Spiel der Ratten

Im Norden des Waldes Arus, ganz nah am Drachengebirge, befindet sich ein scheinbar unendlich tiefes Loch, gehüllt in Stein. Der Eingang zum Reich der Nachtelfen, fast friedlich haben sie unterirdisch ihre Stadt erbaut.
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Die Nachtelfen wissen nun über den dunkelelfischen Angriff auf Pelgar, sowie die Besetzung der Stadt Kosral Bescheid. Sie treffen Sicherheitsvorkehrungen, für den Fall, dass auch ihr Reich erobert werden soll. Die lange Treppe zum Stadttor wird nun durch verborgene Verteidiger bewacht. Bitte berücksichtigt dies, wenn ihr im Reich der Nachtelfen spielt.
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Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Samstag 26. Juni 2021, 22:58

Silas kommt von Ruf der Ratten

Nachdem die Tür der Dunkelschenke hinter Silas ins Schloss fiel, herrschte für einen Moment eine unbequeme Stille die nach dem schlechten Gewissen greifen wollte. Er wurde von Nebelschwaden eingehüllt und das Licht war um einiges finsterer, als noch bei seiner Ankunft. Lange war er nicht hier gewesen, trotzdem erschien es so, als ob die Leuchtpilze und die wenigen Fackeln an Kraft verloren hatten. Irgendwo hörte Silas das Getrippel von Ratten und das böse Fauchen einer Katze die im Dunkel ihre Beute machen wollte. Vielleicht erinnerte sich Silas an das Kinderspiel, bei dem sich jemand versteckte. Und wie es war, wenn man darauf wartete, entdeckt zu werden. Dieses nagende Gefühl, das Adrenalin, welches einen durchströmte. Es war eine Art Nervenkitzel, die er mit seiner Tat um ein Vielfaches steigerte. Doch die Gelegenheit war viel zu günstig gewesen. Was hätte er denn tun sollen? Er brauchte das Geld und Balius schien nicht gerade willens gewesen zu sein, ihm zu helfen. Und selbst wenn, er hätte sicherlich Stunden, Tage und Wochen schuften müssen, nur um festzustellen, dass das Geld gerade mal für eine Diagnose gereicht hätte, nicht aber für die Behandlung. Plötzlich brandete im Innern der Schenke lauter Tumult auf, der sich jedoch schnell als der erneute Beginn des Kampfes herausstellen sollte. Bisher hatte offenbar niemand gemerkt, dass der Beutel mit dem Einsatz verschwunden war. Und der Jüngling, der offen vor aller Augen dagestanden und nach Arbeit gefragt hatte. War sich Silas dessen bewusst? Konnte er überhaupt einen klaren Gedanken fassen? War es nicht offensichtlich, was er getan hatte? Und wusste Balius nicht, zu wem er gehörte? Doch all das war jetzt in diesem Augenblick nebensächlich, denn wenn Silas nicht augenblicklich das Weite suchte, dann wäre der zweifelhafte Umstand, dass er mit seiner Beute entkommen war, sicherlich vorüber. Die Gasse vor ihm, durch die er gekommen war, lag vollkommen leer vor ihm. Niemand da, der Notiz von ihm oder seiner Tat nehmen konnte. Die Schenke lag recht zentral im Schattenschleicher-Viertel und es führten überall kleine Gassen und Wege ins tiefe Dunkel. Würde sich Silas zu seiner Linken begeben, käme er zwangsläufig zum Marktplatz und dem Händler-Viertel. Zu seiner Rechten befand sich in einigen Gassen entfernt das Manthala-Viertel. Rücklings der Schenke, käme er in die Mitte des Reiches und zur großen Wendeltreppe die, seit die Dunkelelfen überall den Vorstoß wagten, mit mehreren Soldaten bewacht wurden. Morrin hatte Silas davon erzählt, dass die Stadtwache durch versteckte Kämpfer verstärkt wurde. Wohin ging ein Dieb, der bis zu diesem Moment nicht mal wusste, einer zu sein? Doch bevor sich Silas in Ruhe Gedanken machen konnte, hörte er einen Satz aus der Spelunke hinter sich, der ihm sofort die Entscheidung abnehmen sollte, wohin er lief: „Wo ist der verdammte Junge?! Er hat den Beutel!“. Wessen Stimme das war, war völlig unerheblich. Es war und musste das Signal sein, damit der Mischling endlich das Weite suchte. Egal wohin, egal wie weit. Er musste weg, wenn er vermeiden wollte, geschnappt zu werden. Denn eines war klar: Diese Halunken würden Silas ganz sicher nicht der Stadtwache überlassen. Sie würden sich höchstpersönlich um den Langfinger kümmern.
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Silas Círenas
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Sonntag 27. Juni 2021, 17:02

Es war der längste Abend in Silas‘ Leben. Die Sekunden der Stille, als die Tür der Spelunke hinter ihm ins Schloss fiel, schienen einer Ewigkeit zu gleichen. Sie wirkten wie Minuten, Stunden und Tage. Eine nicht vergehende Zeit, in der Silas in sich selbst nach einer passenden Antwort – einer gar passenden Reaktion zu seiner Tat – suchte. Aber die Wahrheit war, dass er nicht wusste, was er fühlen sollte. Was er denken sollte. Tatsächlich war es für ihn keine Frage des Könnens oder des Wollens gewesen. Heute Abend, hier und jetzt, hatte er keine andere Option gesehen. Egal wie sehr er sich selbst dagegen sträubte, egal wie sehr er diesen Weg eben nicht gehen wollte – es war die einzige Lösung, die nicht in tage- und wochenlanger Schufterei endete, nur, um ihn finanziell gesprochen auf derselben Ebene, nur weitaus erschöpfter, zurückzulassen. Tja, bist du jetzt einfältig oder verzweifelt?, die Worte des Wirten hallten in seinem Kopf nach. Sie glichen einem Echo, welches sich wellenartig hinter den Knochen seiner Schädeldecke ausbreitete.

Der junge Elf hatte sich die Hände bis hoch zu den Ellenbogen schmutzig gemacht, obwohl er wusste, dass er diesen Dreck niemals wieder würde abwaschen können. Doch wenn er damit die Katastrophe abwenden würde können, wenn er durch diese eine, waghalsige Entscheidung doch nur die Lösung für eines seiner Probleme gefunden hätte… Ohne zu zögern würde er wieder und wieder kopfüber in die Scheiße springen, bis über beide Ohren in sie eintauchen, wenn er dem Ganzen dadurch nur irgendwie Einhalt gebieten könnte. Noch gestern, unter den Blicken seiner Geschwister, hatte er sich selbstsicher gefühlt, und stark. Ich werde tun, was nötig ist, hatte er gesagt. Heute musste er voller Entsetzen feststellen, dass er sich geirrt hatte. Er hatte seine Kräfte überschätzt. Hinter ihm lagen zwei schlaflose Nächte. Oder waren es schon mehr? Wann hatte er das letzte Mal wenigstens fünf Stunden am Stück geschlafen? Wann war das gewesen? In welchem Leben? In dem ausschlaggebenden Moment als er nach dem Beutel gegriffen hatte – war er überhaupt in der Lage gewesen, einen klaren Gedanken zu fassen? Er hatte die Konsequenz seines Tuns bewusst, jedoch eher als unangenehme Randerscheinung in Kauf genommen. Die Münzen, die er so dringend benötigte, waren so nah gewesen und die Aussicht auf kurzfristigen Erfolg hatte alles andere überlagert – nichts anderes schien von Bedeutung. Nicht Balius, der ihm höchstwahrscheinlich eigenhändig die Haut von den Knochen peitschen würde, nicht die Meute zornigen Gesindels, die sich ihm unweigerlich an die Fersen haften würde.

Zwei innere Stimmen kämpften hierbei in Silas um die Oberhand. Die angemessene, respektvolle Furcht und die aufsässige, unbändige Sturheit dessen, was sich wohl Kampfgeist nannte. Es schien, als würde letztere den Kampf für sich entscheiden. Ohne diesen nachtelfischen Biss, dieser unmerklich dahinschwelenden Wut im Bauch, welche vielen armen Leuten anhaftete, wäre er an der Scham, die sich seiner bemächtigt hatte, mit Sicherheit erlegen. Aber jener Kampfgeist verlangte ihm auch einiges ab: er musste sich zusammenreißen, verschließen, durfte sich äußerlich nichts anmerken lassen. Die meisten verstanden diese Distanz als Verachtung, als Arroganz. Wenn bloß nie jemand erfuhr, was ihn dieser Gleichmut kostete!

Silas sog zitternd die kühle Abendluft in seine Lungen und versuchte gehetzt, sich in der Dunkelheit einen Überblick zu verschaffen. Wo lang? Er wollte nur noch fort – fort von der Schenke, fort von der Angst. Und fort von der Scham, welche momentan sein ganzes Sein durchdrang. Er wollte einfach nur nach Hause. Augenblicklich schaltete sich der Mischling ins Jetzt zurück. Panisch riss er sich von diesem Gedanken los. Nein, er konnte jetzt unmöglich heim, er durfte nicht locker lassen. Im Inneren der Schenke brandete lauter Tumult auf und Silas‘ bleicher Körper überzog sich mit einer Gänsehaut, vom Scheitel bis zur Sohle. Angst peitschte auf ihn ein, verschlug ihm vorübergehend die Sprache, erstickte und lähmte ihn, ehe er erkannte, dass es sich hierbei lediglich um den Beginn eines weiteren Kampfes handelte. Unwillkürlich dachte der junge Elf an den Beutel, den er immer noch verzweifelt umklammert hielt, und in seinem Inneren verfestigte sich die paranoide Gewissheit, dass jede Rattengrube, jedes Gefängnis, jedes Verlies und jede Folterzelle des nachtelfischen Reichs sich bereithielt, nur um ihn, diesen goldäugigen Elfen, diesen einfältigen Narren, hinter die eigenen Gitter zu bringen. Im letzten Monat war er um viele Jahre gealtert. Und der Traum, in dem es einen Morgen gab, nachtelfisches Tageslicht auf dem Boden und einen geliebten Menschen, der mit dem Geschirr klapperte, entrückte sich unaufhaltsam seiner Reichweite. Vielleicht taugte dieser Traum nicht für ihn, vielleicht taugte auch er nicht für diesen Traum. Vielleicht war der Traum einfach zu etwas Unerreichbarem geworden – und hatte damit seinen Sinn verloren.

Vielleicht war es sein Schicksal, in die Falle zu gehen. Die Welt, die Silas umgab, hatte sich mit ihm verändert. Früher war er einfach nur ein grauer Mischling gewesen, eine Ratte, die durch verwinkelte Gassen und über breites Gehsteigpflaster lief, das sich neugierigen Blicken wie Jägern gleichermaßen offen darbot. Es hatte erbarmungslose, berechnende Jäger gegeben, aber auch Wege ins Dunkel und eine kühle Kanalisation, in der er sich verstecken konnte. Jetzt stand er weitaus mehr Jägern gegenüber, und das Gehsteigpflaster hatte sich in ein gläsernes Schachbrett verwandelt – die goldäugige Ratte aber, die sich völlig verausgabt hatte, sah nun Abgründe unter sich und grauenvolle Schluchten, die sich ihr Verstand früher nie hätte ausmalen können.

„Wo ist der verdammte Junge?! Er hat den Beutel!“

Mit einem Mal schien sich die Dunkelheit zu verdichten - und der Entschluss, in welche Richtung er rennen sollte, fiel ihm wie Sand von den Augen. Auf seiner Flucht berührten seine Füße kaum den Boden und nachdem er eine ganze Weile durch die nächtlichen Straßen gerannt war, befand er sich in einem Zustand krankhafter Leere. Mit jedem Schritt fühlte er sich niederträchtiger, tiefer gesunken, ein Wesen, dem man nicht mehr in die Augen blicken konnte. Die nebelige Gasse, die Silas keuchend entlang preschte, wurde nur von einer einzigen, flackernden Straßenlaterne, am anderen Ende der Straße erhellt. Sein Atem ging stoßweise und viel zu schnell, als dass es noch hätte gesund sein können und auch das schmerzhafte Seitenstechen nahm an bestialischer Größe zu. Schweißperlen sammelten sich an seiner Stirn, die weißen Haarspitzen verklebten dem jungen Mischling beinahe die Sicht. Der Heiler. Er musste das Wohnhaus des Heilers finden. Silas würde nicht warten, bis er nach Tagesanbruch nach ihm schicken lassen könnte - er würde ihn höchstpersönlich aus dem Schlaf hämmern, wenn es sein musste. Der junge Elf wusste, dass er an den kleinen Erfolg, den er durch die Ergatterung des Münzbeutels erlangt hatte, anknüpfen musste und dabei keine Zeit verloren gehen durfte. Balius und seine Meute würden ihn früh genug in die Mangel nehmen, wenn sie seiner Spur auf die Schliche kamen. Alles an seiner Situation drängte ihn also zum Äußersten. Silas musste handeln, bevor er sich seinem äußert unangenehmen Schicksal stellen konnte - es durfte einfach nicht umsonst gewesen sein. Gib nicht auf. Noch nicht. Er besaß den Anhaltspunkt eines Sichelmondes, welcher den Eingang des Heilers zieren sollte, zudem wusste Silas, dass sich jener wohl nahe der Wohnhütte einer ehemaligen Kundin angesiedelt hatte. Würden Silas diese Umstände die Suche nach einem Fremden erleichtern? Er verschwendete keinen Gedanken daran, ließ sich lediglich vom Rausch des Adrenalins treiben, doch war sich der junge Elf nicht zur Gänze bewusst, was oder wen er hinter dem Titel des Heilers erwarten sollte. Nicht besonders einfallsreich ging Silas wohl unbewusst davon aus, einen alten, griesgrämigen Nachtelfen aus den Federn zu poltern, so hatten die meisten Heiler ausgesehen, denen er in seinem Leben bereits begegnet war - obwohl er im Grunde gar keine weiteren Informationen darüber besaß, welches Alter oder Geschlecht er bei seinem Gegenüber zu erwarten hatte.

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Montag 28. Juni 2021, 00:23

Wen hätte Silas um Rat fragen sollen? Wer hätte sich seine Geschichte angehört und ihm eine Richtung gewiesen? Hier in diesem Viertel ging es den meisten Elfen wie ihm. Niemand kümmerten seine Sorgen, denn sie alle hatten ihre Päckchen zu tragen und mussten zusehen, woher sie die nächste Mahlzeit oder den nächsten Schlafplatz bekamen. Es war das Resultat einer Herrschaft, die sich nicht darum scherte, das ein Großteil des Volkes Hunger litt und bettelarm durch die Dunkelheit schlich. Korruption, Gier und Neid waren allgegenwärtig und jeder kämpfte für sich alleine. Und auch Silas tat das. Er hatte eine Chance gesehen und sie kurzerhand ergriffen. Konnte man ihm das verdenken? Nun diejenigen, die um ihr weniges Geld betrogen wurden, konnten das ganz sicher.
Für sie ging es nicht um rührselige Geschichten und sie alle warteten mit eben solchen Erlebnissen auf. Silas stahl von jenen die ebenso ums Überleben kämpften, wie er selber um das Leben seiner Mutter. Wusste er das insgeheim und schmerzte deshalb das schlechte Gewissen? War das die Last, die ihn quälte? Oder lag es viel mehr daran, dass er im Grunde seines Herzens nichts Schlechtes tun wollte und das, obwohl er seinen Schwestern versprach alles nötige zu tun, erst jetzt wirklich erkannte, wo die Tat begangen war?

Silas hatte keine Zeit sich darüber intensiv den Kopf zu zerbrechen. In der Schenke hatte man seinen Verrat bemerkt und er musste zusehen, dass er Land gewann, sonst wäre all das hier umsonst gewesen und er hätte tatsächlich jegliche Chance auf Hilfe für seine Familie verwirkt. Ob sie ihn nun halbtot prügeln und in der Gasse verrotten lassen wollten oder doch der Stadtwache übergeben wollten. Beides bedeutete ein Scheitern seines Planes. Als die Stimme im Innenraum lospolterte, konnte Silas spüren, wie sich die Erkenntnis, entdeckt worden zu sein, über ihn ergoss wie ein Eisbad. Sofort durchströmte ihn das Adrenalin das alle körperlichen Funktionen auf Flucht stellte. Silas fackelte nicht mehr lange. Er fasste den Entschluss, sich sofort zum Haus des Heilers zu begeben. Er musste sofort für Abhilfe schaffen, das teuflische Diebesgut für den guten Zweck einsetzen, vielleicht wäre Manthala dann seiner Seele gnädig.
Noch bevor die dunkle Holztür zur Dunkelschenke auffliegen und grobe Hände ihn packen konnten, verschwand Silas flink durch die Gasse und aus der Sicht. Er konnte hinter sich hören, wie ein dutzend Stiefel auf das Kopfsteinpflaster traten und rasch den Schritt beschleunigten. Er lief, mehr kopflos denn mit Verstand, durch die Gassen, die plötzlich alle völlig gleich aussahen. Hinter sich hörte er die Verfolger, die hartnäckig seiner Spur folgten. Immer wieder konnte der Mischling in seinem Rücken hören, wie wütende Rufe laut wurden und einer von ihnen, der verdächtig nach Balius klang, polterte: „Los! Aufteilen! Wir schneiden ihm den Weg ab!“. Dann stoben einige Fußpaare zu allen Seiten davon und plötzlich war es, als ob die Schritte von überall her auf ihn zu kamen.

Die kleinem Gassen echoten alles wieder, verzerrten die Wahrheit und gaukelten eine wahre Flut an Verfolgern vor. Wie sollte Silas da entkommen? Schnell und wendig, zwei Eigenschaften die ihm bereits oft geholfen hatten, wetzte der halbe Nachtelf durch die Gassen des Schattenschleicher-Viertel und schaffte es tatsächlich seinen Vorsprung auszubauen. Die Schritte in seinem Nacken wurden etwas leiser, sodass er sich erlaubte, einen Moment anzuhalten um zu verschnaufen. Sein Körper war derartigen Anstrengungen einfach nicht gewachsen. Nicht nach endlos schlaflosen Nächten, zu wenig Nahrung und all den unzähligen Entbehrungen seines jungen Lebens. Einen Sprint mochte er zurücklegen können, doch einen Marathon? Die Gefahr war noch nicht gebannt, denn er konnte immer noch um sich herum Schritte und Rufe hören und dennoch hatte er sich eine Pause mühsam erkämpft.
Keuchend und mit fiesen, stechenden Schmerzen in den Seiten, musste er sich etwas sammeln. Sein Ziel lag ihm klar vor Augen, doch wie sollte er es finden? Er befand sich kurz vor dem Manthala Viertel und wusste, dass die Chancen gut standen, dass sich der Heiler hier irgendwo aufhalten musste. Plötzlich trat aus einer Gasse in seinem Rücken ein junger Elf mit schlohweißem Haar. Für Sekunden starrte er Silas an, dann öffnete sich unheilvoll sein Mund und eine viel zu laute Stimme begann zu rufen: „Hier ist er!“, woraufhin das unheilbringende Knirschen von Sohle auf Stein wieder zunahm. Der junge Elf musste weiter, wenn er nicht festgesetzt werden wollte. Immer darauf bedacht, den wertvollsten Beutel in seinem bisherigen Leben, nicht fallen zu lassen.

Hinter ihm überbrückten die Häscher die Distanz zu ihm und er konnte keine Rücksicht auf seinen Atem oder seine Schmerzen nehmen. Er musste laufen, sonst wäre alles aus. Es dauerte noch gefühlt zähe Minuten, bis sich das Bild der Gassen und Häuser veränderte. Die Gebäude waren etwas weiträumiger angeordnet, die Gassen breiter und vor allem gepflegter, als noch im Schattenschleicher-Viertel und es gab hier generell eine latent bessere Beleuchtung. Silas überquerte eine unsichtbare Grenze zwischen zwei Welten im selben Reich und ließ sich von der Angst antreiben. Was sie wohl mit ihm machen würden, wenn er ihnen in die Falle ging? Silas konnte spüren, wie sein Körper drohte zu streiken. Die Anstrengung des Laufes war allgegenwärtig und seine Lungen hatten massiv Probleme, Luft in sich hineinzupumpen. Seine Finger, die sich um den Hals des Beutels gekrallt hatten, fühlten sich taub an und die Knöchel traten weiß hervor, was die kleineren Blessuren nur umso deutlicher zeigte.
Als Silas um die nächste Ecke lief, hatte er nur die Chance, noch einmal rechts zu laufen und fand sich augenblicklich in einer Sackgasse wieder. Er musste aufpassen nicht gegen die steinerne Wand zu prallen, so unvermittelt tauchte sie vor ihm auf. Hinter sich konnte der Mischling die Stimmen dicht bei sich hören und wenn er sich umdrehte, um einen anderen Weg zu suchen, musste er feststellen, dass es zu spät war. Nur einige Sekunden später, wenn ihn die Erkenntnis vielleicht schon durchzuckte, traten aus dem Zwielicht, mit tanzenden Nebelschwaden um den Beinen, drei Gestalten. Trotz seiner Mischlingsherkunft, hatte sich auch das Gold seiner Augen an die Dunkelheit, die allumfassend war, gewöhnt und so erkannte er, sofern dazu aufgrund der Anstrengung in der Lage, dass Balius in der Mitte stand und die beiden Streithähne aus der Schenke, ihn links und rechts flankierten. Balius lächelte böse und trat mit seinen Schergen etwas näher, als er dem Jungen freudlos applaudierte. „So, Bursche. Dachtest wohl, du packst dir einfach unser Geld und entkommst damit, was?“, knurrte er und ließ keinen Zweifel daran, was er dachte. Silas hingegen hatte nicht viele Möglichkeiten, da die Gasse hinter ihm keinen weiteren Ausgang besaß und sich lediglich einige Holzkanten, achtlos weggeworfen, am Boden wiederfanden.
Er saß in der Falle und einzig der Weg auf die drei Nachtelfen zu kam für eine Flucht in Frage. Doch es dauerte nicht mal lange, da bekamen die Schenkengäste rund um Balius, noch mehr Verstärkung. Einige der Gäste hatten sich der Hetzjagd angeschlossen, ging es schließlich auch um ihr Geld, das Silas da in dem Beutel hielt. „Gib uns das Geld, Junge.“, sagte Balius und der größere der beiden Kontrahenten, erhob das Wort: „Dann tun wir dir nicht-“, er wurde von dem Kleineren unterbrochen, der seinen Satz beendete: "… ganz so sehr weh.“.

Ein gieriges Grinsen schlich sich auf seine Züge und er sah aus, als ob er für heute noch nicht genug Prügel eingesteckt hätte. Die Gruppe von ungefähr 7 Nachtelfen, zog ihren Ring aus Feuer immer enger und schloss Silas mehr und mehr in der Gasse ein. Inzwischen war kein Entkommen mehr möglich und Silas stand einmal mehr in seinem Leben, mit dem Rücken zur Wand. Wann war er in seinem Leben eigentlich auf die Abschussliste geraten? Wann hatte sein Schicksal beschlossen, sich von ihm abzuwenden und ihn damit als hoffnungslosen Fall zu deklarieren? War denn auf dieser großen Welt kein Quäntchen Glück für ihn übrig? Bevor eine verbalisierte Antwort, auf diese Frage, möglich wurde, preschte einer der Elfen nach vorne und packte Silas am Kragen. Er hob ihn sogar ein Stück von seinen Füßen, bevor etwas völlig abstruses geschah: Für den Bruchteil einer Sekunde, durchzuckte ein grelles Licht die Sackgasse und ließ jeden in ihr sofort erblinden. Das Licht war so hell gewesen, dass alle Nachtelfen geblendet waren, sich die Hände vor ihre Gesichter pressten und vor Schmerzen jaulten. Silas, selber geblendet und blind, spürte noch wie er losgelassen wurde, seine Füße wieder den Boden berührten und hörte auch das Ächzen und Jaulen der Häscher, die unter dem Licht litten. Dann spürte der Jungelf zwei Hände an seinen Schultern, die ihn bestimmend mit sich zogen.
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Silas Círenas
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Montag 28. Juni 2021, 15:19

Silas stach es in den Seiten, den Lungen, dem Magen und beim Gedanken an Zuhause auch tief im Herzen. Er rannte, so schnell ihn seine Beine trugen, durch das nächtliche Labyrinth der Straßen – eine zitternde Fliege, die versuchte, dem Netz der Spinne zu entkommen, hilflos darin verwoben. Pulsierend rauschte das Blut durch seine Ohren, alles um ihn herum wurde grau. Hatte er sich verlaufen? Wo lang? Ein Dutzend Stiefel trommelten über das Kopfsteinpflaster, wütende Stimmen mischten sich unter die unheilvollen Geräusche, mit denen seine Verfolger durch die Gassen und Winkel hetzten. Silas wusste nicht, ob es der Schauer der Angst war, oder bloß öliger Schweiß, der sich den Weg seinen Rücken hinab bahnte. Panik, mit eisigen, steifen Krallen, bohrte sich in seinen Geist - sie kamen von vorne, rechts und links. Sie waren überall. Sie umzingelten ihn. Zumindest gaukelte ihm dies sein Verstand vor als er versuchte, die verschiedenen Echos der kleinen Gassen zu deuten.

In einem finsteren Gassenwinkel ließ er sich für einen Moment, als er glaubte, die Schritte in seinem Nacken würden sich entfernen, kraftlos gegen die kühle Steinmauer sinken. Nicht mehr lange. Nicht mehr lange und er würde sich übergeben müssen. Vor Angst und Überanstrengung und weil sein Körper diesen Sprint nach den Strapazen der letzten Tage nicht protestlos über sich ergehen lassen würde. Er schlug die Finger seiner rechten Hand in die steinernen Spalten der Mauer, hielt sich krampfhaft aufrecht und lehnte die Stirn gegen seinen Unterarm. Sein Brustkorb pumpte, ein äscherner Geschmack hatte sich in seinem Rachen verteilt und ein Schwindelgefühl, als säße er auf einer Töpferscheibe, übermannte ihn. Ein Atemzug jagte den nächsten, er keuchte, schnappte erschöpft nach Luft. Das Rasseln seiner überanstrengten Lunge zwang ihn beinahe in die Knie. Ich muss weiter. Sie werden mich finden, sie wer-… Silas fuhr herum als er das Knirschen in seinem Rücken vernahm – und starrte dem fremden Elfen mit großen, runden Augen ins Gesicht. „Hier ist er!“ Scheißescheißescheiße! Stolpernd, rudernd stürmte Silas durch die Dunkelheit, blinde Panik trieb ihn ins schweißtreibende Rennen. Sie waren ihm auf den Fersen, so dicht, dass er ihren Atem bald im Nacken spüren müsste. Der Gedanke an Balius‘ Pranken ging ihm nicht aus dem Kopf, er musste daran denken, musste sich fürchten. Beinahe hätte er sich umgedreht, hätte dem Impuls, sich umzusehen, nachgegeben, aber Silas wusste, wenn er das tat, würde er den Verstand verlieren. Das letzte bisschen Verstand, das ihm noch geblieben war. Ich darf nicht stehen bleiben, nicht zurückschauen. Verwirrung schlug über seinem Kopf zusammen, als er in der nächsten Abbiege beinahe gegen eine Mauer geprallt wäre.

Silas fror in seinen Bewegungen ein und blinzelte. Der Puls raste an seiner Kehle. Schweißperlen bahnten sich unaufhaltsam ihren Weg über seine Schläfen, den Hals hinab bis zu der zarten Erhebung seiner Schlüsselbeine. „So, Bursche. Dachtest wohl, du packst dir einfach unser Geld und entkommst damit, was?“, erklang es finster über seiner Schulter. Balius, flankiert von den Streithähnen der Bar, schälte sich aus den Schatten der Gasse. Silas fuhr herum und wich unwillkürlich einen Schritt zurück, sein Adamsapfel hüpfte angespannt als er den säuerlichen Speichel schluckte, der sich in einem Anflug angstbesetzter Übelkeit in seinen Wangen gesammelt hatte. Die Situation wurde gefährlich. Ihm blieb keine Fluchtmöglichkeit - panisch hatte er den Blick über die Ecken und Kanten der Sackgasse wandern lassen, doch bis auf die wenigen verstreuten, abgebrochenen Holzteile war ihm nichts aufgefallen. Silas zuckte angesichts des schmierigen Grinsens zusammen, welches Balius zur Schau stellte, während auch die restlichen Tavernengäste sich in dem Halbkreis einfanden, der Silas in die Enge trieb. Dann endlich erkannte der Mischling, was ihm schon seit Anbeginn seiner kopflosen Flucht tief in der Seele gebrannt, was ihn betäubt und gelähmt hatte und ihm nun das Herz zuschnürte. Es gibt keinen Ausweg. Mit dem Gedanken hatte sich Silas dem entledigt, hatte das erste Mal ausgesprochen, was ausgesprochen werden musste, hatte sich nicht mehr gegen die Erkenntnis gewehrt, nicht mehr gekämpft, sondern angenommen. In diesem Moment hatte er die Scham umarmt, die Leere begrüßt und das Einzige getan, was überhaupt eine Aussicht auf Erfolg hatte. Er ergab sich dem Griff desjenigen, der ihn am Kragen packte und mit ungeahnter Kraft von den Füßen hob - er umfasste das Handgelenk des Fremden, doch der Druck, der sich in seiner Kehle aufbaute, entlockte ihm ein luftloses Stöhnen. Er würde versuchen müssen, seinen Kopf zu schützen - ein erstaunlich geistesgegenwärtiger Gedanke, trocken, ruhig. Seine Angst wich einer beunruhigenden Gelassenheit. Gebrochene Knochen und gestauchte Gelenke würden heilen, doch innere Verletzungen und Schädelwunden würden nur im besten Fall einen langen Heilungsprozess nach sich ziehen, wenn überhaupt...

Gleißendes Licht flutete die Gasse, erhellte mit einem Mal jeden Winkel, jede Ecke, vertrieb die Finsternis auch aus der letzten Nische - ein weißer Blitz, der nicht nur Silas vollkommen unvorbereitet traf. Ein generalisierter Aufschrei war die Folge - die Hand um seinen Kragen lockerte sich unter schmerzverzerrtem Jaulen. Der durchgebeutelte Mischling registrierte nur beiläufig, wie er wieder auf seinen zittrigen Beinen landete, zu sehr war er damit beschäftigt, sich mit den kühlen Armen die geblendeten Augen zu bedecken und strauchelnd ins Gleichgewicht zu finden. Silas hustete, keuchte und wimmerte leise ob des stechenden Schmerzes, den sein empfindlicher Augennerv bis hinter die Stirn weiterleitete. Verdammt! Was ist passiert? Blind und orientierungslos taumelte Silas vorwärts, als zwei Hände nach seinen Schultern griffen, ihm eine Richtung diktierten. Was... Wer... Seine Umgebung ächzte und stöhnte und Silas folgte dem Druck, der ihn vorantrieb, mit watteweichen Beinen. Er fühlte sich überrumpelt, verletzlich in seiner Blindheit, doch er widerstand dem Drang, sich dem fremden Griff zu entwenden. Stattdessen stolperte er Schritt um Schritt in kompletter Finsternis, die Augen von der freien Hand bedeckt, während er den wertvollen Beutel auch weiterhin krampfhaft an seinen Leib gedrückt hielt. Blinzelnd bemühte er sich um die Klärung seines Blicks, doch noch immer tanzten weiße Fäden durch sein Blickfeld, ließen seine erschöpften Augen tränen. Schmerz durchzuckte seine Schläfen. "Ich..", setzte er nach einer ganzen Weile Stillschweigen an, doch er brach ab, presste die Lippen aufeinander, bis sich eine stramme Linie bildete. "Wohin... Ich kann nichts sehen.", krächzte Silas schließlich heiser. War das vorhin eine Explosion? Nein. Magie? Lichtmagie? Im Reich der Nachtelfen? "Wer seid Ihr?", die Frage kämpfte sich über seine ausgetrockneten Lippen, ehe er sich eines Besseren besinnen konnte. Wollte er denn wirklich wissen, wer ihn da aus den Fängen von Balius' Gesindel befreit hatte? Versteckte sich hinter Frage möglicherweise eine Antwort, die er gar nicht hören wollte? Andererseits... konnte es noch schlimmer kommen? Natürlich, schlimmer geht immer. Das man ihn aus einer derart misslichen Lage befreit hatte, konnte in Silas' Welt nur bedeuten, dass ihn ein noch schlimmeres Schicksal erwarten würde, oder?

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Montag 28. Juni 2021, 19:12

Es war nicht einfach eine Jagd nach einem Dieb, der sich bereichern wollte. Es war auch nicht einfach nur der Versuch sich an einem Schwachen zu vergreifen, der sich gewiss nicht unter normalen Umständen mit den Halunken des Reiches angelegt hätte. Hier ging es um mehr, zumindest für den Mischling mit den goldenen Augen. Für Silas war die Jagd durch die Gassen des Reiches der Nachtelfen, seiner Heimat in der er aufgewachsen war, auch die Jagd auf seine Hoffnung. Auf den Sieg des Kampfes, den er seit geraumer Zeit führte. Er arbeitete sich den Rücken krumm und die Seele wund. Alles für seine Familie, sein ganzes Leben schon. Und jetzt? Jetzt hatte er endlich mal die Chance, sich einen Vorteil zu verschaffen und wurde gejagt, physisch durch diejenigen die ihr Geld zurückhaben wollten und psychisch durch die hämmernde Angst, dass sein Handeln weitaus mehr Konsequenzen haben konnte, als er absehen würde.
Die Angst mit der er im Nacken lief, hielt sein Herz fest umklammert, gleich dem Lederbeutel in seinen Händen. Alle Sinne richteten sich nur noch auf das, was vor ihm lag. Er wagte den Blick zurück nicht aus Panik, er könnte scheitern. Und für einen Augenblick sah es wirklich gut aus: Er hängte die Verfolger ab, trotz ihrer Überzahl und schaffte es sich einen Moment auszuruhen. Doch er merkte schnell, dass sein Körper nicht für solche Dinge gemacht wurde. Er hatte einfach keine Reserven zur Verfügung und sein Körper rebellierte vehement in Form von Übelkeit, Herzrasen und Schwindel. Das Schicksal, die Götter, das Leben, egal woran man glauben mochte, schien sich aber einem grausamen Spiel zu erfreuen, denn der Jungelf wurde entdeckt und weiter getrieben, weiter und weiter.

Seine Schritte hallten ohrenbetäubend von den Hauswänden wider und ließen ihn kaum erahnen, was seine eigenen Geräusche waren und welche den Häschern gehörten. Sie trieben ihn. Trieben ihn wie der Jäger seine Beute trieb, um sie mürbe zu machen, müde und dann zu zuschlagen, wenn gewiss war, dass das Opfer sich nicht mehr würde wehren können. Hätte Silas ein Bisschen mehr Glück verdient, hätte er ein Bisschen mehr Gottessegen erhalten, er wäre sicherlich nicht in die ausweglose Sackgasse geraten, die ihn auch noch zu verhöhnen schien, indem dort einige kaputte Holzkanten lagen, die zwar Waffe riefen, aber gegen die 7, zum Teil breitschultrigen, Verbrecher nichts ausrichten könnten.
Es kam gar nicht in Frage, dass er sich damit bewaffnete, denn wie sollte er nach all der Anstrengung und der Resignation, die sich langsam ausbreitete, noch ein Kantholz schwingen und überzeugende Arbeit leisten? Nein, er ließ es geschehen, als sich die schweißigen Hände um seinen Kragen legten und ihn, schmächtig wie er war, empor hoben. Er konnte den Atem des Elfen riechen, der einiges an Bier intus haben musste. Die Hemmschwelle dürfte ordentlich herabgesenkt sein, so wie er roch.

Doch Silas fasste in diesem Moment einen äußerst klaren Gedanken. Anstatt vor Angst zu vergehen, vor Ohnmacht zu winseln, wurde er seltsam ruhig und klar. Wenn er schon nicht verhindern konnte, dass er sich nun verantworten musste und Prügel bezog, dann konnte er wenigstens dafür sorgen, dass er die Verletzungen glimpflich wegstecken würde. Selbst mit gebrochenen Knochen konnte er wenigstens noch für seine Familie da sein. Würden sie ihm Schlimmeres antun wollen, wären seine Schwestern, sein Bruder und seine Mutter auf sich allein gestellt. Was würde aus ihnen werden? Würde man ihn überhaupt finden?
Hier im Reich gab es so gut wie keine Verbrechensbekämpfung. Er würde vermutlich verschwinden, hier ein paar Münzen in die Tasche geschoben, dort ein Gefallen gefordert und niemand würde Silas je wiedersehen. Und dann spürte Silas, wie sich die Muskeln seines Gegenübers anspannten und er den ersten Schlag erwarten durfte. Doch statt eines Schmerzreizes, der sich an seinen Nervenbahnen entlang zu seinem Hirn empor schlängelte, durchzuckte völlig unerwartet ein grelles Licht die Gasse. Es dauerte nur eine Sekunde und reichte dennoch, jeden Nachtelfen in dieser Finsternis völlig kampfunfähig zu machen.
Silas hörte ein Stimmengewirr aus Ächzen, Jaulen und Stöhnen und spürte, wie er losgelassen wurde. Ein Kopfschmerz durchzuckte auch ihn, denn seine Augen waren völlig überreizt und protestierten pochend, gegen diese Behandlung. Er stolperte orientierungslos vorwärts, als sich Hände an seinen Schultern zu schaffen machten und ihn fest, aber nicht grob, dirigierten. Er spürte, dass er weiter vorwärts getrieben wurde und ab und an nach links und rechts gedrückt wurde. In diesem Moment konnte er deutlich stärkeres Wimmern hören, als würde er den sich windenden Nachtelfen in der Gasse ausweichen. Dann ging es einige Schritte gerade aus und die Hände entließen ihn für einen Moment aus dem Griff.
Noch immer konnte er nichts sehen und für einen Moment schien es, als wäre er alleingelassen. Sobald das Augenlicht genommen war, schalteten sich nach nur kurzer Zeit die anderen Sinne stellvertretend ein, sodass Silas schräg hinter sich eiliges Geraschel hörte und er dann, ungeachtet, ob er wegzucken würde, merkte, wie ihm ein Tuch um die Augen gelegt wurde, sodass er sie geschlossen halten musste, aber seine Hand nicht benötigte. Danach spürte er wieder die Hände, doch dieses Mal griffen sie nach seinen Armen. Links und rechts umfassten sie ihn und stützten ihn.

Erneut durfte er feststellen, dass sie ihn nicht grob packten. Allerdings würden sie ihn mit sich ziehen, wenn er stehen bleiben wollte. Seine Worte indes blieben unbeantwortet und er konnte lediglich an seiner Linken leise den Atem hören der, offenbar durch die Anstrengung ihn zu stützen, entwich. Die Hände an seiner Rechten, verrieten nichts weiter doch ein gewisser Geruch verirrte sich in seine Nase, der ihm flüchtig bekannt vorkam. Es dauerte nicht lange und doch verlor Silas eventuell das Zeitgefühl, als er wieder angehalten wurde. Er hatte spüren können, wie sie immer mal die Richtung geändert hatten, doch sehr weit sind sie nicht gegangen. So standen sie einen Moment und die Hände an seinem rechten Arm ließen ihn los, während die erstaunlich kühlen Finger an seiner Linken ausharrten.
Er hörte Schritte und dann so etwas wie Messing, das auf Metall kratzte, bevor er von den kühlen Fingern weiter bugsiert wurde. Die Geräusche veränderten sich, wurden dumpfer und hinter ihm fiel eine Tür ins Schloss. Silas wurde eingehüllt von Gerüchen, die seine Nase vielleicht erstmal überforderten. Was war das alles? Unangenehmes, Angenehmes, Brennendes, Wohltuendes… alles gleichzeitig. Da waren Kräuterdüfte, da war ein beißender Geruch nach Alkohol, etwas Eisenhaltiges… Blut? Seine Nase arbeitete auf Hochtouren, ohne das Augenlicht. Er hörte wie etwas über einen Holzboden scharrte, dann setzte er sich mit Hilfe der kühlen Finger wieder in Bewegung. Beinahe sanft wurde Silas hinunter gedrückt und er konnte spüren, dass er sich auf einen Stuhl setzte. Jetzt erst ließen ihn auch die Hände an seinem linken Arm los. Silas saß auf dem Stuhl, die Augen verbunden und konnte hören, wie sich Schritte entfernten. Es wurde eine Tür geschlossen, doch nicht etwa die selbe, durch die er getreten war.

Stille legte sich über ihn und erneut konnte man den Eindruck gewinnen, dass er alleingelassen wurde. Doch sein hervorragendes Gehör, konnte eine Atmung feststellen, irgendwo schräg hinter ihm. Dann erinnerte sich sein Gehirn an diesen seltsamen Geruch, der sich auch jetzt, zwischen all den anderen Gerüchen, einen Weg zu seinen olfaktorischen Fähigkeiten bahnte. Er roch süßlich, irgendwie…säuerlich.. plötzlich raschelte es erschreckend laut an seinem Kopf und ihm wurde die Augenbinde abgenommen. „Keine Sorge, deine Augen werden sich in den nächsten 5 Minuten erholt haben.“, drang eine tiefe Stimme zu ihm durch und der Geruch wurde intensiver. Sie war eindeutig männlich und irgendwie bekannt?
Noch hatte Silas Schwierigkeiten, etwas zu erkennen doch die hellen Blitze zuckten nicht mehr vor seinen Augen und langsam konnte er wieder Schemen erkennen. Er hörte hinter sich immer wieder Klappern und so etwas wie Stein, der auf Stein rieb. Gesprochen wurde weiter jedoch nicht. Plötzlich gab es einen lauten Knall, als wäre im Nebenzimmer etwas umgefallen. Das Reiben hörte auf, ein unwilliges Brummen folgte und energische Schritte entfernten sich. Die Tür, die Silas zuvor schon hören konnte, wurde geöffnet er konnte leise Zischlaute hören, als würde geflüstert werden, doch verstehen konnte Silas trotz seiner Elfenohren nichts. Danach fiel die Tür ins Schloss zurück, die Schritte kamen in seine Richtung und bauten sich vor ihm auf. „Und? Siehst du etwas?“, fragte die Stimme und tatsächlich löste sich in diesem Moment der Schleier von seinen Augen. Vor ihm stand der müffelnde Elf, aus der Dunkelschenke
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Mittwoch 30. Juni 2021, 00:25

Was für ein verheißungsvoller Auftakt für ein Gespräch!, dachte Silas finster als seine Frage unbeantwortet in der Stille verklang. Diese Nacht war an obskuren Ereignissen tatsächlich nicht mehr zu überbieten. Die Augenbinde, die man ihm zuvor angelegt hatte, schmiegte sich eng an seine empfindlichen Lider, welche noch immer ob der vorherigen Flut gleißenden Lichts zu protestieren schienen. „Was soll das?“, hatte er in einem schwachen Versuch aufbegehrt, sich jedoch nicht ernsthaft zur Wehr gesetzt und seinem Schicksal schlussendlich ergeben, schließlich hatte er seinen vermeintlichen Rettern – oder Entführern? – nichts entgegenzusetzen. Jeder übersäuerte Muskel in seinem Körper brannte und schmerzte in einem Ausmaß, das er nicht kannte und welches ihn angestrengt zittern ließ. Mit jedem weiteren Schritt drohte er tiefer in jene körperliche Erschöpfung zu sinken, die sich bereits die letzten Tage an ihn herangeschlichen hatte. Sämtliche Energie hatte er beim Versuch zu fliehen bis auf den letzten Tropfen aufgebraucht. Doch er hielt seine Schultern gestrafft und korrigierte die Spannung seiner Glieder, sobald er den Kräftenachlass bemerkte. Er musste aufmerksam bleiben, wach und bei klarem Verstand, durfte sich nicht vorzeitig in Sicherheit wägen. Bei Manthala, was passierte hier? Der Mischling spürte in die Berührungen an seinen Seiten hinein, mit denen man ihm sanft, jedoch bestimmt, den Weg dirigierte. Mittlerweile hatte er erkannt, dass er beidseits gestützt wurde – er meinte sogar, ein angestrengtes Aufatmen zu seiner Linken zu vernehmen, als er das eine oder andere Mal zu stolpern drohte. Überraschend kühl fühlte sich der Griff jener Seite an, selbst durch die feine Stoffschicht, die seinen Oberarm bedeckte, spürte er die erstaunliche Kälte der fremden Hände … Silas lauschte, schnupperte und rang um den Restbestand seiner Konzentration, versuchte, seine übrigen Sinne zu fokussieren. Das, was er wahrnahm, ließ ihn irritiert zurück. Verschiedenste Gerüche überlagerten sich, einer markanter als der andere und doch stellenweise seltsam vertraut. Die diversen Duftnoten entzogen sich ihm jedoch zu schnell, vermischten sich, sodass er keinen fixen Anhaltspunkt fand, woher die Vertrautheit rührte.

Seine Gedanken wurden abrupt abgelöst als man ihm mit einem sanften Ruck bedeutete, stehen zu bleiben. Wie lang waren sie schon unterwegs? Für Silas hätten es Stunden sein können und jede Zelle seines Körpers stöhnte, als wären es bereits Tage, die sie hier nun schon auf Wanderschaft waren - Zeit hatte sich in der Abwesenheit seiner Sehkraft zu etwas formlosen verzogen. Geräusche drangen an sein Ohr. Kratzendes Metall, eine Tür, die ins Schloss fiel, scharrendes Holz. Silas‘ Nasenflügel bebten – roch er da Blut? Und… Alkohol? Man bugsierte ihn vorwärts, drückte ihn in auf die Sitzfläche eines Stuhls, gegen dessen Rückenlehne er sich sogleich beinahe dankbar sinken ließ. Er hielt den Kopf gesenkt, das Kinn gen Brustbein gezogen und die spitzen Ohren zuckten, als erneut eine Tür geschlossen wurde – nicht dieselbe, durch die er hereingekommen war, wie er bemerkte. Dann… Stille. Hatte man ihn allein gelassen? Nein, gleichmäßige Atemzüge verrieten, dass sich irgendwo in seinem Rücken, ein paar Schritte entfernt, jemand aufhielt. Ein unheilvoller Schauer rieselte über seine Schultern. Ein Kloß würgte in seiner Kehle, er hörte, wie Gegenstände verrückt wurden, wie die Fremden ihre Positionen änderten, wie getuschelt und geflüstert wurde. Er knirschte mit den Zähnen. Es wäre einfacher zu ertragen gewesen, hätten sie ihn geohrfeigt, ihm gedroht, wenigstens irgendeine Reaktion gegenüber seiner Person gezeigt. Er wünschte, sie hätten nicht den Weg des Stillschweigens gewählt. In seinem Kopf herrschte Chaos. Nichts war, wie es sein sollte – nicht in dieser Situation und ganz bestimmt nicht in seinem Gehirn. Das war das, was ihn aus der Bahn warf. Der Mangel an Entspannung. Der sich ständig weiter aufbauende Druck, dem er nicht entkommen konnte. Silas hatte dem leisen Knirschen fremder Sohlen entnommen, dass man sich ihm genähert hatte, dennoch zuckte er zusammen, als man ihm die Augenbinde abnahm. Schon wieder dieser Geruch… säuerlich, süß, beißend… „Keine Sorge, deine Augen werden sich in den nächsten 5 Minuten erholt haben.“, die tiefe Stimme des Fremden trug eine vage Vorahnung an ihn heran. Konnte es sein? Er hatte diese Stimme bereits gehört. Silas wartete, sagte nichts, in diesem Raum führte Schweigen das große Wort.

Eine ganze Weile saß er da, gegen die Sessellehne gesackt, mit flackernden Wimpern, während er versuchte, wieder Herr seiner Sehkraft zu werden. Er atmete schnell, tief, durch den Mund. „Und? Siehst du etwas?“, fragte die tiefe Stimme überraschend umstandslos. Noch ein Blinzeln, einmal, zweimal – und Silas‘ Mimik fiel augenblicklich verzerrt in sich zusammen. Der Elf aus der Dunkelschenke. Der müffelnde Tresennachbar von vorhin war an ihn herangetreten, seine Gestalt ragte unmissverständlich vor Silas in die Höhe. Und der junge Elf brachte kein Wort heraus. Die Ereignisse wirkten erstaunlich irreal und in seinem Bauch ballte sich eine trockene, peinigende Leere zusammen. Dieser Elf… hatte ihn hierhergebracht? An einen Ort - einen versteckten Ort, wie er annahm - um… was genau mit ihm zu tun? Das Gesicht des Mischlings durchzog eine Wandlung. Aus stillem Unglauben maskierte sich ein steinerner Ausdruck. Die Lippen formten sich zu einer strammen Linie. Befürchtungen, dunkle Vorahnungen manifestierten sich vor Silas‘ innerem Auge. Misstrauisch musterte er die Gestalt seines Gegenübers. Würde der müffelnde Elf ihn foltern? Würde er Silas für seine törichte Tat büßen lassen? Immerhin hatte sich Silas auch seines Geldes bedient. Hatte der Elf ihn allein aus dem Grund vor Balius‘ Männern gerettet, um sich den Spaß für sich selbst aufzuheben? Hinter seiner Schädeldecke begannen die finsteren Gedanken zu rasen, verdichteten sich mit jeder weiteren Sekunde zu einem alles verzehrenden Strudel.

"Was jetzt?", fragte der Mischling tonlos. Es brannte ihm auf der Zunge zu fragen, wo zur Hölle er sich hier befand - doch die Sache mit der Augenbinde hatte ihm ganz deutlich zu verstehen gegeben, dass er nichts über seinen Standort wissen sollte. Wie viel Sinn es hätte, trotzdem danach zu fragen, wollte er erst gar nicht ausprobieren. Erst jetzt bemerkte er, dass er den Beutel mit den Münzen immer noch steif in seiner Umklammerung hielt. Silas befeuchtete sich flüchtig die angerauten Lippen, rutschte unruhig über die Sitzfläche. "Das Licht", murmelte er schließlich. "Was war das?" Seine Vermutung, dass es sich hierbei um Magie gehandelt haben könnte, behielt er für sich - die Idee eines Lichtmagiers im Reich der Nachtelfen erschien dem jungen Elfen rein realistisch betrachtet zu fantastisch, als dass er es mit dem Fremden geteilt hätte. Zögernd ließ Silas den Blick nun über seine Umgebung wandern, suchte nach Türen, Fenstern und anderen Ausgängen, die ihm unter Umständen in die Freiheit verhelfen könnten, obgleich er ganz genau wusste, dass er an diesem Abend bereits zum zweiten Mal in der Falle saß. Die Idee einer Flucht wäre alleine aufgrund seines körperlichen Zustands absolut wahnwitzig, nicht vorstellbar und diesem Umstand war sich Silas allzu schmerzlich bewusst. Er würde diese Begegnung aussitzen müssen - egal in welche Richtung sich die Situation entwickeln würde.

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 30. Juni 2021, 12:06

Dass Silas überhaupt noch den Willen besaß aufzubegehren, grenzte fast an ein Wunder. Sein Körper befand sich am Rande einer Ohnmacht und seine Muskeln, Gelenke sowie Sehnen zeigten deutlich, dass er sich dringend ausruhen musste. Weiche Knie machten ihm das Laufen schwer und es kam einer Erlösung gleich, als man ihn links und rechts unterhakte und ihn somit stützte. Er folgte, denn etwas anderes kam derzeit gar nicht in Frage und wer wusste schon, was nun auf ihn lauerte. Analytisch betrachtet, war er der körperlichen Auseinandersetzung mit den wütenden Halunken aus der Schenke entkommen. Was als nächstes folgen würde, würde sich zeigen doch erstmal war er gerettet. Wie der Kampf wohl ausgegangen wäre? Diese Gedanken verbot sich der Mischling, denn sie führten zu nichts. Silas passte seinen Schritt dem seiner Begleiter an und wurde nur einige Schritte später offensichtlich durch eine Tür geführt.

Hier roch es nach vielem und nichts ließ sich richtig deuten. Da waren Kräuter und beißende Gerüche wie scharfer Alkohol. Gleichzeitig roch es metallisch, als hätte er sich auf die Lippe gebissen und roch nun das dunkle Blut, das sich den Weg aus seinem Körper bahnte. Noch immer konnte er nichts sehen und so blieb ihm auch vorerst verborgen, dass es hier nur düsteres Zwielicht gab. Silas durfte auf einem Stuhl Platz nehmen, bevor ihn die kühlen Hände aus ihrem Griff entließen. Er hatte die Kälte selbst durch den Stoff seiner Tunika wahrgenommen. Er konnte hören, wie sich Schritte entfernten und hinter einer Tür, die geschlossen wurden, verschwanden. Danach herrschte Ruhe und das schlagende Herz in seiner Brust war zu erst das einzige was er hören konnte. Erst nach und nach, als er sich schon alleine glaubte, drangen die ruhigen Atemzüge an seine Ohren. Es dauerte nicht lange, auch wenn das Einschätzen der Zeit im Moment nicht Silas' Stärke war, da knirschten die Stiefel auf leicht sandigem Boden und der Unbekannte trat an ihn heran. Ohne Vorwarnung wurde die Augenbinde gelöst und mit ruhiger, tiefer Stimme mitgeteilt, dass sein Augenlicht nicht lange auf sich warten lassen würde. Die Stimme entfernte sich vorerst wieder, nahm den bekannten Geruch mit sich und regelte kurz etwas im Nebenzimmer, bevor er endgültig zum Mischling zurückkehrte und sich gegen die Tischkante lehnte, der unweit von Silas‘ Stuhl stand. Seine Frage war perfekt gesetzt, denn nach nur zwei Wimpernschlägen, löste sich die temporäre Blindheit auf und Silas hatte seine Sehkraft wieder.

Als erstes konnte er das Gesicht des Elfen erkennen, der sich bereits in der Schenke an ihn gewandt hatte. Seine Züge zierte das schmierige Lächeln, nicht unfreundlich, aber auch nicht besonders apart. Er wartete, bis sich der Jungelf etwas orientiert hatte, verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn geduldig. Das Unbehagen war verständlich und die Ungewissheit in der sich Silas, seit seinem Entschluss die Schenke aufzusuchen, befand, wich einer Verschlossenheit die nicht verraten sollte, was hinter den hübschen goldenen Augen vorging. Der müffelnde Elf lächelte breit und zeigte die schlechten Zähne. „Na als erstes wäre wohl ein Danke angebracht, meinst du nicht?“, brummte er und lachte leise. Amüsierte er sich über Silas' Angst? Oder wollte er nur Konversation machen? Er wirkte nicht, als wäre er wütend über den Diebstahl oder dass das überhaupt Thema war.
Der Elf stieß sich plötzlich von der Kante ab und ging auf Silas zu, nur um dann seinen Stuhl zu umrunden. Das gab dem Mischling Zeit, sich etwas im Zimmer umzusehen.

Das Zimmer, in dem er sich befand, hatte eine ansehnliche Größe und schien, auf dem ersten Blick mehrere Räume in sich zu vereinen. Silas konnte geradezu die Eingangstür ausmachen. Ein gerader Weg, sollte er flüchten wollen und ihm sein Körper nicht im Stich lassen dabei, dem es offenbar gut auf dem Stuhl gefiel. Er selber befand sich auf einem hölzernen Stuhl an einem Esstisch an dem noch 2 weitere Stühle und eine Sitzbank standen. Sie ragten in den Raum hinein. Hinter Silas befand sich eine weitere Tür zu einem Nebenzimmer, sicher die Tür, die er noch vor kurzem gehört hatte. An der Wand neben der Tür, stand der Elf mit dem Rücken zu ihm und hantierte mit etwas herum, was Silas verborgen blieb. Interessant war jedoch die kleine Küchenzeile, die mit Hängeschränken und einer länglichen Arbeitsplatte völlig zugestellt war. Hier lagen Kräuter, Knollen, Wurzeln, Verbände aufgerollt und geordnet und völlig auseinander gezogen und dreckig. Gleichzeitig konnte Silas diverses Werkzeug erkennen, wie Kräuterscheren, kleine Dolche und Messer. Alles lag wirr umher und schaffte ein gutes Bild von Unordnung. Wenn Silas seinen Blick über die andere Schulter zurück warf, würde er eine weitere Sitzgruppe, so wie ein einfaches Bett erkennen können. Überall standen Kerzenstümpfe die nur mäßig Licht ins Dunkel brachten, doch das würde einem Nachtelf sicher kaum auffallen. Trotzdem schien es so, als bemühte sich der Elf um bessere Lichtverhältnisse.
Das Bett war ungemacht und unordentlich und davor lagen und standen unbeachtet einige Paar Stiefel die allesamt schon bessere Zeiten gesehen hatten. Ein kleiner Nachttisch befand sich unterhalb eines kleinen Fensters. Dort draußen konnte Silas einen knappen Blick auf die Gassen werfen, aber ohne dass er aufstehen würde, würde er nicht viel erkennen. Schaute der Jungelf nach oben, würde er feststellen, dass er unter einem Haufen Kräuterbündel saß. Sie hingen zum Trocknen von der Decke und ab und an hingen auch getränkte Verbände herab. Der beißende Geruch erinnerte Silas an Wundalkohol, die Kräuter vermischten ihre Düfte miteinander und der blutige Geruch stammte von einem Eimer am Eingang, der gefüllt war mit einer bräunlichen Flüssigkeit die nicht gerade einlud, genauer nachzufragen worum es sich dabei handelte. Alles in allem schien das hier sowohl Wohnstätte, als auch Arbeitsplatz zu sein. Aber wirklich gepflegt war es nicht.

Der Elf wandte sich plötzlich wieder an Silas und hatte einen Becher in der Hand, als er an dem Mischling vorbeitrat und ihm den Becher hinhielt. „Trink. Das wird dich etwas munterer machen. Du siehst gelinde gesagt, scheiße aus, als ob du gleich hops gehen würdest.“, er grinste irgendwie deplatziert. „Keine Sorge, es ist nur giftig, wenn man die Dosierung nicht beherrscht..“, er lachte und winkte ab. „Ein Scherz, Junge. Das ist Tee..Mach dich mal locker..“, sagte er und ihm schien nicht bewusst zu sein, wie sich Silas fühlen musste. Oder es war ihm egal. „So..“, sagte er und würde, sollte Silas den Becher mit dem dampfenden Kräutertee nicht wollen, ihn auf dem Tisch abstellen, bevor er sich ihm gegenüber setzte. Sein Geruch war intensiv und so richtig war einfach nicht auszumachen, ob es an mangelnder Hygiene oder etwas anderem lag. Vielleicht an beidem. „Jetzt erzähl mir doch mal, wieso ein Babyelf wie du auf die Idee kommt, sich für ein Paar Füchse und Lysanthemer mit Balius und seiner Meute anzulegen?“, er deutete auf den Lederbeutel. „Bist du einfach dumm oder lebensmüde? Oder…“, er verengte die Augen, in denen es kurz funkelte, und wirkte in seiner ganzen, direkten Art, nicht sehr sympathisch aber diffuser Weise auch nicht bedrohlich. „.. verzweifelt?“, dabei zeigte er erneut seine Zähne, die einem durchaus den Magen umdrehen konnten. Hygiene war wirklich nicht so sein Ding. Die Frage nach dem Lichtblitz in der Gasse beantwortete er schlicht: „Berufsgeheimnis", und damit schien für ihn das Thema erledigt. Er sah den Jungen abwartend an und Silas musste sich entscheiden, ob er ihm Rede und Antwort stehen, oder noch mal eine Flucht oder sogar einen Angriff wagen wollte.
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Mittwoch 30. Juni 2021, 16:16

Silas benötigte einen Moment, um sich im Raum zu orientieren, doch seine Sinne richteten sich mit einer Klarheit, die man wohl nur im Versuch zu überleben empfand, auf seine Umgebung. Man hatte ihn an einem Tisch mit zwei weiteren Sesseln und einer hölzernen Bank Platz nehmen lassen. Als er die goldenen Iriden über die Tischplatte hinauswandern ließ, erkannte er, dass auch die restliche Einrichtung rustikal wirkte. Die Atmosphäre zwielichtig und schummrig, ganz so, wie man es wohl von der Wohnstätte eines Nachtelfen erwarten würde, der kleine Diebe des Nachts vor dem Strick bewahrte. Ein Bett, gerade groß genug für eine Person, diverse Hängekästen sowie eine weitere, schmale Sitzgruppe in der Ecke dominierten den Raum. Die breiten Bodendielen waren mit einem sandigen Glanz versehen. Die spärliche Ausstattung ließ ausreichend Platz für einen Wohn- und Arbeitsbereich, ohne, dass man jene getrennt hätte. Verschiedene Eindrücke drängten sich dem jungen Mischling auf, während der neugierige Blick sich an den getrockneten Kräutern, Knollen, Wurzeln und diversen Verbandsmaterialien sättigte. Auch Werkzeuge, wie Dolche und Scheren, säumten die Arbeitsplatte, welche an eine unaufgeräumte Küchenzeile anschloss. Hin und wieder stolperte der Blick des jungen Elfen über die offensichtliche Unordnung, die in diesem Raum herrschte und blieb an schmutzigen Lappen und etwaigen Stoffknäuel hängen, welche scheinbar zur Versorgung von Wunden und Schlimmerem benutzt worden waren. An den Eimer neben der Eingangstür wollte Silas lieber nicht allzu viele Gedanken verschwenden. Ein kräuterkundiger Nachtelf? Nicht zwangsweise ein Heiler, dachte Silas. Aber wie hoch stehen die Chancen?

Obwohl der Fremde keine Anstalten zeigte, ihm hier und jetzt einen Dolch an die Kehle zu setzen, zögerte Silas noch, das Wort zu ergreifen. „Na als erstes wäre wohl ein Danke angebracht, meinst du nicht?“, hatte der Elf brummend angemerkt, ehe ein amüsiertes Lachen folgte, welches sich an seinem schmierigen Grinsen vorbeistahl. Der Jüngere hatte die darauffolgende Erwiderung im ersten Impuls heruntergeschluckt, sich zuerst der Umgebung gewidmet und etwaige andere Gefährdungen ausgeschlossen. Sie waren alleine. Man hatte ihm keine Ketten angelegt und er hatte keine Grobheiten durch sein Gegenüber erfahren, somit sprach eigentlich nichts für eben jene Bedrohung, die Silas befürchtete. „Wäre es wohl“, Silas hielt seine Stimme beherrscht zurück, doch die verspannten Unterarme, die aus dem nachtelfischen Umhang hervorlugten, erzählten von den Nerven des Mischlings. Und diese waren zum Zerreißen gespannt, lagen blank. „Meinem Retter müsste ich danken. Einem Entführer jedoch nicht. Und ich bin mir noch nicht sicher, um was es sich bei dieser Aktion gehandelt hat.“, die ungewohnte Unfähigkeit, sich selbst aus dieser Misere herauszuhelfen, macht ihn nervös und zögerlich und innerlich stieß er immer wieder gegen die Überlegung, ob es denn nun das Richtige sein mochte, sich mit offenen Worten an den fremden Nachtelfen zu wenden. Silas entschloss sich, den letzten Rest seines Mutes und das mikrige Überbleibsel Entschlossenheit zusammen zu kratzen, und musterte die Rückseite des Elfen, als er erneut das Wort erhob: „Ist ein Dank also tatsächlich angebracht?“ Hell und stechend hoben sich die goldenen Augen aus dem blassen Gesicht des Jüngeren ab als der Elf sich ihm nun wieder zuwandte, einen Becher in der Hand, der ihm sogleich gereicht wurde. Unschlüssig zuckte Silas‘ Blick über den Rand des Trinkgefäßes. Bevor sich der andere jedoch dazu entschließen konnte, den Becher abzustellen, streckte er die schlanke Hand aus. „Trink. Das wird dich etwas munterer machen.“, eine kritische Falte schlich sich zwischen die Brauen des Mischlings und es folgte ein weiterer, prüfender Blick auf die undefinierte Flüssigkeit. Zögerlich zog Silas das Getränk unter seine Nase und schnupperte an dem warmen, kräuterhaltigen Dampf, der sich an seine ausgekühlten Wangen schmiegte, ohne die Augen von dem Fremden zu lassen. Mit einem Mal spürte er, wie ausgetrocknet sein Mund war. Staubtrocken, wie die Wüste Sar. „Du siehst gelinde gesagt, scheiße aus, als ob du gleich hops gehen würdest.“, damit lag er Elf nicht zur Gänze daneben und Silas blickte den Fremden empört jedoch auch äußerst unglücklich an. Die Falten zwischen seinen Augenbrauen vertieften sich, als suche er nach Worten für etwas, das sich mit Sprache allein nicht beschreiben ließ. Auf seinem Gesicht lag der Ausdruck einer schrankenlosen, bleiernen Müdigkeit.

„Keine Sorge, es ist nur giftig, wenn man die Dosierung nicht beherrscht..“, der Kopf des Mischlings zuckte unwillkürlich von dem Becher in seinem Griff zurück. „Ein Scherz, Junge. Das ist Tee… Mach dich mal locker…“, abwinkend lachte der Elf, während Silas ihn mit spitzen, glühenden Blicken durchbohrte. Ganz eindeutig war der ausgemergelte Mischling, dem die Strähnen von den Strapazen der Flucht noch immer wirr in die Stirn standen, nicht zu Scherzen aufgelegt. Wie durstig er war! Die Zunge klebte ihm am Gaumen, als er schluckte und sich wieder dem Trinkgefäß in seiner Hand widmete. Sollte er es wagen? Was, wenn das Gemisch vergiftet war und ihn krampfend und speichelnd dahinraffen würde? Nach kurzem Zögern legte er die Lippen an den Rand des Getränks. Und trank mit großen, gierigen Schlucken von dem Tee, der sich warm und schwer über seine Zunge ergoss, bis auch der letzte Tropfen den Weg in seine ausgetrocknete Kehle fand. Silas stöhnte und fühlte sich einen kurzen Moment fast zu selig, um sich zu schämen. Die Wärme legte sich wohltuend um seinen Hals, füllte die schmerzende Leere in seinem Magen. Keinen Gedanken verschwendete der Mischling an die ungepflegte Umgebung, an den Gestank nach Blut, den Kübel bei der Tür oder die säuerliche Note des Wundalkohols. Als Überlebenskünstler wusste Silas, dass man in den wenigsten Situationen wählerisch sein durfte. Und wenn er beabsichtigte, die restliche Nacht zu überstehen, musste er auf jede Möglichkeit zur Stärkung zurückgreifen – was bedeutete, auch eine potenzielle Vergiftung in Kauf zu nehmen. Dehydriert hätte er seinen Verstand nicht lange beisammenhalten können. Der Grat zwischen törichtem Verhalten und kühler Berechnung war schmal, und Silas hatte gelernt, darauf zu balancieren.

Silas wischte sich mit dem Handrücken das feuchte Nass von seinen Lippen und beobachtete, wie der Elf sich ihm gegenüber hinsetzte. „So… Jetzt erzähl mir doch mal, wieso ein Babyelf wie du auf die Idee kommt, sich für ein Paar Füchse und Lysanthemer mit Balius und seiner Meute anzulegen?“, der Mischling zog den Lederbeutel etwas tiefer in seinen Schoß, hielt ihn mit klammen Fingern umschlossen. „Bist du einfach dumm oder lebensmüde? Oder… verzweifelt?“, Silas wich dem Blick des Fremden nicht aus, als jener die Motivation hinter seiner waghalsigen Entscheidung hinterfragte. Unmerklich raffte er die Schultern und reckte das Kinn. Er hätte bezüglich der kindlichen Betitelung beinahe aufbegehrt, doch in den Jahren hatte Silas gelernt, in sich selbst zur Ruhe zu finden und biss daher lediglich die Zähne aufeinander, starrte den Elfen einen kurzen Moment stillschweigend in Grund und Boden, ehe er schnippisch zur Antwort ansetzte: „Die Mischung macht’s“. Der Mischling hielt inne, ehe er den Blick senkte und das goldbesprenkelte Gelb hinter einem erstaunlich hellen, zarten Wimpernkranz verschwand. „Ich hätte es nicht gemacht, hätte ich eine andere Wahl gesehen.“, sprach er im Brustton der eigenen Überzeugung. Vermutlich eher zu sich selbst als zu seinem Gegenüber mit dem schrecklichen Gebiss. „Meine… Jemand ist krank. Jemand, an dem mir viel liegt.“, es widersprach so ziemlich zur Gänze seinem Innersten, sich einem Fremden derart anzuvertrauen, dementsprechend verkrampft zeigte sich seine Mimik, die Kieferpartie mahlte angespannt. Doch hier, an diesem Tisch, blieb ihm nichts anderes übrig, als einige der Karten, die er in der Hand hatte, offen darzulegen. Er würde sich davor hüten, gänzlich mit offenen Karten zu spielen, würde sich soweit bedeckt halten, wie es die Situation eben zuließ. „Ich brauche das Geld für den Heiler. Und die Medizin“, murmelte er, eher er, etwas energischer, ansetzte: „Ich tue, was nötig ist. Es macht keinen Unterschied, wen ich mir damit zum Feind mache, so lange es funktioniert." Da war es wieder, das Mantra der heutigen Nacht! Und Silas hatte vor, sich daran zu halten. Den Beutel in seinem Schoß würde er unter Einsatz seines Lebens bewahren - an jenem Lederbeutel hing schließlich alles, was er zu schützen versuchte.

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 30. Juni 2021, 23:22

Wer konnte es einem verdenken, wenn man wie Silas voller Misstrauen und Argwohn war? Wenn man mal rückblickend den Verlauf des Abends betrachtete, dann wäre er mehr als naiv gewesen, wenn er dem fremden Nachtelf einfach so sein Vertrauen geschenkt hätte. Nein, darüber war Silas hinaus, trotz seiner jungen Jahre. Niemand hatte dem Mischling jemals etwas geschenkt und alles was er besaß, hatte er sich mühsam erarbeitet und mit zusammengekratzten Münzen bezahlt. Silas hatte nie etwas Unrechtes getan, bis heute Nacht. Er hatte jede noch so kleine, noch so unsägliche, Arbeit angenommen, um über die Runden zu kommen und jetzt, als er sich zu einer mühsamen Entscheidung durchgerungen hatte, lief alles vollkommen aus dem Ruder. Doch anstatt zu bereuen und sich vor Angst auf den Boden zu werfen, winselnd und um Vergebung bettelnd, schlug seine Erschöpfung in etwas anderes um. Seine Worte folgten überraschend klar und zeugten davon, dass sein Körper wesentlich erschöpfter war, als sein Geist. Die Worte entlockten dem Fremden ein Schnauben, das in ein kurzes Husten überging, als hätte er sich verschluckt oder als müsste er ein Lachen unterdrücken. „Verstehe, Junge. Du bist einer von der schwarz-weiß-Sorte.“, antwortete der Elf, bevor er Silas den Rücken kehrte, um etwas zusammen zu brauen. Erst als er sich dem Mischling wieder zuwandte, führte er das Gespräch fort. Er erwiderte den Blick mit blauen Iriden. „Du tätest zumindest gut daran, damit die Wogen glätten zu wollen. Immerhin steckt da auch mein Geld drin, nicht wahr?“, konterte er und hielt ihm den Becher hin.

Das Zögern, seitens des Mischlings, erheiterte den Müffelnden. Er feixte ihn an, bevor er ihm so einige Dinge an den Kopf warf, die an Silas' Verfassung kratzten. Doch er straffte seine Schultern und reckte etwas das Kinn, während sich der Nachtelf über ihn lustig machte. Stoisch bedachte er den Mann mit einem beleidigten Blick, den dieser ignorierte oder gar nicht wahrnahm. Er wirkte nicht wie jemand, der empathisch genug wäre, für solche mimischen Hinweise.
Was ihm auffallen dürfte, war die Müdigkeit in seinem Gesicht. Nun, Müdigkeit war wohl eine Untertreibung, wenn man Silas so betrachtete, denn der Elf sah aus, als könnte er kaum noch den Becher halten. Es war eine berechtigte Skepsis, die ihn übermannte und der innere Konflikt, den er wortlos mit sich ausfechten musste, wurde von dem Anderen stoisch beobachtet. Das dampfende Nass roch nach Zitronenverbene und Ingwer. Es hatte tatsächlich eine belebende Duftnote und als sich Silas trotz allem Argwohn zum Trinken entschied, konnte er spüren wie der Tee seine Sinne belebte. Alleine die Feuchtigkeit half ihm schon, sich wieder etwas wohler zu fühlen. Sicher, seine Müdigkeit wäre davon nicht verschwunden und auch nicht die Verzweiflung in seinem Innern, doch für den Bruchteil eines Augenblicks, gönnte sich der halbe Nachtelf ein wohliges Aufatmen. Es fühlte sich herrlich an, dass die Wärme seinen Magen füllte. Entgegen seiner Erwartungen, folgte nach der wohltuenden Wirkung kein schrecklicher Schmerz oder das Gefühl, die Kontrolle über seine Muskeln zu verlieren. Der Tee war das, was er sein sollte: Tee.

Mit einem Atemstoß, setzte sich der Fremde ihm gegenüber und fühlte Silas auf den Zahn. Er wollte wissen, warum er sich in diese Situation brachte und ging dabei nicht gerade vorsichtig vor. Silas musste sich selber zurückhalten, um dem Stinker nicht über den Mund zu fahren, für seine Beleidigungen. Er zog den Beutel noch etwas mehr zu sich, was den Blick des Fremden auf sich zog. Dieser grinste widerlich und hob beschwichtigend die Hände, als hätte Silas ihm etwas unterstellt. „Keine Sorge, ich hätte andere Methoden, dir den Sack abzunehmen.“, meinte er und irgendwie klang es wie eine Drohung, die er allerdings gekonnt überspielte. Dann jedoch, zuckten seine Augenbrauen empor, als Silas schnippisch zur Antwort kam. „So?“, knurrte er und für einen Moment, huschte ein eisiger Schatten über sein Gesicht, bevor er wieder lässig lächelte. „Na, wir haben doch alle immer ‚keine Wahl' bei dem was wir tun, nicht wahr?“, winkte er zynisch ab, erhob sich mit einem lauten Scharren des Stuhls auf dem er saß, bevor er den Becher an sich nahm und noch mal einschenkte.
Er reichte Silas den Becher erneut, dieses Mal wortlos und musterte ihn, bevor er sich erneut setzte. Bei Silas' nächsten Worten, blitzte es allerdings in seinen Augen diebisch auf. "Also verzweifelt..“, murmelte er, als wäre das die passende Antwort auf das, was der Mischling ihm so eben anvertraut hatte. Es entstand eine Stille, in der der Müffelnde offenbar nachdachte. Plötzlich klatschte er in die Hände und wirkte ungemein erfreut über die Wendung. „Na fein! Vielleicht kommen wir überein.“, seine Stimme wirkte laut und euphorisch.

Er breitete die Arme seitlich aus : „Welch Glück, dass du mich gefunden hast. Den großen Amenion, Herr über Kräuter und Knolle.“, er verneigte sich tief und theatralisch, bevor er schwungvoll seine schwarzen Haare zurückwarf und ihn anstrahlte, als hätten sie etwas zu feiern. „Für ein paar Münzen, höre ich mir die Leidensgeschichte an. Für ein paar mehr, besuche ich dein krankes Liebchen und für ein paar Extramünzen oben drauf, diagnostiziere ich und gebe Kräuter aus.“. Dann wurde er verschwörerisch, kam dicht an Silas herangetreten, legte ihm einen Arm um die dürre Schulter, als wäre das das normalste auf der Welt und raunte ihm mit stinkendem Atem zu:„Und… wenn du so richtig tief in die Tasche greifst, habe ich etwas, was dir all deine Sorgen nehmen wird.“ Dann entließ er Silas aus seiner Dunstwolke, brachte einen Abstand zwischen sich und ihn und legte die Fingerkuppen gegeneinander, während er erwartungsvoll auf Silas hinabblickte. Offenbar hatte er tatsächlich einen Heiler gefunden oder wurde von ihm gefunden. Welch glückliche Fügung, welch Zufall… oder? Oder war es denkbar, dass Amenion bereits vorher wusste, was Silas brauchte- woher auch immer? Und ihn dazu verleitet hatte, das Geld zu stehlen, um es jetzt von ihm einzufordern, sodass Silas noch glaubte, er hätte Glück gehabt? Eines stand jedenfalls fest: Egal wie es dazu kam- Amenion war vielleicht nicht unbedingt der Heiler, den er sich vorstellte, aber er war ein Kräuterkundiger, der offenbar immer wieder Verletzungen und Krankheiten behandelte. Nun war guter Rat teuer..
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Donnerstag 1. Juli 2021, 17:52

Man mochte es dem jungen Elfen nicht ansehen, doch die Worte des Fremden sickerten tiefer als gedacht. Tatsächlich urteilte Silas meist vorschnell und nach einem einfachen Prinzip – Recht und Unrecht, Gut oder Böse. Der Mischling war in einer Welt voller Grauschattierungen aufgewachsen und schien dennoch kein Auge für die Dinge zu besitzen, die oftmals zwischen den Zeilen standen. Es kränkte ihn, dass jemand, der ihn erst wenige Augenblicke kannte, ein derart akkurates Bild von ihm zeichnen konnte. War er derart leicht zu durchschauen? Hatte ihn die eigene Zunge im Versuch, sich dem Fremden entgegenzustellen, verraten? Schwarz und weiß. Ja, so sah er die Welt wohl. Und hier, in diesem Raum, legte sich die drückende Schwärze wie ein unsichtbares Gewicht auf seine Schultern. „Danke“, brachte Silas schließlich über die Lippen, obwohl er selbst nicht genau wusste, ob er ernsthaften Dank empfand. Sicher, man hatte ihm Prügel erspart, wahrscheinlich noch viel Schlimmeres. Doch aus irgendeinem Grund waren Angst und Panik keiner ehrlichen Erleichterung gewichen, er hatte darauf gewartet, hätte das Gefühl der Entspannung nur zu gerne begrüßt – der Nagel in seinem Nacken drehte sich stattdessen quietschend um die eigene Achse, jagte unheilvolle Schauer über seinen Körper. Mit jedem Versuch, die innere Anspannung zu lösen, driftete Silas weiter in jene unspezifische Erwartungshaltung. Alles an dieser Situation, alles an diesem fremden Elfen mahnte den Jüngeren zur Vorsicht.

Lediglich der Tee war das, was er sein sollte: Tee. In gierigen Zügen hatte Silas das Getränk geleert und der warme, wohlig belebende Geschmack von Ingwer und Zitronenverbene eroberte die ausgetrockneten Schleimhäute seiner Mundhöhle. Es brannte ein wenig, wärmte ihm die Zunge, den Rachen, den Bauch. Für einen kurzen Moment gab sich der Mischling dem Genuss hin, atmete auf und leckte sich auch den letzten Tropfen von den spröden Lippen. Der Tee half ihm, seine fahrigen Gedanken zu sammeln, drängte die Erschöpfung ein wenig in den Hintergrund und ließ seine überstrapazierten Sinne aufleben. Silas schmeckte dem Ingwer auf seiner Zunge noch etwas nach, als der Elf seine Geste, den Lederbeutel näher an sich heranzuziehen, mit einem widerlichen Grinsen quittierte. „Keine Sorge, ich hätte andere Methoden, dir den Sack abzunehmen.“, in der Stimme des Elfen schwang ein Oberton mit, der Silas auf seinem hölzernen Stuhl lautlos verkrampfen ließ. Die Stimme drang ihm durch die Haut, schüttelte ihn. Es war als beiläufige Bemerkung getarnt, doch die nachtelfischen Ohren erkannten die Worte als das, was sie tatsächlich waren: eine subtil formulierte Drohung. Silas wurde von der vagen Erkenntnis erfasst, dass der müffelnde Elf möglicherweise gar nicht das geringere Übel in dieser Nacht sein würde. Balius‘ brachiale Gewalt und einfältiges Wesen erschienen Silas mit einem Mal nicht mehr ganz so angsteinflößend.

Mit einem lauten Scharren erhob sich der Elf von seinem Stuhl, die Holzbeine ratterten energisch über die Bodendielen. Der Aussage des Jüngeren begegnete der Schwarzhaarige mit zynischem Spott, doch es störte den Mischling nicht, weshalb er es unkommentiert verklingen ließ und sich erst aus seiner steifen Haltung zu lösen begann, als man ihm den Becher neu anfüllte und erneut in die Hand reichte. Silas wusste mit der Stille, die danach folgte, nicht wirklich etwas anzufangen, also nippte er einige Male an der wohltuenden Brühe und beobachtete, wie sein Gegenüber in Gedanken versank.

Eine plötzliche Euphorie erfasste den Fremden, als er geräuschvoll in die Hände klatschte und mit einem Mal ungemein erfreut über den Ausgang der Situation wirkte. „Na fein! Vielleicht kommen wir überein.“, er streckte die Arme zu seinen Seiten aus. „Welch Glück, dass du mich gefunden hast. Den großen Amenion, Herr über Kräuter und Knolle.“, in einer theatralischen Geste beugte Amenion das Haupt, warf die schwarzen Haare schwungvoll in den Nacken als er sich wieder aufrichtete und schließlich beinahe freudestrahlend dem Mischling zuwandte. Silas blinzelte und hielt in seiner Bewegung inne, den Becher immer noch an die Lippen gelegt, als müsste er den Anblick erst einmal verdauen. „Für ein paar Münzen, höre ich mir die Leidensgeschichte an. Für ein paar mehr, besuche ich dein krankes Liebchen und für ein paar Extramünzen oben drauf, diagnostiziere ich und gebe Kräuter aus.“, nun stellte Silas den Becher bedächtig auf die Tischplatte ab, die Stirn ungläubig in Falten gelegt. Amenion schien sich daran nicht zu stören, er trat an den Jüngeren heran und legte ihm verschwörerisch den Arm um die Schultern. Der feuchte Gestank des fremden Atems hüllte ihn ein als der Schwarzhaarige fortfuhr: "Und… wenn du so richtig tief in die Tasche greifst, habe ich etwas, was dir all deine Sorgen nehmen wird.“ Der Drang, sich dem Griff des anderen zu entwenden, sich den beißenden Ausdünstungen zu entziehen, hätte Silas beinahe überwältigt, doch Amenion entließ ihn aus seiner Duftwolke, noch ehe der Jüngere dem Arm auf seiner Schulter entschlüpfen konnte. Dieser Elf sollte der Heiler sein? Wie zur Überprüfung blickte sich Silas noch einmal im Raum um, warf einen Blick über die Schulter - es schien wahrscheinlicher, dass der Elf den echten Heiler abgestochen und seine Leiche unter dem Bett versteckt hielt. Silas rechnete beinahe damit, eine Hand unter der Matratze hervorlugen zu sehen.

„Und das wäre?“, entgegnete der Mischling ruhig, bemüht um einen großteils unbeeindruckten Gesichtsausdruck. „Ein Mittel, das mich und meine Leute in Faldors ewigen Schlaf schickt? Nein, danke. Ich lebe lange genug in diesem Loch um zu wissen, wie gnädig unser Volk gegenüber den Kranken und Schwachen ist. Ein paar meiner Sorgen behalt‘ ich mir liebend gern.“, mit diesen Worten verschränkte Silas die Arme vor der Brust, doch er hielt inne, abwägend, zögernd. Hatte er eine andere Wahl als Amenion Glauben zu schenken? Würde der Elf eine Ablehnung überhaupt akzeptieren? Der Blick des Mischlings zuckte zu den Scheren und Kräuterdolchen. Viele spitze Gegenstände. Machen sich gut im Rücken. Amenion spielte sein eigenes Spiel, so viel war sicher. Silas kannte die Regeln zwar nicht, doch er war es gewohnt, auf Nummer sicher zu gehen und verstand sich darauf, die eigenen Überlegungen bedeckt zu halten. Vielleicht stimmte es ja, was der Fremde hier von sich gab. Silas entschied, dass es einen Versuch wert war. „Die Münzen für Diagnose und Medizin sollen dir gehören.“, war alles, was er schlussendlich von sich gab. Keine Feilscherei, keine unnötigen Drohungen - was hätte er denn schon großartig als Druckmittel verwenden können? Plötzliche Ungeduld erfasste den schmächtigen Körper, als er sich bitzartig erhob und den Tee in einer stürmischen Bewegung hinabkippte, zum sofortigen Aufbruch bereit. Erwartungsvoll hatte er sich dem Herr der Knollen zugewandt.

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 1. Juli 2021, 22:22

Es war schon erstaunlich, dass es ausgerechnet Fremde waren, die derzeit einen immensen Einfluss haben konnten. Irgendwo anders in der Welt, schaffte es ein Fremder sich vorsichtig dem verschlossenem Herzen einer Hybridin zu nähern und knackte behutsam die Schale darum. Gleichzeitig wurde der Widerstand eines Mischlings mit Beharrlichkeit durch einen Fremden niedergerissen, ohne zu wissen welche Auswirkungen das haben konnte. Im gänzlich anderen Teil der Welt, weit weg von Finsternis und Schatten, schaffte die Begegnung mit Fremden Seiten an einem Mädchen hervor zu holen, die sie nie zuvor zugelassen hatte.
Und bei Silas? Bei ihm trafen die Worte eines Fremden direkt seinen innersten Kern und ließen ihn hinterfragen, wie er die Welt sah in der er aufwuchs. Die Worte Amenions waren nicht subtil oder hintergründig, sie waren präzise und direkt und zeigten tatsächlich Wirkung, ohne dass Silas das gewollt hätte. Vielleicht waren es aber auch gerade die Fremden um einen herum, die sich solche Zaunpfähle erlauben konnten, ohne das man beleidigt zur Tür hinaus stampfte. Es war eben ‚nur ein Fremder', niemand besonderes, jemand ohne Bedeutung. Wenn einem nicht passte, was er sagte, dann vergaß man ihn einfach wieder und würde ihn vermutlich nie wiedersehen. Es war die einfachste Art der Begegnung. Im besten Fall wurde aus dieser Person eine Vertraute, ein Freund oder eine geliebte Person. Im schlimmsten Fall, sah man sie nie wieder.

Silas würde gewiss keine Kategorisierung des Mannes vor ihm vornehmen, denn er traute seinem eigenen Verstand derzeit nur bedingt. Viel zu müde und viel zu aufgewühlt von den Erlebnissen, brauchte es einen wohltuenden Tee, der ihn wenigstens etwas zurückholen konnte aus den brandenden Flutwellen seiner Gedanken. Er beruhigte sich ein wenig, konzentrierte sich auf den Geschmack des Tees und spürte dessen Wirkung nach, bevor er sich erlaubte, sich wieder auf den Müffelnden zu konzentrieren.
So entging seinem rostigen Nagel auch nicht, dass Amenion ihm drohte. Dass der Kräuterkundige sich durchaus zu helfen wusste, wenn Silas es darauf anlegte. Er spürte in diesem Moment, dass er nicht ganz so sicher sein konnte, wie er anfangs gerne glauben wollte. Der Dank war vielleicht doch nur Scharade und war vielleicht unangebrachter, als er wahrhaben wollte. Doch bevor sich die Gedanken in diese Richtung entwickeln konnten, durchbrach das Scharren des Stuhls die sirrende Luft und das schwebende Schwert, über Silas' Kopf, verschwand. Amenion schenkte Silas erneut Tee ein, um ihn daraufhin unverhohlen zu mustern.
Die Unsicherheit quittierte er mit einem Klatschen in die Hände. Er wirkte etwas sprunghaft in seinem Gebaren, doch erhob er sich, vollzog eine erneute Begrüßung, sowie Vorstellung seinerseits, und verbeugte sich theatralisch, als wäre er auf dem Markt und böte seine Tinkturen an. Vielleicht tat er das ja sogar. Die Preise waren schnell erzählt und als er sich verschwörerisch an Silas Seite begab, wollte dieser sich ihm augenblicklich entziehen. Der Gestank war abartig und fast schon hätte Silas die Flucht ergriffen, doch da löste sich Amenion von ihm und ließ ihm Platz zum Nachdenken… und atmen.

Silas konnte nicht so recht glauben, dass wirklich ausgerechnet der stinkende Elf aus der Dunkelschenke der Heiler sein sollte. Skepsis machte sich breit und er tat sicherlich gut daran, sich nicht zu schnell von Hoffnung leiten zu lassen. Selbst seine Frage, um was sich der ‚letzte Ausweg‘, im Angebot des Kräuterkundigen, handeln sollte, schien berechtigt. Keiner im Nachtelfenreich kümmerte sich aufopferungsvoll um Kranke und Krüppel. Sie alle fanden einen schnellen Tod, auf die eine oder andere Art und niemand fragte danach. Trotzdem machte Amenion ein Gesicht, als hätte Silas ihn tödlich beleidigt. Empörung kletterte in sein Gesicht und hinterließ eine seltsam verzerrte Fratze. Er schwieg, dann öffnete er den Mund, um mit verschnupfter Stimme zu antworten: „Für wen hältst du mich eigentlich, Junge?! Du solltest mal deine Grundeinstellung überdenken, ich bin schließlich ein Heiler! Ein Beschützer des Lebens, ein… Lebensspender!“, seine Stimme wurde sogar etwas lauter und es wirkte fast so, als führte er ein Schauspiel auf. Er inszenierte sich auf eine gewisse Weise, die etwas Komödiantisches hatte.
Plötzlich wurde seine Mimik nachdenklich und als hätte er ein lukratives Geschäft gewittert, grinste er Silas diabolisch an. „Trotzdem...Interessante Idee, Junge. Ich werde das Angebot wohl erweitern!“, verkündete er und war ganz zufrieden mit sich, bis er wieder zum eigentlichen Thema zurückkehrte. „Wo war ich? Achja: Ich rede nicht davon, den letzten Ausweg zu nehmen, du Holzkopf! Ich…“, er trat wieder verschwörerisch näher, auch wenn die Umarmung ausfiel, „Ich rede von… Magie!“, flüsterte er und ruckelte mit den Augenbrauen, als müsste Silas wissen, wovon er sprach. „Lichtmagie..“, grinste er und war sichtlich zufrieden mit seinem Angebot. „Überlegs dir..“, sagte er dann und richtete sich wieder auf.

Seine Offerte verriet dem Jüngeren zumindest, dass es sich tatsächlich um Lichtmagie gehandelt haben könnte, als das Licht in der Gasse aufzuckte. Doch die Wahl hatte Silas soeben mitgeteilt und Amenion nickte. Als der Mischling sich plötzlich erhob, wanderte eine Augenbraue Amenions in die Höhe. „Mach mal langsam, Bursche. Wir sollten wohl erst das Finanzielle klären. Ein Teil darin", er zeigte auf den Beutel,„gehört mir schließlich schon. Und wer weiß, ob der Rest überhaupt reicht.“, grinste er ungeniert. Dann gellte plötzlich ein lauter Pfiff aus seinem Mund, der die Ruhe zwischen ihnen störte. Die Augen ruhten indes weiterhin auf Silas, als sich in dessen Rücken eine Tür öffnete. Er konnte hören, wie sich Schritte näherten, die jedoch an der Tür stehen blieben. „Los! Pack alles ein. Wir haben Kundschaft!“, bellte Amenion knapp in Celcianisch. „Ja, Herr.“, kam es zart von hinten. Silas musste sich nicht umdrehen, um zu erkennen, dass es sich um eine Frau handelte. Wenn er sich jedoch umdrehte, konnte er gerade noch den Blick aus klaren, bernsteinfarbenen Augen erkennen, bevor sich die Fremde abwandte und mit gesenktem Kopf zur Küchenzeile ging. Hier packte sie behände einige Utensilien in eine Ledertasche, während Amenion mit den Fingern schnippte, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. „So Junge , dann mal raus mit den Münzen, sonst gehe ich nirgendwo hin.“.
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Freitag 2. Juli 2021, 12:18

Nachtelfen und Licht – gab es eine kompliziertere Beziehung? Eine ungünstigere Kombination? Man lehrte sie die existenzielle Furcht vor den Sonnenstrahlen der Oberwelt, erzählte ihnen bereits in jungen Jahren von der grausamen Helligkeit, den prall gefüllten Blasen und dem entsetzlichen Schmerz, welche den direkten Kontakt damit begleiteten. Der Lebensraum eines Nachtelfen befand sich nun einmal im Schatten, in kühler Dunkelheit, weit entfernt von den schädlichen Einflüssen der lichtdurchfluteten Außenwelt. Auch Silas spürte, seiner Genetik entsprechend, die natürliche Verbundenheit zur Finsternis. Den neldorethischen Einflüssen verdankte er zwar den Umstand einer gewissen Resistenz, doch gerade jener tiefsitzende Instinkt hatte sich auch bei ihm eingenistet, bildete die Grundlage einer unbewussten, generalisierten Abneigung. Der Mischling hatte sich den Gegebenheiten seiner Umwelt angepasst, war in derselben Dunkelheit herangewachsen und so wunderte es wohl kaum, dass Silas sich Amenions verschwörerischer Offenbarung sofort ein wenig entrückte. Lichtmagie! Also doch! Er hatte davon gehört, hatte den wenigen Erzählungen über jene Magier, die ihre Kräfte aus Lysanthor’s Licht und Wärme bezogen, sogar recht gebannt gelauscht. Doch die Vorstellung, dass lichtgebündelte Magie die Lösung des Problems sein sollte – undenkbar! Nicht rational betrachtet, denn Silas wusste um die heilende Kraft lichtmagischer Hände, viel eher jener anerzogenen Abneigung verschuldet, die aus den Tiefen seines Knochenmarks zu ihm sprach. Trotz der ungewöhnlichen Reife, die Silas in seinen jungen Jahren aufwies, konnte er sich einer natürlichen Unerfahrenheit nicht entziehen. Ganz unbewusst schien er Licht mit Schmerz zu assoziieren und lehnte daher, vielleicht ein wenig vorschnell, ab. Kräuter und Knollen mussten ausreichen - die Wahl hatte Silas dem Kräuterkundigen rasch mitgeteilt.

Bevor er sich in seine Gedanken vertiefen konnte – bevor er sich fragen konnte, woher Amenion die Kraft einer solchen Magie bezog – hatte der Schwarzhaarige die finanziellen Thematik nochmals aufgegriffen und Silas mit strengem Blick in seiner Aufbruchsstimmung gezügelt. „Mach mal langsam, Bursche. Wir sollten wohl erst das Finanzielle klären. Ein Teil darin", er zeigte auf den Beutel „gehört mir schließlich schon. Und wer weiß, ob der Rest überhaupt reicht.“. Silas folgte dem fremden Blick bis in die eigene Hand, die den Lederbeutel prüfend auf und ab wog. Viel dürfte er nicht erbeutet haben, stellte der Mischling unzufrieden fest und hielt einen Moment inne. Ein Pfiff durchschnitt den Raum, dem das stotternde Knarren einer Tür in Silas‘ Rücken folgte. Amenios bellte einen Befehl, dessen Sprache der Mischling erst nach kurzem Zögern als Celcianisch erkannte – es dauerte etwas, bis sich seine Ohren der Weltsprache öffneten, zu sehr war er an das finstere Flüstern der Nachtelfen gewohnt. „Ja, Herr.“, ertönte eine helle Frauenstimme, die Silas einen flüchtigen Blick über die Schulter entlockte. Er rief sich die kühlen Hände in Erinnerung, konnte den sanften Druck immer noch an seinem Oberarm spüren, mit dem sie ihn blindlings hierher geführt hatten. Bernstein traf auf Gold, ehe sich die Fremde abprupt abwandte und an die Küchenzeile huschte, um etwaige Utensilien in eine Ledertasche zu packen. Er hatte die Fremde keiner genauen Musterung unterziehen können und sein Blich hatte sich ihrer Rückseite angehaftet, als sie davontrat.

Ein Schnipsen lenkte die Aufmerksamkeit des Mischlings wieder nach vorne. „So Junge , dann mal raus mit den Münzen, sonst gehe ich nirgendwo hin.“, er ließ den Blick erneut auf den wertvollen Besitz in seiner Hand sinken, die Finger krampften sich einen Augenblick so fest darum, dass das Leder knirschte und sich die Knochen seiner Finger an den Gelenken abzeichneten. Dann warf er den Sack geräuschvoll in die Mitte des Tisches – die lose Schnur um den Hals des Beutels hatte sich gelöst, einige Münzen klimperten über die hölzerne Platte. Silas sah den Kräuterkundigen lange an. Kluge Augen, wissende Augen, wie sie auch seine Mutter hatte. Es dauerte einige Atemzüge, in denen sich Silas versichern musste, dass seine distanzierte Fassade immer noch am Platz war, ehe er die tiefe Stimme zum Sprechen erhob: „Du kannst haben, was der Beutel hergibt.“. Es folgte eine kurze Stille, in der der Mischling schweigend abwartete. „Das, was fehlt, kann ich dir an Gelegenheitsarbeiten vergüten. Oder ich zahle es dir in Raten ab.“, der Mischling verzichtete darauf, hinzuweisen, dass Letzteres einen zeitlichen Puffer benötigen wurde. Amenion war schmierig, aber nicht dumm. Jemanden auszunehmen, der sonst nichts besaß, würde wohl kaum sofort Früchte tragen. Vielleicht käme dem Nachtelfen jedoch jemand, der sich für ihn an die Oberfläche wagen würde, um diverse Kräuter und Knollen zu sammeln, gelegen, sofern derartige Arbeiten nicht bereits durch die Frau mit den bernsteinfarbenen Augen erledigt wurden. Ob sie wohl die Lichtmagiern ist? Erneut zuckte das Gold in seinen Augen an den Rand seines Blickfelds, beobachteten die fremde Gestalt in ihrer Tätigkeit.

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Freitag 2. Juli 2021, 13:53

Nichts war ungewöhnlicher, als dass ein Nachtelf damit prahlte, Lichtmagie anwenden zu können. Alles im Reich der dunklen Vertreter der Elfenvölker verabscheute Licht. In all den Jahren haben sich die Vorfahren soweit entwickelt, dass sie auch nicht mehr auf die Helligkeit angewiesen waren. Ihre Augen sahen besser in der Nacht, ihre Geschäfte ließen sich besser im Schatten abwickeln. Einzig die Leuchtpilze verursachten ab und an eine andere Schattierung der Schwärze, hin und wieder gab es Kerzen, Fackeln aber alles nur minimalistisch und nichts hätte die Tiefen wirklich erhellen können. So war es nicht anders zu erwarten, dass sich der Jungelf augenblicklich fragen musste, wie das zusammengehörte. Denn die Gefahr, die von Licht ausging, war real und nicht nur ein Ammenmärchen, dass sich die Eltern ausdachten, um ihre Nachkommen von der Oberwelt fernzuhalten. Silas hatte die Brandwunden gesehen, hatte von den schlimmen Blasen gehört und kannte die klagenden Schmerzensschreie, die die Behandlung mit sich brachte, wenn wieder ein ungestümer Geist nicht hatte hören wollen.
Für ihn stellte sich nie die Frage, ob er sich der Sonne aussetzen wollte- oder? Zwar wusste er um seine Toleranz, aufgrund des gemischten Blutes, doch hatte er sich bisher nicht damit beschäftigt, sich aus dem Reich zu erheben, um sich die Welt im Licht anzusehen. Dafür war sein Leben zu sehr gespickt von Einbußen, Aufopferung und Pflichtbewusstsein. Man brauchte ihn hier. Etwas zu tun, was nicht dem Zweck diente, seine Familie zu ernähren, kam nicht in Frage.

Amenion indes wusste um diese Reaktion und er badete in dem Glanz der goldenen Augen, die ihn ungläubig ansahen. Ja, so sahen sie alle aus, wenn er ihnen dieses Angebot unterbreitete. Niemand erwartete das und trotzdem wusste er auch, dass die meisten erstmal ablehnten, ebenso wie Silas. Er zog die Standartbehandlung vor und Amenion nickte. „Ich bin Diener des Kunden.“, säuselte er mit einer angedeuteten Verbeugung, indem er seine Hand auf seine Brust legte. Dann kam er jedoch zügig auf das Finanzielle zu sprechen und zeigte damit den Geschäftssinn. Silas hatte sicherlich nicht angenommen, an einen wahren Samariter geraten zu sein, dafür kannte er sich viel zu gut mit dem Schlechten aus. Trotzdem zögerte er und wog den Beutel in seiner Hand. Waren es denn genug Münzen? Sollten sie reichen, für das was er und vor allem seine Mutter brauchte? Noch war gar nicht klar, was sie benötigen würde und Silas konnte längst nicht abschätzen, ob die Behandlung eine lange Zeit in Anspruch nehmen würde oder ob es überhaupt möglich war, ihr zu helfen.
Doch einen Schritt nach dem anderen, so handhabte er es seit geraumer Zeit. Alles andere würde sich zeigen, so viel stand fest. Bevor er den Beutel übergeben konnte, durchbrach Amenion die Stille und rief die zweite Person, die aus dem Nebenzimmer trat. Der Moment, den Silas hatte um sich ein Bild machen zu können, war flüchtig und alles was blieb, war der bernsteinfarbene Blick, bevor sie sich gehorsam an ihre Aufgabe machte. Silas‘ Blick blieb einen Moment haften und erkannte, dass sie in dunklen Nachtelfenstoff gehüllt war, der hier haufenweise getragen wurde und nichts besonderes darstellte. Zudem war aber ihr Kopf mit einem Schleier verhüllt, der lediglich den Blick auf ihre Augen erlaubte. Mehr hatte er in dem kurzen Moment nicht erkennen können und Amenion forderte penetrant seine Aufmerksamkeit zurück, im dem er schnipste.

Es dauerte nur einen Moment, dann war Silas bereit sich endlich von dem Leder zu trennen. Das klimpernde Geräusch zerriss ebenso die Stille, wie der Pfiff zuvor und hinter Silas hörte er, wie etwas zu Boden fiel, als hätte sich die Unbekannte hinter ihm erschrocken. Er konnte es Rascheln hören, als sie sich bückte, doch Amenion nahm gar keine Notiz davon. Sein Blick haftete an dem Münzbeutel. Er trat zwei Schritte vor und feixte, als er das Leder weiter öffnete und die Münzen danach auf den Tisch kippte.„So… ich habe einen Lysanthemer reingetan..“, es war glatt gelogen, davon durfte Silas ausgehen doch wie sollte er das beweisen? Lohnte sich das denn überhaupt? Er war abhängig von dem Kräutermann und musste sich vielleicht damit zufrieden geben, dass er ihn übers Ohr haute.
Amenion schnappte sich ungeniert das Silberstück und versenkte es in einer kleinen Tasche an seinem Mantel. Dann beugte er sich wieder betont lässig über den Tisch und bedachte den Rest mit einem prüfenden Blick. Er murmelte tonlos, während er offensichtlich den Betrag zusammenzählte. "Tja, mein Junge,“ begann er, doch Silas kam ihm zuvor. Er bot seine Arbeitskraft, das einzige was er bieten konnte, an. Amenion musterte ihn argwöhnisch und schien abzuwägen, ob das ein fairer Handel war. Dann reichte er Silas plötzlich die Hand. „Abgemacht. Das was an Münzen fehlt, arbeitest du bei mir ab. Ich hätte da Verwendung für dich.“, grinste er und wandte sich dann an die Fremde. „Bist du fertig? Der Kunde wartet! Räum' die Münzen auf und dann komm endlich, sonst muss ich noch draufzahlen, weil sein Liebchen wegen dir verreckt ist", blaffte er sie an, wandte sich von Silas ab und schritt selber durch den Raum. „Ich bin noch mal kurz austreten.“, teilte er im Gehen mit, als würde es jemanden interessieren und verließ tatsächlich schon die Kräuterhütte durch die Eingangstür.

Sofort legte sich eine Ruhe über das Zimmer und gleichzeitig wurde die Luft etwas besser. Plötzlich trat die Frau an ihm vorbei und begann die Münzen aufzusammeln. Sie schwieg und sah ihn nicht an, doch Silas konnte die feinen Finger erkennen, die eine rosige Hautfarbe aufwiesen. Interessant war, dass ihre Haut einen goldenen Glanz besaß, der wirkte, als hätte jemand das Sonnenlicht eingefangen und geschmolzen. Nicht immer war er sichtbar, doch durch die Bewegung, leuchtete er hin und wieder auf. Als sie damit fertig war und die Münzen verstaut hatte, richtete sie sich auf und stand vor ihm. Sie war ebenso hochgewachsen wie Silas selbst, auch wenn sie nicht an ihn heranreichte. Sie musste vielleicht gute 15cm kleiner sein als er selbst. Ihr war der Schleier etwas verrutscht und Silas konnte einen Blick auf ihre rot-braunen Haare erhaschen. Ihre mandelförmigen Augen sahen zu ihm auf und strahlten eine gewisse Ruhe aus, der Blick wirkte, trotz der Reinheit der honigbraunen Farbe, leicht trüb. Als hätte sie ebenfalls unter Entbehrungen zu leiden, wie er selbst. Mehr konnte Silas jedoch, ob der Kleidung, nicht erkennen und der Moment des Innehaltens war auch schnell wieder vorüber, denn die Unbekannte, die eindeutig keine Nachtelfe war, richtete den Schleier wieder und senkte das Haupt. „Der Herr wartet.“, gab sie zu verstehen und besaß einen äußerst warmen, melodischen Klang in der Stimme, der Silas zwar bestätigte, dass sie nicht aus dem Reich stammte, ihn aber nicht darüber aufklärte, woher sie kommen könnte, sollte er nicht von anderen Völkern gehört haben und die Zugehörigkeit anhand der Dialekte erkennen. Sie nickte ihm zu und deutete auf die Tür zu den Gassen, durch die Amenion bereits verschwunden war. Danach nahm sie die Ledertasche und folgte ihrem Meister durch die Tür.

Draußen in den Gassen war es inzwischen ruhig geworden. Niemand kreuzte hier ihren Weg und die hetzende Meute, rund um Balius war verschwunden. Die hatten es wohl aufgegeben, sich um ihn zu bemühen, sodass er sich darüber keine Sorgen machen musste. Silas konnte feststellen, dass sie sich noch im Manthala-Viertel befanden, denn nach wie vor waren die Gassen etwas breiter und gepflegter. Amenion stand an eine kleine Holzhütte gelehnt, die sich in einem bepflanzten Teilstück hinter seiner Hütte befand. Es war eingezäunt, nicht sonderlich liebevoll gepflegt, doch reichte es für das Toilettenhäuschen aus. Als die beiden aus der Kräuterhütte traten, flammte gerade eine Pfeife auf, die er paffend rauchte. „Na endlich, also, Junge wo geht’s lang?“, fragte er, kam den kleinen Trampelpfad zurück und gesellte sich zu ihnen. Nun war es an Silas, sie zu seinem Wohnhaus zu führen.
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Freitag 2. Juli 2021, 16:59

Da lag er nun, dieser verfluchte Beutel, dieses kleine Häufchen Leder, das Silas so viel Ärger beschert hatte. Ein flüchtiger Augenblick, in dem der Graue tatsächlich einmal etwas von Wert besessen hatte und der nun, so schnell wie er ihn erkämpft hatte, auch schon wieder an ihm vorbeizog. Ein paar der ausgespuckten Münzen hatten sich um das Leder verteilt und wurden unter dem griesgrämigen Blick des Mischlings von Amenion zusammengezählt. Der Weißhaarige verfolgte die Bewegungen des Fremden mit Argusaugen und verengte sogleich die goldenen Iriden zu Schlitzen, als Amenion ihn so offensichtlich übers Ohr haute und nach dem Lysanthemer griff. Nicht, dass es ihn verwundert hätte, vermutlich hatte Silas sogar damit gerechnet, doch die offene Schamlosigkeit des Nachtelfen zog tiefe, mimische Schatten durch das Gesicht des Mischlings. Er wollte, dass Amenion wusste, dass er es bemerkt hatte. "Tja, mein Junge,“ setzte der Elf an, bevor Silas ihm das Angebot seiner Arbeitskraft vortrug - das Einzige was er bieten konnte. Die Luft staute sich in seinen Lungen, während Amenion ihn einer abschätzigen Musterung unterzog und wurde lautlos ausgestoßen, als jener ihm nach einer kurzen Ewigkeit schließlich zum Einverständnis die Hand hinhielt. Silas ergriff sie ohne Zögern – es war abgemacht. „… Das was an Münzen fehlt, arbeitest du bei mir ab. Ich hätte da Verwendung für dich.“, den Mischling beschlich die unangenehme Vermutung, dass es ihm keine Freude bereiten würde, mit dem Nachtelf unter Vertrag zu stehen, doch wie so häufig hatte es keine Alternative gegeben. Ein Schritt nach dem anderen, das war die Devise. Es machte wenig Sinn, sich über zukünftige Probleme den Kopf zu zerbrechen, wenn ihm die jetzigen noch bis zum Kragen reichten. „Bist du fertig? Der Kunde wartet! Räum' die Münzen auf und dann komm endlich, sonst muss ich noch draufzahlen, weil sein Liebchen wegen dir verreckt ist… Ich bin noch mal kurz austreten.“, als Amenion durch die Tür nach draußen trat, legte sich eine bleierne Stille über den Raum. Gleichzeitig nutzte Silas die Gelegenheit, um einen tiefen Atemzug zu nehmen – beinahe hätte er in stiller Resignation die Augen geschlossen, doch die schlanke Gestalt der Fremden schob sich an ihm vorbei und zog so erneut die Aufmerksamkeit des Mischlings auf sich. Mit flinken Fingern sammelte sie die Münzen ein. Sie waren von rosiger Hautfarbe und besaßen einen goldenen Glanz, der sich in den Bewegungen mal mehr, mal weniger deutlich abzeichnete. Eine rätselhafte Gestalt, sinnierte er, ziemlich eindeutig nicht von hier. Kein Mensch, dafür hätte Silas seine Hand ins Feuer gelegt. Einige Vertreter der menschlichen Gattung waren ihm bereits begegnet, deren Haut hatte jedoch vergleichsweise fahl gewirkt. Dieser Glanz jedoch… Beinahe unweigerlich stellte sich Silas die Frage, wie man als reichsfremde Person in den Dienst eines derart schmierigen Nachtelfen fand. Er beobachtete, wie sie sich aufrichtete und in einen hochgewachsenen Stand fand. Silas war es nicht gewohnt, jemanden von gleichem Wuchs zu begegnen, etwas erstaunt registrierte er somit, dass der Größenunterschied geringer ausfiel, als er es von den nachtelfischen Frauen gewohnt war – welche er zumeist um respektable eineinhalb Köpfe überragte.

Der Schleier ihrer Verhüllung war verrutscht und gab einen flüchtigen Blick auf das braune Haar mit dem rötlichen Schimmer frei. Silas war sich bewusst, dass er sie mit unterkühltem Gesichtsausdruck musterte, während er sie derart unvermittelt anstarrte, dass es ihm eigentlich hätte selbst schon unangenehm sein müssen. Doch der Mischling konnte nicht aus seiner Haut, konnte sich der Fremden gegenüber nicht auf Anhieb erwärmen, obgleich er es nicht böse meinte. Er suchte den Blick aus ihren bernsteinernen Augen und meinte darin einen abgestumpften Glanz zu erkennen, der, wie er selbst wohl am besten wusste, den meisten anhaftete, denen das Leben übel mitgespielt hatte. In gewisser Weise spiegelten sich darin die Entbehrungen, mit denen auch Silas zu kämpfen hatte. Unter seinem Blick richtete die Fremde ihren Schleier wieder – der kurze Moment des Innehaltens war vorüber. Wie zur Bestätigung erhob die Unbekannte das Wort: „Der Herr wartet.“. Sie besaß einen angenehmen Stimmklang, wie Silas feststellte, doch ihre Worte entlockten ihm ein missbilligendes Naserümpfen. Ja, klar. Lassen wir ihn nicht warten, sonst schlägt der Herr der Knollen noch Wurzeln. Der Mischling straffte die Schultern und nickte ihr zu, wie zum Zeichen des Aufbruchs. Er wartete, bis sie durch die Tür getreten war, um ihr am Absatz zu folgen und die Dunkelheit der Gasse mit einem leisen Seufzen zu begrüßen. Eine angenehme Stille hatte sich über die Stadt gelegt – gepflegte Straßen und breite Gehwege malten das Bild des Manthala-Viertels, wurden lediglich von einer Gestalt unterbrochen, die an einer Holzhütte lehnte und nicht gänzlich in die Umgebung zu passen schien. Das rötliche Glühen der Pfeife ließ schwaches Licht über die Konturen des Nachtelfen tanzen. „Na endlich, also, Junge wo geht’s lang?“, Amenion trat mit wenigen Schritten an sie heran, während Silas die Gelegenheit nutzte, um sich die eigene Kapuze über den Kopf zu ziehen.

Er warf einen Blick in die Umgebung, orientierte sich und trat anschließend wortlos den Weg an, von dem er wusste, dass er sie am schnellsten zu der kleinen Wohnstätte brachte, die er sein Zuhause nannte. Eine irrationale Furcht zerrte in seinem Inneren – so sehr er seiner Mutter auch helfen wollte, noch nie hatte er Fremden den Ort offenbart, an dem sich alles, was er zu schützen versuchte, versammelte. Es machte ihn seltsam nervös und trieb seine langen Beine in einen zügigen Gang, ohne dass er es bewusst wahrnahm. Silas schwamm in Gedanken – drohte in seinem überfüllten Geist beinahe zu ertrinken. Er war nicht lange weg gewesen, doch was würde ihn erwarten? In welchem Zustand würde er seine Mutter vorfinden? Vielleicht war sie in seiner Abwesenheit aus ihrer Somnolenz aufgetaucht, würde ihn in einem klaren Moment sogar erkennen. Es bestand jedoch auch die Möglichkeit, dass sich ihr Erschöpfungszustand verschlechtert hatte, sie einer fiebrigen Illusion hinterherjagte oder mit rasselnder Lunge in einen unruhigen Schlaf gefunden hatte. Silas bemerkte, dass er beide Hände zu Fäusten geballt hatte und öffnete jene unter geistiger Anstrengung. Er musste Ruhe bewahren, Stärke zeigen, durfte sich nichts anmerken lassen. Zahel würde munter sein, davon ging er aus, nachdem sie sich bereits die letzten Tage stets abgewechselt hatten, um den Zustand ihrer Mutter auch nachts zu observieren. Rhona und Calen – wären sie bereits im Bett? Silas hoffte darauf, je weniger Geschwister mit Amenion in Kontakt traten, umso besser. Silas trieb sich zur Eile, schlich die verwinkelten Gassen und Straßen voran, bis sich die Typologie des Ortes merkbar veränderte… Ratten von erstaunlicher Größe huschten über das Kopfsteinpflaster, die Gemäuer der Häuser wirkten rissig und schief, irgendwo in der Ferne weinte ein Kind. Nicht mehr weit, Silas erkennte die ersten Wohnhäuser der Nachbarschaft. Hatten zuvor noch gelegentliche Straßenlaternen und Leuchtpilze die Umgebung erhellt, so befanden sie sich nun in zunehmender Dunkelheit. Der Mischling verlangsamte nun endlich den Schritt, unbewusst begann er, seine Hände zu kneten, der Daumen massierte nervös über seine Handballen. „Wir sind gleich da“, murmelte er, die Stimme zu einem dunklen, heiseren Flüstern gesenkt. Es war ihm nicht aufgefallen, dass er ins Celcianische gewechselt hatte - oder vielleicht doch? Wer wusste schon, ob die Unbekannte die nachtelfische Sprache beherrschte. Amenion hatte sie durchwegs auf Celcianisch angesprochen.

Der Weißhaarige bremste seine Schritte, als er an eine verzogene, hölzerne Eingangstür herantrat und die Hand unter seinem Umhang hervorzog. Ein kleines Zögern ergriff seinen Arm, ehe er mit den Knöcheln gegen das spröde Holz klopfte. „Ich bin’s – lass mich rein“, brummte er in seinem markanten Bariton. Kurze Stille, ehe es hinter der Tür zu rascheln begann. Es folgte ein metallisches Klicken, als die Tür aus ihrem Schloss sprang und sich knarzend den drei Gestalten öffnete. „Ich bringe den Heiler mit.“

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Freitag 2. Juli 2021, 23:36

Silas war hier aufgewachsen und das dunkle Reich war seine Heimat. Früher hatte er sich in wildem Tempo, mit Myniel und Morrin, durch die Gassen gejagt und ausgelassen Schabernack getrieben. Auch wenn diese unbeschwerte Zeit längst der Vergangenheit angehörte, so kannte sich der Mischling nach einem kurzen Überblick blind aus. Er wusste wo er war und welcher Weg sie zügig zu seinem Elternhaus brachte. Sein schneller Schritt wurde von Amenion und seiner Gehilfin mühelos angenommen, die ihm nachfolgten.
Der Kräutermann paffte immer wieder an seiner Pfeife und schien generell bester Laune zu sein. Hin und wieder pfiff er dunkle Melodien oder summte, während die Gassen ruhig vor ihnen lagen. Nichts deutete zu dieser Stunde auf Ärger hin und vielleicht war das, nach den Strapazen der letzten Stunden, auch besser so. Es führte aber auch dazu, dass sich eine gewisse Müdigkeit anschickte, erneut die Oberhand zu gewinnen. Sobald das Adrenalin nachließ, setzte der erschöpfte Körper ein, um sich Ruhe zu verschaffen. Doch Silas hatte die Fäuste geballt und erlaubte sich nicht, jetzt an Ruhe zu denken. Es war ein schwerer Weg und er wusste nicht so recht, ob es wirklich so klug war, den schmierigen Nachtelf in sein aller Heiligstes zu bringen.

Doch welche Wahl hatte er denn schon? Er musste seiner Mutter helfen, musste ihr jede erdenkliche Möglichkeit schaffen, sich erholen zu können. Es war schließlich seine Pflicht, nicht wahr? Auch seinen Geschwistern gegenüber fühlte er sich schuldig, ihnen das Leben das sie kannten, zu erhalten. Ihm als Ältester der vier Kinder fiel diese Bürde zu. Selbst jetzt, auf dem Weg durch Gassen und kleineren Häuserschluchten, drehten sich seine Gedanken einzig und alleine darum, dass Amenion am besten niemanden zu Gesicht bekam, der nicht notwendigerweise an der Behandlung Hand anlegen sollte. Was würde ihn erwarten, wenn er die windschiefe Tür aus Holz erreichte? Würde Amenion helfen können und würde er seine Sache überhaupt gut machen? Was wenn er ihn einfach nur übers Ohr hauen wollte? Hätte er denn solchen Aufwand betreiben müssen dafür? So viele Fragen wirbelten umher, so viele Möglichkeiten wie diese Zusammenführung laufen konnte und er hatte keinen Einfluss darauf.
Er hatte einen Heiler aufgetan und brachte ihn zum Krankenlager. Alles weitere würde sich zeigen müssen.

Das Bild der Gassen veränderte sich zunehmend und die Ratten wurden größer und größer, bis sie fast zu kleingeratenen Katzen glichen. Dieses Viehzeug vermehrte sich im ärmsten der Armenviertel wie die Goblins der Dunklen und nichts schien vor ihnen sicher zu sein. Waren die Häuser im Manthala-Viertel noch akkurat und wohnlich, waren sie hier eher windschiefe Bruchbuden, die mehr Flicken, als Dachziegel hatten. Der untersten Schicht der Nachtelfen ging es wahrlich nicht gut unter der Herrschaft ihrer grausamen Anführerin, doch wer sollte sich schon auflehnen? Das Leben war schon hart genug. Als ein Baby weinte, wusste er, dass er gleich da sein würde. Er teilte es seinen Begleitern mit, die beide kein Wort gesagt hatten, denn Amenion summte seine Melodien, während sich die Gehilfen stark bemühte Schritt zu halten, als das Viertel immer dunkler wurde. Sie selber schien nicht unbedingt gut in der Dunkelheit sehen zu können und brauchte dementsprechend länger. Endlich erreichte Silas sein Ziel und musste sich innerlich wappnen, für das was folgen sollte, als er klopfte.

Weiter gehts in Silas' Wohnhaus
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Dienstag 6. Juli 2021, 20:22

Silas kommt von Silas' Wohnhaus


Die Luft, die ihnen entgegen schlug war deutlich besser, als die, die sich am Krankenlager aufgestaut hatte. Zwar roch es hier nicht nach Kräutern und Gewürzen, doch eine feine, kühle Brise erfasste die Umhänge der beiden Elfen. Es erschien alles ruhig und nichts ließ den rostigen Nagel eine Bewegung aufnehmen, obgleich irgendwo in der Ferne etwas schepperte und eine Katze kreischte. Avalinn richtete sorgsam ihre Garderobe, um niemanden Anlass zu geben, ihre Existenz hier zu hinterfragen und konnte Dank Silas‘ Einfall, die Laterne mitzunehmen, sogar einige Entdeckungen machen, die ihr sonst verborgen geblieben wären. So konnte sie erkennen, dass die Häuser hier viele Risse und baufällige Flecken aufwiesen die davon erzählten, dass dieses Viertel nicht weiter von Interesse am Hof der Herrscherin war.
Sie konnte hier und dort die Ratten huschen sehen, die bereits das Bild in diesen Gassen prägten. Was sie darüber dachte, behielt die zarte Elfe für sich und kein Zucken schüttelte ihre Glieder, ob des Ungeziefers. Schweigend beschritten die beiden den Weg, ließen Silas‘ Heimat mehr und mehr hinter sich und kamen zügiger voran, dank des Lichts. Einmal bogen sie um eine Ecke, als ihnen plötzlich eine Gruppe Nachtelfen entgegen kam, die sich ihren Weg zwischen ihnen hindurch bahnte, ohne dafür auch nur aus ihrem angeregtem Gespräch aufzutauchen. Erst danach fanden die beiden wieder zueinander und erreichten langsam die markante Veränderung des Viertels.

Je näher sie kamen, desto unruhiger wurde Avalinns Blick. Sie schaute sich tatsächlich einmal öfter über die Schulter und ihr Schritt wurde langsamer, als sträubten sich ihre Füße, sich dem Haus zu nähern, das sie vor geraumer Zeit verlassen hatte. Noch bevor sie in das Blickfeld der schwarzen Tür, wie Silas nun erkennen konnte, gerieten, hielt Avalinn den Mischling auf indem sie ihn an seinem Oberarm berührte. Ihr Griff war fest, auch wenn sie wohl kaum die Stärke aufbringen könnte, ihm wehzutun. „Ihr müsst mir etwas versprechen, Silas.“, ihre Stimme war fest und ebenso von Mut beseelt, wie zuvor, als sie in die Behandlung eingegriffen hatte. Sie sah ihn mit einem durchdringenden Blick an: „Ihr dürft euch nicht einmischen. Egal was gleich passiert.“, sagte sie und meinte es völlig ernst.
Es widersprach ein wenig ihrer Aussage, dass Amenion ihr nichts antun würde, doch sie erkannte das und fügte an: „Egal was ihr vielleicht sehen werdet.. hören werdet, es, … es ist nicht so schlimm.“. Und sie glaubte das tatsächlich. Sie ließ den Blick sinken und schien noch etwas zu überlegen. „Es wäre besser, wenn ihr gehen würdet.“, murmelte sie und sah zu der finsteren Tür und den dunklen Fenstern. Er hatte kein Licht angelassen für sie. Ihr Herz klopfte mit einem Mal. Avalinn schloss die Augen und atmete durch. Sie kannte das schon. Sie wusste, dass er sauer auf sie war und dass er das damit deutlicher machte, wenn er ihr die Chance nahm, besser zu sehen.
Die Heilerin straffte ihre Schultern und wirkte mit einem Mal erhaben, als sich ein ebenmäßiger Zug auf ihr Gesicht legte. Die Angst schien sie nicht länger zu ergreifen und sie hatte etwas Würdevolles an sich, als sie sich der Tür zuwandte. „Ich werde morgen da sein.“, sagte sie noch mal wie zur Bestätigung und gleichzeitig als Mantra, als müsste sie sich wappnen. Sie hatte Silas versichert, dass Amenion sie nicht anfassen würde, dass er nur ein Hund war, der bellte aber nicht biss. Sie hatte gelogen. Und als die dunkle Tür aufflog und der schmierige Elf heraustrat, sichtlich voller Vorfreude, ertönte seine Stimme: „Du bist zu spät, Avalinn!“, und er feixte dabei. Sie trat aus dem Schatten der Häuserecke und hatte die Ledertasche vor ihrem Schoß. „Die Behandlung dauerte an. Ich werde morgen nach ihr sehen und weitere Schritte einleiten.“, gab sie Auskunft, als hätte er danach gefragt. „Tu das. Aber der Abend ist für dich noch nicht zu Ende.“, fauchte er und eine Kälte schien sich zu manifestieren. Avalinn warf einen Blick über ihre Schulter der Silas mahnen sollte, sich einzumischen, bevor sie langsam die Distanz zu Amenion überbrücken wollte.
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Beitrag von Silas Círenas » Donnerstag 8. Juli 2021, 09:39

Sie stimmten in ihrem Schweigen überein, als Silas und Avalinn den Weg zu Amenions Hütte antraten. Den Duft nach Kräutern und Nadelblättern hinter sich ließen. Die Nacht war kühl, vereinzelte Nebelschwaden krochen noch über das Kopfsteinpflaster, untermalten die finstere Typologie des Viertels. Vielleicht war es der Übernächtigung geschuldet, dass die feine Brise, die sich hierbei unter ihre Mäntel verirrte, den jungen Mischlingselfen etwas frösteln ließ. Silas raffte den Stoff seines Umhangs enger um sich. Er bemerkte beiläufig, dass Avalinn ihren Blick in die nähere Umgebung schweifen und an den rissigen Gemäuern der hiesigen Gebäude entlangwandern ließ. Im Hintergrund konnte er das vertraute Geräusch von Rattengetrappel vernehmen. Der Elfe war nicht anzumerken, was sie davon hielt, hier zu sein und in Silas keimte die Frage, wie lang sie wohl schon im Reich der Nachtelfen leben musste, um von einem derartigen Anblick nicht angewidert die Nase zu rümpfen. Sie hielt ihr Erscheinungsbild bedeckt, doch er hatte es ihr zuvor bereits angesehen. Die Elfe war nicht von hier, gehörte nicht hierher. Ihr goldenes Licht hatte in der nachtelfischen Dunkelheit ein Ablaufdatum. Bei genauerer Überlegung machte es allerdings Sinn, dass sie derart abgebrüht wirkte – Amenion war die größte Ratte, die Silas in letzter Zeit zu Gesicht bekommen hatte. Der Mischling schüttelte kurz den Kopf. Er musste konzentriert bleiben, musste die Leine, mit der er seine Gedanken oft gerne wandern ließ, enger halten. Mit Sicherheit würde er seinen Kopf heute noch benötigen, also verräumte er die fahrigen Überlegungen, schob sie in den hinteren Teil seines Bewusstseins – es würde die Zeit kommen, in der er seinen Gedanken nachhängen könnte. In der er die Gelegenheit finden würde, die Geschehnisse des heutigen Abends zu verarbeiten. Nach ausreichend Schlaf und einem Happen zu Essen vielleicht. Nochmals schüttelte Silas den Kopf, ignorierte das hungernde Aufbegehren seines Magens und versuchte sich auf den zügigen Schritt zu konzentrieren, der sie mittlerweile vorantrieb.

Sie kamen gut voran, schneller als gedacht. Silas kam nicht umhin, immer wieder einen prüfenden Blick auf die Elfe zu werfen, deren Angespanntheit mit jeder verstreichenden Sekunde zu wachsen schien. Es fraß seine ganze Aufmerksamkeit, sodass der Mischling das Stimmengewirr, welches die kleine Gruppe Nachtelfen angekündigt hätte, erst viel zu spät bemerkte. Irritiert ließ er sich zur Seite treiben und unterdrückte den Fluch, den er, obgleich seiner Verschlafenheit, nur zu gerne über seine Lippen gejagt hätte. Grimmig presste er die Lippen aufeinander und als sie wieder zueinanderfanden, hielt er den Blick stur geradeaus gerichtet. So gingen sie eine Zeit lang stillschweigend nebeneinanderher, ehe eine Berührung am Oberarm den Weißhaarigen in seiner Bewegung bremste.

Innehaltend wandte er sich der Elfe zu, sein Blick zuckte zu ihrer Hand an seinem Arm, deren Griff sich ein wenig festigte, bevor er ihr ins Gesicht sah… und dem drängenden Blick ihrer bernsteinfarbenen Augen begegnete. „Ihr müsst mir etwas versprechen, Silas.“, die Vorsicht, welche ihn beim Klang ihrer Stimme erfasste, versteinerte seine Mimik. Ein harter Ausdruck prägte sein Gesicht, als er ihrem Anliegen horchte: „Ihr dürft euch nicht einmischen. Egal was gleich passiert.“. Unwille stieg ihm bis in die Kehle hinauf, formte die Worte zum Protest bereits auf seiner Zunge. „Egal was ihr vielleicht sehen werdet.. hören werdet, es, … es ist nicht so schlimm… Es wäre besser, wenn ihr gehen würdet.“, er folgte ihrem Blick auf die Fenster und beobachtete sie anschließend dabei, wie sie die Schultern straffte, von einer plötzlichen Courage erfasst. Er hatte diese Tapferkeit bereits an ihr gesehen, er erinnerte sich an den Anblick, den sie geboten hatte, als sie sich Amenions Gier in den Weg geschoben hatte. Dieses Mal war es jedoch keine Zuversicht, die Silas dabei empfand. Er entrückte sich ihrem Griff, starrte sie wortlos an. Er würde sich ihrem Entschluss beugen, das hatte er gesagt. Zähneknirschend beobachtete er die Elfe, wie sie von ihm zurücktrat, der Impuls, nach ihr zu greifen, ließ die Finger seiner rechten Hand kurz zucken. „Ich werde morgen da sein.“, mit diesen Worten wandte sich Avalinn ab. Er zischte ihren Namen, doch sie schien ihn nicht zu hören, vielleicht auch bewusst zu ignorieren, denn Amenion hatte geräuschvoll die Tür aufgeschlagen und war mit einem genüsslichen Grinsen aus der Hütte getreten. Die zuvor gefällte Entscheidung zerrte an Silas, während ein bisher unbekannter Drang nach Rechtschaffenheit ihn am Gehen hinderte. Er wusste, dass der Entschluss bereits gefasst worden war. Es stand ihm nicht zu, jetzt die Richtung zu ändern – über Avalinns Kopf hinweg zu entscheiden. Sie hatte ihn um das Versprechen gebeten, sich rauszuhalten - welches er nicht gegeben hatte. Vielleicht war es also purer Egoismus, der sich seiner bemächtigte, als er die rasenden Gedanken hinter seiner Stirn mit einem einzigen, klaren Beschluss verstummen ließ. Es hatte bereits ein kurzer Wortwechsel stattgefunden, als Silas den Schritten der Elfe folgte. Der mahnende Blick Avalinns glitt an ihm vorbei, denn er bewegte sich bereits auf Amenion zu.

Silas war kein Kämpfer, noch nie gewesen. Er hatte sich stets einer gewissen Gerissenheit bedient, um derartigen Situationen zu entgehen – wie kam es also, dass er sich nun direkt darauf zu bewegte? Amenion würde über seinen Auftritt nicht erfreut sein, so viel war sicher. Silas besaß keine Waffen, nichts, was ihm geholfen hätte, sollte die Situation eskalieren und es tatsächlich zu einem Kampf kommen. Umhang und Laterne waren alles, was er neben der Kleidung an seinem Körper bei sich trug. Doch er besaß kluge Augen, deren Beobachtungsgabe er sich zu Nutzen machen konnte. Denn genauso wenig, wie Silas ein Krieger war, war Amenion kämpferischer Natur. Nein, er war ein Schauspieler. Ein Gaukler. Jemand, der sich selbst Herr der Knollen nannte, im Hintergrund die Fäden zog, um seinen Vorteil aus der Schwäche eines anderen zu schlagen. Er konnte gefährlich werden, wenn man ihn seiner Aufmerksamkeit und seines Goldes beraubte, darin bestand mittlerweile kein Zweifel mehr, denn es gab nicht vieles, was bedrohlicher werden konnte als ein Narzisst, der in seinem Prestige gekränkt worden war. „Eure Assistentin hat gute Dienste geleistet“, sprach Silas den Schwarzhaarigen an, die Stimme klar, deutlich und in einem allzu geschwätzigen Ton gehalten. „Ich muss sagen, Ihr habt ein hervorragendes Auge für Ihr Talent bewiesen, als Ihr sie in Euren Dienst gestellt habt und… ich muss Euch danken, dass Ihr so großzügig wart und meiner Mutter geholfen habt.“, Silas legte sich theatralisch die Hand auf seine Brust, als er fortfuhr: „Ich muss zugeben, mein Misstrauen in Eure Künste war nicht gerechtfertigt. Ihr seid ein vielbeschäftigter Mann und es war töricht von mir, eure Weisheit in Frage zu stellen.“ Die Hand immer noch auf der Brust ruhend, beugte Silas das Haupt zu einer tiefen Verbeugung. „Ich stehe tief in Eurer Schuld, Amenion“, verletzter Stolz kratzte an seinem Ego, während der Mischling den Blick in seiner Verbeugung auf den Boden gerichtet hielt. Hier war er also - eine Ratte, die sich vor einer anderen Ratte verneigte. Wie passend, dachte er, fühlte bewusst in das Brennen der Scham hinein, die seine Gedanken in eine bitterböse Richtung trug, nur eine Ratte weiß, wie das Spiel der Ratten gespielt wird.

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Freitag 9. Juli 2021, 08:18

Je länger man auf eine Sache starrte oder ihr ausgesetzt war, desto weniger sah man die Details. Man lernte damit zu leben und sich nicht mehr damit aufzuhalten, sondern weiterzumachen. Man wurde blind für die Kleinigkeiten dieser Umstände und vergaß sie zu hinterfragen. Avalinn vergaß das jedoch nicht. Sie sah die Kleinigkeiten ganz genau, wusste um die Details, die ihr das Leben schwer machten und spürte die direkten Auswirkungen davon. Die Elfe verbot sich nur die Verbitterung einkehren zu lassen, sich über ihr Schicksal zu ärgern oder daran zu verzweifeln. Es lag nicht in ihrer Natur. Allerdings lag es auch nicht in ihrer Natur, sich um sich selbst zu bemühen, wenn andere ihre Hilfe sehr viel dringender benötigten. Und es stellte sich irgendwann heraus, dass man vieles mehr zu akzeptieren lernt, wenn sich niemand darum bemüht, etwas zu ändern. Auch für solche Details, für schädliche Beziehungen oder krankende Konstrukte wurde man mit der Zeit blind.
Avalinn schien ihr Schicksal akzeptiert zu haben, als sie Silas davon abhielt, sich einzumischen. Es war zwar nicht so, dass die Bernsteinaugen mit freudigem Leuchten an die finstere Tür zurückkehrten, doch sie nahm das Schicksal hin und lebte darin. Silas konnte sich dieser Akzeptanz nicht öffnen. Er spürte in sich, dass es nicht richtig sein konnte, dass die Elfe mit dem ungewöhnlichen Aussehen hier war und vor allem nicht unter Ratten hauste.
Er wollte ihr widersprechen, doch er untergrub ihre Autorität nicht. Zudem war Silas nie der Ritter in schimmernder Rüstung gewesen, der sich aufmachte und Heldentaten vollbrachte. Da war eher Morrin der richtige Ansprechpartner, der hatte beides, das gute Aussehen und die nötigen Fähigkeiten, ein Held aus den unzähligen Geschichten denen man als Kind mit angehaltenem Atem gelauscht hatte, zu sein. Manchmal halfen einem aber die Umstände dabei die Blindheit in Bezug auf sich selbst zu nehmen und ließen einen entdecken, was tief verborgen innewohnte. Und so spürte Silas, als Avalinn sich couragiert der großen Ratte offenbarte und aus dem Schatten der Häuser trat, dass er sich ihrem Willen nicht beugen konnte. Er konnte nicht zulassen, dass Amenion mit seinen ausgelatschten Stiefeln die Pflanze zertrat und er, Silas, dabei zusah. Und während die Luft vor Unbehagen zu flimmern schien, spürte Silas wie er ebenfalls aus den Schatten trat und seine Beine, die zum Weglaufen gemacht waren, ihn geradewegs auf die Gefahr zutrugen.

Avalinn wandte den Kopf, als sie ihn hörte, versuchte ihn mahnend zurückzuhalten, doch da glitt der weiße Schopf schon an ihr vorbei und sah nicht, wie viel Angst in ihrem Blick lag. Angst um ihn, denn sie kannte die schmierige Kräuterratte. Amenion wischte Silas' Erscheinen das Grinsen aus dem Gesicht. Etwas einfältig beäugte er den Halbelf und runzelte unwillig die Stirn. Silas konnte beim Näherkommen erkennen, dass Amenion überrascht war, ihn zu sehen. Er wirkte leicht abwartend und misstrauisch, während sich sein Körper anspannte. Plötzlich durchschnitt die Stimme des Gelbäugigen die sich aufbauende Spannung und klang so jovial dabei, gönnerhaft und gleichzeitig schmeichelnd, dass sich Amenion augenblicklich entspannte.
Ja, die Ratte mit den fettigen Haaren richtete sich etwas auf und sah auf den Jüngeren, bildlich gesprochen, hinab. Noch immer wohnte Argwohn seinem Blick inne, aber auch Neugierde. Er ließ Silas sprechen und jedes Wort, das dieser sich mühevoll von seinem Stolz abkratzte, hob Amenion empor und ließ ihn größer wirken. Am Ende seiner schmeichelnden Worte folgte eine Verbeugung, die die Scharade perfekt machte.
Amenion fasste sich mit beiden Händen ans Rever seiner dunklen Kleidung und schwellte die Brust vor Wonne. In den dunklen Augen blitzte es auf und ein widerliches Grinsen trat auf sein Gesicht. „Nun, Junge, da sagst du wohl wahre Dinge.“.
Silas konnte mithilfe seiner Beobachtungsgabe erkennen, dass er bei Amenion den richtigen Ton anschlug. Dieser Mann war ein Scharlatan und Schausteller sondergleichen. Der Hochmut fügte sich wunderbar in das Bild ein. Der Nachtelf sah auf Silas eine kleine Weile hinab, bevor er ihm mit dem Zucken seiner Finger zu verstehen gab, dass er sich aufrichten konnte. Die Augen der Männer trafen sich und noch gab es leichten Argwohn in den Augen des Schmierigen. Dennoch lechzten sie nach den Komplimenten und Amenion leckte sich buchstäblich die Lippen danach. „Es ist nicht leicht, gutes Personal zu finden und schon gar nicht innerhalb dieser Müllgrube das mal ein stolzes Reich gewesen war.“, phrasierte er und kam auf Silas zu. Amenion hob den Arm, legte ihn Silas dann um die Schultern und drehte den Jungen so, dass sie beide Avalinn ansehen konnten. Amenion seufzte theatralisch auf und hatte immer noch eine Hand an dem Kragen seiner dunklen Jacke.

„Leider ist sie auch nur Nutznießer meines Könnens und Wissen. Und des Öfteren viel zu aufmüpfig, als dass ich sie als hervorragend betiteln könnte. Mein Junge, du verstehst. Sie kommt nicht von hier, kennt die Gepflogenheiten nicht und schätzt sich viel zu selten glücklich, hier sein zu dürfen.“. Den letzten Teil sprach er, mit Blick auf die Elfe aus und die Stimme wirkte erneut drohend in ihre Richtung. „Ich muss mich für das Geplänkel entschuldigen. Kundschaft sollte nie davon belästigt werden.“, tat er so, als würde ihm das schwer zu schaffen machen.
Dann drehte er sich schwungvoll herum und nahm Silas erneut mit. Er führte den Jungen im stinkendem Griff bis zur schwarzen Tür und öffnete diese. „Wir wollen auf den guten Geschäftsabschluss trinken und besprechen, wie wir ihren Einsatz begleichen wollen.“. Es klang wie eine Einladung doch einladend war nichts daran. Die Hütte war nach wie vor von Gerüchen überflutet und jetzt, wo keinerlei wärmendes Kerzenlicht flackerte, wirkte sie nur trist und ungemütlich.

Avalinn setzte den schmalen Körper langsam in Bewegung, um den Männern hinterher zu gehen. Sie hatte, als Silas auf Amenion zutrat, die Luft angehalten und erst jetzt entwich ihr der gestaute Atem aus den Lungen. Sie löste beim Näherkommen etwas den Schleier vor ihrem Gesicht und sollte Silas die Augen dafür haben, würde er ein warmes, dankendes Lächeln ernten. Die Sorge schien ein wenig in den Hintergrund gerückt und zeigte ihm, das er es wohl geschafft hatte, mit seinem Einfallsreichtum die Wogen vorerst deutlich zu ihren Gunsten zu glätten. Amenion wartete, bis sie nahe genug herangekommen war und entließ Silas aus seinem Griff, um sie vorbeizulassen. Er machte gerade so viel Platz, dass sie sich zwischen den beiden Männern hindurchdrücken konnte, grinste dabei aber ekelhaft, als es sich nicht vermeiden ließ, dass sie beide dabei berührte. Über ihren gesenkten Kopf hinweg, wackelte er mit den Augenbrauen in Silas‘ Richtung.
„Räum auf, mach uns was zu essen und bring den Eimer raus.“, wies er sie an, während sie im Haus verschwand.

Danach bedeutete er Silas einzutreten und verschloss mit einem unheilvollem Klicken die Tür hinter ihnen. Avalinn war bereits, trotz schlechter Sicht, bis zum Hinterzimmer durchgetreten und hatte die Ledertasche im Vorbeigehen auf der Küchenzeile abgestellt. Hier trat sie durch die Tür und kam ohne Schleier und mit einigen Kerzenstummeln wieder, die sie in der Hütte verteilte, um sie kurz darauf mit einem Glimmstängel zu entzünden. Amenion betrachtete die Laterne, die Silas in den Händen hielt und rümpfte die Nase. „Stell das Ding an die Tür.“, sagte er, drehte sich auf dem Absatz um und durchschritt den Raum. Silas konnte erkennen, dass der Stuhl, auf dem er bereits saß, noch ebenso dastand wie er ihn verlassen hatte. Nichts schien sich an der Hütte verändert zu haben. Avalinn stellte sich in die Küche, als sie mit den Kerzen fertig war und Amenion trat dicht an sie heran, legte eine Hand auf ihren Nacken und neigte seine Lippen an ihr Ohr: „Ich vergesse nicht, Avalinn. Aber ich will dir danken, dass du diesen Narren mitgebracht hast und mir die Möglichkeit verschaffst, deine fruchtlosen Bemühungen weiter bezahlen zu lassen.“. Er sprach leise, sehr leise und je nachdem wo sich Silas aufhielt, könnte er nur Bruchstücke davon verstehen. Doch die ganze Szenerie sollte Vertrautheit wecken, war jedoch bedrohlich und wurde unheilvoller, als sich die Hand vom Nacken löste und ihren Rücken hinunter strich. Er ließ sie dann alleine und Avalinn machte sich stoisch daran, die Kräuter zu sortieren und gleichzeitig einen Topf an die Vorrichtung am Kamin zu hängen, bevor sie sich auf machte, mit einem leeren Eimer Wasser zu holen.

Während Avalinn sich also durch die Hütte bewegte, den Kopf und Blick gesenkt und immer mal wieder die Hütte verließ, um Wasser zu holen, das sie dann in den Topf gab, deutete Amenion Silas an, sich hinzusetzen. Er bot dem Jüngeren ein Schattenbier, etwas dass es nur im Reich gab, an und stellte Gläser dazu. Er schnippte mit dem Finger, bevor er sich setzte und sich genüsslich von Avalinn bedienen ließ. Sie stellte den beiden etwas Brot hin, gleichzeitig die süßen Purpurtrauben, die es hier oftmals gab und kochte dann die Suppe. Im Reich gab es viel Suppe, denn alles was hier wuchs waren Wurzeln und Pflanzen, doch als das Feuer eine Weile brannte, durchströmte mehr und mehr ein angenehmer Geruch die Hütte und verdrängte die säuerliche Note. „Also, Junge. Wie denkst du, zahlst du mir den Einsatz von unserer Kleinen hier? Sie macht ihre Sache ganz gut, das will entlohnt werden, meinst du nicht?“, er grinste schmierig und zuckersüß, während er Silas fest im Blick hatte. „Ich meine, sie ist natürlich günstiger, als ich, aber sie bringt einige Expertise mit, die mir leider verborgen geblieben ist. Wie du sicherlich festgestellt hast, kommt sie nicht von hier, exotische Waren und Delikatessen sind immer teurer, nicht wahr?“, erneut lag ein Zug um seinen Mund, der etwas andeutete, was die ganze Atmosphäre unbequemer machte für Silas und Avalinn. „Geld hast du wohl keines, sonst hättest du den Beutel nicht gestohlen. Und durch ihren Einsatz, weiß ich nicht, ob es ausreicht, dass du für mich Dinge erledigst.“, er sagte es so nebenbei, als wäre Silas nicht schon genug gebeutelt.
Der Mann war ein widerlicher Erpresser und er würde alles haben wollen, was aus dem Weißhaarigen heraustropfen konnte. „Was ist mit der hübschen Blauäugigen? Steht sie auch zur Verfügung für… Dienstbarkeiten?“. Hinter ihnen klapperte Geschirr, als Avalinn bei den Worten einen Teller fallen ließ. Eilig sammelte sie die Scherben ein, während ihr Gesicht verbissen wurde. Danach stellte sie den Männern die Suppe auf den Tisch und als sie Amenion den Teller hinschob, packte er ihr Handgelenk und streichelte mit dem Daumen über die Haut. „Du trägst dein Armband gar nicht.“, knurrte er fast und entließ sie nicht aus seinem Griff, als sie gehen wollte. „Mach es um, es steht dir so gut.“, lächelte er hämisch und fügte gönnerhaft hinzu: „Danke, Liebes für die Suppe. Du kannst jetzt gehen und uns das Geschäft besprechen lassen". Damit entließ er sie und Avalinn's Blick flackerte entschuldigend zu Silas. Offenbar tat es ihr Leid, dass er ihretwegen dem ausgesetzt wurde und sie hätte sicherlich einiges sagen wollen, doch sie verließ das Zimmer durch die Tür, aus der sie das erste Mal trat. Nun saß Silas wieder hier, Amenion gegenüber und der kleine, rostige Nagel setzte sich in Bewegung. Möge das Spiel der Ratten beginnen.
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Samstag 10. Juli 2021, 14:57

Amenion wuchs unter den Worten des Mischlings zu beeindruckender Größe heran, entfaltete jeden gestauchten Zentimeter seiner abstoßenden Erscheinung, die Brust geschwollen, ein genießerisches Grinsen auf den Lippen als er Silas‘ Würdigung lauschte. Eine Motte, die sich dem Licht trügerischer Worte nicht entziehen konnte, darin badete und tanzte. Ganz offensichtlich frönte der Schwarzhaarige der Lobrede, mit der Silas ihn umschmeichelte - die Erleichterung jener Erkenntnis flutete wellenartig über den Mischling hinweg, immerhin war nicht absehbar gewesen, wie Amenion den Versuch, die Wogen zu glätten, hinnehmen würde. Trotz der Galanterie seiner Worte war es waghalsig gewesen, sich dem Anderen in gebeugter Haltung zu unterwerfen, doch der wohlwollende Ton in der Stimme des Kräuterherren lobte den Wagemut des Mischlings. „Nun, Junge, da sagst du wohl wahre Dinge.“, erklang es zustimmend von oben herab. Immer noch verweilte Silas in seiner Verbeugung, ließ sich von dem Gewicht der Scham und Schande noch ein wenig tiefer Richtung Boden sinken. Die Muskeln seiner Kieferpartie spielten angespannt, während er die Zähne zusammenbiss und unter Amenions herablassendem Blick ausharrte. Mit einer Fingerbewegung bedeutete ihm der Kräuterherr schließlich, sich aufzurichten. Silas schloss die Augen und atmete durch geblähte Nasenflügel, ehe er sich mit einem entspannten Gesichtsausdruck aus der Verbeugung erhob und die Hand von seiner Brust nahm. Er begegnete dem Argwohn mit einem versöhnlichen Lächeln – einem guten Beobachter wäre möglicherweise die Härte hinter dem gelbäugigen Blick aufgefallen, die fehlende Gefühlsregung hinter den goldenen Seelenspiegeln, welche das Lächeln nicht zu erreichen schien. Doch Amenion bewies einmal mehr, wie sehr er nach Anerkennung lechzte, dass er lediglich Augen für das Offensichtliche besaß. „Es ist nicht leicht, gutes Personal zu finden und schon gar nicht innerhalb dieser Müllgrube das mal ein stolzes Reich gewesen war.“, hakte Amenion in Silas‘ Huldigung ein. Er durchschritt die Entfernung zum Weißhaarigen und legte ihm in falscher Freundlichkeit den Arm über die Schulter. Silas folgte der Bewegung, wandte sich unter dem Griff des Anderen nun wieder Avalinn zu, die dem Spektakel in seinem Rücken beigewohnt hatte. „Leider ist sie auch nur Nutznießer meines Könnens und Wissen. Und des Öfteren viel zu aufmüpfig, als dass ich sie als hervorragend betiteln könnte. Mein Junge, du verstehst. Sie kommt nicht von hier, kennt die Gepflogenheiten nicht und schätzt sich viel zu selten glücklich, hier sein zu dürfen.“, nun, da er sich dem direkten Blickfeld der Elfe bewusstwurde, gelang es Silas nur mühevoll, den gleichgültigen Ausdruck zu wahren. Sein Schauspiel stockte, geriet ins Wanken. Doch er rang sich eine nachlässige Musterung ihrer schmalen Gestalt ab, kühl und stumpf, beinahe teilnahmslos – seine Aufmerksamkeit musste weiterhin Amenion gelten. „Fremdländer sind störrisch“, pflichtete er dem Schwarzhaarigen bei und fügte mit einem Blick auf Avalinn an: „Sie wird es Euch danken, irgendwann. Die Wenigsten würden sich derart geduldig mit ihr zeigen.“ Zuvor hatte Silas den Ton gefunden, der Amenion versöhnlich stimmte, doch es war eine Gratwanderung, ihn beizubehalten. Er durfte nicht übertreiben, musste sein Schauspiel in einem glaubhaften Rahmen halten, durfte den Bogen weder überspannen, noch sichtlich ins Straucheln geraten. Seine Bewunderung musste aufrichtig wirken.

Eine weitere, schwungvolle Bewegung riss Silas umher. „Wir wollen auf den guten Geschäftsabschluss trinken und besprechen, wie wir ihren Einsatz begleichen wollen.“, sie steuerten nun die Hütte an, welche sie mit Dunkelheit in Empfang nahm. Amenion schritt durch den schmalen Eingang voran und als auch Avalinn an ihm vorbeihuschte, erkannte er mit einem flüchtigen Blick auf sie, dass sie ihm aus dem gelockerten Schleier Dankbarkeit in Form eines wärmenden Lächelns schenkte. Etwas beschämt und mit finsterer Miene wandte er sich von ihrem Anblick ab und zeigte ihr, wenngleich unbewusst, die kalte Schulter. Hatte er in seinen Augen doch nichts getan, was dieses sanfte Strahlen gerechtfertigt hätte. Er war kein Held, kein Ritter in goldener Rüstung, der sich schwertschwingend in den Kampf geworfen hatte, um sie oder ihre Ehre zu verteidigen. Unter ihrem Lächeln fühlte er sich, als hätte er einen Drachen niedergestreckt – während er stattdessen damit beschäftigt gewesen war, einem stinkenden Nachtelfen Honig ums Maul zu schmieren. Ihre Ehre verteidigt? Pah! Ganz die Ratte, die er war, hatte er sogar die Sprache gewechselt, um ihren Mut durch den Dreck zu ziehen. Vielleicht lebte sie bereits zu lange unter dem nachtelfischen Gesindel, dass sie gegenüber jedem, der ihr Wohlwollen zeigte, Dankbarkeit empfand. Morrin an ihrer Seite, ja, er wäre der passende Gegenpart gewesen. Ein Elf, dem tatsächlich die Heldenrolle zugestanden hätte - gutaussehend, kampferprobt und draufgängerisch. Jemand, der in Amenion keinen ernstzunehmenden Gegner gesehen und ihn vermutlich allein durch körperliche Dominanz in seine Schranken verwiesen hätte. Silas hingegen, wenngleich hochgewachsen, war schlank und von sehniger Statur und wusste um seine kräftemäßige Unterlegenheit, die vor allem der Belastung der letzten Wochen geschuldet war. Niemals hätte er den offenen Kampf einem strategischen Schachzug vorgezogen. Nein, er würde sich gedulden müssen. Wo andere sich Wege bahnten, musste er Gelegenheiten abwarten. Ein Moment der Unachtsamkeit würde genügen – ein flüchtiger Augenblick, der Flügelschlag einer glücklichen Fügung, irgendetwas, das es ihm ermöglich würde, sich gegen Amenion zu behaupten. Wahrlich, Silas stand nicht der Sinn danach, länger als unbedingt nötig im Dienst des zwielichtigen Kräuterherren zu stehen und er würde Augen und Ohren offenhalten, um einen Weg aus der Misere zu finden.

Avalinn hatte ihren schmalen Körper mittlerweile zwischen den nachtelfischen Gestalten hindurchgeschoben – Amenion hatte ihr hierbei kaum genügend Platz gelassen, um ihr das Durchkommen zu ermöglichen und die daraus resultierenden Berührungspunkte mit einem ekelhaften Grinsen und vielsagenden Augenbrauenwackeln quittiert, während Silas sich soweit möglich darum bemüht hatte, seinen Körper ihren Bewegungen entsprechend so zu positionieren, dass sie sich möglichst bequem vorbeischieben konnte. Ohne allzu auffällig von ihr zurückzuweichen. Es waren eben jene Aufdringlichkeiten in Amenions Verhalten, die Silas ungemütliche Schauer über die Haut jagte. „Räum auf, mach uns was zu essen und bring den Eimer raus.“, wies er Avalinn an, während sie im Haus verschwand. Silas folgte ihren Schritten in die Dunkelheit und bemerkte, dass sich seit ihrem Aufbruch nicht allzu viel verändert hatte. Lediglich die Abwesenheit des Kerzenlichts sorgte für eine gewisse Tristesse. Wie angewiesen stellte Silas die Laterne an die Tür. Avalinn huschte indes bereits mit Kerzen und Glimmstängel bewaffnet durch die Räumlichkeiten und entzündete die wächsernen Stummeln. Warmes, goldenes Licht tanzte nun erneut über die Konturen der Einrichtung, hin und wieder zischte und knisterte es, wenn die Elfe ein weiteres Licht entfachte. Silas nahm auf dem Stuhl, den er bereits zuvor beschlagnahmt hatte, Platz und knöpfte sich den Umhang auf. In seinem Augenwinkel war Avalinn an die Küchenzeile getreten, dem Amenion sogleich folgte. Es erweckte den Anschein einer gewissen Vertrautheit, die Art, wie Amenion sich der Elfe annäherte, ihr die Hand in den Nacken legte und die Lippen herabsenkte, bis sich das Flüstern in den Strähnen ihres rotbraunen Haars verlor. Silas versuchte, seinen Blick passiv in der Hütte umherwandern zu lassen, doch die neugierigen Elfenohren zuckten, wollten etwas von dem Gesprochenen aufschnappen. Frustriert stellte Silas fest, dass seine Bemühungen keine Früchte trugen und als Amenion von der Elfe zurücktrat, beunruhigten ihn die stoischen Bewegungen, mit denen Avalinn ihre Arbeit fortsetzte. Silas war sich der Tatsache durchaus bewusst, dass seine Anwesenheit dem Kräuterherren in die Hände spielte, doch er hatte das Risiko seiner Abwesenheit nicht eingehen dürfen. Amenion war in seiner Kränkung nicht vorhersehbar gewesen. Die Gefahr, dass Avalinn nicht so heil aus der Begegnung herausgekommen wäre, wie sie versprochen hatte, war schlichtweg zu groß gewesen. Seine Mutter war noch nicht über den Berg, er benötigte ihr Fachwissen, ihre Behandlungsmethoden. Wenn er also mit Amenion herumtänzeln musste, um die Genesung seiner Mutter zu gewährleisten, würde er das tun.

Der Tisch deckte sich durch Avalinns Bemühungen reichlich. Schattenbier, Brot und süße Purpurtrauben fanden ihren Platz und ließen Silas unweigerlich schlucken. Bald überlagerte auch der appetitanregende Duft nach Wurzelgemüse und heißer Suppe die säuerlichen Gerüche, die Amenion in seiner Anwesenheit verströmte. Silas Wangentaschen brannten ob der verschiedenen Köstlichkeiten. Mit einem Mal wurde er sich der schmerzenden Leere in seinem Magen bewusst und der Hunger, den er zuvor wissentlich in den Hintergrund gedrängt hatte, krampfte sich um seine Eingeweide. „Also, Junge. Wie denkst du, zahlst du mir den Einsatz von unserer Kleinen hier? Sie macht ihre Sache ganz gut, das will entlohnt werden, meinst du nicht?“, wie aus weiter Ferne drang die Stimme des Kräuterherren an ihn heran. Silas suchte einen Fokuspunkt in Amenions Gesicht und erwiderte das schmierige Lächeln mit einem leichten Kopfnicken. Er ließ Amenion fortfahren, während er sich eine Traube von dem Schneidebrett zupfte, auf dem auch das Brot garniert worden war. „Ich meine, sie ist natürlich günstiger, als ich, aber sie bringt einige Expertise mit, die mir leider verborgen geblieben ist. Wie du sicherlich festgestellt hast, kommt sie nicht von hier, exotische Waren und Delikatessen sind immer teurer, nicht wahr?“, Silas begegnete dem Blick des Schwarzhaarigen, als er die Traube zwischen die Lippen gleiten ließ. Süß und vollmundig legte sich der Geschmack an seinen Gaumen, er schluckte nachdenklich, sinnierte über die Worte, doch Amenion erhob erneut die Stimme, ließ sich in seinem Monolog nicht beirren. „Geld hast du wohl keines, sonst hättest du den Beutel nicht gestohlen. Und durch ihren Einsatz, weiß ich nicht, ob es ausreicht, dass du für mich Dinge erledigst.“. Ah, wir kommen der Sache näher. Silas ahnte bereits, dass Amenion Schwäche gewittert hatte – und er verbiss sich darin wie ein scharf abgerichteter Bluthund. Auf das, was folgen sollte, war er der Mischling allerdings nicht vorbereitet. Ganz in der Rolle des leutseligen Geschäftspartners, lehnte sich Silas entspannt zurück, mit betroffener, nachdenklicher Miene, die er mit verschränkten Armen unterstrich. „Natürlich, natürlich tut es das nicht.“, fügte er den Überlegungen des Kräuterherren an, zeigte sich einsichtig und den offenen Bedenken seines jovialen Herren zugänglich. Es traf Silas härter, als Balius‘ Faust es jemals gekonnt hätte: „Was ist mit der hübschen Blauäugigen? Steht sie auch zur Verfügung für… Dienstbarkeiten?“ Dienstbarkeiten.. Er versteifte an Ort und Stelle. Lediglich dem verbliebenen Rest an Selbstbeherrschung war es zu verdanken, dass Silas nicht hier und jetzt von dem knorrigen Stuhl aufsprang und Amenion zu Boden riss. Selbst das Splittern des Tellers, welcher Avalinn durch die Finger glitt, drang kaum an seine Ohren. Sein Kopf füllte sich mit dichten, schwarzen Gewitterwolken, es tobte und rauschte, sein Blut floss kochend heiß durch seine Adern. Dieser Mistkerl, donnerte es hinter der Stirn des Mischlingselfen. Dieser verfluchte Bastard.. Unter den unaussprechlichen Bildern, die sich seinem inneren Auge aufdrängten, formte sich in Silas etwas heran, spitz und scharf. Etwas Bösartiges räkelte sich in seinem Inneren, klopfte sanft an der Tür zu seinem Geist, die er bisher verschlossen gehalten hatte. Vielleicht war es der Nachtelf in ihm, der kurzfristig jeden neldorethischen Sanftmut zurückdrängte, ihm scheußliche Dinge zuflüstern wollte… und Silas war gewillt hinzuhören, sich der Dunkelheit hinzugeben, die sich bereits dem Großteil des nachtelfischen Gesindels bemächtigt hatte. Eine finstere Gewissheit erfasste ihn. Eine Gewissheit, die er unausgesprochen vor sich und der Welt versteckt gehalten hatte. Die Gewissheit, dass er die Kehle dieses Mannes aufschlitzen würde, sollte er seine stinkende Gestalt auch nur in die Nähe seiner Schwester bewegen. Das nächstbeste Buttermesser würde genügen, um es ihm in den Hals zu rammen. Selbst der Nagel in Silas Nacken verstummte in Anbetracht jener Skrupellosigkeit, die ihn zu übermannen drohte. Ich leg‘ ihn um. Gleich hier und jetzt… Er zügelte sich, rang jeder Faser seines Körpers Selbstbeherrschung ab. Seine Bewegung wirkte noch steif und etwas unbeholfen, als er nach dem Schattenbier griff, einen großzügigen Schluck nahm und schließlich geräuschvoll abstellte. „Niemand außer mir steht Euch zur Verfügung, Amenion“, sagte er und suchte den Blick des Schwarzhaarigen. Die Andeutung eines bitteren Lächelns zuckte in seinen Mundwinkeln, als er fortfuhr: „Ich bin mir sicher, dass ich euren Anforderungen gerecht werde. Mit Sicherheit habt Ihr euch bereits Gedanken gemacht. Ihr arbeitet effizient, wie mir scheint. Und ressourcenorientiert.“, jedes Wort schmeckte gallig, dennoch mühte er sich ein trockenes Lächeln ab. „Wie kann ich Euch also dienlich sein?“

Die Suppe wurde serviert und ihm köstlich duftend unter die Nase geschoben. Der Hunger half tatsächlich ein wenig, seine aufgewühlten Gedanken zu beruhigen und wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. „Du trägst dein Armband gar nicht.“, ertönte es über den Tisch und Silas blickte auf. Amenion hielt das Handgelenk der Elfe fest umgriffen und entließ sie auch dann nicht aus seinem Griff, als sie sich zum Gehen abwenden wollte. „Mach es um, es steht dir so gut.“, lächelte der Schwarzhaarige hämisch und fügte gönnerhaft hinzu: „Danke, Liebes für die Suppe. Du kannst jetzt gehen und uns das Geschäft besprechen lassen". Vielleicht sollte ich ihn doch umlegen, dachte Silas böse, als Avalinn mit gesenktem Kopf an ihm vorbeiglitt. Ihr entschuldigender Blick befeuerte den Wunsch irgendwo ein wenig. In seinem Rücken schloss sich die Tür, die Avalinn hinter sich zuzog. Silas wollte den Schein einer entspannten Atmosphäre wahren, also schluckte er den Zorn hinab und konzentrierte sich stattdessen wieder auf die kräftig duftende Brühe vor ihm. Allzu beiläufig schnappte er nach einem Stück Brot, in dessen Kruste er herzhaft hineinbiss, während er innerlich gespannt auf Amenions Antwort wartete und dem kleinen, rostigen Nagel in seinem Nacken lauschte.

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Samstag 10. Juli 2021, 22:10

Hätte man Silas gefragt was er sich davon erhoffte in der Dunkelschenke nach Arbeit zu fragen, seine Antwort wäre wohl weit von dem abgewichen, dessen er sich nun ausgeliefert sah. Es war eine Aneinanderreihung von Gegebenheiten, die ihn bis zu diesem Moment getragen hatten. Zu einem Moment in dem er sich vor jemanden erniedrigte, der es auch noch sehr genoss, ihm dabei zu zusehen. Und für wen? Für wen tat er das, quetschte das letzte Bisschen Stolz aus seiner gepeinigten Seele heraus, um es dem widerlichen Herrn der Knollen vor die Füße zu tropfen? Amenion badete genüsslich darin und dachte gar nicht daran, Silas daraus zu entlassen. Er wollte mehr davon, mehr von seiner Seele und seiner Integrität. Denn Avalinn fiel sehr wohl auf, dass Silas kaum fähig war ihrem Blick standzuhalten. Was er über sich selber dachte blieb ihr verborgen, doch die Elfe mit den zauberhaften Augen hatte eine feine Beobachtungsgabe. Es war vielleicht nur natürlich dass sich so etwas entwickelte, wenn man wie sie stets im Hintergrund stand und niemand den Blick nach ihr suchen ließ. Die Kühle, die Teilnahmslosigkeit verschreckte sie nicht und so schenkte sie ihm dennoch das warme Lächeln, als sie an ihm vorbei gehen sollte. Die kalte Schulter die er ihr entgegnete brach die Wärme nicht, denn es war von ihrer Seite aufrichtig gemeint und brauchte keine gleichwertige Antwort seinerseits. Nicht alle Helden trugen die schimmernde Rüstung und nicht jede Heldentat musste in Liedern besungen werden. Avalinn verschwand unter dem dunklen Blick ihres Herren im Haus und machte sich schweigsam an ihre Aufgaben. Silas nahm Platz und wappnete sich für das was Amenion plante. Denn die Scharade würde noch lange aufrechterhalten werden müssen, wie Silas feststellte und er musste alles um sich herum weitestgehend ausblenden.

Zupass kam seinem Spiel sicher, dass er nicht hören konnte, wie Amenion verbal erneut Druck auf Avalinn ausübte, bevor er sich ihm gegenübersetzte. Die Worte die folgten, glichen eher einem Monolog, denn eines Gesprächs und immer wieder wurde dieser in die Länge gezogen, wenn sich Amenion an den Speisen bediente und die rote Traubenflüssigkeit geräuschvoll auslutschte, bevor er den Rest aß. Es war eine seltsame Geräuschkulisse, die die ganze Umgebung noch unbehaglicher machte. Der Herr über Kräuter und Knollen wusste um seine Macht und kostete sie, wie die vollmundige Schwere der Trauben, genüsslich aus. Er war sich nicht mal zu schade, sich Silas gleich offen zu präsentieren, zu sagen was ihn nachdenklich stimmte und Silas ahnte, dass der abgemachte Preis höher ausfallen könnte, als er bisher annahm. Noch hatte Amenion ihm nichts näheres zu irgendwelchen Aufgaben genannt, doch Botengänge der unliebsamen Natur, wären sicherlich realistisch gewesen. Noch bevor es allerdings dazu kam, diese Aufgaben näher zu definieren, schlug der Schmierige ein Loch in die Tür in Silas' Kopf, die all seine finsteren Gene eingepfercht hatte, um sie nie hervorzuholen. Mit seiner Anspielung auf Zahel, war es Silas, als hätte jemand das Tor zum Harax selbst geöffnet und all die inneren Dämonen klatschten hämisch in die Klauen, um sich seinen Verstand einzuverleiben und ihm die schlimmsten Methoden eines qualvollen Todes mitzuteilen. Silas hatte Mühe nicht hinzuhören. Er wollte. Er war drauf und dran dem Impuls in seinem Innern nachzugeben und bildlich sah er, wie er Amenion vom Stuhl riss und ihm vielleicht sogar mit bloßer Hand, die Kehle zerfetzte. Er wäre diese stinkende Daumenschraube auf jeden Fall losgeworden. Es nagte in seinem Hinterstübchen. Es fraß sich ein kleines Loch in die geflickte Tür, die Silas mühevoll geschaffen hatte, um die Fassung zu bewahren.

Amenion lehnte sich während Silas‘ Gedankeninferno entspannt zurück und beobachtete den Jungen. Ein feines Lächeln umspielte die Lippen, wissend und diabolisch, als könnte er die Gedanken des Anderen erraten. Er fing den Blick auf und wartete, nachdem Silas klar machte, dass nur er zur Verfügung stand, noch einen Moment und schlug seine Beine übereinander. Das Leder seiner Stiefel knarzte und erneut schob er sich geräuschvoll eine Traube in den Mund. Er kostete das Unbehagen aus, wie die Spinne die unaufhörlich ihre Beute einwickelte, bis diese durch einen Biss gelähmt und kampfunfähig gemacht wurde.
Bevor er etwas erwiderte, trat Avalinn an den Tisch. Erneut war es die Elfe, die mit dem Bringen der Suppe für eine Ruhe im Sturm sorgte und die Gedanken, die Silas heimsuchten, wurden ruhiger und ruhiger. Amenion ließ sich von Avalinn ablenken, bevor er sie dann hinausschickte. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, lehnte sich der Kräuterelf vor und schlürfte einen Löffel von der Suppe, während Silas das Brot vorzog. „Mhhm", machte er und lächelte, als wäre nichts dabei, als würde er mit einem Freund zu Abend essen. Es folgte ein weiterer Löffel, dann ein Stück Brot. Die Zeit tröpfelte schier endlos dahin, musste sich für jemanden der auf die Erlösung wartete, quälend anfühlen. Erst nachdem Amenion noch einen kräftigen Schluck von dem Bier genommen hatte, lehnte er sich wieder zurück, faltete die Hände in seinem Schoß und blickte Silas eindringend an. „Kochen kann sie.“, eröffnete er Silas und grinste, weil er genau wusste, dass der Jüngere auf etwas anderes wartete. Dann legte sich ein Moment des Schweigens über sie und das Gesicht des Schmierigen wurde harsch, wirkte unheimlich im flackernden Licht der Kerzen. Die Hautfarbe, die er hatte, war sogar noch blasser, als die von Silas was ihn schon fast geisterhaft erscheinen ließ. „Nun gut, Junge. Ich hatte ursprünglich andere Dinge mit dir vor, doch das erscheint mir in Anbetracht… der Lage, nicht mehr ausreichend.“. Er machte eine wedelnde Geste mit seiner Rechten, die der Ausgangstür zugewandt war. „Ich habe einen Haufen Laufburschen hier und brauche nicht wirklich jemanden, der mir die… Dinge von A nach B trägt.“, hielt er sich vage und ließ kurz seine Zähne blitzen.

Silas durfte klar werden, dass Amenion längst nicht der ekelhafte Einsiedlerelf mit Kräuterhütte war, wie er vielleicht geglaubt hatte. Der Mann hatte Hilfe, ja vielleicht sogar Einfluss und Macht. „Ich bräuchte tatsächlich etwas von großem Wert und suche noch nach dem Richtigen, der es mir beschafft“, dunkel lagen seine Augen in den gelben des Jüngeren und schienen bis in seine Seele zu blicken. "Jemanden mit.. schauspielerischen Talent. Zu allem bereit.".
Von dem Theatralischen war nichts mehr zu erkennen. Offenbar gab es noch eine andere Seite an ihm, die Seite die Silas bereits vor der Tür hatte entdecken dürfen, als er Avalinn begrüßt hatte. Etwas diabolisches lag in seiner Ausstrahlung. „Ich zweifle noch, ob du dieser Jemand sein kannst.“, ließ er ihn wissen und erhob sich plötzlich. Er ging um Silas herum, blieb in seinem Rücken stehen und verschob auf subtile Weise die Machtverhältnisse um ein Vielfaches, da er auf ihn hinabblicken konnte. Der rostige Nagel begann augenblicklich sich zu drehen. Lange stierten die schwarzen Augen auf den Hinterkopf des Weißhaarigen, als könnte er dort Ideen einpflanzen, die ihm nützlich waren. „Es geht um.. sagen wir eine Expedition. Etwas muss geborgen und zu mir gebracht werden. Dafür würdest du Avalinn benötigen und mir würde dadurch natürlich meine äußerst wertvolle Assistentin wegfallen. Doch Einzelheiten dazu später.“, meinte er während er ‚wertvoll‘ seltsam betonte und seinen Platz beibehielt. Dann kam er plötzlich zurück geschlendert, setzte sich erneut auf den Stuhl und aß seine Suppe, als wäre er nicht gerade dabei zu verhandeln. Genüsslich schlürfte er das Wurzelgemüse, kaute, aß Brot und trank, bevor er sich einige fettige Tropfen vom Kinn wischte und sich erneut aufrichtete. „Natürlich würde ich ein Pfand benötigen, um mir deine Loyalität zu sichern.“, eiskalt kamen die Worte beiläufig aus seinem Mund und er sah ihn nicht mal an dabei.
Es war widerlich wie er sich Silas gegenüber verhielt und ihn spüren ließ, dass er alle Trümpfe in der Hand hatte. Dann trank er das Bier leer, bevor er ihn ansah: „Ne Ahnung, was das sein könnte?“, und seine Lippen öffneten sich zu einem Grinsen das Silas schlagartig klar machte, wer dieses Pfand sein sollte. Dass seine Frage nach Zahel nicht beiläufig oder gar unüberlegt erfolgte. Er wollte in dem Jungen erkennen können, was ihm etwas bedeutete und hatte mit der Schwester ins Schwarze getroffen. Nun hielt er die Leine kurz und wartete seelenruhig ab, was passieren würde.
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Dienstag 13. Juli 2021, 22:56

Amenion wusste, was ihm durch den Kopf ging, da war sich Silas sicher. Er erkannte es an dem Lächeln, der Art und Weise, wie ihn der wissende Blick durchbohrte. Er hatte die Kontrolle verloren, hatte sich dem tobenden Sturm seiner Gedanken ergeben und viel zu spät gemerkt, wie Amenion den sprichwörtlichen Fuß in die Tür bekam. Nein, nicht nur den Fuß. Amenion lehnte sich fein lächelnd zurück und überschlug die Beine. Silas verkrampfte unter dem Blick des Schwarzhaarigen. Die löchrige Tür, die Silas all die Jahre mühevoll geflickt und geleimt hatte, stand dem Nachtelfen sperrangelweit offen, Amenion hatte sie mit seinem Trick geschickt aus den Angeln gehoben und den Blick auf das freigegeben, was Silas bisher so angestrengt unter Verschluss gehalten hatte. Sein Gegenüber kostete das Unbehagen aus, beobachtete, wie Silas um seine Beherrschung rang. Kurz ließ Amenion sich von seiner Assistentin ablenken, gewährte dem Mischling somit einige Augenblicke, um wieder zu sich selbst zu finden. Doch der bittere Beigeschmack der Tatsache, dass Amenion ihn derart kalt erwischt hatte, ließ sich weder durch Brot noch Trauben neutralisieren. Eine unheilvolle Ruhe legte sich über den Raum als Avalinn durch die Hintertür trat und es war, als wäre mit Avalinn auch der Appetit des Mischlings verschwunden. Silas griff zögerlich nach seinem Löffel, denn er wusste, dass sein Körper nach der Mahlzeit verlangte, obgleich ein seltsames Taubheitsgefühl jegliches Bedürfnis verstummen ließ. Kalter Schweiß trat in seinen Nacken, während das Blut in seinen Adern noch immer zu kochen schien. Löffel um Löffel schob er sich in den Mund. Er schluckte, ohne zu schmecken, hielt die Aufmerksamkeit auf den Nachtelfen gerichtet. Doch Amenion ließ sich Zeit, ganz offensichtlich schien er die Ruhe weg zu haben. „Kochen kann sie.“, eröffnete der Kräuterherr, während Silas das Besteck zur Seite legte. In Erwartung einer unangenehmen Offenbarung ließ sich Silas frustriert seufzend gegen die Stuhllehne sinken. Er wusste, dass Amenion sein Spiel mit ihm spielte und dass jener dabei war, es zu gewinnen. Der Mischling hatte ein mieses Blatt, was für sich allein schon problematisch war, dass Amenion nun aber genau wusste, wie es um ihn stand, machte nun auch jeden Bluff zunichte.

„Nun gut, Junge. Ich hatte ursprünglich andere Dinge mit dir vor, doch das erscheint mir in Anbetracht… der Lage, nicht mehr ausreichend.“, dies hatte Amenion bereits zuvor äußerst deutlich zu verstehen gegeben. Silas hegte keinen Zweifel daran, dass der Nachtelf bereits ganz konkrete Vorstellungen davon hatte, wie er zum Einsatz kommen würde. „Ich habe einen Haufen Laufburschen hier und brauche nicht wirklich jemanden, der mir die… Dinge von A nach B trägt.“, er rutschte über die Sitzfläche und straffte die Schultern. Wäre ja doch zu einfach gewesen. „Ich höre“, murmelte er finster, die Arme vor der Brust verschränkt. Pakete ausliefern, Botschaften überbringen, darin hatte der Mischling Erfahrung, darin war er gut. Er stellte keine unnötigen Fragen, war flink und schnell auf den Beinen. Eigenschaften, die seine bisherigen Auftraggeber an ihm geschätzt hatten. Doch Amenion hatte anderes mit ihm vor, das hatte er so eben offenbart. Der Mischling schluckte. Mit einem Mal lagen Brot und Trauben ihm wie Steine im Magen und auch die Suppe drängte sich zunehmend gegen seine Kehle. „Ich bräuchte tatsächlich etwas von großem Wert und suche noch nach dem Richtigen, der es mir beschafft… Jemanden mit.. schauspielerischen Talent. Zu allem bereit.", Silas ließ die Wörter auf sich wirken, fuhr sich nachdenklich mit dem Daumen über die Unterlippe und nagte mit den Zähnen an der Fingerkuppe, während er Amenion bei seiner Ansprache beobachtete. Etwas von Wert. Nein, von großem Wert. Silas Bick wurde schmal. Schauspielerisches Talent? Ein Diebstahl also? „Ich zweifle noch, ob du dieser Jemand sein kannst.“, die Augenbrauen des Weißhaarigen wanderten aufwärts, es folgten ein leises Schnauben und ein bitteres Grinsen, dem jeglicher Humor fehlte. Da sind wir schon zwei, er beließ es bei dem Gedanken, zog die Arme ein wenig enger um seine Brust. Amenion hatte sich erhoben, schlenderte um ihn herum. Ein Aasfresser, der großzügige Kreise zog, in dem Wissen, dass seiner Beute ein baldiges Ende nahte. Silas lag die Frage auf der Zunge, was wohl passieren würde, sollte die Entscheidung nicht zu seinen Gunsten ausfallen – sollte Amenion von seinen Qualitäten, so er denn welche besaß, nicht ausreichend überzeugt sein. Dieses Spiel nahm wahrlich abstruse Züge an... und Silas war sich nicht sicher, ob er die Regeln verstand. Er fühlte sich gebeutelt, wie durch fremde Hand geführt. Er war nicht mehr, als eine Schachfigur, ein Bauer, umgeben von Türmen, Läufern und Springern. Sein Blick hatte an diesem Abend den Details gegolten, nicht jedoch dem großen Gesamtbild, wie er nun feststellen musste. Neben all den Meisterdieben, die das Reich der Nachtelfen hervorbrachte, sollte es tatsächlich in der Aufgabe des Mischlingselfen liegen, etwas von Wert zu beschaffen. Bei Manthala, wie hatte er es geschafft, hier zu landen? Er war der Halbling mit der abgebrochenen Schreinerlehre. Nie zuvor hatte er sich fremden Eigentums bedient, es war pure Verzweiflung gewesen, die ihn in dieser Nacht zu jener kleinkriminellen Schandtat getrieben hatte.

„Es geht um… sagen wir eine Expedition. Etwas muss geborgen und zu mir gebracht werden. Dafür würdest du Avalinn benötigen und mir würde dadurch natürlich meine äußerst wertvolle Assistentin wegfallen. Doch Einzelheiten dazu später.“, Silas Blick haftete sich Amenion an, als jener sich an seinen Stuhl zurückbewegte, Platz nahm und sein Nachtmahl genüsslich fortsetzte, als würde er nicht merken, dass der Mischling auf glühenden Kohlen saß. Das Schlürfen, Schmatzen und Kauen des Nachtelfen glich einer weit unterschätzten Foltermethode. Keinen Bissen würde Silas unter diesen Bedingungen hinabwürgen können, also hielt er still und grub die Nägel wie zur Ablenkung in seinen Oberarm. „Was soll das heißen?“, drängte er, als er nicht mehr an sich halten konnte. Amenion rieb sich gerade die letzten, fettigen Tropfen vom Kinn, als er zur Antwort ansetzte: „Natürlich würde ich ein Pfand benötigen, um mir deine Loyalität zu sichern.“. Geräuschvoll stürzte er das Schattenbier seine Kehle hinab. „Ne Ahnung, was das sein könnte?“, der Nagel in Silas‘ Nacken bohrte und quietschte, die Erkenntnis sickerte klebrig und quälend langsam in sein Bewusstsein.

Die Gedanken des Mischlings rotierten, überschlugen sich, rissen ab und formten sich neu, doch nichts half ihm dabei, jenes gewaltige Problem zu lösen, welches sich als Geröllhaufen vor ihm angesammelt hatte. Wo sollte er ansetzen, welchen Stein zuerst lösen, ohne, dass es ihn dabei erschlagen hätte. Er sah keinen Anfang und kein Ende. Er würde Amenion nicht entkommen können. Nicht hier, nicht jetzt. Nicht in seiner derzeitigen Position. Nicht, ohne eine Katastrophe loszutreten. Amenion hatte ihm seinen Trumpf offenbart. Silas ging nicht auf die Frage des Schwarzhaarigen ein, nein, sein Blick allein zeigte dem Kräuterherren bereits, dass er verstanden hatte, stattdessen hob er den Oberkörper an, lehnte sich etwas vor und sagte: „Wer sichert mir Eure Loyalität, wenn ich euch jemanden von derartigem Wert anvertraue?“, zum Zeichen, dass es sich trotz seiner Bedenken immer noch um eine Geschäftsverhandlung handelte, nippte Silas an seinem Bier. Er würde dem Vertrag mit Amenion nicht auskommen, das wusste er bereits, doch er konnte sein Möglichstes tun und wenigstens um die Rahmenbedingungen verhandeln. „Eine Expedition also. Ihr werdet sicher verstehen, dass ich ein paar Informationen benötige. Wo geht es hin? Um was handelt es sich? Keine Details, nur das Notwendigste. Ihr sagtet, dass Ihr Euch nicht sicher seid, ob ich mich für die Expedition eigne. Nun, das kann ich Euch erst sagen, wenn ich weiß, womit ich es zutun habe.“, das Bier hatte einen herben Nachgeschmack auf seiner Zunge hinterlassen und er setzte erneut an, um es in einem Zug zu leeren. „Eine Frage ist zudem noch offen: wer sichert den Gesundheitszustand meiner Mutter? Sie ist immer noch krank. Ich muss sicher sein können, dass sie es schafft, bevor ich einen derartigen Weg auf mich nehme. “ Abwartend und mit schweren Gliedern lehnte sich der Mischling erneut etwas zurück, die Nacht hatte ihm einiges seiner Kraft gekostet, doch er weigerte sich, der lähmenden Erschöpfung nachzugeben. Er würde nicht zulassen, dass ihn die Müdigkeit der letzten Tage in dieser Situation einholte. Silas wusste, dass das, was an diesem Tisch ausgehandelt wurde, die Entwicklung der zukünftigen Ereignisse maßgeblich beeinflussen würde. Er musste sich zusammenreißen und bei Verstand bleiben, sonst würde Amenion ihn im Ganzen verschlingen.

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 15. Juli 2021, 00:19

Niemand hätte damit rechnen können, dass ausgerechnet Silas derjenige sein würde, der sich innerhalb einer solchen Situation wiederfand. Er selbst wohl am Wenigsten. Und dennoch musste sich der junge Mischling die Frage stellen, ob er das provoziert hatte. Mehrfach hatte er eine Abzweigung genommen, war seinem Instinkt gefolgt und jetzt saß er hier. Hatte er noch vor kurzem geglaubt, dass Amenion die Rettung vor Balius gewesen war, so musste er sich eingestehen, dass die eventuellen Prügel sicher kurzweiliger gewesen wären. Es hätte wehgetan, sein Stolz wäre weiter eingebrochen, doch er wäre dem Ganzen entkommen. Hier in der Hütte des Kräuterkundigen, dem vermeintlichen Helfer, bohrte sich der Schmerz gepaart mit dem Unbehagen tiefer und tiefer in seine Seele. Er spürte beinahe körperlich, wie sich der Schwarzhaarige an seiner Ausweglosigkeit ergötzte und wurde sich gewahr, dass Amenion diese sogar bewusst herbeigeführt haben könnte. Erneut klopfte die leise Erkenntnis an die innere Stirn des Jüngeren, dass es schließlich Amenion gewesen war, der ihn erst auf die Idee gebracht hatte, den Sack zu stehlen. Der Nachtelf mit dem seltsamen Körpergeruch musste gesehen haben, wie verzweifelt Silas in die Schenke kam und vielleicht hatte er eine -oder besser- seine Chance erkannt und zugegriffen. Offenbar war er längst nicht der kauzige Kerl, von dem man gerne etwas abrückte, um nicht behelligt zu werden und der daraufhin erst recht anbiss.

Amenion war ein Gauner sondergleichen und er hatte Silas in der Hand. Der Jüngere rutschte unwohl auf seinem Stuhl hin und her, während sich der Gauner alle Zeit nahm, das köstliche Essen zu vertilgen. Amenion war die Ruhe selbst und genoss nicht nur den Geschmack von Bier und Suppe. Er gab dem Jungen einen Moment, während er den Teller beiseite schob. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, ließ eine Hand seelenruhig auf der Tischplatte verharren und hob den Blick in die goldenen Augen des Anderen. Ein feines Lächeln, als wäre es nur Einbildung, umspielte die Lippen und er wartete geduldig ab, bis sich die Erkenntnis in Silas‘ Kopf geformt und die Gedanken sich beruhigt hatten. Die Worte die aus der bierbefeuchteten Kehle des Jüngeren kamen, ließen die Augen Amenions amüsiert blitzen. Er nickte anerkennend und tippte mit den Fingerkuppen auf der Tischplatte herum. „Natürlich, Junge. Eine absolut berechtigte Frage. Es spricht für dich, dass du soweit denkst.“, bemerkte Amenion mit rauer Stimme. „Du hast keine Versicherung, jedenfalls keine die dich zufrieden stimmen wird.“.
Er lächelte Silas an und hob beide Hände, als wäre das alles, was es zu sagen gäbe. Doch Silas war noch nicht fertig. Auch wenn er wusste, dass er sich bereits im Bauch des Löwen, statt nur in seiner Höhle, befand, wollte er dennoch auch zu seinen Gunsten verhandeln. Er konnte nicht zulassen, dass er sich Hals über Kopf instrumentalisieren ließ für etwas, was bedeutete, dass er das Reich und seine Familie verlassen musste. Da draußen herrschte Krieg und wer wusste schon, was das für ihn persönlich bedeuten konnte. Und überhaupt gab es hunderte Fragen zu klären, doch vorerst die Wichtigste: Die Gesundheit seiner Mutter, das Überleben seiner Familie, dem Einzigen, dem er sich je wirklich verpflichtet fühlte und fühlen würde. Amenion's Gesicht wurde ernster, als Silas seinen Gedanken freien Lauf ließ und sie verbalisierte. Der Elf erhob sich unvermittelt und trat erneut an ihm vorbei. Er schritt durch den Raum, zog aus einer Schublade ein gefaltetes Pergament, eine dunkle Flasche und zwei Gläser. Danach kehrte er seelenruhig zu Silas an den Tisch zurück und deutete auf sie Suppe. „Iss, sie wird sonst kalt.“, sagte er beiläufig und stellte die Gläser und die Flasche ab. Das Pergament legte er ebenfalls auf den Tisch, allerdings an den Rad und Silas konnte nicht erkennen, worum es sich handelte.

„Nun bevor wir ins Detail gehen,“, begann er, während er die Flasche entkorkte und in jedes Glas eine dunkelrote Flüssigkeit einschenkte. Er schob Silas eines der Gläser hin und nahm sich das andere. Der Kräuterelf stand, die eine Hand am Glas, die andere in der Hosentasche vor Silas und erhob das Glas auf ihn. „ Auf die Verhandlungen.“, er kippte, ungeachtet ob Silas einstimmte, den Wein hinunter und setzte sich dann wieder. Dann lehnte er sich genüsslich in seinem Stuhl zurück, legte wieder ein Bein über das andere und faltete die Hände in seinem Schoß. Durchdringend taxierten die Augen den Jungen und erneut entstand eine Pause, bevor er weiter sprach. „Oh ich habe Details für dich, Junge. Aber bevor wir das klären, sollten wir lieber darüber reden, wie es für deine Familie weiter geht. Meinst du nicht?“, fragte er fast schon freundlich und zeigte deutlich, dass er sich in einer völlig anderen Position befand, als man ihm eingangs bescheinigen wollte.
Vielleicht waren die schlechten Zähne und der müffelnde Geruch auch nur Finten, die er als Trugbild erschuf, um von seiner wahren Natur abzulenken. Wer wusste schon, wer der Herr über Kräuter und Knollen tatsächlich war. „Du bist sicher zu der Annahme gelangt, ich wäre herzlos und böse oder so ähnlich, aber ich darf dir versichern, dass das Gegenteil zutrifft. Ich bin ein absoluter Menschenfreund und persönliche Schicksale gehen mir wirklich nahe.“, er machte eine leidende Miene, grinste vielsagend und fuhr fort: „Natürlich liegt mir viel daran, dass es deiner Mutter gut geht, solange du für mich arbeitest.“, die Worte waren wie kleine Nadeln, die sich erst langsam und scheinbar schmerzlos in die Haut bohrten und erst nach und nach die volle Wucht entfalteten. Er sah Silas überlegend an, bevor er erneut die Stimme erhob. „Wenn du diese Expedition für mich durchführst, hast du mein Wort, dass es deiner Familie an nichts mangelt. Ja, ich bin sogar bereit, Avalinn deiner Mutter helfen zu lassen, bis ihr aufbrecht und deine Schwester zu entlohnen, solange sie für mich Avalinn ersetzt.“, bot er ihm an und Silas konnte in seiner Haltung oder seiner Aussage nichts erkennen, was diese zweifelhaft machte. Er schien es ernst zu meinen. Trotzdem fügte er an: „In aller erster Linie bin ich Geschäftsmann. Du willst etwas von mir, ich will etwas von dir.. und so weiter, wir verstehen uns?“, er machte dabei eine unterstreichende Handbewegung zwischen ihnen und lächelte erneut.

Danach schenkte er sich erneut Wein ein, würde auch Silas‘ Glas erneut auffüllen, sollte er getrunken haben und korkte die Flasche wieder zu.„Was die Sache mit der Loyalität angeht, so wäre das Pfand lediglich meine Absicherung, dass du tust worum ich dich… ersuche und solltest du alles zu meiner Zufriedenheit erledigen, bekommst du deine Schwester unangetastet und in einem Stück zurück.“, er neigte sich vor und bekam etwas Drohendes. „Es liegt also an dir, wie dieses Pfand die nächsten Wochen verbringt.“. Amenion lehnte sich wieder entspannt zurück und griff noch mal nach den Trauben. Er kaute genüsslich, schloss sogar genießend die Augen dabei und klatschte unvermittelt in die Hände. „So. Nun da wir das geklärt haben", begann er, ohne darauf zu achten, ob Silas überhaupt einverstanden wäre, „Details!“, er wirkte beinahe aufgeregt und langsam konnte man den Eindruck bekommen, dass er ziemlich sprunghaft war.„Es gibt da einen See, weit im Osten, dessen Wasser man gewisse Kräfte nachsagt. Es ist ein gut gehütetes Geheimnis, was dieses Wasser unschätzbar wertvoll macht. Nur die dort lebenden Elfen wissen um diese Macht.“, er aß erneut eine Traube, verriet jedoch nicht, woher er das wusste und fuhr fort.„Du sollst in den Eldoras reisen und dieses Wunderwasser finden und herbringen.“, er lachte auf und breitete die Arme aus. „Simpel, nicht wahr? Ich sagte ja, ich bin kein Unmensch.“. Dann wurde er etwas leiser: „Dieser See wird von den Elfen dort als heilig angesehen. Deshalb brauchst du eine Eldorische Elfe, die dir den Zutritt gewährt.“, er verzog die Lippen zu einem skrupellosem Lächeln. „Da kommt Avalinn ins Spiel. Du wirst sie mitnehmen und so tun, als solltet ihr einige seltene Kräuter aus dem Eldoras holen und herbringen, um meine Vorräte aufzufüllen. Deshalb muss sie mit, denn sie kennt die Kräuter, die ich meinen könnte. Du wirst ihr nichts von deinem eigentlichen Auftrag erzählen und lässt sie in dem Glauben, dass du ihr als Geleitschutz zur Verfügung stehst.“. Er richtete sich wieder auf und streckte sich leicht. „Keine Sorge wegen ihrer Magie. Sie wird sie nicht anwenden können, dafür sorge ich.“, bemerkte er beiläufig und griff unter seinen Mantel, zog einen Lederbeutel hervor, der ordentlich klimperte und schob diesen sowie das gefaltete Pergament in Silas‘ Sichtfeld. „Das hier wird dir den einen oder anderen Zugang erleichtern, solltet ihr auf Widerstand stoßen, während eurer Reise. Und in dem Beutel findest du genug für Unterkünfte, Essen oder notwendige Bestechungen. Es sollte reichen, damit du dich außerdem für die Reise wappnen kannst. Du weißt schon, Kleidung die die Sonne abwehrt, Proviant, Pferde was weiß ich.“, wiegelte er ab und hakte noch mal ein: Achso… und du solltest wissen, dass ich meine Augen und Ohren überall habe. Weichst du von dem Plan ab, wars das mit unseren Vereinbarungen und deine kostbare Schwester wird nicht bloß meine Assistentin sein.“, sagte er klar und erhob sich abermals, um ein anderes Pergament zu holen. Er schob das Gefaltete auf Silas zu und dieser konnte darauf in feinster, schnörkeliger Handschrift ‚Im Auftrag von' und den Namen Amenion R. Quara'Thil lesen. Offenbar sollte das reichen, um jemand anderes alles zu sagen, was er wissen musste, um den Weg freizumachen. Danach kehrte Amenion mit etwas mehr Pergament und Federkiel zurück. Er begann in schönster Schrift einen Vertrag aufzusetzen, der beinhaltete, worauf sie sich einigten. Es stand darin, dass Amenion sich verpflichtete, für seine Familie in seiner Abwesenheit zu sorgen, dass Zahel als Pfand nichts geschehen würde und dass Silas sich an die Verschwiegenheit zu halten hatte, sowie daran, alles was er mitbrächte, auszuhändigen. Und es gab die Klausel, dass er Avalinn wieder ins Reich brachte. Nachdem Amenion alles überprüft und gegebenenfalls noch Anmerkungen seitens Silas‘ eingefügt hatte, unterschrieb er und drehte ihn abwartend dem Jüngeren hin.
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Sonntag 18. Juli 2021, 21:35

Wie wenig und gleichzeitig unglaublich viel sich verändert hatte, seit er aufgebrochen war. Silas spürte immer noch die Verzweiflung. Das Brennen in seiner Brust. Die Hilflosigkeit. Er war immer noch allein und auf der Suche nach Erlösung. Nur sein Herz schlug inzwischen ein wenig langsamer. Gebremst vom Gewicht der Schandtat und des verletzten Stolzes, die er wie eine Kette hinter sich herzog. In der Hütte des Kräuterherren stand Silas am Scheideweg seines Lebens. Es gab kein Zurück mehr, nur noch den Weg nach vorne und er würde ihm folgen müssen, diesem Weg ins Zwielicht. Amenion wies ihm die Richtung, dirigierte ihn durchs Dunkel und Silas hatte keine andere Chance, als das zu tun, was ihm aufgetragen wurde. Dies machte Amenion in den meisten Ansprachen sehr deutlich. „Du hast keine Versicherung, jedenfalls keine die dich zufrieden stimmen wird.“, kam es nun von eben jenem. Vielleicht war es eher als rhetorische Frage gemeint gewesen, denn Silas hatte wahrlich nicht damit gerechnet, dass Amenion auf wundersame Weise für seine Loyalität garantieren konnte. Dennoch musste er seine Bedenken verbalisieren, musste darauf pochen, dass sie gehört wurden. Amenion zeigte sich diesbezüglich erstaunlich zugänglich und begegnete der Sorge des Mischlings mit ernster Miene, ehe er sich unvermittelt erneut erhob und an ihm vorbeitrat. Der dunkle Mantel streifte die Schulter des Weißhaarigen und Silas drehte den Kopf, um dem Kräuterherren etwas verwirrt nachzusehen. Es klirrte dumpf und eine Lade, aus der etwas herausgezogen wurde, rumpelte. In aller Seelenruhe kehrte Amenion mit zwei Gläsern, einer Flasche Wein und einem gefalteten Pergament zurück. „Iss, sie wird sonst kalt.“, der Nachtelf deutete auf den verschmähten Suppenteller und schob den Beschreibstoff verstohlen an den Rand des Tisches. Silas folgte der Bewegung mit neugierigen Augen, konnte jedoch nicht erkennen, um was es sich handelte, weswegen er sich den Gläsern zuwandte, die sich langsam gluckernd mit der weinroten Flüssigkeit füllten. Sein schmerzender Magen war durch die Trauben und das Brot ein wenig besänftigt worden, mit einem Blick auf die Suppe meldete er sich jedoch erneut grummelnd zu Wort. Also beugte sich der Mischling der Aufforderung entsprechend tatsächlich erneut etwas vor und begann nun auch den Rest der Mahlzeit in sich hineinzulöffeln. Unterdessen schob Amenion ihm eines der Weingläser vor die Nase. „Auf die Verhandlungen.“, prostete er dem Mischling zu und stürzte den Alkohol seine Kehle hinab. Silas hielt inne, die Backen mit Suppe gefüllt, und nickte dem Kräuterherren mit einer zögerlichen Kopfbewegung zu. Den Wein ließ er unangetastet stehen, schluckte stattdessen den letzten Löffel Wurzelgrün hinunter und fuhr sich danach wenig elegant mit dem Handrücken über die Lippen. Auch wenn die dunkelrote Flüssigkeit ihn lockte und er sich zu gerne dem schweren Genuss des Alkohols hingegeben hätte – das Schattenbier war bereits mehr gewesen, als er sich hätte erlauben dürfen. Jeder weitere Schluck würde seine Sinne benebeln, ihn träge machen und in die Arme der bleiernen Müdigkeit treiben. Und ganz generell gesprochen: so verführerisch der Gedanke an einen vorübergehenden Rausch war, Amenion war mit Sicherheit nicht derjenige, mit dem er ihn teilen wollte.

Es entstand eine Pause, in der sich Amenion wieder auf seinen Platz bequemte. Der Nachtelf taxierte den Mischling, der sich gesättigt und mit warmem Bauch ebenfalls ein wenig in seinem Stuhl zurücklehnte. Das Holz drückte sich in seinen Rücken und ein Wohlgefühl erfasste ihn, Wärme flutete durch seinen Körper, ließen auch den letzten Zorn verrauchen, stimmte ihn geradezu mild. Sein krampfender Magen entspannte ob der schmackhaften Mahlzeit. Silas hatte Mühe, sich dem Griff der Erschöpfung zu entziehen. Müdigkeit rollte wellenartig über ihn hinweg, hervorgelockt durch das Sättigungsgefühl, das er so lange nicht mehr empfunden hatte. „Oh ich habe Details für dich, Junge. Aber bevor wir das klären, sollten wir lieber darüber reden, wie es für deine Familie weiter geht. Meinst du nicht?“, Silas bedeutete dem Kräuterherren mit einem erneuten Nicken und einer vagen Handbewegung, fortzufahren. Mit einem wandernden Blick über die Gestalt des Nachtelfen konnte sich Silas dem plötzlichen Gedanken, dass ihm die wahre Natur Amenions bisher verborgen geblieben war, nicht erwehren. Schaudernd führte er den Gedanken weiter, überlegte, wie alt sein Gegenüber wohl war, wie lange dieser bereits in den Schatten des nachtelfischen Reiches lungerte, wie viele Spiele er mit Naivlingen, wie Silas einer war, gespielt haben mochte… Er hatte bereits zu verstehen gegeben, dass er genügend Laufburschen besaß. Hatte sich Silas in die Gemeinschaft jener unglücklicher Seelen eingereiht? Andererseits… war ihm nicht auch geholfen worden? Bereits mehr als einmal? War er nicht ebenso verköstigt und gesättigt worden? Sah man von der abschreckenden Erscheinung, der missratenen Sozialkompetenz und den gelegentlichen, vagen Drohungen einmal ab, kam Silas zu der Erkenntnis, dass man ihn nicht schlecht behandelt hatte. Kein Zweifel, Amenion nutzte sein Leid zu seinen Gunsten und er würde daraus weiteren Profit schlagen, wenn er nicht Acht gab. Das Spiel des Nachtelfen war verwirrend, ermüdend, kräftezehrend. Alles daran drängte danach, durchdacht und analysiert zu werden und Silas hätte sich dieser Aufgabe nur zu gerne gewidmet, wäre da nicht die nagende Erschöpfung gewesen, die seine Gedanken träge und langsam machte. „Du bist sicher zu der Annahme gelangt, ich wäre herzlos und böse oder so ähnlich, aber ich darf dir versichern, dass das Gegenteil zutrifft. Ich bin ein absoluter Menschenfreund und persönliche Schicksale gehen mir wirklich nahe… Natürlich liegt mir viel daran, dass es deiner Mutter gut geht, solange du für mich arbeitest. Wenn du diese Expedition für mich durchführst, hast du mein Wort, dass es deiner Familie an nichts mangelt. Ja, ich bin sogar bereit, Avalinn deiner Mutter helfen zu lassen, bis ihr aufbrecht und deine Schwester zu entlohnen, solange sie für mich Avalinn ersetzt… In aller erster Linie bin ich Geschäftsmann. Du willst etwas von mir, ich will etwas von dir… und so weiter, wir verstehen uns?“, Silas erkannte durchaus die Wahrheit hinter den Worten, dennoch konnte er sich nicht von der Befürchtung trennen, dass auch etwas anderes darin mitschwang. Etwas, das ihm Amenion nicht offenbaren würde, noch nicht. Man hatte das Gefühl, dass der Nachtelf seine Worte drehte und formte, bis er den meisten Erfolg daraus beziehen konnte. Die Worte waren bewusst gewählt – jede Formulierung, jede Andeutung. Silas ließ die Ansprache auf sich wirken, schnappte mit den Augen nach dem Blick des Anderen und hielt ihn einen Moment in dem Goldgelb gefangen, als jener erneut ansetzte: „Was die Sache mit der Loyalität angeht, so wäre das Pfand lediglich meine Absicherung, dass du tust worum ich dich… ersuche und solltest du alles zu meiner Zufriedenheit erledigen, bekommst du deine Schwester unangetastet und in einem Stück zurück… Es liegt also an dir, wie dieses Pfand die nächsten Wochen verbringt.“ Etwas in diesen Worten, die stille Drohung darin, schnürte dem Mischling die Kehle zu. Unter dem dünnen Hemd brach ihm der Schweiß aus. Zahel erschien ihm vor seinem inneren Auge – ihre schmächtige Erscheinung, die zarten Handgelenke, das schüchterne Lächeln. Ein Anflug von Panik ließ sein Herz stolpern, er spürte die Unregelmäßigkeit, schmerzhaft polterte ihm sein Herz gegen die Brust, sein Puls begann erneut zu rasen, trieb ihm den Schweiß in die Handflächen. Seine Kehle fühlte sich unerträglich eng an. Er räusperte sich, rieb die Hände gegen den Stoff seiner Hose. Jegliche Wut war in dem vorangegangenen Gedankeninferno verbraucht worden – zurück blieb lediglich eine lähmende Angst. Sollte er hier doch die falsche Entscheidung treffen? Nein, es half nichts, es gab keinen Weg zurück. Die dunkelrote Flüssigkeit im Weinglas lachte ihm entgegen. Er schluckte, wandte den Blick ab.

Amenion kaute genüsslich an einer Traube, während er den Mischling musterte – schwer zu sagen, was ihm mehr Vergnügen bereitete. Die süße der Purpurtraube oder der Anblick des schwankenden Mischlings. Das scharfe Geräusch, als die Hände des Nachtelfen zueinander fanden, durchschnitt den Raum, ließ die Schultern des Weißhaarigen erschrocken hochzucken. „Details!“, aufgeregt sprang Amenion zum nächsten Thema, ungeachtet der Tatsache, dass die Stimme des Mischlings verlorengegangen war. „Es gibt da einen See, weit im Osten, dessen Wasser man gewisse Kräfte nachsagt. Es ist ein gut gehütetes Geheimnis, was dieses Wasser unschätzbar wertvoll macht. Nur die dort lebenden Elfen wissen um diese Macht… Du sollst in den Eldoras reisen und dieses Wunderwasser finden und herbringen.“, er lachte auf und breitete die Arme aus. „Simpel, nicht wahr? Ich sagte ja, ich bin kein Unmensch.“. Silas legte die Stirn in Falten und hatte mit einem Mal Mühe, die nachfolgenden Worte des Kräuterherren zu verstehen, als jener die Stimme zu einem unheilvollen Murmeln senkte: „Dieser See wird von den Elfen dort als heilig angesehen. Deshalb brauchst du eine eldorische Elfe, die dir den Zutritt gewährt.“ Der Mischling strauchelte über die Worte des Anderen. Eldoras? Noch nie gehört. War dies gleichzeitig die passende Erklärung, weshalb ihm Avalinn so fremdartig vorkam? Weshalb er an ihrer Gestalt nichts Vertrautes hatte wahrnehmen können? Eine eldorische Elfe. Ob alle eldorische Elfen eine derartige Faszination auf ihre nachtelfischen Verwandten ausübten? „Da kommt Avalinn ins Spiel. Du wirst sie mitnehmen und so tun, als solltet ihr einige seltene Kräuter aus dem Eldoras holen und herbringen, um meine Vorräte aufzufüllen. Deshalb muss sie mit, denn sie kennt die Kräuter, die ich meinen könnte. Du wirst ihr nichts von deinem eigentlichen Auftrag erzählen und lässt sie in dem Glauben, dass du ihr als Geleitschutz zur Verfügung stehst… Keine Sorge wegen ihrer Magie. Sie wird sie nicht anwenden können, dafür sorge ich.“, die Bemerkung mit dem Armband schoss Silas durch den Kopf. Ob das Armband wohl ihre Lichtmagie unterdrückt?

Silas betrachtete den Beutel, den Amenion unter seinem Mantel hervorzog und ließ den Blick anschließend zwischen gefaltetem Pergament und dunklem Leder hin und her pendeln. Dann sah er auf, zurück in das Gesicht des Schwarzhaarigen, die gelben Augen nun wieder klar und ruhig. „Das hier wird dir den einen oder anderen Zugang erleichtern, solltet ihr auf Widerstand stoßen, während eurer Reise. Und in dem Beutel findest du genug für Unterkünfte, Essen oder notwendige Bestechungen. Es sollte reichen, damit du dich außerdem für die Reise wappnen kannst. Du weißt schon, Kleidung die die Sonne abwehrt, Proviant, Pferde was weiß ich… Achso… und du solltest wissen, dass ich meine Augen und Ohren überall habe. Weichst du von dem Plan ab, wars das mit unseren Vereinbarungen und deine kostbare Schwester wird nicht bloß meine Assistentin sein.“, Silas Befürchtung sollte sich also bewahrheiten. Der Gestank, die Gestik, das Grinsen, all das ist Schauspiel, erkannte der Mischling. Er verdient damit sein Geld, vermutlich vierundzwanzig Stunden am Tag. Silas schluckte als sein Blick zum Beutel retour glitt und er die ausgebeulte Form musterte. Das ist alles? Ich bringe ihm das Wunderwasser und das war‘s? Silas kratzte sich am Kiefer und hielt anschließend sein Kinn mit Daumen und Zeigefinger eingefasst, als müsste er die Schwere seiner Gedanken zusätzlich abstützen. Nachdenklich wanderten die goldenen Iriden wieder zu Amenion zurück. Wenn man einem Hund, der sein Leben lang an der Kette hing, sagen würde, er solle laufen, er würde einen vermutlich nicht weniger verzweifelt und verständnislos anschauen, als der Mischlingself seinen Vertragspartner nun anstarrte. Er hatte einen Wettbeutel aus einer Meute kriminellen Gesindels gestohlen, was wäre da schon ein wenig Zauberwasser aus einem heiligen See? Irgendwo setzten sich ruckend die Räder des Schicksals in Bewegung. Es knarzte und polterte. „Abgemacht.“, war alles, was Silas nach einer ganzen Weile Stillschweigen von sich gab. „Ich bringe Euch das Wasser.“ Kein großes Ding. Rein, raus. Das Bisschen an Seewasser werden sie schon nicht vermissen, dachte er, schluckte dabei allerdings schwer. Vielleicht versuchte er sich hier gerade etwas einzureden. Die Stimme des wohlbekannten Pessimismus meldete sich irgendwo im Hintergrund leise zu Wort: Klar. Einfach mal das Heiligtum eines Volkes besudeln, was soll schon großartig schief gehen? „Und danach… danach gebt ihr Zahel frei. Und unsere Wege trennen sich. Keine weiteren Aufträge.“, hielt er fest, als er die Zeilen des bereitgelegten Vertrags überflog. Silas sah von dem Pergament auf, beobachtete Amenion dabei, wie er seine Anmerkung einfügte, ehe er anschließend selbst zum Federkiel griff. Er brachte das Zittern seiner Hand unter geistiger Anstrengung zum Stillstand als er am Pergament ansetzte und nach kurzem Zögern seine Unterschrift daruntersetzte. Sein Verstand gaukelte es ihm mit Sicherheit vor, doch Silas meinte, das metallische Schnappen einer Falle zu hören, als er den Federkiel von dem Beschreibstoff absetzte. „Ich nehme an, Ihr räumt mir ein, zwei Tage Zeit ein, um die notwendigen Besorgungen zu erledigen“, fügte er leise an und legte den Federkiel ab. Nach einem kurzen Blick auf Amenion erhob sich der Weißhaarige von dem Stuhl, an dem er mittlerweile befürchtet hatte, festgewachsen zu sein. „Wenn von Eurer Seite nichts mehr einzuwenden ist… Werde ich meiner Schwester nun die freudige Botschaft überbringen“, scharfzüngige Bitterkeit untermalte das kühle Lächeln des Mischlings, ehe er den Oberkörper leicht zur Verbeugung neigte. Sein Blick schweifte hierbei zu dem Weinglas ab. Planänderung. Als er sich in den Stand erhob, griff er nach dem schlanken Hals des Glases, hob es zum Gruße und kippte die Flüssigkeit hinab. Vielleicht würde ihm die grauenhafte Nachricht, die er Zahel überbringen musste, nun ein wenig leichter über seine Lippen kommen. Silas hätte ob des Gedanken gerne schallend aufgelacht - nein, nichts würde ihn ausreichend wappnen können. Der Ekel, seine Schwester an Amenion verkauft zu haben, hatte sich seiner längst bemächtigt und die Enttäuschung in Zahels Blick würde ihn mit oder ohne Alkohol ins Verderben treiben.

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Montag 19. Juli 2021, 08:54

Der Tag war lang gewesen für den Mischling. Und der Abend schien ebenso kein Ende nehmen zu wollen. Silas spürte die bleierne Auswirkung seines inneren Kampfes und konnte sich dem kaum noch entziehen. Er saß auf dem hölzernen Stuhl in der Hütte, die ihn vor Stunden mit säuerlicher Note empfing und hatte das Gefühl, an eben jenem Stuhl festzuwachsen. Die Schwere die das Essen mit sich brachte, legte sich nicht nur auf seinen Magen sondern auch auf seinen Verstand. Er musste wachsam bleiben, denn Amenion hatte viele Informationen für ihn parat und ebenso viele Hintertürchen, die er ihm ganz sicher unterjubeln wollte. Das Schattenbier hatte bereits eine leichte Wirkung auf Silas, der kaum etwas gegessen hatte bisher und dennoch bemühte er sich in stiller Erwartung, die Aufmerksamkeitsspanne aufrecht zu erhalten. Amenion weihte Silas in seinen Plan ein und unterrichtete den Jüngeren, was er von ihm erwartete. Nichts davon schien wirklich wie gemacht für Silas zu sein und trotzdem betraute Amenion ausgerechnet ihn damit. Lag das nun daran, dass der Ältere niemanden sonst entbehren konnte oder verfolgte er einen weiteren Plan? Das ganze Machtspiel und Intrigieren, führten bei Silas gleichermaßen zu Müdigkeit und Hoffnungslosigkeit. Er war zwar sehr anpassungsfähig und trotzte seit langem allen Widerständen, doch das hier war völlig neu. Ihm wurde bewusst, schmerzlich bewusst, dass er es nicht mit einem einfältigen Kräuterolm zu tun hatte. Dass die äußere Erscheinung nichts weiter, als Tarnung war. Und trotzdem klang die Aufgabe, die er an Silas stellte, beinahe banal.

Silas versuchte dahinter zu steigen, was es mit dem Auftrag auf sich hatte und wählte den Königsweg, das Schweigen, bis Amenion seine Unterweisung in die Begebenheiten vollendet hatte. Es legte sich eine Stille über die beiden Elfen, die dieses Mal von Silas ausging. Es hätte nur noch irgendwo ein leises Ticken einer handgefertigten Uhr gefehlt, um die Szenerie zu komplettierten, nichts regte sich. Auch Amenion wartete geduldig, hielt seinen Blick auf Silas gerichtet, bis dieser sich endlich zu einer Antwort durchringen konnte. Die Augen des Vertragspartners blitzten auf bei dem einfachen Wort. „Wirklich?“, fragte er überrascht. Er zog die Mundwinkel kurz nach unten, nickte und grinste. „Das ging schneller als erwartet. Sehr schön.“, offenbarte er und rechnete augenscheinlich mit mehr Gegenwehr. Doch da diese ausblieb, konnte er in Ruhe den Vertrag anpassen, als Silas seine Forderungen nannte und nickte bestätigend. „Zahel wird kein Haar gekrümmt und kehrt zu deiner Mutter zurück, sobald ich habe was ich will und du keinen Mist baust.“, bestätigte er gönnerhaft und wartete danach auf das Leisten der Unterschrift.

Genugtuung machte sich offenkundig in Amenions Gesicht breit, als das Kratzen der Feder über das Pergament seinen Sieg hinausposaunte. Danach rollte er den entstandenen Vertrag zusammen, holte einen Siegelstempel sowie Wachs und brachte eine Kerze mit. Er erhitzte das schwarze Wachs, bevor er es auf die Ränder des Vertrages tröpfelte und mit dem Stempel verschloss. Das Emblem, welches nun den Vertrag zierte, zeigte eine Hand dessen Finger ein Auge umschlossen. Es war wahnsinnig filigran gearbeitet und zeugte von hoher Kunstfertigkeit des Handwerkers. Amenion hielt den Vertrag in den Händen und schaute Silas an. „Natürlich, plane deine Reise gut, denn du wirst eine Weile unterwegs sein.“, brummte er und es war fast so, als ob er es noch mal auskostete, das zu erwähnen. „Nun gut, wie geht es weiter?“, erhob er noch mal das Wort, während Silas sich endlich auf die Beine mühte. Amenion ging zu dem kleinen Sekretär, aus dem er bereits Pergament und Siegelwachs geholt hatte, öffnete dort eine weitere Schublade und schob den Vertrag hinein. Er sah gerade noch, wie der Weißhaarige seinen Kopf in den Nacken legte und doch noch den Wein hinunter stürzte. Seine Lippen kräuselten sich fein und er schob die Lade wieder zu, bevor er sich langsam zurück durch den Raum bewegte. „Der Beutel dort wird dir, wie gesagt, nützlich sein, bei allem was du besorgen willst. Da ich davon ausgehe, dass du noch nie weiter weg, als bis vor die Tore gekommen bist, lass mich eine Empfehlung aussprechen: Sieh zu, dass die Sonne dir nichts anhaben kann. Denn nur nachts zu reisen, wird dauerhaft nicht durchführbar sein.“.
Es war sogar ein recht gut gemeinter Rat und Silas könnte sicherlich eine alte Freundin aufsuchen, die ihm diesbezüglich vielleicht helfen würde. Immerhin war sie auch die erste an die er gedacht hatte, als er Avalinn verstecken wollte. Doch bevor sich der Jüngere mit der Logistik des Reisens auseinandersetzen konnte, hatte er noch den schweren Gang nach Hause zu bestreiten. Es war abgemacht, er war nun vertraglich mit Amenion verbunden und ob dieses Bündnis die Erlösung seiner Probleme oder sein Verderben sein würde, blieb abzuwarten. Der Kräuterkundige entließ Silas mit einer überheblichen Geste und fügte noch an: „Avalinn wird morgen früh da sein und sich um deine Mutter kümmern, bis du zum Aufbruch bereit bist.“, versicherte er und man hätte es als Geste des guten Willens deuten können, doch Silas wusste es besser. "Auf gute Zusammenarbeit", grinste der Dunkelhaarige und Silas wusste, dass Amenion die Macht über ihn, getarnt als philanthropischer Akt, auskostete.


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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Samstag 7. August 2021, 22:26

Silas kommt von Meister Londros Schneiderei

Myniel war tough. Wer wusste es besser, als der Mischling? In all den Jahren hatte sie sich das bewahrt und sogar noch ausgebaut. So leicht jagte man der zarten Nachtelfe keine Schauer über den Rücken und auch jetzt war sie völlig ruhig. Sie nickte, als Silas ihr Angebot weder annahm noch ablehnte. Es würde also spannend bleiben, wie sich die Freundin entschied und wer schließlich an seine Tür klopfen würde. Doch jetzt zerrte etwas anderes an seiner Aufmerksamkeit: Avalinn. Die Heilerin glich einem Geist aus den vielen Geschichten, die Silas in der Vergangenheit seinen Geschwistern erzählt hatte und sein Instinkt riet ihm, sie aus der Schneiderei zu bringen. Er suchte nach einem passenden Ort, doch sie entwand sich aus seinem Griff und fiel der Panik in ihrem Innern zum Opfer. Kraftlos rutschte sie an der Fassade hinab, nestelte fahrig an ihrem Stoff und zitterte. Silas überforderte die Situation etwas, denn so etwas hatte er bisher nicht erleben und vor allem händeln müssen. Er musste improvisieren und seinem Instinkt folgen. Also setzte er sich langsam neben sie, gab ihr Zeit sich an seine Nähe zu gewöhnen und ließ behutsam seinen Bariton klingen, um ihr Ruhe zu spenden.
Der Erfolg gab ihm Recht: Avalinn blieb wo sie war, ließ seine Nähe zu und harrte einen Moment aus, als er ihre Schnürung am Nacken löste. Die zarte Elfe griff mit dünnen Fingern in den Stoff und zog ihn etwas nach unten. Locker hing das Blau hinab, gab einen kleinen Blick auf den Rücken und einigen Ansätzen von kleineren und größeren Narben frei. Noch immer atmete Avalinn viel zu flach, als dass sie wirklich genügend Luft in ihre Lungen bekäme und doch entspannte sie sich, während er zu ihr sprach. Silas nutzte die sichtliche Entspannung, um ihren Zustand zu überprüfen. Ihm war klar, dass sie kaum selber genug Schritte machen konnte, um die Gefahr, auf weitere Dunkelelfen zu treffen, grundlegend zu verbannen. Avalinn öffnete langsam die Augen, japste allerdings immer noch nach Luft und saß wie ein Häufchen Elend neben dem Hochgewachsenen. Sie schaffte es nicht, Silas anzusehen oder ihm sonst irgendwie eine Antwort auf sein Vorhaben zu geben, weshalb sie sich weiter auf ihre Atmung konzentrierte und bereits die Auswirkungen zu spüren bekam. Ihre Finger fühlten sich taub an, ihre Lippen kribbelten und ihre Sicht drohte zu verschwimmen.

Ohne sich je mit so etwas konfrontiert gesehen zu haben, wusste Silas, als er sie sachte hochhob, dass Ablenkung das beste sein würde. Wie oft hatte er seinen Geschwistern durch einen Weinkrampf geholfen, wenn sie sich stritten und sich alles anfühlte, als gäbe es nie wieder Frieden zwischen ihnen? Wie oft musste er sie ablenken, wenn sie beim Rennen durch das Haus, egal wie oft er es ihnen verboten hatte, gefallen waren und sich die Knie aufschürften? Die eldorische Elfe hatte ihre Arme um seinen Nacken gelegt und hielt sich fest. Was dieses Mal bei der Berührung fehlte, war das Beruhigen des eigenen, inneren Sturmes. Keine Wärme durchströmte Silas, während er sie trug. Immer wieder konnte er ihren stockenden Atem an seinem Hals spüren, während ihr Kopf an seiner Schulter lehnte. Doch mit jedem Wort, das tief und sanft seine Lippen verließ und an ihr Bewusstsein klopfte, wurde die Atmung ruhiger. Jede Silbe, die er ihr aus seinen Erinnerungen anvertraute, führte dazu, dass sich der schmale Körper entspannte und schließlich glich sich ihre Atmung nach und nach wieder einem normalen Tempo an. Das Kribbeln der Finger und Lippen verblasste und sie rang sich sogar ein Lächeln ab, als er ihr erzählte, dass er wie ein Mädchen geschrien hätte. Die Elfe fand einen halbwegs sicheren Stand, als er sie absetzte und setzte sich dennoch gleich auf die steinerne Umrandung des Brunnens.
Noch immer wirkte sie leicht neben sich, während er den gefüllten Bottich hinaufholte, aus den Tiefen unterhalb des Reiches. Kühl, klar und sauber war das Wasser darin. Avalinn tauchte ihre Finger hinein und schöpfte tatsächlich etwas mit der hohlen Hand, trank einen Schluck und atmete danach tief aus. Die Farbe kehrte wieder in ihr Gesicht zurück und glich sich mehr und mehr dem eigentlichen Erscheinungsbild an. So saß sie, etwas derangiert mit losem Zopf, wilden Strähnen und geöffnetem Kleid neben Silas an den Brunnen gelehnt und schaute auf das Wasser im Eimer, dessen Oberfläche sich nach und nach beruhigte, wie sie selbst. Einen Moment schien es, als hätte sie seine Fragen nicht gehört, doch dann hob sie unvermittelt den bernsteinfarbenen Blick und sah Silas direkt an. Die Wärme kehrte zu Avalinn zurück und sie spiegelte diese. „Danke.“, meinte sie aufrichtig und schenkte ihm sogar ein kleines Lächeln.

Leicht zotternd hob sie eine Hand, strich sich über den Nacken und wandte den Blick ab. „Es.. es geht schon wieder.“, versicherte sie und schien auf einmal peinlich berührt zu sein. Betrachtete man die Umstände, war es nicht unwahrscheinlich, dass Avalinn sich etwas schämte, war sie doch in einer äußerst hilflosen Situation gewesen und ausgerechnet Silas, so gesehen ein Kunde, hatte dies mitbekommen. „Verzeiht, dass Ihr das mitbekommen habt, Silas.“, murmelte sie leise und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sie wagte es nicht, die Höflichkeit ziehen zu lassen, hatte vermutlich nicht mal richtig mitbekommen, dass er sie geduzt hatte. „Denkt nicht, dass mir das.. ständig passiert. Es war nur so.. ich habe nicht damit gerechnet..“, versuchte sie irgendwie etwas zu erklären. „Er stand so unvermittelt vor mir und sah.. er sah jemandem so ähnlich und ich-", Sie schloss die Augen und seufzte. Avalinn begann damit, ihre rotbraunen Haare aus dem letzten Rest Zopf zu lösen. Glatt und lang fielen sie ihr über die Schulter, während sie die richtigen Worte zu suchen schien. „Im ersten Moment dachte ich, ich fantasiere..“, während sie sprach, flocht sie sich einen legeren Pferdeschwanz und ließ ihn auf den Rücken gleiten. Vereinzelte Strähnen lösten sich und fielen ihr ins Gesicht. Danach schnürte sie etwas das Kleid und wirkte halbwegs wieder hergestellt. „Ich war einfach unvorbereitet.“, schloss sie ihr Gestammel und sah den Mischling an. Ein Lächeln traf ihn, das nichts an ihrer Ehrlichkeit oder ihrer Wärme vermissen ließ. „Wenn Ihr nichts über mich verratet, dann sage ich niemandem, dass Ihr Angst vor einem Haufen Ratten habt..“, sie lachte leise und es klang, als würde sie damit warme Wellen purer Freude erzeugen können. Sie ließ danach den Blick erneut verlegen sinken. „Wisst Ihr, Silas.. ich bin froh, dass Ihr es seid, der mich begleitet.“, offenbarte sie ehrlich, ließ jedoch den Blick, wo er war. „Nun, versteht mich nicht falsch, es.. es ist schrecklich, dass Eure Familie solchen Schmerz erleidet und gäbe es eine Möglichkeit, ich würde sie Euch schenken. Doch.. Amenion wird noch jemanden mitschicken, jedenfalls sagte er das, nachdem Ihr gegangen seid, gestern. Und.. meist sind seine Bekanntschaften.. naja, zwielichtig, Ihr wisst schon “, sie hob den Blick und musterte ihn einen Moment. „Jedenfalls habt Ihr das Herz am rechten Fleck und ich verspreche Euch, Ihr seid so schnell wie möglich wieder bei Eurer Familie.“, sie griff nach seiner Hand, hielt jedoch inne und tat so, als wolle sie noch mal Wasser schöpfen, das sie dann trank. Sie schien gemerkt zu haben, dass er nur schwer mit dieser Nähe umgehen konnte und hielt sich nun zurück. Sie saß einen Moment schweigend da, dann hob sie den Blick und erfasste die Bäckerei, die er erwähnt hatte. Sie wandte den Kopf und sah ihn mit blitzenden Augen an. „Habt Ihr Lust, auf ein.. Nachtwölkchen?“, fragte sie und das Wort in Herendia hatte einen seltsamen Klang. Sie schaffte es nicht, das Dunkle zu imitieren und so hatte das Wort fast etwas … Niedliches. „Ein kleines Dankeschön.“, meinte sie und lachte dann abermals leise, ehe sie hinzufügte: „Auch ein Blech, falls Euch danach ist..“.
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