Meister Londros Schneiderei

Hier wohnen die Nachtelfen in ihren dunklen Häusern. Kein Lichtstrahl ist je zu sehen, tief unter der Erde, nur der Schein der Fackeln erhellt die dunklen Gassen.
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Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 9. Juli 2020, 23:23

Sarin kommt von Das Kasani-Anwesen

Inzwischen war es doch schon recht spät geworden, als Sarin erneut die Schneiderstube ihres alten Meister aufsuchte. Leuchtpilze erhellten die Straßen der Nachtelfen. Sie waren keine Modeerscheinung, sondern gern gesehen als abendliches Leuchtmittel. Zumindest, wenn man es nicht allzu hell benötigte. Sie rußten wenigstens nicht so sehr wie eine Laterne und als Straßenlichter fanden sie regen Einsatz. Man pflanzte sie in Blumenkübel und hegte sie. Unter so manchem Pilz konnte man sich sogar unterstellen. Nicht dass man im Reich der Nachtelfen Regen befürchten musste, aber die schimmernden Lamellen über dem Kopf luden zum Träumen ein, während man in einer der vielen Straßen wartete.
Sarin musste nicht lange warten. Die Schneiderstube hatte zwar bereits ein Geschlossen-Schild an die Tür gehängt, aber sie klopfte ja auch nicht direkt am Laden. Meister Londro bewohnte die kleine Stube eine Etage höher. Hoffentlich war es nichts Ernstes mit seinem Knöchel und er hatte die Stufen zu seinem eigenen Heim sicher zurücklegen können.
Als Sarin dort ankam, brannte Licht. Es war also jemand zu Hause und tatsächlich öffnete ihr nach erstem Klopfen jener Schneidergehilfe, der ihr die Nachricht vom Unfall ihres Meisters Stunden zuvor mitgeteilt hatte.
"Wer ist es denn noch so spät, lieber Muhnin?"
Muhnin, das war eben jener schlaksige Gehilfe mit dem etwas schläfrigen Blick und den quirligen Locken, sah über die Schulter zurück in die Stube. "Oh, es ist Eure Schülerin. Die junge Dame Kasani, Meister. Ich habe Euch gesagt, dass sie noch einmal vorbeischauen wollte."
"Oh ja. Ja! Lass sie herein und sei so gut, uns einen Tee zuzubereiten."
"Natürlich, Meister!"

Muhnin zog die Haustür auf und wies Sarin einladend in die Stube. Drinnen war es lauschig warm. Der Meister hatte einen kleinen Ofen angeheizt, welcher wie ein Ecktisch zwischen einem hohen Ohrensessel und dem schon in die Jahre gekommenen Sofa stand, auf welchem der Schneider saß. Sein linkes Bein lugt unter einer Decke mit hochwertigem Webmuster hervor. Der Fuß ruhte auf einem gepolsterten Hocker und lag in einem Verband. Es roch stark nach Arnika. Meister Londro klemmte ein Lesezeichen zwischen zwei Buchseiten und klappte den Schmöker anschließend zu. Er legte ihn beiseite, um seine halbmondförmige Brille zu richten. Dann lächelte er Sarin entschuldigend zu.
"Bitte, halte mir keinen Vortrag. Es war ein unglückliches Missgeschick über glückliche Umstände. Aber ich hörte, dich hat es besser getroffen. Du wirst dich von deinem Fluch lösen? Ich freue mich für dich, Sarin."
"Minze oder Apfeltee, Meister?"
"Für einen Anlass wie heute Apfeltee. Mit Zimt, bitte!"
Noch einmal lächelte der Meister Sarin zu. Er bot ihr den Ohrensessel zum Sitzen an. Zwei bestickte Kissen lagen darauf. Sie zeigten Manthala und eine schwarze Rose. Sarin kannte diese Kissen noch aus zeiten ihrer Ausbildung. Und sie wusste, dass Meister Londro selten zum Apfeltee griff. Er war hier unten schwer zu bekommen. "Lass mich raten. Du möchtest die bevorstehende Hochzeit nicht gefährden und willst mich um etwas Stoff bitten, bevor du abreisen musst. Mach dir keine Gedanken. Vom Tag an, als ich dich ausgebildete Schneiderin nennen durfte, habe ich einige Bahnen ganz kostbarer Stoffe zurückgelegt. Nun, eigentlich waren sie für die ersten Söuglingskleider und die Kinderwiege ... ähem, tja nun ... ich gebe sie dir natürlich mit Freuden mit, werte Sarin."
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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Sarin Kasani » Freitag 10. Juli 2020, 15:38

Sarins Verabschiedung aus dem Haus aus dem sie aufgewachsen war, verlief eisig bis frostig und dann aber auch verwirrend herzlich und freundlich, von einer Seite, von der sie es nicht erwartet hatte. Alles war gepackt. Eine Tasche nahm sie gleich selbst mit, wo das ihr teuerste verborgen unter einem Satz frischer Wäsche war und sie hinterließ Anweisungen, das der Rest zum Palast gebracht werden sollte. Viel war es nicht. Wäre Lucil in ihren Schuhen getanzt, sie hätte vermutlich einen ganzen Hausstand gefordert. Sarin hingegen hatte nicht mal nach einer Mitgift gefragt. Als sie das Haus verlassen hatte, stand sie einen Moment lang mit dem Rücken zu den Mauern, die den Nachhall von Liebe längst verloren hatten und atmete tief durch. Sie war froh, dass ihr Onkel nicht auf eine Abschiedszeremonie bestanden hatte und schloss hinter sich dieses Kapitel ab. Nun galt es den Blick nach vorne zu richten!
„Der Bauer rückt vor.“
sprach sie leise zu sich und setzte einen Fuß vor den anderen.



"Wer ist es denn noch so spät, lieber Muhnin?"
Muhnin, das war eben jener schlaksige Gehilfe mit dem etwas schläfrigen Blick und den quirligen Locken, sah über die Schulter zurück in die Stube.
"Oh, es ist Eure Schülerin. Die junge Dame Kasani, Meister. Ich habe Euch gesagt, dass sie noch einmal vorbeischauen wollte."
"Oh ja. Ja! Lass sie herein und sei so gut, uns einen Tee zuzubereiten."
"Natürlich, Meister!"

Sarin grinste in sich hinein, aber äußerlich ließ sie sich nichts anmerken. Sie war schon sehr sehr lange keine Schülerin mehr, aber sie würde ihren alten Meister niemals deswegen korrigieren, also tat sie es auch bei seinem neuen Lehrling nicht. Dafür war ihre eigene Welt gerade viel zu stürmisch, als dass sie dieses Lüftchen hätte monieren müssen. So war sie nicht. Muhnin zog die Haustür auf und wies Sarin einladend in die Stube. Sie trat ein und erinnerte sich.

** „Du bist also die kleine Sarin Kasani, na dann komm rein und mach dich nützlich!“
Der groß gewachsene Mann, der Meister Londro war hatte sie angelächelt und ihr damals von Trauer zerfressenes Herz gesehen. Er hatte sie nicht mit nervigen Fragen oder Beileidsbekundungen bestürmt, sondern ihr eine Aufgabe gegeben. Er hatte ihr damit mehr Leid genommen, als es je ein Wort vermocht hätte.**


Drinnen war es lauschig warm. Der Meister hatte einen kleinen Ofen angeheizt, welcher wie ein Ecktisch zwischen einem hohen Ohrensessel und dem schon in die Jahre gekommenen Sofa stand, auf welchem der Schneider saß. Ihr Blick wanderte besorgt zu seinem Bein, dass unter einer Decke mit hochwertigem Webmuster hervor lugte. Der Fuß ruhte auf einem gepolsterten Hocker und lag in einem Verband. Es roch stark nach Arnika. Meister Londro klemmte ein Lesezeichen zwischen zwei Buchseiten und klappte den Schmöker anschließend zu. Er legte ihn beiseite, um seine halbmondförmige Brille zu richten. Sie trat zu ihm, nahm die seine, streichelte sie kurz, drückte sie und setzte sich in den freien Sessel. Mit tadelndem Missfallen und Sorge sah sie auf seinen Fuß und legte den Kopf fragend schief. Londro lächelte Sarin entschuldigend zu.
"Bitte, halte mir keinen Vortrag. Es war ein unglückliches Missgeschick über glückliche Umstände. Aber ich hörte, dich hat es besser getroffen. Du wirst dich von deinem Fluch lösen? Ich freue mich für dich, Sarin."
Lösen...von meinem Fluch...
So richtig hatte sie noch garnicht über diese Wendung in der Geschichte nachgedacht. Sie müsste sich dafür nur ...verlieben...
"Minze oder Apfeltee, Meister?"
, wurden sie kurz Muhnin unterbrochen und Sarin war dankbar dafür, den schon wieder drohte ein Klos sich in ihrem Hals zu bilden.
...den Fluch brechen... das verfluchte Hochzeitskleid... Ich werde heiraten.
"Für einen Anlass wie heute Apfeltee. Mit Zimt, bitte!"
Noch einmal lächelte der Meister Sarin zu. Sie wusste, dass Meister Londro selten zum Apfeltee griff. Er war hier unten schwer zu bekommen.
"Lass mich raten. Du möchtest die bevorstehende Hochzeit nicht gefährden und willst mich um etwas Stoff bitten, bevor du abreisen musst. ...“
Irgendwo donnerte es, ein Blitzgewitter schlug in Sarin ein und stellte ihre Haare auf. Nein, tat es nicht, aber sie fühlte sich so unendlich ….dumm!
Natürlich! Ein neues Kleid muss her!
„Mach dir keine Gedanken. Vom Tag an, als ich dich ausgebildete Schneiderin nennen durfte, habe ich einige Bahnen ganz kostbarer Stoffe zurückgelegt. Nun, eigentlich waren sie für die ersten Säuglingskleider und die Kinderwiege ... ähm, tja nun ... ich gebe sie dir natürlich mit Freuden mit, werte Sarin."
Und da war er wieder, der Moment, da Tränen sich vor lauter Rührung in ihren Augen sammelten und über zu laufen drohten. Hoffentlich schickte der Lehrling sich an, den Raum zu verlassen. Sarin wollte nicht vor ihm weinen. Sie presste die Lippen aufeinander und sah ihren alten Meister, der durch seine Verletzung noch viel älter wirkte mit großen runden Augen an. Mit leicht gepresster Stimme sagte sie:
„Ihr seid wie immer bestens informiert, Meister Londro. Die Gerüchte fließen schneller als der tiefe Wasserlauf im Frühling wenn in den Bergen die Gletscher schmelzen.“
Sie lächelte ihn an. Gemeinsam warteten sie bis der Lehrling fort war, beugte sich zu ihm hinüber und ergriff noch einmal seine Hand.
„Ich wollte mich für all die Jahre eurer Führung und Freundlichkeit bedanken. Ich kann nur hoffen, dass die Welt unter der Sonne genauso helle Seelen hat wie wir hier, die im Schatten leben. Ihr seid mir immer ein guter Freund und Mentor gewesen!“
Da lief die erste Träne und Sarin zog eilig ein Taschentuch hervor um ihre Wangen zu trocknen.
„Und dass ihr an mich gedacht habt, Stoffe für mich zurück gehalten habt, das ehrt mich sehr! Nein, noch mehr... es rührt mein Herz und macht es leicht.“
Sie schniefte einmal ganz leise.
„Darf ich sie sehen?“
Sie blinzelte noch ein paar Mal und wartete darauf, dass der Tee gebracht und Muhnin von seinem Herrn angewiesen wurde die Stoffe zu bringen. Neugierig und fachkundig betrachtete sie sein Geschenk und ihr Herz quoll schon der Geste wegen über. Immer wieder sah sie ihn dankbar an und ließ ihre Finger über das feine Geweben wandern.
„Ich danke euch! ...für alles!“
Ihn hier zurück zu lassen, war fast genauso schlimm, wie der Gedanke ihre 'alte Freundin' zurück lassen zu müssen. Aber Meister Londro war ein selbständiger Mann mit Kontakten und mehr Macht, als man ihm ansah. Aber vor allem andern war er ein Freund. Er war ihr mehr 'Vater' gewesen in schweren Zeiten als Jafar es je hätte sein können.
„Danke!“
Im Überschwall ihrer Gefühle hatte Sarin tatsächlich gerade den sprichwörtlichen Faden verloren. Viel stand noch auf ihrer Liste was zu tun war, aber jetzt gerade wusste sie nichts mehr. Jetzt gerade war sie wieder Schülerin und brauchte den Schubs ihres Meisters, damit sie in die richtige Richtung lief.
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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Erzähler » Montag 13. Juli 2020, 06:38

Wo der Abschied von der eigenen Familie eher kühl, wenn nicht sogar bitter ausgefallen war, so war Londros Begrüßung in seinem Heim quasi das genaue Gegenstück dazu. Er empfing Sarin nicht nur herzlich, sondern auch sowohl mit freundlichen Worten als auch einer Tasse von seinem guten Tee. Muhnin befand sich noch in der Küche und bekam so glücklicherweise wenig von Sarins Tränenausbruch mit. Vielleicht hatte er sie auch Schluchzen gehört oder den ersten feuchten Schimmer in ihren Augen gesehen, so dass er sich noch ein Weilchen länger zurückzog. In jedem Fall waren sie und ihr alter Lehrmeister Londro für einige Zeit ungestört.
Sarin konnte sich öffnen. Und auch Londro sprach ganz offen mit ihr. Die Beziehung zueinander war über die Jahre so eng geflochten, dass sie Geheimniskrämereien nicht nötig hatten.
"Keine Angst, ich habe dir keine Spione auf den Hals gehetzt", kicherte er und winkte ab. Dann genoss er einen ersten Schlürfer von seinem Tee. Der Duft von Apfel und Zimt erfüllte sehr schnell seine Stube. "Tatächlich wurden die Informationen von ganz oben an mich herangetragen. Unsere Stadtherrin ist gut informiert, das ist Fakt. Sie wusste sogleich, bei wem du in die Lehre gegangen bist und wer nun deine Kundschaft wird auffangen müssen." Ein erneutes Lächeln. "Ich werde das schon schaukeln. Außerdem ist mir Muhnin ein sehr strebsamer Gehilfe - haha, trotz seines schläfrigen Blickes."
Meister Londro lauschte mit gespitzten Ohren, aber eine Beschwerde aus der Küche blieb aus. Der Lehrling lauschte also nicht einmal. Londro nickte. "Wirklich ein guter Bursche." Dann räusperte er sich. Sarin war nicht gekommen, um sich über Muhnin zu unterhalten. Sie hatte andere Sorgen und einige davon wollte Londro nun zerstreuen. Außerdem klärte er sie über das Geschehen im Hintergrund auf, soweit er selbst informiert war. "Wie du weißt, schicke ich regelmäßig ausgebildete Nachtelfen an die Oberfläche. Dort wachsen Pflanzen, an die wir hier unten nicht herankommen. Aber Baumwolle ist wirklich ein wunderbarer Ersatz zu unserer Spinnenseide. Meine Späher und Sammler erzählen hin und wieder von der Oberfläche. Viele sind nach wie vor fasziniert von ... Bäumen und Manthalas Mond. Wenn du möchtest und genug Zeit findest, lasse ich dich mit einem von ihnen sprechen. Das heißt, falls du Fragen zur Oberfläche hast, die ich dir nun nicht beantworten kann. Darüber hinaus solltest du vor allem Schutzkleidung vor der Sonne herstellen. Ihre Strahlen sind zu gefährlich für deine Haut. Schneidere dir am besten einen Satz Kleidung für eine ganze Woche. Man weiß nie."
Erneut nahm er einen Schluck von seinem Tee, der inzwischen etwas Zeit hatte, abzukühlen. Londro war wirklich fürsorglich. Er wünschte Sarin schon immer nur das Beste und auch jetzt zählte er zu ihren wenigen Freunden, die sie vor ihrer Abreise nach besten Möglichkeiten zu unterstützten versuchten. Von ihrem Onkel, ihrer Tante und nicht einmal von Lucil konnte sie das wohl noch erwarten. Aber Londro und ihre namenlose Freundin aus der Spinnenhöhle halfen ihr bereits jetzt.
Vor allem aber wies ihr Lehrmeister ihr den Weg. Ganz so, als wüsste er, woran sie nicht gedacht hatte und was es noch zu berücksichtigen gab. Stoff für ein Hochzeitskleid. Sarin würde sich auch hier nicht allzu viel Zeit nehmen können, aber eine Woche hatte sie, um es zu nähen. Auf der Rückreise nach Morgeria würde sie nicht dazu kommen und wenn ihre Erinnerung sie nicht trügte, so hatte irgendjemand - Dhansairs Vater? - doch von einem Manthala-Tempel gesprochen, der auf dem Weg läge. Ein Tempel an der Oberfläche. Das hätte ihrer Mutter gefallen. Ebenso wie sie glücklich gewesen wäre, Sarin in einem Brautkleid zu sehen. Fehlte nur noch die Brechung ihres Fluchs, aber ob ein Dunkelelf genügte, den sie nicht einmal gut genug kannte, um auch nur ansatzweise von Zuneigung sprechen zu können? Er musste genügen! Er und ein neues Kleid. Sarin wollte den Stoff sehen.
Endlich durfte Muhnin wieder aus seinem Küchenversteck zu beiden in die Wohnstube treten. Meister Londro hatte ihn sogleich gerufen und bat ihn nun, die Stoffe aus seiner großen Truhe vor dem Bett zu bringen. Es dauerte eine Weile, denn Muhnin musste in die Kammer unter dem Dach klettern. Dort würde Londro heute nicht nächtigen. Die Leiter kam er mit seinem Knöchel unmöglich hinauf. Aber es war auch nicht sehr leicht, die Sprossen wieder herab zu steigen, wenn man etliche, dicke Bahnen Stoff unter einem Arm trug. Muhnin breitete die Ballen vor Sarin auf dem Kaffeetisch aus.
Meister Londro hatte nicht zu viel versprochen. Hier zeigte sich sein Gespür für Kostbarkeiten, aber auch seine geheime Sammelleidenschaft. Er präsentierte Sarin nicht nur eine Art Stoff. Nein, es fand sich nur das Feinste vom Feinen. Bauschiger Tüll, in den bereits jemand ein feines Sternenmuster hineingewebt hatte. Aber es gab auch Spitze mit Rosenoptik, schwarzen Samt und einen Stoff, mit dem Sarin bisher selten zu tun hatte, weil er im Reich der Nachtelfen wahrlich kostbar war. An der Oberfläce nannten sie ihn Satin und er glitt unter ihren Fingern hindurch wie schimmerndes Quecksilber.
"Nimm dir, was du gebrauchen kannst. Muhnin soll dir zudem Garn aus meiner Schneiderstube zur Verfügung stellen, falls du auch dort einen Speziellen brauchst. Vor zwei Tagen habe ich feinen Silbergarn geliefert bekommen. Der würde sich auf dem schwarzen Samt wirklich gut machen, aber ich glaube, weiße Hochzeitskleider sind aktuell in Mode, nicht wahr?" Er lächelte. Als wüsste jemand wie Londro das nicht! Er schneiderte sie, genauso wie Sarin es tat.
"Um eine Sache bitte ich dich jedoch - als in die Jahre gekommener Lehrmeister, aber vielmehr als Freund, den du hinter dir lassen musst für einen neuen Lebensabschnitt. Ähem ... Muhnin, wärst du so gut. Ja, dort vorn, die Schachtel mit ... ohja, du bist ein schlauer Junge."
Muhnin war schneller von Begriff als es seine träge Erscheinung vermuten ließ. Er war bereits vor Londros Bitte aufgesprungen und hatte nach einer Schachtel in einem der Bücherregale gegriffen. Schlicht und ohne Zierde war sie, abgesehen von einem geschwungenen "L" auf dem Deckel. Muhnin reichte sie seinem Meister und dieser öffnete sie wiederum mit spitzen Fingern. Er wühlte nur kurz im Innern, dass es metallisch und hölzern raschelte. Dann zückte er einen einzelnen Knopf aus Silber und einen weiteren aus Gold. Sie waren rund mit einem zielichen Rand. So gesehen schlicht in ihrer Aufmachung, aber auf ihrer Rückseite fand sich Meister Londros Symbol der Schneiderstube: Sein geschwungenes "L", das aus einem Faden geformt worden war, dessen eines Ende durch eine schmale Nadel führte, welche sich wiederum einem Geliebten gleich an den Buchstaben schmiegte.
"Je nachdem, ob Silber oder Gold zu deinem Kleid passen wird, möchte ich dich bitten, einen der Knöpfe darin zu verarbeiten. So bin ich wenigstens in Gedanken dabei, wenn du deinen Eheschwur vor Manthala abgibst. Das wäre mir in der Tat sehr wichtig."
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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Sarin Kasani » Dienstag 21. Juli 2020, 09:25

Sarins Hände streichelten noch den glatten Satin-Stoff, den der Lehrling gebracht hatte, als Meister Londro das Kästchen öffnete und sie zu ihm sah:
"Je nachdem, ob Silber oder Gold zu deinem Kleid passen wird, möchte ich dich bitten, einen der Knöpfe darin zu verarbeiten. So bin ich wenigstens in Gedanken dabei, wenn du deinen Eheschwur vor Manthala abgibst. Das wäre mir in der Tat sehr wichtig."
Und schon wieder drohte der Klos in ihrem Hals ihre Worte zu ersticken. Blinzelnd schluckte sie ein paar Mal und drängte die Tränen der Rührung zurück. Schon als sie den Stoff erblickt hatte, hatte ihr „kreatives Köpfchen“, wie es der alte Mann früher zu sagen pflegte, begonnen ein neues Hochzeitskleid in ihren Gedanken zu entwerfen. So dann nahm sie mit einem stillen Nicken den silbernen Knopf aus dem Kästchen, betrachtete ihn einen Moment und drückte ihn dann an ihr Herz. Die Worte waren so schlicht und einfach und reichten einfach nicht aus, für das was sie empfand:
„Ich bin so glücklich, einen Freund wie euch in diesen Tagen zu haben! Habt Dank! Und ich werde natürlich dieses Kleinod in Ehren halten, euch bei mir wissend, wenn es soweit ist. Ich danke euch!“
So sprudelte es aus ihr heraus und hätte sie noch ein Wort mehr gesagt, sie hätte wieder angefangen zu weinen. So aber presste sie die Lippen aufeinander, wickelte den Knopf in ein seidenes Tüchlein und verbarg ihn gut versteckt zwischen ihren teuersten Habseligkeiten, tief in ihren Taschen.
Dann strichen wieder ihre Finger über die eleganten Stoffe und sie malte ihn ihren Gedanken einen Hauch von Tüll, schlicht geschnitten, lang, gerade, auf dem sich in der Grundstruktur ein feines Netz abzeichnete, das jene freieren Stellen wie eine Kettenrüstung oder die Schuppen eines Drachen erscheinen ließ. Auf der Brust wollte sie ein stilisiertes Schild mit geraden Kanten, mittig ein Geflecht aus Rosen, ein stilles Bitten an Manthala, dass sie sie segnen und beschützen möge. An den Armen, Rücken und dem langen Rock malte sie, an Stellen die es zu verbergen galt, dichter gewebte silberne Ranken, umrandet von feinen Mustern und versteckten Runen wenn sie dafür Zeit finden würde...
Zeit …
((Inspiration unter: Was hört ihr grade))
Etwas das in diesen Tagen plötzlich rar und kostbar geworden war.
Es war kein leichtes Kleid, dass da in ihrem Kopf entstand. Es war schwer von Stickereien, eines Rüst-Kleides nicht unähnlich. Dichte Bereiche wechselten mit luftigen Ketten. Und oben im Nacken wollte sie den Knopf ihres alten Meisters als Verschluss anbringen, dort wo dann feine Widerhaken im Rücken alles zusammen halten würden.
Aus dem Schaffenstraum erwacht blinzelte sie ein paar Mal und sah zu ihrem Meister.
„Ihr habt wohl Recht, dass ich mich sputen muss. Kleidungsstücke für eine Woche zum Wechseln sollten vorerst reichen und das Silbergarn nehme ich gern. Ich muss noch so viel mehr tun, als nur ein Brautkleid zu schneidern, das dem Fürsten gerecht wird.“
In Gedanken huschte sie zu jenen Tagen ihrer Lehre bei Meister Londro zurück und erinnerte sich an die von ihm angesprochenen Aufträge, die ihre Kunden hinauf in die Oberwelt begleitet hatten. Sie entsann sich einiger Dinge die wichtig waren, die es zu beachten galt, so dass auch auffrischender Wind keine Schleier davon trugen konnten, Sicherungsnähte, verdichtete Stellen, damit die Sonne die empfindliche Haut der Nachtelfen nicht quälen konnte. Auch die Farbe war eine wichtige Komponente. Schwarz absorbierte viel Licht und man konnte durch einen schwarzen Schleier besser sehen, als durch einen andersfarbigen. Stirn und Nase würde sie mit dichteren Stickereien besetzen können, bis nur noch die Augen ohne Zierde blieben... Aber viel Zeit blieb nicht um all diese Gedankenspielereien auch in die Tat umzusetzen. Eine Woche und es gab noch so viel zu tun. So viel, dass es sie von dem Schmerz ablenkte, den sie sonst bei den Wirren um sie herum eigentlich sonst wieder empfunden hätte. Sie hatte gar keine Zeit mit ihrem Schicksal zu hadern!
„Wenn ihr ein kurzes Treffen mit einem eurer Lieferanten von „oben“ arrangieren könntet, wäre das mir eine große Hilfe. Auch ein paar einfache Zeilen würden mir genügen. Ein paar führende Worte, oder Rat für Dinge, die mir selbst nicht in den Sinn kommen würden, dafür wäre ich sehr dankbar. Manche Dinge versteht man sicher erst wenn man sie gesehen hat, denke ich. Ich will gut vorbereitet sein.“
Sie trank den duftenden Tee aus und erhob sich langsam.
„Und nun sollte ich euch alleine lassen. Ihr braucht den Schlaf um zu gesunden. Seid nett zu eurem neuen Lehrling... und wenn ich es einrichten kann, dann werde ich noch einmal vorbei schauen. ...Wenn nicht, ...dann seid gewiss, dass ihr für immer einen Platz in meinem Herzen haben werdet!“
Sarin schluckte schwer und trocken. Das hier war der gefürchtete Moment eines nahen Abschiedes, der Augenblick, den man nicht los lassen wollte, selbst wenn man musste. Sie ging an den Sessel ihres alten Lehrmeisters heran, hockte sich zu ihm nieder und umarmte ihn, wie sie es manchmal als junge Frau getan hatte. Als sie von dort unten zu ihm aufsah lag tiefe Verbundenheit in ihrem Blick, der mehr sagte, als jede gesprochene Silbe.
Dann wandte sie sich zum gehen, da sie sonst nicht mehr die Kraft gefunden hätte. Ihn zu verlassen, wahr wirklich schwer! An der Tür sah sie sich um und sprach noch einmal leise:
„Habt Dank, Meister!“
Dann trugen sie ihre Füße hinaus.

Irgendwann würde sie wieder im Palast, in ihrer Schneiderstube sitzen. Vielleicht noch einen Abstecher in die Küche, so wie früher um mit dem Personal zu schwatzen? Nein, das war vielleicht jetzt nicht mehr so eine gute Idee. Auch das „einfache“ Leben unter diesen oft viel wahrhaftigeren Wesen, würde sie als Fürstin von Blutdorn vermissen. Sie würden selbstverständlich in der Küche schon Bescheid wissen und mit ihren Fragen über sie her fallen. Sarin musste nun Acht geben, mit wem sie sich traf.
Am besten war es wohl einfach schlafen zu gehen. Eine Nacht der Ruhe wünschte sie sich, vor dem bereits aufgezogenen Sturm der Geschehnisse. Plötzlich fühlte sie sich unendlich müde und wollte nur noch die Last des Tages hinter sich lassen, raus aus ihren Kleidern und sich unter ihrer Decke verkriechen.
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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 22. Juli 2020, 11:01

Meister Londro hatte Sarins Talent früh erkannt. Kreatives Köpfchen nannte er es und ließ ihr schon damals freie Hand, sich beim Schneidern zu entfalten. Beide waren dadurch nicht enttäuscht worden. Zwar sahen Sarins erste Versuche, Kleider und Tuniken zu nähen etwas chaotisch und unüberlegt aus, aber das Potenzial war erkennbar gewesen. Ihr Meister schränkte sie auf dieser Ebene nicht ein. Sie sollte sich ihre Experimentierfreudigkeit und die Neugier, gerade mit neuen Stoffen neue Dinge zu versuchen bewahren. Stattdessen hatte Londro sie stets geleitet, sie ein wenig gebremst in ihrem Eifer, möglichst alles an nur einem Objekt auszuprobieren. Frag dich, was du erreichen willst, hatte er sie immer erinnert und ihr nahegelegt, all ihre Ideen auf mehrere Projekte zu verteilen. So hatte Sarin unter seiner Führung gelernt, nach einem Schema zu arbeiten. Sie begann von neuem, hielt sich zurück, damit nicht zu viel an nur einem Kleidungsstück verarbeitet wurde. Auf diese Weise sorgte Meister Londro in Sarins Kreativität für etwas Struktur und sie erkannte schnell, wie viel Eleganz und Schönheit auch aus dem Schlichten hervorzuheben war. Es hatte sie in ihrem Werdegang mehr als bereichert, schließlich war Dank dieser Lehrmethode erst ihr Hochzeitskleid entstanden.
Das verfluchte Kleid. Gewiss lag es nicht am Material oder Sarin Arbeitsweise, dass die Gewandung für den eigentlich schönsten Tag ihres Lebens ein derartiges Stigma erhalten hatte; wie sie selbst. Es waren all die Umstände gewesen, die vielen losen Fäden, von denen sich nur einer in eine ungünstige Richtung neigen musste, damit das gesamte Geflecht verworren wurde. Dieses Mal sollte es anders sein. Dieses Mal waren die Umstände unglücklich gewählt, immerhin kannte Sarin den dunkelelfischen Prinzen nicht. Liebe war keine Grundlage für ihre Verbindung, sondern Zwang. Aber vielleicht würde sie ja lernen, ihn zu lieben oder wenigstens könnten sie einander soweit akzeptieren, dass sie auf einer liebevollen Basis miteinander umgehen würden. Das allein könnte genügen und sie durfte ihre übrigen Möglichkeiten nicht vergessen. Sarin würde nach Morgeria gehen. Sie würde wie nur so wenige Nachtelfen die Oberfläche zu sehen bekommen. All die Geschichten von Spaziergängen durch schattige Wälder, während man zum ersten Mal die gefährliche Sonne am Himmel sah. Himmel. Wie er wohl ausschaute? Sarin kannte doch nur die ausufernden Deckengewölbe der Nachtelfenhöhlen. Ob der Himmel eine ähnliche Struktur besaß? Sie erinnerte sich an Geschichten, in denen er blau beschrieben wurde, manchmal aber auch durchzogen von weißem ... wie hatte es ein Jäger Meister Londros einmal genannt, als sie in hinteren Bereich des Ladens gelauscht hatte? Wie dieser fluffig weiße Stoff, in dem die Nachtelfenfrauen so gern tanzten! Das konnte nur Tüll sein. Am Himmel hing also Tüll ... ein traumhafter Anblick musste das für eine Schneiderin sein! Doch Sarin konnte sich nicht auf den Wahrheitsgehalt dieser Märchen verlassen. Jeder übertrieb in seinen Erzählungen gern. Außerdem hatte sie auch heimkehrende Gruppierungen gesehen, zerschunden und mit Brandblasen, die davon berichteten, dass der Himmel tagsüber am schönsten war, wenn er sich in bleiernes Grau hüllte und die Sonne verdeckte.
Selbst von diesen Legenden mochte Sarin bisweilen nur gehört, die Erfahrung aber nie selbst gemacht haben. Überhaupt waren sich viel zu viele Nachtelfen nicht bewusst, was ein Aufenthalt an der Oberfläche bei Tage bedeutete. Umso schwerer war es für sie als Schneiderin gewesen, mit dem seidigen Material zu arbeiten, das angeblich vor Sonnenstrahlen schützte. Wie konnte Sarin sich bei jedem Nadelstich und jedem verwobenen Zwirn sicher sein, dass gerade ihre gechneiderte Arbeit auch wirklich schützen würde? Sie konnte sie ja niemals selbst austesten.
Konnte! Aber nun sah alles anders aus. Sie würde ihre Schutzkleidung tragen und auch ausprobieren müssen. Vielleicht sogar regelmäßig. War die Sonne stets an diesem Himmel? Sie hatte noch immer viele Fragen, aber Meister Londro bot ihr die Möglichkeit, darauf vielleicht sogar Antworten zu erhalten. Wenn sie es schaffte, in dieser Woche noch ein Gespräch mit einem der Nachtelfenjäger zu führen, könnte sie sich zumindest theoretisch auf das Oben vorbereiten ... und vielleicht gar ein wenig praktisch, wenn sie wusste, welche Kleidung am besten für ihre Reise geeignet war.
Aber so schrecklich konnte es bestimmt nicht sein. Hatte ihre Stadtherrin bei der Offenbarung ihrer Verhandlungspläne nicht auch erwähnt, dass sie auf der Reise nach Morgeria in einem Manthala-Tempel heiraten würde? Wenn Manthala ein ganzer Tempel an der Oberfläche geweiht war, würde die Göttin schon ihren schützenden Nachtschleier über eines ihrer Kinder halten. Nein, es klang bei weitem nicht mehr so schlimm, ihr Schicksal wahrzunehmen, solange Sarin sich an Positivem festhielt.
Außerdem hatten Dhansair und erst Recht sein Leibwächer Iryan doch so nett gewirkt an dem Tanzabend! Es war nicht alles schlecht an ihrer Situation, zumal der Faktor Sarin noch nicht allzu aktiv geworden war. Sie würde ihr Leben nicht komplett in die Hand eines anderen legen. Dazu war sie zu sehr Schneiderin und wie ihre alte Freundin schon gesagt hatte: Sie müsste nur die losen Fäden ihres Schicksal finden und an den richtigen Strippen ziehen, um das gesamte Netz nach ihrem Willen tanzen zu lassen.
Eine dieser Strippen umgarnte gerade ihre kreativen Gedanken und formte ein erstes Bild von einem neuen Hochzeitskleid in ihrem Kopf. Kreativität floss durch ihren gesamten Körper. Meister Londro konnte es sehen und er schmunzelte bei dem Anblick. Sein Lehrling Muhlin hingegen bekam immer größere Augen. Der Meister nickte ihm zu. Offenbar hatte er Sarin schon mehrmals als Beispiel genommen, wenn es um eine Beschreibung ging, wie kreative Gedankenstürme sich in den Augen eines anderen und dessen gesamter Mimik widerspiegelten. Der alte Nachtelf wirkte mehr als zufrieden.
"Wenn ich dir weitere Arbeit abnehmen kann, meine liebe Schülerin, dann lass es mich durch eine Nachricht oder einen Botenjungen wissen. Ich greife dir sehr gern unter die Arme in der Zeit, die dir hier bei uns noch bleibt." Es klang nach einem Abschied für die Ewigkeit. Vielleicht war es das auch! Aber nein! Mentará Trònas hatte ihr Erstgeborenes in die Verhandlungen einfließen lassen und Fürst von Raikhyn hatte zugestimmt. Vielleicht sollte dies die Rettungsleine für Sarin sein, ihre Heimat wenigstens gelegentlich wiederzusehen. Das Kind ins Reich der Nachtelfen zu bringen und immer wieder zu besuchen. Die Stadtherrin war keine Schneiderin, aber auch sie wusste, ihre Fäden zu spinnen...
"Was ein Gespräch mit einem Lieferanten angeht, sei unbesorgt. Ich kann dir zwar noch nicht genau sagen, wann er Kontakt mit dir aufnimmt, aber innerhalb der Woche wird jemand vor deiner Tür stehen. Sei es ein Bote mit einem gut ausformulierten Brief oder gar der Lieferant selbst. Du wirst sehen, aber Sorgen brauchst du keine haben. Nicht an dieser Stelle." Londro lächelte verschmitzt. Auch er befand sich in einer gedanklichen Schaffensblase, nur dass er ausnahmsweise keine Kleidung entwarf, sondern bereits die imaginäre Liste seiner Kontakte durchging. Er suchte gedanklich schon die besten Kandidaten aus, die Sarin würden helfen können. Er war ein gute Mann! Aber leider verlor er sich ein wenig in den Grübeleien. So nickte er nur und gab ein leises Mhm von sich, als Sarin sich verabschiedete. Das zählte auch zu Meister Londros Eigenarten. Nichts, weshalb sich seine einstige Schülerin gekränkt fühlen durfte. Londro hatte sich formvollendet schon vorher bei ihr verabschiedet. Jetzt würde sie ihn verlassen können, ohne dass er noch weiter Notiz von ihr nahm. Seine Gedankenwelt war es, die nun all seine Aufmerksamkeit bekam. So war er schon immer gewesen, aber auch das war ein schätzenswerter Zug, wenn man ihn gewohnt war.
Auch sein jetziger Lehrling schien schon mit den Londroner Eigenarten vertraut zu sein. Er seufzte und zuckte gegenüber Sarin die Schultern. "Ich begleite Euch zur Tür..." Gesagt, getan. Muhlin führte Sarin noch bis an die Pforte und ließ sich anweisen, welche der kostbaren Stoffe und Zwirne in ihre Schneiderei gebracht werden sollten, damit Sarin an ihnen arbeiten könnte. Heute wäre es wohl zu spät dafür. Aber einen Entwurf auf Papier könnte sie möglicherweise noch anstreben. Doch das war nicht mehr Muhlins Problem. Der Bursche verabschiedete sich der Etikette entsprechend und Sarin verließ die Schneiderei ihres Meisters Londro mit raschen Schritten. Zeit war nun kostbarer denn je.

Weiter bei Méntaras Anwesen -> Sarins Schneiderstube im Anwesen der Stadtherrin
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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Erzähler » Sonntag 25. Juli 2021, 00:05

Silas kommt von Silas' Wohnhaus

Erneut traten die ungleichen Elfen durch die windschiefe Tür und als diese knarzend ins Schloss fiel, gab es einen Moment der Stille. Trotz der frühen Stunde, herrschte ein gewisses Zwielicht hier und Avalinn brauchte einen Moment, um den Blick daran zu gewöhnen. Dann konnte Silas hören, wie die Elfe ihren gestauten Atem entweichen ließ und sich in den Nacken fasste, um ihn zu dehnen. Müde sah Avalinn aus und gleichzeitig hatte sie ihre hoffnungsvolle Wirkung kaum verloren. Sie bedachte Silas mit einem kurzen Blick und nickte ihm zu. „Geht nur vor, Silas, ich folge euch.“, meinte sie und ließ dann die Worte verstummen. Silas wusste, dass Myniel inzwischen bei einem Schneidermeister in die Lehre gegangen war oder anders gesagt, dass dieser sie unter seine Fittiche genommen hatte. In einem kurzen Gespräch mit Morrin hatte er erfahren, dass die Zwillingsschwester sich in dessen Schneiderei befand und diese einige Gassen entfernt, im teureren Viertel gelegen war. Während Silas den Weg vorgab, schwieg sich Avalinn eine Weile aus und so führten sie den Weg des Schweigens fort, den sie bereits am Abend zuvor geteilt hatten. Bevor Silas die nächste Abzweigung nach links nehmen und sich dem anvisierten Hauseingang nähern konnte, ertönte doch noch mal die sanfte Stimme Avalinns: „Silas?“, sie wartete, bis er innehielt und blieb dann vor ihm stehen. Unruhig huschte ihr Blick durch die Gasse, bevor sie ihm fest in die Augen sah. Die Kleinere hielt einen Moment inne, als wollte sie das Gold ergründen, bevor sie weitersprach. „Es tut mir von Herzen leid, dass ihr dieser Situation ausgesetzt seid.“, ließ sie ihn wissen und alleine ihre Augen reichten aus, um ihm zu verraten, dass sie es ehrlich mit ihm meinte. Avalinn besaß nicht ganz die strahlende Aura, die sie noch am Abend präsentiert hatte und ihre Augen wirkten müde und verschleiert, doch trotzdem war da ein Licht in ihr, dass es im Reich der Nachtelfen selten bis gar nicht gab. Sie griff sogar nach seiner Hand, um sie kurz zu drücken und er konnte spüren, wie die Zuversicht erneut von ihm Besitz ergriff, wenn auch längst nicht so extrem wie am Vorabend.
„Nein, du Holzkopf, ich wollte kein Leinen ich wollte Seide und Spitze! Kennst du überhaupt den Unterschied?!“, polterte auf einmal eine weibliche Stimme durch die Gasse und eine Tür wurde geöffnet.„Es.. es tut mir leid, My.. Myniel ich habe die Bestellungen einfach verwechselt.“, stotterte der männliche Part und schon konnten die beiden ungleichen Elfen einen schüchternen Mann erkennen, der rückwärts auf die Gasse trat und in seiner Hand einen Hut drehte. Avalinn brach erschrocken den Kontakt zu Silas‘ Augen und seiner Hand ab, und trat einen Schritt zurück. „Ach schon gut, du Riesenbaby. Ich weiß ja, dass deine Frau gerade Drillinge bekommen hat. Da kann man schon mal durch den Wind sein. Hier..“, sie ließ ein paar Münzen in seine Hand fallen und er bedankte sich stotternd. „Ich hole den Stoff morgen selbst. Geh und küss' deine Frau.“. Der Mann sah zu, dass er wegkam und aus dem Hauseingang trat eine schlanke, zarte Gestalt, die Hände in die schmalen Hüften gestemmt und blickte ihm nach. Sie lächelte leicht, als sie sich umdrehte und ihr Blick auf das Pärchen in der Gasse fiel.

Das Lächeln wurde weniger, als sie die Stirn in Falten legte und zwei Schritte auf die Straße machte, um besser zu sehen, wer dort stand. Dann erhellte sich ihre Miene und sie kam mit fließenden Bewegungen auf Silas zu. „Silas Círenas!“, ihre Stimme war umscheichelnd und ihre Bewegungen fast Katzengleich. Das Kleid, welches sie trug, floss bei ihren Bewegungen um ihre Silhouette und deuteten immer wieder auf ihre Proportionen hin. Deutlich zeigten sich die wohlgeformten Brüste unter dem schwarzen Stoff ab und unterstrichen ihre laszive Art sich zu bewegen. Sie war eine Frau, die wusste wie sie wirkte und es genoss. Selbstbewusst, charismatisch und ehrgeizig waren nur einige der Begriffe, die sie umschrieben und Silas wusste, dass die Männer ihr zu Füßen lagen. Myniel blieb vor ihrem Freund aus Kindertagen stehen und schaute zu ihm hoch. Sie lächelte ihn offen an und verengte kurz die Augen. „Du siehst beschissen aus, wer ist deine neue Freundin?“ Ohne Umschweife kam sie zum Punkt und ließ ihn nicht aus den Augen. Wann hatte sie Avalinn überhaupt angesehen? Ihm war gar nichts aufgefallen. Die eldorische Elfe trat einen halben Schritt vor und schien instinktiv zu wissen, dass es einer Vorstellung bedurfte, sodasa sie Myniel die Hand hinhielt. „Avalinn“, sagte sie verlegen. Myniel bedachte ihre Hand nur mit einem Blick und schürzte die Lippen, als sie die Augen einmal über Avalinn wandern ließ.„Na, wenn das so ist? Dann kommt mal rein in die gute Stube.“ Myniel schlug die Hand aus, hakte sich aber bei Silas ein und zog ihn mit sich. Sie lächelte und freute sich, dass er sie besuchen kam. „Wie lange ist das jetzt wieder her, Silas? Du kommst mich viel zu selten besuchen, ich sehe Morrin viel öfter und das sollte nicht so sein", grinste sie vielsagend, während sie die beiden durch die Tür lotste, aus der sie vorher gekommen war.

Sie gingen unter einem Schild hindurch auf dem „Meister Londros Schneiderei", stand und betraten die Schaffenswerkstatt eines kreativen Kopfes. Überall lagen Stoffe, mal fein säuberlich sortiert, mal auf großen Tischen mit Scheren, Maßbändern, Garn und Applikationen in allen Formen und Farben. Es gab Schneiderpuppen, bekleidet und unbekleidet und Zeichnungen, mal wirr, mal verspielt und klassisch. Myniel ließ sie eintreten und entließ Silas zuvor aus ihrem Griff. Dann durchschritt sie vor ihm den Raum und gab ihm ganz subtil die Möglichkeit, ihren sündhaft tiefen Rückenausschnitt zu bewundern. Danach drehte sie sich langsam um und lehnte sich gegen die Tischplatte, die Arme unterhalb der Brust verschränkt, um auch hier noch mal Appetit zu machen. Avalinn schluckte kaum merklich unter ihrer Verschleierung und hielt sich dezent im Hintergrund. Myniel hatte bisher keine Anstalten gemacht, der Begleitung von Silas in irgendeiner Form entgegen zu treten und Silas durfte spüren, dass es leichte Spannungen gab. „Kommst du endlich zur Vernunft und bittest mich um ein Essen?“, fragte sie und lächelte ihn offen an. Es war nicht so, dass sie ihn vorführen wollte, sie zog ihn etwas auf und das deutete auf ihre langanhaltende Freundschaft hin. Dann wurde ihr Blick ernst. „Wie geht es Oriana? Morrin erzählte mir, dass sie krank sei?", fragte sie ehrlich interessiert und öffnete ihre Arme, um sich abzustützen auf den Platte neben ihren Hüften. Silas kannte Myniel lange und wusste, dass sie ihm nie ganz verziehen hatte, dass er offenbar der einzige sein sollte, der ihr nicht Avancen machte und doch wog die Freundschaft mehr und so teilten sie eine tiefergehende Bindung miteinander. Dass sie Avalinn jedoch zu ignorieren schien, deutete durchaus darauf hin, dass Myniel ihre Besitzansprüche nie ganz aufgegeben hatte. Die Heilerin hielt sich, ganz ihrer Empathie entsprechend, dezent im Hintergrund und schaute sich hier und dort einige Kleider oder Zeichnungen an. „Was kann ich für dich tun, Silas?“, fragte sie geduldig und versenkte ihre Amethyste im Gold des anderen.
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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Silas Círenas » Sonntag 25. Juli 2021, 20:43

Familie konnte eine treibende Kraft sein. Silas, der in seinem Leben nie besonders viel besessen hatte, wusste dies mehr als alles andere zu schätzen. Sein ganzes bisheriges Dasein hatte er in den Diensten derer gestanden, die ihm am meisten bedeuteten, und sich zu so manch zweifelhafter Arbeit durchgerungen, nur, um ihr Überleben zu sichern. Doch auf harte Zeiten waren auch Phasen des Durchatmens gefolgt – Momente wie heute, in denen er sich bewusstwurde, warum und für wen er das alles tat. Noch nie hatte er von seinen Geschwistern ähnliches verlangt und es widerstrebte ihm beinahe körperlich, dass er Zahel in eine Position gebracht hatte, in der es keine andere Option gab, als tapfer das eigene Schicksal zu ertragen. Er wollte ihr die Angst nehmen, doch im Rahmen seiner bescheidenen Möglichkeiten wusste Silas, dass die Zuversicht, die er säte, im Prinzip nur aus leeren Worten bestand und er darauf angewiesen war, dass sie ihm vertraute. Der Mischling hielt die Wangen seiner Schwester warm zwischen seinen Händen umfasst, hielt der Unsicherheit ihres Blickes stand und ließ die Welle aus Angst, Verzweiflung und Unwille, die ihm aus ihrem Blick entgegen tobte, an ihm brechen. In diesem Augenblick konnte er nicht mehr sein als der Fels in der Brandung, der ihren tobenden Gefühlen standhielt. Es dauerte einen Moment, doch Zahel ließ sich durch seine Worte beruhigen, schloss die Augen und schmiegte sich besänftigt in seinen Griff. Erleichtert stellte er fest, dass ihm neu gefasster Mut entgegen blinzelte, als sie die nassen Augen öffnete und ihn ansah. „Silas, du tust so viel für uns alle. Ich… ich vertraue dir völlig, das weißt du sicher und ich werde alles tun was ich kann und muss, um dich zu unterstützen… Zerfleisch‘ dich deswegen nicht. Ich… wir werden es gemeinsam schaffen. Als Familie.“, ein träges Schmunzeln formte seine Lippen als Antwort auf ihre Worte. Sie hatte ihm nun ebenfalls die Hand an die Wange gelegt und sein schief angehobener Mundwinkel wanderte unter ihren Daumen. Er hatte bisher keinen anderen Auftrag in dieser Welt gesehen, als sich um die Seinen zu kümmern. Dies war eine Aufgabe, die er bereits seit jüngsten Jahren hatte erfüllen müssen. Wie könnte er der Schuld und Scham also entkommen, die ihn zu zerfleischen drohten, wann immer er einen Fehltritt machte? Kein leichtes Unterfangen und bestimmt etwas, das er noch lernen musste. Der geteilte Moment war vorbei, als sich die Geschwister voneinander lösten und Zahel ihn mit einem kleinen Necken aus dem Gespräch entließ. Er hüstelte sogar ein wenig amüsiert ob der Vorstellung, dass Avalinn beim Anblick nackter Haut im Boden versinken könnte. Irgendwo piekste ihn der Schalk und einen kurzen Moment überlegte er tatsächlich, ob er es nicht darauf anlegen wollte.

Brav, wie er war, kam er schlussendlich gewaschen und zur Gänze bedeckt zurück, mit feuchtem Haar und frischer Kleidung und gesellte sich in die familiäre Runde dazu. Er hatte neben seiner Mutter Platz genommen, hielt die kühlen Finger in seinen Händen und drückte sie sanft. Seine vorangegangenen Worte entlockten Oriana ein leises Lachen und er freute sich über den kratzigen Klang, lächelte ihr ins Gesicht. „Es wird schon wieder.“, sicherte jene ihren Kindern zu und beantwortete auch Rhonas Frage nach ihrer Gesundung mit Zuversicht und nickendem Kopf. Silas wusste, dass es seiner Mutter Kraft und Energie kostete, diese Zuversicht aufrecht zu erhalten. Obgleich sie geistig klar und fieberfrei wirkte, fehlte ihr noch jeglicher Glanz, der für Oriana einst so typisch gewesen war. Immer noch hielt die Krankheit ihren geschwächten Körper auf Trab. Ihr silbriges Haar wirkte stumpf, das Gesicht hohlwangig, das Lächeln flach und blass. Sorgenfalten verdunkelten die Züge seiner Mutter, als er schließlich damit begann, seine Familie über das Kommende zu unterrichten. Silas würde sich der Sorge seiner Mutter stellen müssen, davon war er bereits ausgegangen, ihr angstbesetztes Japsen versetzte ihm dennoch einen Stich in seiner Herzgegend. Noch bevor er ansetzen konnte, hatte Avalinn bereits das Wort ergriffen: „Nein, Oriana. Ihr verliert sie nicht. Ich… Zahel wird hier wohnen, das habe ich mit Amenion besprochen… Sie wird zu ihm gehen, ihm bei seinen Behandlungen helfen und abends wieder gehen dürfen.“, Silas Atmung geriet einen Moment ins Stocken und staute sich in seiner Kehle. Ein warmer Schauer erfasste ihn, als Avalinn ihren Blick auf ihn richtete. Der Keimling jener zarten Hoffnungspflanze, die Avalinn in ihm bereits am Vorabend bewässert hatte, wollte sich ihr entgegen recken, in ihrer Gunst baden und gedeihen. „Es tut mir leid.“, entkam es der Elfe schließlich leise, den Blick gesenkt und in eine Weite gerichtet, die es nicht gab. Silas bemerkte, wie Avalinn gedankenverloren das Armband an ihrem Handgelenk drehte. Er erinnerte sich an Amenions Worte, an sein Versprechen, dass Avalinn ihre Magie nicht einsetzen würde können und es überlief seine Glieder kalt in Anbetracht des Umstands, wie er es gesagt hatte. „Ich habe alle nötigen Kräuter hier bei mir und bin zuversichtlich, dass die Behandlung weiter anschlägt. Amenion wird euch helfen und weiß was er zu tun hat, im Falle einer Verschlechterung. Er wird sich an die Zusicherung halten.“, fuhr die blaugehüllte Elfe fort und lächelte schwach auf Oriana herab. Sie schenkte den Umsitzenden einen kurzen Blick, während Oriana sich der Verkündung kraftlos geschlagen gab. Silas spürte die plötzliche Spannung, welche die Hand seiner Mutter erfasste und er beobachtete mit leichter Sorge im Blick, wie sie aufgeregt zum Wort ansetzte: „Avalinn ich danke euch für eure Hilfe. Aber.. wenn mein Sohn nicht… nicht wieder kommt oder… oder meiner Tochter etwas … zustoßen sollte, ich schwöre bei Manthala..“, der Mischling drückte die zarten Finger. „So weit wird es nicht kommen“, wandte er ein, blinzelte jedoch ein wenig überrascht, als Avalinn sich zur Gänze unbeeindruckt gegenüber dem unheilvollen Krächzen seiner Mutter zeigte. Erst als auch Oriana nach den Händen ihres Ältesten griff und jene leicht drückte, widmete sich dieser erneut ihrer Gestalt. „Silas.. ich ertrage kaum den Gedanken, dich gehen zu lassen. So weit… so lange… Ich weiß, wieso du in dieser Lage bist und ich liebe dich dafür. Aber ich verlange von dir, dass du um jeden Preis zurückkehrst. Dass du auf dich Acht gibst und dich jeder unnötigen Gefahr fernhältst.“, Silas lauschte ihren Worten aufmerksam, die sie in erstaunlicher Härte an ihn richtete, nickte langsam und bedächtig und erwiderte den Druck ihrer Hände. Weil das bisher ja auch so gut geklappt hat. Ich werde mich fernhalten,… die Gefahr wird mich trotzdem finden, dachte er ein wenig bitter, schluckte die Erwiderung hinunter und rang sich ein sanftes Lächeln ab. „Ich verspreche es“, murmelte er nur leise.

Oriana ließ sich in den kleinen Kissenturm sinken, den man ihr im Rücken zurechtgelegt hatte. Die ganze Aufregung hatte sie sichtlich erschöpft und sie würde genügend Schlaf brauchen, um sich davon zu erholen. In der Zwischenzeit hatte Silas sein Wort bereits an Avalinn gerichtet, welche Kräuter und Knollen auf dem Fenstersims ausbreitete und für den späteren Zugriff bereitlegte. Einen kurzen Moment dauerte es, bis die Elfe erkannte, dass Silas das Wort tatsächlich an sie gerichtet hatte. Langsam drehte sie ihre Position und schien nachdenklich innezuhalten, ehe sie seinem Vorschlag zustimmte. „Ja gut ich danke euch, Silas. Ich komme gerne mit, dann kann ich auf dem Markt noch einige Besorgungen machen.“, er bestätigte ihre Worte mit einem Kopfnicken und erhob sich leise von der Seite seiner Mutter. Während Avalinn ihre Verhüllung anlegte, schlüpfte auch Silas unter seinen Kapuzenumhang und schloss die Knöpfe an seinem Kragen. Den Münzbeutel verstaute er erneut in der Innentasche. „Ich würde gerne heute Abend noch mal nach euch schauen, Oriana, wenn ihr einverstanden seid.“, richtete seine Begleitung das Wort nochmals an seine Mutter. Silas erkannte das Zögern in Orianas kurzfristiger Stille, doch schließlich nickte sie. „Ich danke euch“, mit einem Blick auf ihren ältesten Sohn setzte sie fort: „Wir werden auf dich warten, komm nicht zu spät. Wir wollen noch etwas Zeit zusammen verbringen, bevor du aufbrichst.“ Erneut lächelte Silas schwach und neigte den Kopf zum Einverständnis. „Natürlich. Ruh‘ dich in der Zwischenzeit etwas aus.“, murmelte er sanft, danach wandte er sich Avalinn zu, die ihre Ledertasche bereits wieder verschlossen hatte und scheinbar bereit zum Aufbruch war. Nach einer flüchtigen Verabschiedung traten sie gemeinsam den Weg aus der Hütte an. Knarzend schloss sich die Tür im Rücken des Mischlings, diesiges Zwielicht schlug ihm die ersten Schritte entgegen. Mit einem schiefen Blick auf Avalinn gewährte er der Elfe einen kurzen Moment, in dem sie ihre Augen daran gewöhnen konnte und sich seufzend den Nacken dehnte. Sie fing seinen Blick auf, nickte ihm leicht zu: „Geht nur vor, Silas, ich folge euch.“. Mehr brauchte es nicht, um seine Schritte zielstrebig voranzutreiben.

Eine Weile wanderten sie stillschweigend nebeneinanderher und Silas verlor sich in den unterschiedlichsten Gedanken. So viel war zu tun, so viel war zu bedenken. Dennoch hatte ihn der Vormittag gestärkt, ihm neue Energie und ein Stück weit Hoffnung geschenkt, um den kommenden Anforderungen mit gerecktem Kinn und gestrafften Schultern entgegen zu treten. Seine Schritte führten ihn an den Häusern der Nachbarschaft vorbei, und je weiter sie an den äußeren Rand des Viertels gerieten, in dem die Círenas‘ hausten, desto größer und ordentlicher wurden die Bauten, bis sie sich in einer Gegend wiederfanden, in der Prunk und prachtvolle Architektur vorherrschten. Silas hatte bereits etwaige Botengänge in die verschiedensten Ecken und Winkel des Reiches unternommen – dieses Viertel, es ließ sich nicht leugnen, war mit Abstand eines der Besseren. Ein Ort, an dem der Reichtum der Stadt offen zur Schau gestellt wurde. Myniel hatte sich bereits vor einiger Zeit in die Lehre eines Schneidermeisters begeben, der in der ganzen Stadt namentlich Anklang fand und bereits einige der besten Schneiderinnen und Schneider hervorgebracht hatte, welche das Reich der Nachtelfen aufweisen konnte. Generell gesprochen war das Schneidervolk bereits seit jeher ein treuer Kundenstamm gewesen, dessen Aufträge Silas sogar recht gerne entgegen genommen hatte – im Rahmen einiger Botengänge hatte Silas sogar den ein oder anderen Blick auf das Leben des höfischen Adels werfen können. Angestrengt versuchte Silas, sich an den Namen seiner letzten Auftraggeberin zu erinnern. Meisterin Kilani? Kasani? Irgendetwas in dieser Richtung. Avalinn riss ihn aus seinen Überlegungen: „Silas?“ Überrascht hielt der Mischling inne, die spitzzulaufenden Ohren zuckten etwas, als er sich nach der Elfe umdrehen wollte. Doch sie huschte bereits vor seine Nase. „Hm?“, entfuhr es ihm und er ließ den Blick über ihren verschleierten Schopf hinweg kurzfristig prüfend über die Umgebung gleiten. Hatte er etwas übersehen? War ihnen jemand gefolgt? „Es tut mir von Herzen leid, dass ihr dieser Situation ausgesetzt seid.“, ertönte es schließlich leise. Irritiert blinzelte Silas auf die Elfe vor ihm hinab. Beinahe hätte er es in einer spöttischen Bemerkung abgetan, doch sie sah ihn von unten herauf mit entwaffnender Ehrlichkeit an. Der bernsteinfarbene Blick glänzte betrübt. Der Spott erstarb ihm auf der Zunge, noch ehe er ihn aussprechen konnte. Es verwirrte ihn, dass sie sich für etwas entschuldigte, auf das sie keinen Einfluss hatte. Zwei Falten bildeten sich zwischen seinen Augenbrauen. „Ihr braucht Euch für nichts entschuldigen“, erwiderte er schließlich wahrheitsgemäß. „Ihr tragt keine Schuld. Nichts von all dem ist Eure Schuld.“, fuhr er nachdrücklich fort. Ein Blitz zuckte sein Rückgrat hinab, als sie nach seinen Händen griff. Instinktiv versteifte er, doch er ließ es zu und hielt diesmal auch ihrem Blick stand, ohne sichtlich ins Wanken zu geraten. Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen in seinem Leben, war Silas es nicht gewohnt, Nähe zu teilen. Die Maske musste sitzen und auch jetzt stellte er sicher, dass neben all den ehrlich gemeinten Worten nicht allzu viel von dem, was er in seinem Innersten verbergen wollte, sichtbar wurde.

Betrachtete man die Dynamik einmal genauer, war es eine recht spannende Beobachtung. Die Berührungen der Elfe hatten eine tatsächlich ganz und gar paradoxe Wirkung auf den weißhaarigen Mischling, denn obgleich ihn jedes Mal Zuversicht erfasste, sobald sie nach ihm griff, wollte er sich dieser Wärme und Hoffnung nicht freiwillig öffnen, zog sich innerlich davon zurück. Avalinn besaß ganz offensichtlich das Talent, geistige Mauern niederzureißen und unter ihren Berührungen zum Einsturz zu bringen. Sei es nun ihrem Naturell oder der Magie in ihren Adern geschuldet. Silas war es hingegen gewohnt, Personen in seinem Umfeld auf Herz und Nieren zu prüfen, jeden auf Abstand zu halten und aus sicherer Entfernung zu beobachten. Er hielt die Tore seiner Festung verschlossen, bevor er gewählten Personen Eintritt gewährte. Und nun war da eine Fremde, eine Elfe, in Gestalt und Statur nicht mehr als ein Blatt im Wind – die mühelos Ziegel aus seiner Mauer riss. Das war nicht nur ärgerlich, sondern tatsächlich gefährlich, nahm es ihm doch jede Stabilität, derer er sich so rühmte.

Stimmengewirr polterte durch die Gassen und Avalinn wie auch Silas zogen die Hände abrupt an ihre Seiten zurück. Ein Blick in die richtige Richtung genügte, um die Vermutung des Mischlings zu bestätigen. Der rückwärtsstolpernde Mann wich vor der Besitzerin jener Stimme zurück, die Silas bereits gut genug kannte, um sie am Klang zu erkennen. „Es… es tut mir leid, My.. Myniel ich habe die Bestellungen einfach verwechselt.“, Silas schmunzelte, als er das Schauspiel beobachtete. Beinahe empfand er Mitleid mit dem armen Kerl, den Myniel hier so gekonnt aus der Schneiderei jagte. Die Nachtelfe war schon immer eine Naturgewalt gewesen, wenn sie es darauf anlegte. „Ach schon gut, du Riesenbaby. Ich weiß ja, dass deine Frau gerade Drillinge bekommen hat. Da kann man schon mal durch den Wind sein. Hier... Ich hole den Stoff morgen selbst. Geh und küss' deine Frau.“, Silas presste eine Faust vor die Lippen und lachte lautlos in jene hinein, ehe er seufzend den Kopf schüttelte und Avalinn einen seitlichen Blick zuwarf, der sein amüsiertes Prusten beinahe augenblicklich verstummen ließ. Ja, freu dich nicht zu früh, sonst steckst du noch die ganzen Schläge ein, schallt er sich selbst. Myniel trat mit langen Schritten vor die Tür, die Hände in die Hüften gestemmt, ein Lächeln auf den Lippen. Silas klärte seine Kehle mit einem leisen Räuspern und seine Nase kräuselte sich, als er unter dem Blick der Schwarzhaarigen zu grinsen begann. „Silas Círenas!“, posaunte sie mit heller Stimme und kam ihnen mit zügigen Schritten entgegen. Weniger als eine Armeslänge entfernt blieb sie schließlich stehen. Trotz ihrer geringen Größe wusste Silas, dass wohl die meisten Männer dem amethystfarbenen Blick in kürzester Zeit erlagen – es kostete der Nachtelfe wahrlich keine Mühe, eben jene mit einem gekonnten Wimpernschlag in die Knie zu zwingen. „Du siehst beschissen aus, wer ist deine neue Freundin?“, der Mischling lachte auf, ein seltener Klang, der unter normalen Umständen kaum über seine Lippen fand. „Und du bist so reizend wie immer.“, merkte Silas trocken an und schob sich ein wenig zur Seite, um den Blick auf die Elfe schräg hinter ihm freizugeben. Nicht, dass Myniel sie eines Blickes gewürdigt hätte. „Darf ich vorstellen? Myniel, das ist…“, die Verhüllte trat einen Schritt vor und benannte sich augenblicklich selbst, während sie der Schneiderin die Hand hinhielt. Na, das kann ja was werden, Silas beobachtete, wie Myniel die Größere nun doch einer bedächtigen Musterung aus ihren schräggestellten Katzenaugen unterzog. „Na, wenn das so ist? Dann kommt mal rein in die gute Stube.“, die Nachtelfe konnte in ihrer Ablehnung meisterlich subtil sein. Als Myniel sich unterhakte, warf Silas seiner Begleitung einen beinahe entschuldigenden Blick zu. Doch er ließ sich von der Schwarzhaarigen mitziehen und lächelte mild, als ihn jene mit einer wahren Flut an Worten tränkte. „Wie lange ist das jetzt wieder her, Silas? Du kommst mich viel zu selten besuchen, ich sehe Morrin viel öfter und das sollte nicht so sein", sie traten unter dem Schild, welches das Haus als Schneiderei auswies, hindurch und traten in die warme Werkstube ein. Der Mischling warf einen Blick in den Raum und seufzte leise, bevor er erwiderte: „Zu lange, aber du weißt ja selbst am besten wie das Leben so spielt.“, er verschränkte die Arme vor der Brust.
Sein Blick glitt unweigerlich in die Tiefen ihres Rückenausschnitts, dem sie ihm so subtil präsentiert hatte. Er schluckte leise. „Als zukünftige Hofschneiderin hast du sicherlich alle Hände voll zu tun.“, neckte er, denn er wusste, dass Myniel diesen Posten mit ihrer Lehre anstrebte. „Vermutlich hast du recht. Ich sollte die Möglichkeiten, dich zu besuchen, nutzen, solange du die Namen der einfachen Leute noch kennst“, das Grinsen nahm den Worten den Stachel. Es erinnerte an die Zeit, in der sich das Trio über das Leben der Adligen ausgelassen hatte – dass Myniel mit etwas Glück bald selbst ein solches Dasein fristen sollte, war immer noch etwas befremdlich, wenn auch reichlich verdient.

Vermutlich war ihm der Anblick der perlmuttfarbenen Haut ein wenig zu Kopf gestiegen, denn nun registrierte Silas auch allzu bewusst den tiefen Einblick der Vorderseite ihres Kleides und war beinahe kläglich darum bemüht, den Blick nicht abschweifen zu lassen. Myniel hatte noch nie mit ihren Reizen gegeizt – und nach wie vor kroch ihm die Nervosität in die Knochen, wenn er sich jenen ausgesetzt sah. „Kommst du endlich zur Vernunft und bittest mich um ein Essen?“, kokettierte sie und lächelte ihn offen an. Silas schmunzelte und schüttelte in aller Theatralik den Kopf. „Weißt du denn immer noch nicht, was gut für dich ist?“, hielt er spielerisch dagegen. So war es in der Zeit nach jener Nacht immer zwischen ihnen gewesen. Sie neckten sich, zogen sich auf, ließen Unausgesprochenes seit Jahren in spielerischen Scherzen verstauben. „Wie geht es Oriana? Morrin erzählte mir, dass sie krank sei?" Silas nickte mit ernster Miene. „Mittlerweile…“, er warf der Elfe in seinem Rücken, die sich mit den Zeichnungen verschiedener Schnitte beschäftigte, einen stummen Blick zu. „… geht es ihr besser. Sie ist noch nicht ganz über den Berg. Aber… aber es wird.“, der Mischling senkte den Blick, ehe er Myniel wieder ins Gesicht sah. Die Nachtelfe schien zu spüren, dass es nicht der Zufall war, der den Mischling vor ihre Tür getragen hatte. „Was kann ich für dich tun, Silas?“, fragte sie geduldig. Silas begegnete ihrem Blick eine Weile schweigend. „Ich bin tatsächlich nicht nur zum Plaudern hier, Myniel“, gestand er und lächelte erneut mit schiefgelegtem Kopf. „Ich brauche einen Umhang. Für die Oberwelt.“, er trat einige Schritte an sie heran. „Hast du etwas bei der Hand?“, er kam noch ein Stückchen näher, angelte den Münzbeutel hervor und platzierte ihn neben ihrer Hand auf der Kante des Tisches. „Ich weiß, es ist kurzfristig“, endete er schließlich und trat zögerlich wieder etwas zurück.

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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Erzähler » Sonntag 25. Juli 2021, 23:49

Jeder brauchte etwas, was ihn in schweren Stunden erdete. Etwas, das ihm Beistand und Trost versprach, wenn alles um ihn herum, tosenden Wellen gleich, über ihm zusammenschlug. Für Silas war das seine Familie und das würde sich nie ändern. Seit jungen Jahren hegte und pflegte er dieses kostbare Gut, opferte sich bis zur Erschöpfung auf und würde das bis zu seinem letzten Atemzug tun. Es gab nichts anderes für den Mischling und nichts an diesem Umstand hatte er je ändern wollen. Dass ihm nun das Schicksal Knüppel zwischen die Beine warf und sich kugelte vor Lachen, wenn er strauchelte, war ein Umstand, mit dem er sich erst noch anfreunden musste- oder eben auch nicht. Dass seine Mutter deutliche Besserung ihres Gesundheitszustandes zeigte war ein wahrer Trost für den jungen Elfen. Er brauchte das, brauchte es für das Vorankommen und vor allem für das Aufbringen der nötigen Kraft, um den nächsten und übernächsten Schritt tun zu können. Dass das Schicksal nicht nur ein Schabernack-treibendes Miststück war, zeigte ein gänzlich anderer Umstand: Die eldorische Elfe erwies sich als Lichtblick in all der Dunkelheit. Sie war es, die durch ihr Einschreiten dafür gesorgt hatte, dass Oriana die Hilfe erhielt, die nötig war und sie war es auch, die als Wärmequelle zur Verfügung stand, wenn das eigene Herz kalt werden wollte. Für Silas hatte das allerdings einen entscheidenden Haken: Er war nicht bereit sich dieser Hoffnung gänzlich zu öffnen. Er wollte sich nicht darin suhlen, wollte sie auf Abstand halten und nicht Gefahr laufen, dass sie die falschen Steine aus seinem Turm aus Steinen zog, sodass er zusammenbrach. Seine Erwiderung auf ihre Entschuldigung nahm Avalinn mit einem schweigsamen Blick auf, der ihn fast schon prüfte. Sie neigte etwas den Kopf zu ihrer linken Schulter und zog diese gleichzeitig etwas hoch. „Das ist sicher richtig. Ich möchte es euch dennoch sagen, da ihr es bisher von niemanden gehört habt.“, meinte sie leise, bevor sie unterbrochen wurden und beide sich zuckend von einander entfernten. Das folgende Schauspiel erheiterte Silas und bescherte ihm in seinem Rücken einen neugierigen Blick aus Bernstein, während er Myniel dabei beobachtete, wie sie dem Boten trotz verhunzter Lieferung, Gnade zuteil werden ließ. Als er den Blick zu Avalinn lenkte, huschte ihrer zu der Elfe, als hätte er sie ertappt. Myniel kam elegant auf ihn zu und sah ihn von unten an. Auch sie verwandelte ihr Lächeln zu einem Grinsen und schüttelte kaum merklich das dunkle Haupt, bevor er etwas zur Seite trat, um Avalinn vorzustellen. Die Nachtelfe ließ lediglich den Blick über die Andere wandern, bevor sie sich Silas schnappte und ihn mit sich zog. Avalinn ließ die Hand wieder sinken und schmunzelte leicht, während Silas sich für seine Freundin mit einem Blick zu entschuldigen versuchte. Danach folgten die beiden der hübschen Nachtelfe in die Schneiderei. „Zu lange, aber du weißt ja selbst am besten wie das Leben so spielt.“,, antwortete er ihr und Myniel lachte glockenhell und angenehm auf.

Nachdem er genug Zeit hatte, ihre Kehrseite zu bewundern, sah sie ihn eindringlich an. „Das sollte keine Ausrede sein. Du bist jeden Tag unterwegs im Reich für irgendwelche Fremden!“, sie schob gespielt die Unterlippe vor, was ihr einen eher sinnlichen, als kindlichen, Ausdruck verlieh. „Und da hast du keine Zeit, vorbeizuschauen?. „Als zukünftige Hofschneiderin hast du sicherlich alle Hände voll zu tun.“Ihre Augenbraue hob sich und sie machte eine ausladende Geste. „Ich verstaube hier, noch! Ich bin den ganzen Tag und die meiste Zeit der Nacht hier drin. Mein kleiner Kosmos.“, seufzte sie, während sie den Blick scheinbar unbestimmt durch den Raum wandern ließ. Danach sah sie ihn vielsagend an und lachte noch mal leise, um den Ernst hinter dem Vorwurf und dem Klagen zu nehmen. „Vermutlich hast du recht. Ich sollte die Möglichkeiten, dich zu besuchen, nutzen, solange du die Namen der einfachen Leute noch kennst“, Sie öffnete die Lippen und ein schalkhaftes Funkeln trat auf ihr Gesicht. „Einfach warst du noch nie, Silas Círenas, das wissen wir beide!“, konterte sie und ließ unausgesprochen, was sie genau meinte. Der Mischling wurde sich leidlich bewusst, dass Myniel immer noch ihre Wirkung auf ihn hatte und auch wenn er bisher nicht die Gefühle, die sie einst geteilt hatten, erwidern konnte, war er doch auch ein Mann und als solcher musste ihm in Teilen gefallen, was er sah.
Myniel war schlicht zu einer wunderschönen Frau geworden, die es meisterlich verstand sich mit Hilfe von Stoff und Schnitt in Szene zu setzen. Noch dazu kam ihr ihr Wesen zugute, denn sie hatte etwas Scharfzüngiges, das selten ins Gemeine rutschte. Es gab kaum jemanden, der sie nicht früher oder später mochte, sofern sie das wollte, was mit ein Grund war, warum ihre harte Arbeit gewürdigt wurde. „Weißt du denn immer noch nicht, was gut für dich ist?“, antwortete Silas auf ihren Versuch, ihm etwas die Schamesröte ins Gesicht zu treiben. „Du lässt es mich ja nicht herausfinden.“, schoss sie zurück und widmete sich dann elegant einem ernsten Thema, bei dem sie sich aufrichtig für das Wohlergehen seiner Mutter interessierte.

Sie nickte bei seiner Antwort und folgte seinem Blick zur schweigsamen Elfe. „Lass mich wissen, wenn ich etwas für euch tun kann, ja?“, sagte sie eindringlich und fügte zur Sicherheit, in dem sie seinen Blick mit dem Neigen ihres Kopfes auffangen wollte, als er ihn senkte, an: „Ich meine es ernst, Silas. Ich bin für dich da!“, unterstrich sie und wollte danach wissen, was ihn wirklich herführte. Myniel ahnte bereits, dass er nicht einfach so auftauchen würde, schon gar nicht mit einer Begleitung, wenn er bloß eine alte Freundin besuchen wollte. „Ich bin tatsächlich nicht nur zum Plaudern hier, Myniel“ Myniel verzog die Lippen und lächelte subtil. „Was du nicht sagst, und ich dachte, du willst mir deine neue Liebe vorstellen.“, setzte sie diese Spitze ganz bewusst. Es hatte zwar nichts Hinterhältiges, doch lassen konnte sie es auch nicht. Bei den Worten wandte sich Avalinn der Nachtelfe zu und ihre ansonsten eher zurückhaltende Körperhaltung wirkte fest und aufrecht. „Da erliegt Ihr falschen Annahmen, Myniel. Ich unterstütze lediglich die Heilung von Oriana.“, kam es klar von Avalinn. Myniel's Augen blitzten minimal angriffslustig, doch Silas schob sich zwischen die Blickfelder und legte seiner Freundin die Münzen auf den Tisch. Seine Nähe lenkte die Nachtelfe von Avalinn ab und sie hob den Blick, um ihn ansehen zu können. Sie stieß sich von der Tischplatte ab und verringerte noch mehr den Abstand zwischen ihnen. Sie hob beide Augenbrauen an, als er seine Bestellung aufgab und blickte zum Beutel auf dem Tisch „Was zum Teufel willst du in der Oberwelt?“, entfuhr es ihr und Silas wusste, dass Myniel gerne im Reich war und den früheren Ausflügen in das helle Reich nicht viel abgewinnen konnte. Seine nächsten Worte ließen sie kurz einen Blick über ihre Schulter werfen, als ob sich noch jemand in der Schneiderei befand. Silas konnte erkennen, dass von diesem ersten, vermutlichen Verkaufsraum, noch zwei weitere Türen abgingen. Dahinter hörte man leise Stimmen.
Myniel kehrte mit ihrer Aufmerksamkeit zu Silas zurück und nahm den Beutel mit den Münzen. Sie warf einen Blick hinein und pfiff leise, als sie den Inhalt kurz überflog. „Woher hast du auf einmal das Geld?“, fragte sie und schnürte den Beutel wieder zu. Sorge mischte sich in ihren Blick und einmal mehr warf sie zweifelnde Blicke der anderen Elfe zu. Sie ließ Silas sich etwas entfernen und warf ihm den Beutel zurück. „Ich will dein Geld nicht.“, meinte sie bestimmt und ging um den Schneidertisch herum, auf dem sie eben noch gesessen hatte. Myniel verschwand hinter diesem und murmelte etwas, bevor sie wieder auftauchte und eine Rolle schwarzen Stoff auf den Tisch legte. „Nur für dich, oder auch für deine… Haus und Hofheilerin?“, meinte sie spitzzüngig und Avalinn ignorierte sie, während sie langsam von den Schneiderstücken abließ. Die eldorische Elfe kehrte an Silas Seite zurück und bedachte den Stoff mit einem prüfenden Blick. „Ich brauche nichts, danke.“, antwortete sie schlicht und Myniel zuckte die Schultern. „Erinnerst du dich, dass du vor einiger Zeit ein Paket für Meisterin Kasani überbracht hast? Du hast es in den Palast bringen sollen.“, murmelte sie und ihre Stimme wurde verschwörerisch leise. „Meisterin Kasani hat eine Methode entdeckt, wie man aus einem speziellen Stoff absorbierende Kleider herstellt. Meister Londro weihte mich ein, nachdem Sarin Kasani zu ihrer Hochzeit aufgebrochen ist.“, erklärte sie weiter und entrollte den Stoff. „Also… ja, ich kann dir – wie es der Zufall will- helfen.“, bestätigte Myniel und bekam auf einmal ein hungriges Lächeln. „Dann mal runter mit den Hosen, Silas… ich muss Maßnehmen.“, schnurrte sie und hielt ein Maßband so doppeldeutig hoch, wie es nur sie konnte. „Wollt ihr nicht mal kurz spazieren gehen, Avalinn?“, fragte sie, ohne die andere anzusehen. Diese versteifte sich neben Silas und es dauerte einen Moment, bevor sie schließlich ausatmete und sich offenbar beherrschen musste, nicht unhöflich zu werden. „Natürlich, ich warte draußen.“, kam es knapp von ihr und wollte dann den Laden verlassen. Myniel ruckelte grinsend mit den Augenbrauen, während sie in Richtung seiner Kleider tippte. „Ausziehen.“, hauchte sie und die Vorfreude ließ sich in ihren Augen nicht leugnen.
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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Silas Círenas » Dienstag 27. Juli 2021, 00:43

Dass eine Fremde Anteil nahm an seiner Situation, an der Tragik seines Lebens, war so ungewohnt wie unerwartet. Die Elfe hatte Recht in ihrer Annahme, dass ihm derartiges bisher noch nicht gesagt worden war. Vielleicht erklärte dies auch seine Unfähigkeit, mit eben so einer Situation umzugehen. Neid, Missgunst, Gier waren die vorherrschenden Gefühle, die man in den ärmeren Vierteln miteinander teilte. Es gab wenig Platz für freundliche Worte und aufrichtige Anteilnahme. Und so stand die Verwirrung dem Halbelfen einen Moment lang allzu deutlich ins Gesicht geschrieben, als Avalinn nach seiner Hand griff, um ihre Worte zu unterstreichen. Silas spürte die Ehrlichkeit hinter ihren Worten, die Wärme ihres kühlen Griffs. Es hielt den ersten Impuls, die Situation mit kühlem Spott abzutun, im Zaum. Lediglich die Mauer in seinem Innersten brach und bröckelte. Mühsam hielt er die Steine aufeinander. Er bekam ein wenig Zeit, seine Defensive zu festigen, als Myniel ihren Boten durch die Tür stampfte und somit alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Es erheiterte Silas tatsächlich, seine Kindheitsfreundin in dem Schauspiel zu beobachten und ein gewisser Schalk glänzte im Gold seiner Iriden, wie in freudiger Erwartung. Der Umgang mit den nachtelfischen Geschwistern hatte stets eine Leichtigkeit in sein Leben gebracht, ihn stundenweise von der Last auf seinen Schultern befreit. Mit der Eleganz eines Wirbelwinds schnappte die Nachtelfe nach dem Mischling und zog ihn nach einer knapp bemessenen Vorstellungsrunde mit sich, hinein in die Stube von Meister Londro.

Leugnen konnte er es nicht. Er hatte den spitzzüngigen Schlagabtausch vermisst und Myniel wusste wie immer sehr genau, wie sie den sonst so steifen Mischling ein wenig aus der Reserve locken konnte. Dennoch war es eine Gratwanderung, ein schmaler Drahtseilakt, ein Tanz um den brodelnden Vulkan, den die beiden über die Jahre perfektioniert hatten. „Einfach warst du noch nie, Silas Círenas, das wissen wir beide!“, eine gut angesetzte Klinge, wusste Silas doch ganz genau, worauf die Nachtelfe anspielte. Verlegen grinsend wandte der Mischling den Blick ab und gestattete Myniel hiermit indirekt einen ersten Rundensieg. Gegen ihre Aussage war nichts einzuwenden. Dass es offensichtlich keiner Logik folgte, dass er sich von Myniel nach der gemeinsamen Nacht zurückgezogen hatte, war ihm sehr deutlich bewusst. Er hatte es versucht. Wirklich. Und wenn es Erfolg versprochen hätte, hätte er ihr sein Herz gewaltsam geöffnet. Doch in seinem Kopf war vieles so viel einfacher gewesen, so natürlich wie Luft holen - in seiner Vorstellung hatte es keinerlei Mühe bedurft, sich in die Nachtelfe zu verlieben. Objektiv betrachtet hätte es sogar durchaus Sinn gemacht und mit der Zeit, da war sich Silas sicher, hätte auch alles andere wie von selbst ineinander gefunden. War das nicht naheliegend? Dass Kindheitsfreunde alles Kindliche irgendwann hinter sich ließen und mit ein wenig Glück schlussendlich als Paar zueinander fanden? Wer hätte es ihm verdenken können? Mit den Jahren war Myniel zu einer köpfedrehenden Erscheinung herangereift. Und auch Silas war nicht blind für ihre Schönheit. Er hatte sehr wohl Augen im Kopf... und besaß genügend Hormone, die auf eben jene visuellen Reize anschlugen. Es wäre gelogen, zu behaupten, dass er sich nicht ebenso an den äußerlichen Reizen einer Frau erfreute, wie viele andere Männer es ebenfalls taten. Mit seinen jungen Jahren war er immerhin gerade erst so der Jugendlichkeit entwachsen und obgleich Silas, verglichen mit Morrin, ziemlich harmlos im Umgang wirkte, war er doch lange nicht prüde. Frauen und Männer hatten gleichermaßen das Bett mit ihm geteilt, er hatte kein Geschlecht für sich bevorzugt, wenn es darum ging, belanglose Körperlichkeiten auszutauschen. Sich einer Person jedoch über die Grenzen des Körperlichen hinaus zu öffnen war hingegen etwas, das ihm bisher noch nicht gelungen war. Oder etwas, das er es schlichtweg ganz bewusst nicht zugelassen hatte. Nicht einmal bei Myniel, bei der es eigentlich so leicht hätte klappen müssen. „Du lässt es mich ja nicht herausfinden.“, Silas lächelte schmallippig als Reaktion auf ihre Erwiderung, das Gold seiner Augen funkelte tückisch. Er verkniff sich eine Antwort als ihm bewusstwurde, dass auch Avalinn während dem Gespräch anwesend war… und wie seltsam ein derartiger Austausch auf fremde Ohren wirken musste.

Es entschärfte die Situation etwas, als die Gesundheit seiner Mutter thematisiert wurde. Silas nahm es sich zu Herzen, dass Myniel sich ernsthaft interessiert zeigte und lächelte mild. „Lass mich wissen, wenn ich etwas für euch tun kann, ja?“, drängte die Schwarzhaarige sanft und schnappte eindringlich nach dem Blick des Mischlings, den er kurzfristig Richtung Boden gelenkt hatte. Er fasste sich ein Herz und sah ihr ins Gesicht. „Ich meine es ernst, Silas. Ich bin für dich da!“, wie oft sie ihm das versichert hatten. Über all die Jahre hinweg - Morrin wie auch Myniel. Der Mischling hatte es nie in Anspruch genommen, hatte stets den Weg seines eigenen Stolzes gewählt, der ihn schlussendlich oft genug durch den Dreck hatte waten lassen. Auch diesmal bedachte er Myniel mit einem weichen Blick, nickte und lügte: „Danke. Ich werde darauf zurückkommen.“ Obwohl… gänzlich gelogen schien es nicht zu sein. Hatte er denn nicht am Vorabend überlegt, auf eben jenes Angebot zurückzugreifen? Nicht für sich selbst, doch für die Heilerin, die sich seiner Mutter angenommen hatte. Für eben jene hätte er seinen Stolz niedergerungen, sämtliche Bedenken über Bord geworfen. Silas schüttelte gedankenverloren leicht den Kopf. Es war eine Entscheidung aus dem Moment heraus gewesen, nachträglich betrachtet war er über den Einfall wohl selbst am meisten überrascht. Nicht, dass er es nicht durchgezogen hätte… Es war nur so… untypisch gewesen. Avalinn ließ ihn aus der Reihe tanzen und das musste er irgendwie in den Griff kriegen. „Was du nicht sagst, und ich dachte, du willst mir deine neue Liebe vorstellen.“, ertönte es lieblich säuselnd geradeaus. Silas blinzelte etwas erschlagen und schnappte bereits nach Luft, um die Stimme zum Protest zu erheben, da erklang Avalinns Stimme, erstaunlich fest und klar: „Da erliegt Ihr falschen Annahmen, Myniel. Ich unterstütze lediglich die Heilung von Oriana.“ Die Luft klirrte, oder bildete er sich das ein? Ein Blick auf Myniel trieb Silas zwischen die beiden Frauen, vorsichtig schob er sich in das Minenfeld, um den Münzbeutel neben ihr zu platzieren.

Als er zu einer Eklärung ansetzte, fuhr Myniel die Krallen zu seiner Erleichterung zwar ein, dennoch wirkte sie nicht sonderlich begeistert von dem, was er hier von sich gab. „Was zum Teufel willst du in der Oberwelt?“, entfuhr es ihr. Silas hätte ob des scharfen Tons instinktiv beinahe den Kopf eingezogen, doch er griff nach seiner Courage und hob das Kinn wie zum Widerwort. „Arbeit“, entgegnete er knapp, fügte dann jedoch, ein wenig sanfter, hinzu: „Nicht jeder besitzt so ein lauschiges Arbeitsplätzchen wie du, Myniel.“. Die Nachtelfe hatte den Ausflügen ins helle Reich nie besonders viel abgewinnen können. Gegen Ende hin waren es zumeist nur noch Morrin und er selbst gewesen, welche sich an die Oberfläche gewagt hatten, um Jagdausflüge und ähnliches zu unternehmen. Ganz unwillkürlich fragte sich der Mischling nun, ob Myniel ihrem Bruder ebenso offen vorführte, was sie davon dachte, dass man sich als Nachtelf aus dem Reich wagte. Hatte Morrin doch weitaus öfter etwaige Aufträge außerhalb des Reichs zu verrichten - zumindest ging Silas davon aus, denn als Krieger war man vermutlich überall und nirgends im Einsatz. Der Weißhaarige folgte Myniels Blick, der einen Moment abdriftete. Auch er vernahm leises Gemurmel aus den angrenzenden Räumen, es blieb jedoch nicht viel Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn sofort schwenkte seine Aufmerksamkeit zurück zu Myniel, die einen leisen Pfiff ausstieß, nachdem sie in den Münzbeutel gelugt hatte. „Woher hast du auf einmal das Geld?“, der Mischling beobachtete, wie sie den Beutel zuschnürte und ihn in einem lockeren Wurf an ihn retournierte. Silas angelte das Leder mit einem gekonnten Griff aus der Luft. „Willst du das wirklich wissen?“, erwiderte der Mischling und wiegte den Sack ein wenig in der Hand. Ihm entging der Gesichtsausdruck nicht, mit dem die Nachtelfe seine Begleitung musterte. „Ich will dein Geld nicht.“, Silas strafte die Schwarzhaarige mit einem unzufriedenen Blick und seufzte geräuschvoll, während sie sich um den Schneidertisch herumbewegte. „Nein, Myniel.“, protestierte er. „Keine Mitleidsgaben.“. Doch die Nachtelfe murmelte bereits irgendetwas Unverständliches und zog eine Rolle schwarzen Stoff auf die Arbeitsfläche des Tisches. „Nur für dich, oder auch für deine… Haus und Hofheilerin?“, Myniel ließ ihre Krallen eingefahren, dennoch klang ein spitzer Unterton in ihrer Stimme mit. Silas fuhr sich mit der freien Hand über den Nacken. Es würde ein langer Tag werden. Avalinn trat währenddessen gänzlich unbeeindruckt an seine Seite heran und warf einen kritischen Blick auf den Stoff vor ihrer Nase. „Ich brauche nichts, danke.“, erklang es erstaunlich höflich zu seiner Seite, doch Myniel hatte sich bereits in bester Verschwörungsmanier an den Mischling gewandt und schien der Entscheidung der Anderen keine allzu große Bedeutung zukommen zu lassen. Die Katzenaugen funkelten, als sie ihre Stimme zu einem Raunen senkte: „Erinnerst du dich, dass du vor einiger Zeit ein Paket für Meisterin Kasani überbracht hast? Du hast es in den Palast bringen sollen. Meisterin Kasani hat eine Methode entdeckt, wie man aus einem speziellen Stoff absorbierende Kleider herstellt. Meister Londro weihte mich ein, nachdem Sarin Kasani zu ihrer Hochzeit aufgebrochen ist… Also… ja, ich kann dir – wie es der Zufall will- helfen.“, Silas versuchte, die Erinnerung an jenen Auftrag zu rekonstruieren und tatsächlich meinte er, ein vages Bild jener Meisterin vor Augen zu haben, welche ihr Paket sogar höchst selbst entgegengenommen hatte. Er war sich nicht ganz sicher, ob er alles, was Myniel ihm so eben anvertraut hatte, in vollem Maße begriff, doch es sollte ihm recht sein, solange die Nachtelfe wusste, was sie tat. „Ich werde also nicht… verbrutzeln, wenn ich den Stoff trage?“, fragte er wenig geistreich nach und blinzelte begriffsstutzig in Richtung des Stoffs, der für ihn doch recht gewöhnlich aussah.

Hunger dominierte das Lächeln, mit dem Myniel ihn schließlich bedachte – ein vieldeutiger Ausdruck, den Silas so oder anders bereits etliche Male an ihr gesehen hatte. Seine Ohrspitzen zuckten nervös. „Dann mal runter mit den Hosen, Silas… ich muss Maßnehmen.“, der goldäugige Blick fiel kurz auf das Maßband, welches Myniel zwischen ihren Händen gestrafft hielt und eine leichte Röte stahl sich in die Wangen des Mischlings. Er verschränkte die Arme vor der Brust, unschlüssig, ob er sich ihrer Aufforderung tatsächlich geschlagen geben sollte… andererseits führte wohl kein Weg daran vorbei. Sie war schließlich die Schneiderin und er brauchte das, worum er gebeten hatte. „Wollt ihr nicht mal kurz spazieren gehen, Avalinn?“, Silas wusste einen Moment lang nicht, ob es ihn erleichterte, oder tatsächlich ein wenig nervöser werden ließ, dass Myniel die Elfe nach draußen verbannte. Er widerstand dem Drang, seinen Blick auf Avalinn zu richten und versteifte in seiner Haltung wohl ebenso wie sie in ihrer. „Natürlich, ich warte draußen.“, kam es nach kurzem Zögern und die Verhüllte wanderte unter seiner Nase an ihm vorbei. „Wird nicht lange dauern“, murmelte er an Avalinn gewandt, als sie sich an ihm vorbei zur Tür hinausdrängte und wünschte sich bereits einen Augenblick später, besser nichts gesagt zu haben. Die Zweideutigkeit hinter den Worten war tatsächlich wenig hilfreich, wie er fand. „Ausziehen.“, Silas hob die Brauen und schmunzelte einen kurzen Moment beinahe mutig über die eigene Unsicherheit hinweg. „Es sollte dir wirklich nicht derart viel Freude bereiten, andere herumzukommandieren.“, gab er trocken zu bedenken, warf dann doch noch einen unruhigen Blick in ihre Hände, ehe er an sich herabsah… und kurz etwas räusperte. Bringen wir's hinter uns. Ein wenig zögerlich begann der Mischling, sich zu entkleiden. In dem Maße, wie es ihm von der Schneiderin aufgetragen worden war. Er ließ sich vielleicht ein wenig mehr Zeit, als unbedingt nötig. Legte seine Kleider sorgsam ab und schob auch die Schuhe an den Rand. Anschließend richtete er sich zur Gänze auf, straffte die nackten Schultern, wagte jedoch nicht, seinen Blick direkt auf Myniel zu richten. Stattdessen fragte er recht unspezifisch in den Raum hinein: „Also. Wo willst du mi-“ Verdammt, was redest du da? „Ich meine… Wo soll ich mich hinstellen?“, nochmals räusperte er sich, wie immer um eine möglichst unbeeindruckte Maske bemüht. Das verräterische Rucken seiner Kehle, wenn er schluckte, ließ sich jedoch kaum verbergen.

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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Erzähler » Dienstag 27. Juli 2021, 13:41

Vielleicht war es gar nicht das Schlechteste, dass Silas mal etwas anderes kennenlernte, als ihm das Leben im unterirdischen Reich seither gelehrt hatte. Natürlich war das beängstigend und wenig bequem und seine hart aufgebaute Komfortzone bekam deutliche Risse, während der Mörtel der Umstände brüchig wurde. Es war ein feines Rieseln und noch längst nicht soweit, dass sämtliche Mauern fielen, doch wie viele Schubser würde es wohl dauern, bis Silas die Hüllen fallen ließ? Vorerst war seine Konstruktion in den besten Händen, als Myniel ihn und die Heilerin unterbrach. Avalinn rutschte naturgemäß in den Hintergrund und die schöne Nachtelfe übernahm den Taktstock seiner Aufmerksamkeit. Er fühlte sich erfrischt, als er sich daran erinnerte, wie gerne er mit dieser Elfe zusammen war. Auch wenn er nie den letzten Schritt hatte tun können, sich sein fragiles Herz nicht öffnen ließ, um darin einen tieferen Platz zu finden, wo er die Freundin einbetten konnte. Myniel war ihm wichtig, sie besaß seine kostbare Zuneigung und sein wertvolles Vertrauen, doch darüber hinaus, kamen sie beide nicht zum Finale ihrer langjährigen Freundschaft. Myniel verstand es außerordentlich, den Mischling in Verlegenheit zu bringen und selbst vor der Fremden scheute sie sich nicht, undurchsichtige Anspielungen zu machen. Avalinn ließ das alles über sich ergehen, ohne groß erkennen zu lassen, ob und was sie darüber dachte. Einzig, als sich Myniel ihrer Ansicht nach zu weit wagte, schritt sie ein und machte deutlich, dass sie sich nicht in dieses Spiel zwischen ihnen hineinziehen lassen würde. Silas spürte, dass er nun besser eingriff und schaffte es subtil die aufwallenden Gefühle zu mindern, als er sich zwischen die beiden Frauen schob. Die Gemüter lenkten sich auf andere Gesprächsthemen und Myniel zeigte deutlich ihre Abneigung bezüglich der Oberwelt. Seine Antwort ließ die Elfe die fein geschwungenen Brauen heben und zweifelnd in sein Gesicht blicken. „Arbeit?“, hakte sie nach und fast hätte sie ihre Arme verschränkt.

Als hätte Silas gewusst, dass sich seine Freundin mit so wenig nicht zufrieden geben würde, fügte er an: „Nicht jeder besitzt so ein lauschiges Arbeitsplätzchen wie du, Myniel.“. Die Nachtelfe schnaubte: „Deshalb geht man noch lange nicht nach da oben.“, murmelte sie, beließ es dann jedoch dabei und konzentrierte sich mehr auf den Beutelinhalt. Nachdem sie ihm das Geld zurückgegeben und um den Schneidertisch herum gegangen war, tauchte sie dahinter hervor und legte den gesuchten Stoff auf die Platte. Kurz nur bedachte sie Silas mit einem Blick. „Almosen? Sind es Almosen, wenn ein Freund um Hilfe bittet und ich ihm diese gewähre?“, fragte sie rhetorisch und zuckte dann die Schultern. „Bezahl was du für richtig hältst, Silas. Einen Preis werde ich dir nicht nennen.“, meinte sie kompromissbereit. Immerhin wusste sie um seinen Stolz, auch wenn sie gerne das letzte Wort hatte. Kränken wollte sie ihn gewiss nicht und würde sie auch nicht. Danach erfolgte eine kleine Spitze in Richtung der anderen Elfe, die sich bisher gut im Griff hatte und sogar zu Höflichkeiten bereit war. Sie schien neugierig auf den Stoff zu sein und musterte diesen, der doch recht gewöhnlich wirkte, wie auch Silas bemerkte. „Ich werde also nicht… verbrutzeln, wenn ich den Stoff trage?“,, Myniel sah ihn an und schmunzelte fragend „Verbrutzeln?“, sie lachte amüsiert und auch Avalinn unterdrückte ein leises Lachen mit einem Husten. „Es ist eine besondere Form von Spinnenseide. Alles weitere würde zu weit führen, glaube mir einfach, dass du durchaus am Tag reisen kannst und überall wo der Stoff dich bedeckt, wirst du geschützt sein. Achte aber auf dein Gesicht und deine Hände. Das was wir hier noch haben wird für eine Hose und ein Hemd reichen, vielleicht noch einen Mantel, das sehe ich gleich.“, meinte sie fachmännisch und schon folgte ein Stimmungswechsel, der Silas die Nackenhaare zu Berge stehen ließ.
Mit einer unerschütterlichen Ruhe und überzeugenden Präsenz, verbannte Myniel die andere Frau nach draußen. Avalinn brauchte einige Sekunden, um ihre erste Bemerkung hinunter zu schlucken, bevor sie knirschend akzeptierte und an Silas vorbei, zum Ausgang ging. „Wird nicht lange dauern“,, murmelte der Mischling und es folgten zwei Reaktionen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: Avalinn hielt inne und sah zu ihm hoch, bevor sie an ihm vorbei gelangte. Eine kurze Verwirrung mischte sich in ihren Blick, als hätte sie Mühe diesen Ausspruch zu interpretieren, doch da reagierte bereits Myniel: „Och ich weiß nicht, Silas…, du wirst eine Weile weg sein und ich will sicher nicht, dass du mich vergisst“, flötete sie zuckersüß und trieb Avalinn damit durch die Tür.

Als diese hinter ihr ins Schloss fiel, genoss Myniel noch einen Moment die Wirkung und sah dann mit einem anbetungswürdigen Augenaufschlag zum Gelbäugigen. Die Schneiderin schien augenblicklich zu entspannen, jetzt da Avalinn weg war und es legte sich eine neue Zweisamkeit über die Schneiderstube. Es dauerte, bis Silas den Mut fand, sich vor ihr zu entkleiden. Er zögerte es hinaus, ließ sich Zeit und steigerte damit lediglich ihre Vorfreude. Myniel sagte nichts, sondern ließ ihm die Zeit, bis er sich von Hose und Hemd befreit hatte. Dann legte sie sich das Maßband um den Nacken, griff nach einem kleinen Holzbrett mit Pergament und kehrte um den Tisch herum zurück. „Also. Wo willst du mi-“, ihre Augen leuchteten amüsiert auf „Ich meine… Wo soll ich mich hinstellen?“. Myniel schmunzelte und deutete auf eine kleine Ecke, wo die Schneiderpuppen standen. Sie dirigierte Silas dorthin, drehte ihn sich zurecht und schaute zu ihm auf. Dann legte sie das Brettchen zur Seite und griff nach dem Maßband. Was nun folgte, wäre sicherlich in einer anderen Schneiderei anders abgelaufen, doch die Nachtelfe trat dicht an Silas heran, sodass er ihre Wärme spüren konnte. Sie war deutlich kleiner als er und musste sich etwas dehnen, damit sie alles erreichen konnte. Sie ließ ihre feinen Finger hauchzart über seine Haut wandern, als sie seine Arme ausbreitete und das Maßband anlegte. Immer wieder kam es dazu, dass sie ihn berührte, flüchtig, wohldosiert und ganz sicher nicht unbeabsichtigt. Myniel konnte, wenn sie wollte, sehr subtil sein und das wusste sie nur zu gut einzusetzen. Einen Moment kostete sie ihre Wirkung auf Silas aus, tat so, als würde sie konzentriert arbeiten müssen, während sie die Maße nahm und als wäre sie nicht ein kleines Talent in ihrem Gewerbe. Nachdem sie auch den anderen Arm vermessen hatte und seine Arme mit einer sanften Berührung sinken ließ, gab sie Silas einen Moment zum Luftholen, als sie zurücktrat, um die Größen auf dem Brettchen zu notieren. Während sie schrieb, erhob sie die Stimme: „Also, Silas.. was ist los? Wer ist diese seltsame Elfe wirklich und wieso wirst du das Reich verlassen?“, sie hörte auf zu schreiben und hob den Blick. „Steckst du in Schwierigkeiten?“, hakte sie noch mal nach, bevor sie das Brett weglegte.
Danach lächelte sie einnehmend und griff erneut zum Maßband. "Schön stillhalten“, kommandierte sie verrucht, als sie vor ihm -langsam- in die Knie ging und das Band an seinem Innenbein anlegte. Ihre linke Hand hielt das untere Ende an seinem Fuß fest, während ihre Rechte quälend langsam sein Bein entlang fuhr und schließlich an seiner Leiste ein Ende fand. Sie nahm sich die Zeit, das korrekte Maß abzulesen, bevor sie an seinem anderen Bein ebenso verfuhr. Myniel genoss es, Silas ins Schwitzen zu bringen, zumindest ging sie davon aus, dass sie es tat. Vielleicht schaffte es der Mischling ja auch, sich dem Wirken zu entziehen. Nachdem sie auch dort das Maß abgelesen hatte, griff sie um seine Hüfte, zog das Band darum und schloss es oberhalb dessen, was seit jener Nacht nie wieder offen thematisiert wurde. Myniel entließ Silas erneut einen Moment aus ihrem Wirkungsbereich und rollte sich einen kleinen Fußtritt heran. Hier stieg sie hinauf und überbrückte die körperliche Distanz zu ihm, um ganz dicht, seinen Halsumfang zu messen. Ihre Hände ruhten danach einen Moment auf seiner Brust. Dann lächelte sie warm und ihre Augen suchten seine. „Ich weiß nicht, was es ist, Silas Círenas, aber immer wenn wir uns sehen will ein Teil von mir die Zeit zurückdrehen in der alles noch etwas.. leichter war.“, raunte sie ihm zu. Dann neigte sich Myniel vor und hauchte ihm einen Kuss auf den Mundwinkel der die Freundschaft unterstrich und dennoch auch von einer gewissen Anziehung ihrerseits sprach, die nie ein Geheimnis zwischen ihnen war.

Just in diesem Moment klimperte das kleine Glöckchen an der Tür, als jene geöffnet wurde und eine große, dunkle Gestalt die Schneiderstube betrat. Myniel zuckte mit dem Kopf zur Tür und runzelte die Stirn, bevor sie den Tritt verließ und von Silas wegtrat. Hinter der großen Gestalt, hatte Avalinn den Blick von Silas und Myniel abgewandt. „Ich wünsche Meister Londro zu sprechen.“, kam es dunkel und kratzig in Celcianisch. Die Gestalt schob die Kapuze zurück und entblößte das, was seine Stimme bereits vermuten ließ: Ein Dunkelelf mit schlohweißen Haaren und roten Augen stand vor ihnen, bewaffnet mit Dolchen und einem Schwert und in seiner gesamten Ausstrahlung angsteinflößend. So erging es offenbar auch Avalinn, die mit erstarrtem Blick auf den Boden schaute und sich beinahe einer Salzsäule anglich, so unbeweglich stand sie da. Offenbar hatte der Dunkle sie draußen abgepasst und in die Stube getrieben. Jetzt wagte sie es kaum zu atmen und drückte sich im Schatten des Eindringlings, um ja nicht gesehen zu werden. Myniel straffte ihre kleine Gestalt durch und trat etwas näher. „Aber gewiss doch. Ich hole ihn", sagte sie gehorsam und eilte dann, mit einem kurzen Blick auf Silas, zu einer der beiden Türen. „Meister?“, rief sie nach ihm und als geantwortet wurde, hörte man kurz ein undurchsichtiges Stöhnen, bevor der Inhaber der Stube in den Laden trat und alle Anwesenden musterte. „Guten Tag? Was kann ich-", er wurde vom Dunklen unterbrochen. „Auf Geheiß von Fürst Raikyhn durchsuchen wir diese Schneiderei nach Hinweisen zum Verbleib von Herrin Kasani.“, grollte der Rotäugige und plötzlich füllte sich die Stube mit drei weiteren Dunkelelfen, alle ähnlich bewaffnet und grimmig drein blickend. Avalinn wurde noch weiter in die Ecke gedrängt und wurde immer weißer im Gesicht. Einer der Elfen griff nach ihrer Verhüllung und entblößte ihr vor Angst erstarrtes Gesicht, dann ließ er von ihr ab. Sowohl Myniel, als auch Londro schauten verwirrt. „Sarin.. aber? Sie ist doch zur ihrer Hochzeit unterwegs..?“, die Dunkelelfen schuldeten offenbar keine weitere Erklärung, sondern schwärmten aus, um die Räumlichkeiten zu inspizieren. Meister Londro ging ihnen nach, um Schäden zu verhindern, während der erste Dunkle mit den roten Augen Silas, Myniel und Avalinn argwöhnisch musterte. Dann beteiligte er sich an der Suche und Myniel sah perplex zu Silas. „Ihr solltet gehen, Silas. Ich habe am Abend deine Kleider fertig und lasse sie dir nach Hause bringen.“, sie lächelte ihn trotz der Situation warm und vielsagend an. „Ein anderes Mal..“, zwinkerte sie und schaute besorgt den Dunklen hinterher.
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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Silas Círenas » Freitag 30. Juli 2021, 22:37

In seinem Augenwinkel flüchtete Avalinn beinahe durch die Tür, noch ehe Myniel in ihrer doppeldeutigen Ansage geendet hatte und Silas hätte am liebsten gequält das Gesicht verzogen, als die Tür geräuschvoll ins Schloss fiel. Stattdessen mühte er sich steif und etwas ungelenk aus Hose und Hemd… zögerte das Unvermeidliche lediglich ein paar Augenblicke hinaus. Er richtete das Wort unbeholfen an Myniel und hätte sich, ob seiner dümmlichen Bemerkung, am liebsten auf die Zunge gebissen. Das amüsierte Funkeln, das ihm hierbei aus Myniels Gesicht entgegen glänzte, ließ ihn abermals schlucken, bevor er sich in eben jene Ecke bewegte, welche sie angedeutet hatte. In Silas brodelte es, dass er Mühe hatte, still zu stehen. Er spürte ein Kribbeln im Nacken und überall dort, wo ihre Fingerspitzen über seine Haut wanderten. Mit sanftem Druck dirigierte die Nachtelfe seine Bewegungen, korrigierte die Haltung seiner Arme, positionierte ihn auf eine Art und Weise, dass ihm die Hitze nachweislich bis in die Wangen stieg. Als er die Hände schließlich sinken ließ und sich Myniel ein paar Schritte von ihm entfernte, stieß er lautlos den angehaltenen Atem aus, den er ganz unbewusst in seinen Lungen zurückgehalten hatte. Die Schneiderin notierte die Maße und er beobachtete, wie ihre Schrift über das Pergament tanzte. „Also, Silas,… was ist los? Wer ist diese seltsame Elfe wirklich und wieso wirst du das Reich verlassen? Steckst du in Schwierigkeiten?“, er traf ihren Blick und schmunzelte einen kurzen Moment. „Von einem Ärgernis ins nächste, du kennst mich.“, erwiderte er. „Wie gesagt, es sind nur ein paar Besorgungen. Mach dir keine Sorgen.“, sein Blick huschte zum Eingang, ehe er behutsam nachsetzte: „Avalinn ist… sie ist in Ordnung, denke ich... Ich habe noch niemanden getroffen, der so ist wie sie.“, ein wenig gedankenverloren starrte auf die Tür, durch welche Avalinn zuvor nach draußen getreten war und räusperte sich leise, bevor er Myniel wieder ins Gesicht sah. „Es ist nur eine Reise. Ich soll Acht geben, dass ihr nichts passiert, während sie die Besorgungen erledigt. Könnte schlimmer sein.“, ein schwaches Grinsen formte seine Lippen, beinahe spitzbübisch zwinkerte er Myniel zu. Natürlich überlegte er, seiner Kindheitsfreundin die Wahrheit über das Vorhaben und seine mysteriöse Begleiterin zu erzählen. Von der Expedition in den Eldar, dem fragwürdigen Zauberwasser und der unterbundenen Lichtmagie, sowie dem zwielichtigen Herr der Knollen, mit dem er nun unter Vertrag stand… Doch er behielt den Großteil der Wahrheiten für sich. Zu groß wäre die Gefahr, dass Myniel sich darin verbiss und ihm ihre Hilfe aufdrängen wollte. Es würde sie nur unnötig beunruhigen.

Ein paar Atemzüge vergingen, ehe die Schneiderin das Schreibbrett aus der Hand legte und sich ihm erneut zuwandte. Ihr Blick verdunkelte sich vielsagend, als sie lächelnd an ihn herantrat. "Schön stillhalten“, raunte Myniel und sank dann beinahe quälend langsam vor ihm auf die Knie. Erneut staute sich die Luft in den Lungen des Mischlings, als er sie dabei beobachtete. In seinem Kopf gab es plötzlich ein klares Bild. Das Bild von ihr – wie sie an jenem Abend ihr geheimnisvolles Lächeln lächelte, das Löcher in Eisberge brennen konnte, wie ihre schmalen Hände über seine Brust wanderten, wie sie sich ihren Weg zum Bauch und tiefer bahnten, während sie sich langsam über ihn schob. Er fühlte ihre Schenkel an seine Hüften gepresst, ihr Haar kitzelte seinen Hals, und ihre Augen waren so unfassbar nah, dass er die Wimpern zählen konnte. Sie öffnete die Lippen, und… er stellte fest, dass es seine Vorteile hatte, einen Verstand zu besitzen, der sich knallhart dazwischen schalten konnte und das Kopfkino, nach dem er hungerte, grausam abwürgte. Silas straffte die Schultern und setzte eine möglichst neutrale Miene auf, während er seinen Blick rastlos über die Einrichtung wandern ließ und sich sein Atem zittrig über seine Lippen stahl – auf der Suche nach der ältesten, hässlichsten Schneiderpuppe, die Meister Londro in seinem Besitz hatte und die ihn, mit ein wenig Hilfe, auf andere Gedanken brachte. Ein gerüschtes Kleid in zartrosa Farbe stach ihm hierbei ins Auge und augenblicklich rang er sich die Vorstellung ab, in der Amenion ihn müffelnd mit gerafften Rock und bauschigen Ärmelchen in seiner Hütte Empfang nahm. Urghs. Besser. Viel besser. Sein Geist kämpfte gegen die elektrisierenden Empfindungen, die ihre kühlen Hände an der Innenseite seiner Schenkel auslösten. Etwas hilflos hob er den Blick gegen die Zimmerdecke und presste die Lippen zusammen. Sein Kiefer entspannte sich etwas, als sie sich zurückzog um etwas heranzuziehen, das in der Peripherie seines Blickfelds wie ein kleiner Trittschemel aussah. Unruhig beobachtete er sie dabei, wie sie die Entfernung und den Größenunterschied zu ihm mit Hilfe des Fußtritts überbrückte. Erneut spannte sich der Körper des Mischlings an und er schluckte nervös, während sie ihm das Maßband um den Hals legte.

„Ich weiß nicht, was es ist, Silas Círenas, aber immer wenn wir uns sehen will ein Teil von mir die Zeit zurückdrehen in der alles noch etwas… leichter war.“, ihre Stimme ging im Rauschen seines Pulsschlages unter. Ihre Hände ruhten ihm auf der Brust, das Maßband spannte sich über seinen Nacken, hielt ihn erbarmungslos in ihrem Wirkungskreis – nicht, dass er sich ihr ohne dies hätte entziehen können. Mit unstetem Flackern in den Augen und geweiteten Pupillen hielt er den Blick auf ihre Lippen gerichtet, die sich kurz darauf warm lächelnd kräuselten – beinahe so, als wisse sie, welchen Stein sie hier ins Rollen brachte. Er schluckte trocken, als er sich ihrer Nähe einmal mehr bewusstwurde, die Wärme ihres Körpers spürte und der wohlbekannte Geruch nach Flieder und Lavendel um seine Nase tanzte. Myniel neigte sich ihm entgegen. Zwangsweise musste er den Blick von ihren Lippen lösen und suchte unsicher nach dem Augenkontakt zur Schwarzhaarigen. Silas wagte nicht zu blinzeln, geschweige denn zu atmen, als sie einen zarten Kuss in seinem Mundwinkel platzierte. Er war wie erstarrt, hielt die Arme steif an seinen Seiten platziert. Ein kurzer Impuls schlug in seinem Innersten auf, von dem Silas nicht wusste, aus welcher Ecke seines verwinkelten Ichs er herrührte – vielleicht war es einfach nur der Mann in ihm, der ihr in den Nacken greifen und sie an sich drücken wollte. Er widerstand dem Drang, starrte sie an, unfähig, den Blick von ihr abzuwenden, unfähig, ihr zu sagen, dass es ihm genauso ging. Dass diese Nacht damals vor sechs Jahren wie ein Farbenrausch gewesen war, viel zu opulent, um zu überdauern, dass sich die Erinnerung daran jedoch tief in sein Innerstes eingebrannt hatte. „Myniel, ich…“

Das Klingeln der Türglocke riss ihre Köpfe auseinander und Silas zuckte ein Stück weit von Myniel zurück, die sich nun ebenfalls von ihrem Schemel bewegte, als sich ein Schatten durch die Tür schälte. Silas Blick fiel hierbei auf Avalinn, die reglos hinter der Gestalt verharrte und die Augen auf den Boden gerichtet hielt. „Ich wünsche Meister Londro zu sprechen.“, ertönte es finster und als die Kapuze dem Fremden in den Nacken rutschte, entblößte der Stoff eine mindestens genauso finstere Erscheinung. Schlohweißes Haar und ein durchdringend rotäugiger Blick dominierten das Äußere des Dunkelelfen, welcher die Anwesenden der Stube einer berechnenden Musterung unterzog. Silas wurde sich seiner eigenen mangelnden Bekleidung bewusst, während sich sein Blick dem Schwert und etwaigen Dolchen und Klingen anhaftete. „Aber gewiss doch. Ich hole ihn", Myniel löste sich aus ihrem Stand und schritt erhobenen Hauptes an die Nebentür heran, durch welche sie den Meister ausrief, während Silas in seiner Starre den Eindringling auch weiterhin kritisch beäugte. Erst, als Meister Londro in die Szene eintrat und der Dunkelelf mit kratziger Stimme sein Anliegen vortrug, wagte der Mischling, nach seiner Kleidung zu greifen und mit flinken Bewegungen hineinzuschlüpfen. Er streifte sich gerade den Stoff seines Baumwollhemds über den Bauch, als drei weitere Dunkelelfen in die Stube eintraten. Mit dunklerer Miene und bis an die Zähne bewaffnet schwärmten die Dunklen aus. „Sarin.. aber? Sie ist doch zur ihrer Hochzeit unterwegs..?“, kam der zögerliche Einwand. Meisterin Kasani? Ist sie abgängig? Was für eine Hochzeit? Silas fand keine Zeit, sich seinen Fragen zu widmen, stattdessen flog sein Blick zu dem Geschehnis zu seiner Linken, in welchem Avalinn die Verhüllung vom Kopf gerissen wurde. Beinahe wäre ihm mit einem Blick auf ihr kalkweißes Gesicht ein Knurren entwichen, doch er entsann sich eines Besseren und trat stattdessen schweigend an ihre Seite, legte ihr mit einem grimmigen Gesicht sacht eine Hand in den Rücken. Tapfer hielt er dem argwöhnischen Blick des Dunkelelfen entgegen, ehe er sich Avalinn zuwandte. „Alles in Ordnung?“, murmelte er leise und sah ihr prüfend ins Gesicht, suchte das Antlitz der Heilerin nach offensichtlichen Verletzungen ab. „Ihr solltet gehen, Silas. Ich habe am Abend deine Kleider fertig und lasse sie dir nach Hause bringen.“, Silas‘ Blick glitt zu Myniel zurück und er lächelte, ob ihrer Toughness, die sich in solchen Situationen wohl am besten unter Beweis stellen ließ. Dennoch grub sich eine Falte zwischen seine Augenbrauen und er erwiderte, ohne die Hand von Avalinn zu lösen: „Bist du dir sicher? Die Typen sahen nicht besonders freundlich aus“. Noch bevor er geendet hatte, wusste Silas, dass er Avalinn den Dunkelelfen nicht länger aussetzen konnte und auch Myniel schien einen ähnlichen Gedankengang zu teilen. „Ein anderes Mal..“, erwiderte sie schlicht, und ihr Augenzwinkern entlockte dem Mischling ein weiteres zögerliches Schmunzeln. Er folgte ihrem Blick. „Ich habe noch nie erlebt, dass Dunkle ein nachtelfisches Geschäft stürmen…“, fügte er leise an und betrachtete das seitliche Profil seiner Freundin. Natürlich hatte er von den Sicherheitsvorkehrungen im Reich gehört, die für den Fall einer drohenden Eroberung getroffen wurden. Morrin hatte Ähnliches bereits erwähnt, als er ihn zuletzt gesprochen hatte. Bisher war Silas jedoch kaum in Kontakt mit den dunklen Verwandten geraten… schon gar nicht unter solch ominösen Umständen. „Myniel, kommst du hier wirklich klar?“, erkundigte er sich abermals, mit tiefgreifender Ernsthaftigkeit. Nicht, dass die Nachtelfe sich nicht selbst zu helfen wusste… Darüber war sich Silas durchaus im Klaren. Dennoch würde er sie nicht zurücklassen, wenn sie seine Hilfe benötigte.

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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Erzähler » Samstag 31. Juli 2021, 14:22

Egal wohin sich Silas bewegte, ständig hatte man das Gefühl, dass er Gefahr lief einem Minenfeld ausgesetzt zu sein. Überall gab es unausgesprochene Dinge, zurückgehaltene Geheimnisse und Sorgen, die einem Senkblei gleich verhinderten, dass er aufatmen konnte. Silas wandte sich in seinem Leben wie der gefangene Wurm am Angelhaken und für seine Mitmenschen war es ein Leichtes, ihn zappeln zu lassen. Keiner von ihnen wollte Silas schaden und niemand hegte böse Absichten dahinter, doch trotzdem opferte er sich für das Wohl seiner Familie oder das Seelenheil seiner Freunde auf. So auch jetzt, als Myniel- sehr wohl um ihre Wirkung wissend- seine Körpertemperatur anheizte und ihm die Wärme durch die Glieder trieb. Es war ein subtiles Spiel für die Elfe. In all den Jahren hatte sie Zeit gehabt, die Wut über sein Unvermögen, mit ihr einen Schlussstrich zu ziehen oder den nächsten Schritt zu wagen, in etwas anderes zu wandeln. Es war ihre kleine, geheime Rache ihm zu zeigen, was er verpasste. Myniel war längst kein Kind von Traurigkeit mehr und sie wartete auch nicht ausschließlich auf ihn. Doch wenn sie dann in solchen Momenten beisammen waren und sich einander annäherten, dann spürte sie eine gewisse Neugierde darüber wie es hätte werden können, wenn er sich damals anders entschieden hätte. Jetzt aber genoss sie ihre Macht und kostete diese auch aus. Sie strafte Silas ein wenig, ohne dabei zu weit zu gehen. Seine Reaktionen bescherten der hübschen Nachtelfe immer wieder ein belustigtes Grinsen und sie fühlte sich indes geschmeichelt und bestätigt. Es war ein Leichtes für jemanden wie sie gewisse Reize spielen zu lassen, war sie doch gesegnet mit einem Übermaß davon. Myniel beendete ihre Messung und lenkte die Aufmerksamkeit auf das naheliegende Thema. Seine Antwort entlockte ihren vollen Lippen eine Schnute und ein Schnalzen mit der Zunge. Sie wollte gerade eine Spitze loslassen, als sie aufsah und seinen Blick zur Tür bemerkte. Sie folgte diesem und kurz huschte Unsicherheit über ihr Gesicht bis er weitersprach. Er konnte nicht sehen, wie ein gefährliches Aufblitzen ihre Augen verdunkelte, als er Avalinn erwähnte, denn als er mit seiner Aufmerksamkeit zu Myniel zurückkehrte, hatte sie sich wieder gefangen.
Ohne etwas zu erwidern, legte sie sich nun erst Recht ins Zeug und ließ Silas ihre Weiblichkeit vollends spüren, indem sie bewusst Bilder projizierte, die ihm augenblicklich die Sinne vernebelten. Oh sie war gut darin und das wusste sie. Es war vielleicht eine Art Besitzanspruch, den sie an Silas stellte und der es nicht erlaubte, dass er sich vielleicht einer anderen Frau mehr zuwandte, als ihr. Ob er das nun tat oder nicht war erstmal Nebensache. Währet den Anfängen, lautete ihr Motto und so tat sie unschuldig, während es Silas schlicht den Atem raubte. Zufrieden mit ihrer ‚Arbeit' setzte die Elfe zum Finale an und erklomm den Fußtritt, um sich scheinbar rein professionell um seine Kragenweite zu kümmern. Hier holte Myniel zum großen Endspiel aus und ließ Silas' mühsam projiziertes Bild, eines in Rüschen gesteckten Amenion, wie eine Seifenblase zerplatzen, als sie die zarten Hände an seine Haut lehnte und die Wärme darunter beinahe schon wehtat. Sie lächelte fein, flüsterte ihm schmeichelnde Worte entgegen und besiegelte sie mit einem zärtlichen Kuss. Der Impuls, den er dabei empfand, wäre ihr Ritterschlag gewesen, wenn er ihm nachgegeben hätte.
Myniel löste sich von ihrem Freund und hob den katzenhaften Blick, als er ansetzte, doch wurden sie rabiat unterbrochen. Wiedermal. Es schien ihr Schicksal zu sein und zu bleiben und vielleicht war dies ein kleiner Wink, dass diese Verbindung nie wahrlich Stand haben könnte- wer wusste schon, wieso sie einander niemals reinen Wein einschenkten.

Myniel jedenfalls schaffte es ziemlich schnell die knisternde Spannung abzulegen und wirkte höchst professionell, während Silas nur schwer die plötzliche Änderung der Situation einschätzen konnte. Der Dunkelelf beobachtete Myniel, wie sie Meister Londro holte und nahm derweil keinen Anstoß an dem halbnackten Mischling. Dieser jedoch wurde sich der fehlenden Bekleidung bewusst und zog sich an, während der Meister der Stube hereinkam und jeden mit fragenden Blicken bedachte. Silas fragte sich augenblicklich, was es damit auf sich hatte, dass die Dunklen die Schneiderelfe Kasani suchten. An ihm war das höfische Treiben vorbeigegangen, zu sehr hatte er in seinem Kosmos zu kämpfen, als dass er gehört haben konnte, dass Mentara höchstpersönlich dafür gesorgt hatte, dass Sarin Kasani einen Fürstensohn aus Morgeria heiraten sollte, um das Bündnis zu stärken. Und dass die beiden durchgebrannt waren und sich seither auf der Flucht befanden. Vielleicht hatte er davon aber doch etwas aufgeschnappt und nur vergessen, so oder so war die ganze Situation mehr als befremdlich.
Plötzlich stoben weitere Elfen in die Schneiderstube und auch wenn sie nicht den Eindruck machten, hier alles kurz und klein schlagen zu wollen, waren sie auch nicht sonderlich einfühlsam. Der eine dunkle Nachzügler riss Avalinn die Verhüllung vom Kopf und entblößte die kalkweiße Hautfarbe der Elfe. Sie reagierte kaum, starrte nur und drückte sich in die hinterste Ecke. Das braune Haar, vor einiger Zeit noch zu einem Zopf geflochten, hing nur wüst herab. Avalinn zuckte in sich zusammen, als Silas seine Hand auf ihren Rücken legte. Sie hatte nicht bemerkt, dasa er an ihre Seite getreten war. Unruhig huschte der Blick umher, doch mehr Reaktion erhielt er nicht. Der rabiate Dunkelelf bedachte Silas mit einem argwöhnischen Blick und es dauerte einen Moment, bis er von den beiden Elfen in der Ecke abließ. Das gab Silas die Zeit, sich kurz nach Avalinn zu erkundigen, die keinerlei Verletzungen aufwies, wie er mit einem Blick feststellen konnte. Die Elfe schien seine Worte gar nicht zu hören. Ihr Gesicht war wie versteinert und auf ihrer Stirn zeichneten sich vereinzelte Schweißperlen ab. Silas konnte fühlen, dass ihr Atem schnell und flach ging. Sie hatte offenbar immense Angst.

Myniel rückte in seinen Fokus und es war gar keine Frage, dass er sie, sollte sie Hilfe brauchen, nie alleine lassen würde. Sie lächelte ihn auf ihre spezielle Art an. „Ja, ich bin sicher. Sie sehen nicht freundlich aus, das stimmt. Aber sie werden nichts finden und uns dann in Ruhe lassen. Politik Silas.. Politik.“, säuselte sie und bedachte Avalinn dann mit einem fragenden Blick. „Sie sah jedenfalls mal besser aus. Was fehlt ihr denn?“, wollte sie wissen, doch da wurde sie bereits von Londro abgelenkt. „Ich komme!“, rief sie und sah zurück zu Silas.
Myniel schien sich überhaupt nicht unwohl zu fühlen und blühte sogar etwas auf, während die Dunkelelfen ihren Arbeitsplatz durchsuchten. Offenbar hatte die Nachtelfe ebenso wenig etwas gegen die Verwandten, wie es vielen in diesem Reich ging. Für sie stellten die Dunklen keine Bedrohung dar, jedenfalls noch nicht. Das war auch der Grund, weshalb die Herrscherin Mentara, Sarin und Dhansair verheiraten wollte. „Wenn du willst , bringe ich dir die Sachen persönlich vorbei", knüpfte sie noch mal an das kleine Prickeln an und lächelte vielsagend und einladend, bevor sie dem Ruf ihres Meisters folgte. Silas hatte die Wahl. Wenn er wollte, dann würde er am Abend noch mal die Chance erhalten, Myniel zu sagen was er zuvor nicht geschafft hatte und vielleicht würde er einen fulminanten Abschied aus dem Reich erhalten. Oder er lehnte ab und ließ die Sachen per Kurier bringen. Myniel würde seine Entscheidung respektieren.
Jetzt aber erkannte er, dass er die neue Elfe in seinem Umfeld nicht länger dem Einfluss der Dunklen aussetzen durfte. Ihr Atem war noch schneller geworden und drohte in eine Hyperventilation zu rutschen. Der starre Blick war längst nicht mehr dafür gedacht das Geschehen um sie herum wahrzunehmen und das Rauschen in ihren Ohren zeugte davon, dass sie mehr und mehr in eine Panikattacke verfiel. Sobald Silas es geschafft hatte, ihr beim Hinausgehen zu helfen, denn von alleine schien sie sich nicht zu rühren, floh Avalinn regelrecht aus seinem Griff und suchte an der Gebäudefassade Halt. Sie atmete zu schnell und zu flach und bald schon kniff sie die Augen zusammen und rutschte an der Hauswand hinunter, um sich mit fahrigen Fingern den Umhang zu lockern. Sie brauchte Luft, sie brauchte Platz zum Atmen. Immer wieder griff sie nach dem hochgeschlossenem Stoff an ihrem Hals und versuchte ihn aufzureißen, der Panik längst hilflos ausgeliefert.
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Silas Círenas
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Re: Meister Londros Schneiderei

Beitrag von Silas Círenas » Freitag 6. August 2021, 00:13

Es wäre gelogen, zu behaupten, dass Silas sich der Situation ausgesetzt fühlte. Er genoss es, wie man den Rausch eines guten Weins genoss, vorübergehend und mit heftigen Kopfschmerzen am Morgen danach. Vielleicht musste man Myniels glühende Blicke erlebt haben, um zu begreifen, dass sie die Macht hatten, die Männer scharenweise in ihren Bann zu ziehen. Silas bildete da keine Ausnahme… und Myniel schien diesen Umstand zu genießen. Sie lenkte seine Aufmerksamkeit mit ihren Fingerspitzen, drosselte seine Atmung mit einem gekonnten Wimpernaufschlag. Und sie tat es mit einer Leichtigkeit, die ihresgleichen suchte. Silas kannte Myniel gut genug, um zu wissen, dass sie hier ihr kleines Spielchen mit ihm trieb, doch es hätte ihn nicht weniger scheren können. Verzweifelt rang er um Beherrschung und den geringen Restbestand seiner Würde, die er zum Großteil unter seinem Kleiderhaufen am anderen Ende des Raums begraben hatte. Vielleicht hätte Myniel frohlockend gejauchzt, hätte sie gewusst, welche Früchte ihre Bemühungen trugen, in welche Richtung seine Gedanken abdrifteten, wie kurz davor er war, etwas für ihn Unverzeihliches zu tun. Schon wieder. Wäre er etwas tiefer in die Erinnerung gesunken, hätte er sich der Empfindung des weichen Körpers an seiner Brust etwas mehr hingegeben, wäre es um seine Würde geschehen gewesen – seinem Verstand und einem schmierig lächelnden Amenion, der daraus hervorblitzte, war es zu verdanken, dass sich in den unteren Gefilden nichts regte, was Myniels Aufmerksamkeit hätte auf sich ziehen können. Glücklicherweise, musste man schon fast sagen. Immerhin wurden sie Sekunden darauf von einer dunkelelfischen Fahndungsaktion unterbrochen. Dieser Tag behielt das Tempo des Vorabends bei – vielleicht würde sich Silas daran gewöhnen müssen, nicht zu wissen, was die nächste Minute mit sich brachte.

Schlag auf Schlag trieben die Ereignisse die Szene voran. Die Dunkelelfen schwärmten aus, bis das Scheppern ihrer Rüstungen in den hinteren Teilen des Ladens verklang und Meister Londro ihnen im aufgeregten Trab folgte. Avalinn hingegen, die er an seine Seite genommen hatte und mit einer Hand im Rücken stützte, zeigte kaum Reaktion auf das, was vor ihren Augen passierte. Er warf einen Blick in ihr versteinertes Gesicht. Jegliche Farbe war ihr aus den Wangen gewichen. Hatte sie am frühen Morgen lediglich ein wenig blass gewirkt, so besaß sie nun beunruhigende Ähnlichkeit mit einem Geist - es sollte der ausschlaggebende Anblick sein, der Silas zum Aufbruch drängte. Aber... ich kann Myniel hier nicht so zurück lassen, er verlieh seiner Besorgnis Ausdruck als er den Blick zu der Nachtelfe zurückschweifen ließ, welche seiner Sorge mit einem undeutbaren Lächeln begegnete: „Ja, ich bin sicher. Sie sehen nicht freundlich aus, das stimmt. Aber sie werden nichts finden und uns dann in Ruhe lassen. Politik Silas.. Politik.“. Die Antwort war nicht genug, um die tiefe Furche zwischen seinen Augenbrauen zu vertreiben. Er wog zögerlich den Kopf, blickte an Myniel vorbei, lauschte dem Wirbel im nächsten Raum. Entgegen der meisten Nachtelfen konnte sich Silas den dunklen Verwandten gegenüber nicht sonderlich erwärmen. Ob es dem neldorethischen Einfluss oder einer schlichten Abneigung geschuldet war, ließ sich jedoch kaum mit Sicherheit bestimmen. „Sie sah jedenfalls mal besser aus. Was fehlt ihr denn?“, Silas Aufmerksamkeit huschte zur Elfe an seiner Seite zurück, unter seiner Hand an ihrem Rücken spürte er ihren unregelmäßigen Atem. Die Elfe, die er hier vor sich hatte, hatte tatsächlich nur mehr wenig mit derjenigen gemein, die sich Amenion so tapfer in den Weg gestellt hatte. Was war passiert? Hatte der Dunkle sie bedrängt? Hm, möglich. Aber nicht sonderlich wahrscheinlich. Mit dem Stock im Arsch, mit dem er durch die Tür spaziert war, hätte er damit wohl reichlich Mühe gehabt. Silas studierte einen kurzen Moment die Panik in Avalinns Gesicht, ehe Myniel erneut das Wort an ihn richtete: „Wenn du willst , bringe ich dir die Sachen persönlich vorbei". Der Mischling griff mit der freien Hand bereits nach dem Unterarm der Heilerin, um sie aus dem Laden zu geleiten, als er mild lächelnd zur Antwort ansetzte: „Myniel, du hast hier genug um die Ohren. Aber du weißt, ich freue mich immer, dich zu sehen.“ Er warf einen letzten Blick auf die Nachtelfe, während er Avalinn vorsichtig Richtung Tür schob, danach konzentrierte er sich auf das kleine Häufchen Elend, dessen zitternde Schritte ihm hinaus in die Frischluft folgten. Silas ließ den Blick in die Umgebung schweifen, wollte nach kurzer Überlegung die Richtung vorgeben, da entwand sich Avalinn aus seinem Griff und stolperte an die Gebäudefassade, um daran Halt zu suchen. Verunsichert warf er einen Blick in die naheliegenden Gassen, ehe er sich der zerstreuten Elfe zuwandte und schließlich doch etwas nähertrat. In einigem Abstand blieb er stehen und zögerte, erst, als sie atemlos an der Mauer herabglitt und mit zitternden Händen nach ihrem Kragen griff, sank er vor ihr auf die Knie. „Hey. Schon gut.“, er hob die Stimme sanft etwas an, um gegen das Geräusch ihrer beschleunigten Atmung anzukommen. Sie hielt die Augen zugekniffen, schien ihn nicht zu hören. Verunsichert beobachtete er die fahrigen Hände in ihrem Tun – eine Panikattacke war dem Mischling in der Theorie kein Begriff, genauso wenig wusste er, wie man fremder Panik Einhalt gebot. Doch irgendetwas musste er tun und da es ihm falsch erschien, sie in ihrer Panik gewaltsam aufzuhalten, entschloss er sich zu dem nächstbesten Gedanken, der ihm in den Sinn kam. Er rutschte an sie heran und etwas zur Seite, stets darauf bedacht, ihr genügend Raum zu lassen, um sie nicht erneut in die Flucht zu treiben. „Schon gut.“, wiederholte er in seinem tiefen Bariton und beäugte dabei prüfend den Nacken, um den Verschluss des Kleides zu finden, nach dem die Elfe so panisch nestelte. „Lass mich dir helfen.“, vergessen war alle Höflichkeit, als er die Hände hob und ihr vorsichtig den Zopf zur Seite schob. Mit geschickten Fingern lockerte er die Schnürung, die den hohen Kragen an ihrem Hals hielt. Er überließ es ihr, den Stoff in dem Ausmaß zu richten, den sie benötigte, beobachtete sie hierbei jedoch mit Argusaugen. Schnell und gepresst kam ihr die Luft über die Lippen. In diesem Zustand wird sie keine fünf Schritte weit gehen. Doch die Gefahr, dass weitere Dunkelelfen kamen oder die Dunklen von vorhin einen Blick nach draußen warfen, trieb sie zur Eile. Genug Dunkelelfen für heute. „Komm, wir müssen hier weg. Ich nehm‘ dich hoch, ja?“, der Mischling ließ ihr einen Moment, ehe er näher rückte, ein Knie aufstellte und das andere am Boden positionierte, um sie zaghaft auf seine Arme zu nehmen und sich mit ihr in den Stand zu heben. Sie besaß kaum Gewicht und durch die Jahre, in denen er seine Geschwister durch die Gegend getragen hatte, hatte eine keine Mühe, sie auf seinen Armen zu halten. Angenehmer wäre es vermutlich gewesen, sie auf seinem Rücken Huckepack zu nehmen. Doch wer wusste schon, ob sie seiner Aufforderung nachgekommen oder schlussendlich nicht nach hinten umgekippt wäre.

Die Überlegung, sie nach Hause zu bringen, verwarf der Mischling – er hatte für sich selbst immer vorgezogen, von so wenig Personen wie möglich umgeben zu sein, wenn ihn das Leben derart durchbeutelte. Und wenn Avalinn in ihrem Stolz einigermaßen ähnlich tickte, wollte er ihr seine Geschwister nicht zusätzlich aufbürden. Nein, er wusste bereits, wo sie in Ruhe zu Atem kommen konnte. Kurz vor dem Marktplatz gab es einen Brunnen. Vielleicht würde ihr kühles Wasser helfen. Bis dahin war es aber noch ein ganzes Stück – und nachdem sie ihm in seinen Armen nicht ohnmächtig werden sollte, entschloss er sich auf einen Trick aus der „großen Bruder“-Kiste zu bedienen. Geschichten hatten die Kleinen abgelenkt, ganz egal, ob es sich um wundgescheuerte Knie oder weinerlichen Kummer gehandelt hatte. Als sie in eine Gasse bogen, deutete Silas mit einem flüchtigen Nicken auf ein Eckgebäude, dessen Tür offenstand und dem der Duft nach gebackenen Brötchen und Krustenbrot entströmte. „Siehst du die Bäckerei da? Hat die besten Nachtwölkchen von ganz Celcia. Den Zuckerguss kann man sich noch tagelang von den Fingern lecken… also, wenn man sie nicht wäscht, natürlich. Jedenfalls… haben Myniels Bruder und ich als Kinder mal ein ganzes Blech stipiezt. Alle verputzt. Die ganzen Nachtwölkchen. Hat mich drei Rutenhiebe gekostet. War’s aber wert, ich sag’s dir. Morrin lag noch Tage danach im Bett und konnte sich nicht rühren.“, dass sein bester Freund fast eine ganze Woche unter Verstopfung litt, ließ er ganz bewusst aus. Sie musste ja nicht alles wissen. „Vor einigen Jahren hat mich der Bäcker zu einem Auftrag gerufen. Ungeziefer aus dem Keller beseitigen. Hat mir einen Besen in die Hand gedrückt und dann die Tür zugemacht. Ungeziefer, pff. Ne ganze Rattenhorde war das. Hab‘ geschrien wie ein Mädchen, aber erzähl’s niemanden… So, da sind wir.“, er hielt an, denn sie waren vor dem Brunnen angelangt und als er sich sicher sein konnte, dass sie ihm nicht aus den Armen purzelte, stellte er sie vorsichtig ab. Dann begann er, einen Kübel frischen Brunnenwassers hochzukurbeln und positionierte den tropfenden Eimer am Rand schließlich so, dass sie daraus schöpfen würde können. Prüfend beäugte er die Elfe. „Geht es dir besser? Soll ich… dir irgendetwas holen?", fragte er zaghaft.

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