er all ihr übriges Gesagtes - das, was wichtig war.
Schließlich hob sich sein angenehmes Timbre über das Flackern des Feuers hinweg, drohte erneut, allein mit seinem Klang zu locken. "Faelyn", wiederholte er. "Das klingt nach einem Bezug zur Feenwelt. Woher hast du den Namen? Was hat der Leidträger damit zu tun?" Soviel zu erhofften Antworten. Kjetell'o stellte lieber selbst Fragen. Zumindest zu Beginn, aber er tat es nicht, um sie zu ärgern. Es sei denn, Azura ließ sich von seiner ruhigen Art erneut ins Bockshorn jagen. Er versuchte vielmeher, genug Informationen vorab zu erlangen, um mit dem, was er hatte, arbeiten zu können - für sie und für Corax. "Wenn der Leidträger es noch einmal fertig bringt, mir Serpentis' Illusion aufzuerlegen, kann ich zumindest jemanden ausschicken, um deine Fragen zu erforschen. Ob wir erfreuliche Resultate erzielen, weiß nur die Zukunft."
Kein Wort darüber hinaus. Keine Anspielung auf das Verhältnis zu ihr, ihre mögliche Verwandtschaft. Nichts über seine Gefühle. Er ließ es ja nicht einmal zu, dass sie noch einmal einen Blick in seine Augen erhaschte. Ob er wusste, wie sehr er sie damit betören konnte und es deshalb bewusst vermied? Nein, es schien vielmehr, als suchte er Seelenruhe, indem er tief in die Flammen vor sich schaute. Sollten sie lodern, wild und chaotisch, damit sein Geist ruhig bleiben konnte. Sollten sie all seine Emotionen verbrennen, die fehl am Platz waren!
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Freitag 8. September 2023, 20:48

Sie dachte daran, was ihre Rolle in der Gesellschaft hätte sein sollen und daran, wie viel Glück sie gehabt hatte, weil ihr Stiefvater sie nicht verschachert hatte, wie es vielen anderen Töchtern geschehen war. Ja, die Verbindung mit den van Tjenns wäre zwar nicht das gewesen, was sie sich vorgestellt hätte, aber im Endeffekt hätte sie einem Kennenlernen zumindest eine Chance gegeben damals. Wenn... tja, wenn derjenige sich auch mal hätte blicken lassen.
Danach jedoch hatte sie sich kaum zu sträuben gebraucht, da sich keinerlei neue Verbindungen ergeben hatten, trotz all ihrer offensichtlichen Vorzüge. Oder ihr Stiefvater war zu wählerisch und skeptisch gewesen, um so etwas anzubahnen. Wie auch immer, sie war bislang unverheiratet und somit auch kinderlos.
Während ihre Eltern nach der Hochzeit durchaus viel geübt hatten, um diese Liebe mit einem Kind zu krönen, das sie womöglich vom Thron des Lieblings gestoßen hätte. Warum es nie dazu gekommen war, wusste die junge Frau nicht mit Sicherheit zu sagen. Die Gründe aber hatten ihre Mutter oft belastet und deren Gatten bestimmt auch. Und sie? Nein, sie hatte sich kein kleines Geschwisterchen gewünscht, hätte sie dann zumindest teilen müssen.
Eigenen Nachwuchs hingegen... Es war für sie immer selbstverständlich gewesen, dass dies der Sinn ihres Daseins darstellen musste, solange, bis sie diese Aufgabe hinlänglich erfüllt hätte und sich anderen Dingen widmen dürfte. Sie hatte niemals darüber nachgedacht, ob die Vorstellung von Schwangerschaft, Geburt und Verantwortung für ein anderes Lebewesen etwas war, das sie von sich aus tatsächlich haben wollte.
Auch dachte sie nicht daran, als sie dieses Thema aus der Sicht des Adels anschnitt, sodass seine Frage nach der Bedeutung für sie Azura regelrecht überrumpelte. Abrupt sah sie zu ihm auf, hielt diesen Blick eine Sekunde lang und noch eine... ehe sie die Augen wieder niederschlug und seufzend ausatmete. "Ich... ich weiß es nicht...", wisperte sie ehrlich und überraschte sich damit auch zum Teil selbst.
Sie war es schließlich, die alles daran setzte, damit Corax seine fehlenden Körperteile wieder zurück erhalten könnte, wobei ihr der Arm eine Spur weniger wichtig war als... andere Dinge. Jedoch... wenn es nicht war, damit er auch Kinder zeugen könnte, warum wollte sie es dann erreichen? Um ihm mehr Lust verschaffen zu können? Sie... wusste es nicht und war sich nicht sicher, ob sie dem überhaupt auf den Grund gehen wollte.
Genauso wie manch anderem Thema, das als bitterer Nachsatz ihre Lippen verließ. Dass sie dabei ausschließlich daran dachte, dass sie ein Produkt solchen Vergnügens war, und sich nicht an seine Erzählung über den Grund seiner Selbstverstümmelung erinnerte, machte er ihr ziemlich rasch bewusst.
"Corax...", hauchte sie seinen Namen und wusste nicht, was sie ihm darauf sagen sollte. Sollte sie klarstellen, dass sie nicht ihn gemeint hatte, sondern einen anderen Elfen? Dass er nur jung und unvorsichtig gewesen war, Eigenschaften, die sie ihrem vermeintlichen Erzeuger absprechen wollte? Keine weiteren Worte dazu wollten ihr einfallen, die ihr richtig vorgekommen wären.
Kurze Zeit später war das auch unerheblich, denn sie überschätzte ihre eigenen Kräfte und ihr Körper zollte dem Rechnung. In Manthalas Reich erlebte sie indes einen Traum, der sie am Ende mit klopfendem Herzen und nasser Stirn aufschrecken ließ, voller weiterer Fragen, die sich dadurch auftaten und die Unruhe in ihr beinahe zeitgleich wieder aufrüttelten. Diese war stark genug, dass sie den schönen Platz an der Seite ihres Raben aufgab und ihm eine Nachricht hinterließ, weil es sie aus dem Zimmer trieb. Sie musste nach Antworten suchen, alles andere würde ihr schlichtweg keine Ruhe lassen.
Auf ihrem Weg zu dem Turmzimmer war sie in Gedanken versunken und versuchte, sich jede Einzelheit des Traumes in Erinnerung zu rufen, was ihr erstaunlich gut gelang. Vielleicht sogar zu gut, denn sie erinnerte sich auch deutlich an die Gefühle jenes Wesens, in dessen Hülle sie geschlüpft war, und diese verursachten ihr ein flaues Gefühl im absolut leeren Magen. Zugleich trieb es sie weiter.
Dass ihr das Glück hold war, war ihr anzuhören bei dem Ausruf. Sie biss sich auf die Lippe und hatte das so deutlich nicht von sich geben wollen, aber eine Reaktion darauf erhielt sie keine. Er sah weder in ihre Richtung, noch kam sonst irgendwie Bewegung in ihn, auch nicht, als sie auf ihn zuging. Es machte sie unsicher, sodass ihr die Frage entschlüpfte, ehe sie sich beherrschen konnte.
Seine Antwort war... ruhig, nüchtern, so, wie eigentlich nicht anders zu erwarten. Trotzdem ließ sie diese einen Moment innehalten und mit sich ringen, denn es kränkte sie auch, so wenig von ihm beachtet zu werden. Doch jetzt ging es nicht um ihre Befindlichkeiten, so gerne sie diesen auch nachgegeben hätte. Nein, es ging darum, dass sie etwas über Corax in Erfahrung gebracht hatte und mit etwas Glück ihm sogar einen großen Gefallen tun könnte, indem sie durch Zufall auf ein Familienmitglied gestoßen war.
Also atmete sie tief durch und besann sich auf das Gesicht ihres Liebsten, um nicht sofort aus der Haut zu fahren. "Gut.", erwiderte sie somit so beherrscht wie möglich, obwohl es eher gepresst klang, und trat näher, während es schon aus ihr heraussprudelte, was gesagt werden musste, solange er ihr zuhören würde.
Dabei knurrte allerdings auch ihr Magen ziemlich deutlich und verkrampfte sich beinahe schon vor lauter Leere. Noch konnte sie es ignorieren, war ihr Wissensdurst zu groß. Je näher sie jedoch kam, desto mehr konnte der Duft einer speziellen, andunischen Leckerei in ihre Nase steigen. Nicht dominant oder gar penetrant, und dennoch ausreichend, um ihr sofort das Wasser im Mund zusammen laufen zu lassen und ihre Gedanken abzulenken. Am liebsten hätte sie sogleich zugegriffen, aber hier zeigte sich ihre Erziehung, deren Vorhandensein man ihr nicht immer auf den ersten Blick zutraute.
Sobald allerdings der Fuß das Tablett in ihre Richtung schob, gab es für sie kein Halten mehr. Mit laut knurrendem Magen eilte sie hin und fiel sogar auf die Knie, um näher an den Köstlichkeiten zu sein. Kaum zur Ruhe gekommen, hatte sie schon das Glas in der Hand und schob sich einen übervollen Löffel in den Mund, dessen Inhalt derart lecker schmeckte, dass sie sich ein genüssliches Aufstöhnen nicht verkneifen konnte. Sogar die Augen verdrehte sie voller Sinnesfreuden, ehe sie diese schloss, um noch mehr mit ihrer Zunge wahrnehmen zu können.
Auch der zweite Löffel war rasch vertilgt, als seine Stimme wieder erklang. Das einfache Besteck noch im Mund sah sie zu ihm hin und nahm es erst heraus, um es noch schnell mit der Zunge blitzblank zu lecken, als sie nickte. "Es hat auch mit Feen zu tun, mit Feenmagie und... und Schelmenmagie. Darum ist er ja entführt worden.", plapperte sie sofort los, ihr Wissen aus dem Traum mit ihm teilend, obwohl sie eigentlich sonst hätte zurückhaltend sein wollen. Doch ihr Streben danach, Antworten zu bekommen und Corax etwas Gutes tun zu können, waren so groß, dass sie unvorsichtig wurde. Ob das gut oder schlecht wäre, würde sich später zeigen.
"Aber Faelyn ist eher eine Familie... oder ein Clan. Corax meinte, es hätte was mit dunkelelfischem Adel zu tun. Ich weiß es nicht, jedoch... ich glaube, er ist ein Faelyn, was genau das auch immer heißt. Und ich... ich..." Sie stockte und zögerte nun trotz allem, während ihr Blick auf das Glas Marmelade fiel, dessen noch vorhandene Hälfte sie bereits vertilgt hatte.
Ohne das Brot dazu anzurühren, was ihrem nüchternen Magen nicht gut bekam. Das Grummeln klang eher unheilvoll und ihre Gedärme begannen bereits, sich dagegen aufzulehnen, dass zu viel Säure allein auf einmal in sie gelangt war. Leise seufzte sie und nahm noch ein wenig von der Marmelade, obwohl sie spürte, dass sie das nicht tun sollte. Wenn sie nur nicht so lecker geschmeckt hätte und eines ihrer Lieblingsnaschereien gewesen wäre!
"Ich habe ihn gesehen.", gestand sie leise und schlug die Augen nieder. "Er ist sein Ebenbild... sein unversehrtes Ebenbild. Vielleicht könnte man ihn... ihn finden..." Den Löffel steckte sie zurück ins Glas und widerstand der Versuchung, denn es rumorte immer stärker in ihrem Bauch. Es machte ihr das Denken schwerer, da es ziemlich erfolgreich ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte.
"Gibt es irgendeinen Test für die Verwandtschaft? Wenn er Corax' Bruder oder so wäre... Sein Vater kann er nicht sein, weil..." Das Bild aus ihrem Traum stand ihr wieder vor Augen, ganz deutlich sah sie das verzweifelte Elternpaar vor sich und wusste mit Bestimmtheit zu sagen:"Sein Vater hat graue Augen. Die roten hat er von seiner Mutter. Und der andere..."
In diesem Moment schnitt es sie dermaßen schmerzhaft im Bauch, dass sie vor Qual das Gesicht verzog, die Arme um sich schlang und sich vorbeugte, während ihr ein Laut des Jammers über die Lippen kam und sich ihr Blick vor hochschießenden Tränen verschleierte. Oh, hätte sie nur langsamer gegessen oder wenigstens zuerst einen Bissen von dem Brot genommen! Was konnte das weh tun in ihrem Gedärm!
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Samstag 9. September 2023, 10:03

Offenbar hatten Kjetell'o und Corax mit ihren Reaktionen gehöriger den Kopf gewaschen als es ihr eigener Sprung in den Tod, die damit verbundenen Konsequenzen, ihr langes Warten im Palast der Stille und die Worte ihrer geliebten Göttin Ventha jemals gekonnt hätten. Es hatte nur ein Auflehnen gebraucht, eines davon still und ruhig, das andere umso lauter von jemandem, der sein Leben lang niemals hatte laut werden dürfen - nicht in dieser Hinsicht und nicht gegenüber jenen, die er in der Rangliste des Lebens weit über sich selbst sah. Wie sonst ließ es sich nun erklären, dass Azura ihr aufbrausendes Ego zurückstellte, um weiterhin friedlich mit dem Waldelfen zu sprechen? Eine mögliche Erklärung könnte auch der erfolgreich gewirkte Wasserschild sein, der ihr inneres Flämmchen für sie selbst hatte freilegen und es ihr zeigen können. Ein Flämmchen, so winzig und doch vorhanden. Nichts im Vergleich zu dem Feuer, in das Kjetell'o immer noch hinein starrte.
Er regte sich nicht, weder bei ihren Worten, noch bei dem Knurren ihres Magens. Er bot seiner mutmaßlichen Tochter allerdings seine eigene Mahlzeit an. Er war nicht grausam, auch nicht inkooperativ, denn er hörte ihr zu. Er antwortete ihr. Er mied es nur, sie erneut mit seinem Blick einzufangen, als wüsste er sehr gut, was er damit erreichen konnte.
Azura ließ sich direkt bei Kjetell'o auf dem Boden nieder und verschlang wenig damenhaft ganze Happen aus dem Marmeladenglas, bis ihr kompletter Mund nach der süßen Verbindung aus Apfel, Zucker und Zimt schmeckte. Berauscht und gesättigt spürte sie das sanfte Gewicht in ihrem Magen, welches schon wenig später eher unangenehm werden sollte. Sich nüchtern gleich so vielen zuckerigen Köstlichkeiten hinzugeben, ohne eine Basis vorab zu essen, bekam wenigen Mägen gut. Noch im Gespräch mit Kjetell'o spürte Azura schon das erste Ziepen und Drücken. Sie spürte die Völle, obwohl sie im Verhältnis doch nicht so viel gegessen hatte. Jetzt aber drückte ihr Bauch und wenig später schmerzte es in ihren Innereien. Der gesamte Darm schien sich gegen sie aufzulehnen.
Sie kämpfte dagegen an, versuchte noch, sich auf das Gespräch zu konzentrieren, denn es war wichtig. Kjetell'o musste wenigstens überzeugt werden, zu helfen. Nicht ihr, sondern Corax. Für ihn saß sie nun hier und litt Todesqualen! Und sie griff schnell den Gedanken des Shyáners auf, dass der Name Faelyn mit Feenmagie in Verbindung stand, ebenso wie mit Schelmenmagie. Kjetell'o brummte dazu aber nur nachdenklich. Falls sie sich eine größere Reaktion erhofft hatte, wurde Azura enttäuscht. Das hieß nicht, dass der Elf nicht aufmerksam lauschte oder über das Gesagte grübelte. Er machte sich schon seine Gedanken, teilte sie nur nicht mit seiner Tochter. Dann aber fiel in diesem Zusammenhang ein Satz, der für Azura logisch war, bei Kjetell'o jedoch eine plötzliche Reaktion auslöste.
"Er ist entführt worden?" Seine Augen huschten endlich in die Winkel und er drehte leicht den Kopf. Endlich, jetzt sah er Azura an, alarmiert und besorgt. Dann aber runzelte sich die Stirn, dass die fein geschwungenen Brauen über der Nasenwurzel beinahe zueinander fanden. Kjetell'o musterte Azura schweigend. Wenn Corax wirklich entführt worden war, säße sie nicht so ruhig neben ihm. Dann hätte sie nicht nach dem Marmeladenglas gegriffen und so viele Portionen daraus verputzt. Sie wäre deutlich impusliver, hysterisch und würde verlangen, dass man ihren Raben rettete. Etwas stimmte nicht. Er beobachtete, lauschte und wartete ab, ob sie von sich aus eine Erklärung abgab.
Azura ging nicht darauf ein. Die Erwähnung einer Entführung war nur in einem Nebensatz gefallen. Jetzt versteifte sie sich auf den Namen Faelyn, hielt ihn für jenen einer dunkelelfischen Adelsfamilie und Corax als einen Teil dessen. Kjetell'o bedachte sie mit einem noch längeren Blick. In den Tiefen seiner geheimnisvollen Wälder tanzten die Lichtflecke wieder. Sie schimmerten nicht so schön und hell für Azura wie einst, aber sie wirbelten umher, als hätten sie sich ein Stück Helligkeit vom Kachelofenfeuer gestohlen, um den Körper dieses Elfen und seine Seele erneut zu wärmen.
"Du möchtest, dass ich herausfinde, ob der Leidträger wirklich zur Familie Faelyn gehört", ergänzte Kjetell'o. Seine Gedanken hüpften nicht so wild umher wie jene von Azura. Diese sprangen von einer Erklärung zur nächsten, ließen dabei aber Hintergrundinformationen aus. So berichtete sie davon, dass sie einen mutmaßlichen Verwandten ihres Liebsten gesehen hatte. Jemanden, der ihm fast bis auf's Haar glich und den sie gern finden wollte, um mehr aufzudecken. Sie vermutete einen Bruder hinter ihm und nannte im gleichen Atemzug die Gründe, warum es kein Vater sein konnte. Das ging selbst Kjetell'o etwas zu schnell, der ihren Gedankensprüngen hinterher jagen musste wie ein Jäger dem flinken Hasen, wobei Ersterer jedoch in seine eigene Falle getappt war und nun humpelte.
"Langsam, langsam, mein Kind..." Mit halb gehobenen Händen verstummte er, stutzte und wandte den Blick dann zurück ins Feuer, während die Finger auf seinen Beinen zu landen kamen. Kjetell'o atmete tief durch. Als er wieder zum Sprechen ansetzen wollte, unterbrach ihn Azura erneut. Dieses Mal waren es jedoch Schmerzenslaute. Ihr Magen rumorte, ihr Darm verknotete sich, zog sich auseinander und verdrehte sich erneut. Sie spürte nur noch stechende Schmerzen, die durch ihr Innerstes rissen. Sie schlang unter einer grotesken Maske aus Pein die Arme um ihren Leib. Tränen verschleierten ihr die Sicht, reiner Schmerz vernebelte ihren Verstand.
Kjetell'o verschaffte sich eine Übersicht der Lage. Er musterte Azura noch einmal, dann das Glas Marmelade. "Deine erste Mahlzeit?", fragte er, wartete aber keine Antwort ab. Trotzdem reagierte er nicht panisch. In einer ruhigen, fließenden Bewegung stand er auf. "Komm mit!", forderte er, so wie es Azura vor einer Weile mit ihrem Raben getan hatte. Nur selbst wenn sie jetzt ablehnte, würde sie es wohl schnell revidieren. Ihr ganzer Körper schrie Qualen, flehte um Erlösung von diesen Schmerzen und die einzige Aussicht darauf war es, Kjetell'os Aufforderung Folge zu leisten.
Sofern sie es allein schaffte, zu gehen, verließen beide wieder das Turmzimmer. Kjetell'o würde für Azura gar kleine Pausen einlegen, damit sie sich krümmen und ihren Schmerz durch richtiges Atmen kurzzeitig lindern könnte. Wäre sie nicht mehr in der Lage zu gehen, nahm er sie auf seine Arme wie der Ritter die holde Maid. Sie, die in Unterwäsche nur bekleidet und halb tot war. Doch ihr Körper konnte gar nicht so untot sein, wenn er auf Nahrung reagierte wie jeder andere, den man nüchtern mit Apfelmarmelade vollstopfte. Wurde Azura getragen, nahm sie schnell wieder den Duft von Vanille und Zitrone wahr. Kjetell'o schien dieses Aroma auf natürliche Weise auszuströmen. Er achtete nicht auf sie. Jetzt waren seine Augen nicht mehr für sie bestimmt. Er brachte sie aus dem Turm und einen Korridor entlang, den sie bislang nicht betreten hatte.
"Willkommen im Krankenflügel der Akademie der Wassermagie zu Andunie", grüßte eine kantige, ältere Dame mit dem strengen Blick einer Lehrmeisterin, deren Unterrichtseinheiten durch einen Stock untermauert wurden. Sie hatte das grauschwarze Haar zu einem strengen Knoten am Hinterkopf gebunden. Darauf saß eine weiße Haube, passend zur Schürze über ihrem dunkelblauen Kittelkleid. Mit schweren, schwarzen Holzschuhen verursachte sie bei jedem Schritt ein Geräusch, das nach einem Stein klang, der in einen mit Wasser gefüllten Eisenkessel versenkt wurde. Ihre Haltung war kerzengerade, als sie sich von ihrem Schreibtischstuhl erhob und die Hände vor dem Bauch faltete. Sogleich galt ihr Blick den beiden Neuzugängen. Dann stieß sie einen Pfiff aus und als hätte sie einen Hund gerufen, erschien auch gleich jemand. Allerdings handelte es sich nicht um einen Hund, sondern um eine Dunkelelfe mit Haut, die Azura an Zartbitterschokolade erinnerte. Sie glänzte verführerisch und brachte die stechend blauen Augen besonders zur Geltung. Auch die Elfe trug die Tracht einer Heilkundigen dieses Hauses, zusammen mit einem Häubchen auf ihrem weißblonden Haar. Sie trug es jedoch zu zwei geflochtenen Zöpfen, war ihren harten Blick etwas abmilderte. Wo war Azura hier nur hereingeraten? Warum schauten Heilerinnen derart ... ungemütlich?
"Auf die Liege", orderte die Menschenfrau an und Kjetell'o sorgte dafür, dass Azura dieser Forderung ebenfalls nachkam.
"Ich hole dich später ab", meinte er, verneigte sich mit einem kurzen, aber freundlichen Dankeswort vor den beiden Heilkundigen und ... ließ Azura dann einfach allein zurück. Er verließ das kleine Hospitalräumchen, schloss die Tür hinter sich. Die strenge Alte nahm wieder am Schreibtisch Platz, als hätte niemand ihre strukturierte Ordnung gestört. Auch die Dunkelelfe ging routiniert vor. Sie kannte den Ablauf. Wenn ihre Chefin Schreibarbeiten zu erledigen hatte, wurde sie ungern davon abgehalten. Es war das Beste, die übrige Arbeit dann allein zu erledigen. So widmete die Elfenheilerin sich Azura.
"Ich bin Schwester Fencith Finstertreu, Ihr könnt mich aber auch Fenny nennen." Trotz ihrer kalten Augen machte sie einen höflichen, fast schon freundlichen Eindruck. Aber sie behielt sich eine professionelle Distanz bei. "Ihr habt Schmerzen, das sieht man Euch an. Könnt Ihr mir zeigen, wo genau? Ich werde Euch untersuchen, falls Ihr nichts dagegen habt. Das beinhaltet eine Abtastung von Körperstellung und gegebenenfalls den Einsatz meiner Hilfswerkzeuge. Seid Ihr damit einverstanden?"
"Sehr gut", lobte die alte Menschenfrau von ihrem Schreibtisch aus, ohne aufzublicken. Es klang auch nicht nach einem Lob, sondern mehr wie der forsche Hinweis, dass die Dunkelelfe so viel richtig genug gemacht hatte, dem Hieb mit einem Stock zu entgehen. Fencith aber strahlte kurz bis über beide Spitzohren, die neckisch mit einigen ihrer weißblonden Strähnen unter der Haube hervor lugten.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Sonntag 10. September 2023, 20:03

Was genau zu ihrer Wandlung im positiven Sinne geführt hatte, mochte nur die junge Frau allein wissen... oder womöglich auch nicht einmal sie selbst. Es könnte sein, weil diese beiden Männer, mit denen sie im Moment am meisten zu tun hatte, sie hatten auflaufen lassen bei ihrer letzten Begegnung. Auch mit dem Wasserschild könnte es zu tun haben, denn noch immer hallte ein Hauch von dem friedvollen Augenblick in ihr nach und nährte diese kleine Flamme mit einer bislang ungekannten Zuversicht, dass sie nicht mehr so stark um ihre Existenz würde kämpfen müssen wie zuvor. Ein weiterer Grund könnte auch schlichtweg ihr Wissensdurst sein, gepaart mit der Hoffnung, Corax eine Freude bereiten zu können, die sie zu der einzigen Person geführt hatte, von der sie sich Hilfe versprach.
Wahrscheinlich war es auch eine Mischung aus all diesen Punkten und noch weiteren, unbekannten, die sie dazu brachten, dieses Mal nicht sogleich aus der Haut zu fahren und den Waldelfen anzukeifen. Ja, auch eine Azura van Ikari wusste sich zu beherrschen, obwohl es ihr nicht gerade leicht fiel. Dennoch waren ihr Streben, etwas für ihren Liebsten zu tun, und ihre Neugier zu präsent, als dass sie es so schnell wieder vermasselt hätte. Das würde sie wenig später auf andere Weise schon schaffen.
Jetzt erst einmal sprudelte es nur so aus ihr heraus, während sie der Einladung, sich an der geliebten Nascherei, der sie noch nie wirklich lange hatte widerstehen zu können, zu bedienen, folgte. Es zeigte sich einmal mehr deutlich, welchem Element sie mit Leib und Seele nacheiferte. Wie das Wasser bei einer neuentstandenen Quelle flossen die Worte unaufhörlich über ihre Lippen, während sie zugleich sprunghaft und unstet in ihren Gedanken blieb, als gäbe es noch kein Bett, in dem das frische Nass sich seinen Weg bahnen und sich daran orientieren konnte.
Zu viel zu schnell wollte aus ihr heraus, in Erwartung von Antworten und weiterer Hilfe, ohne Gedanken daran, dass sie einen anderen Wissensstand haben könnte als ihr Gesprächspartner. Oder eher Zuhörer, denn selbst wenn er redseliger gewesen wäre, ließ sie ihn kaum zu Wort kommen in ihrem Eifer. Da störte sie es kaum, dass er schweigsam blieb oder hie und da lediglich ein Geräusch von sich gab, denn sie bemerkte es kaum.
Umso hastiger reagierte sie hingegen darauf, wenn er mal etwas verbal erklingen ließ. Bei der Nachfrage zur Entführung damals seufzte sie gequält auf und bemerkte dabei nicht einmal seinen Blick in ihre Richtung, als hätte er ihre Geduld nun zu sehr strapaziert... oder ihr Magen gerade ein besonders schmerzhaftes Verkrampfen vollführt.
"Wer hört hier jetzt nicht zu?", murrte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen, da es in diesem Moment gar arg in ihrem Bauch rumorte. Doch noch gewann es nicht die Oberhand.
Stattdessen konnte sie fortfahren:"Er hat dir bestimmt davon erzählt, wie diese grausigen Stockmännchen ihn als Säugling aus der Wiege gerissen haben." Leicht schüttelte sie den Kopf dabei, schließlich konnte sie sich nicht vorstellen, dass sich Corax diesem Waldelfen nicht in allem offenbart hatte.
Immerhin hatten sie mehrere Tage miteinander verbracht und waren so vertraut, dass ihr der Gedanke, was sie an Körperlichem geteilt haben könnten, sauer aufstieß. Moment, nein, das war nicht nur gefühlt so... Tatsächlich brannte es bis in ihre Kehle hinauf vor lauter Säure, wenngleich es nicht schwallartig genug kam, dass sie sich hätte übergeben müssen. Aber der Geschmack war widerlich, einfach nur widerlich!
Als spüre sie, dass die Zeit drängte, weil ihr Körper ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen drohte, wurde sie in ihrem Plappern noch schneller und sprunghafter. Endlich jedoch schien ihr Gegenüber zu begreifen, warum sie hier war und fasste es auch in einem Satz zusammen.
Knapp nickte sie. "Du gehst doch Dingen gerne auf den Grund. Das hier ist ein großes Rätsel mit kaum Anhaltspunkten derzeit.", warf sie zwischendurch noch ihren wichtigsten Köder aus und hoffte, dass er ihn schlucken würde, eben weil er bislang so gewirkt hatte, als läge ihm etwas an Corax. Sollte es schließlich auch, immerhin hatte ihr Rabe es verdient, dass man ihn mochte und ihm helfen wollte!
Sie hätte gerne noch einmal betont, dass es da einen weiteren Dunkelelfen in Andunie gab, der aussah wie er und bestimmt sein Bruder oder so ähnlich sein müsste, denn der Vater besaß andere Augen. Dass es wichtig wäre, sofort auszuschwärmen und ihn zu suchen, eine Möglichkeit zu finden, das gemeinsame Blut zu testen und dann eine Familienzusammenführung zu planen, um ihren Liebsten endlich seine Wurzeln zurück zu geben, wenn sie schon körperliches nicht nachwachsen lassen könnte. Oder hatte er in der Hinsicht schon etwas herausfinden können?
Aber sie kam nicht mehr dazu. Die Marmelade ließ ihre Gedärme sich verkrampfen, dass sie kaum mehr als Schmerzenslauten in der Lage war. Dabei hätte sie noch so viel zu sagen gehabt! Gequält krümmte sie sich und spürte, wie ihr etwas entweichen wollte, das sie unter keinen, absolut gar keinen Umständen zulassen dürfte, das war unter ihrer Würde! Ganz gleich, wie nachvollziehbar und natürlich es sein mochte...
Stattdessen verstärkte sie durch dieses Zurückhalten den Schmerz nur noch mehr, während er mit einem Blick ihre Situation erfasste. Seine Frage ließ sie leise vor Pein aufwimmern und musste ihm als Antwort reichen. Ja, ihre erste Mahlzeit seit... seit... seit wann eigentlich?! Hatte sie seit dem Sprung von dem vermaledeiten Schiff eigentlich etwas zu sich genommen?
Dumpf erinnerte sie sich daran, dass der Kapitän... oder der Glatzkopf in der Herberge etwas zu essen gebracht hatten, jedoch war ihr schleierhaft, ob sie damals in ihrer Sorge um Corax überhaupt etwas hatte hinunter würgen können. Von einem Schluck Wasser oder ähnlichem ganz zu schweigen! Nein, ihren Flüssigkeitsbedarf hatte sie sich anderweitig geholt.
Genauso wie sie bislang kein körperliches Bedürfnis zu einem stillen Winkel geführt hatte. Ob da drinnen wohl auch alles abgestorben war und nun, im denkbar ungünstigsten Moment, zu neuem Leben erwachte...?
Jammernd ließ sie sich in die Höhe ziehen und versuchte, auf wackligen Beinen taumelnd zu der Luke zu kommen. Ihr musste es wahrlich schlecht ergehen, wenn sie so einfach seiner Forderung nachkam und nicht auf anderweitige Antworten bestand! Irgendwie schaffte sie es bis durch die Luke und ein paar Schritte die Treppe hinunter, dann kam eine neue Schmerzwelle und sie sackte an der Wand entlang zu Boden.
Daraufhin fehlte ihr vor Qual die Kraft, um wieder auf die Beine zu kommen. Kaum spürte sie, wie sie plötzlich den Boden unter den Füßen verlor und es dennoch für sie weiter ging. Ein bekannter, viel zu wohltuender Duft hüllte sie auf einmal ein und ließ sie umso mehr aufschluchzen, als gewisse Winde erneut ihren Körper verlassen wollten.
Krampfhaft presste sie in ihrem Unterleib alles zusammen, was nur möglich war, damit ihr nichts entfleuchte. Dabei krallte sie sich mit ihren Fingern in seiner Kleidung fest und verbarg das Gesicht an seiner Brust, wodurch sie seinen Geruch umso tiefer einatmete. Warum nur musste er der Meinung sein, sie gezeugt zu haben?!
Wimmernd und schluchzend wand sie sich in seinem Griff, wenn der Schmerz zu stark wurde, und hatte keinen Blick für ihre Umgebung. Nicht einmal, als sie angesprochen wurden, konnte sie sich aus ihrer Pein befreien, sondern jaulte wie ein getretenes Tier unter einer neuen Verkrampfung.
Wieder wurde sie bewegt, kühlte Luft ihre vor Tränen und Schweiß nasse Haut, und am Ende irgendwo abgelegt. Sofort krümmte sie sich, machte sich noch kleiner und schien ihre Umgebung kaum noch wahrzunehmen.
Und trotzdem entlud sich all die angestaute Luft erst mehr als geräuschvoll, als der Waldelf das Tür hinter sich geschlossen hatte. Statt dem Hauch Zitrone hüllte sie mit einem Mal ein Geruch ein, der schlimmer war als alles, was sie bislang in ihrem Leben wahrgenommen hatte, einschließlich ihres eigenen, derzeitigen Zustandes.
Ihr wurde übel davon und die Säure stieg ihr wieder die Kehle hoch, sodass sie den Kopf instinktiv zur Seite drehte und ein wenig davon ausspuckte. Mehr kam allerdings nicht, dazu hatte die Marmelade zu viel Platz gehabt, um längst weiter gewandert zu sein. Am liebsten wäre sie gestorben und hätte zugleich nur zu gerne diesen Umstand ausgelöscht aus ihrer Vergangenheit, damit sie genau nicht in diese Situation gelangen würde.
So unangenehm dieser eine kräftige Darmwind, dessen kleineren, leiseren und weniger stinkenden Brüder kaum bemerkbar waren, als sie folgten, er bedeutete auch einen gewissen Grad an Erlösung für sie. Das Krampfen ihrer Eingeweide ließ ein wenig nach und gab ihr wieder Gelegenheit zu atmen. Nun ja... sofern man das in dieser Wolke aus Gasen wirklich wagen wollte!
Auch half es ihr, ihre Umgebung ein bisschen wahrnehmen zu können, sodass sie hören konnte, wie jemand zu ihr sprach. Sie verstand nicht alles, nur so viel, dass sie unter Tränen "Bauch..." murmeln konnte. Schon kam die nächste Welle, die trotz der geringer angestauten Luft äußerst schmerzhaft war, sodass sie sich wimmernd enger zusammen rollte, sofern das überhaupt noch möglich war. Dabei entkam ihr ein neuerlicher Darmwind, den sie dieses Mal auch als solchen begriff.
Schluchzend schlug sie die Hände vor das beschämt glühende Gesicht.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 13. September 2023, 12:43

"Er hat mir nichts aus seiner Kindheit erzählt, auch nicht von Stockmännchen", erwiderte Kjetell'o. Anscheinend war Corax doch nicht so offen mit dem Elfen umgegangen wie angenommen. "Ich erfuhr von einem Leben unter Missbrauch, Leid und dunklen Taten, angetrieben durch seine ... Eltern? Er nannte sie Versorger und erklärte, sie hätten Macht über ihn. Sie könnten ihm ihren Willen aufzwingen und das Leid wäre größer, wenn er sich widersetzte als wenn er es an anderen auslebte. Er war schon immer ein Leidträger, aber ich versuche, es für ihn erträglich zu machen."
Details würden beide noch klären müssen, vielleicht sogar zu dritt. Es war erleichternd, dass Kjetell'o Azura überhaupt noch zuhörte und bereit war, mit ihr zu sprechen. Es war ebenso erleichternd, dass Corax sich ihm offensichtlich nicht vollauf anvertraut und nicht jedes Geheimnis verraten hatte. Bei Azura und Madiha war er offener mit seiner Vergangenheit umgegangen, obwohl er auch hier keine Wahl gehabt hatte. Es waren die Stockmännchen gewesen, die mit ihrer Albtraumschlange aus Silbernadeln Einblicke in jedes Quäntchen von Corax' Vergangenheit gegeben hatten. Ohja, sie würden noch einmal darüber sprechen müssen und hoffentlich fänden sich Antworten auf die mögliche Verbindung zu den Faelyns. Zunächst aber stand Azuras Leib im Vordergrund, denn die Krämpfe ließen sich kaum mehr unterdrücken. Selbst Kjetell'o sah ein, dass es besser wäre, ihr Hilfe zukommen zu lassen, also führte er sie aus dem Turmzimmer heraus.
Die ersten Schritte schaffte Azura noch allein, aber mit jeder Sprosse die Leiter herab spürte sie das schmerzhafte Rumoren in ihren Eingeweiden intensiver. Außerdem drängte sich bereits etwas gen Ausgang und sie musste all ihre Körperbeherrschung zusammennehmen, um sich vor Kjetell'o keine Blöße zu geben. Vor ihm nicht, wo er sie wenig später doch auf seinen starken Armen durch die Korridore trug. Sie wimmerte vor Schmerz. Sie klammerte sich an ihn, presste dabei ihre Kehrseite zusammen und spannte dadurch ihren gesamten Körper an, was nur zu noch mehr Pein in ihrem Unterleib führte. Ihre Stirn glänzte schon vor Schweiß.
Kjetell'o warf ihr besorgte Blicke zu. Dann beschleunigte er seine Schritte. Doch plötzlich ging ein Ruck durch seinen gesamten Körpers. Abrupt blieb er stehen, wagte nicht einmal zu atmen. Azura fühlte eine Wärme, die von seinem Herzen ausging. Sie strömte ihm in alle Glieder, glich keiner physischen, sondern vielmehr einer magischen Wärme. "Atmen ... gleichmäßig ... ruhig ..." Kjetell'o säuselte irgendein Mantra in fremder Sprache herab. Es klang so lieblich wie die Zitronen-Vanille-Mischung, nach der er duftete. Er sagte es immer wieder, bis die unnatürliche Hitze auf seiner Haut langsam nachließ und er erneut atmen konnte. Er griff bei Azura nach und setzte sich wieder in Bewegung. "Du machst es mir wirklich nicht leicht, wenn du mir so nahe bist, Kind", murmelte er, ausnahmweise recht gedankenverloren, denn er sprach vordergründig zu sich selbst. Wenigstens war er nicht erneut in Flammen aufgegangen. Dafür erreichte er bald eine Art akademische Krankenstation. Die Pflegerinnen wirkten streng, aber professionell. In Kjetell'os Augen waren sie geeignet genug, Azura bei ihnen zurückzulassen. Erneut verschwand er, ließ sie allein. Doch Azura konnte gar nicht richtig darauf eingehen. Die Schmerzen hatten eine Stufe angenommen, der sie nicht mehr Herrin werden konnte. Ihre Beherrschung ließ nach, weil es gesünder war, allem nachzugeben. Was sich in ihren Gedärmen unter höchster Pein anstaute, musste nun einmal heraus und kaum, dass Kjetell'o durch die Tür verschwunden war, ließ Azura locker. Geräuschvoll entlud sich das Resultat einer relativ ungesunden Ernährung auf nüchternen Magen. Unter dem Gestank, welcher sich nun ausbreitete, blieben nicht einmal die strenge Oberschwester noch ihre Schülerin gefeit. Alle Professionalität ging flöten. Die Dunkelelfe wich gleich zwei Schritte zurück, während die strenge Menschin von ihrem Stuhl aufsprang. Mit raschen Schritten eilte sie zu einem der Fenster und riss es auf. Die Elfe wollte es ihr gleichtun, erhielt aber sofort eine andere Order: "Decke!"
Sodann schnappte sie sich eine der großen, schweren Decken, mit denen man üblicherweise verkühlte Patienten wieder etwas aufwärmte, weil die eigene Körperwärme durch den dicken Stoff nicht entweichen konnte. Sie faltete sie auseinander und warf sie über Azura, nur um im nächsten Moment alle überhängenden Ecken unter ihren Leib zu klemmen. Sollte sich weitere Luft entladen, würde sie größtenteils abgefangen und bei entsprechender Menge Azura wohl bald wie einen gefüllten Ballon aussehen lassen. Beide Frauen wussten zum Glück, dass es für Azura aber weiterhin das Beste war, alles herauszulassen.
Die Dunkelelfe wagte sich wieder heran, schnupperte, kräuselte die feine Nase, aber blieb an der Seite ihrer Patientin. Sie tätschelte sogar zögerlich deren Kopf. "Als Untote muss es ja so riechen, nicht wahr?", versuchte sie sich an einem Scherz und wurde prompt dafür von ihrer Vorgesetzten getadelt.
"Als Untote sollte man gar keine Flatulenzen mehr haben! Tja, ich kenne mich mit Nekromantie und ihren Folgen nicht aus, daher können wir sie nur mit den üblichen Methoden behandeln. Gib ihr einen Kamillentee, das den Darm beruhigt."
"Nich Pefferminz?"
"Enthält ebenfalls Anteile, die den Darm weiter reizen könnten. Wir sollten kein Risiko eingehen." Die strenge Pflegerin wedelte mit beiden Händen durch die Luft und konnte ihren Ekel nur bedingt verbergen. "Ugh, ich beschaffe uns irgendein Minzöl oder Duftwässerchen. So kann ich nicht arbeiten!" Sie verzog sich, ganz im Gegensatz zu Azuras Winden. Das offene Fenster brachte zum Glück frische Seeluft herein, so dass die schlimmsten Dämpfe bald weit genug verteilt waren, dass Atmen nicht länger zur Qual wurde.
"Sobald es Euch besser geht, taste ich Euren Bauch ab. Ihr solltet jetzt erst einmal versuchen, euch zu entspannen. Ich erhitze ... hm ... ohja!" Noch eine Feuermagierin wie sich herausstellte. Sie befüllte einen merkwürdigen Beutel mit Wasser, der äußerlich einem Kissen ähnelte. Dann hielt sie ihn wie ein Kind im Arm und Azura konnte die Wärme sehen, die sie in das Gefäß fließen ließ. Als auch von dort ganz feine Dämpge aufstiegen, beendete die Elfe ihre Magie und trat an Azura heran. "Manche Tricks unserer hohen Herrin, Feuerhexe Mortis, sind auch in der Heilkunde nützlich", lächelte sie. Es schwand, als ihr bewusst wurde, dass sie noch einmal die Decke anheben musste. "Luft anhalten", warnte sie Azura vor und zog einen kleinen Zipfel Stoff empor, nur um schnell das Heizkissen darunter zu schieben und alles wieder zu verklemmen.
"Drückt es Euch an den Bauch. Die Wärme wird Euer Innerstes entkrampfen. Das hilft, damit ihr ... nun ... Euch entlüften könnt." Sie selbst setzte sich auf einen Hocker, den sie heranzog. "Falls Ihr es nicht mitbekommen habt, Ihr dürft mich Fencith oder Fenny nennen. Habt Ihr denn oft solche ... Probleme? Habt Ihr etwas gegessen oder eben nicht?"
Mit diesen und weiteren Fragen ging Fencith Finstertreu der Sache auf den Grund, während ihre Vorgesetzte sich reichlich Zeit ließ. Vielleicht tauchte sie auch gar nicht mehr auf. Das Wärmekissen tat sein Übriges und schenkte Azura wenigstens etwas Linderung. Später erhielt sie ebenfalls den verordneten Kamillentee, konnte sich aufsetzen und entlud nur wenig neue Dämpfe der Pestilenz an ihre Umwelt. Es besserte sich, bis die Dunkelelfe schließlich eine passende Diagnose parat hatte.
"Ihr solltet ausgewogener ... nun ... leben. Falls Ihr das in Eurem Zustand könnt. Das hieße regelmäßig zu essen, damit Euer Innenleben nicht ... nun ... verfault? Verdorrt? Haltet es aktiv, wenn Ihr aktiv bleiben wollt. Ansonsten siegt der Verfall, würde ich sagen. Ich bin auf dem Gebiet leider keine Expertin. Wer ist denn Eure Nekromantin? Wer hat Euch erschaffen?" Sie hielt Serpentis jedenfalls nicht für jene, denn die Feuerhexe war der Nekromantie nicht fähig. "Oder kam Euer Nekromant bei dem Angriff um's Leben? Dann müsstet Ihr Euch in der Stadt unten jemanden suchen, bevor Euer Zauber nachlässt. Es sei denn, Ihr wollt sterben." Sie musterte Azura. "Wie lange lastet dieser Fluch des Unlebens denn schon auf Euch? Wie lange schon seid Ihr tot?" Sie winkte ab. "Verzeiht. Ich könnte Euch da ohnehin schwer helfen. Ihr müsstet wirklich eher zu einem Experten, jemand mit..."
Die Tür schwang erneut auf. Es war nicht die Oberschwester, die den Raum betrat und sofort die Nase rümpfte. Kjetell'o stand in der Tür. Er war zurückgekehrt, blieb angesichts der anhaltenden Luft aber auf Abstand. "Geht es dir besser?", fragte er Azura direkt. "Ich habe micht ... um die Informationsbeschaffung gekümmert. Mit Glück erhältst du bald Antworten."
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Mittwoch 13. September 2023, 21:22

"Nicht?", entkam es ihr ehrlich überrascht und mitten in ihrem Redefluss. Verwundert blinzelte sie kurz, denn sie hätte wahrlich fest damit gerechnet, dass er das weiter gegeben hätte. Nicht, dass Corax mit seiner Lebensgeschichte hausieren gehen würde, das nicht, doch dem Waldelfen gegenüber war er sehr... aufgeschlossen, hatte sie den Eindruck.
Dann schüttelte sie entschieden den Kopf. "Nein, er wurde seinen Eltern als Säugling geraubt von diesen Stockmännchen... Feen.", korrigierte sie sich in Erinnerung an ihren Traum. "Und ich dachte immer, Feen wären gutherzig...", murmelte sie für sie eine Erkenntnis, die ihr erst jetzt kam.
So viel zu all den Märchen und Geschichten, in denen Feen stets Wünsche erfüllten und einem hilfreich zur Seite standen. Da konnte sie wahrlich froh sein, nicht früher auf solche Wesen gestoßen zu sein! Es schauderte sie leicht bei dem Gedanken an die Szenerie auf dem Schiff und an das ekelhaft trockene Knacken, als der Letzte von ihnen zerbrochen worden war. Ob es damit für ihren Raben für immer vorbei wäre mit dem ihm zugefügten Leid? Sie hoffte, dass es keine weiteren Ableger von diesen Ungeheuern gäbe!
Viel mehr Wissen konnte sie hingegen nicht mit ihrem Gegenüber teilen, unabhängig davon, ob sie es gewollt hätte oder nicht, denn ihr Körper machte deutlich, was er von ihrem Genuss an Marmelade auf so lange schon nüchternen Magen hielt. Alles in ihr verkrampfte sich zu purer Qual und noch schlimmer, wollte ihr auf einem natürlichen Wege auch entweichen. Aber das konnte sie nicht zulassen, sie durfte nicht los lassen, das würde sie in ein noch viel bodenloseres Loch fallen lassen, als sie sich mitunter ohnehin schon fühlte. Also krampfte sie noch mehr, spannte sämtliche Muskeln an und verstärkte ihr eigenes Leiden, anstatt die Erlösung zu zulassen.
Ein paar Schritte lang ging das gut, dann jedoch konnte sie einfach nicht mehr und war darauf angewiesen, dass er sie trug. Was sie daduch in ihm auslöste und warum, dessen war sie sich weder bewusst, noch konnte sie sich eine Vorstellung dessen machen. Dafür nahm sie umso intensiver seinen eigenen Duft wahr, der sie sofort wieder umhüllte und ihr eigentlich dabei geholfen hätte, sich zu entspannen. Allerdings genau das durfte sie eben nicht!
Verbissen kämpfte sie darum, dass ihr nichts entfleuchte, während sie sich an ihm festklammerte und nach Halt an ihm suchte. Dabei kniff sie die Augen zusammen und verbarg ihr Gesicht an seinem Oberkörper, wodurch wiederum der Geruch noch intensiver in ihre Nase stieg. Es war zum Haareraufen, dass dieser gutaussehende, duftende, starke Mann ihr Erzeuger sein sollte! Ein Schluchzen der Verzweiflung und des Schmerzes setzte sich in ihrer Kehle fest und raubte ihr zusätzlich die Luft zum Atmen.
Seine besorgten Blicke entgingen ihr, doch als er plötzlich stehen blieb, merkte sie auch trotz allem auf. Blinzelnd öffnete sie ihre Augen langsam und vergaß einen Moment lang ihre eigene Not, die Gnade walten ließ und sich nicht verschlimmerte, während an ihre Ohren beschwörende Laute drangen. Sie konnte diese nicht verstehen und dennoch... sie klangen schön, sie wollten ihr helfen, ruhiger zu werden. Dabei merkte sie aber auch die stärker werdende Wärme, die von ihm ausging und ihr den Schweiß auf der Stirn noch verstärkte.
Zugleich sprach es auch etwas in ihrem Inneren an, ein kleines Flämmchen, das erst seit kurzem gelernt hatte, dass von dem umgebenden Wasser nicht nur eine Gefahr ausgehen musste. Es flackerte und zuckte, als wolle es nach dem viel größeren Quell rufen, als hätte es auf diesen gewartet, damit er ihn nach all der langen Zeit endlich abholte. Ihr wurde ein wenig schwindelig und sie presste sich instinktiv fester an den Waldelf, als müsse sie sonst den Halt verlieren.
Dabei spürte sie, wie die Wärme bereits schwand und konnte auch hören, was er vor sich hin murmelte, dieses Mal in einer ihr verständlichen Sprache. Fragend blinzelnd sah sie hoch, öffnete den Mund... und krampfte sich im nächsten Atemzug wieder mehr zusammen, weil es bedenklich in ihrem Darm rumorte. Nein, jetzt konnte sie nicht sagen, was ihr über die Lippen hätte kommen wollen, jetzt musste sie all ihre Konzentration darauf richten, sich lange genug zurück halten zu können.
Tatsächlich gelang es ihr, jedoch kaum hatte der Mann hinter sich die Tür geschlossen, da drang die Luft mit schmerzender, unerbittlicher Macht nach draußen. Was ihr ohnehin schon sehr, sehr peinlich war, wurde durch die Reaktion der beiden Frauen nicht gerade verbessert. Schluchzend schlug sie sich die Hände vors hochrot angelaufene Gesicht und ließ ihren Tränen der Scham wie der Erleichterung freien Lauf. Was anderes konnte sie gerade sowieso nicht tun, während ihr Körper noch weitere, leisere und weniger giftig anmutende Gase verabschiedete. Einmal locker gelassen, war es ein Ding der Unmöglichkeit, sich erneut anzuspannen.
Wie von weit her registrierte sie, wie frische Luft von der einen Seite zu ihr hin strömte und den Gestank leichter erträglich machte, der ihren Geruchssinn regelrecht verätzt hatte. Auch wurde etwas um sie gelegt und unter ihrem Körper festgesteckt, sodass die nun entweichende Luft mehr zu hören, denn zu riechen war. Ohnehin kam diese in immer leichteren Dosen und in größeren Abständen, wenngleich es dauerte, bis es auch allmählich leiser wurde. Außerdem ließ das Krampfen in ihren Eingeweiden nach, verschwand zwar nicht gänzlich, aber war nicht mehr schlimmer als jeder sonstige Schmerz, den sie bislang kennengelernt hatte.
Das half ihr auch, ihre Umgebung allmählich mehr wahrzunehmen, obwohl sie noch immer vor Scham im Boden versinken wollte. Als erneut die Stimme der dunklen Gehilfin erklang, gelang es ihr mit dem unbeholfenen Witz, dass die junge Frau schniefend aufsah, ein Häuflein Elend, das sich endlich nicht mehr unter Schmerzen winden musste. Zumindest nicht, solange auch noch die restliche Luft ihren natürlichen Weg gehen durfte.
Schon aber kam die Schelte von der anderen und sorgte dafür, dass sie blinzelnd den Blick wandern ließ. Durch den Tränenschleier konnte sie kaum scharf sehen, sodass sie ihren Arm hob und mit der Decke über ihr Gesicht wischte. Dabei hob sie diese ein wenig zu viel an und musste leicht würgen, als ihr der geballte Gestank von darunter entgegen kam. Wenngleich es trotzdem noch immer harmloser war als die allererste Entladung. Kein Wunder, dass sie auf alle wie eine Untote wirkte, die es nicht besser wussten!
Ein erneutes Aufschluchzen war die Folge dieser Erkenntnis, während noch darüber diskutiert wurde, wie sie zu behandeln wäre. Bis die Menschenfrau sich verzog und es mit ihrer letzten Bemerkung für Azura nur noch unangenehmer machte zu akzeptieren, was ihr entkommen war. Sie sah ihr nach und spürte, wie ihr Gesicht weiterhin glühte.
Solange, bis die Dunkle für Ablenkung mit ihren Worten sorgte. Der Schmerz hatte etwas nachgelassen, sodass sie überhaupt fähig dazu war, etwas zu verstehen und zu zuhören. Fragend und auch etwas skeptisch beobachtete sie das Tun der anderen und blinzelte erstaunt, als sie regelrecht sehen konnte, wie die Wärme entstand und sich auf den Beutel übertrug.
Es war ein... durchaus faszinierendes Schauspiel und wider Willen musste sie schmunzeln. Es kam ihr wie eine Kinderei vor und wäre es zwischen ihr und dem Waldelfen anders, wären sie beide noch viel jünger, sie hätten auf diese Weise vielleicht miteinander das ein oder andere Mal ihre Magiearten miteinander spielen lassen können.
Rasch deutete sie ein Kopfschütteln an, um solche absurden Gedanken zu vertreiben, als sie schon hörte, sie solle die Luft anhalten. Zwar verstand sie den Grund nicht sofort, aber als sie sah, wie nach der Decke gegriffen wurde, folgte sie rasch der Order. Noch einmal brauchte sie diese Pestilenz nicht stärker als nötig in der Nase!
Umso geräuschvoller stieß sie den verbrauchten Atem aus, als die Decke wieder fest alles einschloss, was ihren Körper verließ. Gleichzeitig überraschte sie die wohlige Wärme, die sie plötzlich an ihrem Bauch fühlte und der im ersten Moment dafür sorgte, dass noch einmal eine richtige Ladung aufeinanderfolgender Explosionen nach draußen drängte. Danach allerdings entspannten sich ihre Eingeweide allmählich und begannen damit, Ruhe zu geben. Ein erleichterter Seufzer entrang sich ihren Lippen.
Indes setzte sich die Dunkle ihr gegenüber auf einen Hocker und sprach wieder mit ihr. Noch immer glühten Azura die Wangen und am liebsten hätte sie die Flucht ergriffen, aber sie hatte Angst vor dem Moment, an dem sie die Decke erneut anheben müsste. Somit blieb sie notgedrungen liegen und ertrug die Scham, so gut sie konnte.
Langsam schüttelte sie den Kopf und versuchte, sich auf die Worte zu konzentrieren und nicht auf das Thema, das damit verbunden war. "Probleme... nein.", murmelte sie hochgradig verlegen und schluckte. "Gegessen... ja... nach langem wieder." Und das scheinbar äußerst unklug, obwohl sie das von sich nicht kannte.
Sonst hatte sie nie auf diese Weise auf ihre geliebte Apfelmarmelade mit Zimt reagiert. Andererseits... bisher hatte sie auch noch niemals derart lange nichts gegessen. Sie mochte oftmals bei den Mahlzeiten nicht viel zu sich genommen haben, aber dafür hatte sie das Privileg besessen, ständig irgendwie und irgendwo den ein oder Happen zu ergattern, sodass am Ende des Tages ihr Magen gut gefüllt gewesen war. Ob es daran gelegen haben mochte? Oder war es der Umstand, dass sie den Tod hinter sich hatte?
Sie wusste es nicht, sprach es allerdings auch nicht sofort an, obwohl sie noch die ein oder andere Frage beantwortete und schließlich Kamillentee gereicht bekam. Ihr Gesicht verzog sich und sie brummte leise, als ihr dessen Duft in die Nase stieg. "Oh, was hasse ich dieses Getränk!", nuschelte sie in sich hinein, nachdem sie sich aufgesetzt hatte, und nippte dennoch gehorsam daran.
Kaum berührte dieser Geschmack ihre Zunge, schüttelte es sie und weckte in ihr Erinnerungen an manch verregnete Abende, als sie noch ein ordentlicher Wildfang gewesen war. Der Regen hatte sie hinaus gelockt, oftmals gegen Anweisung ihrer Mutter, und als Strafe hatte sie, das pitschnasse Kind, Kamillentee zum Aufwärmen trinken müssen. Nun gut, sie war danach tatsächlich nur äußerst selten mit einer laufenden Nase oder leichtem Husten gequält worden, aber das hatte sie niemals auf die Wirkung der Kamille schieben wollen. Doch einen anderen Tee hatte sie nicht trinken dürfen, um sich aufzuwärmen, weil ihre Mutter gehofft hatte, ihr dadurch die Freude an Ausflüge in den Regen vergällen zu können. Gewirkt hatte es nicht, das war erst mit dem Alter und der größeren Bedeutung ihres Aussehens gekommen.
Ihre Gedanken drifteten ab in diese Kindheitserinnerungen, sodass sie nur am Rande wahrnahm, wie Fenny weiterhin mit ihr sprach, ihr Ratschläge gab und Fragen stellte. Erst gegen Ende horchte sie auf, blinzelte und fand sich in der Wirklichkeit wieder. Erstaunt sah sie zu der Dunklen und schüttelte leicht den Kopf. "Ich bin nicht tot.", erwiderte sie schlicht und hätte noch ein unsicheres Glaube ich hinterher gesetzt, wenn die andere nicht abgewunken hätte.
Schon redete diese weiter, bis sich plötzlich die Tür öffnete. Der Kopf der jungen Frau ruckte zur Seite und als sie den Waldelfen sah, wie dieser mit einem geflissentlichen Abstand vor ihr stehen blieb... da schossen ihr erneut die Tränen in die Augen.
Hastig sah sie auf den Tee herab, denn die Tasse hielt sie noch immer in Händen und hatte nur wenig von der Flüssigkeit bislang hinunter schütten können, und spürte, wie ihr Gesicht ein weiteres Mal zu glühen begann. Es war ja so unendlich peinlich! Dadurch schaffte sie es auch nicht, ihm auf seine Frage zu antworten. Oh, wäre er bloß nicht so schnell wieder zurück gekommen!
Dann aber ruckte ihr Kopf in die Höhe und ihre Augen wurden groß, ihre eigenen Befindlichkeiten waren beinahe schlagartig vergessen, jedenfalls rückten sie mit einem riesigen Schritt in den Hintergrund. "Antworten? Von wem? Wie?", kam es ihr über die Lippen und ihr Herz machte einen freudigen Hüpfer. "Hast du ihn gefunden?", schob sie nach, da es für sie kaum eine andere Möglichkeit gab, wer ihr Wissen erweitern und helfen könnte, wenn nicht dieses Ebenbild ihres Liebsten.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Samstag 16. September 2023, 11:10

Mit dem Dunst abartigster Haraxpestilenzen unter der Decke, frischer Luft darüber, dem Kissen mit magisch erhitztem Wasser darin und einer Tasse Tee ging es Azura nach und nach etwas besser. Es stellte sich zwar eine sanfte Übelkeit ein und sie stellte fest, dass sie gelegentlich aufstoßen musste. Es schmeckte und roch auch widerlich, als würden die Darmwinde sämtliche Ausgänge in alle Richtungen suchen, aber ihre einzige Offensive dagegen waren weitere Schlucke Tee. Jene schenkten ihr zwar den ebenso wenig gemochten Kamillengeschmack als leichten Film auf ihre Zunge, vor allem aber tat ihr die Wärme des Getränks gut. Sie erholte sich langsam.
Fencith Finstertreu machten ihrem Namen alle Ehre, indem sie auf ihrem Hocker an Azuras Seite sitzen blieb. Vielleicht war es Neugier, denn wann konnte man schon einmal eine halb verweste Untote dabei beobachten wie sie mit Magenproblemen zu kämpfen hatte?
"Ich bin nicht tot", wehrte Azura sich schwach. entlockte ihrem Gegenüber aber nur ein überraschtes Heben der Brauen. "Nicht?", fragte Fenny. "Aber Ihr seht - mit Verlaub - so aus, als wäret Iht gerade erst dem Grabe entstiegen. Eure Haut ... Ihr seid so fahl und ich kann offene Stellen mit verfaulten Hauträndern erkennen. Ich kann ... Euren blanken Knochen sehen und Ihr blutet nicht. Nur totes Fleisch verteilt keinen Lebenssaft mehr. Wenn Ihr nicht untot seid, was ist es dann?"
"Es ist ein Fluch." Kjetell'o stand in der Tür. Er hatte die Bemerkungen der Dunkelelfe offensichtlich beim stillen Eintreten mitbekommen. Nun blieb er allerdings etwas auf Abstand, was eindeutig der Todeswolke unter Azuras Decke geschuldet war. Gänzlich konnte der Stoff die Ausdünstungen nicht aufhalten und der Raum roch trotz offenem Fenster bereits nach verrottendem Fleisch, das man vor Wochen in einer Ecke hatte liegen lassen. Selbst mit seiner sonst so ruhigen Art konnte nicht einmal der Shyáner verhindern, die Nase leicht zu rümpfen. Seine elfischen Sinne waren hier ausnahmsweise einmal ein Nachteil. Sicherlich hatte er Azuras grausame Winde schon am andere Ende des Ganges gerochen. Kjetell'o war wenigstens höflich genug, über sein Naserümpfen hinweg nicht weiter auf das Thema einzugehen. Azuras Optik war ihm da wichtiger. "Herrin Serpentis hat vor, den Fluch aufzuheben, wenn die Zeit dafür reif ist. Ich wurde mit der Durchführung beauftragt, deshalb bin ich hier. Außerdem aus einem weiteren Grund." Ohne auf Details einzugehen teilte er Azura mit, wo er gewesen war. Sie konnte genug heraushören, dass Kjetell'o sich offenbar um ihre Fragen gekümmert hatte. Doch erneut war sie zu aufgeregt, um alles auf sich einwirken zu lassen. Schon plapperte sie wieder, stellte Fragen und erkundigte sich auch sogleich nach Corax' Doppelgänger und ob ihr mutmaßlicher Vater jenen hatte finden können.
Kjetell'os Augen engten sich etwas, ansonsten verzog er aber keine Miene. Sein waldgrüner Blick mit dem sanften Gold, das kaum mehr leuchtete, richtete sich auf Fencith aus. "Würdet Ihr uns ein wenig Ruhe geben? Falls ihre körperlichen Probleme erneut heilerische Unterstützung brauchen, lass ich Euch rufen."
Fenny nickte und erhob sich. Sie wirkte zwiegespalten. Zum einen schien sie froh, nun eine Ausrede zu haben, der schlechten Luft im Raum entkommen zu können. Zum anderen kämpfte sie auch gegen ihre Neugier an, obsiegte allerdings und das ärgerte sie zugleich. Sie atmete durch, allerdings nicht zu tief, und verließ dann den Raum. Kjetell'o machte ihr Platz, ehe er sich in den Raum selbst hinein wagte. Nun war er es, der auf dem Hocker bei Azuras Liege Platz nahm. Er musterte sie. "Geht es dir besser?", fragte er zunächst, bevor er auch nur ansatzweise auf ihre unbeantworteten Fragen einging. Dann griff er in eine Tasche an seinem Gürtel und holte zwei fast oval geformte Blätter daraus hervor. Sie waren grün, als seien sie vor kurzem erst gepflückt worden. Eines reichte er Azura an ausgestrecktem Arm herüber.
"Reibe das Blatt zwischen Daumen und Zeigefinger, dann halte beide unter deine Nase." Er demonstrierte es und wirkte erleichtert, als das frische Aroma den Dunst aus seinen Atemwegen vertrieb. Bei den Blättern handelte es sich um Zitronenmelisse, die fast nach Kjetell'o selbst roch. Es fehlt die sanfte Vanillenote, aber darum ging es nicht. Solange das Blatt seinen Duft an die Finger abgab und man sich diese unter die Nase hielt, ließ es sich nahe genug bei Azuras Pluderdecke aushalten.
Endlich war auch Kjetell'o bereit ihr zu antworten. "Ich habe Kontakte hier in der Akademie. Einige davon habe ich ausgesandt. Sie werden wie Streuner die Stadt unsicher machen und nach jeglichen Informationen zum Haus Faelyn suchen. Im besten Fall erfahren wir so, ob es in Andunie einen Ableger gibt oder vielleicht sogar Mitglieder des Hauses anwesend sind." Er musterte Azura einen Moment lang. "Da du mich gefragt hast, ob ich ... ihn ... gefunden habe, hast du wohl schon jemanden im Blick? Du erwähntest jemanden, der des Leidträgers Ebenbild sei. Es war vorhin alles etwas unzusammenhängend. Erzähl mir, was du weißt, liebe To..." Kjetell'o stockte. Anschließend räusperte er sich und brach den Blickkontakt ab, um sein Gesicht mitsamt Nase gen Fenster auszurichten. Es passte nicht zu ihm, dass er sich selbst unterbrach und durch ein Räuspern korrigierte. Es nahm ihm etwas aus seiner sonst so ruhigen Art: Sicherheit. Er wirkte unsicher und das hinterließ ein ... seltsames Gefühl. Schnell fing der Elf sich jedoch wieder, aber seine Augen fanden nicht zu Azura zurück.
"Der Leidträger schein sich keinerlei Herkunft bewusst zu sein. Er hat mir von den Stockmännchen erzählt, den Raben mit roten Augen. Es sind definitiv keine Feen, denn wie uns Märchen und auch dein Weltbild korrekt vermitteln, sind Feen kleine geflügelte Wesen, schön und quirlig. Ich habe selbst noch nie eine gesehen, aber ich kenne Elfen in meiner Heimat, die Kontakt zu ihnen haben. Wenn ich mich auf deren Erzählungen besinne, dann sind Leidträgers Männlein nichts Anderes als abgrundtief verdorbene Kobolde, Opfer ihrer eigenen dunklen Feenmagie, die sich in begabten Nicht-Feen als Schelmenmagie entwickeln kann." Er schmunzelte. "Aber der Leidträger ist kein Schelm. Er ist ... faszinierend."
Kjetell'o war in seinem Element und entgegen sonstiger Verhaltensweisen ließ er Azura an seinen Gedankengängen teilhaben. Das ließ sich nicht auf Unachtsamkeit zurückführen. Er wusste, wer ihm zuhörte. Azura und Corax waren direkt betroffen. Es ging hier um beide, warum ihr also etwas verheimlichen? Es gab genug andere Themengebiete, über die er in ihrer Gegenwart schweigen musste. Corax' Vergangenheit war keines davon. "Wenn er wirklich ein Teil der Faelyn-Familie ist, macht es Sinn, dass Kobolde ihn rücksichtslos seiner Familie entrissen haben. Der Name klingt vertraut. Vielleicht erhofften sie sich eine besondere Gabe ... und hatten Glück. Oder aber der Leidträger hat seine Fähigkeiten auf eine besondere Weise ausbilden können ... über Jahrhunderte. Das würde erklären, warum seine Kräfte nicht davon abhängig sind, ob er böse Streiche oder liebgemeinte Scherze an den Tag legt, sondern dass sie sich von anderen Dingen ... nähren." Kjetell'o schüttelte den Kopf. "Feen und Schelme sind nicht meine Domäne. Zu schade, dass er kein Elementarmagier ist. Da könnte ich ein wenig besser mitreden."
Erstmals wieder suchte sein Blick den seiner selbsternannten Tochter auf. Der Elf lächelte sanft, aber reserviert. "Ich schätze, das hat sich nun auch erledigt. Ich bin gespannt, ob Madiha wenigstens meine Schülerin sein möchte."
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Samstag 16. September 2023, 22:14

Allmählich fühlte sie sich besser, auch wenn ihr Körper immer noch daran zu arbeiten schien, ihr das Gegenteil zu vermitteln, sobald wieder Luft aus ihr entweichen musste. Aber ihre Eingeweide hatten sich deutlich entkraft und auch der Gestank wurde... schwächer. Oder lag das an ihren verätzten Riechzellen, die sich schlichtweg daran gewöhnten und es dadurch nicht mehr so heftig wahrnehmen konnten? Wie auch immer die Antwort lautete, solange es dadurch nicht erneut schlimmer wurde, war ihr so einiges recht. Da nahm sie sogar in Kauf, ein ums andere Mal an dem grässlich schmeckenden Tee zu nippen, weil es ihr dennoch Linderung brachte. So sehr, dass sie einen leisen Einspruch zu ihrem Zustand wagte, den die Dunkle auch sofort aufschnappte.
Bei dem einzelnen, fragenden Wort schüttelte sie leicht den Kopf. Schon folgte eine ehrliche Einschätzung ihrer Lage, die wiederum dafür sorgte, dass sie sich auf die Unterlippe biss und den Blick senkte, weil es sie trotz allem beschämte, wie sie aussah. Mochte ja sein, dass sie allmählich zu begreifen anfing, dass sich nicht alles um ihr Äußeres drehte oder drehen musste, aber es fiel ihr trotzdem unsagbar schwer, die Veränderung zu akzeptieren, solange diese noch Bestand hatte.
Allerdings kam sie nicht mehr dazu, eine Replik zu geben, wie ihre Sicht der Dinge war, wobei sie erstaunlicherweise das Gefühl hatte, es Fenny durchaus anvertrauen zu wollen. Denn der Waldelf tauchte auf und mischte sich mit einer kurzen Erklärung ein, die alles weitere überflüssig machte. Es überraschte sie, dass er so schnell wieder hier war, und es war ihr auch peinlich, denn er blieb an der Tür stehen und das Kräuseln seiner Nase, so niedlich es auch wirkte, machte ihr bewusst, dass er den Gestank wahrnahm.
Allerdings machte er sie diesen Umstand rasch vergessen, als er ihr Nachricht wegen ihres eigentlichen Anliegens brachte. Daran gewöhnt, eigentlich nie vollkommen allein zu sein, weil immer ein dienstbarer Geist in der Nähe abrufbereit sich aufhielt, sprang sie sofort darauf an und sprudelte schon wieder los. Ihr Herz schlug schneller und in ihre Augen trat ein hoffnungsvoller Glanz, endlich etwas Gutes für Corax tun zu können. Und er würde sich bestimmt darüber freuen zu erfahren, dass er doch eine Familie hatte, dass es Wurzeln gab, auf denen er aufbauen könnte.
Anstatt ihr aber ihre Fragen sofort zu beantworten, wirkte der Mann bei der Tür so, als... als hätte er etwas dagegen, dass sie etwas dazu gesagt hatte? Nein, sie musste sich täuschen. Auf der anderen Seite... warum schickte er zuerst die Heilerin raus? Schließlich besprachen sie hier nichts Verbotenes und... auch sie zählte zu den dienstbaren Geistern. Wobei, genauer betrachtet, war es auf jeden Fall schlauer, denn es ginge ja auch und vor allem um ihren Raben und ihm wäre es vermutlich nicht sonderlich recht, wenn zu viele zu viel von ihm wüssten.
Als hätte der Waldelf sie getadelt, biss sie sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Ehe Fenny jedoch gehen konnte, griff sie rasch nach ihrem Handgelenk und sah zu ihr mit einem kleinen Grinsen auf. "Du warst... tapfer.", schenkte sie ihr ein kleines Lob, auch in Anbetracht dessen, wie sich die bärbeißige Menschenfrau verhalten hatte.
Dabei war es sonst nicht ihre Art, sich so rasch wohlwollend über jemanden zu äußern, schon gar nicht, wenn diese Person gesellschaftlich nicht auf derselben Position stand wie sie. Ob es daran lag, dass sie durch die Sarmaerin erkannt hatte, dass nicht alle ihr gleich sein mussten, um sich ihnen zuwenden zu können und freundlich zu sein? Oder auch Corax? Oder hing es damit zusammen, dass sie ihr inneres Flämmchen gefunden hatte? Vielleicht hing es auch damit zusammen, dass sie derselben Art angehörte wie ihr Liebster? Fast könnte man meinen, sie hätte schlichtweg ein Faible für das dunkle Volk! Kurz schien es noch, als zwinkere sie ihr zu, dann löste sie ihre Finger bereits wieder und nippte ein letztes Mal an dem unbeliebten Getränk.
Wenig später war sie mit ihrem Erzeuger allein, der es nun trotz allem wagte, sich ihr zu nähern und zu ihr zu setzen. Sie sah zu ihm hin und senkte daraufhin ihren Blick wieder, fühlte ein weiteres Mal Scham in sich aufsteigen wegen ihres desolaten Zustands. Bei seiner Frage nickte sie knapp und konnte sich ein feines Grinsen nicht verkneifen. "Auch wenn ich beim nächsten Mal wieder mindestens einen vollen Löffel nehmen würde.", nuschelte sie in sich hinein. Apfelmarmelade mit Zimt konnte sie einfach nicht widerstehen und würde es vermutlich niemals schaffen...
Indes kramte er etwas hervor. Die Bewegung ließ sie aufmerken und fragend zu ihm hinsehen. Sie zögerte flüchtig, ehe sie das Blatt entgegen nahm und anstarrte, als verstünde sie nicht recht, was sie damit tun sollte.
Als er es ihr vormachte und sie den Eindruck bekam, dass es ihn erleichterte, ließ sie ihre Hand sinken und seufzte. "Ich bin eine Katastrophe...", murmelte sie in einem Moment wahrer Selbsterkenntnis und spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte.
Da war es nur gut, dass er ein wenig davon erzählte, auf welche Weise er ihr geholfen hatte, während sie sich unter der Decke gewunden und entlüftet hatte. So verhinderte er, dass sie in Tränen ausbrach oder in Selbstmitleid versank. Stattdessen schloss sie die Augen und versuchte, sich mittels Durchatmen zu beruhigen, um sich danach auf ihr eigentliches Ansinnen konzentrieren zu können.
Etwas gefestigter blickte sie wieder zu ihm. Langsam nickte sie. "Ich... ich war vorhin... nein, gestern war das schon, glaube ich, im Garten des Schneeglanzes." Endlich war ihr der Name des kleinen Areals wieder eingefallen, den dieses der hauptsächlich dort gepflanzten, blau blühenden Blumenart verdankte. "Eine kleine, hübsche Anlage, auch wenn gerade nicht die Blütezeit ist. Dort habe ich ihn gesehen, einen Mann, der aussieht wie Corax nur... jünger und mit beiden Armen. Er hat auf mich einen unbeschwerten Eindruck gemacht, aber es war schon spät und ich kann mich täuschen, aber ja... Dann ist er gerufen worden und inmitten von einigen dunklen Wächtern verschwunden, sie alle hatten dieses Wappen auf ihren Rüstungen, das auch auf dem Beutel eingestickt ist, den ich gefunden habe. Ich glaube, er hat danach gesucht... oder ihn versteckt." Sie zuckte leicht mit den Schultern, um zu verdeutlichen, dass sie sich diesbezüglich nicht sicher war.
Mehr gab es auch nicht darüber zu erzählen, sodass er Raum erhielt, das Wort zu ergreifen. Die junge Frau hörte ausnahmsweise zu, nickte auch, aber in diesem Gebiet fehlte es ihr an genauem Wissen oder sonstigen Erfahrungen. Erst, als er zu schmunzeln begann und ihr Herz wider besseren Wissens damit zu einem leichten Stolpern brachte, sah sie zurück auf das Blatt, das noch immer unbenutzt in ihrer Handfläche lag, die sie auf ihren unter der Decke verborgenen Oberschenkel gelegt hatte.
Bei dem Kompliment an Corax huschte auch über ihre Lippen ein Lächeln. "Oh ja, das ist er...", hauchte sie und spürte, wie sich ihre Wangen färbten.
Als er jedoch fortfuhr, verblasste dieser Ausdruck wieder und mit ernster Miene nickte sie, ohne die Augen zu ihm wandern zu lassen. "Sie wollten herausfinden, wie lange es dauert, bis er an ihren Forderungen und dem Leid zerbricht.", wisperte sie und schluckte schwer an dem Kloß, der ihr bei dieser Erinnerung an ihren Traum die Kehle verschließen wollte. "Sie haben ihm so viel angetan und er... er war ihnen hilflos ausgeliefert..." Erneut drohten Tränen in ihre Augen zu steigen, denn es tat ihr leid für ihn, was er hatte durchmachen müssen.
Lautlos seufzte sie und rieb sich mit der freien Hand flüchtig über die Augen, um im Anschluss daran den Kopf zu heben und die Schultern zu straffen. Fragend sah sie zu dem Waldelfen hin. "Aber wenn er kein Grauschelm ist, warum hat eine Buntschelmin ihn dann als solchen gesehen? Sie hat gesagt, sie spürt, dass er ihr Gegenteil ist.", erzählte sie und fühlte sich mit einem Mal unsicher, inwieweit sie dieser Begegnung und deren Aussagen noch vertrauen konnte.
Immerhin hatte es da auch einen Kuss zwischen ihnen beiden gegeben und... was, wenn das nur gewesen war, um sie von Corax wegzulocken? Azura wusste es nicht und hatte obendrein nicht die Möglichkeit, es herauszufinden.
Dafür kam ihr etwas anderes in den Sinn, das sie wieder zurück aus ihren Gedanken holte. "Wie geht das eigentlich?", sprach sie ihren Impuls aus, der durch ihre Überlegungen zuckte. Und als merkte sie selbst, wie zusammenhanglos das auf ihn wirken musste, konkretisierte sie:"Wer oder was entscheidet, welche Magie wir haben?"
Vielleicht war es dumm von ihr, dieses Thema anzusprechen, denn sie offenbarte damit ihre durchaus beachtliche Wissenslücke. Doch woher auch hätte sie diese stopfen sollen, wenn sie von allem rund um Magie stets ferngehalten worden war? Außerdem spukte dieser Gedanke schon seit seiner Offenbarung in ihrem Kopf herum, ohne dass sie ihn bislang hätte greifen können.
In der Zwischenzeit kam er zu einer gänzlich anderen Schlussfolgerung, die ihr wider Erwarten ein schiefes Grinsen auf die Lippen zauberte. "Wäre ich deine Schülerin, müssten wir in einem feuersicheren Raum sein.", gestand sie und erinnerte sich dadurch an noch etwas.
An starke Arme, die sie getragen hatten, an eine intensiver werdende Wärme und an gemurmelte Worte, die sie gehört hatte durch den Schmerz hindurch. Überraschend offen und tatsächlich ehrlich interessiert sah sie ihn an, als sie es zur Sprache brachte:"Was mache ich dir eigentlich schwer?"
Kaum hatte das letzte Worte jedoch ihre Lippen passiert, spürte sie, wie es sie leicht aufstieß. Bei weitem nicht mit den Qualen und dem Gestank vergleichbar, wie er noch vor kurzem dadurch entstanden war. Ja, im Prinzip eigentlich nur noch ein leicht verdorbener Geschmack und für ihre menschlichen Ohren auch lautlos. Aber eben vorhanden und dazu angetan, sie an ihren Zustand zu erinnern, sodass sie einen leidenden Laut von sich gab.
"Dieses... dieses Ritual, von dem du dauernd redest...", begann sie leise, unsicher und auch zögerlich. Trotzdem rang sie sich dazu durch, ihn daraufhin wieder anzusehen. "Glaubst du, dass es wirklich helfen kann...?", wagte sie es kaum, die Überlegung vor sich hin zu wispern.
Es kam ihr bereits wie eine Ewigkeit vor, als wandelnde Leiche durch Andunie zu laufen, und irgendwie auch wie eine Strafe, ohne zu wissen, womit sie diese verdient hatte. Dennoch kam sie allmählich zu der Erkenntnis, dass sie lange genug gelitten hatte und es womöglich nicht ganz so verkehrt wäre, endlich etwas dagegen zu unternehmen. Obwohl sie sich auch vor der Hoffnung scheute, die damit einher gehen würde und bei einem Misserfolg zerstört werden könnte.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 20. September 2023, 19:24

Offenbar hatte Kjetell'o tatsächlich etwas dagegen, dass zu viele von der möglichen Verbindung zwischen Corax und entdeckten Verwandten erfuhr. Warum sonst sollte er Fenny aus ihrer Pflicht entlassen und hinter ihr die Tür schließen. Erst dann widmete er sich der Beantwortung des Fragenbergs, den Azura ihm hinterlassen hatte. Wenigstens tat er dies und ließ sie nicht erneut allein. Sein letzter Abgang schien es allerdings wirklich nur darauf abgesehen zu haben, dass sich möglichst schnell um das Haus Faelyn und den geheimnisvollen Doppelgänger ihres Raben gekümmert wurde. Er fand dennoch Zeit, nach Azuras Befinden zu fragen. Die Schmerzen hatten nachgelassen, ebenso die stinkende Entlüftung ihres Körpers. Sie fühlte sich schon besser. Eindeutig gut genug, zuzugeben, dass sie sich erneut - auch auf nüchternen Magen - nicht zurückhielt, sollte Apfelmarmelade mit Zimt bereit stehen. Kjetell'os Augen blitzten einmal bei der Aussage auf. Dann schmunzelte er sanft. "Du wirst also nicht aus deinen Fehlern lernen?" Er musterte sie, als suchte er etwas in ihr, das er eigentlich längst gefunden hatte, aber er schwieg sich zu dem Thema weiter aus. Stattdessen stand Corax nun im Vordergrund.
Azura berichtete noch einmal genauer von ihrem Ausflug. Endlich fiel ihr auch der Name des Parks wieder ein oder vielmehr, wie er von den Bürgern genannt wurde. Sicherlich war er - wie die meisten Anlagen Andunies - nach irgendeinem hohen Herrn oder angesehener Dame benannt. Personen, die angesichts der dunkelelfischen Eroberung nun vergessen würden. Aber der Garten des Schneeglanzes blieb. Diesen Namen behielt er bei. Azura war er ohnehin lieber. Die Namen angesehener Persönlichkeiten zu kennen ließ sich zu sehr mit den historischen Lektionen ihrer Haus- und Hoflehrers vergleichen. Umso unliebsamer galten sie und umso lieber vergaß man sie. Was Azura nicht vergaß, war das Äußere des fremden Dunkelelfen, denn er hatte Corax bis auf's Haar geglichen. Trotz allem hatte er auf sie einen vitaleren, einen lebensfroheren Eindruck gemacht und dadurch ebenso jünger gewirkt. Es konnte natürlich täuschen. Und er besaß noch immer beide Arme. Sie glaubte Corax, dass er sich keinen bösen Scherz mit ihr erlaubt hatte. Natürlich nicht, wenn sie sich seine Reaktion zurück ins Gewissen rief. Er hatte mit Faelyn nicht viel anfangen können und es machte keinen Sinn, warum er dieses morgerianischen Haus ins Spiel bringen sollte. Nein, sie konnte sich unmöglich irren! Hier steckte etwas dahinter. Etwas, das mit Corax' Vergangenheit zu tun hatte. Ihr Traum hatte es ihr verraten, als schien Manthala mehr auf ihrer Seite denn Ventha. Jedenfalls in dieser Angelegenheit machte es den Eindruck, aber was kümmerte es sie schon? Hauptsache, ihrem Raben würde ein Weg eröffnet, der sein Glück bedeuten könnte. Faelyn verband er mit Adel. Es war ein Adelshaus. Wenn Corax dadurch in den Stand erhoben würde, bedeutete dies, dass er niemals und von niemanden jemals wieder Sklave genannt werden dürfte. Außerdem ... in einer Zeit, in der Andunie in dunkelelfischer Hand war ... galt ein Elf jener Spezies von gesellschaftlichem Ansehen dann nicht sofort als gute Partie? Wahrscheinlich würde sie als menschliche Adlige sich mehr anstrengen müssen, um ihr altes Ansehen wiederzuerlangen, aber mit Corax an ihrer Seite...
Die Gedanken kamen zu verfrüht. Sie hatte noch keine Antworten, auch wenn Kjetell'o offenbar einiges in die Wege leitete, damit sie jene erhielt. Deshalb war es auch nötig, dass wenigstens er von dem fremden Doppelgänger erfuhr. Kjetell'o lauschte aufmerksam, verzog aber keine Miene. Dass ihn die Nachricht berührte, erkannte man nur, weil er sein Schmunzeln einstellte. Er blickte ernst drein. Diese Information war auch für ihn interessant.
"Hat er ähnliche Kräfte an den Tag gelegt wie der Leidträger? Glaubst du, er könnte befähigt sein für seine ... spezielle Form von Schelmenmagie. Feenmagie?" Er hauchte es nur, aber voll Ehrfurcht. Hier hatte ein Magier ein Phänomen entdeckt, das ihn anzog wie Licht die Motten. Corax barg Geheimnisse, die Kjetell'o eben erst entdeckte. Die Möglichkeit zu haben, einen zweiten Begabten dieser Form sprechen zu können, stand im Raum und wäre natürlich mehr als ein Wunder. Azura würde ihn enttäuschen müssen und wenn er selbst darüber nachdachte, könnte er die gleichen Schlüsse ziehen. Solange besagter Doppelgänger nicht ebenfalls von Stockwesen entführt worden war, besaß er höchsten magisches Potenzial und wer wusste schon, in welche Richtung es sich entwickelte, falls überhaupt. Langsam wurde es Kjetell'o bewusst. Er seufzte und winkte ab. Azura musste die Frage nicht beantworten. So blieb es dabei, dass Kjetell'o ausschließlich Corax noch als ... interessant ansah. Azura nahm das Kompliment auf und er betrachtete er sie plötzlich mit einer Nachdenklichkeit, hinter der sich eine Spur Überraschung verbarg.
Wie aus dem Nichts heraus fragte er: "Liebst du ihn oder hat es andere Gründe, dass du ihn dir ... nahe hältst?" Die Alternative klang scheußlich, als stünde nur irgendein Zweck dahinter. Corax war sein Leben lang genug benutzt worden! Azura wusste dies und erzählte Kjetell'o von den Stockwesen, die ihn entführt hatten. Sie kannte den Grund. Diese Monster hatten ihren Raben wie ein Spielzeug benutzt. Sie hatten ihn dazu getrieben, die abscheulichsten Dinge zu tun, nur um sich zum einen an den Opfern zu ergötzen und zum anderen an all dem Leid, das es Corax verursachte. Sie hatten ihr Spiel jedes Mal eine Stufe weiter getrieben und fasziniert beobachtet, wieviel er ertragen konnte. Sie wollten wissen, wie lange es dauerte, bis jemand wie er an so viel Leid zerbrach.
Corax hatte durchgehalten. Er hatte etwa 120 Jahre durchgehalten, wenn Azura und er seinem geschätzten Alter Glauben schenken konnten. Das war um einiges länger als ein durchschnittliches Menschenleben und alles angefüllt mit Leid, mit ihm auferlegten Taten, die nur noch mehr Leid erzeugten. Dass seine Seele nicht zerbrochen war, sprach für ihn, aber wie zerstört sah es in seinem Inneren aus? Er klammerte sich an jedes Quäntchen Glück, an jede freundliche Geste, die man ihm entgegenbrachte. Selbst wenn sie von Serpentis Mortis gekommen wäre, weil er sich danach verzehrte. Er liebte Azura, weil sie ihm das gab, ohne ihn weiter zu zerstören. Er folgte Madiha, weil sie ihm Strukturen aufwies, ohne grausam zu sein. Er war mit Caleb befreundet, weil dieser beide einander schätzten, vollkommen ungezwungen. Und Kjetell'o? Corax sprach gut von ihm. Der andere Elf half ihm mit seiner Magie. Endlich ging es bergauf. Wie könnte Azura, wenn sie ihm nicht auch half, mehr über seine Vergangenheit herauszufinden und vielleicht Eltern oder Geschwister kennen zu lernen? Noch mehr, die seine gepeinigten Überreste mit Freundlichkeit überschütten könnten. Die Vorstellung war wundervoll und er verdiente sie nach über einem Jahrhundert, in dem seine Psyche gefoltert worden war. Allein die bloße Vorstellung vermochte es, Azura die Tränen in die Augen zu treiben. Sie hatte nur seine Visionen gesehen, teilweise seine Geschichten gehört. Wie musste es sein, das auszuhalten?
"Sie haben ihm so viel angetan und er ... er war ihnen hilflos ausgeliefert... Aber wenn er kein Grauschelm ist, warum hat eine Buntschelmin ihn dann als solchen gesehen? Sie hat gesagt, sie spürt, dass er ihr Gegenteil ist."
"Er glaubt, dass er ein Grauschelm ist", erklärte Kjetell'o. "Nun, er glaubte es, sollte ich wohl besser sagen. Er hat sehr fest daran geglaubt und irgendwie hat es sich in seiner Magie niedergeschlagen, aber ... nein, er ist es nicht. Es veränderte sich, als wir entdecken, dass er diese Leidenskräfte kanalisieren und umlenken kann. Zumindest vermute ich, dass es ihm irgendwann bewusst gelingt. Ich habe leider noch nicht erleben dürfen, wie er die Kräfte einsetzt, aber er hat es schon getan, sagte er. Kein Grauschelm kann das. Keiner von ihnen wandelt sein Leid in etwas Anderes um und kein Buntschelm bedient sich des Unglücks anderer. Corax greift sogar auf sein eigenes Leiden zu, was ihn...", Kjetell'os Augen funkelten kurz auf, "unglaublich mächtig macht. Ich würde ihn beinahe einen Meister seines Fachs nennen, aber ich kenne die Richtung nicht. Er ist kein Grauschelm. Er ist kein Buntschelm. Schelmenmagie leitet sich aus Feenmagie ab, aber diese konnte noch niemand beherrschen lernen, der keine Fee ist." Der Elf tippte sich gegen das Kinn, verfiel in nachdenkliches Schweigen. "Und es scheint viel mit seinem Glauben zusammenzuhängen. Er glaubt nicht an Götter, aber dennoch glaubt er ... und woran er glaubt, schafft Wirklichkeiten." Kjetell'o klatschte leicht in die Hände. "Ich finde es heraus." Dann lächelte er Azura schwach entgegen. Seine Augen erreichte es nicht. Das Gold darin bestand nur aus kleinen, glanzlosen Tupfen.
Azura riss ihn aus seinen Überlegungen. "Wie geht das eigentlich? Wer oder was entscheidet, welche Magie wir haben?"
Kjetell'o hob den Blick. "Ich nicht", lächelte er amüsiert, war aber bereit, mehr als nur diesen Scherz zu machen. "Grundsätzlich besteht in jedem Begabten ein Zugang zu Magie. Wird dieser gefördert, entwickelt sie sich. Die Art der Förderung kann schon ausschlaggebend für eine Richtung sein, ebenso die magische Linie in der eigenen Ahnenreihe. Feuermagier bringen eher andere Feuermagier hervor als beispielsweise Wassermagier. Letztendlich liegt es aber wohl auch am eigenen Gemüt. Die Seele wählt ihre Richtung. Sie entscheidet, was zu einem passt." Er stieß amüsiert Luft durch die Nase aus. "Meine schien nicht zu wissen, was sie tut." Dann wurde ihm bewusst, dass er es laut ausgesprochen hatte und er lachte es fort, wobei er abwinkte. "Ich bin niemand, der viel über die Theorie der Magie erklärt. Ich lehre auf praktischem Weg ... und nicht einmal das. Aber ich weiß genug, um mir eine gewisse Lehrfähigkeit zuzutrauen. Mit etwas Glück wird Madiha auf mein Angebot eingehen." Erneut verfiel er der Nachdenklichkeit, wirkte nicht ganz so unbekümmert wie sonst. Es war ihm ernst, ihr etwas beibringen zu wollen, ebenso wie es ihm ernst war, mit Corax und seinen Fähigkeiten zu arbeiten oder Azura zur Tochter zu ernennen ... etwas, von dem er sich nun wohl distanziert hatte, um ihr den Abstand einzuräumen, den sie brauchte. Noch hatte sie ihn schließlich alles andere als akzeptiert und das wiederum akzeptierte er. Trotz seiner feuermagischen Ader ging Kjetell'o hier wenig impusliv vor. Er kämpfte nicht um sein väterliches Vorrecht, wenn Azura es nicht wünschte. Er kämpfte eher mit sich selbst darum, es hinzunehmen - Azura zuliebe.
Azura schien seine Gedanken bereits zu erahnen. "Was mache ich dir eigentlich schwer?"
"Wie?" Kjetell'o schaute auf. Dann erinnerte er sich. "Oh, das hast du gehört! Nun..." Er räusperte sich, wich wieder ihrem Blick aus. "Ich werde mich dir nicht aufdrängen. Immerhin hast du auch einen Ziehvater und er scheint ein Mann zu sein, der es wert ist, ihn in Sicherheit zu wissen. Ich weiß, du bist gut behütet, sehen wir mal von der Tatsache ab, dass Andunie selbst gerade seine Schwierigkeiten hat. Du lebst das Leben einer Adligen. Was könnte man sich mehr wünschen? Jedenfalls nichts, das ich dir bieten könnte. Ich werde dich nicht drängen, den Kontakt mit mir aufzubauen, geschweige denn zu halten, aber ... dich zu halten. Dir nahe zu sein. Es ist schwer, zu widerstehen und nicht zu explodieren, wenn man Zugriff auf geballtes Feuer hat." Er vermischte hier die Metaphern. Es fiel ihm wohl leichter, es über seine eigenen arkanen Kräfte auszudrücken. Und dass er explodieren konnte, hatte Azura bereits kennen gelernt.
Kjetell'o schloss die Augen und atmete durch, bis sich erneut dieses milde Lächeln auf seine Züge stahl. Den Kopf in den Nacken gelegt, hob er wieder die Lider, blickte zur Decke des Raumes. Er betrachtete sich die dortige Malerie. Sie zeigte Bilder eines Meeres mit allerlei Schiffen und einem riesigen Kraken, der sie mit seinen Tentakeln umschlungen hielt, während Delfine und Möwen ihn attackierten. Nicht gerade das beste Motiv für einen Raum der Heilung.
Stille breitete sich aus, aber ehe sie unangenehm werden konnte, füllte Azura sie mit neuen Themen, über die man sprechen konnte. Themen, die von ihr und Kjetell'o als Vater und Tochter ablenkten. Themen, derer sie sich vielleicht eher annehmen sollte. Sie konnte nicht für immer wie eine Untote herumlaufen, vor allem nicht, wenn ihr mutmaßlicher Erzeuger behauptete, etwas dagegen unternehmen zu können. Er hatte von einem Ritual gesprochen.
"Glaubst du, dass es wirklich helfen kann...?"
"Glaube hilft mir hier nicht weiter. Ich kann es nur hoffen. Ich bin kein Ritualmagier, aber wir beschwören auch keinen Dämon. Trotzdem will ich es versuchen. Hast du die Perlen noch? Ohne sie wird es nicht funktionieren. Du musst vollkommen sein, um es auch optisch wieder zu werden. Außerdem brauchen wir ein Opfer als Paraphernalium - als Gunst, damit das Ritual eher gelingt. Und jemanden, der dir nahe steht, um alle Kräfte, die helfen könnten, gütig zu stimmen. Es geht nicht nur um dein eigenes Aussehen, sondern auch darum, dass sich andere wieder daran erfreuen können. Selbstlosigkeit und Opferbereitschaft werden häufig belohnt, ob von Göttern oder Magie. Letztendlich werden wir es aber nur herausfinden, wenn wir es wagen." Er suchte ein letzte Mal ihren Blick. "Falls du das möchtest. Es bedeutet, mir zu vertrauen."
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Donnerstag 21. September 2023, 14:13

Die junge Frau begehrte nicht dagegen auf, ihren weiblichen Beistand ziehen lassen zu müssen, um wieder allein mit dem Waldelfen zu sein. Zwar wunderte sie sich darüber, da sie einen anderen Zugang dazu hatte, aber im Endeffekt war es ihr relativ gleichgültig. Viel wichtiger, von viel größerer Bedeutung für sie war der Umstand, dass sie etwas Gutes für Corax tun könnte. Dafür brauchte sie jedoch Hilfe und diese schien sie bei ihrem Gegenüber erstaunlicherweise zu erhalten, trotz ihres Verhaltens am Vortag.
Einen Teil davon bereute sie längst, wenngleich das nicht zwangsläufig bedeutete, dass sie die Gelegenheit für eine Entschuldigung ergriff. Das war schließlich etwas, das ihre Eltern verabsäumt hatten, ihr beizubringen, die Wichtigkeit von ehrlicher Reue und dem Mut, dafür um Verzeihung zu bitten. Wenigstens war er nicht nachtragend genug, um sie mit weiterem Schweigen zu strafen.
Stattdessen kam er zu ihr und setzte sich sogar neben ihre Liege, auf der sie inzwischen saß, um mit ihr über die neuesten Erkenntnisse zu sprechen. Zu denen auch zählte, dass sie trotz allem nie und nimmer von einer ihrer liebsten Naschereien würde lassen können. Dazu hakte er nach mit einem Schmunzeln, das dazu führte, dass sie sich mit einem feinen, verlegenen Grinsen auf die Unterlippe biss. Eine Reaktion, die früher bei ihren Galanen durchaus Gefallen gefunden hatte und entsprechend bewusst eingesetzt worden war. Hier hingegen war es eine natürliche Geste, genauso wie das flüchtige Niederschlagen ihres Blicks.
Schließlich zuckte sie mit den Schultern und strich sich das unfrisierte, brüchige Haar zurück. "Nicht aus allen.", gestand sie und sah ihn an. "Und so, wie das Glas ausgesehen hat, kannst du das in diesem Fall nachvollziehen.", zeigte sie ihm, dass sie nicht ganz so blind war, wie es oftmals den Anschein hatte.
Ob sie hierbei gerade nach einer Gemeinsamkeit zwischen ihnen suchte, die dafür spräche, dass er ihr Erzeuger sein könnte? Wenn, dann nur absolut unbewusst, auch vor sich selbst als Beweggrund verborgen. Da war es vermutlich besser, sich ihrem Raben und dem eigentlichen Grund für ihre Zusammenkunft zu widmen.
Also erzählte sie, ein bisschen ruhiger als zuvor, von ihrer Begegnung und wusste auch endlich wieder, wo genau diese stattgefunden hatte. Der Garten des Schneeglanzes war früher einer ihrer liebsten Orte gewesen, wegen dem hübsch gestalteten Brunnen ebenso wie wegen der hauptsächlich dort gepflanzten Blumen, von denen der gebräuchlichere Name herrührte. Denn sie waren nicht nur schön anzusehen, nein, sie erinnerten in ihren verschiedenen Blautönen auch stets an ihr ureigenstes Element, wodurch sie sich ihnen umso mehr verbunden fühlte. Doch anstatt darüber ins Schwärmen zu kommen, versuchte sie, konzentriert zu bleiben und von dem Fremden zu erzählen, damit der Waldelf ein besseres Bild von ihm bekäme.
Dass die Herkunft ihres Liebsten womöglich adeliger Natur wäre und ihn dadurch umso begehrenswerter für ihresgleichen machen könnte, dessen war sie sich noch nicht bewusst. Tatsächlich waren ihre Gefühle für ihn viel zu ehrlich, als dass sie diesen, sonst eigentlich naheliegenden, Schluss schon gezogen hätte mit allem, was dieser mit sich bringen würde. Dass ihre Eltern stolz auf sie sein könnten, dass sie eine trotz allem vorteilhafte Partie machen würde mit ihm, aber auch, dass der Verlust seiner Zeugungsfähigkeit umso schwerer ins Gewicht fallen würde. Doch das war noch alles relativ fern, vordergründig ging es ihr erst einmal nur um diese mögliche Familienzusammenführung.
Während ihr Gesprächspartner andere Gedanken verfolgte und diese auch sofort äußerte. "Wie?", entkam es Azura und sie blinzelte fragend, weil sie nicht darauf vorbereitet gewesen war. Allmählich sickerte der Sinn seiner Worte in ihren Verstand und sorgten dafür, dass ihre Miene noch fragender wurde, da sie damit viel zu wenig anfangen konnte. Weder konnte sie die Ehrfurcht nachvollziehen, die aus der Stimme herauszuhören gewesen war, noch das Interesse daran an sich.
Dass ihr Rabe hingegen Geheimnisse in sich barg, das war auch ihr bewusst und auch sie wollte diese Stück für Stück lüften, wenngleich aus anderen Beweggründen. Nachdem er also sie einer Antwort, die sie ihm nicht geben konnte, enthoben hatte, sprach er etwas anderes an, auf das sie instinktiv und ohne nachzudenken reagierte.
Die Folge war eine Frage, die sie stocken ließ. Mehr noch, sie war in hohem Maße kränkend, solange sie jegliche Umstände ihres bisherigen Kennenlernens außer Acht ließe. "Wirke ich so niederträchtig?", hauchte sie mit leicht bebender Stimme.
Ehe sie den Blick abwandte und sich fester an der Tasse mit dem kalt gewordenen Kamillentee festhielt. Die aufsteigenden Tränen konnte sie mit Willenskraft und zusammen gekratzten Stolz fortblinzeln. Eigentlich hätte sie dabei bewenden lassen können, schließlich war sie ihm keine Rechenschaft schuldig. Auch könnte sie einfach die drei magischen Worte aussprechen und alles wäre gut gewesen.
Stattdessen fuhr sie leise, aber ungewöhnlich ehrlich und offen fort:"Ich will, dass er glücklich ist und Schönes erleben kann."
War das Liebe? Liebte sie ihn wirklich? Azura war sich selbst unsicher, denn sie hatte keinen Vergleich, da sie all dieses Gefühlschaos noch niemals durchgestanden hatte, und an das Vorbild der gelesenen Romanzen glaubte sie nicht, obwohl sie durchaus davon schon geträumt hatte. Andererseits sehnte sie sich nach seiner Nähe, danach, von ihm gehalten zu werden und noch ganz anderes mit ihm zu erleben. Auch hatte sie es ihm direkt schon gesagt und das in jenem Moment tatsächlich ernst gemeint. Jedoch war da weiterhin die Tatsache, wie rasch sie einen anderen Mann hatte begehren können, die sie so stutzig machte.
Was, wenn das keine echte, keine vollkommene Liebe war? Was, wenn sie Corax einfach nur... mochte? Mochte, wie jemanden, mit dem es einfach schön war, zusammen zu sein und Zeit mit ihm zu verbringen, aber nicht, sich mit dieser Person ein eigenes Leben aufzubauen? Zusammen zu halten, ganz gleich, was geschah, zueinander vorbehaltlos zu stehen und einander zu vertrauen, zusammen eine... eine Familie zu gründen? Nun, letzteres hatte er so oder so zunichte gemacht, solange sie keine Möglichkeit fanden, das rückgängig zu machen. Und trotzdem...
Lautlos seufzte sie und nippte, in Ermangelung einer besseren Tätigkeit, an dem immer scheußlicher schmeckenden Getränk. Danach suchte sie Ablenkung, indem sie mit dem Waldelfen weiter über die Vergangenheit ihres Raben redete, soweit sie diese bereits kannte. Doch auch die Einschätzung einer anderen Elfe kam dabei zur Sprache. Auch sie hatte daran geglaubt, schließlich wusste sie genauso wenig darüber wie Corax. Oder zumindest hatte er den Eindruck glaubhaft vermittelt.
Wenn sie nun hingegen den anderen so zuhörte, kamen ihr allmählich Zweifel. Leicht schüttelte sie den Kopf und nun war sie es, die mehr zu sich als zu ihm murmelte:"Dabei hat er sich so gewehrt dagegen, dass er Magie wirken kann. Dass er Schuld an der Goldkette war..." Nur zu deutlich erinnerte sie sich an seine Wut und Verzweiflung, als nichts und niemand das Kettchen hatte lösen können, das sie so lange miteinander verbunden hatte. Bis sein Inneres plötzlich die Wahrheit erkannt hatte und schon waren die feinen Glieder zersprungen, hatte sich diese Fesselung aufgelöst, als hätte es sie nie gegeben. Oh, was hatte sie ihm Vorwürfe gemacht davor... und danach deswegen!
Oder die Sache mit ihrer optischen Erscheinung, auch da hatte er die Finger im Spiel gehabt. Und die Zeit auf dem Zwergenschiffs, in der sie geschlafen hatte, länger, als es normal gewesen wäre. In diesem Fall hatte er ihr ebenfalls nicht erklären können, wie es dazu hatte kommen können. Dafür hatte er sie auf die Arme genommen und war unzählige Stiegen hochgelaufen, damit sie sich rasch in dieser stinkenden Nische erleichtern könnte, ohne sich einnässen zu müssen.
Worin sie danach sein bestes Stück das erste Mal in den Fingern gehalten hatte... wenn auch nicht mit jener Absicht, die sie wenig später hatte dahin schmelzen lassen. Unwillkürlich zuckte ein Grinsen bei der Erinnerung an diesen Moment, so unangenehm er damals auch gewesen war, über ihre Lippen. Er hatte sie demütigen wollen und dabei nicht bedacht, welche Macht er ihr eigentlich gegeben hatte, bis er es schmerzhaft hatte spüren müssen. Es war ein Schlagabtausch gewesen, bei dem sie gewonnen hatte. Und der fortgeführt hatte, was auf dem Schiff begonnen hatte, um in den heißen Quellen einen Höhepunkt zu finden.
Die junge Frau löste sich aus ihren Erinnerungen und kam gedanklich zu einer anderen Frage, die sie ebenfalls schon länger beschäftigte. Diese entkam ihr, ehe sie sich auf die Zunge beißen konnte... und auch wollte. Wahrscheinlich war es sogar ganz gut, obwohl sie keine sonderlich befriedigende Antwort bekam.
Der Waldelf reagierte darauf und erzählte ihr Dinge, die sie im Prinzip schon wusste, denn in ihrem Unterricht war dieses Thema durchaus schon aufgetaucht. Aber eben immer nur am Rande und immer nur so, wie auch er es jetzt erwähnte. Dass es vererbbar war und dass es gefördert werden musste. Ja, nur... was hatte es dann mit dem Flämmchen in ihrem Inneren auf sich?!
Leise seufzte sie und sah aus dem Fenster. "Die Seele wählt...", nuschelte sie in sich hinein und wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Deutete sie das richtig, dann würde es heißen, dass sie zerrissen wäre? Dass sie sich nicht entscheiden könnte, was sie eigentlich wollte, wer sie eigentlich war? Oder war dieses Flämmchen nicht ein Symbol für eine feuermagische Veranlagung? Bildete sie sich nur ein, dass sie solch eine Besonderheit haben könnte? Aber wieso fühlte es sich dann stets so an, als würde ihre eigene Wassermagie ihr Lebenslicht auslöschen können? Und warum hatte sie diesen Frieden wiederum verspürt, als sie die Flüssigkeit in ihrem Inneren zu einem Schild geformt hatte, der dem Flämmchen etwas Platz zum Verschnaufen und Schutz gewährt hatte?
Plötzlich folgte ein amüsierter Laut und eine Aussage, die abrupt zu dem Waldelfen zurück sehen ließ. "Wie meinst du das?", schoss es wie eine kleine Welle aus ihr heraus, als er auch schon lachte und abwinkte. Er wiegelte ab, sprach stattdessen von anderem und wurde dann wieder still.
Doch seine Aussage von zuvor ließ sie nicht los. Zwar starrte sie ihn nicht auffordernd an, allerdings war ihr anzumerken, dass sie gerne eine genauere Erklärung hatte.
Womöglich war es ein Zeichen, ein Aspekt, dass sie tatsächlich... verwandt sein könnten? Dass es der Grund dafür wäre, warum in ihrem Inneren dieses Flämmchen existierte? Sollte sie ihm davon erzählen? Nein, er würde sie nur auslachen, bestimmt, und ihr damit verdeutlichen, dass sie wirklich nicht so besonders war, wie sie es gerne gehabt hätte... wie sie sich früher stets zu sehen versucht und sich entsprechend benommen hatte. Die Aufmerksamkeit ihres Kreises war ihr sicher gewesen und hatte sie in dieser Illusion nur bestärkt. Nein, besser wäre es, ihre Gedanken wieder vermehrt für sich zu behalten und was sie selbst betraf erst recht.
Dafür erinnerte sie sich an etwas anderes und das führte sie zu ihrer nächsten Frage. Damit schien sie ihn zurück in die Wirklichkeit zu holen, auch wenn er nicht so wirkte, als wüsste er gleich, worauf sie anspielte. Bei seiner Erkenntnis runzelte sich ihre Stirn ein wenig, jedoch wartete sie dieses Mal ab, drängte nicht sofort nach. Es war, als spürte sie, dass es, wenn es um sie ging, geeigneter war, in ruhigen Gewässern zu bleiben. Tatsächlich wurde sie mit einer ausführlichen Antwort belohnt.
Langsam nickte sie. "Mama liebt ihren Gatten und er... er hat mich immer wie sein eigen Fleisch und Blut behandelt.", fügte sie seiner Erkenntnis hinzu, verbiss sich aber den Hinweis darauf, dass Alycide sie zu sehr verhätschelt hatte und dass aus der Ehe kein leibliches Kind hervor gegangen war. Doch genauso verschwieg sie den Umstand, dass der goldene Käfig, von außen betrachtet, nicht ganz das Glück gebracht hatte, das gemeinhin angenommen wurde.
Er indes fuhr fort und sorgte dafür, dass sie fragend den Kopf schief legte. "Warum explodieren?", hakte sie mit ehrlicher Verständnislosigkeit nach. Denn sie begriff es nicht.
Wären die Dinge anders, so wie zwischen ihr und Corax, dann könnte sie sich mitunter einen Reim darauf machen. Allerdings... so? Zwischen vermutetem Vater und Tochter? Was sollte da Grund zur Explosion eines Feuermagiers sein, sofern sie nicht gerade gehörigen Unsinn anstellte?
Jedoch kam ihr noch etwas anderes in den Sinn. "Hast du Mama geliebt?", platzte es aus ihr heraus, ehe sie sich zügeln konnte.
Das wollte sie eigentlich gar nicht hören, sich noch weniger vorstellen, wie es dazu gekommen war, dass sie entstanden war. So etwas wollte man als Kind immerhin nie wissen oder sich gar ausmalen, dass auch die eigenen Eltern... nun ja, körperliche Bedürfnisse hatten. Aber... wenn er immer wieder davon anfing, dass er für ihre Existenz mitverantwortlich war, und sie ihr Misstrauen nicht ewig aufrecht halten konnte... dann war diese Frage legitim.
Gleichfalls jene nach dem Ritual, nachdem sie Zeit gehabt hatte, diese Möglichkeit in ihr Bewusstsein sacken zu lassen. "Sie sind in meinem Zimmer.", murmelte sie und dachte flüchtig daran, dass sie dieses Säckchen mit den Perlen neben die Schriftrolle gelegt hatte, um die Hände frei für den Beutel und seinen Inhalt zu haben. Und dass Corax aufgeräumt hatte, während sie in Manthalas Reich gewandelt war. Bestimmt hatte er gut darauf aufgepasst!
Azura biss sich auf die Unterlippe und überlegte kurz, bevor sie sich einen inneren Ruck gab. "Ein Opfer hätte ich.", gestand sie leise und trotz dieses Entschlusses, den sie gerade gefasst hatte, es ihm zu sagen, fühlte sie sich ein wenig unbehaglich dabei. Vor allem aber unsicher, ob es das Richtige wäre. Mit einer gewissen Scheu erwiderte sie seinen Blick und begann, wieder auf ihrer Unterlippe zu nagen.
Nach seinen letzten Worten sah sie erneut in Richtung Fenster und überlegte. Konnte sie es wagen und sich in seine Hände begeben, ihm vertrauen? Wollte sie das? Würde es funktionieren? Und was... wenn nicht? Wobei... was hatte sie zu verlieren? Was könnte noch schlimmer werden?
Unwillkürlich hob sich ihr Mundwinkel zu einem kleinen, bitteren Grinsen an. "Wir sollten es wohl versuchen... Ich kann es nicht verantworten, dass noch mehr Nasen und Augen wegen mir leiden müssen, nicht wahr?", versuchte sie, darüber zu scherzen. Nur wollte ihr ein leichter Tonfall dabei nicht gelingen. Dazu litt sie dann trotz allen Verdrängens doch zu sehr unter dieser Erscheinung.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Montag 25. September 2023, 09:38

Falls Kjetell'o nachtragend war, zeigte er es nicht offen. Azura konnte sich nicht sicher sein, wie es um ihn stand. Er kam zurück zu ihr, er setzte sich sogar neben sie. Er redete mit ihr, blieb dabei freundlich und ruhig, wie sie ihn kannte. Aber etwas hatte sich verändert. Er hielt sich selbst auf Distanz. Der Elf kam ihr längst nicht mehr so nahe wie zu dem Zeitpunkt, bevor er seine Behauptung ihr Vater zu sein offen ausgesprochen hatte. Dabei besaß Azura immer noch keine Beweise für seine Worte. Sie entdeckte höchstens kleine Gemeinsamkeiten. Kjetell'o war Feuermagier. In ihr brannte ein Flämmchen. Endlich durfte es brennen, endlich gab es eine Chance für den Funken, nicht in Angst zu vergehen. Das Wasser, das es zerstören konnte, wurde zum Wächter, wenn sie es nur richtig zu formen wusste. Vorausgesetzt, es handelte sich bei dem kleinen Feuer auch um Magie. Vielleicht war es auch nur ihre Seele selbst und sie hatte doch nichts mit Kjetell'o gemein. Abgesehen von seiner Vorliebe zu Apfelmarmelade mit Zimt! Ohja, nicht nur Azura konnte der Köstlichkeit nicht widerstehen. Der Löffel im Glas sprach doch Bände! Sie deutete es auch an und er ... schmunzelte verlegen. Er kratzte sich sogar an der Wange, weil er nun seinerseits ihrem Blick nicht standhalten konnte.
"Eine gewisse Vorliebe zu andunischer Apfelmarmelade mit Zimt kann ich sehr gut nachvollziehen ... nicht einmal die eingekochten Früchte meiner Heimat schmecken so verführerisch. Auch ich nehme Bauchschmerzen und ... mehr dafür in Kauf." Bei dem Mehr zuckten seine Nasenflügel unbewusst. Er ging aber nicht näher darauf ein, aus Taktgefühl gegenüber der ohnehin blamierten Adligen.
Stattdessen widmeten er und Azura sich anderen Gesprächsthemen. Corax stand bei beiden schnell wieder im Vordergrund und mit ihm der Bericht von Azuras Besuch im Park. Sie erzählte von dem Doppelgänger, dem gefundenen Beutel und den Faelyn, die irgendwie mit allem in Verbindung standen. Kjetell'o hörte aufmerksam zu. Hin und wieder berührte er nachdenklich sein Kinn oder ließ den Blick schweifen, ebenso wie seine Überlegungen, kehrte jedoch mit alter Aufmerksamkeit zu Azura zurück. Man bemerkte, dass er offenes Interesse an Corax hatte - nicht auf romantischer Ebene wie es bei Azura der Fall war. Für Kjetell'o schien der Rabe ein Mysterium, deren Lösung ihn reizte wie nichts Anderes. Er wollte dessen magische Komponenten ergründen und ihm im gleichen Maße helfen, diese für sich zu nutzen. Auch er wollte nicht, dass Corax unter dem, was er selbst für Grauschelmenmagie hielt, litt. Seinerseits hakte er aber auch bei Azura nach, wie sie den Raben sah und fragte gleich, ob sie ihn wirklich liebte oder nur darauf aus wahr, ihn zu nutzen.
"Wirke ich so niederträchtig?"
"Niederträchtig...", wiederholte Kjetell'o das Wort. "Hm..." Er antwortete Azura nicht sofort, sondern verfiel erneut in eine gewisse Nachdenklichkeit. Sein Blick wanderte zu den eigenen Händen, dann in die Ferne und eine ganze Weile blieb er still. Schließlich meinte er, ohne zu seiner mutmaßlichen Tochter zurückzuschauen: "Nein. Du bist es nicht."
Das stimmte. Niederträchtig waren alle, die Corax' Leben zuvor gekreuzt hatten. Jedes einzelne Geschöpf, angefangen bei den Stockmännchen, welche sich Dank Kjetell'os Erklärungen nun als bösartige Kobolde erwiesen hatten. Unter ihnen hatte Corax am stärksten und am längsten gelitten und man konnte ihnen auch eine Schuld zuschreiben, warum es den Dunkelelfen in Arme wie des missbrauchsbereiten Orks, der schaurigen Schneiderin oder auch Serpentis getrieben hatte. Sie hatten ihn bewusst zu Herrschaften geführt, unter denen er nur noch mehr litt. Sie hatten ihr Spielzeug getestet und jedes Mal eine weitere Stufe erklommen, um zu schauen, wann es zerbrach. Corax hatte sich als stark erwiesen. Er hatte allem Leid standgehalten, aber dennoch war seine Seele nicht unberührt davon geblieben. Die anderen, die kleinen und sehr düsteren Abschnitte seiner Geschichte zeugten davon. Jene, die auch Azura Angst machten ... jene mit Nadel und Faden oder Momente, in denen er scheinbar blind, aber sehr mörderisch handelte. Die meiste Zeit hatte er sich im Griff. Umso abartiger aber reagierte er in seinen wenigen, aber schwächsten Momenten. Sie musste ihn davon losbekommen. Sie wollte, dass er es hinter sich lassen und endlich glücklich sein konnte. Mit ihr? Wollte sie an seiner Seite bleiben? Liebte sie ihn wirklich auch über den Moment hinaus, da ihr diese Worte aufrichtig entkommen waren? Die Zeit würde es zeigen. Zunächst einmal wollte sie nur das Beste für ihn. Wenn das bedeutete, dass er auch seine arkanen Kräfte förderte, dann gehörte das dazu.
"Dabei hat er sich so gewehrt dagegen, dass er Magie wirken kann. Dass er Schuld an der Goldkette war..."
"Ah, das goldene Kettchen. Ja, davon hat er mir erzählt." Kjetell'o lächelte schwach. Seine Hand zuckte vor, in Azuras Richtung, als wollte er sie auf ihr Bein legen, um ein wenig Beistand zu leisten. Sie verharrte schwebend in der Luft. Dann zog er sie zurück. "Ich schätze, nun bin ich es, der mehr über diese Hintergründe weiß. Möchtest du davon erfahren?" Natürlich wollte sie. Es wäre seltsam, wenn Azura nun ablehnte. So offenbarte ihr der Shyáner: "Der Leidträger erzählte mir, dass ihm sehr wohl bewusst war, dass Magie in ihm lungerte. Er kannte sie und hatte sie schon oft eingesetzt. Aber sie hatte immer nur zu Leid geführt und auch die goldene Kette, mit der er deine Seele am Leben festhielt, schien letztendlich zu Leid zu führen. Er hat mir erzählt, wie du unter der Zwangsverbindung gelitten hast. Es tat ihm leid, aber zugleich war er glücklich, dass du auf diese Weise bei ihm warst. Er fühlte sich nicht allein. Mehr noch, er hatte Spaß in der Zeit mit dir. Er hatte Spaß, weil deine Nähe sich gut anfühlte, ohne dass er deine Seele zerreißen musste. Du hast ihm Heilung gebracht, ohne es zu wissen und das wollte er unter keinen Umständen mehr loslassen. Er legte alle Kräfte in diese Kette, allen Glauben." Kjetell'o stutzte plötzlich. "So sehr, bis ich es selbst glaubte. Wenn ich dran glaube, wird es wahr. das hat er gesagt. Er hat so intensiv geglaubt, dass diese goldene Kette nicht sein Werk war, euch aber für immer zusammenhalten würde, bis er selbst nicht mehr wusste, woher sie stammte. So lange, bis die Erkenntnis zu ihm zurückkam und die Glieder sprengte. Es ist ... erstaunlich, wozu er fähig ist."
Über diesen Bogen kamen sie auf Magie allgemein zu sprechen. Das enttäuschte Azura allerdings, denn Kjetell'o erzählte ihr hier nichts Neues. Er verpackte die Worte lediglich in anderes Papier. Er meinte, die Seele wählte sich ihre Richtung. Warum tobte in ihr selbst dann stets ein Kampf? Wenn ihre Seele die kleine Flamme war, fürchtete sie ihre Magie. Wenn es andere Magie war, warum entschied ihre Seele sich dann, diesen gegensätzlichen Samen in ihr zu pflanzen, wo sie doch längst dem Wasser verfallen war? Die Seele schien ein unschlüssiges, spontanes Ding zu sein. Auch Kjetell'o deutete etwas in diese Richtung an, als er meinte, seine wisse nicht, was sie tat.
"Wie meinst du das?", fragte Azura nach, da es ihr angesichts ihrer eigenen Lage unter den Nägeln brannte. Er hingegen lächelte warm und ruhig wie üblich. Etwas, das sie zur Weißglut treiben konnte. "Sehe ich für dich wie ein Magier aus, der ganze Städte mit einer einzigen arkanen Explosion in ihr Unglück stürzen könnte?" Seine Mundwinkel zuckten hoch, dann schüttelte er den Kopf. "Nein, so viel Macht wohnt mir nun auch nicht inne, aber ... Feuermagie ist wild, ungestüm, herrisch udn zerstörerisch ... in den meisten Fällen. Du kannst nicht behaupten, dass sie zu mir passt." Er seufzte aus, sein Blick haftete nun aber so fest an Azura als wäre er ihr erneut immens nahe. Sie konnte das Gold darin funkeln sehen. "Ich habe mich gewandelt ... und meine Kräfte müssen mit dieser Entscheidung leben." Dann löste er den Blickkontakt auf, streckte beide Hände über sich hinweg und reckte seinen Körper, bis einige kleinere Glieder knackten. "Unnngh ... aber es funktioniert und ich bin ziemlich dankbar dafür. Es funktioniert wunderbar. Es geht mir erheblich besser." Wieder wanderten seine Augen zu ihr. Leider funkelten die Goldsprenkel darin nun nicht mehr so schön wie noch zuvor. "Nur die Fehler der Vergangenheit kann ich nicht ungeschehen machen."
Fehler. Ein böses Wort, bedachte man, was in Azuras Kopf vor sich ging. Aber Kjetell'o konnte keine Gedanken lesen. Er ahnte nicht, wie sie über all dass dachte. Sie ließ ihn auch nur durch eine einzige, wenngleich sehr wichtige Frage daran teilhaben.
"Hast du Mama geliebt?"
Stille hing für mehrere Herzschläge in der Luft. Sie wischte die Warmherzigkeit von Kjetell'os Zügen. Er schaute ernst drein, als er Azura endlich antwortete: "Nein." Erneute Stille. Er bemerkte selbst, dass es nicht reichte, also setzte er nach: "Doch. Aber es war eine andere Form von Liebe. Die Liebe eines Feuermagiers, der sein Leben lebte wie seine Kräfte es zuließen. Wild, ungestüm, impulsiv ... leidenschaftlich. Es war keine Liebe, wie du diesen Begriff definieren würdest. Die Liebe eines Feuermagiers ist heißer und leidenschaftlicher als alles andere auf Celcia, aber sie währt nur so lange, wie er etwas zum Verbrennen findet. Danach erlischt sie und zurück bleit zerstörtes Land ... Asche." Er musterte Azura lange. "Aber ich sehe, dass das Land sich mehr als erholt hat." Das Lächeln kehrte in seine Miene zurück und mit ihm aufrichtige Herzlichkeit. Er sah glücklich aus, immens glücklich und zufrieden.
"Verzeih mir." , murmelte er und räusperte sich dann. Lauter sprach er weiter, ging auf das Ritual ein, das noch ausstand. Azura mochte seiner kurzen, aber intensiven Lustliebe entsprungen sein, aber sie hatte sich gemacht. Es wurde Zeit, dass man das auch wieder nach außen hin sehen konnte. Dazu benötigten sie zwingend Azuras Seelenperlen, welche sie bei Corax in ihrem Zimmer wägte. Falls er sie wie alles andere aufgeräumt hatte, würde eine Frage genügen, um es zu erfahren. Auch ein Opfer besaß sie und berief sich gedanklich bereits wieder auf die Schriftrolle der Wassermagie zurück. Sie würde Ventha dieses Opfer bringen müssen, verbunden im Ritual, um beide zufrieden zu stellen. Im Grunde war das ein kluger Schachzug. Sie schlug zwei Fliegen mit einer Klappe. Das Ritual könnte gelingen und Ventha hätte ihre niedergeschriebene Magie zurück ... brauchte sie diese überhaupt? Wohl kaum, trotzdem war sie an der Rolle interessiert. Es musste Azura nicht kümmern, solange sie sich damit von ihr freikaufen könnte, um wieder schön zu sein. Somit blieb nur noch das Ritual selbst.
"Wir sollten es wohl versuchen ... Ich kann es nicht verantworten, dass noch mehr Nasen und Augen wegen mir leiden müssen, nicht wahr?"
"Nur meine Nase, dein Anblick ist bezaubernd", erwiderte Kjetell'o, so unverblümt, dass man keinen heuchlerischen Charme dahinter vermutete. Er meinte, was er sagte. Für ihn war Azura ein erfreulicher Anblick, aber er sah sie eben auch mit anderen Augen. Ein Vater hatte sein Kind gefunden. Es würde für ihn immer die Allerschönste sein. Ihre Düfte hingegen...
Kjetell'o erhob sich. "Im Grunde ist alles vorbereitet, sobald wir dich, die Perlen, das Opfer haben und ... es fehlt eine Person, die dir nahe steht. Jemanden, mit dem du dich eng verbunden fühlst. Es symbolisiert den Anker, an den sich dein Leben klammert, um dem Ritus zu verdeutlichen, dass dein Platz hier ist und nicht an der Seite der Götter in einer Nachwelt, die wir alle noch früh genug zu sehen bekommen werden. Im Grunde ist auch der Raum gleichgültig. Wir können den Leidträger wecken, deine Habseligkeiten holen und direkt in deinem Zimmer das Ritual beginnen. Wir können aber auch jeden anderen Ort nehmen - falls dir ein anderer lieber wäre."
Azura hatte die Wahl. Sie konnte auf das Ritual einwirken, indem sie einige Faktoren zu ihren persönlichen Gunsten veränderte. Es gelänge vielleicht eher, wenn sie sich an dem Ort wohlfühlte, an dem es vollzogen würde. Sie brauchte natürlich noch eine Vertrauensperson. Kjetell'o schien sich von Anfang an auszuschließen, obwohl er ihr Erzeuger war. Würde das reichen? Sondelrich nahe standen sie einander noch nicht und Azura hatte alles über das Wissen der Blutsverwandtschaft hinaus seither eher abgeblockt. Reichte das? Ansonsten blieben noch Corax oder ... ihre Mutter, in ihrem Anwesen. Sie hatte die Wahl. Sie musste nur eine Entscheidung treffen.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Mittwoch 4. Oktober 2023, 20:50

Dass er sich ihr nicht mehr auf jene Weise näherte wie zuvor, bemerkte sie und machte sich durchaus ihre Gedanken dazu. Obwohl er mit ihr sprach und ihr sogar half, etwas für Corax zu erreichen, konnte sie sich nicht sicher sein, ob dieser Wandel darauf beruhte, dass sie ihn gekränkt hatte. Oder dass er akzeptiert hatte, dass sie ihm nicht glauben konnte... wollte... Und sie war sich nicht klar darüber, was sie davon halten sollte.
Auf der einen Seite war es gut für sie, keine Frage. Sein Duft verstand noch immer, ihre Sinne zu benebeln, sofern ihre Nase nicht gerade von ihrem eigenen Gestank verätzt war, und seine gesamte Erscheinung könnte sie unvermittelt erneut in Flammen setzen... im übertragenen Sinne. Da war es definitiv besser, wenn er von sich aus Abstand zu ihr hielt, wenn er tatsächlich ihr Erzeuger war. Auf der anderen Seite indes glaubte sie, seine Nähe und seine Berührungen schon jetzt zu vermissen, obwohl sie nicht auf jene Weise gemeint gewesen waren, wie sie es lange geglaubt hatte.
Sie war im Zwiespalt, mehr denn je, und trotzdem wollte sie sich vordergründig mit ihrem Raben beschäftigen, auch, um genau dieses Problem zu übertünchen. Wie schon mit ihren Gefühlen für ihren Liebsten versuchte sie, so lange davor die Augen zu verschließen, bis ihr selbst das gegen die Wahrheit nicht länger helfen konnte, um sich nicht mit dn Konsequenzen dessen beschäftigen zu müssen. Und dennoch... das Ignorieren in Gegenwart des Waldelfen fiel ihr um einiges schwerer als damals, als sie noch dachte, gegen Corax auf ihre Weise kämpfen zu müssen.
Im Moment wollte sie eine Art gemeinsame Versuchung betonen, die sie irgendwie miteinander verband. Er wirkte peinlich berührt und gab ihr eine Erwiderung, die es in ihren Augen aufblitzen ließ. Natürlich gab es nichts besseres als die Produkte ihrer Heimat, egal, in welchem Grad der Verarbeitung!
Er selbst mochte noch so anziehend und verlockend sein, sie war Andunie viel zu sehr verbunden, als dass sie etwas anderes als den Umstand, dass die Apfelmarmelade hierzulande am besten schmeckte, akzeptiert hätte. Schon wollte sie, mit merklichen Stolz natürlich, darauf hinweisen, als er seiner Bemerkung einen Nachsatz mitsamt einer kleinen, feinen Geste seiner Nase abschloss, die ihr jegliche Worte dazu nahm.
Die Röte schoss ihr in die fahlen Wangen und beschämt sah sie zur Seite. Fest die Hand in die schützende Decke gekrallt, musste sie mit sich ringen, um etwas anderes als ihr Bedürfnis, am liebsten jetzt und sofort im Boden zu versinken, wahrnehmen zu können. Es dauerte ein paar Momente, in denen er dieses Thema zu ihrem Glück nicht vertiefte, ehe sie es schaffte, sich dem eigentlichen Grund zwischen ihnen wieder zu widmen.
Was schließlich in eine Frage gipfelte, die sie so nicht hätte stellen dürfen, denn seine Reation kam einem Dolch gleich, den er ihr in ihre Seele zu rammen schien und darin erst einmal gemächlich darin drehte. Indem er ihr nicht sofort widersprach, verletzte er sie und half ihr dabei, sich unbewusst noch stärker dagegen zu wehren, ihn als ihren Erzeuger anzusehen. "Verstehe...", hauchte sie kaum hörbar und mit deutlich belegter Stimme, während ihr bereits die Tränen in die Augen schossen.
Hastig wandte sie den Blick ab und schluckte krampfthaft, um Haltung zu wahren. Zumindest jene, die nach allem noch von ihr übrig war. Sie bemühte sich, ihre Empfindungen tiefer zu vergraben und dadurch erfolgreicher in sich zu verschließen. Dabei dachte sie unwillkürlich an das Flämmchen in ihrem Inneren, das von einer undurchdringlichen Wasserwand umgeben und beschützt wurde. Ob dies mit ihren Gefühlen ebenfalls möglich wäre?
Früher war ihr das gelungen, so erfolgreich, dass sie damit die Einsamkeit, die in Wahrheit in ihrer Seele geherrscht hatte, hatte verbergen können, sogar vor sich selbst. Aber seit sie mit Corax zusammen getroffen war und mehr noch, ihr Herz an ihn verloren hatte, schien es ihr, als wäre sie viel dünnhäutiger geworden. Oder anders gesagt... schwächer, verletzlicher.
Da half es auch nichts, als der Waldelf nach einer gefühlten Ewigkeit doch noch verneinte, dass sie nicht niederträchtig wäre. Der Schaden zwischen ihnen beiden war angerichtet. Wahrscheinlich war es im Endeffekt eine gerechte Retourkutsche für ihre Kränkung ihm gegenüber und dennoch... Nun war sie es, die sich vornahm, sich vor ihm zurück zu ziehen und auf Distanz zu gehen. Leicht war es nicht und ob es ihr wirklich gelang... dessen war sie sich auch nicht sicher.
Dazu bedeutete ihr der Rabe viel zu viel und wollte sie ihr Möglichstes tun, um ihm eine Freude bereiten und ihm einen Halt geben zu können. Denn sie wusste nicht zu sagen, ob und wie lange sie an seiner Seite bleiben würde. Derzeit wollte sie es, fühlte sich wohl bei ihm und er brachte ihr Herz dazu, schneller zu schlagen. Allerdings gab es noch viele andere Nuancen und sie war eben nur ein Mensch. Sie würde rascher altern und sollte irgendwann einmal ihr Wunsch nach einem Kind an die Oberfläche drängen, wäre er nicht in der Lage dazu. Nein, auch wenn sie es nur ungern zugab, früher oder später würden sich ihre Wege vermutlich trennen.
Bis dahin jedoch wollte sie ihm Gutes tun und ihm helfen, sich etwas aufzubauen, das ihm einen Halt geben würde, ganz gleich, ob sie an seiner Seite wäre oder nicht. Nie wieder sollte er auf die Idee verfallen, sich ein Körperteil selbst entfernen oder jemand anderes töten zu müssen! Er sollte leben, lachen und... und lieben! Das war ihr wichtig und dafür war sie so manches zu tun bereit.
Dass sie hingegen das Kettchen erwähnte und dabei auch gehört wurde... lenkte ab. Zuerst schluckte sie und erneut röteten sich ihre Wangen, wenngleich etwas weniger als vorhin. Aber sie konnte endlich ihre Tränen hinunter würgen und nickte ihm knapp zu, weil sie dem verräterischen Klang ihrer Stimme nicht traute. Ja, sie wollte eine Antwort darauf haben, und ja, sie hörte dieses Mal auch zu. Auch wenn sie ihn dabei nicht ansehen konnte. Dass er sie nicht berührte, war in diesem Fall von Vorteil, da sie es vermutlich abgelehnt hätte.
Also lauschte sie und hatte gleich zu Beginn einen Grund, ihre Stirn zu runzeln. Seele am Leben festhalten? Wie meinte er das? Sie presste die Lippen aufeinander und versuchte, sich selbst einen Reim darauf zu machen, ehe sie eine Frage stellen würde, bemühte sich, ihre Erinnerungen zu sortieren und zu einer Lösung zu kommen. Corax hatte sie entführt und sie zu der Hexe gebracht, mit der sie sich angelegt hatte. Und dann war sie in den Ruinen des Tempels ihrer Göttin erwacht, mit dem Kettchen um ihr Handgelenk. Nur... was war dazwischen gewesen? Ein Bild von ihr, wie sie an einem goldenen Faden einen fremden Weg beschritt, blitzte vor ihrem geistigen Auge auf, als sie es jedoch festhalten und genauer betrachten wollte, war es schon wieder verblasst und ließ sich nicht mehr zurück holen.
Lautlos seufzte sie und ließ es bleiben, um nicht völlig den Faden von den Worten ihres angeblichen Erzeugers zu verlieren. Langsam nickte sie schließlich. "Erstaunlich, ja...", wisperte sie und seufzte ein weiteres Mal. Ihr Kopf hob sich und sie ließ ihren Blick zu der breiten Fensterfront wandern, ohne diese tatsächlich wahrzunehmen.
Erneut wallten Erinnerungen in ihr hoch, vergangene Bilder von den zahlreichen Momenten, in denen sie an ihren Liebsten gekettet gewesen war. Es waren schöne, aber auch viele weniger schöne gewesen. Dennoch hatte sie letzten Endes ihrem Sehnen nachgegeben und all das hatte sie letzten Endes wieder zurück in ihre Heimatstadt gebracht.
Ob sie hier bleiben würde? Vorerst ja, sie wollte zu ihrer Mutter und sie wollte ihren Stiefvater finden, aber eben auch ihrem Raben helfen, seine eigene Herkunft zu erfahren, sofern dies möglich wäre. Und dann? Was würde geschehen, wenn sie diese ihr selbst auferlegten Aufgaben erledigt hätte? Bislang hatte sie stets in der Zukunft für sich ein Leben an der Seite eines ihr ebenbürtigen oder sogar noch im adeligen Sinne höhergestellten Mannes gesehen, inmitten gesunder Erben und einer weitestgehenden Freiheit, um ihren Platz für sich finden zu können.
Jetzt jedoch, nachdem sie ein wenig mehr von der Welt gesehen hatte als bisher... da konnte sie sich vorstellen, dass sie ihr Wirkungsfeld erweitern wollen könnte. Doch das war derzeit nicht von Bedeutung und sie konnte sich später noch mehr Gedanken dazu machen.
Stattdessen versuchte sie, etwas mehr über die Herkunft von Magie herauszufinden, einen womöglichen weiteren Hinweis auf die Verwandtschaft zu dem Waldelfen. Aber er schien es nicht zu verstehen... und die Kränkung zuvor verhinderte, dass sie konkreter wurde. Ihr Bedürfnis, sich noch verletzlicher zu zeigen als bisher, hatte sich sehr stark reduziert.
Dabei hatte sie es Corax schon einmal erzählt und er hatte auch schon mehrmals erlebt, wie sie nach dem Wirken ihrer Magie ohnmächtig geworden war. Nur ob er die richtigen Schlüsse daraus zog, wusste sie nicht und ansprechen würde sie es lieber auch nicht. Nicht, dass er das sofort brühwarm an ihr Gegenüber weitergeben würde, aber am Ende des Tages konnte es trotz allem noch immer passieren. Somit lenkte sie das Thema lieber stärker auf den Waldelfen selbst, damit sie nicht zu viel von sich preisgeben musste.
Bei seiner Antwort runzelte sich ein weiteres Mal ihre Stirn. "Etwas nicht zu tun, heißt nicht, es nicht zu können.", warf sie ein. Ein Satz, den sie oft in ihrem Leben gehört hatte, vor allem, um sie darüber hinweg zu trösten, dass sie nicht in die Akademie hatte gehen und dort lernen dürfen.
Was ihre Mutter wohl sagen würde, wenn sie wüsste, wo sie steckte? Azura beschloss, später noch einmal die Idee aufzugreifen und einen Brief zu schreiben, damit es zumindest ein Lebenszeichen von ihr gab und sie Aquila diese Sorge nehmen könnte.
Ein Kribbeln in ihrem Nacken ließ sie aufmerken und nun, nach einer gefühlten Ewigkeit, ihren Blick wieder ihrem Gesprächspartner zuwenden. Der seine war intensiv und sorgte dafür, dass sich sämtliche feinen Härchen, die sie noch besaß in ihrem halb verwesten Zustand, aufstellten. Der Puls wurde schneller und der schwache Abglanz eines feinen Pochens meldete sich in ihrem Unterleib. Wäre sie gestanden, hätte sie spüren können, wie ihr die Knie weicher wurden.
Viel zu schnell entließ er sie aus diesem Blick und brach selbst den Zauber, der sie blinzelnd und verwirrt zurück ließ. Instinktiv schlang sie die Arme um sich selbst und rieb sich die Haut mit ihren Handflächen, als wäre ihr kalt. Irgendwie passte das auch, denn nun setzte ihr Denken wieder ein und damit all jene Klarheiten, die sie inzwischen gewonnen hatte. Was es ihr nicht leichter machte im Umgang mit dem, was er gerade wie zum Trotz in ihr wieder hatte auslösen können.
Die endgültige Ernüchterung folgte dem Ganze auf dem Fuße, als er auf die Fehler der Vergangenheit zu sprechen kam. Fehler, zu denen wohl auch sie zählte, sofern er tatsächlich für ihre Existenz mitverantwortlich war. Ihre Lippen presste sie fest aufeinander und konnte endlich den Blick wieder von ihm abwenden. Hätte es allerdings seine Kränkung zuvor nicht gegeben, es hätte sie wohl noch härter getroffen. Vielleicht sogar auch, wenn sie nicht schon einmal eine abwertende Aussage auf sich bezogen und dadurch einen groben Fehler begangen hätte.
Doch dieses Mal verspürte sie nicht den Drang, gleich von Bord ins eiskalte Wasser zu springen. Nein, sie verschloss sich vor dieser Aussage viel eher und lenkte ihre Gedanken bevorzugt in eine ähnliche und trotzdem andere Richtung.
Als er verneinte, ihre Mutter geliebt zu haben, nickte sie beinahe schon etwas zu widerstandslos. Liebe war selten im Spiel in ihrer Welt und so verwunderte es sie nicht, dass auch dieser Mann keine großen Gefühle gehegt haben wollte. Brauchte es schließlich auch nicht, damit zwei Körper zueinander fanden. Ein anderer Punkt hingegen war etwas, das ihr schon mehr zu schaffen machen könnte, während er fortfuhr.
Dabei hätte es dieses Mal keiner tiefergehenden Erklärung bedurft, schließlich war diese Tatsache etwas, das sie ohne Vorbehalt akzeptieren konnte. Vielleicht auch, weil sie wusste, dass ihre Mutter mit Alycide das große Glück gefunden hatte. Ein weiteres Mal kribbelte es in ihrem Nacken und als sie die Augen ihm zuwandte, konnte sie sehen, wie er sie regelrecht anstarrte.
Daraufhin folgte eine Metapher, die ihr eine feine Röte in die Wangen trieb, denn sie verstand durchaus. Umso beschämender war ihre derzeitige Optik mitsamt ihren Begleiterscheinungen, sodass sie den Blick erneut abwandte.
Und noch etwas beschäftigte sie, weswegen sie leise, vielleicht sogar kaum hörbar, hauchte:"Aber du hast nicht gegen ihren Willen...?" Denn es war für sie ein gewaltiger Unterschied, ob sie lediglich aus Lust entstanden sein könnte oder ob ihre Mutter durch ihr Dasein stets an etwas erinnert wurde, das ihr Pein bereitet hatte. Nein, hoffentlich war es auch ihr recht gewesen damals! Mehrfach musste die junge Frau schlucken und gegen eigene Bilder aus der Vergangenheit ankämpfen, um Fassung ob dieser Möglichkeit zu wahren.
Es gelang, indem sie ihre Gedanken ein weiteres Mal in eine neue Richtung lenkte und das Ritual ihrerseits einmal ansprach. Sie versuchte es mit einem Hauch Selbstironie, um zu übertünchen, wie nahe ihr das Ganze in Wahrheit ging. Seine Erwiderung sorgte dafür, dass sie ihn abrupt wieder ansah. Ihre Sicht verschleierte sich aufgrund aufsteigender Tränen, gegen die sie in diesem Moment machtlos war.
Da war es nur gut, dass er sich erhob und etwas Distanz zwischen ihnen schuf, sodass sie sich verstohlen über die Augen wischen und durchatmen konnte. Langsam nickte sie zu seinen Worten, wusste aber jetzt schon, dass sie die Decke erst anheben würde, wenn er den Raum verlassen hatte. "Corax ist mein Anker.", murmelte sie und dachte unwillkürlich noch einmal an das Kettchen, das sie schon einmal so sehr miteinander verbunden hatte. Auch wenn es nicht mehr existierte... irgendwie würde es für sie immer da sein.
"Wie?", merkte sie auf und sah blinzelnd wieder zu ihm hoch. Dass sie zuvor den Blick auf ihre Finger, die auf der Decke flach auflagen, gerichtet hatte, hatte sie gar nicht wahrgenommen.
Jetzt hingegen benötigte sie ein paar Atemzüge, um die nur halb bewusst gehörten Worte zu verstehen. "Nein, nicht im Zimmer.", sprach sie schließlich und sah aus dem Fenster. "Ich... ich glaube... ja, ich möchte es im Garten des Schneeglanzes machen.", fuhr sie fort und spürte, dass diese Entscheidung die Richtige für sie war.
Dort hatte sie sich stets wohl gefühlt, sich gerne dort aufgehalten und die Schönheit der Blumen bewundert, deren Blau sie stets fasziniert hatte. Außerdem gab es einen kleinen Brunnen, aus dem es stetig plätscherte. Alles in allem fühlte sie, dass dieser Ort perfekt für sie war und ihr helfen würde... sollte dieses Ritual tatsächlich funktionieren können.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Freitag 6. Oktober 2023, 13:11

"Etwas nicht zu tun, heißt nicht, es nicht zu können."
Kjetell'o nickte sacht. "Ich stimme dir grundlegend zu", meinte er. "Auf Magie bezogen entspricht diese Aussage allerdings nicht vollkommen der Wahrheit. Es gibt genug Theorien, dass sie auch in einem Begabten verkümmert, wenn sie nicht gefördert wird. Magie bewegt sich frei durch Celcia. Wir sind nur ihr Medium, indem wir sie aufgreifen, spielen und nutzen. Wer diese Chance nicht ergreift, wird von ihr verlassen und sucht sich einen anderen. Oder sie bricht unkontrolliert hervor wie ein wütendes, gekränktes Kind, das nun nach mehr Aufmerksamkeit lechzt als zuvor." Er musterte Azura eine Weile still. "Deine Fähigkeiten scheinen sich noch nicht aus dir zurückgezogen zu haben und du bist jung. Du kannst es noch immer lernen, wenn es das ist, was du willst." Er vermied es nun aber, sich als ihr Lehrer zu präsentieren. Dieses Angebot hatte er gemacht und interpretierte in all ihrer Ablehnung seines selbst nach wie vor, dass sie auch nicht vor hatte, sich unterrichten zu lassen. Er akzeptierte das, ohne ihr zu grollen. Nach wie vor ging er neutral mit ihr um, ja im Grunde immer noch geduldig und freundlich. Es trat ledilgich eine seichte Distanz zwischen dem Mann ein, der ihr Vater sein sollte, und Azura. Er drängte sich ihr nicht länger auf, lief ihr aber auch nicht mehr nach. Er hatte seinen Weg gewählt. Glücklicherweise schloss es Hilfe nicht aus. So war er nach wie vor bereit, sowohl ihr als auch Corax zu helfen und gerade dem Raben wollte Azura etwas Gutes tun. Seltsamerweise spielte sie aber auch schon mit einer Zukunft, in der er ohne sie wäre. Eine Zukunft, in der er sich etwas aufgebaut hätte, das ihn auffangen würde ... falls sie ging? Hatte sie das vor? Rein objektiv war es nur verständlich, falls sie sich eine Rückkehr in ihre gesellschaftlichen Kreise erhoffte. Dann könnte er ihre Blutlinie nämlich niemals fortführen und das wäre ein Problem, das zumindest für Adlige ausreichend genug war, ihn in den Wind zu schlagen. An einem Liebhaber, wenn der Ehegatte seiner Pflicht nicht nachkommen konnte oder wollte, würde es aber jederzeit genügen. Dann tuschelte man nur, wie gut derjenige sein musste, dass die Gattin ihn nicht von der Hand ließ und das wäre ein Kompliment in ihren Reihen. Nicht jeder Tratsch war negativ. Azura musste zunächst aber einmal in ihre Welt zurückgelangen. Sie musste ihre Mutter treffen, ihrem Vater helfen, vordergründig aber musste sie sich selbst in einen Zustand versetzen, um diese Pläne überhaupt angehen zu können. Das Ritual war in Reichweite und es nahm endlich auch Raum in ihrem Gedankengut ein. Sie sah es ein, dass wohl kein Weg daran vorbei führte. Es blieb zu hoffen, dass es funktionierte. Wenn nicht, würde sie als Untote weiterhin auf Celcia wandeln müssen. Und dann?
Es half niemandem, sich in Spekulationen zu verirren, außer dadurch die eigene Unsicherheit zu schüren.
Unsicher fühlte Azura sich auch noch in Hinsicht auf das, was Kjetell'o und ihre Mutter geteilt haben sollten. Vor allem, nachdem er ihr offenlegte, Aquila nicht geliebt zu haben. Nicht auf diese romantische Weise, wie sie es aus all den Schnulzenromanen kannte und sogar auch ansatzweise mit Corax erlebte. Selbst er war nicht der klassische Ritter auf einem weißen Pferd. Er umwarb sie nicht mit Rosen, Minneliedern und Liebesgeplänkel. Tatsächlich sagte er oftmal sehr direkt, fast schon plump heraus, dass er sie liebte. Dafür tat er es aus tiefstem Herzen und sie reizte es ja auch, dass er sie gelegentlich neckte. Er musste nun nur noch seinen Willen zurückgewinnen. Wahrscheinlich hatte sie längst erkannt, dass er vor all der langen Zeit nur die Rolle eines hartherzigen Dunkelelfensoldaten gemimt hatte, als er sie entführt hatte. Wäre er genauso gemein gewesen, wenn es ihm erlaubt gewesen wäre, einfach er selbst zu sein? Und wie war Kjetell'o gewesen, der ihre Mutter nie auf die gleiche Weise hatte lieben können? War er ihr gegenüber gewaltätig geworden?
Sie fragte nach, kaum hörbar, aber Elfenohren nahmen Geräuschquellen besser auf. Kjetell'o wandte ihr den Kopf zu. Jetzt war er es, der für den Bruchteil einer Sekunde gekränkt dreinblickte. "Traust du mir das zu?", kam die Retourkutsche zu Azuras Unterstellung, als auch sie seine Worte vor kurzem zu stark auf die Goldwaage legte. Doch Kjetell'o verzieh offenbar sofort. Ihm war es wichtiger, ihre Frage zu beantworten, die Sache zu klären, als nun beleidigt zu sein. Das brachte niemanden weiter. So antwortete er: "Das würde ich niemals tun und habe ich niemals getan. Ich hab mir vielleicht in weiten Teilen Celcias die ... Hörner abgestoßen, aber ich habe mir nie mit Gewalt genommen, was ich erfahren wollte." Er schaute Azura direkt an, suchte ihren Blick, damit sie in dem seinen den Ernst herauslesen konnte. "Wir haben uns geliebt, voller Leidenschaft und Einverständnis. Mehr als einmal und vielleicht manchmal ein wenig zu ... wild." Er schmunzelte. "Aquila war eine Verlockung, der man nicht widerstehen konnte und das wusste sie. Sie wusste, wie sehr ich sie begehrte. Wir haben miteinander gespielt und dann ... bin ich weitergezogen." Er seufzte. "Ich habe ihr nicht geglaubt, dass du auf dem Wege warst. Und als ich erkannte, mich geirrt zu haben, war es ... zu spät." Er presste die Lippen aufeinander. "Es ist zu spät", korrigierte er sich. Dann stand er auf. "Komm! Wir holen den Leidträger. Es wird Zeit, das Ritual anzugehen. Wir sollten nicht länger warten." Sein Blick wanderte zum Fenster und den regnerischen Wolkenfeldern. "Ich muss mich wieder auf mene Mission konzentrieren..." Kjetell'o atmete durch. "Du schlägst sehr nach ihr. Du lockst mich an."
Aber er musste sich davon lösen. Er musste seine Konzentration zurückgewinnen und das tat er nun. Gemeinsam mit Azura verließ er den Raum, sobald sie sich dazu befähigt sag. Vielleicht wollte sie sich erneut umziehen oder noch etwas mitnehmen. Es stand ihr offen. Anschließend holte man Corax ab. Der Rabe schlief noch immer unter seinen schwingenartigen Federn. Er hatte die Nachricht nicht einmal gelesen und würde es auch nicht tun. Kjetell'o trat recht zügig an sein Bett, während Azura ihr Hab und Gut - vor allem aber die Perlen und die magische Schriftrolle - einsammeln sollte.
"Leidträger, mein Lieber. Wach auf, du wirst gebraucht." Der Shyáner legte Corax die Hand in den Nacken, kraulte sein Gefieder, bis jener erwachte. "Ist das all dein Leid?", fragte er und Corax nickte. "Ich habe es ausgelagert", erwiderte der Rabe. Einige Federn fielen aber von ihm ab, als er Azura erbickte. Er lächelte ihr zögerlich zu, denn beide hatten sich nicht unbedingt friedlich getrennt. Die Adlige war drauf und dran gewesen, nach dem Haus Faelyn zu suchen, hatte zu wenig gegessen und Ohnmacht hatte ihre Zweisamkeit beendet. Dass sie nun relativ munter vor ihm stand, beruhigte Corax. Er rieb sich die Augen und verließ das Bett, wobei er den Federmantel über seine Schultern zurückwarf und trug wie die Braut ihre endlos lange Schleppe.
"Du musst es loswerden", kommentierte Kjetell'o.
"Sobald ich weiß, wie, ja", erwiderte Corax und der Elf hinter ihm seufzte leise. Weitere Worte zwischen beiden fielen jedoch nicht. Corax trat an Azura heran, angelte nach ihrer Hand und berührte mit der seinen ihre fahle Wange. Noch immer verurteilte er sie nicht für ihr Äußeres und falls er Ekel empfand, unterdrückte er es perfekt. Sie bemerkte nicht eine Spur Abneigung bei ihm. "Ich liebe dich", grüßte er sie zunächst, als wäre es die erste Pflicht. "Wie fühlst du dich? Was ... ist hier überhaupt los?"
"Wir werden das Ritual durchführen", erklärte Kjetell'o. Corax schaute über die Schulter zurück und dann zu Azura. "Du wirst wieder so sein, wie alle dich sehen sollten. Deine wahre Schönheit. So wie ich dich immer sehe." Er gluckste. "Selbst wenn du in einer nogroter Nische Wasser lassen musst." Dann versuchte er, sich einen Kuss zu stehlen.
Kjetell'o beobachtete beide stumm und geduldig.
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