Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Sie steht direkt am Strand. Hier wird die Wassermagie gelehrt, aber das ist offensichtlich. Das Wasser fließt nämlich aus Fenstern und über Zinnen, wie kleine Wasserfälle, bildet einen Graben um sie und strömt schließlich ins Meer hinein.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Azura » Dienstag 10. Oktober 2023, 20:30

Theorien hatten sie noch nie sonderlich zu fesseln verstanden. Auch jetzt musste sie sich bewusst darum bemühen, ihm zu zuhören und ihn nicht zu unterbrechen. Denn erneut musste sie an das Flämmchen in ihrem Inneren denken, das für sie irgendwie ein kleines, schwaches Zeugnis möglicher feuermagischer Wurzeln darstellte. Seit es sich aufgrund des Schildzaubers ein bisschen erholt hatte und kräftiger zu recken versuchte, umso mehr. Aber wahrscheinlich irrte sie sich und es musste einen anderen Grund für dieses Bild geben, das fix in ihrem Denken und Fühlen verankert war.
Doch zwischen ihnen hatte es bereits zu viele Kränkungen gegeben, als dass sie diese, für sie höchste Intimität jetzt hätte erwähnen können... und wollen. Stattdessen zuckte sie am Ende lediglich mit den Schultern. Natürlich hätte es seinen Reiz, wenn sie sich schon einmal in der Akademie aufhielt, auch mehr über ihre Magie zu lernen und ihre Fähigkeiten auszubauen. Das war schließlich etwas gewesen, das sie stets hatte lernen wollen, solange es ihr verboten gewesen war!
Nun allerdings... war sie sich nicht so sicher, ob sie das wirklich noch wollte. Es gab so vieles, das sie auf einmal in Zweifel zog und selbst nicht begreifen konnte, warum. Was ihr hingegen klar war, war der Umstand, dass sie diesen Zustand zuerst mit sich selbst klären wollte, ehe sie sich jemandem diesbezüglich anvertrauen würde.
Wichtiger war ihr ohnehin derzeit etwas ganz anderes. Sie wollte ihrem Raben helfen, ihm seine Wurzeln zurück geben, damit er an Kraft und Selbstvertrauen gewinnen könnte. Nicht nur, um ihm zu zeigen, dass auch er Glück erleben durfte und konnte, sondern auch für den Fall, dass es igendwann zwischen ihnen zu Ende gehen würde.
Woher sie diese Rationalität nahm, obwohl sie sich eigentlich nach diesem romantischen "Für immer und ewig" sehnte? Sie wusste es nicht. Aber sie spürte, dass es richtig war, denn es ging ihr dabei nicht um sich, sondern nur um Corax. Außerdem hatte sie ihre Entdeckung am gestrigen Abend gemacht und wollte fest daran glauben, dass dies ein göttlicher Fingerzeig gewesen war.
In diesem Punkt aber war sie klug genug, um zu wissen, dass sie Hilfe benötigte und diese hatte sie in die Wege geleitet. Hätte der Waldelf sie ihr jedoch verwehrt... sie hätte nicht sagen können, bei wem sie als nächstes hätte ansetzen sollen. Bei dem Kapitän? Wohl kaum, auch wenn er aus Andunie stammte, war er in den letzten Wochen nicht vor Ort gewesen. Die Sarmaerin war überhaupt das erste Mal in der Stadt. Nein, es war eine glückliche Fügung für sie, dass ihr Gegenüber sich ihres Ansinnens angenommen hatte. So könnte es gelingen, wie sie inständig hoffte.
Daraufhin kamen ihr ein paar Gedanken, einige Fragen, die sie einfach stellen musste. Noch immer weigerte sie sich, ihm die Verwandtschaft zu ihr zu glauben und es anzunehmen. Und trotzdem... so völlig konnte sie sich dieser möglichen Wahrheit nicht entziehen, sodass sie, was vermutlich verständlich war, auch ein wenig neugierig war.
Dass zwischen ihren vermeintlichen Eltern keine romantische Liebe gewesen sein sollte, konnte sie akzeptieren. Ja, sie war sich tatsächlich darüber im Klaren, dass diese Entwicklung, wie auch ihre Mutter mit Alycide vorlebte, die absolute Ausnahme war. Vielleicht hauptsächlich nur in den vermögenderen, mächtigeren Familien, aber im Prinzip könnte es in ihren Augen in allen Schichten derart zugehen. Das enttäuschte sie somit keineswegs.
Ein anderer Gedanke hingegen, erschaffen durch Ermahnungen und der eigenen jüngeren Vergangenheit, setzte ihr allein in seiner Möglichkeit zu. Prompt sprach sie diesen auch aus. Dass es ihn zu kränken schien... nun, das war wohl nicht zu vermeiden. Dennoch stand sie dazu und als er nachhakte, deutete sie ein leichtes, kleines Achselzucken an. "Es gibt genug, denen man so was nicht zutraut und trotzdem tun sie es...", murmelte sie in sich hinein, während sie sich mit den Armen umschlang und die Schultern leicht hochzog.
Dabei wandte sie auch den Blick ab und ließ ihre Gedanken ein wenig schweifen, solange er nicht fortfuhr. Auch bei Corax hatte es den ein oder anderen Moment gegeben, in denen sie die Angst gehabt hatte, er würde derart weit gehen und ihr Gewalt antun. Ja, hatte sie auf dem Zwergenschiff nicht sogar einen dazugehörigen Alptraum gehabt? Letzten Endes jedoch hatte er mehr Rücksicht bewiesen und sie stattdessen verführt. Das könnte man ihm zwar ebenfalls zur Last legen, aber er hatte sich ihr zumindest nicht aufgezwungen.
Im Gegenteil, er hatte ihr gezeigt, wie herrlich es sich anfühlen konnte! Ob das in Zukunft ein Bärendienst gewesen war, würde die Zeit zeigen. Im Moment erinnerte sie sich mit wohligen Schauern daran zurück und wollte diese Erfahrung nicht missen.
Die Stimme des Waldelfen führte sie zurück in die Gegenwart und sorgte dafür, dass sie ihn allmählich wieder ansah. Seine Worte klangen... ehrlich und auch nachvollziehbar, sodass sie schließlich mit einem Nicken andeutete, dass sie diese Erklärung annehmen wollte. In ihrem Inneren fühlte sie sich obendrein erleichtert, weil sie ihre Mutter durch ihre bloße Existenz nicht auf diese Weise schmerzlich an Vergangenes gemahnte.
Wenig später jedoch verzog sich ihr Gesicht voller Leid und sie hob hastig abwehrend die Hände. "Aus, hör auf! Bilder, zu viele Bilder! Igitt!", jammerte sie, wie es wahrscheinlich viele Kinder, ganz gleich welchen Alters, taten, wenn ihnen jemand erzählte, was die Eltern miteinander getan hatten.
Inzwischen war Azura alt genug, um theoretisch zu wissen, dass ihre Mutter Intimitäten ebenfalls genossen hatte und das auch durfte, sonst würde es sie ja auch nicht geben. Trotzdem wollte sie bloß nicht daran erinnert werden!
Dadurch, dass sie gegen ihre eigene Vorstellung ankämpfen musste, verpasste sie ein paar Worte, sowohl jene in celcianisch, als auch jene für sie unverständlichen. Lediglich den Schluss bekam sie wieder mit und sah mit leichtem Stirnrunzeln auf. Ihr lag eine neuerliche Frage auf der Zunge, allerdings eingedenk dessen, dass es wiederum zu viele private Erwachsenendetails hervorrufen könnte... ließ sie es lieber bleiben, vorerst zumindest.
Ohnehin schien nun der Moment des Rituals gekommen und nachdem sie ihm bedeutet hatte, draußen auf sie zu warten, schälte sie sich aus der Decke. Noch einmal erreichte eine wahre Pestwolke ihre Nase und verätzte gefühlt noch mehr darin, während sie zu dem geöffneten Fenster trat. Sie hoffte, die frische Luft würde helfen und den Großteil davon vernichten, damit sie später Corax nicht damit quälen musste. Wie gerne hätte sie jetzt ein Bad mit teuren Duftessenzen genommen! Doch das war ihr derzeit nicht möglich. Also musste es so gehen und sie konnte nur Ventha um Gnade für den Geruchssinn ihres Liebsten bitten.
Trotzdem machte sie sich Sorgen, den gesamten Weg über bis zu ihrem Zimmer. Dort schlief ihr Rabe noch und für einen flüchtigen Moment machte sie einen Schmollmund, weil er dadurch ihre Botschaft verpasst hatte.
Hätte sie sich wohler in ihrer Haut gefühlt, hätte sie wahrscheinlich die Aufgabe übernommen, ihn zu wecken. So allerdings zog sie es vor, dem Waldelfen den Vortritt zu lassen, während sie selbst zu dem Waschtisch trat und zumindest Gesicht wie Arme kurz mit dem kalten Nass abrieb.
Danach sammelte sie ihre Perlen wie die Schriftrolle ein, befestigte beides wie am Tag zuvor an ihrem Gürtel. Aber auch den Beutel der Faelyn, den sie gefunden hatte, nahm sie an sich und fand dafür einen Platz an ihrer Hüfte. Dabei spürte sie, dass er wieder gefüllt war. Leise seufzte sie und unterdrückte die zurückkehrende Neugier. Jetzt mussten sie erst einmal das Ritual hinter sich bringen, dann könnte sie den Waldelfen immer noch fragen, ob er etwas Sinnvolleres damit anzufangen und ihr Antworten geben könnte.
Als spürte die junge Frau den Blick des Dunklen, hob sie ihren Kopf und sah zu ihm hin, als er gerade leicht lächelte. Sie erwiderte es, beinahe schon schüchtern... und eine feine Röte färbte ihre fahlen Wangen dabei.
Danach wandte sie sich ab und wollte noch einmal überprüfen, ob sie an alles gedacht hatte. Die Worte der Männer hatte sie gehört und gerade die letzten sorgten dafür, dass ihr Kopf sich senkte und sie die Lippen aufeinander presste. Sie wollte ihm helfen... und verspürte ein schlechtes Gewissen, weil sie ebenfalls zu seinem Federkleid beigetragen hatte.
Doch was auch immer am gestrigen Tag zwischen ihnen geschehen war, er schien es als erledigt anzusehen, denn er trat zu ihr und berührte sie ohne Hemmung. Ja, nicht einmal der Umstand, dass er sie ausgezogen und nackt gesehen hatte, schien ihn zu stören. Mit deutlicher Unsicherheit im Blick sah sie zu ihm hoch und konnte nicht umhin, sich ihm entgegen zu recken, um ihn sanft mit den Lippen zu streifen nach seiner Liebeserklärung.
Daraufhin sank sie wieder zurück und zuckte leicht mit den Schultern. Wie sie sich fühlte? Nun ja, abgesehen von der Erinnerung an ihren eigenen Gestank und dem Wissen um ihr ramponiertes Äußeres... war sie sich nicht ganz sicher. Sie freute sich, wieder bei Corax zu sein. Allerdings stieg nun, wo es allmählich konkret wurde, auch Angst in ihr hoch.
Ehe sie jedoch zu einer Antwort finden und sie weitergeben konnte, hatte der andere schon eine Erklärung gegeben, die zumindest für den Moment alles sagte. Langsam hob sie ihre Schultern an und ließ sie wieder fallen, als ihr Rabe ihr schon Mut machen wollte. "Schauen wir mal...", murmelte sie mit hörbarer Unsicherheit in der Stimme.
Um im nächsten Atemzug gegen seinen Oberkörper zu boxen. "Vorsicht! Sonst könnte ich in Versuchung geraten auszutesten, ob du immer gleich jaulst, wenn ich dir was abklemme!", gab sie zurück und in ihren Augen blitzte es triumphierend bei der Erinnerung daran, wie sie ihm die versuchte Demütigung vergolten hatte. Inzwischen wusste sie weitaus angenehmere Dinge mit seiner Männlichkeit anzustellen und dennoch... sie würde nicht zögern, ihm Gleiches mit Gleichem zu vergelten!
Trotzdem ließ sie es zu, dass er sich zu ihr beugte und ihr seinerseits einen Kuss zu stehlen versuchte, denn sie hatte es genauso wenig böse gemeint wie er. Lediglich die Leidenschaft, die er sonst mit dieser Nähe zu wecken verstanden hatte, wollte sich nicht recht einstellen. Nicht nur, weil sie sich generell gerade absolut ausgetrocknet wie Dörrobst fühlte, sondern auch, weil sie nicht ausblenden konnte, wer sich noch bei ihnen im Raum befand. Also beendete sie das kurze Stelldichein ihrer beider Zungen und lehnte sich stattdessen noch einen flüchtigen Moment lang mit der Stirn an seine Schulter.
Dann riss sie sich zusammen und griff nach seiner Hand, während sie zu dem Waldelfen sah und ihm zunickte, als Zeichen, dass sie bereit wäre. Das Problem war nur... ihre Beine wollten sich nicht bewegen, versagten ihr kurzerhand den Gehorsam. Die Angst, die vorhin schon angeklopft hatte, stieg in ihr hoch und trieb ihr sogar einen feuchten Schimmer in die Augen, Vorboten aufsteigender Tränen.
"Was...", wisperte sie und schluckte schwer, sah zu ihrem Liebsten hoch und schließlich zu dem anderen. "Was... wenn es nicht... funktioniert...? Was mache ich dann...?", hauchte sie und schluchzte leise auf, ehe sie sich die freie Hand hastig vor den Mund pressen und um Haltung ringen konnte.
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Re: Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 12. Oktober 2023, 20:37

Azuras altes Leben wirkte so unendlich weit fort. Nichts war mehr so wie sie es kannte und wer wusste schon, ob sich alles irgendwann wieder in diese alten Bahnen entwickeln würde. Aktuell sah es nicht danach aus. Wo manch beherzte Seele allerdings im Positiven die Möglichkeiten sah, welche sich daraus eröffnen konnten, so zog es manch andere in diese Sorgen und Zweifel. Azura war eine Seele, die zweifelte - an sich selbst, an ihren Entscheidungen und ob sie den richtigen Weg für sich selbst ging. Sie befand sich in der Akademie der Wassermagie, ein Ort, der ihr bislang stets verwehrt worden war, auch zur eigenen Sicherheit. Doch jetzt hätte sie die Chance, einen nie da gewesenen Strang zu ergreifen. Sie hätte die Möglichkeit, ihre arkanen Kräfte unterrichten und sich selbst fördern zu lassen. Darüber hinaus bot sich ein Mann an, ihr alles beizubringen, der ihr eigener Erzeuger sein sollte. Das Grundverhältnis zwischen Lehrendem und Schülerin wäre ein komplett anderes, selbst wenn Azura sich erst noch daran gewöhnen musste, plötzlich wohl auch einen leiblichen Vater zu haben. Ihr öffneten sich hier zahlreiche Wege, aber der Zweifel ließ sich nicht fortwischen. Sie dachte gerade nicht daran, ihre magischen Kenntnisse auszubauen. Sie sehnte sich an ein einfacheres Leben zurück, eines, das sie kannte. Eines, das nichts aufregend Neueres bot als einen weiteren Tanzball mit vielleicht neuen Gesichtern unter den Galanen, bis sie einen fände, der ihr den Hof machen dürfte. Dabei schien sie einen solchen Mann bereits für sich auserkoren zu haben ... oder nicht? Sie dachte in vielerlei Hinsicht wohlwollend über Corax. Sie wollte ihm Gutes tun. Sie wollte ihn glücklich sehen, aber sie wollte auch seine gepeinigte Seele stärken ... damit sie eines Tages in der Lage wäre, eine Trennung zu verkraften. Natürlich war es nicht unmöglich und kein Paar sollte glauben, für immer zusammen zu sein, nur weil aktuell die Gefühle ihren Höhepunkt erreichten. Aber es kam selten vor, dass frisch erwachtes Glück, das sich gegenseitig die Liebe gestanden hatte, bereits wieder an eine mögliche Zeit dachte, in der man auseinanderging. Azura grübelte zumindest darüber nach. Es verstärkte jedoch auch ihren Wunsch, Corax darauf vorzubereiten. Sie wollte ihn nicht brechen sehen, sollte es eines Tages wirklich dazu kommen, dass er nicht länger ihr Rabe wäre. Sie wollte das Beste für ihn und so wischte sie jegliche Zweifel über ihren eigenen, weiteren Werdegang beiseite, um sich nur auf ihn zu konzentrieren.
Ob die Erinnerung an seinen Doppelgänger aus dem Park etwas damit zu tun hatte? Ein Ebenbild von Corax, nur etwas jünger und irgendwie ... glücklicher. Ein intakter Zwilling mit beiden Armen und möglicherweise auch einer zeugungsfähigen Libido? Jemand aus dem Hause Faelyn, bei dem sogar ihr Rabe schon bestätigt hatte, dass es angesehen war. Nur Azura wusste die Antworten, doch jeder Außenstehende, der einen Blick in ihren Kopf und ihre Gedanken hätte werfen können, würde nun wohl ein wenig misstrauisch werden. Sie dachte über eine Stärkung ihres Raben nach, damit er eine Trennung verkraftete. Sie dachte über seinen Doppelgänger nach, der im Vergleich zu Corax einfach besser weg käme. Sie dachte aber auch daran, das Ritual im Park des Schneeglanzes vollziehen zu lassen - dort, wo sie Corax' Abbild angetroffen hatte. Spielte Hoffnung mit, ihn wiederzusehen und wenn ja, Hoffnung für wen?
Da sie ihre Gedanken mit keinem Außenstehenden teilte, würde Azura sich diesen Fragen selbst stellen oder sie ignorieren müssen. In der Realität ging es nun erst einmal darum, alles Notwendige für das anstehende Ritual zusammenzusuchen. Darunter gehörten nicht nur ihre Tränenperlen und die Schriftrolle der Wassermagie, sondern auch eine Person, die ihr nahe stand. Sowohl Azura als auch Kjetell'o sahen Corax dafür mehr als geeignet. Der Shyáner weckte den Raben sanft und mit der gewohnten Geste des gekraulten Nackens.
Corax erwachte, ohne die Nachrichten seiner Liebsten in Augenschein genommen zu haben. Dafür schaute er sehr schnell direkt in ihre Richtung, lächelte und fragte sie wenig später nach ihrem Befinden. Er störte sich nach wie vor nicht an ihrem Äußeren und auch ihre jüngsten Ausdünstungen, die noch in der Kleidung festhängen mochten, schienen nicht stark genug, Corax' rosarote Brille von seinen Augen zu fegen. Er sah nur Azura, aber er sah sie. Und er liebte sie nach wie vor mit dieser leicht neckischen Art, denn er trieb schnell wieder seine Späße mit ihr. Es war nicht im Ausmaß wie damals auf dem Zwergenschiff, als sie sich gegenseitig noch ein wenig hatten beschnuppern müssen, dafür hatte sich etwas Wärme hineingeschlichen. Es war spielerischer geworden mit dem nötigen Respekt in der Hinterhand, die Seele des anderen nicht durch Worte verletzen zu wollen. Zumindest von Corax' Seite aus ließ sich seine Zuneigung nicht in Frage stellen. Aber nicht einmal Azura konnte bestreiten, dass sie tiefe Gefühle für ihren Raben hegte. Bei seinem Anblick, so dicht vor ihr, reckte sie sich fast automatisch seinen Lippen entgegen. Sie küssten sich, spürten einander und Corax raunte zufrieden.
Kjetell'o war höflich genug zu schweigen und taktvoll genug, sich halb abzuwenden, um ihnen wenigstens die Illusion von Privatsphäre zu lassen. Trotzdem kam er alsbald doch auf das Ritual zu sprechen als im Raum stehenden Plan. Corax schaute von Kjetell'o zu Azura herüber. Letztere wirkte unsicher, obwohl sie es mit einem Konter über seine Neckerei zu überspielen versuchte.
"Vorsicht! Sonst könnte ich in Versuchung geraten auszutesten, ob du immer gleich jaulst, wenn ich dir was abklemme!"
"Versuch es ruhig", hielt Corax dagegen und grinste schief. Dann neigte er sich zu Azuras Ohr hinüber, strich ihr eine Strähne dahinter und murmelte leiser hinein: "Wenn, dann jaule ich vor Verzückung. ich genieße jede deiner Berührungen..." Er wusste, wie er sie erreichte und er schien zu ahnen, dass die Worte ihre Fantasie anregten. Vor allem aber kannte er um den Umstand, wann sie noch verlockender wurden: nämlich, wenn nichts daraufhin mehr folgte. Es weckte den Hunger und Corax wusste, diesen bei sich selbst herunterzuspielen. Nicht zuletzt verstand er aber auch, dass nun kein Moment für Zweisamkeit war. Kjetell'o befand sich im Raum und das Ritual wollte endlich vollzogen werden. Auch Corax wünschte sich das. Azura hingegen wurde zunehmend nervöser. Es rückte immer näher und mit ihm nicht die Hoffnung auf ihr altes Äußeres, sondern eine Furcht, die sie bisweilen mit aller Vehemenz verdrängt hatte. Nun stand sie zusammen mit ihnen im Raum wie ein großer stinkender Troll, der seine Dämpfe überall hin verteilte.
Bevor die anderen es riechen konnten - nach Azuras Ermessen war das inzwischen sicher genug - brachte sie ihre Sorgen hervor. Sie konnte nicht umhin, dabei Tränen in den Augenwinkeln brennen zu spüren und ängstlich nach Corax' Hand zu greifen, um sich Halt zu erhoffen. "Was ... wenn es nicht ... funktioniert...? Was mache ich dann...?"
Kjetell'o sog hörbar die Luft ein. Er verschränkte die Arme und machte erstmals einen etwas ratlosen Eindruck. Die Situation war keine, bei der er die Kontrolle hatte. Er wusste sich selbst ienzuschätzen. Er wusste, dass er kein Ritualmagier war und Feuer hier nicht weiterhalf. Er musste sich auf seinen Bezug zur Magie im Allgemeinen stützen, wie es jeder Zauberbefähigte in Zeiten der Not tat. Aber das würde Azuras Ängste nicht vertreiben. Darüber hinaus sah er den Abstand zwischen ihr und ihm selbst. Sie stand bei Corax, fast auf der anderen Seite des Raumes. Zwischen ihnen tat sich eine unsichtbare Schlucht auf, die immer größer zu werden schien. Er hatte längst akzeptiert, dass sie die Bande gekappt hatte, die die einzige Brücke über diese Kluft gehalten hatte. Er durfte sie sehen, würde ihre Seite aber niemals wieder erreichen. Das musste er hinnehmen und so mischte er sich nun auch nicht ein, als es darum ging, das eigen Fleisch und Blut zu trösten.
Corax übernahm diese Rolle. Er stand bei Azura, sie hielt seine Hand. Er war bei ihr, so musste er ihr Halt bieten. Er, der Jahrzehnte lang durch Pein, Leid und Folter gejagte Dunkelelf, bei dem man sich fragte, woraus er überhaupt genug Hoffnung bezog, dass seine Seele nicht zerbrach. Doch Kjetell'o hatte ihm schon ein paar Hilfen mit auf den Weg gegeben. Er war der Leidträger. Er musste es nutzen, bis er eine Möglichkeit sah, es entweder loszuwerden oder zu wandeln. Corax griff darauf zurück. Er wandte sich Azura zu und auf einmal hob sich das schwarze Gefieder seines Umhangs an, dass es wie zwei gewaltige Schwingen über ihre Köpfe hinweg rafte. Es raschelte und krümmte sich über ihnen zusammen, bis Azura und er in einem Dom auf Federn standen. Alles war schwarz. Sie konnte nur bedingt das regenbogenbunte Schimmern auf dem Gefieder erkennen. Es fehlte ein Hoffnungslicht, um zu zeigen, was sich in Zeiten absoluter Finsternis hinter selbiger verbarg und darauf wartete, hervorzubrechen. Alles, was sie sah, waren zwei Rubine, die ihr liebevoll entgegen leuchteten.
"Es wird funktionieren", sagte Corax mit überzeugter Ruhe. "Du musst daran glauben, dann wird es wahr. Ich glaube daran - für uns beide, wenn du es nicht schaffst." Er drückte ihre Finger. Ohja, er glaubte daran, dass es gelänge. Sie würde wieder schön sein, wieder vollständig. Eine Alternative kam für den Raben nicht in Frage und als seine Worte so in dem Federschutz nachhallten, da schienen sie zum Greifen nahe. Fast als bräuchte es nur einen Gedanken, dass auch Azura glauben konnte.
Da brach der Dom. Die Federn fielen in sich zusammen. Sie regneten auf die Adlige und ihren Liebsten herab. Sie lösten sich auf, bis nur noch ein kleiner, raschelnd schwarzer Kragen Corax Schultern und Nacken zierte. Dieses Mal hatten sie sich nicht in das farbenfrohe Schillern und das gute Gefühl verwandelt, das Azura befallen hatte. Es reichte nicht. Ihr Rabe hatte doch Zweifel ... oder was immer ihn hinderte, diesen wundervollen Zauber noch einmal zu wirken.
"Wir sollten los", durchbrach Kjetell'o den Moment. "Azura, du musst uns den Weg zum Park des Schneeglanzes weisen." Nun war es also soweit. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

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