Die Tochter der Fürsten nahm das ovale Schreibbrett an sich und ein Glitzern huschte unter der schwarzen Gase über ihre nahen Augen. Lächelte sie? Vielleicht.
„Das tue ich.
Ich hoffe ihr könnt dies lesen!“
Ihrer Kopfhaltung nach zu ahnen, musterte sie eingehend jeden einzelnen Letter in Viros Schriftbild, als gäbe es noch mehr dort zu lesen, als nur die Worte. Sie hob den Kopf zu Viro hinauf und nickte. Ein paar schnelle Gesten wurden noch einmal mit ihrem Vater gewechselt, der den Schirm der Alten noch eine Weile betrachtete, ihn dann bei sich behielt, mit den Worten:
„Ich nehme ihn als Tausch für die Dienste meiner Tochter. Sie wird euch gut beraten und zur Seite stehen, solange ihr hier seid.“
Viro war vielleicht sogar ein bisschen froh das Ding los zu sein. Sogar seine Stimmen murmelten etwas leiser. Alisar bedeutete dem Nekromanten ihr zu folgen. Fürst Omar sah nicht sehr glücklich aus, als sie den Raum verließen. Viro wurde durch das Wirrwarr der Schleierwände in einen neuen Raum gebracht wo tatsächlich leise rhythmische Musik her kam. Sie waren immernoch im unterirdischen Bereich des Zeltpalastes und die Klänge würden somit die Oberfläche nicht erreichen, trotzdem sprach auch hier niemand. Als sie den Raum betraten, fiel sofort auf, dass hier die Männer ihre Turbane und andere Kopfbedeckungen abgenommen hatten und an flachen Tischen saßen, die gedeckt mit würzigen Speisen, Getränken und Rauchwerk waren. Sie lagen halb auf weichen Kissen, aßen, tranken und rauchten. Viro sah einen Tisch, der anscheinend der „Obrigkeit“ dieser Versammlung gehörte und an dem noch ein Platz frei war, vermutlich für den Fürsten. Fünf Männer saßen an dem Haupttisch. Der ganz Linke, ein Mann mit mittellangen schwarzem Haar, kaute ununterbrochen an einer dunklen Wurzel, die seine Zähne gelblich grün verfärbt hatte. Der rechts daneben, hatte eine Glatze und einen Schnurrbart über seinen verlängerten unteren Eckzähnen die wie bei einem Ork ein kleines Stück über seine Lippen lugten. Auch seine Haut war leicht grünlich, sonst sah er mehr aus wie ein Mensch, doch war er wohl ein Mischling. Der Mann daneben war besonders schön und seine leicht angespitzten Ohren unter den halb blonden Haaren ließen auf eine elfische Herkunft vermuten. Dann kam der freie Platz und danach die letzten beiden Männer. Der Linke davon war ein alter menschlicher Mann mit grauem Bart und der neben ihm war sehr stark behaart, hatte einen dicken Bauch und war recht klein geraten. So wie viele weitere in diesem Raum machten sie den Eindruck, als ob sie allesamt Mischlinge aus den Völkern ganz Celcias waren, aber auch reinrassige sah Viro. Mensch saß neben Gnom, Elf neben Zwerg, sogar eine Echse und ein Tha'Roon konnte er unter den Anwesenden finden. Die violette Hautfärbung war unverkennbar und Viro belesen genug um auch die seltensten Völker der Welt zu identifizieren. In einer dunklen Ecke saß wie passend auch ein Dunkelelf und speiste mit einem … kleinen Troll. Alisar machte vor dem Haupttisch eine tiefe Verbeugung bevor sie selbst und Viro sich zu einem anderen Tisch führte. Viro wurde aus den unterschiedlichsten Richtungen eingehend gemustert, bis sie sich gesetzt hatten, doch dann schien jeder sich wieder seinen eigenen Interessen zuzuwenden. Alisar zog Viros Aufmerksamkeit auf sich und sie schrieb etwas auf das ovale Brett.
„Das sind die Oberhäupter der einzelnen Stämme.“
Viel Platz war nicht auf dem Brett und so musste sie es immer wieder schütten zwischen den Sätzen, aber jede ihrer Bewegungen hatte Übung uns so ging die etwas umständliche Kommunikation doch recht schnell. Nach diesem Satz wies sie mit dem Kinn, so wie Viro es getan hatte auf den Haupttisch. Sie wollte gerade weiter schreiben, als Fürst Omar den Raum betrat, die Musik kurz verstummte und alle Anwesenden kurz sich zum Gruß erhoben. Fürst Omar grüßte zurück und alles setzte sich wieder. Alisars Vater nahm am Haupttisch Platz und Einige Gesten zeigten deutlich, dass es viel zu bereden gab. Immer wieder näherten sich einzelne Personen dem Fürsten und er hielt so etwas, was an Königshöfen wohl Audienz genannt werden würde. Am Abschluss jeder Verhandlung wurde eine freundschaftliche Geste ausgetauscht. Eben jene angedeuteten Küsse auf die Wangen deren Reihenfolge Viro beachten sollte. Einige unter den Gästen waren wohl etwas anders gestellt als, der Rest, aber die Hierarchie war nicht so recht einfach zu durchschauen, da außer am Haupttisch alles so bunt durcheinander gewürfelt war. Es waren mehr Männer als Frauen anwesend, was man besonders durch die verhüllenden Schleier nun erkennen konnte. Die schwarzen Gazen vor den Augen waren zwar teilweise abgelegt worden, doch nicht bei allen. Alisar war immernoch komplett verhüllt, andere hatten offene Haare, trugen nur einen Schleier vor der unteren Hälfte ihres Gesichts und strahlten mit wunderschönen Augen. Jeder Verhüllungsgrad schien eine andere Bedeutung zu haben. Eine weitere Frau saß auch mit am Tisch des Nekromanten und kam ihm vertraut vor. Es war jene mit den blauen Augen unter der bräunlichen Lederrüstung die sie schön aber auch gefährlich wirken ließ. Doch mit an Viros Tisch saßen nicht nur unterschiedliche Völker, sondern anscheinend Einheimische, wie auch weitere Gäste. Er entdecke weitere Paarungen, die sich eben eines solchen Schreibbrettes bediente wie Alisar und er es taten. Viro konnte in aller Ruhe, speisen, den Fürsten mit seinen Gästen beobachten, sich mit Alisar „unterhalten“ und der etwas ungewohnt klingenden Musik lauschen, (ot: Viros Fragen kannst du hier in die Handlung einfügen, beantworte ich dann im nächsten Post.) bis ein Moment der Ruhe eintrat und der Fürst tatsächlich zwei Mal etwas lauter in die Hände klatschte. Ein Vorhang im Hintergrund unter einem Baldachin öffnete sich und eine fast nackte junge Frau betrat den Raum. Mit lautlosen Schritten ging sie in die Mitte und alle Augen verfolgten sie. Tief schwarzes, langes Haar fiel in weichen Wellen lang bis zur Mitte ihres Rückens. Ein kleiner Schleier verhüllt die untere Gesichtshälfte und auch ihre Augen glitzerten in mystischem Schwarz. Ihre Haut war fast weiß und ihr Kleid in Silber und grau gehalten. Feinste Ketten und filigraner Schmuck fielen leise klingend von ihren Hüften über den fliegenden Stoff. Das Oberteil war nur ein Hauch, gerade breit genug um ihre Brüste zu bedecken. Der Bauch und Arme waren nackt und erst sehr tief auf den wiegenden Hüften begann ein langer halb durchsichtiger Rock, der von einem Kettengürtel gehalten wurde. Schmuckbänder um Ober- und Unterarme, Knöchel, Hals und selbst im Haar ließen den ganzen perfekt geformten Körper glitzern. Als die den Mittelpunkt des Raums erreicht hatte, blieb sie reglos stehen und schloss die Augen. Einige Sekunden lang geschah nichts, dann klatschte der Fürst noch einmal in die Hände und die Musik setzte wieder leise ein. Ein Tanz begann, fesselnd und schöner als Märchen es ersinnen konnten, als Phantasie es sich erträumen, oder Legenden es berichten würden. Zauber lag in der Luft und selbst Viro konnte nicht genau sagen, ob das Knistern der Luft von natürlicher Eleganz her rührte, oder wirklich Magie hier wirkte. Die Bewegungen zogen glitzernde und schimmernde Luft hinter sich er und tauchten die Umgebung in Traum und lockende Sehnsüchte. Die Schleier ihres Gewands schienen sich manches Mal wie von selbst zu bewegen, selbst wenn sie still stand. Viro wurde vorsichtig von der Seite aus angestupst und das beschriebene Brett lag neben seiner Hand.
„Meine Schwester. Es ist ihr 18ter Geburtstag.“
Stand in einfachen Worten darauf und ein wenig später schrieb Alisar noch.
„Ab heute steht es ihr frei, sich einen Mann zu wählen.“
Als der Tanz beendet war stand sie wieder reglos mit geschlossenen Augen in der Mitte und der Fürst trat zu ihr, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und lächelte. Während er sich wieder setzte, machte Alisars Schwester einmal eine Runde und betrachtete dabei jeden der Gäste. Selbst Viro streifte kurz ihr funkelnder Blick voller Magie, doch nicht länger als irgend einen Anderen. Dann verschwand sie wieder hinter dem Vorhang und die Audienz-Gäste des Fürsten traten wieder vor.
„Es wird heute den ganzen Tag Ersuche geben.
Jeder will sich vorstellen.“
Alisars geschriebenen Worte, zusammen mit dem leichten Wackeln ihres Kopfes, könnten auf eine gewisse Form der Ablehnung schließen lassen. Entweder sie mochte das Prozedere nicht, oder sie war ihrer Schwester nicht ganz wohl gesonnen. Auf jeden Fall seufzte sie ein paar Mal etwas gelangweilt. Doch insgesamt war ein gemütliches Beisammensein, ein festlicher Anlass und auch wenn es leise von statten ging, so konnte Viro doch schnell, durch reines Beobachten ein paar Gesten identifizieren. Lachen, z.B. gab es in zwei Ausführungen. Man lächelte und lachte lautlos und ließ die Fingerspitzen in schneller Abfolge aneinander schnellen. Je nach Intensität, nahm man eine oder beide Hände. Dann kam endlich der Moment auf den Viro gewartete hatte. In der scheinbar endlosen Abfolge von Anwärtern, Personen die etwas vom Fürsten oder seiner Tochter wollten, kam das Zeichen, dass Omar Viro gegeben hatte. Der kleine Troll, den Viro beim Dunkelelfen hatte sitzen sehen hatte gerade vor gesprochen und Omar küsste ihn zum Abschluss in umgekehrter Reihenfolge auf die Wangen. Der Troll war nur knapp 1,40 m hoch gewachsen, um so seltsamer wirkte die Geste, da der Fürst sich tatsächlich in die Hocke ging. Viro betrachtete sich nun sein Opfer vielleicht etwas genauer. Der Winzling, der mehr einer knorrigen Wurzel, als einem lebendigen Wesen ähnlete, stapfte breit grinsend zurück an seinen Platz zum Dunkelelfen und machte ein paar sehr unflätige, aber sehr eindeutige Zeichen in die Luft. Sein Witz, dass er wohl gern die „Prinzessin wurzeln“ wollte, brauchte keine Worte. Der Dunkelelf lächelte nur schmal, dann sah er sich wieder im Raum um. Viros Blick und seiner trafen sich kurz. Etwas kaltes, etwas tödliches lag in seinem Blick und erinnerte Viro an seine eigene Ausstrahlung. Vielleicht kam ihm sogar der Gedanke, dass er nicht der einzige Nekromant in diesem Raum war. Doch nicht den Dunkelelfen sollte er töten, nein. Er sollte den kleinen Begleiter, den Troll bis zum Sonnenuntergang seinem Ende zuführen. Wie war ihm überlassen worden, doch was wusste er über Trolle?
Alisar hatte wieder etwas geschrieben.
„Ich kann euch jetzt die Stadt zeigen.“
Sie musterte Viro.
„Ist das alles was ihr bei euch habt?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Ihr braucht eine Ausrüstung.
So könnt ihr nicht überleben.“
Sie sah Viros Blick wie er noch einmal zu dem Troll in die Ecke wanderte.
„Der läuft euch nicht weg.
Er sitzt immer hier und trinkt sicher wieder bis zum Abend.“
Wieder schüttelte sie das Bett und schrieb etwas Neues.
„Ihr solltet ihm nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken.
Lasst uns frische Luft atmen!“
Damit stand sie auf und lockte mit der Hand Viro ihr zu folgen. Sie verließen auf verschlungenen Pfaden den Zeltpalast und ein bedeckter Himmel empfing sie, sobald sie die Oberfläche wieder betraten. Die Natur hatte den leichten Nieselregen der Nacht in sich aufgesogen, doch schien die feuchte Nahrung hier in dieser Gegend auf keinerlei hungrige Wurzeln zu treffen. Der Sand war tot und keine einzige Pflanze war zu sehen. Auch wenn die Zeit der langen Nächte Kälte und sogar Regen in diese Gegend brachte so war nirgends Leben zu entdecken. Woher nahmen die Bewohner ihre Nahrung, woher ihr Wasser? Es war schon alles ein wenig mysteriös.
Alisar führte Viro schweigend zu einem kleinen Basar, der in den schattigen Höhlen lag, die er schon von dem Kamm der Düne aus gesehen hatte. Das Leben war hier einfacher und die Leute musterten ihn neugierig, jedoch nicht abweisend. Ein seltsames flinkes Treiben stellte sich nach ein paar gestikulierten Worten der Tochter des Fürsten ein und allerlei Dinge wurden herbei gebracht.
Zwei feste Taschen, eine davon so genäht, dass man die vielen Lagen wasserdichten Stoffes auseinanderfalten konnte und ein Zelt gewann, Feuersteine, ein Tiegel mit einer schwarzen, öligen Paste, vermutlich hoch brennbar, Seil, ein scharfes Messer mit Scheide und Gürtel, ein Wasserschlauch, ein Beutel mit Viro bekannten Kräutern die den Durst milderten, eingewickeltes und gesalzenes Trockenfleisch und ein paar Wurzeln, ein kleiner Kessel, der auch als Tasse oder Schüssel dienen konnte, ein Tiegel mit Kamelfett zum imprägnieren und ein Satz neue Kleidung, inklusive eines dieser weiten gewickelten Mäntel, die das Gesicht verbargen. Alisar hatte die Farbe schwarz für Viro gewählt, wie alles was er nun eingepackt bekam. Sein Buch fand perfekt Platz in dem Falt-Taschen-Zelt. Insgesamt war alles zusammen eine gute Überlebensausrüstung.
Überlebensausrüstung