Seite 1 von 2

Das Umland von Andunie

Verfasst: Montag 8. August 2022, 18:33
von Naella Federfall
Einstiegspost

Ein grauenvolles Geräusch riss sie aus ihrem Schlaf. Desorientiert und mit wildabstehenden Haaren, setzte sich die Elfe kerzengerade im Bett auf. Nur um in sich zusammenzufallen und mit krummem Rücken die Augen zu reiben. „Was war das?!“, nuschelte sie hinter einer pappigen Zunge vor. „Was das fragst du noch?!“, kam es tadelnd von ihren Füßen. Naella öffnete schwerfällig ein Auge und erkannte: Nichts. Für einen Moment erschrocken, wischte sie sich die rote Strähne von ihrem Auge und blinzelte kurz. Ah. Mikk. Der Ottsel saß auf seinen Hinterbeinen und hatte die Arme so gut es eben bei der Kürze ging, verschränkt. „Was hast du denn?“, fragte sie, als die Müdigkeit ein wenig verblasste. „Das warst du! Nell! DU! Du schnarchst wie sieben Holzfäller und fünf Ochsen gemeinsam!“ Das Mädchen gähnte herzhaft. „Schnarchen Ochsen überhaupt?“, war alles was sie wissen wollte und trieb ihren Gefährten damit ordentlich zur Weißglut. „Ich geb’s auf.“, maulte er und verschwand aus der Gemütlichkeit ihrer über die Füße gelegte Wolldecke. Nell saß noch einen Moment leidend da, denn es war deutlich zu früh. Der Marsch war lang gewesen und zügig, da Bramo sich so schnell wie möglich nach seiner Familie erkundigen wollte. Plötzlich erinnerte sich die Schelmin wieder an den gestrigen Abend. Die Sonne hatte bereits tief gestanden, als sie endlich die Ausläufer der Hafenstadt erreicht hatten. Doch wo einst die Apfelbäume, laut Erzählung von Bramo, in voller Blüte standen, fanden sie neben den Wahrzeichen nun auch Galgen vor. Einige leer, andere… besetzt. Auch Nell hatte so etwas bisher nicht gesehen und zum ersten Mal seit… ihrer Geburt eigentlich, hatte sie keinen lockeren Spruch auf den Lippen gehabt.
Nell wischte sich einmal ungeniert über den Mundwinkel und musste feststellen, dass sie offenbar gesabbert hatte. Schnaufend schlug sie die halbwegs wärmende Decke zurück und blickte sich daraufhin in dem kleinen Zelt um. Erst jetzt fiel ihr auf, dass das Lager neben ihr nicht belegt war. „Bramo?“, fragte sie stirnrunzelnd und dachte sich vorerst nichts dabei, als er nicht antwortete. Der Kerl war sicherlich draußen unterwegs und suchte sich ein Plätzchen für seine Notdurft. Nell streckte sich ausgiebig, um die letzte Müdigkeit aus ihren Knochen zu vertreiben und musste missmutig feststellen, dass das nicht ganz gelang. Trotzdem wurde sie deutlich wacher, griff sich ihren kleinen Flaschenkürbis und trank einen Schluck, um das trockene Gefühl im Mund auszuwaschen. Danach war sie auch soweit wach, um sich auf allen Vieren aus dem Zelt zu schälen und in die frische Morgenluft zu kriechen. „Mikk?“, fragte sie in den leichten Nebeldunst. „Bramo?“, als sie aufgestanden war.

Noch einmal gönnte sie sich den Streck-Versuch, bevor sie die Hände in die Hüfte stemmte und sich umsah. Der Platz war nun wirklich eher weniger zum Zelten geeignet, aber sie hatten so weit es ging versucht, sich da niederzulassen, wo eben nicht gerade die Toten baumelten. Ein Schauer erreichte ihren Nacken und machte sich auf den Weg zu ihren Lendenwirbeln. Sie fröstelte. Die Vorstellung von den Toten war etwas, was wohl die meisten erschüttern würde. Nell indes versuchte es einfach zu ignorieren. „Bramo du Holzkopf. Nun komm endlich!“, meckerte sie, als er sich nicht zeigte. Wo steckte er denn?! Naella drehte sich einmal um sich selbst, doch sie entdeckte ihren Freund nicht. Wo zum Geier ist er denn?!, dachte sie und ließ den Blick abermals wandern. Nichts. „Mikk? Hast du Bramo gesehen?“, rief sie nach dem Ottsel. „Seh‘ ich aus wie sein scheiß Kindermädchen?!“, kam es prompt retour. „Weiß nicht, mit Häubchen und Schürze? Vielleicht?“, grinste sie und streckte dem Tier die Zunge raus. Danach machte sie sich wieder klein und krabbelte zurück ins Zelt. Erneut betrachtete sie sich den Platz, an dem Bramo geschlafen hatte. Hm, seine Sachen sind weg…, bemerkte sie und zog mit einem Mal die sommersprossige Nase kraus. „OH! Dieser Schweinehund! Das ist doch wohl nicht…!“, schimpfte sie unflätig als die Erkenntnis sich ihren Weg durch ihr müdes Hirn bahnte. Hastig durchsuchte sie die dagelassenen Decken und plötzlich ergriffen ihre Finger eine kleine Notiz. Zügig entfaltete sie diese und begann die Zeilen zu lesen. ….ich will dir diese Bürde nicht abverlangen…. Es ist meine Familie… meine Heimat... Du hast mir sehr geholfen und wir sehen einander wieder… so Ventha will…So Ventha will?! „So ein Schwachsinn, was will sie denn tun? Mich hinwehen zu ihm?! Das ich nicht lache! MIKK! Wir gehen! Sofort!“, bellte Naella aus dem Zelt und begann damit hastig ihre sieben…undzwanzig Sachen einzupacken. Dabei war es der Elfe egal, wie und wohin, Hauptsache verstaut! Der Ottsel steckte seine Nase durch den Eingang und würde er es können, hätte er sicher eine Augenbraue gehoben. „Was?! Wieso? Wo ist die mürrische Apfelblüte denn?!“. „Er hat uns hier allein gelassen! Er ist weg! Nach Andunie!“, antwortete sie und presste die Lippen aufeinander. „In Ordnung – wollten wir das denn nicht?“, fragte Mikk begriffsstutzig. Naella hielt inne und sah das Tier über ihre Schulter hinweg an. „Ja aber gemeinsam! Er ist alleine losgelaufen! Dieser…. Ach! Egal.“, murmelte sie und winkte wirsch ab. Als alle Sachen mehr oder weniger unordentlich verstaut waren, richtete sich die Rothaarige auf und schulterte ihre Umhängetasche. Sie war gewohnt diese zu tragen und spürte das Gewicht kaum noch. Schließlich war alles was sie hatte nötig. Oder so. Bevor sie jedoch starten konnte, wurde sie von Mikk aufgehalten: „Willst du so los?“, fragte er zweifelnd und erntete einen fragenden Blick. „Du siehst aus, als hättest du ein Vogelnest auf dem Kopf! So werden dich die Trolle über die Schulter werfen und die Dunkelelfen augenblicklich aus der Stadt jagen!“, bemerkte Mikk charmant. Nell blickte nach oben, als könne sie ihren Kopf betrachten. Dann strich sie sich die zotteligen Haare etwas platt und versicherte sich bei Mikk, ob das ausreichend modisch wäre, ehe sie sich in Richtung der Hafenstadt wandte.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Sonntag 14. August 2022, 13:56
von Erzähler
Konnte es noch schlimmer werden?
Was für ein Morgen!
Erst wurde sie von einem brüllenden Ochsen geweckt, bzw. von ihrem eigenen Schnarchen, was ihren Hals ein wenig rau gemacht hatte, dann nervte der Ottsel wie gewöhnlich, aber das kannte sie ja nicht anders und dann ließ sie auch noch ihr menschlicher Begleiter warten!
Es konnte noch schlimmer werden!
…, denn Bramo saß leider nicht irgendwo hinter einem der Apfelbäume und kackte, nein. Ein winziges Stück Pergament machte jeglicher Hoffnung ein Ende.
Nells Finger entfalteten den kleinen Zettel, der schon öfter beschrieben, dann die dicke Tinte aus Pflanzensaft wieder abgekratzt worden und wieder neu verwendet worden war. Papier war kostbar und auf Reisen manchmal schwer zu bekommen, weswegen sie die fleckige Notiz dann auch gleich als von Bramo erkannt hatte. Also begann sie die Zeilen zu lesen. Ihre Augen überflogen den Anfang. Das konnte doch nicht wahr sein! Das klang so nach... Abschied?!?
**….ich will dir diese Bürde nicht abverlangen…. Es ist meine Familie… meine Heimat... Du hast mir sehr geholfen und wir sehen einander wieder… wo Ventha will….**
So Ventha will?!
„So ein Schwachsinn, was will sie denn tun? Mich hinwehen zu ihm?! Das ich nicht lache! MIKK! Wir gehen! Sofort!“
, bellte Naella aus dem Zelt und begann damit hastig ihre sieben…undzwanzig Sachen einzupacken. Dabei war es der Elfe egal, wie und wohin, Hauptsache verstaut! Wütend stopfen ihre Hände alles in ihre Tasche, was sie zu greifen bekam, fast auch ihren Begleiter, als dieser seine Nase durch den Eingang des Zeltes steckte. Zum Glück entzog er sich flink noch rechtzeitig ihrer wütenden Attacke.
„Was?! Wieso? Wo ist der mürrische Apfelblüterich denn?!“
„Er hat uns hier allein gelassen! Er ist weg! Nach Andunie!“
, antwortete sie und presste die Lippen aufeinander.
„In Ordnung – wollten wir das denn nicht?“
, fragte Mikk begriffsstutzig. Naella hielt inne und sah das Tier über ihre Schulter hinweg an.
„Ja aber gemeinsam! Er ist alleine losgelaufen! Dieser…. Ach! Egal.“
, murmelte sie und winkte wirsch ab. Mikk war Bramo schon die ganze Zeit recht 'egal' gewesen, oder tat zumindest so. Am liebsten dachte ein Ottsel nun mal vor allem anderen an eine Sache: an SICH! Danach kam lange nichts, dann vielleicht Fressen und wieder lange nichts, dann und das nur selten vielleicht Nell. Der Rest der Welt war egal. Mikk beobachtete die wütende Elfe eine Weile und zog sich lieber aus ihrer Greifreichweite zurück, bis sie sich ausgetobt hatte. Als alle Sachen mehr oder weniger unordentlich verstaut waren, richtete sich die Rothaarige auf und schulterte ihre Umhängetasche. Sie war gewohnt diese zu tragen und spürte das Gewicht kaum noch. Schließlich war alles was sie hatte nötig. Oder so. Das Zelt und die zwei der dickeren Decken, sowie Bramos Sachen musste sie zurück lassen. Die würde sie nicht zusätzlich tragen können. Das war nicht schön, aber so war es nun mal. Bevor sie jedoch starten konnte, wurde sie von Mikk aufgehalten:
„Willst du so los?“
, fragte er zweifelnd und erntete einen fragenden Blick. Auf dem Hintern sitzend, die kurzen Vorderbeinchen vor der schmalen Brust verschränkt sah er zu ihr auf.
„Du siehst aus, als hättest du ein Vogelnest auf dem Kopf! So werden dich die Trolle über die Schulter werfen und die Dunkelelfen augenblicklich aus der Stadt jagen!“
, bemerkte Mikk charmant – aber auch etwas übertrieben. Wahrscheinlicher wäre, dass die Trolle sie einfach platt traten, die Orks sie als Leckerbissen betrachteten und die Dunkelelfen sie einfach über die Schulter warfen um... Naaaeeeiiiin... darüber sollte man besser nicht nachdenken. Zu viel hatte sie auf ihren Wanderungen an Gerüchten gehört. So richtig Kontakt hatte sie noch nicht zum dunklen Volk gehabt, aber Andunie stand unter ihrer Besatzung und Bramo war nun mal dort hinein um seine Familie zu suchen.
„Warum wollten wir noch gleich nach Andunie?“
, bemerkte das Ottsel zu ihren Füßen, nachdenklich und kletterte dann flink ihr Hosenbein hinauf, unter die Jacke, oben am Hals wieder hinaus und machte es sich dann gleich einem Fellkragen um ihren Hals gemütlich.
„Willst du echt dem Blüterich hinterher? ...DAA hinein?“
Mikk nannte Bramo gern so, da Andunie die Stadt der Äpfel war und der Junge Mann in der Zeit der Blüte dort geboren worden war, wie er mal erzählt hatte. Seine kleine Pfote zeigte mit einer Kralle in Richtung der Stadt. In der Ferne war Andunie schon sichtbar und ließ man die nun teils verwaisten Apfelhaine hinter sich und die Flächen, wo im Krieg die einmarschierte Armee wohl Teile auch Brand-gerodet hatte um Platz zu haben und dort noch einige Stämme als Galgen dienten, dann sah man die lange Straße, die über Land zur Hafenstadt führte. An ihrem Seiten sah man noch heute die Galgenvögel baumeln. Jene Bürger Andunies, die sich einbildeten, sich gegen ihre neue Herrschaft auflehnen zu können. Die Strafen waren drakonisch. Doch das Andunische Umland war nicht menschenleer. Es gab immernoch wenige Bauern, die die Plantagen bewirtschafteten. Aber vor allem dominierte die Stadt selbst das Landschaftsbild. Ihre Mauern waren gefallen und wurden anscheinend an manchen Stellen gerade wieder aufgebaut. Vielleicht waren die Besatzer nicht ganz so dumm, wie man manchmal annahm? Was nütze einem eine Stadt, wenn sie unbefestigt war? Was nutze einem ein eingenommenes Land, wenn es nur noch aus verbrannter Asche bestand? Auch wenn Grausamkeit und Tod in der Luft lag, so ahnte man bei diesen kleinen Hinweisen des 'normalen' Lebens, dass auch Dunkelelfen essen mussten und Handel betrieben. Die Armeen mussten ja versorgt werden. Trotzdem wirkte Andunie … man konnte es kaum anders beschreiben: DÜSTER! Die ersetzten Mauern waren irgendwie dunkler, die Türme spitzer, als läge eine schwarze Aura über der Stadt.
Dahinter lag fast wie zum Hohn, ein stilles blaues glitzerndes Meer. Sanfte Wellen mit weißen Schaum ließen die Schiffe der Besatzer in ihren Kronen schaukeln. Die Götter hatten wohl keine Seite in diesem Krieg gewählt. Nells wütender Kommentar zu Venthas Winden und 'wohin sie sie mal tragen durften' blieb ungehört. Nell strich sie sich die zotteligen Haare etwas platter und versicherte sich bei Mikk, ob das ausreichend modisch wäre, ehe sie sich in Richtung der Hafenstadt wandte. Schon war sie los marschiert, als das Ottsel auf ihrer Schulter noch einmal etwas fragte:
„Mach mal langsam...Nicht so schaukeln, sonst kotz ich dir in den Nacken und les noch mal den Zettel.“
Nell tat Mikk den Gefallen sicher, denn wenn Mikk etwas konnte, dann nerven. Er würde eh keine Ruhe geben, bis sie nicht getan hatte, was er wollte. Also setzte sie ihre Tasche noch mal ab, suchte.... suuuuuchte eine gefühlte Stunde lang, genau genommen 15 Minuten nach dem doofen Zettel, hatte schon das Gefühl ihn verloren zu haben und fand ihn dann endlich! Ihre Augen überflogen noch mal den Mist, den ihr 'Freund' da von sich gegeben hatte:
**….ich will dir diese Bürde nicht abverlangen. Es ist meine Familie, meine Heimat. Du hast mir sehr geholfen und wir sehen einander wieder, wo Ventha will.**
Fiel ihr der Fehler von selbst auf? Hatte Bramo ihr doch einen Hinweis hinterlassen?

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Montag 15. August 2022, 13:44
von Naella Federfall
Wenn jemand spontan sein konnte, dann war das Nell. Der rothaarige Wirbelwind brauchte kaum zwei Sekunden, um sich zu entscheiden jemanden in eine Stadt voller Feinde zu begleiten, wenn er sie fragte. Ob das ganze dann gut überlegt war, stand auf einem ganz anderen Blatt und war ja auch nicht die Frage gewesen. Auch hier würde ihre Antwort schnell ausfallen: Nein. Es war nicht gut überlegt. Wer sich die Dinge immer wieder überlegte, verpasste wertvolle Lebenszeit. Aus dem Mund einer Elfe, die mitunter über 600 Jahre werden konnte, mochte das lächerlich klingen, doch Nell tickte einfach so. So war es kaum verwunderlich, dass sie in ordentlicher Unordentlichkeit ihre Sachen gepackt und bereit zum Aufbruch war. Mikk war es, der sie noch einmal innehalten ließ. Sein Vergleich hinkte und entlockte dem Sommersprossen-Gesicht ein Rümpfen der Nase. „Ich wollte niemanden heiraten“, maulte sie ihren Ottsel an und drückte sich dennoch das Wirrwarr auf dem Kopf platt. „Genehm?“, hakte sie desinteressiert nach, bevor sie sich endlich auf den Weg machen wollte. Erneut hielt er sie zurück. „Was ist denn?“, fragte Nell und kratzte sich demonstrativ den Hals. Das borstige Fell des Ottsel piekte sie und trotzdem ließ sie ihm den Willen, sich dort aufzuhalten, wenn sie reisten. Naella folgte dem kurzen Fingerzeig des Tieres und ihre gelben Augen hefteten sich an die Stadt. Andunie war noch ein gutes Stück entfernt und doch konnte man schon von ihrer Position aus erkennen, dass sie gelitten hatte. Nell erinnerte sich nicht daran, bereits hier gewesen zu sein. Sie hatte natürlich von der Stadt gehört und allein durch Bramo wusste sie das ein oder andere – jedenfalls von früher. Jetzt allerdings war von der Schönheit kaum etwas übrig. „Findest du nicht auch, dass die Stadt irgendwie… schmutzig aussieht?“, fragte sie einfach mal so, als würde es darauf ankommen. „Bramo schwärmte immer so von dem Weiß überall.“, zuckte sie die Schultern und warf einen Seitenblick auf Mikk. „Wenn du mir in den Nacken kotzt, kannst du dir aber sicher sein, wer die nächsten Wochen Waschdienst hat, Freund!“, schnauzte sie warnend und grinste ihn kurz darauf wieder an. Dass er allerdings verlangte, sie solle den Zettel noch mal lesen, ließ sie aber dann doch aufseufzen. „Och Mikk!“, beschwerte sie sich, ehe sie dann aber doch einlenkte. „Na schön.“.
Naella ging in die Hocke und setzte ihre Tasche wieder ab. Sie schob eine Hand in das Innere ihres Beutels und tastete mit den schmalen Fingern nach dem Stückchen Pergament. Immer mal wieder veränderte sie die Position ihrer Hand, drehte die Tasche und klemmte ihre Zunge zwischen ihren Lippen ein. „Hm“, machte sie wenig aussagekräftig, nur um plötzlich aufzuspringen, ihre Tasche zu greifen und alles ungeniert wieder auszukippen. Nell betrachtete die Dinge, die dort den Boden bedeckten und ließ ihre Tasche zur Seite fallen. Auf allen Vieren kroch sie durch die Habseligkeiten, bis ihre Finger endlich den Zettel ertasteten. „Ha! Dachte ich hätte ihn bereits auf dem Weg von dort nach hier verloren!“, grinste sie triumphierend und hielt ihn Mikk unter die Nase. „Aber in einem geordneten Haushalt…“, flötete sie grinsend und strich noch mal über das handgeschriebene Pergament. „So… Sag mal – kannst du eigentlich lesen?“, hakte sie bei Mikk nach und ließ sich von dem Gedanken kurz ablenken. Sie versuchte sich daran zu erinnern, ob sie Mikk jemals lesen gesehen hatte, doch kopfschüttelnd, kehrte sie zu ihrer eigentlichen Aufgabe zurück. „bla…bla.. kann dir das nicht abverlangen, bla… Familie, bla, wir sehen einander wieder, so Ventha will.“, las sie abermals und zuckte mit den Schultern, dass Mikk hin und her wackelte. „Siehst du? Nichts neues.“, meinte sie beinahe schon anklagend, denn dafür hatte sie ein Heidenchaos veranstaltet. Und wertvolle Zeit verloren. Doch bevor sie den Zettel wieder in den Untiefen ihrer Tasche versenkte, hielt sie plötzlich inne. „Warte mal…“, murmelte sie und strich mit dem Daumen über die Worte. Nell kniff die Augen zusammen und hielt die Notiz gegen das Licht. „Das ist doch…“, murmelte sie weiter und begann an dem vorletzten Wort zu kratzen. „Das ist ein Fleck!“, stieß sie aus und lachte. „Oh man, da steht WO Ventha will. WO, nicht so, meine Güte der Mann braucht unbedingt neues Pergament. Sauklaue…“, lachte sie vergnügt und strich sich eine rote Strähne aus dem Gesicht. Doch dann stutzte sie. „Moment mal… wieso denn wo Ventha will, was soll denn das für ein Quatsch? Das ergibt noch gar keinen Sinn?“, sinnierte sie, als wäre sie eine der investigativen Wachen von Pelgar. „Wo Ventha will.. Also wenn er schon einfach so den Abgang macht, hätte er sich wenigstens Mühe geben können, die Nachricht zu schreiben.“, murrte sie beleidigt und machte sich daran ihr Chaos auf dem Boden wieder in die Tasche zu verfrachten. Dabei kreisten ihre Gedanken jedoch immer wieder um dieses kleine Wort. War es denn wirklich ein Flüchtigkeitsfehler? Hatte er wirklich nur geschmiert und sich zu wenig Zeit genommen? Wenn sie ehrlich war, war Bramo jemand der gerne nachdachte. Der sich für alles seine Zeit nahm. Es sah ihm nicht ähnlich, diesbezüglich einen Fehler zu begehen. Beging sie einen? Naella wandte den Kopf und schaute zu Andunie zurück. „Mikk? Meinst du er hat geahnt, dass wir ihm folgen wollen? Sähe ihm ähnlich, oder nicht?“, überlegte sie und biss sich nachdenklich auf der Unterlippe herum. „Ventha… Er glaubt an Ventha, wie es wohl viele in Andunie tun.“, überlegte sie weiter und kniete noch immer im Schlamm. Ohne darauf zu achten, tastete Nell nach den letzten Sachen und klaubte die bunten Jonglierbälle auf, stopfte sie in die Tasche und rappelte sich wieder hoch. „Nagut. Lass uns mal sehen, ob wir etwas finden, was man in dieser Stadt Ventha gewidmet hat. Wenn so viele an sie glauben, wird es doch eine Statue oder sowas geben? Vielleicht eine Opferstätte? Keine Ahnung, ich war noch nie in Andunie. Aber irgendwas wird sich schon finden lassen, was seine Worte erklären könnte!“ Und so machte sie wirklich den Weg zu ihrem Ziel und würde Bramo nach Andunie folgen.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Montag 15. August 2022, 15:54
von Erzähler
Ein Flüchtigkeitsfehler... ein versteckter Hinweis... ein dummer Zufall... ein Fleck im Pergament, der einen Buchstaben von einem S in ein W verwandelt hatte? War ja auch egal! Nell hatte schon so beschlossen in die Stadt zu gehen, doch irgendwie wurmte sie ihre kleine Entdeckung. So etwas sah Bramo nicht ähnlich. Der Typ war viel zu verkopft um so einen bescheuerten Fehler zu machen!
Die Elfe klaubte wieder ihre wild verstreuten Habseligkeiten zusammen und stopfte sie zusammen mit dem Zettel abermals in die Tiefen ihrer Tasche, wo die Notiz sehr wahrscheinlich nun auf Nimmer Wiedersehen verschollen ging. Bein Einräumen entdeckte sie auch Sachen, die sie schon lange vermisst hatte. Da lag der Stiel von dem zerbrochenen Holzlöffel, den ihr Vater gern benutzt hatte und sie aus irgend einem Grund aufgehoben hatte - eigentlich nutzlos geworden, aber doch noch zumindest ein Holzgriffel mit einer fiesen Spitze, wenn man ihn irgendwo rein rammte, ein Holzpflock für einen Babyvampir, oder ein Gehstock für Mikk? Manche Sachen fanden erst ihre Bedeutung, wenn sie gebraucht wurden. Nur dass Nell eher dazu neigte, Dinge zu finden, die sie gerade nicht brauchte und jene zu verlegen, die sie gerade benötigte.
Ähnlich ging es ihr oft mit ihren Gedanken. Dieser kleine Rechtschreibfehler war aber auch zum verrückt werden! So richtig weg kam sie von dem Gedanken nicht und schlussfolgerte einfach mal wild durch die Gegend.
„Mikk? Meinst du er hat geahnt, dass wir ihm folgen wollen? Sähe ihm ähnlich, oder nicht?“
„Es sähe zumindest DIR ähnlich! Von WIR kann hier keine Rede sein! Ich lass mich nur gern tragen, wie du weist, mein Pferdchen! Nur deshalb komm ich mit.“
, blökte der Ottsel in ihr Ohr. Naella wandte den Kopf und schaute in Richtung Andunie, ohne die Kommentare ihres Begleiters groß zu beachten – denn das ärgerte ihn oft am meisten.
„Ventha… Er glaubt an Ventha, wie es wohl viele in Andunie tun.“
, überlegte sie weiter laut und kniete noch immer im Schlamm. Ohne darauf zu achten, tastete Nell nach den letzten Sachen und klaubte die bunten Jonglierbälle auf, stopfte sie in die Tasche und rappelte sich wieder hoch.
„Heee, nicht so schaukeln!“
Mikk krallte sich in ihren Kragen, würde nicht mal herunter fallen, wenn sie ein Rad schlug, wie sie nur zu gut wusste, aber sein meckern war nun mal ein MUSS.
„Na gut. Lass uns mal sehen, ob wir etwas finden, was man in dieser Stadt Ventha gewidmet hat. Wenn so viele an sie glauben, wird es doch eine Statue oder sowas geben? Vielleicht eine Opferstätte? Keine Ahnung, ich war noch nie in Andunie. Aber irgendwas wird sich schon finden lassen, was seine Worte erklären könnte!“
Und so machte sie wirklich den Weg zu ihrem Ziel und würde Bramo nach Andunie folgen.

Unüberlegt, unvorbereitet, uniformiert...
Nur drei der Adjektive die den Beginn eines jeden Abenteuers beschrieben, das Nell in ihrer bisherigen Lebenszeit begonnen hatte. Aber so machte das Leben einfach mehr Spaß! Überraschungen waren gut! ...oder? Zumindest waren sie 'überraschend' und das war ja auch nicht zu verachten. Mikk hielt es da genauso wie sie. Aber vielleicht dachte der Ottsel auch NOCH weniger über Folgen und Gefahren nach, als sie. Schließlich war er irgendwie ein Tier... ein Tier das sprechen konnte und einem unglaublich auf den Senkel ging! Irgendwann hatte sie gelernt sein ständiges Gebrabbel auszublenden, aber grade schob es sich mal wieder in den Vordergrund:
„...und wenn du schon dabei bist, such einen Markt! Ich brauche eine Bürste! Eine kleine! Du musst mein Fell striegeln! Ich bin schon ganz struppig und borstig und es ziept! So geht das nicht. Davon bekomme ich schlechte Laune! Das pikt so, wenn ich mich zusammen rollen will. Stell dir vor du würdest dir deinen eigenen Arschhaare in die Nase stecken beim Schlafen! Und was zu Essen! Aber nicht wieder...“
So begleitet war der Weg den sanften Hügel hinunter, die Straßen entlang, bis hin zur Stadtmauer mehr oder weniger schnell überwunden.

(Nell weiter bei: An den Toren Andunies)

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Dienstag 12. November 2024, 10:07
von Erzähler
Ysara kommt von: Perfektion mit Fettnäpfchen

Nachdem sie das Heilerhaus verließen, führte die frische Luft dazu, dass man durchatmen konnte. Es war frisch, aber das Wetter versprach heute nicht schlecht zu werden. Nach wochenlangem Regen, hatte Andunie endlich wieder Gelegenheit im Glanz der Sonne zu erstrahlen. Inzwischen war es hell geworden und die Stadt, die ohnehin niemals wirklich schlief, erwachte geschäftig zum Leben. Andunie war optisch ganz anders als Grandea. Die Häuser bestanden zumeist aus Fachwerk und Reetdächern, während Grandea überwiegend aus Stein gebaut war. Die mit Holzbalken durchsetzten Steine hatten etwas uriges und trotz der aktuellen Lage konnte man durchaus eine gewisse Gemütlichkeit entdecken. Die Menschen hier in Andunie trugen zumeist Gewänder in Blau-grün-Pastell-Tönen. Es spiegelte die Nähe und Liebe zum Meer wider und war allgegenwärtig. Tatsächlich wurde dieses Bild inzwischen etwas verzerrt, da sich auch viele Dunkelelfen tummelten. Dabei fiel auf, dass es nicht das reine Militär war. Andunie schien sich gewandelt zu haben. Bei ihrem Gang durch die Gassen der Stadt und unter Führung von Elian, bekamen Ysi und ihre Freunde den Eindruck, dass man lernte miteinander zu leben. Sie sahen Frauen, Familien und liebende Väter. Sie lachten, blieben gar mal auf ein Gespräch mit Anduniern stehen. Es wirkte alles so furchtbar normal. In Grandea war das noch ganz anders. Auf ihrem Weg sahen sie aber auch intakte Geschäfte mit ihren Auslagen vor der Tür. Es war… heimelig. Sadia kam tatsächlich etwas ins Schlendern. Es war seltsam, dass man sich hier nicht von Schatten zu Schatten schleichen und auf Patrouillen achten musste. Hier wäre wohl der perfekte Ort, um zu leben… alle gemeinsam. Die Dunklen zeigten sich hier teilweise ganz anders und vielleicht musste man seine Einstellung zu ihnen noch mal überdenken. Nun aber führte Elian sie ein wenig heraus aus der Stadt. Am Rande einiger Gebäude, die unbewohnt schienen, kamen sie an einer vernagelten Tür vorbei. Es musste mal eine Taverne gewesen sein, doch scheinbar war sie nicht mehr in Betrieb. Alles war verrammelt und verriegelt und es stand ein Schild davor, das mal früher Preise ausgelobt hatte für Ware. Und dann kamen sie an einem enormen Park vorbei.

Cazario hatte auf Ysi’s Frage geantwortet, dass es sich lohnen würde den über Nacht entstandenen Park zu besuchen. Hier, zwischen hohen Mauern, lag er offenbar. Er mutete irgendwie… anders an. Als wäre er nicht echt. Der Park, so sagte Cazario, war plötzlich einfach dagewesen und das einstige Haus, das dort der Herrscherfamilie Belyal-Sinth gehört hatte, war verschwunden. Niemand in Andunie wusste, was geschehen war aber sie alle wussten, dass der Park magisch und voller Wunder war. Hier blieb Elian einen Moment stehen. „Wir können hier die Gasse weiterlaufen oder durch den Park gehen. Beides führt uns aus der Stadt heraus und dorthin, wo wir wohl am ehesten Informationen zu dieser Gruppe finden.“, erwähnte er und sah beide Krähenanführerinnen an. Dann aber strich er sich durch die Haare und seufzte. Etwas lag ihm auf der Seele. Doch entgegen mancher Erwartung, sprach er nun nicht Sadia’s Flirten an, sondern musterte Ysi. „Jetzt, da wir unter uns sind… wieso machen wir das hier eigentlich?“, begann er und sprach weiter, bevor jemand etwas einwenden konnte. „Ich meine nicht Caz. Ich rede von Areus. Er ist in guten Händen und wir… sind in der Lage den Schatz in Morgeria auch allein zu finden. Ich habe die Karte auch gelesen, erinnert ihr euch? Ich weiß genau, wo sich alles befindet. Ich könnte sie sogar neu zeichnen!“, gab er zu bedenken. „Wir könnten einfach verschwinden… Auch wegen dem.. ihr wisst schon, dem Pergament.“, deutete er die Rolle an. „Er weiß doch nichts davon? Wieso ziehen wir nicht los und lassen Areus… hinter uns? Versteht mich nicht falsch, ich mag ihn auf eine Art, aber wir trauen ihm nicht ganz. Und … von hier aus schaffen wir es ganz sicher auch allein. Wir arbeiten am Besten zusammen. Als Krähen. Und Areus ist keine Krähe.“, gab er weiter von sich und Sadia klappte ihren noch vor Empörung geöffneten Mund. Dann sah auch sie zu Ysi. „Irgendwie hat er Recht…“, räumte sie ein und verzog die Lippen zu einer schiefen Grimasse. Und Ysara? Was dachte sie darüber? Elian hatte Recht. Es war ihre Chance sich abzusetzen und das Geheimnis um die Schattenrolle und den Schatz in Morgeria mit niemandem zu teilen…

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Donnerstag 14. November 2024, 18:12
von Ysara
Sadias Verhalten auf Cazario war vermutlich einfach normal für eine junge Frau, wie sie es nun mal waren, aber Ysara konnte nicht einschätzen, wie solche Dinge im 'echten' Leben abliefen, was eben normal war, und was aber zu viel. Vielleicht war es auch einfach die Sorge um Sadia und Elian als Paar, die sie ihre Freundin zurechtweisen ließ. Ihre beiden Freunde waren in einer Beziehung und Ysara kam gar nicht auf den Gedanken, dass irgendetwas oder vielmehr irgendjemand daran rütteln dürfte! Dass Beziehungen der Unterschicht nicht immer ein Leben lang hielten, war ihr in all den Jahren natürlich bewusst geworden. Aber ging man in ihren Kreisen eine Beziehung ein, so hatte diese für immer zu gelten. Etwas, dass sie unbewusst auch auf ihre Freunde projizierte. Dass also Sadia hier blieb bei Cazario, der ihr offenbar etwas den Kopf verdreht hatte, kam gar nicht in Frage! Sie selbst wollte ihm mit Areus helfen, die Aussicht, hier in seinem Heim zu nächtigen, lockte sie aber wohl kaum so, wie Caz' es vielleicht von anderen Frauen gewohnt sein mochte. Natürlich durchschaute er ihre vorgeschobene Begründung, sie sah es an seinem Schmunzeln. Aber sie hielt daran mit fester und höflicher Miene fest. Als er Anstalten machte, ihr die Teller abzunehmen, hielt sie ihm diese entgegen und spürte für einen Moment seine weichen Finger an ihren. Sie lösten ein Flattern in ihrem Inneren aus und erinnerten sie an das Kribbeln, das sie empfunden hatte, als er ihren Puls überprüft hatte. „Schon gut, Ella. Ich übernehme das und ihr schnappt frische Luft. Kommt am Morgen gerne vorbei, dann weiß ich vielleicht schon, wie lange ihr auf Artan warten müsst.“ Sie erwiderte seinen Blick und nickte dann. "Danke für Eure Hilfe. Bis morgen", sagte sie dann und sah ihm einen Moment nach, als er in die Küche ging. Dann bedeutete sie den Krähen, sein Haus zu verlassen. Vorher aber blieb sie bei Areus stehen und starrte ihn für einige Momente prüfend an, bis sie sich sicher war, dass sich seine Brust hob und senkte. Mit einem Seufzen wandte sie sich dann ab und hoffte inständig, dass es ihm morgen wenigstens etwas besser gehen würde.

Kaum, dass sie auf der Straße waren und ein paar Schritte gegangen waren, drehte sich Ysi jedoch zu Sadia um. "Was war das denn!?", platzte es dann aus ihr heraus und sie sah sie vielsagend an. "Dir gefällt Andunie wohl", fügte sie frech hinzu und grinste dann, wodurch sich ihre vorwurfsvolle Miene entspannte. Sie meinte es gar nicht böse, aber Sadia hatte sie überrascht. Sie überließ Elian die Führung und nutzte den Weg und die Gelegenheit, sich auf Elians Orientierung verlassen zu können, um die Stadt auf sich wirken zu lassen. Es war frisch, aber die Sonne wärmte ein wenig die Haut. Die Häuser hier waren nicht so imposant wie im Innenring Grandeas, aber auch weit entfernt von den heruntergekommenen Behausungen im Außenring. Sie wirken geradezu gemütlich und irgendwie bodenständig, das Ysara durchaus gefiel. Die ersten Dunkelelfen, an denen sie vorbei liefen, musterte die Blonde unauffällig und durchaus misstrauisch. Bei den ersten Begegnungen klopfte ihr Herz schneller und sie war instinktiv versucht, andere Straßen als die Dunklen zu nehmen. Das ging jedoch nicht, denn sie waren überall, wie sie schnell feststellen konnte. Zu ihrer Überraschung verhielten sie sich genauso unauffällig wie die Menschen, wodurch sie geradezu ..normal anmuteten. Etwas, an das sich Ysara wohl noch gewöhnen musste. Andererseits konnte jeder von ihnen ein Häscher von Vashnar sein, weshalb Ysi ihr Misstrauen und die Vorsicht sicherlich nicht so schnell ablegen würde. Als Elian stehen blieb, schaute Ysi ihn an und lächelte kurz, als sie den Klang ihrer Muttersprache hörte. „Wir können hier die Gasse weiterlaufen oder durch den Park gehen. Beides führt uns aus der Stadt heraus und dorthin, wo wir wohl am ehesten Informationen zu dieser Gruppe finden.“ Da sah sie ihre Freunde einen Moment verschwörerisch an. "Ich bin definitiv für diesen Park, musste sie nicht lange überlegen und die grünen Augen funkelten, als würde sie dort irgendwelche Abenteuer und Geheimnisse wittern. Einen geheimnisvollen Park, der magisch über Nacht entstanden war, wollte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen. Elian aber schien im Moment nicht für derlei Dinge empfänglich zu sein. Er sah bedrückt aus, weshalb Ysi etwas ernster wurde und ihn prüfend ansah. „Jetzt, da wir unter uns sind… wieso machen wir das hier eigentlich?“ Noch konnte sie nicht ahnen, worauf er hinaus wollte. "Na weil wir nett sind natürlich", antwortete sie deshalb mit einem schelmischen Grinsen, weil sie das Problem verkannte. „Ich meine nicht Caz. Ich rede von Areus.“ Da legte sich ihre Stirn in Falten und ihr Blick machte klar, dass sie nicht verstand, wieso er jetzt Areus ins Spiel brachte. „Er ist in guten Händen und wir… sind in der Lage den Schatz in Morgeria auch allein zu finden. Ich habe die Karte auch gelesen, erinnert ihr euch? Ich weiß genau, wo sich alles befindet. Ich könnte sie sogar neu zeichnen!“ Elians Worte überraschten sie sichtlich. Verstand sie das richtig? "Alleine? Du meinst..?" „Wir könnten einfach verschwinden… Auch wegen dem.. ihr wisst schon, dem Pergament. Er weiß doch nichts davon?“ Ysi schüttelte eher aus Reflex den Kopf, bevor sie langsam aus ihrer Starre erwachte. Jetzt spannte sich auch ihre Haltung etwas an und sie verschränkte unbewusst die Arme vor der Brust. Ihr zugewandter Gesichtsausdruck verschloss sich zunehmend, je mehr Elian von seinen Gedanken preis gab. „Wieso ziehen wir nicht los und lassen Areus… hinter uns?“ "Du willst ihn zurück lassen? Ohne ihn weitermachen?", wollte sie mit ungläubigen Ton wissen. „Versteht mich nicht falsch, ich mag ihn auf eine Art, aber wir trauen ihm nicht ganz. Und … von hier aus schaffen wir es ganz sicher auch allein. Wir arbeiten am Besten zusammen. Als Krähen. Und Areus ist keine Krähe.“ Unverständnis zeigte sich auf ihren Zügen, als sie zu Sadia sah, um ihre Meinung dazu zu hören. „Irgendwie hat er Recht…“ Ysara machte einen getroffenen Gesichtsausdruck und sah so aus, als würde sie anzweifeln, dass sie gerade richtig gehört hatte. "Ist das euer Ernst?!", wollte sie dann wissen und schnaubte ungläubig. "Ohne ihn säßen wir jetzt im Gefängnis oder wären wahrscheinlich sogar tot. Areus war es, der uns hierher brachte!", erinnerte sie die beiden daran und stemmte die Hände in die Hüften. "Die Fahrt mit dem Boot und das Piratenschiff war bestimmt nicht seine beste Idee, aber wir sind immerhin hier und wurden noch nicht geschnappt", verteidigte sie den Elfen. Sie dachte an die Ereignisse in der Unterwasserhöhle. Sie waren gemeinsam zu diesem Abenteuer aufgebrochen und hatten gemeinsam beschlossen, beide in diese Höhle zu steigen. Sie hatte dort unten so viel erlebt, das gefährlich gewesen war, aber auch ihren Durst nach Abenteuern gestillt hatte - und vielleicht auch ihren stillen Durst nach Zuwendung. "Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich tot. Ihr wart nicht dabei - in dieser Höhle. Ohne seine Hilfe wäre ich da gar nicht herausgekommen und .." Sie dachte an Alea, an ihre körperlichen Überreste in der Höhle. Als Ysi den Mund schloss, wurde er zu einer schmalen Linie. Klar, ohne Areus wäre sie auch niemals in diese Höhle gegangen und hätte sich nicht in Lebensgefahr begeben. Aber die Dinge waren gelaufen, wie sie gelaufen waren. "Ohne ihn hätten wir die Schriftrolle überhaupt nicht. Keiner von uns weiß, wie wir nach Morgeria kommen sollen. Wir waren noch nie außerhalb von Grandea. Ich glaube nicht, dass wir einfach dort hinein spazieren können. Areus hat sicher seine Wege oder Verbindungen." Ysara lagen noch mehr Argumente auf der Zunge, aber Elians Vorhaben erschreckte sie zu sehr, um alle aufzuzählen. Vielleicht wäre alles anders gelaufen, wenn Elian gleich die Karte nachgezeichnet hätte. Doch dafür hatten sich die Ereignisse zu schnell überschlagen. "Wir wissen ja nicht einmal, ob er das überhaupt überlebt und ihr wollt.. ihr wollt einfach abhauen.." Die Enttäuschung darüber spiegelte sich in Ysaras Augen. Es schockierte sie. Elian mochte Recht haben, zumindest aus seiner analytischen, pragmatischen Sicht. Aber Ysis konnte nicht so denken. Wie sollte sie Areus einfach zurücklassen können? Auch wenn er keine echte Krähe war, war er auf ihrer gemeinsamen Reise zu einem Freund geworden. "Selbst wenn.. wenn wir die Moral mal außer Acht lassen", bekam Elian einen Seitenhieb ab. "Areus ist nicht dumm und er kennt sich in Celcia weit besser aus als wir. Er würde uns einholen, uns finden - und dann hätten wir einen weiteren Feind, statt eines Verbündeten. Wir haben einen Handel geschlossen." Und auch das war sicher nicht der Grund, weshalb sie so vehement reagierte. Areus gefiel ihr. Ihr gefiel seine Art zu Leben, auf die sie neidisch war. Er war einer der Diebe aus dem Bund, zu denen sie immer aufgesehen hatte. Eine Chance, das zu werden, was ihr immer ein Vorbild gewesen war. Vielleicht spielten auch hier ihre Hormone verrückt und sie stellte Areus auf ein Podest, das gar nicht berechtigt war. Ein Podest, das auch aus Teilen der Erinnerungen an seine Berührungen und seine Umarmung in der Hängematte gebaut war. Sie mochte ihn und sie würde ihn nicht verraten. In Ysaras Kopf arbeitete es und sie sah ihre Freunde einige Momente schweigend an. Dann seufzte sie, sah kurz zu Boden und dann erneut in die Gesichter ihrer Freunde. "Vielleicht sollten wir unseren Ausflug verschieben. Vielleicht solltet ihr euch erst einmal klar darüber werden, ob ihr das wirklich wollt." Ysara klang enttäuscht. Sie wollte nicht glauben, dass es in Elians Herz wirklich so aussah. Und wenn doch, was bedeutete das für sie drei? "Vielleicht wäre es besser, wenn wir uns später im Gasthaus treffen und darüber reden", schlug sie bedrückt vor und war scheinbar drauf und dran, ihren Freunden den Rücken zu zukehren und diesen Park alleine zu erkunden.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Freitag 15. November 2024, 21:40
von Erzähler
"Was war das denn!? Dir gefällt Andunie wohl" Sadia zuckte die Schultern. „Was denn?? Es ist doch auch schön hier…“, flötete sie mit geschürzten Lippen und Elian warf den Frauen ein Augenrollen zu. Sadia grinste. „Nun tu‘ nicht so, Elian. Jetzt weißt du, wie sich das anfühlt!“, engte sie die Augen und der Tüftler der Krähen räusperte sich verlegen. „Wenn du das brauchst…“, murmelte er etwas zerknirscht und Sadia zuckte wieder die Schultern. Es war wohl doch auch eine Retourkutsche, auch wenn sie ein wenig ZU begeistert von Cazario war. „Ach, und Ysi? Dir gefällt es hier ja wohl auch!“, gab sie den Kelch zurück und streckte ihr grinsen die Zunge heraus. „Ich habe auch Augen im Kopf!“, zwinkerte sie, bevor sie drei verbliebenen Krähen den Weg durch die Stadt suchten. Elian führte sie sehr sicher und zielstrebig, sodass Ysi Zeit erhielt, sich die Stadt und ihre Bewohner genauer zu betrachten. Es war seltsam die Dunkelelfen hier bei normalen Tätigkeiten zu beobachten. Grandea war längst nicht so weit und Ysara auch nicht. Zu frisch waren die Erlebnisse in ihrer Heimat. Zu dicht die Gefahr ihnen auf den Fersen. Ysi konnte akzeptieren, dass es in Andunie wohl anders aussah, aber behaglich fühlte sie sich auch nicht. Die blonde Krähe schloss wieder zu ihren Freunden auf, die bereits an einem Parkeingang standen. Hier aber boten sich gleich zwei Wege. Ysara wollte durch den Park. Sie war neugierig und hatte das Gefühl, dass es ein kleines Abenteuer sein könnte. Sie fühlte sich ausgelassen und freute sich, dass sie sich ein wenig die Beine vertreten konnten. Nun allerdings nahm das Gespräch eine unerwartete und umso unschönere Wendung, die Ysi nicht ganz nachvollziehen konnte.
Perplex lauschte sie ihrem Freund und konnte gleichzeitig nicht fassen, was er da andeutete. Er wollte Areus also seinem Schicksal überlassen? "Ohne ihn säßen wir jetzt im Gefängnis oder wären wahrscheinlich sogar tot. Areus war es, der uns hierher brachte!" „Ja, aber..“- "Die Fahrt mit dem Boot und das Piratenschiff war bestimmt nicht seine beste Idee, aber wir sind immerhin hier und wurden noch nicht geschnappt! Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich tot. Ihr wart nicht dabei - in dieser Höhle. Ohne seine Hilfe wäre ich da gar nicht herausgekommen und .." „Das verstehen wir ja, Ysi“, sagte Sadia, doch Elian übernahm ab hier: „Du glaubst ihm etwas schuldig zu sein, aber das stimmt nicht, Ysara. Wir sind ihm nichts schuldig. Erinnerst du dich, er hat uns die Karte gestohlen, er hat uns verfolgt und uns Steine in den Weg gelegt und nun glaubst du, weil er ein Mitglied der Diebesgilde ist, dass er unser Freund sei, aber… was, wenn du falsch liegst?“, fragte Elian und bewies deutlich seine analytische Ader. "Ohne ihn hätten wir die Schriftrolle überhaupt nicht. Keiner von uns weiß, wie wir nach Morgeria kommen sollen. Wir waren noch nie außerhalb von Grandea. Ich glaube nicht, dass wir einfach dort hineinspazieren können. Areus hat sicher seine Wege oder Verbindungen.", hielt Ysara dagegen. Sie war enttäuscht über diese moralisch verwerflichen Gedanken. Und sie hätte ihren Freunden das auch nicht zugetraut. Sie fühlte sich eigenartig dabei. "Wir wissen ja nicht einmal, ob er das überhaupt überlebt und ihr wollt.. ihr wollt einfach abhauen.." Sadia sah Ysi geknickt an. „So… meinen wir das doch gar nicht, Süße. Aber Elian’s Gedanke ist nicht so abwegig. Ja, wir haben den Schatz ihm zu verdanken… aber… wollen wir ihm alles überlassen?“, fragte nun auch ihre Freundin.

Es war schon schwer genug, doch dass beide jetzt einfach solche Gedanken äußerten, passte derzeit nicht in ihr Empfinden. Sie war auf ein kleines Abenteuer aus, nachdem die Hormone ihre Sinne vernebelten. Sie wollte Cazario helfen, während er Areus half. Aber absägen wollte sie niemanden! "Selbst wenn.. wenn wir die Moral mal außer Acht lassen", Elian erwiderte ihren Blick kurz getroffen, aber sie hatte auch Recht! "Areus ist nicht dumm und er kennt sich in Celcia weit besser aus als wir. Er würde uns einholen, uns finden - und dann hätten wir einen weiteren Feind, statt eines Verbündeten. Wir haben einen Handel geschlossen." „Das stimmt auch wieder“, räumte Sadia ein und Elian seufzte. „Ja, aber halten sich immer alle an geschlossene Vereinbarungen?! Ich denke nicht. Und wenn wir auch außerhalb von Grandea bestehen wollen, müssen wir uns einfach auch ein Bisschen die Hände schmutzig machen!“, war er der Meinung. Sadia sah nun Elian an. „Müssen wir? Ich weiß nicht. Ich kann Ysi schon auch verstehen. Also.. euch beide irgendwie… Das ist eine ernste Geschichte und ich glaube, wenn wir uns hier so oder so entscheiden, ebnen wir den zukünftigen Weg, den wir als Krähen gehen wollen…“, murmelte sie nachdenklich. [i] "Vielleicht sollten wir unseren Ausflug verschieben. Vielleicht solltet ihr euch erst einmal klar darüber werden, ob ihr das wirklich wollt."[/i] „Ysi… komm schon…“, meinte Sadia und wollte sie an der Schulter berühren, sofern sie es zuließ. "Vielleicht wäre es besser, wenn wir uns später im Gasthaus treffen und darüber reden", „Bist du dir sicher?“, fragte Elian und sah ebenfalls etwas geknickt aus. Sadia riss die Augen auf. „Das meinst du doch nicht Ernst… Wir sollen uns trennen?“ Elian griff nach Sadia’s Hand und seufzte. „Vielleicht hast du recht, Ysi. Vielleicht müssen wir für uns alle entscheiden, wie wir fortan weitermachen wollen. Wo wir uns positionieren.“, meinte er und Sadia sah ungläubig zwischen Ysi und Elian hin und her.
„Kommt schon!“, maulte sie und schüttelte den Kopf etwas ungläubig. „Wir sprechen doch nur darüber… es ist eine Diskussion, ihr tut ja so, als wäre das hier eine Entscheidung über das Bestehen oder Vergehen der Krähen!“, rief sie, dass sich zwei Menschen zu ihr umdrehten, die an ihnen vorbeigingen. Sie wurde etwas leiser. „Ihr spinnt doch! Da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden, klar?“ Dann fuhr sie sich durch die braunen Haare. „Gut. Dann denken wir alle mal nach, warum wir eigentlich Krähen sind und wie der Kodex lautet! Und dann machen wir weiter, wie wir immer weitermachen, klar?!“, meinte sie warnend. Für Sadia stand fest, dass sie sich nicht voneinander trennen würden. „Ich meine… wir tun das hier auch für Cassian! Denkt daran, klar. Es geht um ihn und darum, ihn zu retten!“ Sadia warf Ysi und Elian jeweils einen mahnenden Blick zu, ehe sie sich dann an Ysi allein wandte. Sie blickte ihr kurz in die Augen und schloss ihre Freundin daraufhin in die Arme. „Mach kein Blödsinn, in Ordnung?“, raunte sie ihn ins Ohr und lächelte sie dann zuversichtlich an. „Wir entscheiden nichts allein!“, schwor sie Ysi ein und nickte ihr zu. Vielleicht war Abstand wirklich gut. Dann gingen Elian und Sadia ihrer Wege und würden sich um eine Unterkunft kümmern, während Ysi zurückblieb. Die blonde Krähe hatte die Wahl bereits getroffen und wählte den Park.

Der Park, der über Nacht entstanden sein sollte. Seltsame Geschichte, das ging doch gar nicht? Als sie das Kopfsteinpflaster hinter sich ließ, knirschte Kies unter ihren Sohlen. Der Boden war mit winzig kleinen Kieseln aufgeschüttet und glitzerte im feinen Sonnenlicht in allen möglichen Farben. Es war fast so, als wären hier sämtliche Steine der Natur verwendet worden… Nicht etwa nur die weißen oder braunen… Doch mehr als der Boden war es das Ambiente hier. Ysara hatte sofort das Gefühl in einer anderen Welt zu sein. Sie hörte überdeutlich Vogelzwitschern und konnte links und rechts des Weges hinter hohen Tannen und Büschen noch Wild entdecken. Unweit ihrer Position hoppelte eine Hasenfamilie an ihr vorbei und bei näherem Hinsehen, hatten die Tier eine Seltsamkeit: Sie… hatten Smaragde als Augen. Buchstäblich! War das eine Reflektion? Dann waren sie wieder weg. Der Weg mäanderte in sanften Kurven immer weiter hinein. Die Natur wurde dichter, hohe Bäume, Nadel- und Laubbäume gleichermaßen, schafften eine Art Höhle. Das dichte Blattwerk der Baumkronen verflocht sich ineinander und schaffte ein dunkelgrünes Dach, das zeitweise von schillernden Orange- und Gelbtönen durchsetzt wurde. Die Töne der Tiere wurden deutlicher und das Gefühl hier erfüllte bald schon alles in ihr. Sie fühlte sich seltsam leichtfüßig, eigenartig wohl, geborgen fast schon. Es war einfach… magisch.
Immer wieder begegneten ihr Tiere, die sie innerhalb von Grandea nicht so sah. Rehe mit Punkten auf ihren Rücken, die an Diamanten erinnerten, Enten mit Schnäbeln aus Topas… Sie sah sogar einen Bären in einiger Entfernung, der Krallen aus Obsidian zu besitzen schien. Alle aber waren … friedlich. Nichts hier schien zu beängstigen, außer vielleicht der Park an sich, weil man kaum verstehen konnte, wieso er existierte. Es war ein Wunder. Oder gab es hier Substanzen, die ihr einen Streich spielten? Ysi fand den Weg mühelos und irgendwann würde er in der Mitte des Parks enden. Hier gab es eine Statue. Eine alte Frau, hässlich wie sonst was, hob eine Hand in den Himmel. Ihr Gesicht war so runzelig, ihre Gestalt nicht größer als ein Kind. Und vor der Statue kniete eine junge Frau, die in bunten Kleidern ein echter Farbtupfer war. Die roten Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten. Mehr erkannte Ysi erstmal nicht, weil sie ihr den Rücken zugewandt hatte. Sie schien Ysi nicht bemerkt zu haben, während sie gerade die Inschrift säuberte und leise eine Melodie summte, die Ysi irgendwoher kannte.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Mittwoch 20. November 2024, 10:59
von Ysara
Es hätte ein schöner Tag werden können, beginnend mit einem Spaziergang durch einen magischen Park und vielleicht mit einem Hinweis endend, wo sich das Pegasus von Cazario und sein wertvolles Geschenk aufhielten. Stattdessen aber stand Ysi nun hier und sah sich mit Elians Überlegung konfrontiert, den schwerverletzten Areus in Andunie zurück zu lassen. Das widerstrebte ihr auf so vielen Ebenen, dass sie in Abwehrhaltung ging und den Elfen und seine Taten verteidigte. „Du glaubst ihm etwas schuldig zu sein, aber das stimmt nicht, Ysara. Wir sind ihm nichts schuldig. Erinnerst du dich, er hat uns die Karte gestohlen, er hat uns verfolgt und uns Steine in den Weg gelegt und nun glaubst du, weil er ein Mitglied der Diebesgilde ist, dass er unser Freund sei, aber… was, wenn du falsch liegst?“ Ysara runzelte die Stirn und schaute für einen Moment ertappt. Elian hatte Recht mit seinen Worten. Sie waren zuerst in den Besitz der Karte gelangt - ohne Hilfe von außen. Areus hatte sie ihnen gestohlen und sich dann überheblich ihrem Plan angeschlossen. Wenn er dabei nur nicht so verdammt sympathisch gewesen wäre mit seiner erfrischenden Art. "Du meinst, er meint es nicht ehrlich mit uns?", fragte Ysi und konnte sich das nicht recht vorstellen. Elian säte Zweifel in der Diebin, aber noch war sie vom Gegenteil überzeugt. Ysi verschränkte die Arme vor der Brust. Sie würde niemanden einfach so zurücklassen können. Areus wusste nichts von der Schriftrolle, aber ohne ihn hätten sie diese nie aus der Schatzkiste geborgen. Viel schlimmer aber fand sie, jemanden beim Kampf ums Überleben im Stich zu lassen. „So… meinen wir das doch gar nicht, Süße.“ Sadia traf ein Blick der Blonden. "Doch, genau so meint ihr es", warf sie enttäuscht ein. „Aber Elian’s Gedanke ist nicht so abwegig. Ja, wir haben den Schatz ihm zu verdanken… aber… wollen wir ihm alles überlassen?“ Da schüttelte sie den Kopf. "Er bekommt seinen Anteil, mehr nicht. So wie Cassian und auch Tami ihren Anteil bekommen." Die grünen Augen schauten wieder zu Elian. "So war die Abmachung zwischen Areus und mir." Es war so viel in so kurzer Zeit passiert, dass sie gar keine richtige Gelegenheit gehabt hatten, über alles in Gänze zu sprechen. Aber ein Handel war ein Handel oder nicht? Zumindest in Ysaras Augen. Selbst wenn sie Areus hier zurückließen, was für Ysara nicht in Frage kam, würden sie sich damit nur einen Feind mehr machen. Areus hielt mit seinen Fähigkeiten nicht hinter dem Berg und vermutlich hatte er noch mehr zu bieten, wenn er ein Mitglied der Zunft war. „Ja, aber halten sich immer alle an geschlossene Vereinbarungen?! Ich denke nicht. Und wenn wir auch außerhalb von Grandea bestehen wollen, müssen wir uns einfach auch ein Bisschen die Hände schmutzig machen!“ Ysara starrte Elian schweigend an, aber auch ohne Worte konnte er erkennen, dass ihr seine Wortwahl missfiel. „Müssen wir?“, sprach da Sadia ihre Gedanken aus und Ysi schüttelte den Kopf. Sie würde Areus nicht zurücklassen und schon gar nicht in diesem Zustand. „Ich weiß nicht. Ich kann Ysi schon auch verstehen. Also.. euch beide irgendwie… Das ist eine ernste Geschichte und ich glaube, wenn wir uns hier so oder so entscheiden, ebnen wir den zukünftigen Weg, den wir als Krähen gehen wollen…“ Ysara seufzte. "Ich lasse niemanden zurück", stellte sie noch einmal aus tiefster Überzeugung fest und schlug dann vor, ihren gemeinsamen Ausflug hier abzubrechen. Sie musste darüber nachdenken. „Ysi… komm schon… Ysara wich nicht vor der Berührung ihrer Freundin zurück. Ihre Augen schauten kurz zu ihrer Hand, ehe sie den Kloß in ihrem Hals hinunter schluckte. Sie war die Letzte, die Streit wollte. Aber das angesprochene Thema war zu ernst, als dass sie nun einfach darüber hinweg lächeln konnte. Daher schlug sie mit ungewohnt ernster Mine vor, dass sie sich später im Gasthaus zusammen setzten. Erst braucht sie Zeit zum Nachdenken. „Bist du dir sicher?“ Lediglich ein Nicken folgte.
„Das meinst du doch nicht Ernst… Wir sollen uns trennen?“ Da schaute sie zurück zu ihrer Freundin und auch wenn ihr gerade nicht zum Lächeln zumute war, lächelte sie ihr kurz aufmunternd zu. "Nur bis heute Abend", präzisierte sie, damit Sadia nicht gleich durchdrehte. „Vielleicht hast du recht, Ysi. Vielleicht müssen wir für uns alle entscheiden, wie wir fortan weitermachen wollen. Wo wir uns positionieren.“ „Wir sprechen doch nur darüber… es ist eine Diskussion, ihr tut ja so, als wäre das hier eine Entscheidung über das Bestehen oder Vergehen der Krähen!“ Ysara seufzte und fuhr sich durch die Haare, wodurch sich ihre Abwehrhaltung etwas auflöste. "Es ist nun mal ein wichtiger Punkt. Ich könnte so nicht guten Gewissens weiter reisen", hielt Ysara dagegen. Ihr gefiel selbst nicht, in welche Richtung sich das Ganze gerade entwickelte. Aber es ging hier auch nicht um eine Kleinigkeit. „Ihr spinnt doch! Da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden, klar? Gut. Dann denken wir alle mal nach, warum wir eigentlich Krähen sind und wie der Kodex lautet! Und dann machen wir weiter, wie wir immer weitermachen, klar?!“ Sadias kämpferische Art ließ sie trotz der Umstände noch einmal lächeln. "Nichts anderes möchte ich", warf sie ein und sah zu Elian. Ob er seine Meinung ändern würde? Und was, wenn nicht? Doch Sadia war noch nicht fertig mit ihrem Vortrag. „Ich meine… wir tun das hier auch für Cassian! Denkt daran, klar. Es geht um ihn und darum, ihn zu retten!“ Cassian.. noch etwas, worüber sie mit Sadia noch nicht gesprochen hatte. Für einen Moment dachte sie an ihren ersten Kuss mit Cassian und vergaß sogar kurz, wie verletzt sie noch von seinen Entscheidungen war - die Entscheidung für diese Dunkelelfe und gegen sie, obwohl er sie.. Ysara wollte lieber nicht zu lange darüber nachdenken. Sie würde ihn retten, er war schließlich auch eine Krähe und ihr bester Freund. "Klar." Ysi nickte und fand sich in den Armen ihrer Freundin wieder. „Mach kein Blödsinn, in Ordnung?“ "Ich doch nicht." Sie drückte ihre Freundin fest an sich. „Wir entscheiden nichts allein!“, hörte sie ihre Freundin. "Das will ich euch auch raten", versuchte sie sich in einer spaßigen Drohung. Aber was war, wenn Elian bei seiner Meinung blieb und entschied, dass er ohne Areus weiterreiste? Ob er das durchziehen würde? Und was würde Sadia dann machen? In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken, als sie ihren Freunden hinterher schaute. Dann aber nahm sie den Weg in den Park.

Musternd betrachtete sie den Kies unter ihren Füßen, ehe sie den Blick schweifen ließ, um ihre Gedanken zu ordnen. Es ging nicht nur um diesen mysteriösen Schatz. Es ging darum, Cassian zu retten. Etwas, woran Sadia sie nicht erinnern musste. Ysara war auch klar, dass sie bessere Chancen als eine eingeschweißte Gemeinschaft hatten. Es würde keinen Sinn ergeben, sich zu trennen, wenn sie doch alle dasselbe Ziel verfolgten. Und wie vertrauenswürdig war Areus? Sie erinnerte sich daran, wie er nicht nur einmal versucht hatte, ihr die Gedanken an Cassian auszureden. Wieviel Herzblut würde er in dieses Unterfangen stecken? Elians Worte waren nicht ungehört geblieben. Was war, wenn Areus ihnen nur half, um an den Schatz zu gelangen, und den Fokus nicht auf Cassian legte? Ysara seufzte. Die Auseinandersetzung machte ihr zu schaffen. Wer hätte gedacht, dass diese Reise so schnell an ihrer Gemeinschaft und ihrer Moral rütteln würde? Als sie die Hasenfamilie erblickte, erhellte sich ihr Gesicht zum ersten Mal seit den letzten Minuten. Ihre Gedanken sorgten dafür, dass sie sich zunächst nicht ganz auf diesen magischen Ort einlassen konnte. Dann aber stutzte sie, als sie an Stelle der Augen die Smaragde im Gesicht der Hasen erblickte. Aber die Tiere waren so schnell verschwunden, dass sie es als Einbildung abtat. Die Natur, die immer dichter wuchs und schon bald ein Dach über ihrem Kopf schuf, lenkte sie dann doch recht schnell von den ernsten Gedanken ab. Es war, als würde der Park sie vollends in sich einschließen, aber Angst hatte sie nicht. Vielmehr war sie fasziniert. Sie hörte das laute Vogelgezwitscher und machte auch andere Tiergeräusche aus, die sie aber nicht immer einem bestimmten Tier zuordnen konnte. Staunend erblickte sie Rehe und erkannte auch an ihrem Fell Edelsteine. Als sie dann die Enten mit den Schnäbeln aus Topas sah, wurde ihr klar, dass sie sich das vorhin nicht eingebildet hatte. Ysara verharrte hier und da, betrachtete die Tiere und fühlte sich schon bald geborgen wie schon lange nicht mehr. Es fühlte sich an wie ein eigenes Wunderland, in das sie gestolpert war. Als sie den Bären sah, wurde ihr ein wenig mulmig, aber irgendwoher wusste sie auch, dass er ihr nichts tun würde. Als wäre das hier der friedlichste Ort der Welt. Abgelenkt durch die magischen Wesen brauchte Ysara eine Weile, bis sie das Zentrum des Parks erreichte. Die Frauengestalt mit den roten Haaren und bunten Kleidern fiel ihr schon von weitem sofort ins Auge. Unweigerlich musste sie an Tami denken und lächelte traurig. Cassian war weg, Tami war weg und im Moment stand alles andere auf der Kippe. Sie konnte nur hoffen, dass sich die Krähen wieder zusammen rauften. Der Kies knirschte unter ihren Schuhen. Ysara war nicht übermäßig laut, um die Frau nicht zu stören, aber sie schlich sich auch nicht an. Jetzt erst fiel ihr auf, dass außer ihnen niemand anderes hier war und sie auch während ihres Spaziergangs keiner Menschenseele begegnet war. Es war, als gäbe es nur diese Frau, bei der auch der Weg endete. Ysara sah sich einmal um, um sich zu vergewissern, ob der Weg nicht doch irgendwo weiter ging, und zuckte dann mit den Schultern. Offensichtlich hatte sie das Zentrum erreicht und es gab nur den Weg zurück. In ein paar Schritten Entfernung zur Fremden blieb sie stehen. Da drang auch die Melodie, die sie summte, an ihre Ohren. Sie kam ihr bekannt vor, aber ihr fiel nicht ein, was für ein Lied es war. Während sie noch darüber nachdachte, fiel ihr Blick auf die Statue und sie sah überrascht, dass es nicht das Abbild eines Kindes war, wie es von weitem ausgesehen hatte, sondern das einer alten Frau. Ysara musterte die Statue, dann aber blieben die grünen Augen auf der Rothaarigen ruhen. Sie wartete noch eine Pause in der Melodie ab, um die Fremde dann mit einem freundlichen, aber leisen "Hallo" zu grüßen. Sie wollte sie nicht erschrecken. Und eigentlich wollte sie sie auch gar nicht stören, aber es gab nur sie beide hier und es wäre auch reichlich unhöflich, sich nicht wenigstens bemerkbar zu machen.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Donnerstag 21. November 2024, 11:34
von Erzähler
Es war überhaupt nicht einfach, wenn man plötzlich mit der unterschiedlichen Meinung seiner Freunde konfrontiert wurde. Bisher waren sich die Krähen einig und auch jetzt schien es so, als wollten sie daran festhalten, den Weg gemeinsam zu gehen. Leider war dieses Dilemma aber weitreichend. Denn der Ausgang dieser Diskussion, würde sie in Zukunft definieren. Wollten sie nun eine berühmt-berüchtigte Bande sein? Oder weiterhin eher klein und unbekannt den weniger Starken helfen? Und würden sie durch das Zurücklassen einen Feind gewinnen? War Areus jemand, der nachtragend wäre? Ysara konnte die Fragen nicht beantworten sie wusste nur, dass es ihr massiv widersprechen, sich nun auf so ein Niveau zu begeben. Hier ging es einfach um Anstand! Zudem waren ihre Gefühle ein wenig durcheinander geraten, seit sie mit Areus die Höhle erkundet hatte. Er war ihr Schlüssel zu jenen Abenteuern, die sie sonst immer nur in Büchern gelesen hatten. Auch zu ganz persönlichen Abenteuern. Während Ysi den Weg im seltsamen Wald durchschritt, hatte sie den Blick nach innen gerichtet. Es gab tatsächlich so einiges, worüber sie nachzudenken hatte und ihr fiel jetzt erst auf, dass sie in den letzten Tagen überhaupt keine Zeit dafür gehabt hatte. Alles war auf einmal passiert, keine Zeit nachzudenken und such über seine eigenen Gefühle und Gedanken klarzuwerden.

Ysara ließ sich erneut ein wenig ablenken, doch die Ruhe hier brachte ihr auch einen inneren Frieden. Sie nahm sich einen Augenblick Zeit, all die Seltsamkeiten zu bestaunen und musste erkennen, dass dieser Park ganz und gar nicht normal war. Ihre Füße hatten keine Mühe den richtigen Pfad zu finden, denn schließlich endete er in einem Rondell. Innerhalb dessen befand sich eine Statue und davor kniete eine eher flippig aussehende Frau, die ein ihr bekanntes Lied summte. Ysara erkannte es beim Näherkommen als ein altes Kinderlied aus ihrer eigenen Kindheit. Es war nichts besonderes und doch schuf es gleich ein wenig Vertrauen. “Hallo“, machte sie auf sich aufmerksam, um nicht unhöflich zu sein. Dabei wurde ihr bewusst, dass sie ganz alleine hier war. Die Rothaarige hörte auf die Statue zu putzen und wandte sie daraufhin Ysara zu. Jetzt konnte sie erkennen, dass die Frau eine Elfe war, die mit Sommersprossen im Gesicht und den roten Haarsträhnen vorwitzig anmutete. Aus hellen, gelben Augen blickte sie der Grandessanerin entgegen. „Hallo!“, feixte sie und verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken, während sie auf den Füßen wippte. Sie sah erwartungsvoll zu Ysi und einen Moment lang herrschte Stille. Bis sich die gelben Augen im Kreis drehten, die roten Lippen geschützt wurden und sich schließlich die Zurückhaltung der Rothaarigen in Luft auflöste. „Ach, was soll das, ich kann das so einfach nicht. Ist ja nicht so, als dass mir jemand erklärt hätte, wie das alles funktioniert, nicht wahr?!“, platzte es plötzlich aus ihr heraus und sie lachte glockenklar aber nicht affektiert. Dann kam sie auf Ysara zu, streckte die Hand aus, um sie ihr zu reichen und feixte erneut breit. „Ich bin Naella, kannst mich Nell nennen! Du bist….“ Sie bremste sich gerade noch, doch schien es, als wüsste sie wer Ysi war. Nell aber zog ihre Stimme am Ende des Satzes etwas höher und formulierte so eine Frage: „…?“ mit leuchtenden Augen wartete sie ab, ob Ysi sich vorstellen würde oder nicht. Ysi aber merkte schnell, das Geduld nicht unbedingt die Stärke dieser rothaarigen Elfe war.
Unabhängig davon ob sich Ysara vorstellte und welchen Namen sie benutzte, erhielt sie seitens Nell einen vielsagenden Blick und schon fand sie sich in der Nähe der Elfe wieder, die sich einfach so dicht an ihre Seite gestellt hatte. „Und?“, machte sie biss sich auf die Unterlippe. „Wie findest du es?“, wollte sie wissen. Als sie merkte, dass Ysi vielleicht nicht ganz wusste, worauf sie hinaus wollte, deutete sie auf alles hier. „Den Park. War meine Idee!“, gab sie ohne falsche Scham zu. „Und ich sag dir noch etwas… Dass wir uns begegnen ist kein Zufall!“Plötzlich tauchte auf dem Kopf der kleinen Statue ein Tier auf, das den anderen nicht unbedingt glich. „Du sollst doch nicht immer mit der Tür ins Haus fallen! Das letzte Mädel ist auch weggerannt wegen deiner plumpen Art!“, schnauzte dieses Tier über ihre Köpfe hinweg und erregte Nell’s Aufmerksamkeit. „Häh?! Das war ja wohl nicht meine Schuld!“, streckte Nell dem Tier die Zunge raus und rollte die Augen, als sie sich wieder an Ysi wandte. „Ottsel… vorlauter als die ist nichts, nicht wahr?“, fragte sie und grinste schon wieder gutgelaunt.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Sonntag 24. November 2024, 16:23
von Ysara
Ysara war schräg hinter der Rothaarigen stehen geblieben und musterte diese jetzt von ihrem Platz aus. Derweil fiel ihr auch endlich ein, woher sie das Lied kannte, das die Fremde summte. Die Erkenntnis, dass es sich um ein ihr bekanntes Kinderlied handelte, ließ sie lächeln und für einen Moment an ihre Kindheit denken. Damals war alles so leicht gewesen und jedes Problem war mit ein bisschen Willenskraft und ein bisschen mehr Sturheit überwindbar gewesen. Doch für ihre derzeitigen Probleme schien das diesmal nicht auszureichen. Die Fremde aber lenkte sie von ihren Sorgen ab. Ysara wollte nicht stören, grüßte jedoch aus Höflichkeit, woraufhin sich die Rothaarige zu ihr umdrehte. „Hallo!“ Musternd glitten die grünen Augen über die Gestalt der Frau mit den roten Zöpfen hinweg, erkannten die elfischen Züge und Ohren und landeten zuletzt in den gelben Augen. Ysara lächelte ob der vorwitzigen Ausstrahlung der anderen, wusste aber selbst nicht direkt, was sie sagen sollte. Schließlich ergriff die Elfe das Wort. „Ach, was soll das, ich kann das so einfach nicht. Ist ja nicht so, als dass mir jemand erklärt hätte, wie das alles funktioniert, nicht wahr?!“ "Ähm, wie meinen?" Ysaras Lippen formten sich zu einem schiefen Lächeln, das über ihre Unsicherheit hinweg täuschen sollte. Ihr war nicht klar, wovon die Rothaarige sprach, und die grünen Augen schauten sie eher fragend als alles andere an. Bei dem hellen Lachen der Anderen funkelte es dann aber amüsiert in den Augen der Blonden. Eher aus einem Reflex heraus, ergriff sie die Hand, die die Elfe ihr entgegen streckte, und drückte diese. „Ich bin Naella, kannst mich Nell nennen! Du bist…?“ Ysi stutzte für einen Moment, als es so klang, als würde die Elfe sich gerade noch mit ihrem Wissen zurückhalten. "Ich bin…?", imitierte sie und grinste dann erneut, ohne zu viel in die Eigenart der anderen hinein zu interpretieren. "..Ella. Freut mich, Nell", blieb sie bei ihrem Namen, den sie nun in Andunie tragen würde. Es war unwahrscheinlich, dass Cazario und Nell sich über den Weg liefen, aber am Ende ging es ja immer noch darum, dass Vashnar ihr nicht auf die Spur kam. Sie würde sich hüten, gerade hier ihren richtigen Namen zu nutzen, wo sie fürchten müsste, dass Vashnar seine Dunklen nach ihr suchen ließ. Als sich die Elfe dann plötzlich näherte und sich so direkt neben sie stellte, musterte Ysara Nell erneut, nur diesmal etwas irritiert. Die Fremde war schon ein wenig.. eigenartig. Ysi wusste sie noch nicht so richtig einzuschätzen und blieb in einer abwartenden Position. Noch war sie aber eher amüsiert als eingeschüchtert von ihrer Art, auch wenn sie wohl noch etwas brauchen würde, um sich an sie zu gewöhnen. „Und? Wie findest du es?“ "Es..?", zog Ysara fragend in die Länge, schaute von der Rothaarigen zur Statue und runzelte dann überlegend die Stirn. Fragend schaute sie vielsagend von der Statue zu Nell. Meinte sie diese hässliche Statue? „Den Park. War meine Idee!“ Da öffnete sich Ysis Mund und sie trat einen halben Schritt zur Seite, um wieder etwas mehr Abstand zu Nell zu schaffen, damit sie die Elfe besser mustern konnte. "Deine Idee?", vergewisserte sie sich und der Blonden war anzusehen, dass sie nicht ganz wusste, ob sie Nell für voll nehmen konnte. So richtig glauben konnte sie ihr nicht. Bevor sie aber irgendwelche Fragen stellen konnte, plapperte die Rothaarige schon weiter. „Und ich sag dir noch etwas… Dass wir uns begegnen ist kein Zufall!“ In den grünen Augen spiegelte sich Überraschung. "Oh. Okay.." Ysi kratzte sich kurz am Kopf und es war wohl klar, dass sie nicht genau wusste, was sie von Nell halten sollte. War die andere vielleicht doch etwas verrückt? Als dann plötzlich noch eine weitere Stimme erklang, zuckte Ysara zusammen und drehte den Kopf etwas zu schnell in die Richtung des Sprechenden. Die grünen Augen wurden ein Stück größer, als sie anstelle einer Person, dann aber auch noch ein Tier sah, das zu der Elfe sprach. „Du sollst doch nicht immer mit der Tür ins Haus fallen! Das letzte Mädel ist auch weggerannt wegen deiner plumpen Art!“ Ysi war kurz davor, sich die Augen zu reiben, um sicherzugehen, dass sie ihr keinen Streich spielten. „Häh?! Das war ja wohl nicht meine Schuld!“, plapperte Nell weiter, während Ysara staunend das Ottsel anstarrte. "Ist das ein.." „Ottsel… vorlauter als die ist nichts, nicht wahr?“ Der Kopf der Blonden drehte sich wieder in Nells Richtung, zurück zu dem Ottsel und wieder zu Nell. Überrumpelt schaute sie zwischen den beiden hin und her. "Also.. muss ich mir Sorgen machen?", fragte Ysi und kurz zeigte sich wieder das schiefe Lächeln auf ihren Lippen, das aber mehr Unsicherheit ausstrahlte als überspielte. "Lauert ihr ständig fremden Mädchen auf?" Es war ja schon ein bisschen verrückt, zwei Verrückte danach zu fragen - zumindest, wenn sie Recht damit haben sollte. Ysara schaute an Nell vorbei, als würde sie fürchten müssen, dass ihr gleich sonst etwas passieren könnte. War das hier so etwas wie ein Zauberwald und Nell die böse Hexe? Cazario aber hatte nichts dergleichen erwähnt. Es war nur ein magischer Park und noch immer strahlte er seinen eigenen Frieden aus. Letztendlich sahen auch weder Nell noch das Ottsel gefährlich aus. Vielleicht passte das Tier ja auch nur auf die Elfe auf und bemühte sich um Schadensbegrenzung? "Du meinst also, wir sollten uns hier begegnen, ja?", fühlte Ysara langsam vor und schaute zurück zur Elfe. Sie konnte nicht sagen, wieso, aber so seltsam Nell auch war, sie fühlte sich nicht gerade bedroht von der flippigen Elfe. Vielleicht spiele ich bei ihren verrückten Eingebungen einfach eine Weile mit und mache mich an passender Stelle wieder aus dem Staub, überlegte Ysara, wie sie möglichst höflich dieser skurrilen Situation entkam. Aber wenn ihr schon jemand erzählte, dass ihre Begegnung kein Zufall war, wollte sie schon wissen, was genau dahinter steckte - oder was die rothaarige Elfe meinte, sich dazu überlegt zu haben.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Montag 25. November 2024, 20:33
von Erzähler
Es gab ja viele Merkwürdigkeiten, die Ysara so im Laufe ihres Lebens erlebte. Gerade solche suchte sie unter Umständen auch, aber dieser Park und vor allem die rothaarige Elfe waren dann doch eine Spur zu viel. Unsicher, ob sie hier nicht einer List aufsaß, wurde Ysara etwas misstrauisch. Sie blieb wachsam, erwartete tatsächlich bereits schon das nächste Unheil. In Grandea war es eben häufig an der Tagesordnung, dass der Unachtsame schnell um einige Münzen leichter war. Man musste immer auf der Hut sein, gerade im Außenring! Die Hungersnot, das Leid trieben viele ehrliche Leute dazu, sich strafbar zu machen und wurden dann, sofern sie erwischt wurden, auch noch bestraft. Es war ein Teufelskreis, der sich nicht nur einmal erfüllte. Jetzt aber war Ysi in Andunie und kannte hier die Gepflogenheiten noch nicht. Der Streit mit Elian und Sadia hing ihr nach, zudem die Sorge um Areus und die marginale Entscheidung, was aus ihnen allen wurde. Da war der seltsame Park mit seinen noch seltsameren Tieren eine willkommene Abwechslung. Anders als die Rothaarige mit dem sprechenden Ottsel! Sie stellte sich als Naella – Nell – vor und schien zu wissen, wen sie vor sich hatte, bekam aber gerade die Kurve. Als sich Ysara mit Ella vorstellte, hob sich eine feine Augenbraue der Elfe und sie schürzte die Lippen. „Klaaar“, zog sie in die Länge, machte mit beiden Händen eine deutliche Geste und setzte Ysi’s Decknamen in Anführungszeichen. „ ‚Ella‘, na gut, meinetwegen. Namen sind auch Schall und Rauch, nicht wahr?“, erwiderte sie kryptisch und streute nur noch mehr Argwohn bei Ysi. Erstrecht als sich auch das Ottsel vorlaut meldete und Nell das Diskutieren mit ihm begann. "Also.. muss ich mir Sorgen machen?" Nell sah Ysi aufrichtig an. „Hm? Ach nööö! Dem geht’s gut, der ist immer so verstockt!“, sagte sie und bekam prompt eine kleine Eichel an den Kopf. „HE!“, rief sie, rieb sich die getroffene Stelle und schmollte einen Moment in Richtung Tier. "Lauert ihr ständig fremden Mädchen auf?" Nell war noch mit ihrer Stelle beschäftigt, da kam das Ottsel zu Wort: „Andauernd! Nein, natürlich nicht. Aber Nell hier muss noch lernen, dass sie sich besser anstellt!“, deutete er auf die Elfe. „Ich bin übrigens Mikk, sehr erfreut. Und eigentlich ist Nell ganz harmlos, auch wenn ich dir ansehe, dass du auch lieber wegrennen willst!“, sagte er unverblümt. Nell sah auf. „Willst du?“, fragte sie verblüfft, weil ihr das offenbar nicht klar war, wie sie auf Fremde wirken musste mit ihrem Auftritt. Mikk seufzte. „Natürlich will sie, Nell! Du bist zu forsch und zu unverblümt!“, warf er ihr vor. Nell zog eine Schnute. "Du meinst also, wir sollten uns hier begegnen, ja?", versuchte Ysi versöhnlich den aufkommenden Zwist zu bremsen. Bevor Nell also loslegen konnte Mikk zu triezen, wandte sich der Rotschopf wieder Ysara zu. „Jawohl, sehr richtig!“, nickte sie und streckte Mikk die Zunge heraus, weil Offenheit offenbar bei ‚Ella‘ zog.

„Also, Ella. Im Grunde ist es so simpel, wie einfach: Dieser Ort hier ist magisch, hast du sicher mal gehört. Und manche kommen her, flanieren hier so durch die Gegend und sind zufrieden, wenn sie eine Runde gedreht haben. Andereeeee“, zog sie in die Länge und grinste Ysi an, „wie du, kommen hier her und“, sie breitete die Arme theatralisch in einer formvollendeten Künstlerpose aus, „finden mich! Das tust du, weil es einen Konflikt gibt. Du scheinst über etwas nachzudenken, mit etwas nicht im Reinen zu sein. Das Leben spielt dir derzeit nicht so dufte mit, oder? Ich bin dafür da, um das Problem anzupacken und aus der Welt zu schaffen. Sieh mich als eine Art… Gute Freundin, der du alles erzählen kannst und die dich aus der Patsche holt!“, sie sagte das so voller Inbrunst und Überzeugung, dass man kaum eine Arglist vermuten wollte. Aber manche waren auch hervorragend in Täuschung. Nell aber feixte mit ihrem Sommersprossengesicht aufrichtig. Dann nahm sie ihre Arme hinunter und deutete auf Ysi. Direkt auf ihr Herz. Mit einem Mal spürte Ysara ein leichtes Ziehen. Nicht unangenehm, aber deutlich. Und aus Nell’s Fingerspitzen woben sich bunte Linien, die sich mit Ysara verbanden. Sie spürte einen seltsamen Frohsinn in sich, der sich durch Nell’s Anwesenheit verfestigte. „Ich sehe, dass du einiges herumschleppst. Allen voran, aber hegst du den Wunsch jemandem zu helfen, nicht wahr? Worum geht es?“, fragte sie unverfroren und hob den Zauber auf. Ysi aber konnte zwar die bunten Streifen nicht mehr sehen, fühlte aber noch die Nachwirkungen. Es erschien alles ein wenig leichter, bis auch das Gefühl verblasste. Mikk hustete. „Na wenn das mal ‚Vorsicht walten‘ ist.“, bemerkte er schnippisch und Nell winkte ab. „Mal ehrlich, die ganze Geheimniskrämerei nervt doch. Lass uns über die Dinge reden, dann kommen wir schneller ans Ziel!“, grinste sie und auf einmal hatte sie eine wundervolle Geige in der Hand. Die Saiten schimmerten in Regenbogenfarben und auch der Korpus war aus ganz besonderem Material. Nell erhob den Bogen, bevor sie eine locker-leichte Melodie anstimmte. "Sag es miiiiir", sang sie freischnauze und lachte. Sie beobachtete Ysi dabei und tatsächlich konnte Ysi wieder bemerken, wie das fröhliche Lied ihre Laune hob. Es war fast so, als nähme Naella eine Last von ihr, einfach nur, weil sie so kunstvoll spielte. Reichte das, damit Ysi alle Vorsicht fahren ließ? Oder war endgültig der Moment gekommen, dass sie die Flucht ergriff? Wie wahnsinnig konnte man wohl werden?

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Dienstag 26. November 2024, 15:27
von Ysara
Wachsam beobachtete Ysara die Rothaarige, um nicht doch noch irgendeiner List aufzusitzen. Einen wirklichen Grund dafür gab Nell ihr eigentlich nicht, außer eben mit ihrer besonderen Art, die doch einen ziemlich verrückten Eindruck machte. Dennoch stellte sich Ysara ihr vor, am Ende war es ja sowieso nicht ihr richtiger Name. Komischerweise schien auch Nell das zu ahnen - oder wusste sie doch mehr? Schon bei ihrer Frage hatte sie geklungen, als wüsste sie ihren Namen bereits, aber für Ysra war das nicht vorstellbar gewesen und sie hatte vermutet, Nells Tonfall einfach falsch interpretiert zu haben. Jetzt aber sah sie die Rothaarige an, die gerade ein paar Anführungszeichen in die Luft setzte. „Klaaar ‚Ella‘, na gut, meinetwegen. Namen sind auch Schall und Rauch, nicht wahr?“ Ysis Augenbrauen zogen sich für einen Moment zusammen und sie spürte, wie Misstrauen in ihr hoch kroch. Dann engte sie für einen Moment die Augen. Die Fremde konnte doch wohl kaum wissen, wie sie wirklich hieß? Oder?! Nein, das war unmöglich. Vielleicht war sie aufgrund ihres Verhaltens schon so oft angelogen worden, dass sie inzwischen an jeden Namen zweifelte, den man ihr nannte? Ein bisschen amüsant war die Andere ja schon. Etwas schräg und dadurch schwer einzuschätzen, aber im Grunde wirkte sie völlig arglos und einfach nur frei von irgendwelchen Zwängen. Ysara verfolgte einige Momente den Schlagabtausch zwischen Elfe und Tier und begab sich dann wieder ins Gespräch, als sie nachhakte, ob sie sich Sorgen machen musste. „Hm? Ach nööö! Dem geht’s gut, der ist immer so verstockt!“, missverstand Nell sie, die gerade von dem Ottsel eine Eichel an den Kopf geworfen bekam. Ysi kratzte sich für einen Moment am Kopf und beobachtete die getroffene Nell. Die Rothaarige schien wirklich frei von Hintergedanken zu sein. Ysi wagte einen kleinen Vorstoß und fragte danach, ob sie ständig irgendwelchen Mädchen auflauerten. „Andauernd!“ Etwas gequält hob sich Ysis Mundwinkel, als das Ottsel antwortete. „Nein, natürlich nicht. Aber Nell hier muss noch lernen, dass sie sich besser anstellt!“ Die Blonde wusste noch nicht so recht, ob die Worte des Tieres sie wirklich beruhigten. „Ich bin übrigens Mikk, sehr erfreut.“ "Klar, du hast natürlich auch einen Namen", murmelte sie und lächelte dann ehrlich. Sie wollte ihn nicht beleidigen, sie war nur überrascht.. und überrumpelt von dieser Quirligkeit und vielleicht auch noch ein wenig überfordert von diesem Aufeinandertreffen. Ist auch das normalste der Welt, dass sich ein Tier mit seinem Namen vorstellt, sprach sie zu sich selbst. „Und eigentlich ist Nell ganz harmlos, auch wenn ich dir ansehe, dass du auch lieber wegrennen willst!“ "Naja.. also.." „Willst du?“ Die Rothaarige sah so ehrlich überrascht von dieser Möglichkeit aus, dass sich Ysara mit dem nächsten Ausatmen unbewusst etwas entspannte. Nell wirkte immer weniger wie eine verschlagene und hinterlistige Hexe. „Natürlich will sie, Nell! Du bist zu forsch und zu unverblümt!“ Die Krähe warf dem Ottsel einen Seitenblick zu und sah dann wieder in die gelben Augen dieser ungewöhnlichen Frau. "Das hat er gesagt." Sie verzog den Mund und ihr Gesicht sagte deutlich, dass sie Mikk nur zustimmen konnte. Sie seufzte kurz und fuhr sich durch die Haare. Sie wollte ja nicht den Streit zwischen den beiden befeuern und wenn die Fremde wirklich nur mit einer gehörigen Portion Freigeist und Unbeholfenheit gesegnet war, wäre es ja wirklich lächerlich, davon zu rennen. Zumindest wollte Ysara ihnen glauben. Die Frage blieb nur, wieso sie der Meinung war, dass ihre Begegnung kein Zufall war?! Und wer würde darauf keine Antwort haben wollen und stattdessen lieber das Weite suchen? In Ysaras Blut schlummerte die Abenteuerlust und Neugierde und die Lust darauf, die ganze Welt zu entdecken. Dazu gehörten offenbar auch solche Begegnungen.

„Also, Ella. Im Grunde ist es so simpel, wie einfach: Dieser Ort hier ist magisch, hast du sicher mal gehört.“ Ysi nickte, denn auf ihrem Spaziergang hatte sie sich schon davon überzeugen können, dass Cazario nicht zu viel versprochen hatte. „Und manche kommen her, flanieren hier so durch die Gegend und sind zufrieden, wenn sie eine Runde gedreht haben. Andereeeee“ Sie hob eine Augenbraue und ahnte bereits, was der Rotschopf sagen wollte.. „wie du, kommen hier her und finden mich!“ Aufgrund ihrer theatralischen Geste stahl sich nun doch ein kleines Grinsen auf ihre Lippen. "Welch ein Glück", erwiderte sie leise, aber es war nicht sarkastisch gemeint, sondern viel mehr belustigt über Nells Art, die ihr nun Rede und Antwort stand. „Das tust du, weil es einen Konflikt gibt. Du scheinst über etwas nachzudenken, mit etwas nicht im Reinen zu sein. Das Leben spielt dir derzeit nicht so dufte mit, oder?“ Da wurde sie dann doch wieder ernst. Ysara verschloss ihre Miene, in dem Versuch, sich nichts anmerken zu lassen und Nell keinen Blick auf ihre Gefühlslage zu erlauben. Aber dass ihre Züge plötzlich so glatt wurden, verriet, dass es da einiges gab, das Nell nicht sehen sollte. „Ich bin dafür da, um das Problem anzupacken und aus der Welt zu schaffen. Sieh mich als eine Art… Gute Freundin, der du alles erzählen kannst und die dich aus der Patsche holt!“ Nell sprach voller Inbrunst, aber Ysi schaute sie mit einem gewissen Unglauben an. Der Rotschopf wirkte zwar auf ihre Art sympathisch, aber auch etwas.. größenwahnsinnig? Sie kannten sich ja nicht mal! Die grünen Augen huschten zu Mikk, als würde sie von Nells Beistand erwarten, dass er ihr sagte, ob Nell das wirklich so meinte, wie sie es sagte. "Du bist gut", bescheinigte sie ihr dann und verzog anerkennend den Mund, als sie zurück zu ihr sah. Sie konnte ihr das einfach nicht glauben und klang entsprechend wie jemand, der eine gute Schauspielerei kommentierte. Aber bevor sie weiter darauf eingehen konnte, richtete Nell ihre Hand plötzlich auf ihr Herz. Ysara runzelte die Stirn und merkte dann plötzlich ein Ziehen. Sie schaute an sich hinab und dann auf Nells Hand, aus deren Fingern sich plötzlich bunte Linien bis zu ihrem Herz zogen. "Hey warte mal! Was.. was soll das?! Was machst du da?!" Ysara trat zwei Schritte zurück und legte ihre Hände auf ihre Brust, als könnte sie so verhindern, dass die Linien sich mit ihrem Herzen verbanden. Aber sie konnte nur hilflos und perplex dabei zu sehen, wie die magischen Linien die körperlichen Grenzen überwanden. Sofort spürte sie eine innere Zufriedenheit, die sie so vermutlich noch nie verspürt hatte. Ysaras Herz raste, während dieses Gefühl allgegenwärtig war. „Ich sehe, dass du einiges herumschleppst. Allen voran, aber hegst du den Wunsch jemandem zu helfen, nicht wahr? Worum geht es?“ Die Krähe hörte Nells Worte, aber die grünen Augen starrten noch immer auf die Linien, die sich mit ihrem Herzen verbunden hatten. Ungläubig nahm sie ihre eigenen Hände von der Brust und schnitt mit der rechten Handkante durch die Linie, die blieb, wo sie war. Sie spürte die Leichtigkeit in sich und die Glückseligkeit, die ihr Herz offenbar im Stande war, zu fühlen, wenn all ihre Probleme aus der Welt geschafft würden. Wenn alles gut war.

"Scheiße", raunte Ysara und war völlig überwältigt. Die Linien waren so schnell verschwunden, wie sie gekommen waren, und auch die Zufriedenheit in ihrem Inneren verblasste mehr und mehr. Zwei, drei Sekunden starrte Ysi noch hinab, als könnte sie die Magie noch immer sehen. Dann blinzelte sie, hob den Kopf und schaute Nell entgeistert an. „Mal ehrlich, die ganze Geheimniskrämerei nervt doch. Lass uns über die Dinge reden, dann kommen wir schneller ans Ziel!“ "Was bist du?", fand Ysi endlich ihre Sprache wieder. Sie stellte die Frage mit einer Mischung aus Faszination und Ehrfurcht und war selbst überrascht über den lauten und nachdrücklichen Ton. Nell wartete jedoch schon mit der nächsten Überraschung auf und Ysara starrte auf die Geige, die sie plötzlich in der Hand hielt. "Warte mal, wo kommt.. ach, vergiss es." Sie winkte ab. Wieso wunderst du dich über eine Geige?!, mahnte sie sich selbst. Sie hat dir einfach ihre Magie ins Herz gejagt!, flippte Ysara im Inneren aus und starrte Nell noch immer an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie wusste ja nicht mal mehr, was sie fühlen sollte. Und da stand Nell vor ihr und lachte sie an. "Sag es miiiiir." Die Melodie, die erklang, erreichte Ysi und sie spürte, wie sie ihr die Last von den Schultern nahm, wie es ihre Magie zuvor in ihrem Herzen getan hatte. "Du bist ja völlig verrückt", bescheinigte sie Nell und schwankte offenbar zwischen Anerkennung und Angst. Dann begann Ysi plötzlich, loszulaufen. Aber sie rannte nicht weg. Sie drehte nur große Kreise, denn wenn sie angespannt war, brauchte sie etwas zu tun. Hier aber gab es nichts zu tun, weshalb ihr nur blieb, sich in Bewegung zu halten, um ihre Gedanken zu sortieren. Nells Melodie war schön und sie schuf eine angenehme Stimmung, wie sie Zähne knirschend zugeben musste, aber sie machte das alles hier nicht einfacher. "Kannst du.. kannst du mal aufhören, zu spielen?!", bat Ysara sie deshalb irgendwann und hielt für einen Moment inne, bevor sie weiter lief. Die Krähe drehte einige Runden und blieb dann schlussendlich mit etwas Sicherheitsabstand zu Nell stehen. "Also was war das?" Sie fuchtelte mit den Händen zwischen ihnen beiden, um ihre Magie wenig elegant nachzuahmen. "Wie machst du das? Was bist du?", fragte sie erneut und sprach all die Fragen aus, deren Antwort sie gerade brauchte. Nell hatte sie mit ihrer Magie überrumpelt und offensichtlich aus der Fassung gebracht. Ysara rannte nicht weg, aber es war wohl noch ein Weg, sie zu überzeugen. Die Blonde stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. "Ich hab ja schon einige Möchtegern-Seher erlebt, die mir sonst etwas über mein Leben erzählten. Aber das hier ist was ganz anderes." So viel war zumindest sicher. "Und wenn ich dir sage, wem ich helfen möchte, dann.. was? Dann hilfst du mir einfach? Einfach so?" Da war es wieder: Das Misstrauen, das aus all den Schandtaten gewachsen war, die sich in Grandeas Außenring abgespielt hatten. "Warum solltest du das tun?" War sie vielleicht doch nur hinter ihren Geheimnissen her und suchte einen Weg, sich ihr Vertrauen zu erschleichen, um sich dann an ihren Habseligkeiten zu bereichern? Ysara hatte nicht viel dabei, aber es gab zumindest ein paar neu gewonnene Schätze, die mehr als wertvoll waren und die sie hüten würde.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Donnerstag 28. November 2024, 10:27
von Erzähler
Niemand hatte Ysara darauf vorbereitet, welche Wunder in der Welt existieren würden. Sie hatte viel zu viel Zeit damit verbracht, Geschichten zu lesen aber kaum selbst welche erlebt. Erst mit Gründung ihrer Diebesbande wurde ihr Leben ein Stückchen mehr, wie das der Figuren in jenen Romanen, die sie so schätzte. Allerdings waren das stets Fantastereien gewesen und fiktiv. Möglichkeiten, die die Fantasie anregten, aber niemals wahr wurden. Nun aber musste Ysi erkennen, dass Wunder sehr wohl möglich waren. Sie hatte in der Kajüte auf der ‚Jauchzenden Nixe‘ Alea gesehen, die Diebin, die ein frühes Ende gefunden hatte. Sie war ihr erschienen, während sie die Rolle der Schattenmagie berührte, und sie hatte sie gewarnt, dass sie vorsichtig sein sollte. Es war eine schwere Bürde, nicht überall Verrat und Missgunst zu wittern und Ysi bemerkte, dass es ihr bei Naella und Mikk noch nicht recht gelingen wollte. Irgendwie war das Duo skurril genug, damit sie blieb aber nicht so harmlos, als dass sie alles glaubte, was die Lippen der Elfe verließ. Und Nell’s Offenheit war auch nicht für jeden etwas. Auch Ysi musste erkennen, dass sie es nicht schätzte, wenn man sie wie ein Buch las. Sie war schließlich keine Roman-Heldin, sie war echt und dementsprechend, wollte sie ihre Konflikte für sich behalten. Nell aber überschritt Grenzen. Das hatte sie schon immer getan und hegte nicht einen bösen Gedanken dabei. Aber woher sollte Ysara das schon wissen? So zeigte Nell, zu was sie noch fähig war. Denn anstatt nur auf die Nerven zu gehen, wusste sie auch Magie anzuwenden, was Ysi gehörig erschreckte. Trotz des guten Gefühls war es nicht so, dass sie sich wohlfühlte damit. Fasziniert und entsetzt gleichermaßen starrte sie auf die bunten Linien und versuchte hinter diesen ‚Trick‘ zu kommen. "Was bist du?" Nell feixte. „Fantastisch!“, gab sie zur Antwort und verkannte mal wieder die Nötigkeit der Bescheidenheit. Daraufhin löste das Auftauchen der Geige einige weitere Konflikte in Ysara aus, sie konnte ihre Anspannung nicht mehr verbergen. "Du bist ja völlig verrückt" „NELL!“, rief da Mikk und kam auf seine Freundin zu. Er wuselte auf ihre Schulter, während Nell Ysi nachschaute. Sie ließ die Geige sinken und zog eine Flunsch. Mikk seufzte. „Sieh‘ sie dir an! Du musst wirklich langsamer machen, wenn dir die Leute vertrauen sollen!“, mahnte das Ottsel und Nell räusperte sich verlegen. „Tut mir echt leid!“, rief sie Ysi nach, doch diese musste jetzt erstmal ein wenig Dampf ablassen. Nell hob die Geige wieder an und versuchte es mit einem schönen Lied, das Ysara auf ihrem Weg begleitete. Leider verfehlte auch das die Wirkung:
"Kannst du.. kannst du mal aufhören, zu spielen?!" sofort brach Nell ab und räusperte sich. Mikk schüttelte nur missbilligend den Kopf in ihre Richtung. „Nerv doch nicht!“, raunte er ihr zu und das Elfenohr zuckte beleidigt. Es fiel ihr äußerst schwer nur darauf zu warten, dass sich Ysi wieder beruhigte, aber sie riss sich tatsächlich zusammen. Bis Ysi wieder vor ihr stand: "Also was war das?" Nell stieß die angehaltene Luft aus und lächelte freudig. Sie holte Luft, um endlich wieder was zu sagen, da plapperte Ysi weiter: "Wie machst du das? Was bist du?" Nell nickte und verstand die Fragen. Sie hob einen Finger, um mit einer Erklärung fortzufahren, aber Ysi hatte noch mehr auf Lager, sodass Nell’s Antwort noch vor dem Verlassen ihrer Lippen krepierte: "Ich hab ja schon einige Möchtegern-Seher erlebt, die mir sonst etwas über mein Leben erzählten. Aber das hier ist was ganz anderes. Und wenn ich dir sage, wem ich helfen möchte, dann.. was? Dann hilfst du mir einfach? Einfach so?“ Nell nickte und hob die Schultern an. Was war schon dabei? "Warum solltest du das tun?", endete Ysi’s Fragenwirrwarr und Nell blinzelte.

Dann aber stemmte sie grinsend die Hände in die Hüften. „Also… Frage 1: Das war meine Magie. Bunte Schelmenmagie nennt man das. Na gut, sie ist etwas aufgemotzt, ehrlicherweise aber… der Grundkern ist bunte Schelmenmagie!“, fing sie an. „Frage 2 Was bin ich… hm… es ist etwas schwer zu definieren, wie ich finde. Ich bin… war… eine Shyánerin. Ich hatte meinem Freund BRamo helfen wollen, seine Eltern nach dem Angriff auf Andunie finden zu wollen, aber dann kam alles ganz anders. Ich ritt auf einem Troll, wir fanden uns in einem Haus voller dunkler Magie und schwarzen Steinen wieder, ich traf auf einen Gesellen des Todes und ich finde, wir sind voll dicke Freunde geworden, aber das zeigt er nicht so. Nun… dann hatte er einen Auftrag und Kuralla“, sie deutete mit dem Daumen auf die Statue der Runzeligen, „war die Gesellin des Lebens. Nun als Kazel dann versuchte diese ganze Hybriden-Sache zu lösen, da…“, Nell überlegte, „nun, es lief nicht sonderlich gut. Tatsächlich waren alle meine Freunde in Lebensgefahr und da habe ich… naja… da habe ich meine Magie dafür benutzt alles gut zu machen. Ich habe sie offenbar entfesselt, so genau weiß ich das auch nicht. Als ich wieder zu mir kam, waren Kazel, Bramo und all die anderen weg. Und ich war hier, in diesem Park. Seither… lebe ich hier.. oder… bin zumindest hier. Ich glaube, ich lebe nicht mehr…“, murmelte sie und lächelte schief. Sie meinte es vollkommen ernst. „Frage drei… Ja, ich helfe dir. Einfach so. Das ist meine neue Aufgabe, jedenfalls sagte mir das Leben das… So präzise war sie da nicht, deshalb fällt es mir auch so schwer einem Muster zu folgen. Ich soll all jenen helfen, die sich auf ihrem Weg quälen. In ihrem Leben schwer tun, weißt du? Ich hatte es versucht in Grandea, aber… ja auch sie rannte voller Angst vor mir weg. Ich bin nicht so gut darin, scheint mir…“, sie verzog den Mund zu einer Grimasse.
„Dabei meine ich es wirklich ernst. Ich habe versucht meinen Freunden zu helfen und beendete dieses grausame Machtspiel der beiden Schwestern. Ihre ganzen Diener waren willenlose Sklaven und jetzt… jetzt sind sie wunderschöne Tiere. Man hat sie nach Edelsteinen benannt, daher… tragen sie nun hier und dort Edelsteine…“, sie lächelte und fand die Idee ganz gut gelungen. „Aber ich muss gestehen, dass es auch schwer ist manchmal. Ich weiß nicht, was aus Kazel oder Bramo geworden ist. Das ist ein Wissen, dass ich nicht… habe.“, Ysi konnte sehen, dass ihr Bramo sehr wichtig gewesen war. „Er lebt sicher hier irgendwo und hat seinen Frieden gefunden.“, nickte sie, sich selbst Zuversicht gebend. Dann verrauchte das Trübsal und sie blickte Ysi offen an. „Also, das Leben schickt dir ihre Dienerin“, sie verbeugte sich abermals. „Willst du jetzt mit mir über dein Problem reden? Ich schwöre dir, Ysara, ich tu dir nichts… ich will dir helfen, mehr nicht…“, sagte sie und musterte sie. Und ja, sie wusste, wer sie war.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Samstag 30. November 2024, 18:47
von Ysara
Ysara schätzte Offenheit und Ehrlichkeit. Aber Naella hatte mehr Offenheit zu bieten, als die Krähe so spontan vertragen konnte. Sie plapperte von Dingen, die Ysara kaum verstand, und sie beeinflusste ihre Gefühle mit irgendeinem Zauber, der Ysara überforderte. Eigentlich tat Nell das aus einem guten Willen heraus, aber dabei kannte sie keinerlei Grenzen und verschreckte ihr Gegenüber. Die Gedanken in Ysis Kopf überschlugen sich und sie wusste bald überhaupt nicht mehr, was sie von der Rothaarigen halten sollte. Sie brauchte Bewegung, um all die Gedanken zu sortieren, aber es gelang ihr nicht. Daher stand sie letztendlich wieder der seltsamen Elfe gegenüber und konfrontierte sie kurzerhand mit allerlei Fragen. Das alles hatte sie sichtlich aus dem Konzept gebracht.
„Also… Frage 1: Das war meine Magie. Bunte Schelmenmagie nennt man das. Na gut, sie ist etwas aufgemotzt, ehrlicherweise aber… der Grundkern ist bunte Schelmenmagie!“ "Schelmenmagie?", wiederholte Ysara etwas ruhiger, als sie zuvor ihre Fragen gestellt hatte. Sie klang überrascht, aber auch etwas danach, als hätte sie 'mehr' erwartet. Es war ernüchternd, dass sie das alles mit Schelmenmagje getan hatte - auf eine für Ysara beruhigende Art und Weise, denn es zeigte, dass keine bösen Tricks dahinter steckten, wie sie zuerst befürchtet hatte. "Interessant", sagte sie, nachdem sie einige Momente darüber nachgedacht hatte. Schelmenmagie war nun wirklich nichts, wovor man Angst haben musste. Ysi nickte schließlich, denn die Antwort stellte sie fürs Erste zufrieden. Aber sie würde wohl alles hören müssen, um sich einen Reim aus dem Ganzen machen zu können.
„Frage 2 Was bin ich… hm… es ist etwas schwer zu definieren, wie ich finde. Ich bin… war… eine Shyánerin.“ Ein weiteres Nicken folgte und sie musterte Naella noch einmal genauer. „Ich hatte meinem Freund BRamo helfen wollen, seine Eltern nach dem Angriff auf Andunie finden zu wollen, aber dann kam alles ganz anders. Ich ritt auf einem Troll..“ Ysara sah sie staunend an und ihr Blick fragte stumm danach, ob sie das ernst meinte. Aber sie hielt den Mund und ließ Naella weiter reden. „..wir fanden uns in einem Haus voller dunkler Magie und schwarzen Steinen wieder, ich traf auf einen Gesellen des Todes und ich finde, wir sind voll dicke Freunde geworden, aber das zeigt er nicht so.“ An dieser Stelle aber hob Ysara die Hand. "Warte. Geselle des Todes? Diesen Todes? Tod Tod?", redete Ysara dazwischen, um sich zu vergewissern, dass sie vom gleichen Tod sprachen - so skurril das auch war, denn das überstieg in jedem Fall ihre Vorstellungskraft. „Nun… dann hatte er einen Auftrag und Kuralla war die Gesellin des Lebens.“ Die grünen Augen starrten für einen Moment die Statue an. Ysara blinzelte, schüttelte dann den Kopf und sah Nell wieder an. "Gesellin des Lebens..", wiederholte sie leise und versuchte, das alles mit dem Celcia in Einklang zu bringen, das sie kannte. "Es gibt einen Gesellen des Todes und eine Gesellin des Lebens?", wiederholte sie staunend und Nell konnte merken, dass sich Ysara ein Stück weit auf sie einließ. Zumindest unterstellte sie ihr keine Verrücktheit mehr. Nell schien ehrlich zu ihr zu sein und es half Ysara, dass sie die reinen Fakten aufzählte. „Nun als Kazel dann versuchte diese ganze Hybriden-Sache zu lösen, da… nun, es lief nicht sonderlich gut.“ Vielleicht sah sie die stumme Frage in den grünen Augen, was für eine Hybriden-Sache sie meinte. Am Ende war es aber wohl egal - oder eher eine von vielen Informationen, die gerade vermutlich gar nicht mehr in den Kopf der Krähe passte. Letztendlich wollte sie Nells Beweggründe verstehen und keine Abenteuergeschichten eines Unbekannten analysieren. „Tatsächlich waren alle meine Freunde in Lebensgefahr und da habe ich… naja… da habe ich meine Magie dafür benutzt alles gut zu machen. Ich habe sie offenbar entfesselt, so genau weiß ich das auch nicht. Als ich wieder zu mir kam, waren Kazel, Bramo und all die anderen weg. Und ich war hier, in diesem Park. Seither… lebe ich hier.. oder… bin zumindest hier. Ich glaube, ich lebe nicht mehr…“ Offenbar hatte Nell so einiges erlebt und Ysi rechnete ihr an, dass sie sich jetzt die Mühe gab, all ihre Fragen umfangreich zu beantworten. Die Schelmin wirkte ehrlich dabei. Das letzte Detail jedoch traf Ysara unvorbereitet und sie wirkte ehrlich betroffen. "Du meinst das.. ernst?", fragte sie leise und sah für einen Moment zu Mikk. "Das tut mir leid, dass du so ein Opfer bringen musstest", meinte sie dann wieder an Nell gewandt. Sie hatte Mitleid mit ihr und konnte es auch nicht verbergen. Nell war offenbar eine gute Seele, die alles gegeben hatte, um ihre Freunde zu retten. Aber was bedeutete das, wenn Nell nicht mehr am Leben war? War sie ein Geist? Es war seltsam, darüber nachzudenken, denn Ysara war noch nie mit etwas Ähnlichem konfrontiert worden. In jedem Fall hatte die Krähe aber Mitleid mit ihr.
„Frage drei… Ja, ich helfe dir. Einfach so. Das ist meine neue Aufgabe, jedenfalls sagte mir das Leben das…“ Ysara schaute erneut für einen Moment zu der Statue und dann zurück zur Schelmin. „So präzise war sie da nicht, deshalb fällt es mir auch so schwer einem Muster zu folgen. Ich soll all jenen helfen, die sich auf ihrem Weg quälen. In ihrem Leben schwer tun, weißt du? Ich hatte es versucht in Grandea, aber… ja auch sie rannte voller Angst vor mir weg. Ich bin nicht so gut darin, scheint mir…“ Ysara seufzte leise. "Naja.. manchmal ist weniger mehr", grinste sie dann schief und hatte keine Ahnung, ob Nell ihren gut gemeinten Rat annehmen würde. „Dabei meine ich es wirklich ernst. Ich habe versucht meinen Freunden zu helfen und beendete dieses grausame Machtspiel der beiden Schwestern. Ihre ganzen Diener waren willenlose Sklaven und jetzt… jetzt sind sie wunderschöne Tiere. Man hat sie nach Edelsteinen benannt, daher… tragen sie nun hier und dort Edelsteine…“ Ysara erinnerte sich natürlich noch an die magischen Tiere mit den Edelsteinen, denen sie auf dem Weg hier her begegnet war. "Also mir gefallen sie", lächelte sie und das sagte sie nicht nur, um Nell aufzumuntern. „Aber ich muss gestehen, dass es auch schwer ist manchmal. Ich weiß nicht, was aus Kazel oder Bramo geworden ist. Das ist ein Wissen, dass ich nicht… habe.“ Ysara musterte sie für einen Moment. Nell hatte so fröhlich und überschwänglich gewirkt, aber auch sie schien sich mit einigen Dingen zu quälen. "Das tut mir leid, Nell", meinte sie daher ehrlich. „Er lebt sicher hier irgendwo und hat seinen Frieden gefunden.“ Ysi nickte. "Bestimmt", wollte sie ihr Mut machen und lächelte sacht.

Naella schien sich wieder zu fangen und ihre Fröhlichkeit wiederzuentdecken. „Also, das Leben schickt dir ihre Dienerin. Willst du jetzt mit mir über dein Problem reden? Ich schwöre dir, Ysara, ich tu dir nichts… ich will dir helfen, mehr nicht…“ Als die Schelmin sie bei ihrem Namen nannte, sah Ysara sie vielsagend an. Sie wusste also wirklich mehr von ihr, was irgendwie kein Wunder war, wenn sie wirklich die neue Gesellin des Lebens war. Jetzt machte auch alles einen Sinn - mehr als zuvor jedenfalls. Das, was sie erzählt hatte, klang zwar immer noch verrückt, aber Nell schien ein sehr ehrliches Wesen zu sein. Und so unglaublich das auch klang, der Rotschopf hatte das irgendwie plausibel erklärt - soweit man so etwas überhaupt plausibel erklären konnte. Ysara fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. "Was weißt du denn noch so über mich?", fragte sie dann, aber diesmal weitaus freundlicher, als sie die Fragen zuvor gestellt hatte, und mit einem neugierigen Unterton. In ihren Augen funkelte es nun wieder belustigt. Nell kannte ihren Namen und Ysara vermutete, dass das nicht das Einzige war, das sie über sie wusste. "Also schön", ließ sie schließlich die Schultern sinken und gab den Rest ihrer Abwehrhaltung auf. Nell hatte sie offenbar überzeugt. Ihre Geschichte war unglaublich, aber Ysi ließ sich darauf ein. Irgendwie passte es ja auch zu diesem magischen Park und den Abenteuern, die sie sich von seinem Ruf versprochen hatte. Außerdem hatte sie ja nichts zu verlieren, oder? Im besten Fall würde Nell ihr wirklich helfen. Und im schlimmsten Fall hatte sie eine unglaubliche Geschichte, die sie ihren Freunden erzählen konnte. "Ich möchte jemandem helfen, einem Heiler. Er hat meinen Freund geheilt und vor dem Tod bewahrt. Zumindest hoffe ich das. Im Moment ist er noch bewusstlos." Für einen Moment zeichnete sich Sorge auf Ysaras Gesicht ab. "Der Heiler, Cazario, wurde vor ein paar Monaten vor der Stadt überfallen. Man stahl ihm einen wertvollen Gegenstand und sein Pegasus. Er ist übrigens Hymlianer", fügte sie noch an und kurz zeigte sich ein Schmunzeln in ihrem Mundwinkel. Ihre Geschichte war nicht ganz so abgefahren wie Nells, aber immerhin auch nicht allzu normal. Zumindest für die Verhältnisse der Grandessanerin. Die flippige Schelmin vor ihr mochte das anders sehen. "Kannst du damit etwas anfangen?" Ysara betrachtete sie abwartend, aber auch mit einer gewissen Erwartungshaltung. Nell war die Dienerin des Lebens und hatte ihr ihre Hilfe angeboten. Damit hatte sie natürlich auch eine gewisse Hoffnung in der Diebin geweckt.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Mittwoch 4. Dezember 2024, 20:40
von Erzähler
Niemand hätte Ysi es vermutlich verübelt, wäre sie einfach davongelaufen. Nell war schon eine Naturgewalt und beherrschte sich kaum. Sie ging wenig behutsam vor und präsentierte der Grandessanerin alles mit der Keule. Letztendlich war Ysara Ehrlichkeit aber immer wichtig und so kam es Naella auch zu Gute, dass sie offenbar die Wahrheit sagte. So verrückt sie auch klang. Vermutlich war das auch mit ein Grund, dass Ysi sich Nell’s Antworten bis zum Schluss anhörte: Wer sollte sich so eine Geschichte schon ausdenken? Es war eben zu fantastisch als dass es nicht der Wahrheit entsprochen hätte. Oder zumindest das, was Nell daraus machte. Auch die bunte Schelmenmagie beruhigte Ysara. Bisher gab es nicht einen Buntschelm, der sich besonders blutrünstig hervorgetan hätte. Die allermeisten waren doch friedliche Gesellen mit einem Hang zur Musik, zu Spielen und Schabernack. Damit konnte Ysara gut umgehen. Und so erreichte Nell zumindest die Stufe ‚potentiell ungefährlich‘, sodass sich Ysi etwas entspannen konnte. Und als die quirlige Elfe Ysi direkt nach einem Problem fragte, wollte die Blonde wenigstens nicht gleich weglaufen. Sie wollte einen Versuch wagen und sich dem Hilfeangebot stellen. Was hatte sie zu verlieren? "Also schön. Ich möchte jemandem helfen, einem Heiler. Er hat meinen Freund geheilt und vor dem Tod bewahrt. Zumindest hoffe ich das. Im Moment ist er noch bewusstlos. Der Heiler, Cazario, wurde vor ein paar Monaten vor der Stadt überfallen. Man stahl ihm einen wertvollen Gegenstand und sein Pegasus. Er ist übrigens Hymlianer. Kannst du damit etwas anfangen?", forderte Ysi unbewusst die Rothaarige heraus. Nell hatte eine äußerst konzentrierte Miene aufgesetzt und ihr gut zugehört. Was ihr gewiss grundsätzlich schwerfiel. Mikk schnaufte nach Ysi’s Erzählung und klatschte sich gegen die Stirn. „Oh verdammt!“, murmelte er, noch ehe Nell in die Hände klatschte und eifrig nickte. „Natürlich kann ich etwas damit anfangen!“ posaunte sie los und griff dann so plötzlich nach Ysi’s Arm, dass diese kaum Zeit zum Reagieren hatte. Sie hörte noch, wie Mikk ächzte und fast schon wehklagend meinte „Nicht schon wieder!“, ehe sich alles um Ysara herum auflöste. Der Park wurde verschwommen, die Bäume, die Sträucher, gar die Statue. Sie konnte nur Nell scharf erkennen, während ihre Augen gelb zu leuchten begannen. Sie wurden immer heller, bannten Ysi’s Blick, während Nell’s Lippen zu einem breiten Grinsen ausgebreitet waren, bis es einen gleißenden Lichtblitz gab und Ysi gar nichts mehr sah.

Ein Pfeifton hallte in ihren Ohren wider. Als hätte es einen Kurzschluss gegeben, brauchten ihre Augen eine ganze Weile, bis sie langsam wieder Umrisse erkennen konnten. Noch immer fühlte sie dort, wo Nell sie gepackt hatte, eine gewisse Wärme, die ihr in den Körper strahlte und beruhigte oder Panik verursachte, je nach dem. Fakt war aber, dass Ysi nichts wehtat. Selbst das helle Licht war nicht verletzend gewesen, sodass ihr Kopf sich wenigstens nicht meldete. Aus den Umrissen wurden undeutliche Schemen und schlussendlich vervollständigte sich das Bild etwas. Als erstes fiel ihr Blick auf… Mikk. „Geht’s? Mir war beim ersten Mal total schlecht, hab mir richtig die Seele aus dem Leib gekotzt und lass dich nicht von der Größe täuschen, da passt echt viel rein!“, klopfte er sich auf den kleinen, runden Bauch. Doch dann tauchte auch Nell vor ihrem Blickfeld auf. Sie grinste noch immer. „Abgefahren, hä?“, machte sie und feixte sich stolz einen zurecht. Dann legte sie aber einen Finger an ihre Lippen und deutete mit dem Daumen der anderen Hand hinter sich. „Komm, aber leise!“, meinte sie, duckte sich und schlich einige wenige Schritte weiter. Ysi konnte allmählich wieder ihre Orientierung finden. Fakt war, sie war nicht mehr im Park! War sie denn noch in Andunie?! Offenbar nicht wirklich. Nachdem allmählich ihre Augen wieder mitspielten, erkannte die Ausläufer der Stadt in einiger Entfernung. Sie war also nicht vollkommen woanders, aber eben auch nicht mehr in der Stadt! Dann fiel ihr Blick auf einige Karren, die Fässer oder Säcke geladen hatten. Bei jedem Schritt knirschte es unter ihren Sohlen, was an dem harten Ackerboden lag, auf dem sie plötzlich stand. Tatsächlich musste sie aufpassen, dass sie nicht gegen einen Baumstamm stieß, sobald sie sich bewegte. Sie befand sich mitten in einem der hochgelobten, andunischen Apfelhainen!
Überall standen Apfelbäume, einige noch mit ein paar Blüten, die meisten jedoch abgeerntet. Im Frühjahr musste es bezaubernd hier sein. Nun aber sah sie Nell, wie sie hinter einem Karren hockte und ihr zuwinkte, ihr zu folgen. Hinter dem Karren, auf der unmittelbar anderen Seite befanden sich eindeutig zwei Männer. Sie unterhielten sich miteinander und gaben vielleicht etwas Aufschluss, warum Ysi das passiert war: „…Wenn ich’s dir sage, der verhungert noch!“ „Dann gib ihm eben was anderes! Wenn der krepiert, ist er nichts mehr wert. Und wenn das Scheißvieh entkräftet ist, schmälert das den Preis. Wir haben Wochen über Wochen gewartet und jetzt muss es endlich weg! Es frisst dem Chef noch die Haare vom Kopf!“, hörte Ysi eine kratzige, raue Stimme sagen. Die erste Stimme, deutlich jünger, schien kurz zu überlegen. „Und das andere?“ „Was meinst du?“ „Ich rede von der goldenen Schatulle!“ „Pshhht! Bist du vollkommen debil, dass du das so einfach erwähnst?!“ „Ich meine ja nur“ „Das überlass mal Helen! Die wird’s schon knacken und an den Mann bringen!“ „Hmrpf, wenn du meinst!“ „Was hast du plötzlich gegen Helen?“ „Sie hat mir nen Korb geben!“ Der Raue lachte gehässig, dann klang es so, als hätte er dem Jüngeren einen Klaps gegeben, der daraufhin missmutig zischte. Dann entfernten sich die beiden etwas. Nell grinste Ysi an und hob die Augenbrauen, als wollte sie fragen, ob sie zu viel versprochen hatte.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Samstag 7. Dezember 2024, 20:56
von Ysara
Mit so einer verrückten Begegnung hatte Ysi dann doch nicht gerechnet, als sie in den Park gelaufen war. Nells Geschichte war unglaublich und doch zu fantastisch, als dass alles nur erfunden sein konnte. Am Ende sah Ysi es mit einem gewissen Pragmatismus. Sie hatte schließlich nichts zu verlieren. Vielleicht saß sie hier ja doch noch einer Schamanin auf, auch wenn sie inzwischen an das Gute in Naella glaubte. Sie erzählte ihr also von Cazario, dem sie helfen wollte. Abwartend betrachtete sie dabei Nell. Sie hatte ihr Hilfe angeboten und Ysara war gespannt, ob die Dienerin des Lebens ihr in diesem außergewöhnlichen Fall helfen konnte. Es wäre schon ein großer Zufall, wenn Nell wusste, wo das Pegasus des Hymlianers zu finden war, oder? Nell sah konzentriert aus, aber Mikk ergriff zuerst das Wort. „Oh verdammt!“ Fragend legten sich die grünen Augen der Diebin auf das Ottsel. "Was?", fragte sie noch, da klatschte Nell in die Hände. „Natürlich kann ich etwas damit anfangen!“ Es zeigte sich noch ein erwartungsvolles Lächeln auf ihren Lippen, bis die Welt sich plötzlich ohne Vorwarnung veränderte. Offenbar hatte Mikk es kommen sehen, Ysara aber traf es völlig unvorbereitet. Sie spürte Nells Hand an ihrem Arm, aber bis auf die rothaarige Elfe verschwand plötzlich mit einem Mal alles andere vor ihren Augen. Ysara griff nach Nells freier Hand, weil sie im ersten Moment dachte, dass ihr schwindelig wurde. Dann aber wurde ihr klar, dass etwas ganz anderes passierte. Als Nells gelbe Augen zu leuchten begannen, öffnete sich Ysaras Mund vor Unglauben. Immer heller wurden sie, sodass Ysi die Augen zusammen kniff, um nicht geblendet zu werden. Naellas Gesicht mit dem breiten Grinsen brannte sich ihr ein, bevor alles in einem hellen Lichtblitz explodierte. In dem Moment entfuhr Ysara ein überraschter Schrei.

Dann war da plötzlich nur noch für die Augen unerträgliche Weiße und ein Pfeifen in ihren Ohren. Sie hielt sich die Ohren zu, aber das mehr als unangenehme Geräusch blieb, sodass sie die Arme langsam wieder sinken ließ. Ysara blinzelte und erkannte die ersten Momente einfach nichts. Aber sie spürte noch Naellas Berührung und ihre warme Hand. Das beruhigte sie nach dem ersten Schreck, aber eine gewisse Angst blieb trotzdem. "Ich kann nichts sehen!" Ysara klang beunruhigt. Das war doch nicht normal? Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis sich endlich wieder Umrisse in dem hellen Licht abzeichneten. Bis Ysara realisierte, dass das Licht langsam verblasste und ihre Augen wieder die Umrisse ihrer Umgebung erkannten. Sie blinzelte und sah als erstes das Ottsel. Der Umstand, endlich wieder sehen zu können, und dann auch noch, dass das Ottsel noch da war, während sie Nells Hände noch spürte, beruhigte sie. Beide waren noch hier, es war also kein Hinterhalt. „Geht’s?“ "Nein", antwortete Ysara, als wäre die Antwort klar. Ihr war schwindelig und schlecht und so ganz war ihr Körper noch nicht hier angekommen. „Mir war beim ersten Mal total schlecht, hab mir richtig die Seele aus dem Leib gekotzt und lass dich nicht von der Größe täuschen, da passt echt viel rein!“ Sie warf dem Ottsel einen schiefen Blick zu. Dann schloss sie die Augen und atmete ein paar Mal tief durch. Nur leider hatte sie das Gefühl, dass sich der Schwindel mit geschlossenen Augen verstärkte. Also öffnete sie die Augen wieder, während die Übelkeit in ihren Magen rumorte. „Abgefahren, hä?“ Ysara blickte in das Gesicht der Rothaarigen, die ganz stolz grinste. "Kannst du mich das nächste Mal vorwarnen?!", schlug sie ihr vor und atmete noch einmal tief ein, um so die Übelkeit zu unterdrücken, die leider nur langsam abflaute. "Was war das überhaupt? Was hast du getan?" Nell bedeutete ihr still zu sein, was Ysara automatisch wachsam werden ließ. „Komm, aber leise!“ Die Diebin nahm eine geduckte Haltung ein und ließ den Blick schweifen. Erst jetzt hatte sie wieder einen Sinn für ihre Umgebung. Zu ihrer Überraschung waren sie nicht mehr im Park. Ysara, die gerade dabei war, Nell zu folgen, blieb wieder stehen, als ihre Augen langsam die Stadt in der Ferne fokussierten, die verdächtig nach Andunie aussah. Mit offenem Mund sah sie zu Mikk. "Wo sind wir?", fragte sie ihn flüsternd und sah sich dann fragend um. Sie erkannte den Hain mit den Äpfelbäumen, die hier zahlreich standen. Sie brauchte noch immer etwas, um sich gänzlich zu orientieren, aber mit jeder Minute fanden Körper und Geist zusammen. Ihr Blick schweifte über den Hain, während ihr Hirn langsam begriff.

Nell war derweil schon weiter geschlichen und wartete hinter einem Karren auf sie, wo sie sich offensichtlich versteckte. Ysara folgte ihr endlich in geduckter Haltung und sah die Rothaarige mit einer Mischung aus Skepsis und Anerkennung an. Sie hatte keine Ahnung, was genau sie getan hatte, aber jetzt waren sie dort, wo Cazario überfallen worden war - und das war ganz sicher kein Zufall. Die Blonde verlor jedoch kein Wort, denn ihr war in dieser Situation sofort klar, dass sie besser keine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Sie hockte sich also neben Nell hinter den Karren und spähte vorsichtig an ihm vorbei, wo sie zwei Männer erkannte, die sich miteinander unterhielten. „Dann gib ihm eben was anderes! Wenn der krepiert, ist er nichts mehr wert. Und wenn das Scheißvieh entkräftet ist, schmälert das den Preis. Wir haben Wochen über Wochen gewartet und jetzt muss es endlich weg! Es frisst dem Chef noch die Haare vom Kopf!“ Ungläubig blickte Ysara mit schief gelegtem Kopf zu Nell. Sag bloß, die reden von dem Pegasus?! Es war eine stumme Frage, die Nell vermutlich allein an Ysaras Blick und Gesichtsausdruck erkennen konnte, auch wenn sie sie nicht laut aussprach. Die Diebin sah zurück zu den Männern und hatte wohl Glück, dass sie ihre Muttersprache sprachen, denn so entging ihr kein Detail des Gesprächs. „Ich rede von der goldenen Schatulle!“ Etwas zuckte kurz in Ysaras Miene, die den Kopf noch immer in Richtung der Männer gedreht hatte. Das sind sie. Ich werd verrückt, dachte sie und spürte, wie eine gewisse Aufregung das flaue Gefühl in ihrem Magen zurück drängte. Es kribbelten ihr quasi schon die Fingerspitzen. Weniger wegen des Pegasus, sondern vielmehr wegen der goldenen Schatulle. Eine Beute, die wertvoll und geheimnisvoll zugleich klang. Ysara kniff kurz die Augen zusammen und in ihrem Mundwinkel zeigte sich ein siegessicheres Schmunzeln. Sie lauschte, was die Männer noch zu erzählen hatten, prägte sich wie von selbst alle Details ein, und drehte sich dann, als die Männer sich entfernten, zu Nell um. Ysara konnte nicht anders, als das Grinsen der Rothaarigen zu erwidern. "Wie hast du das gemacht." Es klang aber weniger wie eine Frage, sondern mehr nach der Äußerung ihrer Anerkennung. "Das ist ja der Wahnsinn." Ehrliche Freude spiegelte sich auf Ysaras Gesicht wider. Wie hoch war die Chance, dass sie jemanden traf, der sie direkt zu dem Pegasus und der Schatulle führte? Heute musste Ysis Glückstag sein! Die Diebin rückte ein Stück näher an Nell heran und sah zwischen ihr und Mikk hin und her. "Wie sieht's aus? Kommt ihr mit, die Lage ausspähen? Oder trennen sich unsere Wege hier?", flüsterte sie. In Ysaras Augen spiegelte sich Tatendrang. Am liebsten wäre sie sofort an dem Karren vorbei geschlichen, um zu sehen, wohin die Männer gingen und ihnen gegebenenfalls hinterher zu schleichen. Aber da waren noch ihre beiden Begleiter, die sie besser instruierte. "Ich sag euch gleich, wir müssen leise und unauffällig", dabei sah sie Nell vielsagend an, "bleiben. Das hier ist nichts für große Auftritte und Tamtam. Klar?" Sie sah Mikk und Nell ernst an und verfiel unbewusst in die Rolle der Diebin. "Ich muss nachsehen, wo sie hingehen und wo diese Schatulle ist, die vermisst Cazario nämlich ebenfalls." Ysara dachte über etwas nach. "Meint ihr, ihr könnt unauffällig nachsehen, wo das Pegasus ist und wie es ihm geht?" Der Krähe war anzusehen, dass sie noch immer zweifelte, ob das überhaupt eine gute Idee war. Ehrlicherweise traute sie ihnen nicht zu, unauffällig zu agieren und die Umstände vorsichtig auszuspähen. Andererseits war etwas Hilfe nicht schlecht und Nell war vermutlich noch für einige Überraschungen gut. Trotzdem wollte sie lieber auf Nummer sicher gehen und den Männern alleine folgen, um Helen und diese Schatulle ausfindig zu machen.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Sonntag 8. Dezember 2024, 22:34
von Erzähler
Nell fackelte nicht lange und würde es sich nicht nehmen lassen, Ysara zu zeigen, dass sie sehr wohl etwas damit anzufangen wusste. Die Elfe warnte Ysara nicht vor und grinste nur, während Ysi noch ihre Eingeweide sortierte. Ihr war schlecht und das vermutlich auf mehreren Ebenen. Ihr Verstand war nicht in der Lage sofort zu erkennen, was soeben passiert war und versuchte fieberhaft die Bruchstücke zusammen zu klauben. "Kannst du mich das nächste Mal vorwarnen?!", klagte die Krähe und erhielt prompt die Antwort: „Wo bliebe dann der Spaß?“, ehe sich Nell entfernte und ihr bedeutete, dass sie mitkommen sollte. "Was war das überhaupt? Was hast du getan?" „Berufsgeheimnis“, zischte Nell feixend. "Wo sind wir?" Mikk war dieses Mal ihr Ansprechpartner, da Nell offenbar nicht gewillt war ihre Fragen mit dem nötigen Ernst, den sie nun brauchte zu beantworten. „Außerhalb der Stadt“, beantwortete das Ottsel die Frage schnörkellos und wenig präzise. Bei den beiden musste sie sich stählerne Nerven züchten! Nachdem sich Ysi staunend über ihren Verbleib bewusst geworden war, folgte sie Naella und suchte ebenfalls Deckung. Es dauerte nur ein paar wenige Sätze und sie wusste, warum sie hierhergebracht worden war. Nell hatte sie direkt zu den Dieben geführt! Aufgeregt und mit reichlich Nervenkitzel im Blut, belauschte sie das garmische Gespräch und konnte ihr Glück kaum fassen. "Wie hast du das gemacht. Das ist ja der Wahnsinn." Nell’s Blick funkelte. Sie war stolz, dass Ysara sich so freute. Es war das erste Mal, dass die Elfe richtig helfen konnte mit dem, was auch immer sie nun war. Während sich die Schritte der Männer immer weiter entfernten, wollte Ysara bereits hinterher und musste sich dennoch vergewissern, ob ihre unerwarteten Begegnungen mit von der Partie wären. "Wie sieht's aus? Kommt ihr mit, die Lage ausspähen? Oder trennen sich unsere Wege hier?" Nell blickte zu Mikk. Sie hob die Schultern an und blickte zu Ysi zurück. „Keine Ahnung, ob wir das dürfen“, räumte Nell ein. "Ich sag euch gleich, wir müssen leise und unauffällig bleiben. Das hier ist nichts für große Auftritte und Tamtam. Klar?" „Dann bleiben wir definitiv hier!“, gab Mikk gleich zur Antwort und Nell streckte ihm die Zunge heraus. Den gelben Blick auf Ysi gerichtet nickte sie verstehend. „Ich gelobe feierlich, die Schnauze zu halten!“, hob sie theatralisch die Hand und grinste dann schelmisch. Ob das gut ging? Ysi zweifelte wohl nicht zu Unrecht daran. "Ich muss nachsehen, wo sie hingehen und wo diese Schatulle ist, die vermisst Cazario nämlich ebenfalls. Meint ihr, ihr könnt unauffällig nachsehen, wo das Pegasus ist und wie es ihm geht?" Mikk schnaufte genervt. „Und was ist mit Mittag?“, fragte er und Nell winkte ab.
„Klar schauen wir nach!“, versicherte sie und grinste erneut. Es war nicht leicht herauszufinden, ob Nell zugehört oder an was anderes gedacht hatte, aber die Elfe griff nach dem meckernden Ottsel und machte sich wenigstens auf den Weg. Ysi konnte sich demnach erstmal vollkommen auf sich konzentrieren und womöglich wären Nell und Mikk die Sicherheitskarte für sie, sollten sie auffliegen. Denn dann konnte sie einfach verschwinden!

Ysi folgte also den Männern im sicheren Abstand. Schleichen hatte sie bereits in Grandea beherrschen gelernt und war gut darin. Sie brauchte nur immer mal wieder eine Möglichkeit sich zu verstecken, doch daran mangelte es im Apfelhain nicht wirklich. Überall standen eben Baumstämme herum oder aber Karren mit Fässern für die geernteten Äpfel. Die Männer gingen nicht sehr weit. Sie bogen irgendwann scharf links ab und folgten einem ausgetrampelten Pfad, der langsam in lichtere Bereiche der Plantage kam. Irgendwo in einiger Entfernung, konnte Ysi ein recht heruntergekommenes Bauernhaus erkennen. Windschiefe Fensterläden, ein nicht bepflanzter Garten, löchriger Zaun und eine halbe Schaukel zeugten von vergangenen Tagen. Dennoch steuerten die Diebe dieses Haus an und für Ysi wurde es zunehmend schwieriger Deckung zu finden. Es gab unweit des Zaunes einen vertrockneten Brunnen. Scheinbar lebten hier bereits länger nicht mehr die Besitzer oder sie waren geplündert worden, als die Dunkle Armee einmarschierte. Die umliegenden Grundbesitzer hatten gewiss noch die volle Härte der Armee abbekommen. Die beiden Halunken aber gingen, ohne zu zögern weiter, betraten die wenigen Stufen hinauf zur umfassenden Veranda und traten daraufhin ohne anzuklopfen durch die Fliegengittertür ein. Sofort und ohne Umschweife, krakelte eine unangenehme Frauenstimme: „SCHUHE AUS!“, was die Männer zucken ließ. Beide traten zwei Schritte zurück und zogen sich die Stiefel auf der Schwelle aus. Je nach dem, wo sich Ysi versteckte, konnte sie eine Reihe von Schuhen neben der Eingangstür entdecken, die feinsäuberlich aufgereiht dastanden. Ein Paar dreckiger als das andere. Erst dann betraten die beiden Kerle das Innere wieder. Hinter ihnen fiel die Tür ins Schloss und Ysi konnte gedämpfte Stimmen hören, die miteinander sprachen. Das Bauernhaus besaß ein Stockwerk. Die Veranda, die das Haus umfasste, war überdacht und zusätzlich gab es eine Balustrade, die nicht sehr hoch über dem Boden war. Es wäre möglich sich einen Zugang dazu zu suchen und hinaufzuklettern. Was Ysi nicht wusste war, ob das morsche Holz sie noch überall halten würde. Auch konnte sie auf Anhieb kein offenes Fenster finden. Lediglich eines besaß ein Loch, das eventuell groß genug wäre, um die Hand hindurchzuschieben und es von innen zu öffnen. Sofern das Zimmer leer wäre. Sollte sie das Haus umkreisen wollen, würde sie hinter dem einstigen Anwesen noch einen Kartoffelkeller finden, der unter das Haus führte. Vielleicht gäbe es so einen Zugang. Oder sie wartete ab, sondierte die Lage. Womöglich kamen die Diebe wieder hinaus. Anhand der Schuhanzahl aber sah es so aus, als wären alle zuhause. Es mussten nach Schuhpaaren 7 sein. Und offenbar waren alles Männer, bis auf die unangenehme Stimme, die krakelt hatte. Von einem Pegasus oder überhaupt Spuren einer solchen Tierhaltung, war nichts zu sehen. Hier hatten sie Ashara also nicht versteckt und auch von Nell oder Mikk fehlte jede Spur. Die beiden waren irgendwann im Verlauf des Versteckens flöten gegangen.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Freitag 13. Dezember 2024, 16:42
von Ysara
Der Ort, an den Nell sie gebracht hatte, war Entschädigung genug für die unerwartete und ungewöhnliche Reise hierher. Die Buntschelmin hatte sie direkt zu den Dieben geführt und Ysara war sofort voller Tatendrang. Während sie vor wenigen Stunden noch überlegt hatte, sich heute nur unauffällig umzuhören, was das Pegasus und dieses ominöse Geschenk anging, und sich nicht mal sicher gewesen war, ob sie überhaupt eine Spur zu den Räubern finden würde.. da waren diese nun in direkter Reichweite. Ysi musste ihnen nur folgen. Die Frage war, ob Nell und Mikk sie begleiten würden. „Keine Ahnung, ob wir das dürfen“, antwortete Nell wenig eindeutig. Ysara sah zwischen beiden hin und her. Falls sie sich dafür entschieden, war es jedenfalls wichtig, dass sie unauffällig blieben! Ob Nell dafür geeignet war? „Dann bleiben wir definitiv hier!“, verstand Mikk den Wink mit dem Zaunpfahl. Ysi grinste, aber Nell schien sich das Abenteuer ebenfalls dann doch nicht nehmen lassen zu wollen. „Ich gelobe feierlich, die Schnauze zu halten!“, überraschte die Schelmin sie mit ihren direkten Worten. "Und unauffällig", fügte Ysara hinzu und grinste schief. So ganz sicher war sie sich noch nicht über die Eignung ihrer aktuellen Gefährten. Aber nur durch sie war sie hier und Ysara sah in Nell so etwas wie ein As im Ärmel. In ihr steckten sicherlich noch mehr Überraschungen als die, die schon aus ihr herausgesprudelt waren, und im Notfall konnte sie sie einfach wieder zurück nach Andunie zaubern, so unangenehm diese Reise auch gewesen war. Aber lieber übergab sich Ysi, als aufzufliegen - das wollte sie nämlich auf keinen Fall. Daher wollte sie den Männern auch lieber alleine folgen und beauftragte Nell und Mikk damit, nach dem Pegasus zu suchen. „Und was ist mit Mittag?“ Ysi klappt den Mund zu und sah das Ottsel vielsagend an. Wirklich..? Für einen Moment hatte sie die Befürchtung, dass Nell darauf ansprang und ein spontanes Picknick aus ihrer Hosentasche zauberte. Glücklicherweise tat sie es aber nicht! „Klar schauen wir nach!“ Die Krähe musterte Nell kurz. Sie wirkte so unaufmerksam, dass Zweifel in ihr hoch kamen, ob sie ihr wirklich zugehört hatte. Aber die Rothaarige machte sich schon samt Ottsel auf den Weg. "Viel Erfolg", raunte sie ihnen noch hinterher und beobachtete für einige Augenblicke, in welche Richtung die beiden gingen.

Dann rieb sie sich in freudiger Erwartung die Hände und schlich dann langsam hinter dem Karren hervor. Die Luft war rein und so schlich sie von Baum zu Baum, von Baum zu Karren und wieder weiter zum nächsten Baum. Der Apfelhain bot eine gute Deckung für die Diebin und so konnte Ysi schnell zu den Männern aufholen. Sie blieb jedoch stets im sicheren Abstand zu ihnen. Als die beiden einen ausgetrampelten Pfad nahmen, folgte sie ihnen abseits davon, um weiterhin so gut wie möglich in Deckung zu bleiben. Ihr Blick fiel auf ein Bauernhaus, das sie zunächst nur beiläufig musterte. Erst einmal behielt sie die Männer im Auge und schlich dann weiter zu dem Brunnen, hinter dem sie sich versteckte. Sie lugte dahinter hervor und arbeitete sich dann weiter vor. In einer schnellen Bewegung bewegte sie sich geduckt auf den Zaun zu, an dem an dieser Stelle ein großer Busch wuchs, der noch viele Blätter an seinen zahlreichen verzweigten Ästen trug. So würde man sie hoffentlich nicht sehen, während sie selbst beobachten konnte, wie die Männer das Haus betreten wollten. Sie kamen jedoch nicht sehr weit und mussten zuerst ihre Schuhe ausziehen. Ysara hob überrascht von der herrischen Stimme eine Augenbraue. Sie konnte die Frau nicht sehen, aber der Tonfall machte klar, dass man lieber die Ordnung befolgte, die die Frau im Sinn hatte. Ysi musste an ihr Krähennest denken und ihr kam in den Sinn, dass es dort wohl gerade mal halb so ordentlich war, wie dieses Bauernhaus anhand der akkurat aufgereihten Schuhe davor vermuten ließ. Als die Männer im Haus verschwunden waren, stürmte Ysi nicht direkt los. Sie wartete und blieb trotz aller Neugier vorsichtig. Offenbar befanden sich mindestens sieben Personen im Haus und da war die Chance hoch, dass eine von ihnen auch irgendwann wieder herauskam. Ysi zählte in Gedanken bis hundert und hielt es dann aber doch nicht weiter aus. Sie musste wissen, was die Halunken sich erzählten und wollte keine wichtigen Informationen verpassen, während sie hier draußen hockte. Also schlüpfte sie durch ein Loch im Zaun und schlich dann seitlich auf das heruntergekommene Haus zu. Die Treppe vor dem Eingang zu nehmen, war sicherlich zu gefährlich, falls doch noch jemand herauskam. Deshalb schlich sie einmal geduckt um das Haus herum, auf der Suche nach einer guten Gelegenheit zu lauschen oder ins Haus zu gelangen. Der Kartoffelkeller fiel ihr zwar ins Auge, aber die erfahrene Diebin schloss ihn als Weg ins Haus sofort aus. Er war zu gefährlich, denn wenn etwas schief ging, dann bot er keine gute Fluchtmöglichkeit. Aber sie musste nun unbedingt näher heran, um zu hören, was da drin gesprochen wurde! Mit zusammen gekniffenen Augen schaute Ysara sich forschend um und entdeckte schließlich das Fenster mit dem Loch. Wenn es nötig war, würde sie über die Balustrade klettern, aber erst, nachdem sie mit einem Zug ihrer Hände ausprobiert hatte, ob das morsche Holz nicht unter ihr zusammenbrechen würde. Zuerst wollte sie durch das Loch spähen, um die Lage im dazugehörigen Raum dahinter auszuloten. Vielleicht hörte sie ja sogar von hier die Anwesenden im Haus. Falls aber nicht, würde sie tatsächlich versuchen, die Hand durch das Loch zu strecken und das Fenster so ganz langsam zu öffnen. Entweder ein Stück, um besser hören zu können, oder vielleicht auch etwas mehr, um doch noch in das Haus einzusteigen. Das war jedoch abhängig davon, wie sich die Situation hinter dem Fenster gestaltete.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Samstag 14. Dezember 2024, 13:54
von Erzähler
Der Nervenkitzel gehörte einfach zu ihrem Leben dazu. Sie hatte es sich so ausgesucht und schließlich konnte die Aussicht auf einen Schatz sie motivieren und etwaige Vorsichtsgedanken in den Hintergrund rücken. Es war, als würde sich bei ihrer Skepsis Nell gegenüber ein Schalter umlegen, der sie voller Tatendrang zurückließ. Leider waren Nell und Mikk nicht sonderlich vertrauensvoll, wenn es darum ging unauffällig zu bleiben. Ysi musste diese Kröte wohl schlucken, denn wenn sie ehrlich war, dann war es definitiv keine gute Idee in der Fremde einen Alleingang zu wagen. Elian und Sadia waren jedoch nicht hier und warten wollte Ysi auch nicht. Wer wusste zudem schon, ob sich die Wogen überhaupt glätteten. Nein, jetzt war keine Zeit sich mit diesen unbequemen Dingen zu belasten jetzt rief das Abenteuer.

Durch Grandea geschult, war es für die Krähe nicht sonderlich schwer, Deckung zu finden. Sie schlich sich von Gelegenheit zu Gelegenheit und keiner der beiden Männer wurde sich ihrer Anwesenheit bewusst. Es war ein Kinderspiel! Ysi beobachtete aus sicherer Entfernung das Spektakel, bevor die Männer das heruntergekommene Haus betraten und wartete dann einen zähen Moment, bis sie es selbst wagte, sich zu rühren. Leise und noch immer bedacht, umrundete sie das Haus und spähte die aktuelle Lage aus. Nachdem sie sich für einen Weg entschieden hatte, prüfte sie in weißer Voraussicht die Beständigkeit und konnte zufrieden sein. Das Vordach der Veranda schien stabil genug, um sie zu tragen. Mühelos gelang es ihr, sich hinaufzuziehen und leise bis zu dem Fenster mit dem Loch zu schleichen. Sie musste bedacht einen Fuß vor den anderen setzen, damit das morsche Holz nicht knarzte, aber auch darin war sie geübt. Innehaltend hockte sie sich vor das leicht dreckige Fenster und spähte hinein. Sie konnte einen Raum erkennen und gegenüber eine nur angelehnte Tür. Im Raum selbst schien sich niemand mehr aufzuhalten, jedenfalls lag hier und dort das hölzerne Mobiliar verstreut. Auch bedeckte eine Staubschicht etwaige Flächen und in einem Krug, der als Vase gedient hatte, hingen vertrocknete Blumen. Ein Bett stand links des Fensters, durch das sie schaute. Das Bettzeug war länger nicht frisch bezogen worden und besaß einige braune Stellen, die sonst etwas hätten sein können. Lieber nicht zu viel darüber nachdenken. Alles in allem wirkte dieser Raum nicht sehr stark frequentiert. Ihren Lauschangriff musste Ysi aber leider aufgeben. Sie hörte undeutlich Gemurmel aus dem Erdgeschoss, aber sie verstand kein Wort. Allerdings konnte sie auch keine anderen Geräusche hören, außer hier und dort mal einem Knartzen, wenn sich im Erdgeschoss jemand bewegte. Im Obergeschoss erschien alles ruhig. So folgte Ysi ihrer Neugierde und der sich bietenden Chance Cazario etwas Gutes zu tun, und öffnete leise das Fenster. Ihre Hand passte mühelos durch das Loch. Ein wenig war der Riegel allerdings verklemmt, sodass es nicht ganz ohne Geräusche oder Kraft ging. Als das Fenster schließlich mit einem Quietschen aufging, musste Ysi erstmal lauschen, ob man nicht auf sie aufmerksam geworden war. Doch alles blieb ruhig. Vorsichtig und ohne verräterische Geräusche zu machen musste sich Ysara einen Weg in das Innere des Zimmer suchen. Auf der Anrichte direkt unterm Fenster befanden sich allerdings allerhand Kleinigkeiten, die scheinbar früher mal Dekoration gewesen waren. Das erschwerte ihr den Einstieg erheblich und sie musste sich etwas einfallen lassen.

Nachdem sie allerdings ihr Können unter Beweis gestellt und endlich den Boden unter ihren Füßen hatte, stand dem Lauschangriff auf das Erdgeschoss nichts mehr im Wege. Auf leisen Sohlen und mehr Glück als wahrlich Verstand, konnte sie zur Tür des Zimmers schleichen und sie etwas aufschieben. Sie knarzte ohrenbetäubend, jedenfalls könnte es ihr so vorkommen. „Was war’n das?!“, hörte sie von unten. Alles schwieg und lauschte. Für den Bruchteil einer Sekunde war die Luft zum Zerreißen gespannt. Würde jemand hochkommen? Würden sie sie entdecken? Dann wäre alles aus! „Ach! Diese Bruchbude fällt bald auseinander. Das ist es.“, tat jemand anderes ab. Allgemeines, zustimmendes Gemurmel. Dann gingen sie offenbar ihren Geschäften wieder nach. Welcher Art auch immer. „Essen, ihr undankbaren Halunken!“, rief die penetrante Stimme erneut. Ysi konnte belauschen, dass sich einige Füße über den Dielenboden bewegten und dann diverse Stühle zurückgezogen wurden, bevor man sich setzte. Einige stritten sich offenbar heftig um einen Platz, bis es klatschte und beide wimmerten. Wenigstens war Ruhe. Dann klapperte Geschirr, Löffel und es plätscherte. „Schon wieder Suppe??“, beschwerte sich jemand. „Wenn du besser jagen würdest, gäb‘s mal Fleisch!“, kam prompt die Gegenwehr. „RUHE!“, knallte die Frauenstimme dazwischen. Stille kehrte ein. „Also. Wir müssen dieses Mistvieh endlich loswerden. Es frisst zu viel, es ist zu nichts zu gebrauchen und ich habe die Schnauze voll, mich darum zu kümmern. Es ist zu auffällig.“ Ysi konnte das Schlürfen der Essenden hören. „Ich habe einen Käufer, der sich für den Gaul interessiert. Irgendeine offene Rechnung in Hymlia – mir egal. Jedenfalls bezahlt er gutes Geld. Ich treffe mich nachher mit ihm und mache den Handel perfekt!“, erklärte sie. Rülpsen folgte, allgemeines Gelächter, dann wieder Ruhe. „Klingt gut, Helen. Aber was machen wir mit der Schatulle?“, wollte ein anderer wissen. Jetzt wurde es interessant. Helen wartete einen Moment mit einer Antwort, in der sie offenbar ebenfalls einen Teller Suppe auftat. Dann hörte Ysi, wie sich erneut gesetzt wurde, ehe auch der letzte Löffel klapperte. „Nun, was das angeht – ich weiß nicht, was es ist. Die Schatulle an sich scheint aus Gold zu sein, jedenfalls sieht es so aus. Der Inhalt… keine Ahnung. Ein Horn. Nicht sonderlich schön oder kunstfertig. Ich schätze, es ist nichts wert.“, murmelte Helen nachdenklich und seufzte, als hätte sie alle Hände voll zu tun damit. „Ich denke, wir verscherbeln die Schatulle so.“, überlegte Helen zwischen zwei Bissen. Dann fragte ein anderer: „Wo hast du die eigentlich versteckt?“, Ysi konnte hören, wie Helen grinste als sie antwortete: „In meinem Schlafzimmer, unter der Matratze!“, sie lachte dreckig. „Also wenn irgendeiner wagt, mich zu hintergehen, ziehe ich ihn einfach in mein Bett!“, scherzte sie derb und die Männer schienen entsetzt, einem fiel offenbar sogar der Löffel in die Suppe und noch ein anderer murmelte ein „Ich bin satt!“, ehe wieder allgemeines Geschlürfe erklang.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Montag 16. Dezember 2024, 10:48
von Ysara
Für die erfahrende Diebin war das hier ein Kinderspiel. Sie schlich auf leisen Sohlen, suchte sich Deckung hinter allem, was geeignet dafür war, erkletterte Hindernisse und öffnete fremde Fenster, wie sie es schon unzählige Male getan hatte. Es lag ihr einfach im Blut. Es weckte sogar ein vertrautes Gefühl in ihr, das ihr in all dem Trubel, der hinter ihr lag, einen seltsamen Halt gab. Sie wusste, was sie tat. Sie konnte das hier. Die Umgebung war eine andere, aber es war auch nur ein Haus, in das sie einbrach. Denn dafür entschied sie sich, als sie durch die dreckige Fensterscheibe spähte und niemanden entdeckte. Der Raum war leer und so wie es aussah, schien er auch nicht benutzt zu werden. Also steckte Ysara ihre Hand durch das Loch und rüttelte etwas an dem Riegel, bis sie etwas mehr Kraft hinein legte und er sich endlich öffnete. Dann öffnete sie langsam das Fenster und zuckte zusammen, als es trotz ihrer Versuche, keine Geräusche dabei zu machen, verräterisch quietschte. In ihren Ohren klang es unglaublich laut. Die Krähe hielt die Luft an und lauschte. Doch die gedämpften Stimmen im Erdgeschoss sprachen weiter. Der Raum dahinter war leer und offenbar befanden sich alle Personen im unteren Stockwerk, soweit sie das beurteilen konnte. Als nichts darauf hindeutete, dass man sie gehört hatte, öffnete Ysara das Fenster vorsichtig so weit, bis sie hindurch klettern konnte. Ihr Blick fiel auf die Kommode mit dem ganzen Kleinkram, die natürlich direkt unter das Fenster gestellt worden war. Ungeduldig nahm Ysara die verstaubten Einzelteile in die Hand und stellte sie auf die andere Seite der Anrichte, um sich den nötigen Platz zu schaffen, um einzusteigen. Es dauerte ihr alles zu lange, aber sie rief sich zur Ruhe. Sie wusste, dass sie nicht nervös werden dürfte, aber das war leider leichter gedacht als getan für sie. Jetzt raubten ihr diese Staubfänger schon so einige Nerven, bis sie endlich über die freie Seite der Anrichte hinüber klettern konnte, wobei sie mit ihren Beinen und Hintern gleich noch etwas Staub wischte. Sofort nahm sie wieder eine geduckte Haltung ein und suchte Schutz hinter der Tür, während sie sich den Staub von der Hose klopfte. Dann aber begann ihre Nase zu kribbeln und sie hielt sie sich zu, um ein Niesen zu unterdrücken. Glücklicherweise gelang ihr das, denn wegen einem Niesen entdeckt zu werden, wäre nun wirklich nicht sehr gut für ihr Selbstbewusstsein. Sie blinzelte die leicht tränenden Augen trocken und schob dann die Zimmertür ein kleines Stück auf, um besser sehen und hören zu können.

Die Tür quietschte noch lauter als das Fenster und erneut hielt Ysara inne. „Was war’n das?!“ Die Krähe erstarrte in ihren Bewegungen. Sie rührte nicht einmal ihre Hand, die noch an dem Türblatt lag. Sie atmete flach durch die Nase und drückte sich selbst alle Daumen. „Ach! Diese Bruchbude fällt bald auseinander. Das ist es“, hörte sie dann die erlösenden Worte. Scheiße, dachte Ysi und traute sich erst einmal nicht, die Tür weiter zu öffnen. Angespannt und aufmerksam starrte sie auf den Flur hinaus und spitzte die Ohren. Wenn sie Schritte hörte, spannte sich ihr Körper merklich an, in Erwartung einer unerwünschten Bedrohung. Nach einigem Stühlequietschen schienen sich jedoch alle zu setzen und zum gemeinsamen Essen einzufinden, wenn sie ihren Ohren trauen konnte. RUHE!“ Genau das verbreitete sich dann im Haus. Selbst Ysara fühlte sich von der Frau des Hauses zurechtgewiesen. Sie klang.. unangenehm. Die Grandessanerin musste aufpassen, Helen nicht über den Weg zu laufen. „Also. Wir müssen dieses Mistvieh endlich loswerden. Es frisst zu viel, es ist zu nichts zu gebrauchen und ich habe die Schnauze voll, mich darum zu kümmern. Es ist zu auffällig. Ich habe einen Käufer, der sich für den Gaul interessiert. Irgendeine offene Rechnung in Hymlia – mir egal. Jedenfalls bezahlt er gutes Geld. Ich treffe mich nachher mit ihm und mache den Handel perfekt!“ Ysara prägte sich ein, was Helen da sagte. Sie konnte wohl froh sein, ausgerechnet heute auf Cazario und Nell getroffen zu sein, bevor der Handel abgeschlossen war und Ashara wer weiß wo landete. „Klingt gut, Helen. Aber was machen wir mit der Schatulle?“ Ysara wechselte ihre inzwischen unbequeme Position und stellte sich nun hin. Die Haltung war ungewohnt, aber im Moment schien es nicht nötig, sich zu verstecken und so gab sie ihre angespannte Haltung vorerst auf, während sie mit neuer Aufregung darauf wartete, dass diese Helen endlich antwortete. „Nun, was das angeht – ich weiß nicht, was es ist. Die Schatulle an sich scheint aus Gold zu sein, jedenfalls sieht es so aus.“ Ysara blinzelte für einen Moment und es trat ein Ausdruck in ihr Gesicht, den man schon fast etwas gierig bezeichnen konnte. Hat sie gerade Gold gesagt?! Sie war und blieb eine Diebin. Der Nervenkitzel der Diebstähle und Einbrüche war das eine. Aber wertvolle Beute zu machen, war einfach eine ganz besondere Freude für wohl jeden Dieb. Ysara konzentrierte sich jedoch schnell wieder auf Helens Stimme zwischen all dem Gemurmel und Gerülpse der Männer. „Der Inhalt… keine Ahnung. Ein Horn. Nicht sonderlich schön oder kunstfertig. Ich schätze, es ist nichts wert.“ Die Krähe verzog kurz den Mund. Mit einem Horn wusste sie so spontan auch nichts anzufangen. Aber offensichtlich war es von großem Wert für die Hymlianer. So viel war sicher. „Ich denke, wir verscherbeln die Schatulle so.“ Oh nein, Helen, das wirst du nicht, war sich Ysara sicher. Vielleicht teilt Cazario mit mir.., sinnierte Ysi kurz und wurde dann aus ihren Gedanken gerissen, in denen sie voller Beute und auf dem Rücken eines befreiten Pegasus zu dem Heiler zurückkehrte, als einer der Männer danach fragte, wo die Schatulle versteckt sei. „In meinem Schlafzimmer, unter der Matratze!“ Unweigerlich schweiften die grünen Augen dabei erneut durch den Flur. Sie befand sich also in unmittelbarer Reichweite und von allen Anwesenden am nächsten dran! Ysara beschloss, keine weitere Zeit mehr zu verlieren. „Also wenn irgendeiner wagt, mich zu hintergehen, ziehe ich ihn einfach in mein Bett!“ Ysi verdrehte die Augen, während sie schon dabei war, die Tür soweit zu öffnen, bis ihr schmaler Körper durch die Öffnung passte.

Sie hörte noch jemanden sagen, dass er satt sei, und trieb sich auch deshalb noch einmal zur Eile an. Ganz automatisch nahm sie wieder eine geduckte Haltung ein und setzte ihre Füße ganz vorsichtig voreinander. Diese alten Häuser waren gefährlich, denn vermutlich gab es nicht nur knarzende Fenster und quietschende Türen, sondern bestimmt auch knarrende Dielen. Ysara spähte die Lage im Flur aus, während sie immer wieder zur Treppe sah, um sich zu vergewissern, dass sie keinen Halunken übersah oder dieser sie zuerst entdeckte. So leise wie nötig und schnell wie möglich schlich sie von Tür zu Tür und hoffte, Helens Zimmer an irgendetwas erkennen zu könne. Sie vermutete, dass es nicht durch eine helle Tapete mit Blümchen oder farbenfrohen Kleidern hervorstechen würde. Daher versuchte die Diebin alles mit einem realistischen Blick zu betrachten und versuchte sich vorzustellen, wie eine Frau mit der Stimme von Helen, wohl ihr Zimmer einrichten würde. Sie nahm jedoch auch jede einzelne Matratze genau ins Visier, um etwaige Anzeichen für die Schatulle mit dem Horn darunter zu erkennen.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Dienstag 17. Dezember 2024, 10:38
von Erzähler
Dieser Nervenkitzel, der andere noch um den Verstand bringen würde, weil ihr Herz zu schnell und der Blutdruck zu hoch wurde, war genau das, was Ysara gebraucht hatte! Nach der Sorge um Areus, den eigenartigen Gefühlen bei Cazario und dem niederschmetternden Streit mit Elian und Sadia, war es das, was sie nun erden konnte. Routiniert gelangte sie ohne zu zögern ins Innere des Hauses. Nur zwei Mal wurde es brenzlig als sie das Gefühl hatte, zu laut zu sein. Doch glücklicherweise nahm niemand die Geräusche aus dem oberen Stock ernsthaft wahr, sondern verbuchte sie als Alterserscheinungen des Hauses. Auch Ysi musste sich dessen stets bewusst sein. Schließlich wollte sie in Erfahrung bringen, wo sich hier der dicke Schatz verbarg. Und tatsächlich war ihr Glück sehr spendierfreudig! Nicht nur, dass sie scheinbar zur rechten Zeit gekommen war, was Ashara anging, sondern auch, um richtig fette Beute zu machen. Eine goldene Schatulle aus Hymlia mit unbekanntem Inhalt. Ein Horn konnte sie jetzt nicht sofort in die Ecke ‚wertvoll‘ schieben aber womöglich war das auch nicht nötig. Die Schatulle allein, so sie denn wirklich aus Gold war, brächte ein ordentliches Sümmchen in die Kasse. Die Diebin wagte sich weiter vor und erfuhr, dass jenes Kästchen im Zimmer von Helen zu finden sei. Es war wirklich pures Glück, dass sie diese Dinge just heute erfuhr und sich die Halunken darüber unterhielten. War das Zufall? Wie auch immer. Jetzt hatte Ysi einen Plan und den würde sie garantiert nicht so schnell aufgeben. Vorsichtig und immer darauf bedacht, niemanden zu übersehen, begann sie damit die Räume im ersten Stock zu durchsuchen. Die erste Tür war lediglich angelehnt. Hier hatte sie Glück, dass sie nicht quietschte. Es gelang ihr sich hindurch zu schleichen und fand sich daraufhin in einer Abstellkammer wieder. Hier gab es einige deckenhohe Regale. Es lagerte Vorräte darin, sowohl Eingelegtes als auch Haushaltsutensilien. Ysi fand sogar eine Laterne mit Zunderzeug, oder wenn sie den Halunken zur Hand gehen wollte auch Eimer und einen etwas ranzig riechenden Wischmopp. Sie fand Öl, Zitronensäure, Seife und Leinenlappen, aber auch Salz oder allerlei Apfelkompott. Ansonsten war nichts weiter Interessantes hier, sodass sie – sofern sie nichts einstecken wollte – im nächsten Raum vielleicht mehr Glück hätte.

Die Tür des Raumes neben der Abstellkammer und am Treppenaufgang war zugezogen. Ysi konnte sie öffnen, musste aber erneut aufpassen, keine Geräusche zu machen. Vielleicht hätte sie etwas von dem Öl mitnehmen sollen, um die Türen zu schmieren. Wie auch immer sie sich entschied, sie gelangte in den Raum dahinter. Dieser war erstaunlich ordentlich aber bewohnt, wie es schien. Es hatte eine persönliche Note, wirkte aufgeräumt und gesäubert. Es war weitaus weniger staubig und auf einem kleinen, eckigen Tisch stand gar eine Vase mit Blumen! Auf einem Stuhl daneben, hatte jemand feinsäuberlich seine Kleider gefaltet. Tatsächlich schienen die aber einem Mann zu gehören, denn die Stiefel unter dem Stuhl waren deutlich größer als Ysi’s. Das Bett wirkte gemacht und man hatte sich sehr viel Mühe gegeben, alles fein herzurichten. Licht schien durch ein sauberes Fenster herein und warm ein warmes Ambiente auf den hölzernen Boden. Ob das, das Zimmer von Helen war? Vielleicht war sie nur sehr groß? Burschikos klang sie allemal. Aber sobald Ysi unter der Matratze nachschauen würde, hätte sie Gewissheit, dass es nicht das Zimmer der einzigen Frau war. In einem kleinen Nebenraum entdeckte die blonde Krähe dann noch zwei weitere Matratzen am Boden, sodass sie davon ausgehen konnte, dass hier mehr als eine Person schlief – jemand aber das Sagen hatte hier. Außer einem Roman über einen Abenteurer, der die Liebe seines Lebens retten musste, fand Ysi nichts sonderlich Spannendes. Viel besaß diese Gruppe an Halunken nicht, wie es schien. Vermutlich schlugen sie sich mit Kleinkriminalität und Diebstahl durch.

Es gab hier oben noch einen letzten Raum. Dieser war gegenüber dem Ordentlichen und ebenfalls neben der Treppe. Ysi musste höllisch aufpassen, denn direkt an der Treppe gab es eine lose Diele. Sie gelangte durch Können zur letzten Tür und musste feststellen, dass jene verschlossen war. Sobald sie den Hebel senkte, um die Tür aufzudrücken, würde sie erkennen, dass sie einen Schlüssel benötigte. Oder sie knackte das Schloss. Es sah nicht sonderlich kompliziert aus, aber es würde einen Moment Zeit kosten in der sie weder besonders geschützt noch leise sein könnte. Letztendlich aber war Ysi findig und durchaus in der Lage, sich von so etwas nicht aufhalten zu lassen. Wie auch immer sie das Problem löste, am Ende schnappte das Schloss auf und sie konnte eintreten. Und keinen Moment zu früh, denn plötzlich war unter ihren Füßen allgemeine Aufbruchsstimmung. „Ihr seid dran mit spülen!“, schob Helen ein und rülpste daraufhin ungeniert. „Ich hau mich hin“, verkündete sie und Ysi wusste instinktiv, dass sie in den ‚heilen Hallen‘ der Hausherrin stand. Sie konnte die Schritte bereits hören, wie sie immer näherkamen. Jetzt musste sie zeigen, dass sie als Diebin einen kühlen Kopf behalten konnte. Das Zimmer von Helen bot ein Bett mit Luft darunter, um sich notfalls zu verkriechen – oder etwas zu verstauen. Dann gab es noch einen Kleiderschrank, der ebenfalls zwischen Motten-zerfressenen Fetzen etwas Schutz bieten könnte. Hinter einem Vorhang gab es eine Art abgetrennten Bereich – eine Art Abort, wo ein Eimer stand der nicht sonderlich gut roch. Alles in allem gab es nicht die perfekte Lösung für ihre Anwesenheit. Es gab noch ein Fenster, das auf die Überdachung zur Terrasse führte, aber Ysi konnte nicht sicher sein, ob es sie tragen würde. Nun war schnelles Handeln gefragt, denn Helen war bereits auf der Treppe, wie sie hören konnte. Und als würde das Schicksal die Diebin extra herausfordern, konnte sie unterhalb der Matratze etwas Goldenes blitzen sehen.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Freitag 20. Dezember 2024, 13:47
von Ysara
Das Ziel der Krähe war klar: Sie würde dieses Haus nicht ohne die goldene Schatulle mit dem Horn verlassen. Davon würden sie auch nicht die hier Anwenden abhalten, jedenfalls nicht, solange es nach Ysis Kopf ging. Die Diebin trieb sich zur Eile an. Bis jetzt war alles ganz gut verlaufen, jetzt musste sie nur noch Helens Zimmer finden. Der erste Raum entpuppte sich jedoch als Abstellkammer. Zuerst schaute Ysi enttäuscht drein, dann aber überprüfte sie mit einem schnellen Blick den Inhalt der Regale. Nichts davon aber glänzte oder schien von hohen Wert zu sein. Außerdem hatte sie keinen Beutel dabei und so ließ sie die Sachen, wo sie waren, und verließ die Abstellkammer wieder schleichend. Ganz langsam öffnete sie dann die Tür des nächsten Zimmers. Sie traute hier keiner Tür und keinem Fenster mehr über den Weg, daher ging sie deutlich langsamer vor, als sie es normalerweise tat. Schließlich aber konnte sie auch unbemerkt in diesen Raum huschen. Ysara nahm die Details der Einrichtung wahr, hielt sich jedoch auch hier nicht länger als nötig auf. Sie konzentrierte sie sich auf die Matratze des Bettes in dem sauberen Zimmer. Zu ihrer Enttäuschung verbarg sich darunter jedoch nicht die erhoffte Schatulle. Sie musste also auch noch das letzte Zimmer durchsuchen, was aber auch hieß, dass es definitiv Helens sein musste. Beim Vorbeigehen konnte sie dann doch nicht widerstehen und warf einen kurzen Blick auf das Buch. Aber sie durfte keine Zeit verlieren und musste weiter! Prüfend glitt ihr Blick auch durch das kleine Nebenzimmer und wandte sich dann enttäuscht ab, als sie die Matratzen auf dem Boden sah. Auch das war also nicht der richtige Raum. Blieb nur noch einer.
Bevor sie aus dem Zimmer trat, lugte Ysi vorsichtig durch die Tür und betrachtete prüfend Treppe und Flur. Da die Luft rein war, hielt sie sich auch hier nicht länger auf. Sie schlich zum letzten Raum, fluchte jedoch innerlich, als sie bemerkte, dass die Tür verschlossen war. So ein Mist! Sie fackelte nicht lange, sondern zog ihre Dietriche und den Schnapper hervor, um das Schloss ohne groß zu überlegen, zu knacken. Sie hatte keine Zeit, um den Schlüssel zu suchen. Wahrscheinlich trug Helen ihn in ihrer Unterhose, wenn sie sie richtig einschätzte, und der wollte sie auf keinen Fall zu nahe kommen. Da griff sie lieber auf ihre bewährte Methode zurück. Noch ein letzter Blick zur Treppe, dann widmete sie sich dem Schloss, während ihr Herz eine Spur schneller zu schlagen begann, weil ihr kostbare Zeit durch die Finger rann. Konzentriert biss sich die Diebin auf die Unterlippe, bis sie ein vertrautes Schnappen hörte. Schnell verstaute sie ihre Utensilien wieder und öffnete die Tür, während unten Stühle quietschten und sich die Halunken deutlich hörbar erhoben. Scheiße, hoffentlich machen sie noch einen Verdauungsspaziergang. Ysara huschte in den Raum und wollte gerade die Tür schließen, als sie noch Helens Stimme hörte. „Ich hau mich hin.“ Da rutschte Ysara das Herz in die Hose. In ihrem Kopf wirbelten die Schimpfwörter nur so, während sie herum wirbelte und das Zimmer samt seiner Einrichtung - und vor allem verfügbare Verstecke - in den Fokus nahm. Sie hörte das Knarzen der Treppe und wusste, dass sie keine Chance hätte, ungesehen an Helen vorbei in einen der anderen Räume zu flüchten. Und das hier musste definitiv ihr Zimmer sein. Und ihr Bett. Ysara sah das verräterische Blitzen unter dem Bett und empfand trotz der drohenden Gefahr einer Entdeckung plötzlich Freude. In Sekundenschnelle ging sie die möglichen Verstecke und die Erfolgsaussichten, die sie boten, durch. Schließlich aber entschied sie sich für das Bett und die direkte Reichweite zu ihrer Beute. Sie würde warten, bis Helen schlief, und hätte dann leichtes Spiel. Zumindest leichteres als aus den anderen Verstecken. Ohne lange zu zögern, legte sich Ysara auf den Bauch und krabbelte unter das Bett. Sie versuchte sich so klein und schmal wie möglich zu machen, damit Helen sie nicht sofort auf den ersten Blick sah. Dann schaute sie aus grünen Augen zu der goldenen Schatulle, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich hier war. Sie wird merken, dass jemand in ihr Zimmer eingebrochen ist, durchfuhr Ysara dann der Gedanke, der ihren Puls sofort in die Höhe trieb. Sie konnte nur hoffen, dass sie einen der Halunken dafür verantwortlich machte und nicht noch auf die Idee kam, ihr Zimmer zu durchsuchen. Sie wird nachsehen, ob die Schatulle noch da ist. Scheiße. Doch bevor Ysara ihre Wahl des Verstecks überdenken konnte, hörte sie, wie Helen die Tür aufmachte. Die Diebin hielt den Atem an und starrte auf die Füße der Hausherrin. Jetzt blieb ihr nur noch, darauf zu hoffen, dass Helen sie nicht entdeckte.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Montag 23. Dezember 2024, 21:50
von Erzähler
Ohne etwas Handfestes, würde Ysara dieses Mal nicht verschwinden! Dafür war sie viel zu weit gegangen und es bekäme ihrer Diebes-Ehre nicht gerade gut, wenn sie ein solches Wagnis mit leeren Händen beenden müsste! Also schlich Ysara von Tür zu Tür und musste haraxisch aufpassen, dass man sie nicht entdeckte. Gewarnt durch das Knarzen des Fenster und der Tür, vergewisserte sie sich vorher immer, ob die gefahrlos die Türen öffnen konnte. Sie hatte bisher Glück gehabt, aber nun musste sie dieses auch nicht unbedacht aufs Spiel setzen. Ysara durchforstete den Vorratsraum und entschied sich dennoch, nichts mitzunehmen. Schließlich würde sie das nur bei Weiterem behindern und sie brauchte ihre flinken Finger noch, um die ‚fette Beute‘ einzusacken! Immerhin wusste sie nicht, wie groß oder schwer diese Schatulle wirklich wäre. Als Ysi zum letzten Zimmer kam, wurde sie in ihrem Eifer aber gebremst. Das hier musste Helen’s Zimmer sein, denn es war verschlossen! Genervt und sich beeilend, fingerte Ysi ihr Dietrich samt Spanner heraus und setzte schließlich an, das Schloss zu knacken. Mühelos gelang es ihr, denn sie war geübt und das hier kein Hochsicherheitstrakt. Doch so sehr sich Euphorie einstellen wollte, wurde Ysi ausgebremst: Helen’s Stimme drang von unten zu ihr hoch und machte deutlich, dass der Diebin keine Zeit mehr blieb, sich im Zimmer umzusehen, die Schatulle einzusacken und zu verschwinden! Alles, was ihr nun möglich war, war, dass sie sich ein Versteck suchte und schließlich abwartete. Geduld war eine Tugend und nicht ganz ihre Stärke, aber nun würde sie keine andere Lösung aus dem Hut zaubern. Also schlich Ysi in das Zimmer der Anführerin und sah sich suchend um. Ihr fiel nur das Bett ein. Sie war zierlich genug, um sich darunter zu verstecken und sobald diese Helen schlief, würde sie die Schatulle schnappen und das Weite suchen. Nur machte Ysara da einen Gedankenfehler. Denn wenn Helen erstmal auf dem Bett lag, würde sie die Schatulle zwischen Matratze und Rost einquetschen. Wie wollte sie dann daran ziehen, ohne, dass die Herrin des Hauses erwachte? Doch keine Zeit mehr, die Schritte kamen immer näher. Ysi robbte unter das Bett, musste kurz innehalten, weil es staubiger war als erwartet und dann ging schon die Tür auf. Sie sah ein paar mächtig große Stiefel! Helen musste ein Brocken sein, so viel stand fest. Schwere Schritte betraten den Raum, bis die Tür mit einem ordentlichen Rumms und reichlich Gewackel ins Schloss fiel. Dann trat Helen sich in die Hacken und zog ihre Stiefel aus. Ihre Socken besaßen Löcher und Ysi konnte wenig appetitliche Gerüche wahrnehmen. Allerdings führten ihre qualmenden Füße vom Bett weg, sodass sie auch einen Moment durchatmen konnte. Je weiter Helen wegging, desto mehr konnte Ysi erkennen. Die Frau trug ein mächtiges Hinterteil mit sich. Sie würde das Bett mit Sicherheit ordentlich beanspruchen und den Platz unterhalb für Ysi mehr als einschränken. Doch jetzt noch etwas ändern? Unmöglich! Helen schob den kleinen Vorhang beiseite, öffnete den Gürtel ihrer Hose und ließ sie ungeniert hinunter. Dann drehte sie sich und hockte sich auf den Eimer. Ein eindeutiges Geräusch erklang und ein Geruch nach Urin erfolgte. Helen fühlte sich jedenfalls ungestört! Ysi aber konnte die Wampe erkennen und die ordentlichen Waden, die gewiss für einen gehörigen Tritt in den Hintern sorgen könnten. Gleichzeitig aber fiel ihr Blick auf ein fleischiges Gesicht mit blauen Augen und roten Haaren, die etwas filzig aussahen. Sie gab jedenfalls nichts auf Produkte zum Aufhübschen und die burschikose Stimme passte hervorragend zu ihr. Ysi aber musste sich sehr ruhig verhalten. Helen’s sitzende Position und der Blick zum Bett hätten gewiss ausgereicht, sie dort zu entdecken, sofern sie ein Geräusch gemacht hätte. Nachdem Helen fertig ihr Geschäft beendet hatte, zog sie die Hose wieder hoch, rotzte noch mal in den Eimer, ehe sie den Vorhang wieder zuzog und schlurfend zum Bett kam. Als sie sich daraufsetzte, knarzte es bedrohlich über Ysi’s Kopf. Das Rost wurde nach unten gedrückt, während sich die massige Frau endlich in die Horizontale begab. Ein Seufzen erklang, gefolgt von einem Rülpser, bevor sich noch ein Lüftchen löste. Das würde eine verdammt lange Runde Verstecken werden! Doch Ysi hatte Glück. Nach nur wenigen Augenblicken, erklang ein mehr als entspanntes Schnarchen. Helen hatte offenbar einen äußerst guten Schlaf… Doch was nun? Sie musste sich an dem Hindernis ‚Hintern‘ vorbeimogeln, um dann unter der massigen Frau die Schatulle, die sie bereits gesehen hatte, zu klauen. Wie sollte sie das anstellen? Wie sollte sie überhaupt an die Schatulle herankommen? Sie war direkt vor ihrer Nase, sofern sie am Fleischberg vorbeisehen konnte. Sie klemmte unter der Matratze zwischen dieser und dem Gitterrost fest. Was nun?

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Sonntag 29. Dezember 2024, 13:26
von Ysara
Mit angehaltenem Atem lag die Krähe unter Helens Bett und hoffte inständig, nicht entdeckt zu werden. Sie starrte auf die enorm großen Schuhe der Hausherrin und stellte fest, dass diese riesig sein musste. Dem lauten Türknallen nach zu urteilen, besaß sie auch einiges an Kraft. Es war wohl besser, wenn sie sie nicht entdeckte und in ihre Hände bekam. Aber zu ihrer Erleichterung schien ihr immerhin nicht aufzufallen, dass das Schloss ihrer Tür geknackt worden war. Zumindest wirkte sie nicht sonderlich verstimmt oder auf der Hut. Das beruhigte Ysara zunächst, da sie also nicht zu befürchten hatte, dass Helen sich davon überzeugte, dass die Schatulle noch an ihrem Platz war, und sie dabei unter dem Bett erwischte. Ysara ließ Helen nicht aus den Augen, während ihr Herz laut und schnell in ihrer Brust schlug. Sie befand sich nicht sehr weit weg von ihr und ihr wurde auch klar, dass sie kaum an Helens massiger Gestalt vorbei gelangen würde, um zu entkommen. Diese aber zog sich erst die Schuhe aus und Ysara hielt angewidert die Luft an, während sie auf die durchlöchernden Socken starrte. Sie atmete erst durch, als Helen sich endlich etwas vom Bett entfernte. Neugierig musterte sie Helens Gestalt, soweit ihr das von ihrer Position aus möglich war. Als sie erkannte, wie Helens Körper geformt war, warf sie einen kurzen Blick nach oben, um zweifelnd festzustellen, ob sie wohl auch noch genug Platz hätte, wenn Helen sich erstmal auf dem Bett niederließ, oder sie die falsche Wahl getroffen hatte, was ihr Versteck anging. Sie musste wohl das Beste hoffen. Dann schaute die Diebin zur Schatulle und ihr wurde klar, dass sie zwischen Matratze und Rost eingequetscht werden würde. Ysi fluchte im Inneren und überlegte, noch vorher nach der Schatulle zu greifen. Helen aber war viel zu nahe. Nicht nur das! Als Ysara wieder zur Hausherrin sah, hockte diese auf einem Eimer. Der Krähe klappte die Kinnlade hinunter und sie starrte perplex auf die Frauengestalt. Helen besaß ein ordentliches Kampfgewicht und ihre ganze Erscheinung passte zu ihrer Stimme. Ysara hätte am liebsten Ohren, Nase und Augen geschlossen bei dem Anblick und der Geräuschkulisse, die sich ihr sogleich boten. Allerdings war ihr durchaus klar, dass Helens Blick geradewegs auf sie fallen würde, wenn sie ihre Aufmerksamkeit durch eine falsche Bewegung oder das leiseste Geräusch zum Bett lenken würde. Also hielt Ysara erneut den Atem an und lag ganz still da, während sie unfreiwillig Zeugin von der Entleerung wurde. Das war wohl der Stoff, aus dem ihr nächster Albtraum gemacht wäre. Erst als Helen sich erhob und Ysi sicher war, dass sie sie nicht gesehen hatte, entspannte sie sich für einen Moment und atmete durch. Kurz verzog sie das Gesicht angewidert, schloss für einen Moment die Augen und versuchte, Helens Anblick abzuschütteln. Erfolglos. Dann aber beobachtete sie wieder Helen, damit ihr keine Bewegung entging, die sich auch sogleich mit ihrem Kampfgewicht auf das Bett setzte. Erneut hielt Ysi angespannt den Atem an und drückte sich flach auf den Boden, da sie sich nicht ganz so sicher war, wie viel Platz ihr dann noch bleiben würde. Erst als sie hörte, wie sich Helen geräuschvoll hinlegte, hob sie wieder den Kopf und sah hinauf zur Matratze. Sie war ihr gefährlich nahe gekommen, aber hatte sie immerhin nicht zerquetscht. Zum Glück blieb ihr noch etwas Platz unterhalb des Bettes. Ysi horchte aufmerksam und war nicht nur überrascht, wie viel Luft Helen in ihrem Körper hatte, die sie ungeniert heraus ließ, sondern auch davon, wie schnell sie einschlief. Beschweren würde sie sich über Letzteres aber sicher nicht. Ihr Schnarchen bedeutete wohl, dass sie schon eingeschlafen war. Ysara war froh, dass sie hier also nicht minutenlang ausharren musste, während sich Helen über ihr hin und her wälzte. Jetzt drehte sich die Diebin auf die Seite, soweit der Platz eben reichte, und lugte an dem Berg, den Helens Hintern in der Matratze hinterließ, vorbei zur Schatulle. Sie war noch an Ort und Stelle, festgeklemmt zwischen der Matratze und dem Rost. Sie würde sie also nicht einfach so hinausziehen können. Ysi seufzte innerlich und überlegte, was sie tun sollte. Sie könnte Helen aufschrecken, indem sie für Geräusche oder Chaos sorgte - ihr Blick glitt überlegend zum Eimer, allerdings war die Gefahr zu groß, dass Helen sie beim Aufwischen unter dem Bett entdeckte, oder gar von den Ausscheidungen getroffen zu werden. Sie überlegte auch, sie aus dem Zimmer zu locken. Allerdings konnte sie nicht sicher sein, dass die anderen Halunken nicht schon durchs Obergeschoss streiften und sie konnte es sich nicht leisten, sie alle aufzuscheuchen. Also lotete Ysara zuerst ihre Möglichkeiten von ihrer aktuellen Position aus. Am liebsten wollte sie hier nämlich so verschwinden, wie sie gekommen war: unentdeckt und nahezu lautlos durch das Fenster. Etwas Schelmenmagie wäre jetzt nicht schlecht, überlegte sie, während sie sich an Helens Hintern vorbei schob. Oder Schattenmagie.. Ysaras Gedanken drifteten für einen Moment ab. Wie praktisch wäre es, sich in Schatten zu hüllen, abzuwarten, bis Helen das Zimmer wieder verließ und dann unbemerkt samt Schatulle und Magie hier zu verschwinden! Aber das war natürlich nicht möglich. Nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Für einen Moment bedauerte sie, dass Elian und Sadia nicht hier waren. Sie war sich sicher, dass sie zu dritt ein leichtes Spiel haben würden, weil sie ohne Worte Hand in Hand arbeiteten. Ysara schüttelte die bedrückenden Gedanken ab und griff prüfend nach der Schatulle. Sie ließ sich jedoch nicht bewegen. Vielleicht würde es schon reichen, wenn Helen sich ein Stück bewegte. Etwas zögernd hob Ysi ihre Hand gen Hinternberg in der Matratze, dann überwand sie sich aber und drückte leicht dagegen. Vielleicht hatte sie Glück und Helen ließ sich im tiefen Schlaf etwas davon stören und wechselte die Position. Vermutlich war der erste Stupser zu zurückhaltend und zart, also drückte Ysi mit etwas mehr Druck gegen die große Delle schräg über ihr. Mit der anderen Hand fingerte sie nach der Schatulle, um sie bei der kleinsten Gelegenheit, die Helens Körper ihr bot, herauszuziehen. Vielleicht könnte ich sie mit dem Dolch heraus hebeln, überlegte sie noch, während sie einen dritten Versuch unternahm und abermals den Druck erhöhte, um Helen über sich dazu zu bringen, sich auf der anderen Seite der Matratze breit zu machen.

Re: Das Umland von Andunie

Verfasst: Samstag 4. Januar 2025, 09:51
von Erzähler
Als Diebin musste man auch mit ungewöhnlichen Situationen zurechtkommen. Ysara war bereit das Wagnis einzugehen, denn sie liebte den Nervenkitzel, die Spannung und das Abenteuer. Doch im Zimmer der Halunken-Anführerin Helen, wurde all das auf eine eher unappetitliche Probe gestellt. Ysi musste sich schwer zusammenreißen, sich nicht durch ein Luftschnappen oder Husten zu verraten und es kostete sie einiges an Konzentration. Doch am Ende hatte sie ihr Ziel vor Augen und nichts würde sie jetzt noch davon abbringen, es zu erreichen. Die Schatulle von Cazario war in unmittelbarer Reichweite und sie musste sich nur eine Strategie überlegen, die sie mit dem Schatz in sichere Entfernung führte. Doch Helen machte es ihr nicht gerade leicht. Sie legte sich auf das Bett und quetschte das Objekt der Begierde einfach ein. Ysara verfluchte die große Frau etwas und dachte fieberhaft nach. Ihr fielen einige Möglichkeiten ein, wie Schatten- oder Schelmenmagie aber nichts davon war nun verfügbar. Und wer wusste schon, was Nell und Mikk gerade taten. Die beiden waren vielleicht nicht so zuverlässig, wie Ysara hatte glauben wollen. Nein, darauf hatte sie nun keinen Zugriff und deshalb musste etwas anderes her. Wenn sie Helen’s Hintern nur etwas anheben könnte, würde sie womöglich schnell genug sein, die Schatulle im richtigen Moment hervorzuziehen, ohne dass sie etwas bemerkte. Das wäre wohl der traumhafteste Ausgang. Dann bräuchte sie nur noch zu verschwinden. Also begann Ysi in das voluminöse Fleisch der Anführerin zu stupsen. – Nichts geschah. Vermutlich hatte sie das nicht mal bemerkt, bei all der Masse. Ysi wurde mutiger und ein Grunzen folgte. Noch etwas mehr… ein wenig mehr. Beim nächsten Stupser rammte Ysi beherzt in das wabbelige Fleisch und Helen drehte sich tatsächlich auf die Seite. Just in dem Moment, musste Ysi nur mit ihrer anderen Hand zuschnappen und konnte die Schatulle hervorziehen.
Ein Glücksgefühl war es wohl, als sie endlich das kühle, glänzende Metall in den Fingern hielt. Die Schatulle fühlte sich kühl und irgendwie erhaben an. Es war ein wahrer Schatz und allein die Schatulle wertvoll. Nun musste Ysi nur noch das Haus verlassen und hoffen, dass Nell und Mikk ihren Teil ebenfalls erfüllten. Helen schnarchte nun lauthals, was Ysi zumindest die Gelegenheit gab in jenen Momenten des Luftholens sich zu bewegen, ohne, dass sie davon aufwachte. Sobald sich Ysi athletisch unter dem Bett hervorgerollt hatte, würde sie bemerken, dass Helen noch immer schlief. Ysi konnte an der Tür lauschen und würde nichts weiter von draußen hören. Der Flur schien leer zu sein. Schaute sie aus dem Fenster, würde sie allerdings zweierlei feststellen: Zum einen waren draußen einige der anderen Halunken unterwegs und gingen offenbar irgendwelchen Tätigkeiten nach. Zum anderen war die Veranda unterhalb des Fensters beschädigt und vermutlich nicht stabil genug, selbst die schlanke Ysi zu tragen.

Es bliebe wohl nur der Weg durch die Tür und vielleicht zu dem Fenster, in das Ysi vormals einstieg. Jetzt aber musste sie sich entscheiden, denn Helen grunzte auf und drehte sich soeben wieder in ihre Richtung. Nun hieß es Luftanhalten, damit die Hünin nicht aufwachte. Einige Sekunden war es brenzlig, doch Helen schlief weiter, sodass Ysi sich zur Tür wenden konnte. Hatte sie eigentlich geknarzt beim Betreten? Musste sie auf etwas achten? Lose Dielen oder dergleichen? Ihr blieb keine Zeit, denn immer wieder wurden Helen’s Schnarcher durch stille Phasen unterbrochen. Und noch bevor Ysi die Tür öffnen konnte, verstummte das Grunzen in ihrem Rücken. Mit einem Mal hatte Ysi das Gefühl, beobachtet zu werden. „Wer bist du denn?!“, rief Helen donnernd und setzte damit den Startschuss für eine Hals-über-Kopf-Flucht. Und Helen war trotz der Masse erstaunlich schnell aus dem Bett. Sie verdunkelte das Fenster und warf Schatten auf die sehr viel zierlichere Ysara. „Gib es mir!“, schrie die Größere und deutete mit fleischigen Fingern auf die Schatulle. „Du kleine Diebin!“ und schon stürzte der Fleischberg von Frau auf Ysara zu. Das Geschrei der Anführerin rief aber ihre Halunken auf den Plan und Ysi konnte die Schritte auf den Treppen hören. Der Weg wurde ihr nun auch abgeschnitten. Kämpfen war nicht Ysi’s Stärke. Und Helen würde sie gewiss einen Kopf kürzer machen. Letztendlich aber erreichte die Hünin Ysara nicht, denn Ysi war wendig, flink und konnte hervorragend ausweichen. So begann ein kurzes Katz-und-Maus-Spiel im Zimmer der Anführerin, bis Ysi das Fenster erreichte. Es wäre die allerletzte Chance und vielleicht hatte sie Glück, dass das Holz sie doch noch einen kurzen Moment trug. „Bleib hier!“, schrie Helen gallig und wandte sich ihr wieder schwerfellig zu. Ysi konnte das Fenster mühelos öffnen und spürte die klare, kühle Luft, die in diesem Zimmer viel zu kurz gekommen war. Es war hoch und wenn sie fiele, würde sie sich gewiss einige Blessuren zuziehen. Doch die Alternative wäre, von Helen in die Finger bekommen zu werden. Das war keine Option. Und als Ysi sich schon entschied, das Wagnis dieser Flucht einzugehen nahm sie aus dem Augenwinkel einen Schatten wahr. Er huschte vorbei und schließlich sah sie ein wundervoll geflügeltes Pferd, schneeweiß und mit silberner Mähne. Es hatte die Flügel weit von sich gestreckt und verdeckte die schwache Sonne ein wenig. Und auf dem Rücken saß doch tatsächlich Nell. Sie grinste, als wäre das alles ein großer Spaß. Was irgendwie stimmte, denn Ysi konnte spüren, wie sich das Hochgefühl des Triumphs breitmachen wollte. „Mitfahrgelegenheit, gefälligst?“, rief Nell ihr frech zu und streckte daraufhin die Hand nach Ysi aus. Im Hintergrund schrie Helen auf: „NEEEIN! IHR VERSAUT MIR ALLES!“, und die donnernden Schritte waren von ihrem schwerfälligen Atem begleitet. Ysara brauchte vermutlich nicht lange zu zögern und fand sich nur wenige Augenblicke später auf dem weichen Rücken des Pegasus wieder. Mit kräftigen Flügelschlägen beförderte Ashara sie in die Luft und steuerte auf die Stadt zu ihren Füßen zu. Der Wind rauschte überwältigend an ihnen vorbei und alles war winzig klein. Sie flogen in einer Höhe, die sonst nur wenigen vorbehalten war.
Ysara konnte auf das Meer hinaussehen, konnte kleine Schiffe, so groß wie Spielzeuge entdecken. Sie sah die Schaumkronen der Wellen glitzern und über sich die Wolken. Es war ein wahres Phänomen auf dem Pegasus zu fliegen und sich vorzustellen, wie erhaben sich ein Hymlianer vorkommen musste. Wie wundervoll ihre Art zu leben sein könnte. Und fest in ihrer Hand hielt sie die Schatulle. Sie hatten es geschafft, den ein Blick zurück zeigte, wie das Haus der Halunken immer kleiner wurde und sie Helen nur noch ein wütenden Fleischklops sahen, der seine Faust in die Höhe reckte.