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von Dormian Arboris » Samstag 9. Juni 2012, 12:58
Dormian kommt von -> Die Universität der Magie -> Die große Bibliothek Seite 2
Dormians Schritte führten ihn wie stets in die Richtung seines Anwesens. Immer noch die schweißnassen Hände um das Dokument des Rates gelegt, schossen ihm mit einem Mal zwei Gedanken durch den Kopf, die alle anderen Überlegungen und Grübeleienverdrängten. Er musste sich innerlich damit anfreunden, BALD loszuziehen. Und das bedeutete, er musste seine Familie erneut verlassen, auch wenn es unumgänglich war, wollte der junge Magier doch endlich seinen Ahnen nacheifern. Gleichzeitig bedeutete seine Abreise, längere Zeit Leliana nicht zu sehen, die dem Tod nur sehr knapp von der Schippe gesprungen war. Bedeutete der Kuss von ihr im Anwesen mehr als nur Dankbarkeit? So lange hatte er diese Gedanken über Gefühle und Zuneigung verdrängt, als sie ihm unmissverständlich - wenn auch freundlich - klargemacht hatte, dass die Beiden nur Freunde bleiben würden. Hatte sie ihre Meinung geändert? Wenn ja, sollte Dormian bleiben und sich ein Leben mit ihr ausmalen, dass er sich in seiner früheren Jugend so sehr ersehnt hatte? Dormian blieb stehen und schloss die Augen. Elias warf einen besorgten Blick auf seinen Meister und miaute leise, doch der Erdakolyth bemerkte das gar nicht.
"Egal, was ich mich entscheide zu tun... ich verletze damit jemanden", raunte er und seufzte. Würde er sich entschließen, zu gehen, würde er seine Familie und vielleicht auch Leliana nicht wirklich Grund zum Feiern geben. Auch wenn sie ihn sicher verstehen würden, vor allem sein Vater. Mesophes hatte es im Alter seines Sohnes ebenso gehalten. Er hatte Zyranus verlassen, um sich einen Namen als erfahrener und weiser Magier zu machen, und diese Bezeichnungen kamen nicht von Ungefähr. Wenn Dormian blieb, winkte ihm vermutlich die Chance auf eine glückliche und friedliche Zukunft mit einer hübschen Feuermagierin. Aber würde er selbst mit dem Gedanken leben können, an Ort und Stelle zu verweilen, und im ewigen Trott ohne Fortschritt festzustecken?
"Nein... das kann ich nicht", antwortete Dormian selbst auf seine Frage und hob den Blick. Sein Entschluss stand fest und er würde seinen Plan ab diesem Augenblick in die Tat umsetzen. Und dies begann, indem er von dem Weg zu seinem Anwesen abwich und den Pfad zum Universitätshospital einschlug.
Einige Stunden später im Anwesen der Arboris...
Die vergangenen Stunden kamen Dormian wie nachschwingende Töne vor, die mal lauter, mal leiser über seinen Geist hinwegrollten, während er in seinem Zimmer stand und seine Habseligkeiten zusammensuchte, die er für seine Reise brauchen würde. Seine Füße hatten ihn zum Hospital getragen, bis hin vor das Fußende von Lelianas Bett, in dem die junge Feuermagierin erholsam schlief. Keine Schmerzen, keine Folter, weder physisch noch psychisch. Sie erholte sich von den Grauen, die sie erlebt hatte. Seinetwegen. Und doch war sie ihm so dankbar gewesen, dass er seine Fehler mit eigenen Händen wieder gutmachen wollte. Dankbar genug, um ihm einen Kuss zu schenken.
"Hey... wie geht´s dir?", hatte er mit erstickter Stimme gesagt, die freie Hand auf einen Bettpfosten gelegt.
"Weißt du... ich habe es schon so oft vor mich hingesagt und überlegt, wie ich es dir am besten deutlich zeigen kann aber... mir ist nichts eingefallen, außer mich bei dir zu entschuldigen... für alles... Ich... ich werde fortgehen, Leliana. Ich habe vom Rat die Erlaubnis bekommen, eine Studienreise anzutreten und... naja, ich werde noch heute aufbrechen. Ich würde so gerne mit dir über alles reden aber... ich brauche Zeit, um mich selbst zu finden und zu verstehen, was ich wirklich in diesem Leben brauche und erreichen will. Ich hoffe, nein... ich weiß, du verstehst das, da bin ich mir sicher..."
Dormian machte sorgfältig einen Knoten in das Tuch, in das ein von Mutter gebackener Laib Brot eingebettet lag. Mit Tränen in den Augen hatte sie ihm einige Sachen überreicht, die er außerhalb der Stadt gebrauchen konnte. Etwas zu essen, ein von Vater stammender Wasserschlauch und einige Leckereien, die dafür sorgen würden, dass er nicht aufhören konnte, an die Wärme seines Heims zu denken. Dies und andere nützliche Dinge wanderten in den Rucksack, ebenso wie das Buch seines Vaters und die Schwarzpulverkugel, die ihm der Avatar überlassen hatte. Er wusste im Nachhinein nicht, wie lange er mit der schlafenden Leliana gesprochen hatte und auch wenn sie es nicht zeigte, er war sich sicher, dass sie jedes einzelne Wort gehört hatte. Jedes Einzelne. Er zurrte die Riemen nach, als er sich den Rucksack über die Schulter geworfen hatte und seine Linke wanderte in vertrauter Gestik zum Stab seines Urgroßvaters. Über seine Robe hatte er den ledernen Mantel mit seinem Familienwappen gelegt, sodass jeder sehen sollte, welchem Magier er gegenüber stand. Mit Stolz wollte Dormian zeigen, dass er ein Arboris war, der nun endlich die Reise antrat, die ihm seinen Platz im Stammbaum seiner Ahnen sichern sollte. Und ihm zeigen würde, wo sein Platz in diesem Leben hier auf Celcia war.
"Na komm, Elias. Wir müssen los", murmelte der Akolyth und gehorsam hoppste das Eon auf seinen angestammten Platz auf der Schulter seines Meisters. Der Mantel war nicht nur warm und trug sich angenehm, die lederne Beschaffenheit bot einigen Schutz vor Kratzern oder den Krallen des Eons, das sich zudem nun viel besser festhalten konnte. Ohne Dormian die halbe Schulter zu durchbohren.
Die folgenden Momente kamen Dormian so vor, als habe er sie im Zeitraffer erlebt. Vor versammelter Familie vor dem Eingangstor auf das Grundstück hatten sie auf ihn gewartet, sogar der Freund seiner Schwester, mit dem er noch nicht viel gesprochen hatte, legte ihm aufmunternd die Hand auf die Schulter und lächelte ihm zu. Seine Mutter kämpfte gegen den Tränenausbruch an und lächelte tapfer, schloss ihren Sohn in die Arme und versuchte offenkundig den Gedanken zu verdrängen, dass es durchaus passieren konnte, dass ihm etwas zustoßen konnte.
"Ich werde jeden Tag für dich beten, Dormian... komm bitte bald zurück", schluchzte sie in seine Haare und gab ihm einen langen Kuss auf die Stirn.
"Ich verspreche es", erwiderte der Bursche mit erstickter Stimme und drückte sie fest an sich, ehe er sie nur zögerlich losließ. Als letztes stand er vor seinem Vater, der zwar nicht weinte oder anderweitig bedrückt schien, nein. Er sprühte förmlich vor Stolz, aber auch vor Sorge, wie es jeder Vater fühlen sollte, wenn er seinen einzigen Sohn entließ. Die dunklen Augen glitzerten feucht, doch es waren keine Trauertränen. Es waren Tränen des Stolzes.
"Zeig Celcia, wer du bist und wer wir sind", brummte Mesophes und legte seinem Sohn die Hand auf die freie Schulter. Der dazugehörige Arm Dormians wanderte zur gegenüberliegenden Schulter seines Vaters.
"Wie die Wurzeln unseres Ahnenbaums werde ich allem standhalten, was da kommt. Für euch alle und besonders für dich, Vater. Der Urgeist steckt in meinen Füßen", lächelte Dormian und Mesophes grinste. Dieses Bild würde Dormian für lange Zeit das Letzte sein, was er von seiner Familie sah.
"Dann sorg dafür, dass er da auch bleibt. Pass auf dich auf, Junge. Und lies dir in nächster Zeit mehr mein Buch durch", fügte er noch raunend hinzu, als er ihn umarmte, sodass nur Dormian es hören konnte.
"Deine Mutter bringt mich um, wenn sie erfährt, was da noch alles drinsteht. Also hüte es gut und bleib standhaft."
Dormian grinste, als sich das Tor von Zyranus hinter ihm schloss und er das Buch aufschlug. Eines der Lesezeichen war auf einem Bild festgeklebt, das eine von einem offenbar Freund seines Vaters gezeichnet worden war. Es zeigte einen jungen Mesophes, der mit einer Bande Wegelagerer ein Fest in irgendeiner Höhle veranstaltete und auf seinem Schoß hockte eine offenbar ebenso sturzbetrunkene Elfendame mit äußerst leichter Bekleidung, die ihm mit geröteten Wangen einen leidenschaftlichen Kuss aufdrückte. Ein schneller Blick auf das Datum versicherte ihm, dass diese Liebschaft vor der Bekanntschaft mit seiner Mutter stattgefunden hatte. Und Dormian blickte nach vorne, den Pfad entlang, der von seiner Heimat davonführte.
"Tja, Elias. Jetzt gibts nur noch uns zwei... Trolle, wir kommen", sprach der Arboris und das rythmische Pochen seines Stabs auf dem staubigen Boden erklang dumpf, aber unverwechselbar. Dormians Reise hatte soeben begonnen...