Spiel der Ratten

Im Norden des Waldes Arus, ganz nah am Drachengebirge, befindet sich ein scheinbar unendlich tiefes Loch, gehüllt in Stein. Der Eingang zum Reich der Nachtelfen, fast friedlich haben sie unterirdisch ihre Stadt erbaut.
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Die Nachtelfen wissen nun über den dunkelelfischen Angriff auf Pelgar, sowie die Besetzung der Stadt Kosral Bescheid. Sie treffen Sicherheitsvorkehrungen, für den Fall, dass auch ihr Reich erobert werden soll. Die lange Treppe zum Stadttor wird nun durch verborgene Verteidiger bewacht. Bitte berücksichtigt dies, wenn ihr im Reich der Nachtelfen spielt.
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Silas Círenas
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Dienstag 17. August 2021, 16:06

Manche Tage waren voller Schrecken. Sie lauerten hinter jeder Ecke in düsteren Schatten, wo der Atem stockte und die Brust eng wurde. Oder aber vor harmlos erscheinenden Schneiderstuben, wie es bei Avalinn scheinbar der Fall gewesen war. Panik konnte etwas Zerstörerisches sein und manchmal folgte die Angst dahinter keiner Logik. Dann gab es keine schnelle Lösung, kein Entkommen aus ihren Klauen. Lediglich den Weg hindurch. Der Mischling hatte es am eigenen Leib erfahren. Hatte mehr als einmal den Boden unter seinen Füßen verloren und war am Rande seiner kleinen Welt zusammengebrochen. Egal, wie oft sie ihm gesagt hatten, er solle atmen, die Luft war ihm zu dünn vorgekommen, und obwohl er ganz genau wusste, dass er Ruhe hätte bewahren müssen, hatte er sich jedes Mal wie ein Schiff ohne Segel mitten in einem tosenden Sturm gefühlt. Der Mischling war kein Elf der Lyrik und für die meisten Empfindungen fand er kaum die richtigen Worte, doch er erkannte Angst und Leid in anderen, wenn sie sichtbar wurden. Auch in Avalinn sah er diesen namenlosen Schrecken und obgleich es nicht sein eigener war, kam ihm die Panik der Heilerin seltsam vertraut vor. Ganze Welten, Schluchten, Klippen und Berge trennten die beiden ungleichen Elfen auf den ersten Blick voneinander und doch führte das Unglück sie auf schicksalshafte Weise zusammen. Ein Anflug von Wärme stahl sich in seinen Blick als sich Mitgefühl in sein Herz schlich und er die Schnürung in ihrem Nacken lockerte. Er wollte ihr die Hand reichen, sie aus ihrer Hilflosigkeit ziehen. Es mussten wohl Momente wie diese sein, in denen die Zeit, die man sich kannte, keine Rolle spielte. Aber wer wusste schon, wie das Leben tatsächlich funktionierte - es war pure Ironie. War es nicht so? Manchmal kam jemand vom ersten Moment an einen ran, manchmal gelang es einem anderen erst nach Jahren. Jemand, den man seit Ewigkeiten kannte, verstand den Ort und die Situation nicht, in der man sich befand und einem selbst fehlten die erklärenden Worte, aber eine fremde Person von der Straße wusste sofort, wer man war, was man durchmachte. War es das, was hier gerade passierte? Was vielleicht auch Myniel ganz unvermittelt gespürt und ihre Abneigung gegenüber der anderen bestärkt hatte? Die Vermutung, dass Silas etwas mit der Fremden verband, an dem sie nicht teilhaben konnte? Die stille Erkenntnis geteilter Schwäche?

Als er Avalinn auf seine Arme hob und die Gassen entlang trug, hoffte er, dass Ablenkungen das Beste sein würde, um sie aus dem schwarzen Sumpf der Panik zu ziehen, dass seine Nähe sie nicht tiefer in die Verzweiflung trieb und sie aus seinem Griff flüchten würde, wie sie es zuvor getan hatte. Es fiel ihm schwer, ihrer Atmung zu lauschen, während er sich die nächstbeste Banalität über die Lippen zwang, doch er merkte an ihrem Griff um seinen Nacken und ihrem Atem an seinem Hals, dass sie sich etwas beruhigte. Parallel dazu schien auch er sich in seiner Haltung etwas zu entspannen. Er endete mit seiner kleinen Anekdote, verschloss das Guckloch zu seinem Seelenleben und setzte sie behutsam ab. Avalinn fand auf ihre Füße und als sie nicht strauchelte, zog Silas die Arme an seine Seiten zurück, wandte sich der Brunnenkurbel zu und beobachtete im Augenwinkel, wie sie sich auf dem steinernen Sitz des Brunnens niederließ. Sie schöpfte aus dem dargebotenen Eimer, während Silas den Blick über den zerfransten Zopf, die nackten Schultern und das blasse Gesicht wandern ließ. Nur langsam schien Farbe in ihre Wangen zurückzukehren. Der Mischling ließ ihr den Moment der Ruhe, in dem sie an den Brunnen gelehnt wieder zu sich finden konnte, benetzte nun selbst seine Hände und erfrischte sich anschließend Gesicht und Nacken, in welchem sich noch immer die Hitze staute, die Myniel in ihm hinterlassen hatte. „Nichts zu danken.“, erwiderte er leise und stellte den Eimer zurück an den Rand des Brunnens. Das Zittern ihrer Hand blieb nicht unbemerkt, ebenso wenig der abgewandte Blick, der von innerer Scham zeugte, doch Silas sah sowohl an dem einen wie auch dem anderen vorbei. „Es... es geht schon wieder… Verzeiht, dass Ihr das mitbekommen habt, Silas.“, er meinte beinahe, ihr versichern zu müssen, dass es nichts gab, dessen sie sich hätte entschuldigen müssen, doch sie setzte fort und so hielt er seinen Blick stattdessen wortlos auf sie gerichtet. Nach kurzer Zeit lehnte er seine Schulter an den hölzernen Steher, der das Brunnendach trug und verschränkte die Arme, während er ihr zuhörte. „Denkt nicht, dass mir das… ständig passiert. Es war nur so... ich habe nicht damit gerechnet… Er stand so unvermittelt vor mir und sah… er sah jemandem so ähnlich und ich-", sie rang um die richtigen Worte, bediente sich währenddessen ihrer rotbraunen Haare. Silas beobachtete mit schweigsamen Interesse die schlanken Finger, die den übriggebliebenen Restbestand ihres Zopfes zu lösen begann. Er sah jemanden ähnlich? Silas rief sich das Gesicht des Dunklen in Erinnerung, rotäugig bitzte das Bild vor seinem geistigen Auge auf. Avalinn, die hier vor ihm saß und in aller Unschuld die Strähnen zwischen ihren Fingern entwirrte, betonte den Kontrast, den der finstere Hüne geboten hatte. Wie klein und hilflos sie ausgesehen hatte, als der Dunkle mit ihr durch die Tür getreten war. „Im ersten Moment dachte ich, ich fantasiere… Ich war einfach unvorbereitet.“, einen Moment lang betrachtete er sie nachdenklich, doch der Ernst in seinem Gesicht ließ nichts von dem, was in seinem Innersten rotierte, nach Außen dringen. Ein wenig unerwartet fand Avalinn zu ihrem Lächeln zurück, das nichts an der Wärme, mit der sie ihn bereits des Öfteren überrumpelt hatte, vermissen ließ. Es entlockte ihm ein feines Schmunzeln, wie sie dasaß, nun halbwegs wieder hergestellt und sich ein Lächeln abrang, als wäre sie nicht so eben beinahe zusammengebrochen. Was für ein Rätsel diese Frau doch war. „Wenn Ihr nichts über mich verratet, dann sage ich niemandem, dass Ihr Angst vor einem Haufen Ratten habt…“, die Augenbrauen des Weißhaarigen spannten überrascht einen Bogen, ehe er amüsiert die Lippen verzog, fast so, als wolle er ihr einen Punktesieg zugestehen. „Dutzende. Dutzende Ratten.“, korrigierte er trocken zur Antwort, doch einen Augenblick lang stimmte er mit einem Grinsen in ihr Lachen ein und nickte darauffolgend. „Meine Lippen sind versiegelt.“, murmelte er schließlich. In seiner Stimme klang das vorhergehende Grinsen noch etwas nach, während er selbiges auf seinen Lippen bereits wieder gezügelt hatte und sich erneut in einer etwas reservierten Haltung zeigte.

Er zupfte sich die Hemdärmel gerade ein wenig zurecht, in Gedanken bereits wieder bei der ernüchternden Sorge angelangt, was für die Reise noch alles benötigt wurde, als Avalinn mit abgewandten Blick die Stimme erhob. „Wisst Ihr, Silas... ich bin froh, dass Ihr es seid, der mich begleitet.“. Silas blinzelte etwas überrascht über die Offenbarung hinweg. „Nun, versteht mich nicht falsch, es... es ist schrecklich, dass Eure Familie solchen Schmerz erleidet und gäbe es eine Möglichkeit, ich würde sie Euch schenken. Doch... Amenion wird noch jemanden mitschicken, jedenfalls sagte er das, nachdem Ihr gegangen seid, gestern. Und... meist sind seine Bekanntschaften... naja, zwielichtig, Ihr wisst schon “, der Mischling ließ von seinen Ärmeln ab, ruckte sie achtlos über seine Ellenbogen und entblößte die aschgrau schimmernde Haut seiner Unterarme, ehe er jene erneut vor der Brust verschränkte. „Noch… jemanden?“, echote er fragend. In seinem Inneren wallte Unmut auf. Amenion. Diese stinkende Ratte. „Ich nehme nicht an, dass Ihr wisst, wen Amenion dabei im Sinn hatte?“, nachdem sie bereits verkündet hatte, dass die meisten Bekanntschaften des Kräuterherren zwielichtige Gestalten waren, ging Silas nicht davon aus, dass Avalinn genauere Informationen diesbezüglich zur Verfügung standen. Eine kurz andauernde Stille entstand, in der er versuchte, die Neuigkeit gedanklich einzuordnen. Mit einem Blick auf Avalinn stellte er fest, dass er die Erleichterung über ihre Anwesenheit während der Reise nach jener Offenbarung mehr denn je teilte. „Jedenfalls habt Ihr das Herz am rechten Fleck und ich verspreche Euch, Ihr seid so schnell wie möglich wieder bei Eurer Familie.“, Silas konnte spüren, wie ihre Worte sich einer Messerspitze gleich in sein Herz bohrten. Jemand, der das Herz am rechten Fleck hat, würde wohl kaum planen, das Heiligtum eines Volkes zu entehren, dachte er bitter und schluckte schwer. Er bemerkte kaum, dass sie nach seiner Hand gegriffen hatte, um erneut ein wenig Wasser zu schöpfen. Etwas, das sich anfühlte wie Schuld, drückte seine Schultern etwas herab. „Ihr solltet einen Nachtelfen niemals vorschnell loben. Komplimente verträgt Unsereins schlecht.“, gab er zu bedenken und lächelte säuerlich. „Vielleicht werde ich noch faul, wenn Ihr mich weiterhin mit Eurer Freundlichkeit umschmeichelt.“, er spielte gekonnt über seine finsteren Gedanken hinweg und krönte den Schalk aus seinem Mund mit einem kleinen Augenzwinkern, ehe er sich in Bewegung setzte. „Habt Ihr Lust, auf ein... Nachtwölkchen?“, die bernsteinfarbenen Augen funkelten und Silas schürzte amüsiert die Lippen. Süß. An der Aussprache müssen wir noch arbeiten, dachte er und hielt das Grinsen unter zusammengepressten Lippen und einer leicht angehobenen Augenbraue zurück. „Ein kleines Dankeschön… Auch ein Blech, falls Euch danach ist.“, meinte sie und lachte leise. „Ich sehe schon“, erwiderte der Mischling daraufhin. Einen Moment lang ließ er das Gold seiner Augen spitzbübisch aufblitzen. „Ihr wollt nicht nur einen faulen Begleiter, sondern auch einen fetten.“, theatralisch schüttelte der Weißhaarige den Kopf und seufzte leise auf. „Na schön, es wäre fast eine Straftat, Euch die Nachtwölkchen vorzuenthalten. Ich zahle. Ihr bestellt. Auf Herendia. Das wäre als Dankeschön mehr als genug. Einverstanden?“, natürlich blieb zu hoffen, dass ihn der Bäcker nach all den Jahren und der Rattengeschichte nicht länger mit dem Nudelholz zu Faldor schicken wollte. Seine kleinen Sünden hatte er immerhin tapfer abbezahlt. Ach was, für ein paar Nachtwölkchen würde er den Krieg mit dem Bäcker allemal auf sich nehmen. Vielleicht war es genau diese Art der Leichtlebigkeit, die ihnen für die bevorstehende Reise Kraft verleihen würde.

Silas trat an seine Begleitung heran und streckte ihr die Hand entgegen, um ihr aus dem Sitz zu helfen. „Dann wollen wir mal.“, schmunzelte er. Mit einer sanften Berührung am Rücken führte er die Elfe an die Bäckerei heran. Als sie schließlich vor dem Laden hielten und er nach seinem Münzbeutel angelte, trat er ihr vor die Nase und sah vieldeutig auf sie hinab. Seinem Blick haftete hierbei unverkennbar ein gewisser Schalk an. „Bereit?“, er griff mit warmen Fingern nach ihrem Handgelenk und legte ihr die benötigten Münzen in die Handfläche, dann grinste er ihr kurz ins Gesicht. „Vier Nachtwölkchen, bitte.“, er löste die Hand um ihr Gelenk und legte den Kopf schief. „Nicht so schwer, oder? Vier. Nachtwölkchen. Bitte.“, er wiederholte die Bestellung, um eine möglichst deutliche Aussprache bemüht. Ganz der Nachtelf, der er zumindest der Hälfte nach war, entsprang dem tiefen Klang seiner Stimme dabei etwas Dunkles. Es ähnelte schwarzem, kühlem Samt, der weich und finster die Ohren umspielte. Es war keine freundliche Sprache, einige Reisenden hatten ihm bereits erklärt, dass es ihnen oft eine Gänsehaut bescherte, Gespräche unter Nacht- oder Dunkelelfen zu lauschen. Und obgleich sich Herendia im Klang nicht wesentlich vom Lerium der Dunkelelfen zu unterscheiden schien, so waren es doch gänzlich unterschiedliche Sprachen… und es bereitete Silas ganz offensichtlich Vergnügen, der eldarischen Elfe mit ihrer liebreizenden Aussprache ein paar herendische Brocken zu entlocken.

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 19. August 2021, 01:11

Manchmal fiel es einem leichter sich völlig fremden Personen zu öffnen. Sich zu offenbaren und ihnen das eigene Unglück anzuvertrauen, als es einem guten Freund, einer fürsorglichen Freundin mitzuteilen. Woran lag das wohl? War es die Anonymität, die einem gestattete so ehrlich wie möglich zu sein? Ohne befürchten zu müssen, dass sich das Band der Freundschaft unnötig belastete? Silas hatte Myniel nicht beunruhigen wollen und ihr nicht erzählt, was ihm bevorstand und unter welchem Druck er sich befand. Er hatte ihr weismachen wollen, dass es ein harmloser Auftrag wäre, den er zu erfüllen hatte. Doch seit sich Silas in der Rolle des Familienbeschützers sah, hatte er für sich alleine gekämpft. Nie hatte er einen Gefallen gefordert oder Hilfe erbeten. Der Stolz zwang ihn dazu, ließ ihn vor Myniel gerade stehen und dem Schalk den Vortritt. So handhabten sie es seit Jahren und daran würde sich vielleicht nichts mehr ändern. Ihre Freundschaft war auf diesem Level angekommen und hatte sich bisher nicht weiterentwickeln können. Vielleicht genügte das aber auch und sollte genau das sein, was es eben war.
Anders verhielt es sich mit der eldorischen Elfe. Sie war unvermittelt in sein Leben gestolpert und erschlich sich auf ganz andere Weise seine Aufmerksamkeit. Sie war rätselhaft, auf eine unaufdringliche, unverfälschte Art und Weise. Sie legte es nicht darauf an zu gefallen, zumindest schien dem nicht so zu sein. Und der Einblick in ihren persönlichen Harax, entlockte ihm beinahe von selbst eine kleine Regung in seinem gut beschützten Herzen, riss einige Löcher in die Mauer darum und ließ das Licht der Elfe hinein. Vielleicht hatte die finstere Göttin selbst ein Nachsehen mit ihrem Schützling und gewährte ihm mit Avalinn ein wenig Balsam für sich selbst. Sie hingegen ließ sich durchaus von ihm beruhigen und fand mit seiner Hilfe zurück zu einer ruhigeren Atmung und einem Lächeln. Sein Guckloch in seine Seele stand ihr für einen flüchtigen Moment offen und er durfte sicher sein, dass sie dieses Privileg zu schätzen wissen würde. Es brauchte nicht viel mehr, als das dunkle Brummen seines Bariton und seinen beruhigenden Atem, um sie zurückzuführen zu sich selbst. Er wollte ihr eine Hand aus ihrer Hilflosigkeit reichen und sie hatte sie ergriffen.
Die Erklärung ihrerseits war vage gehalten und ließ dennoch einen Blick auf ihren Schrecken zu, den sie erlebt haben musste. Diese Panik war nichts was man von Geburt an mit sich führte. Sie wurde zugefügt, wurde beigebracht und unter Zwang auferlegt. Silas kannte Avalinn’s Geschichte nicht mal ansatzweise und dennoch fühlte er sich, ob dieser kurzen Hilflosigkeit ihrerseits, verbunden.

Die Elfe aus dem fernen Eldoras, kehrte mit jedem verstreichenden Moment zu einer halbwegs hergestellten Erscheinung zurück. Die goldenen Augen, die auf ihr ruhten, nahm sie in ihrem Versuch, die Fassung wiederzuerlangen, nicht wahr und nur kurz darauf entließ sie die Schrecken mit einem Atemzug und lächelte am Ende dessen zu ihm empor. Sie lockerte die Situation auf ihre Weise und konnte zufrieden damit sein, dass sie dem Mischling sogar ein Lächeln und später ein flüchtiges Grinsen abrang. Seine Antwort ließ sie vergnügt die Augenbrauen heben und
sich dann verschwörerisch mit dem Zeigefinger gegen die Nase tippen. „Sicher, mein Fehler.“, lachte sie und es war beinahe so, dass sie das Lachen selber als Erlösung brauchte. Silas kehrte zu der reservierten Haltung zurück, welche sie jedoch nicht verschreckte. „Gut, dann ist das jetzt unser kleines Geheimnis.“, lächelte sie, bevor ein Moment der Stille eintrat.
Silas nutzte diesen, um sich nach dem übereilten Anziehen etwas zu richten, während sich auf dem Gesicht der Elfe ein ernster Zug einstellte. Sie offenbarte ihm etwas, dass sich für ihn in mehreren Bereichen falsch anfühlte: Zum Einen die Erkenntnis, dass Amenion erneut zur Ratte mutierte und sich nicht an die vereinbarte Abmachung hielt. Sein Nachhaken entlockte ihr ein Schütteln des Kopfes. „Tut mir leid, leider weiß ich nur das.“, antwortete sie und er hatte keinen Anhaltspunkt, dass sie nicht die Wahrheit sagen würde. Zum Anderen war es ihr Geständnis, dass sie ihn für jemand Gutes hielt. Es war nicht der rostige Nagel, der sich tiefer bohrte, doch die Last einer körperlosen Schuld, lag auf einmal schwer auf ihm. Er sah sich selber in einem gänzlich anderen Licht und wer wusste schon, wie sie reagieren würde, wenn ihr klar wurde, dass auch er zum zwielichtigen Nachtelf werden würde? „Ihr solltet einen Nachtelfen niemals vorschnell loben. Komplimente verträgt Unsereins schlecht.“ Kurz huschte eine stumme Frage durch das hübsche Gesicht der Elfe. Dann erhellte es sich wieder, als er weitersprach: „Vielleicht werde ich noch faul, wenn Ihr mich weiterhin mit Eurer Freundlichkeit umschmeichelt.“ Sie gluckste leise, als er ihr zuzwinkerte und nickte bestätigend. „Ich werde es mir merken.“, versprach sie.
Avalinn folgte ihm mit ihrem Blick, als er sich in Bewegung setzte. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich auf eine andere Art bei ihm für die Hilfe zu bedanken. Sie bemühte sich das Wort auf Herendia auszusprechen, schürte dabei aber unwissentlich eine gewisse Neugierde und den Schalk bei Silas. Seine Antwort ließ sie dann trotzdem verdutzt dreinschauen, ehe sie erneut amüsiert lachte. Seine Worte veranlassten sie, ihren Blick kurz über seinen dünnen Körper wandern zu lassen. Offenbar erinnerte sich die Heilerin daran, dass sie Silas nun schon zweimal fast gänzlich ohne Bekleidung gesehen hatte, denn sie schlug einen Moment die Augen nieder, ehe sie die aufkommende Röte, ob der Erinnerung, verscheuchte. „Ihr habt mich erwischt!“, stieg sie auf seine scherzhafte Anklage ein. „Na schön, es wäre fast eine Straftat, Euch die Nachtwölkchen vorzuenthalten. Ich zahle. Ihr bestellt. Auf Herendia. Das wäre als Dankeschön mehr als genug. Einverstanden?“ Die bernsteinfarbenen Augen hoben sich in das Gold und verharrten dort für einen Moment fragend. Stumm stellte sie die Frage ‚Auf Herendia?!‘, ehe Silas erkennen konnte, dass sie die Herausforderung annahm, ohne dass sie etwas erwiderte. Sie legte ihre Hand in seine dargebotene, erhob sich, strich das Kleid unnötigerweise glatt und ließ sich von Silas auf die Backstube zu führen. Brav blieb sie stehen, als sie nahe genug waren und sich der hochgewachsene Körper von ihm vor sie schob.

Avalinn folgte seiner Berührung mit ihrem Blick und spürte die Wärme an ihrer eigenen kühlen Haut. Sie verfolgte abwartend, wie er ihr einige Münzen in die Hand legte, bevor sie ihm von unten einen Blick schenkte. Ernst und konzentriert lauschte sie dem dunklen Klang der Sprache der Nacht und ein Schauer überkam sie dabei. Es war nicht nur die Sprache selbst, sondern auch der Klang Silas' Stimme, der über sie schwappte und sie mit einem schwarzen Samt übergoss. Für einen Moment harrte sie fasziniert aus, dann blinzelte sie und räusperte sich, brach den Blickkontakt ab und schaute kurz auf die Münzen, die sie daraufhin mit den Fingern umschloss. Nach der kurzen Sekunde, in der sie die kühle Schwärze des Herendia aus seinem Mund abschüttelte, hob sie ihren Blick erneut in sein Gesicht. Sie lächelte herausfordernd. Offenbar weckte Silas in ihr den gleichen Bedarf an Leichtigkeit, wie er ihn selber als Kind oft verspürt hatte und auch heute noch nicht gänzlich ablegen konnte. „Vier.. vier Nachtwölkchen.. bitte", wiederholte sie und es klang so ganz und gar nicht nach dunklem Samt und Gänsehaut. Es war eher eine Mischung aus … Honig und Lutscher für Kinder mit süßlichem Geschmack. Zucker, pur. Avalinn räusperte sich und setzte dann eine zweifelhaft finstere Miene auf, die ihrem Gesicht nicht ansatzweise das Liebreizende nehmen konnte. Sie versuchte sogar ihre Stimme zu verdunkeln, um Silas nachzuahmen: „Vier Nachtwölkchen bitte.“, versuchte sie es abermals und dem Zucker mischte sich etwas Butter bei. Offenbar war ihre Muttersprache das komplette Gegenteil von dem, was Silas seine Heimatsprache nannte. Sie erwartete das Urteil von ihm mit amüsierte Miene und kindlichem Blitzen in den Augen. Ohne Zweifel hatte diese Elfe Spaß. Und das mitten im Reich der Nachtelfen, nachdem sie die Panik ihres Lebens gehabt hatte. Silas leistete ganze Arbeit mit seiner Ablenkung.

Nachdem sie die Aussprache mit Hilfe seiner Anweisungen noch etwas geübt hatte, sich aber grundsätzlich nicht viel an ihrem Klang geändert hatte, straffte Avalinn die Schultern, reckte etwas das Kinn und ging erhobenen Hauptes in die Backstube. Der Bäcker wandte sich gelangweilt um, doch als er sie sah, machte er große Augen. Sollte Silas ebenfalls eintreten, würde der Bäcker ihn kurz mit einem Blick bedenken, ehe er zur Elfe zurückkehrte. „Wo haben sie dich denn her?!“, raunzte er und hatte eher eine Reibeisenstimme. Avalinn sah kurz hilfesuchend zu Silas, doch dann kehrte das Blitzen in die mandelförmigen Augen zurück und sie wandte sich mit ernster Miene und so dunkel wie irgendwie möglich klingend ihrem Auftrag zu: „Vier..“, sie räusperte sich. „Vier Nachtwölkchen.. bitte.“, erklang es wie ein Engelsgesang in der Backstube und der Bäcker, ein breiter Elf mit leichtem Wanzt und mehlbefleckter Schürze, blinzelte ungläubig zu der Elfe. Dann nahm er sich die Bäckermütze vom Kopf und … lächelte. Tatsächlich lächelte er sie wie bezaubert an und nickte mehrfach, als wolle er sich verbeugen. Er sah abermals zu Silas.„Ist das deine, Silas?" Kurz mischte sich Argwohn in sein Gesicht, denn er wusste genau wer der Mischling war und sein Blick glitt zur Backstube, ob sich dort wieder der Komplize herumtrieb, um ein Blech zu stehlen, während Silas ablenkte. Doch dann kehrte er schnell wieder zu ihm und Avalinn zurück und das Lächeln fand seinen Platz in den Mundwinkeln. Ist das ein Trick? Ehrlich, wenn du sie mir ausleihst, dass sie mir vorliest, bekommst du jeden Monat ein Blech von mir!“, kratzte er die Worte Silas entgegen und lächelte dann wieder Avalinn an.
Sein Blick bekam etwas Verträumtes und die eldorische Elfe sah erneut unsicher zu Silas. Der Bäcker lachte brummend, klatschte in die Hände, dass aus seiner Mütze eine Mehlwolke aufstieg, setzte sie wieder auf und drehte sich danach um, dass er die Bestellung eintüten konnte. Er legte das begehrte Gebäck auf eine Unterlage und diese auf den Tresen. „4 Füchse, bitte“, meinte er höflich und starrte Avalinn regelrecht an. Nichts lüsternes oder ekelhaftes lag in seiner Reaktion. Offenbar war der harsche Bäcker von damals gar nicht so jähzornig wie es den Anschein gemacht hatte, als er die Jungs erwischte oder Silas mit den Ratten einsperrte. Avalinn gab dem Bäcker das Geld und strahlte danach förmlich Silas entgegen, als sie ihm ihren Triumph darüber, dass sie es geschafft hatte, zuteil werden ließ. Es war eine seltsame Situation, die so viel Leichtigkeit transportierte, dass fast alles vergessen werden konnte, was so passiert war. Der Bäcker schüttelte den Kopf und lachte immer wieder auf. Er reichte ihr die Küchlein und zuckte zurück, als sie danach greifen wollte. „Noch einmal bitte..“, bat er sie und Avalinn stutzte, ehe sie die Worte auch ohne Verstehen begriff. „Vier Nachtwölkchen bitte.“, wiederholte sie und der Bäcker sog die Luft ein, legte sich eine Hand auf die Brust, nachdem Avalinn die Nachtwölkchen an sich genommen hatte und seufzte selig.„Wie kann etwas so Düsteres nur so lieblich klingen?!“, säuselte er und konnte die Augen kaum von ihr lassen.„Warte! Ich leg noch 2 drauf!“, sagte er plötzlich, als Avalinn schon gehen wollte und reichte ihr zwei weitere Wölkchen.

Die Heilerin hob die Augenbrauen und lächelte den Bäcker dann dankend an. Offenbar packte sie nun der Übermut: „Auf.. Wiedersehen… und.. Manthala seien in den Schlafen immer bei", versuchte sie die paar Brocken, die sie in der Zeit im Reich aufgeschnappt hatte, zu benutzen und offenbarte zumindest Silas, dass sie wohl sehr viel mehr mitbekam, als nur Kräuterkunde und dubiose Geschäfte von Amenion und sie offenbar schon länger ihrer Heimat fern war. Der Wirt presste die Lippen aufeinander und war so entzückt, dass er gar nicht bemerkte, wie seine Frau den Laden durch die Backstube betrat und argwöhnisch die Szenerie musterte. Nachdem die beiden wieder hinausgetreten waren, hörte und verstand zumindest Silas, wie die Frau ihrem Mann die Leviten las, was ihm einfiele an irgendeine Fremde ihre Ware zu verschenken. Er versuchte sich damit -wahrheitsgemäß- herauszureden, dass er so verzückt war von ihrem Liebreiz, was die Situation nicht wirklich besser machte für ihn. Avalinn lachte aufgeweckt und war beflügelt von der positiven Aufregung, die sie verspürt hatte. Sie hielt in beiden Händen das Tablett mit den angepriesenen Kuchen und drehte sich nach einen paar Schritten weg von der Bäckerei zu ihm um. Sie sah ihn strahlend an: „Und? Wie war ich?“, fragte sie auffordernd und schaute zur Bäckerei zurück. Hier zeterte die Nachtelfe immer noch und Avalinn verzog kurz das Gesicht „Vielleicht sollten wir zusehen, dass wir außer Sichtweite kommen, sie wirkt nicht amüsiert.“, grinste sie unschuldig und sah auf die Kuchen. „6, wie wäre es, wenn Ihr eurer Familie welche mitbringt?“, fragte sie und lächelte ihm weiterhin offen ins Gesicht. Ihre Wangen waren etwas rot von der leichten Aufregung und unterstrichen ihre ausgelassene Stimmung, die Silas' Neckerei bei ihr ausgelöst hatte.
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Silas Círenas
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Silas Círenas » Samstag 21. August 2021, 00:03

Nun, so anstrengend das Leben unter Manthalas Segen sein konnte – es war kaum zu glauben, wie oft die schöne Göttin Wutanfälle bekam und einem das Letzte abverlangte -, so war die Welt unter ihrer Regie manchmal doch auch ein Spielplatz des Wachstums. Es war Leichtigkeit und Übermut und Vergnügen. Und wer wusste besser als der junge Mischlingself, dass es oftmals die kleinsten Dinge waren, die den größten Teil des Herzens beanspruchen konnten? Jeder funkelnde Stern am Himmel, jedes goldgelbe Blatt am höchsten Baum. Die Welt bestand nicht nur aus Zwielicht und dem Dreck, durch den man zu waten gewohnt war, sie bestand ebenso aus bunten Mustern, Schneeflocken und Glühwürmchen. Und Nachtwölkchen. Süß und warm, frisch aus dem Ofen, mit dicker, glänzender Zuckerglasur obendrauf. Selten, aber doch, erinnerte Manthala ihren Schützling also daran, dass sein Herz noch warmes Blut durch seine Adern pumpte, dass es in den Jahren des Verzichts, der chronischen Entbehrung und des Kummers, zwischen Gesindel und falschen Zungen, nicht erkaltet war, dass es wild und frei schlagen konnte. Dass er quicklebendig war und von einer besseren Zukunft träumen durfte. Die Welt des Mischlings war erschöpft, und der einzige Reichtum, den er besaß, war der flüchtige Zauber eben jener Augenblicke. Was für ein Leben! Eben noch hatte der Mischling in seinem Trott vor sich hin gelebt, da hatte ihm seine Göttin einen Schubs gegeben. Er war gestrauchelt, gefallen, hatte sich mit geschrammten Knien und wunden Knöcheln aufgerappelt und die Herausforderung zähneknirschend angenommen. Vielleicht zum Lohn war ihm die komprimierte Form eines Sonnenstrahls an die Seite gestellt worden. Eine Elfe, die ihn an Wärme und Hoffnung und an die Einfachheit der Dinge erinnerte, die das Reich der Nachtelfen oft vermissen ließ, während er sich zuweilen lieber hinter den dunklen Mauern seines Innersten verstecken wollte. Er war überrascht gewesen, am Vorabend, als er sie das erste Mal gesehen hatte, vielleicht sogar völlig durch den Wind. Unaufdringlich und vermutlich Großteils unbewusst hatte sie sich sein Interesse erschlichen und dabei ganz unweigerlich ehrliche Neugierde in ihm geweckt. Silas war noch lange nicht so weit, dass er alle Vorsicht hätte fallen lassen können und ihr Eintritt in sein karges und nur spärlich beleuchtetes Inneres erlaubt hätte, dies bewies er durch eben jene angeeignete Reserviertheit, die immer wieder seine Haltung ergriff – doch hier und jetzt genoss er es zumindest, ihr nach dem durchlebten Schrecken das ein oder andere Lachen zu entlocken. War er ihr dies nicht ohnehin schuldig? Er hatte ihr für ihre Hilfe gedankt - flüchtig, wenn auch ehrlich. Doch in der Tiefe seines Herzens wusste er, dass es dem, was er an Dankbarkeit empfand, nicht im Mindesten gerecht wurde.

Der folgende Wortwechsel hatte die Atmosphäre und den Raum zwischen ihnen verändert. Frech und leicht kamen dem Mischling die Worte über die Lippen, welche erfreulicherweise durch heiteres Glucksen, funkelnde Augen und retounierte Spitzfindigkeiten erwidert wurden. Heilsam, beinahe erlösend fühlte es sich an, den Ernst der Lage für kurze Zeit ziehen zu lassen. Natürlich, der Einblick in ihren Harax, in diesen fremden Schrecken, hielt sich in seinem Bewusstsein, doch schob er ihn, zusammen mit den düsteren Selbstzweifeln und etwaigen anderen, finsteren Gedanken, ganz bewusst an den Rand – vielleicht würde er irgendwann die Zeit finden, über das zu grübeln, was er gesehen hatte. Würde die Wunden studieren, die Avalinn immer noch spürte und ihnen auf den Grund gehen, wenn sie ihn ließ. Vorerst würde er sich jedenfalls mit dem anderen, unangenehmen Gedanken anfreunden müssen, dass sich Amenion ein weiteres Blatt aus dem schmierigen Ärmel gezogen hatte und sie beide nun einen neuen Begleiter auf ihrer Reise willkommen heißen mussten. In seinem ureigenen Pessimissmus beschloss Silas, vom Schlimmsten auszugehen – doch das hatte Zeit. Erst einmal wollten Mägen gefüllt und Gaumen belebt werden!

Avalinn zeigte sich der Idee, die dem Übermut des Mischlings entsprungen war, erstaunlich zugänglich. Er meinte sogar, ihrem stummen Blick etwas anzusehen, das er bereits am Vorabend an ihr wahrgenommen hatte. Mutig und unerschrocken hatte sie ihrem Herrn die Stirn geboten – hier, in einer gänzlich anderen Situation, schien sie ähnlich auf die Herausforderung des Halbelfen zu reagieren. Wortlos ergriff die Heilerin seine Hand, glättete den sanft schwingenden Rock ihres Kleides und folgte ihm brav bis knapp vor die Backstube. Ernsthaft konzentriert sah sie aus, als er vor sie trat und begann, ihr die Bestellung vorzutragen, dass er beinahe erneut amüsiert die Mundwinkel verzogen hätte. Wie aufmerksam sie seinen Worten lauschte! Andächtig hielt sie die Ohren gespitzt und wandte den Blick erst nach kurzem Zögern ab, um die Münzen entschlossen in ihrer Hand verschwinden zu lassen. Das Lächeln, welches sie ihm anschließend von unten herauf schenkte und dem keine warme Zurückhaltung mehr anhaftete, ließ ihn schließlich doch etwas schmunzeln. „Vier.. vier Nachtwölkchen.. bitte", oh, das würde köstlich werden! Silas zusammengepresste Lippen zuckten bereits verräterisch. Das Spiel seiner Augenbrauen verriet, dass ihn ihr glockenheller Klang und die butterweiche Aussprache beinahe den Rest seiner Selbstbeherrschung kosteten. ‚Dein Ernst?‘, schienen sie zu fragen, während die goldenen Iriden belustigt funkelten. Erneut räusperte sich die eldarische Elfe und… setzte dann eine doch äußerst zweifelhaft finstere Miene auf, während sie ihre Stimme eine Oktave tiefer schraubte, um erneut anzusetzen: „Vier Nachtwölkchen bitte.“. Einen Augenblick lang herrschte Stille und Silas, der die Fingerknöchel seiner rechten Faust gegen die Lippen gepresst hielt, erstarrte, ehe er tatsächlich losprustete. Das amüsierte Schnauben ging in ein heiseres Lachen über und er hob die an die Lippen gelegte Hand, um seine Augen zu bedecken. Seine Schultern bebten unter dem dunklen Klang seines Gelächters. „Wunderbar. Genau so!“, urteilte er sichtlich erheitert, das helle Augenpaar in einem ersten Moment warm und weich auf die Elfe gerichtet, während er die Arme vor der Brust verschränkte. „Eine waschechte Nachtelfe“, konkludierte er sein Zeugnis schließlich ein wenig trockener, doch im Grunde nicht minder vergnügt. Spaß und offensichtliches Vergnügen begegnete ihm auch aus dem Gesicht der Heilerin, die beinahe kindlich verzückt wirkte und deren bernsteinfarbener Glanz zu blitzen schien. Ein kleiner Teil, vielleicht war es das neldorethisches Erbe in ihm, genoss den Anblick, den sie gerade bot, kurz nachdem zuvor noch blanke Angst ihre Miene verzogen hatte. Er fühlte sich gut, wie er ihr gegenüberstand, bestätigt in seinem zuerst hilflosen Versuch, sie abzulenken.

Silas war sich der Tatsache bereits gewiss, dass ihre Darbietung in der Backstube wohl ein wahres Schauspiel werden würde und so folgte er Avalinn auf leisen Sohlen, sich ihren Fersen anhaftend und still vor sich hin schmunzelnd. Die Augen stets auf das Spektakel vor ihm gerichtet, lehnte sich der Mischling mit weiterhin verschränkten Armen gegen den Türrahmen und beobachtete schweigsam, wie die Heilerin in die Stube vortrat. Der Bäcker, von fleischiger Statur und strenger Miene, wandte sich gerade herum, als sein Blick auf die Elfe fiel, die mit gestrafften Schultern und gerecktem Kinn vor seinem Tresen posierte. „Wo haben sie dich denn her?!“, seine Stimme knarzte raubeinig, klang jedoch um Welten sanfter als Silas es in Erinnerung hatte. Nun, zuletzt hatte ihn eben jener auch schimpfend und mit einem Klaps auf den Hinterkopf aus seinem Dienst entlassen - da gab es wohl einen Unterschied. Der Mischling unterdrückte ein dunkles Kichern, fing den Blick des Bäckers stattdessen mit einem vielsagenden Grinsen auf und als Avalinn ihren Blick unsicher über ihre Schulter wandern ließ, still um Hilfe suchend, nickte er ihr in einer kurzen Bestätigung zu. Beinahe augenblicklich kehrte der feste Ausdruck in ihr Gesicht zurück und sie wandte sich mit einem energischen Funkeln an den mehlbefleckten Elf. „Vier… Vier Nachtwölkchen… bitte.“, ihr Versuch, so finster wie irgend möglich zu klingen, endete in einem melodischen, geradezu lieblichen Singsang, der Silas ein weiteres Grinsen und dem Bäcker ungläubiges Geblinzel entlockte. Zur Gänze verzaubert, presste sich der Nachtelf nun die Bäckermütze an die Brust und strahlte Avalinn nach einem kurzen Moment, in dem er wieder zu sich finden musste, an. „Ist das deine, Silas?“, der Mischling ließ die argwöhnische Musterung mit einem entspannten Lächeln in den Mundwinkeln über sich ergehen und hob zur Antwort lediglich die Schultern. Er folgte dem wandernden Blick des Bäckers, der seine Aufmerksamkeit kritisch in den hinteren Bereich der Stube gleiten ließ und lachte folglich leise auf. „Ist das ein Trick? Ehrlich, wenn du sie mir ausleihst, dass sie mir vorliest, bekommst du jeden Monat ein Blech von mir!“, dass der Bäcker wahrlich verträumt wirkte und Avalinn hemmungslos entgegenschmachtete, quittierte Silas, in dem er amüsiert die Braue anhob. „Vorsicht, Vorsicht. Du verschreckst sie mir noch, alter Mann.“, gutgelaunt trat er an den hölzernen Tresen heran und lehnte sich mit dem Unterarm schiefgestellt dagegen, dass er körperlich Avalinn zugewandt war, die ihm einen weiteren unsicheren Blick zuwarf, während er seinen Blick auf den Bäcker gerichtet hielt. „Ich wusste nicht, dass deine Frau auch gerne etwas vorgelesen bekommt.“, hakte er spitz, jedoch eher auf rhetorischer Ebene, nach, denn der Bäcker schien von Avalinn derart eingenommen, dass er ob ihres hilfesuchenden Blicks bereits in donnerndes Gelächter ausgebrochen war und nun geräuschvoll in die Hände klatschte, bevor er das begehrte Gebäck bereitstellte. Die Szene vermittelte so viel Leichtigkeit, so viel Frohmut, dass auch Silas in angenehme Gedanken abdriften konnte, ohne befürchten zu müssen, von der Last des Bevorstehenden übermannt zu werden. Weich und entspannt zeichneten sich die Gesichtszüge des Mischlingselfen, während er das Profil der Elfe neben ihm beobachtete, die ihre Bezahlung bereits getätigt hatte und nun einen sichtbaren Triumph empfand, welcher sich in jeder Regung ihrer Erscheinung zeigte. Als sie sich ihm in ihrem Glück zuwandte, begegnete er ihrem Strahlen mit dem feinen Anheben eines Mundwinkels, einem schiefen Lächeln, welches ihren Erfolg wortlos anerkannte.

Schließlich war es aber fraglich, welcher Aspekt der darauffolgenden Szene Silas mehr erstaunte – dass der Bäcker tatsächlich jeglichen Geiz ziehen ließ und noch zwei Gebäckstücke dazulegte, oder aber die Tatsache, dass Avalinn, wohl vom Erfolgsgefühl berauscht, ihrem Übermut erlag und noch einige weitere Brocken Herendia zum Besten gab. „Auf.. Wiedersehen… und.. Manthala seien in den Schlafen immer bei", ertönte es beherzt zu seiner Seite. Silas blinzelte, teils überrascht, teils amüsiert über das hochgestimmte Gestammel seiner Begleitung, sodass auch er nicht bemerkte, wie sich eine weitere Person in den Raum stahl und der Situation argwöhnisch beiwohnte. Erst, als drohend die Stimme erhoben wurde und die Herrin des Hauses eilig und mit festen Schritten an den Bedienungstresen heran stampfte, riss Silas den Kopf herum. Es sollte also die Frau des Bäckers sein, welche die beiden Elfen kurz darauf zum Aufbruch motivieren würde. Zeternd und schimpfend fiel sie über ihren einfältigen Mann her, der ihre wertvolle Ware so gedankenlos verschenkt hatte und dies auch noch mit der Frechheit rechtfertigte, die Kundin sei zu bezaubernd gewesen, um es ihr zu verwehren. Geschickt entzogen sie sich dem Gepolter und Getöse in ihrem Rücken, traten eilig hinaus und entfernten sich einige Schritte vom Untergang des armen Bäckers. Ob das kleine Lächeln, das in den Mundwinkeln des Mischlings tanzte, einen schadenfrohen Ursprung hatte? Vielleicht. Nur ein kleines Bisschen. Avalinn drehte sich freudestrahlend herum, die Wangen leicht gerötet, mit einem aufgeregten Lachen auf den Lippen und sichtlich beflügelt. „Und? Wie war ich?“, verlangte sie zu wissen, die Nase mutig in die Luft gestreckt. Silas hob die Hände wehrlos zu seinen Seiten, als wolle er sich ihrer Darbietung unterwerfen: „Als wäre Euch noch nie eine andere Sprache über die Lippen gekommen!“, log er ehrfürchtig. Das kleine Schmunzeln, das seinen Worten folgte, schimpfte ihn einen Schwindler. „Der arme Bäcker wusste gar nicht, wie ihm geschieht.“, fügte er wahrheitsgemäß ein wenig tadelnd an. „Vielleicht sollten wir zusehen, dass wir außer Sichtweite kommen, sie wirkt nicht amüsiert.“, Silas belächelte ihre Unschuldsmiene und räusperte sich, ehe er zweifelnd die Augenbrauen gen Haaransatz wandern ließ. Dann trat er an Avalinn vorbei, nur, um sich ihr in ihrem Rücken zuzudrehen, beide Hände federleicht auf ihren Schultern ruhend, ehe er zur Antwort ansetzte. „Um die Frau mach ich mir keine Sorgen. Ich denke, es ist der Bäcker, der mit Euch durchbrennt, wenn ich nicht aufpasse.“, er endete mit einem gespielt unheilvollen Raunen, das Gesicht ihrem Ohr leicht angenähert, dass sie ihn trotz gesenkter Stimme gut hören konnte. Es war mehr, als er sich für gewöhnlich an Nähe zugestanden hätte, doch der Schalk kitzelte auch in ihm eine gewisse Ausgelassenheit hervor. Schnell entzog er sich wieder, trat ein paar Schritte zurück und warf einen Blick auf die Küchlein, die sie zwischen ihren Händen hielt, als sie sich ihm zuwandte. „6, wie wäre es, wenn Ihr Eurer Familie welche mitbringt?“, mit einem Nicken bestätigte er ihren Vorschlag. „Calen freut sich sicherlich.“, murmelte er und lächelte verhalten. „Wir haben beide eine Schwäche für Zucker jeglicher Art.“, mit diesen Worten schnappte er ungeniert nach einem Nachtwölkchen, biss hinein und hielt es zwischen den Zähnen, um nun selbst nach dem Servierbrett greifen zu können und es Avalinn unter die Nase zu halten, auf dass sie sich ebenfalls bedienen konnte. Danach balancierte er das Tablett auf seiner linken Hand und stützte es auf seinen Unterarm, um es einhändig zu tragen, während er die andere Hand anhob, um von seinem Nachtwölkchen abbeißen zu können. Traumhaft flaumig, genau so, wie er es in Erinnerung hatte.

Es kostete ihn einiges an Mühe, nicht wohlig zu seufzen, während er genüsslich kauend die Gasse entlangschlenderte. Es war ein gemächlicher Gang, und er war stets mit einem Bruchteil seiner Aufmerksamkeit darauf bedacht, Avalinn in seiner Nähe zu wissen. Hier und jetzt trieb es ihn nicht zur Eile. Er wollte noch ein Stückchen an der Leichtigkeit festhalten, wollte dem inneren Drängen noch nicht nachgeben. Doch der Ernst des Lebens wusste, wann er an die Tür klopfen musste. Das Nachtwölkchen war schnell verputzt und als er sich eine Zuckergussspur in dezenter Manier vom Daumen leckte, hing er dem Geschmack gedanklich noch ein Weilchen nach. Rief dieser doch eine ganze Reihe lebhafter Erinnerungen wach, die sich ihm ganz unvermittelt aufdrängten. Wann Morrin wohl zuletzt an dieser Bäckerei vorbeigekommen war? Ob er dieselben Erinnerungen daran teilte? Wann und ob er selbst noch einmal die Gelegenheit haben würde, durch diese Gasse zu spazieren? Wer wusste schon, was die Reise für ihn bereithielt... Kopfschüttelnd riss sich Silas aus seinen Gedanken und warf Avalinn einen Blick zu. „Freut Ihr Euch, Eure Heimat wiederzusehen?“, nachdenklich furchte sich seine Stirn, den Blick bereits wieder geradeaus gerichtet. Die Frage hatte sich ihm ganz unverblümt gestellt und er bemerkte erst jetzt, wie prompt und gedankenlos sie ihm über die Lippen gekommen war. Dass sie nicht freiwillig im Reich der Nachtelfen weilte, war ihm bereits im Verlauf des gestrigen Abends klar geworden. Dennoch schwang der Frage ehrliche Neugierde bei, denn so, wie sie zuvor auf ihren herendischen Wortschatz zurückgegriffen hatte, ließ es vermuten, dass sie bereits einige Zeit hier verbracht hatte. Ob sie Familie hatte? Jemanden, der nach ihr suchte? Der sie halten wollen würde, sobald sie den Eldar erreichten? Nicht, dass Silas nicht berechtige Zweifel hegte, ob sie es überhaupt so weit schaffen würden. Er klärte seinen Rachen, räusperte sich und trieb ihren Spaziergang Richtung Markt entlang. Lenkte die unerfreulichen Gedanken kurzfristig über seine geistige Einkaufsliste, die er sich beiläufig zurechtgelegt hatte. Kartoffeln, Wurzelgemüse, Landkarte und Kompass. Vielleicht noch Schnur und Seil. Alles andere würde er zuhause schon irgendwie zusammenkratzen können und der nachtelfische Umhang, den Myniel ihm zugestanden hatte, würde der krönende Abschluss seines Inventars werden.

(( ooc: du kannst die einkaufsbummelei wie besprochen gerne überspringen bzw. silas dabei steuern und beim wohnhaus oder sonst wo enden, ganz wie es dir passt / wo es die beiden eben hintreibt :D lg ))

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 22. August 2021, 21:55

Nicht immer waren die Wege, die sich vor einem auftaten gänzlich erhellt und bis zum Ende ausgeleuchtet. Man sah nur einen Steinwurf weit wohin es ging und erst wenn man diese Distanz überwunden hatte, erleuchtete sich der nächste Schritt. Silas hatte vor ein paar Stunden erst wahrhaftig erkannt, dass er etwas unternehmen musste, wenn er seine Familie auch weiterhin beschützen wollte. Er hatte den Teil des Weges gesehen und nach ihm gehandelt. Danach erhellte sich der Pfad Schritt um Schritt und führte ihn durch eine turbulente Berg-und-Talfahrt, die schlussendlich in diesem Moment endete. Er stand in der Bäckerei die viele Kindheitserinnerungen weckte und später sogar eine Arbeit geboten hatte. Er kannte den Bäcker und dessen Frau flüchtig und dennoch gut genug, um sich genüsslich zurückzulehnen und um seinem inneren Schelm freien Lauf zu lassen.
Sein Plan ging sogar besser auf, als gedacht. Die eldorische Elfe war die perfekte, wenn auch unwissende, Komplizin dieses Spiels, denn sie versuchte ernsthaft den dunklen Klang der Sprache der Nachtelfen zu imitieren und scheiterte auf eine bezaubernde Weise, die selbst den schroffen Bäcker nicht kalt ließ. Ganz im Gegenteil, er war so verzückt, dass er Gratisgaben beilegte und sich kurz darauf mit seiner Frau auseinandersetzen musste. Silas und Avalinn jedoch, nutzten die Zeit, sich schleunigst abzusetzen und kamen in einiger Entfernung zum Stehen. Es war die Leichtigkeit hinter diesem Augenblick, die beide gebraucht hatten. Avalinn konnte den soeben erlebten Schrecken schnell zurückdrängen und vergrub ihn tief in sich, bis zum nächsten Angriff durch ihn, der sie erschüttern würde. Silas hingegen brauchte diesen Moment, um sich für das Bevorstehende zu wappnen. Es gab viele ungeklärte Fragen und viele Unwegsamkeiten, die er jedoch erst würde klären können, wenn er vor ihnen stand. Dieser Teil des Weges war bisher unbeleuchtet und er musste erst die nächsten Schritte gehen, bevor er sehen konnte, was dort wartete. Jetzt jedoch, gab es nur ein einziges Ziel: Nachtwölkchen. Silas hatte kaum an sich halten können, als Avalinn ernsthaft probierte ihn zu imitieren und dabei klang, als sänge sie ein Lied. Sein dunkles Lachen, hatte die Braunhaarige mit einem warmen Blick belohnt. Sie hatte die Mundwinkel leicht gehoben und ihn abwartend angesehen, beinahe wissend. Es hatte etwas Vertrautes in ihrem Blick gelegen, so als wollte sie, dass er sich über sie amüsierte. Avalinn schien es genossen zu haben, als er prustete und sich schließlich die Erheiterung Bahnen brach und seinen Körper durchschüttelte. Danach zog sie leicht die Nase kraus und marschierte in die Backstube. Ein schöner Moment, den sie sich merken würde, ganz sicher.

Nun standen sie wieder in der Gasse, unweit der Backstube und hörten am Rande noch das Diskutieren des Ehepaares. Als Avalinn sich umdrehte, war das kleine schadenfrohe Lächeln, aus Silas' Mundwinkeln verschwunden. Aufgekratzt wollte sie von ihm wissen, wie sie sich geschlagen hatte und er log, ohne rot zu werden: „Als wäre Euch noch nie eine andere Sprache über die Lippen gekommen!“ Die Dunkelhaarige schürzte die feinen Lippen und musterte Silas für einen Moment. „Es ehrt euch, aber ich war grauenhaft.“, lachte sie und ließ den Kopf kurz mitwandern, als er an ihr vorbeitrat. Sie spürte die hauchzarte Berührung auf ihren Schultern und verharrte Augenblicklich in ihren Bewegungen. Ihr stockte sogar kurz der Atem, ehe er, als er sprach, wieder floss. Avalinn spürte eine Gänsehaut aufkommen, als er sich etwas näher zu ihrem Ohr wandte. „Um die Frau mach ich mir keine Sorgen. Ich denke, es ist der Bäcker, der mit Euch durchbrennt, wenn ich nicht aufpasse.“ Avalinn wurde augenblicklich rot, als er geendet hatte. Dieses Mal ganz unverkennbar und klar. Sie senkte genant den Kopf und lächelte vage. „Dann bin ich froh, dass ihr so gut aufpasst", gab sie als Antwort und klang zwar einerseits scherzhaft, auf der anderen Seite allerdings auch ehrlich.
Immerhin war es das, was man ihr erzählt hatte. Dass er auf sie aufpassen würde, während sie zum Eldoras reisten. Er entzog sich kurzerhand wieder und sie atmete aus, als sie sich umwandte. Sie lenkte das Thema wieder auf die eigentlichen Objekte ihrer kleinen Narretei und schlug vor, seine Familie an ihrer Ausbeute zu beteiligen. Die kleine Information über den Bruder und ihrer gemeinsamen Vorliebe für Süßes, kommentierte sie mit einem Schmunzeln, ehe er sich bediente und ihr daraufhin das Tablett entwand, um es ihr zu präsentieren. Avalinn’s Augen leuchteten auf, bei dem Anblick und sie holte tief Luft, als der Duft des Gebäcks in ihre Nase stieg. „Hmm..“, machte sie, suchte sich eines aus um gleich herzhaft hineinzubeißen. Links und rechts ihrer Mundwinkel klebte etwas Zuckerguss, während sie sich mit Silas in Bewegung setzte. Die Elfe kaute und nutzte die Stille zwischen ihnen, um den Geschmack des Gebäcks zu genießen.
Man sah ihr an, dass es ihr gut schmeckte und dass sie wohl selber seit langem nichts ähnliches mehr gegessen hatte. Sie wirkte fast völlig in Gedanken versunken, während sich das Nachtwölkchen Bissen für Bissen in Luft auflöste.

Avalinn wischte sich den Zuckerguss aus dem Gesicht und lutschte gerade an ihrem Zeigefinger, als die Stille durchbrochen wurde. „Freut Ihr Euch, Eure Heimat wiederzusehen?“, kam es von ihrer Seite und Avalinn hielt in ihrer Bewegung, am Zeigefinger zu lutschen, inne, um Silas anzusehen. Kurz flammte unverkennbar Schmerz in ihren Augen auf, der sich aber sofort wieder verflüchtigte und sie weiter handeln ließ. Avalinn schluckte noch mal den letzten Bissen herunter, ehe sie den Blick geradeaus wandte. „Ich war schon lange nicht mehr Zuhause.“, begann sie und rieb sich die Hände aneinander. „Ich.. ja einerseits freue ich mich sehr. Ich vermisse es.“ Sie stockte und schüttelte den Kopf. „Vermissen ist kein Ausdruck ich.. wisst ihr, Silas, wenn ihr so lange von Zuhause weg seid wie ich dann.. nun, die Welt dreht sich weiter und verändert sich. Versteht ihr? Ich fürchte mich auch ein wenig davor, zurückzukehren.“, sie senkte den Kopf. „Und nicht bleiben zu können.“, meinte sie leise und winkte dann ab. „Aber keine Sorge.“, sie lächelte ihn tapfer von der Seite an. „Ich werde mich daran halten, was ihr mit Amenion besprochen habt. Ich weiß, dass ich hierher zurückkehren muss, damit der Pakt gilt. Das ist in Ordnung, wirklich. Ich bin froh, dass ich für einige Zeit an die Oberfläche darf.“, sie lachte, auch wenn das Thema kaum als fröhlich betrachtet werden konnte. „Sonst gehe ich hier noch ein.“, scherzte sie über ihre Anwesenheit hinweg. Offenbar hatte sie es geschafft, einen großen Bogen darum zu machen, sich emotional auf das Thema ihres Daseins im Reich einzulassen. Sie spielte es herunter und das sogar ganz gut. Man konnte schwer erkennen, was sie wirklich dabei empfand nicht Zuhause zu sein. „Wart ihr denn schon mal länger weg? Ich habe gehört, dass gerade junge Nachtelfen an die Oberfläche gehen um zu jagen und um die Neugierde zu befriedigen?“, wechselte sie elegant das Thema. Offenbar war der Mischling nicht der einzige, der es gewissermaßen vorzog, seine wahren Gefühle hinter Mauern zu verstecken. Nur mit dem Unterschied, dass Avalinn bereitwillig Auskunft gab, sofern man sie fragte, aber die Emotionalität dabei unterdrückte.

Sie folgte dem Mischling weiter und bald schon, fanden sie sich auf dem Marktplatz wieder. Silas hatte die Möglichkeit, sich seiner erdachten Liste zu widmen, während Avalinn die Kuchen beaufsichtigte. Während er etwas zu Essen und Material zur Navigation besorgte, deutete Avalinn kurze Zeit später auf einen Stand mit kleineren und größeren Waffen. Hier gab es Klingen jeder Größe, Pfeil und Bogen und Schilde. Vielleicht wäre es ratsam, sich auch eine Waffe mitzunehmen, denn immerhin war er offiziell für den Schutz von Avalinn abgestellt worden. Sie selbst entschuldigte sich für einen Moment, während Silas beraten wurde und ging zielstrebig auf einen kleinen Stand zu der etwas abseits der anderen stand. Hier saß eine hutzelige Nachtelfe mit Buckel, die jeder Geschichte über böse Mächte Konkurrenz machen konnte. Doch offenbar störte sich die Heilerin nicht daran, sondern sprach, ohne dass Silas es verstehen könnte, wenn er nicht näher heranging, mit der alten Frau. Diese schien zu wissen, um was es ging, denn sie nickte, ließ die Augen prüfend über den Markt wandern, ob sie ungestört wäre und griff dann unterhalb ihres Standes in eine abgelederte Tasche. Was sie herauszog musste klein sein, denn sie konnte es in ihrer Hand gänzlich verstecken. Sie reichte es Avalinn, die es sofort in eine kleine Tasche in ihrem Kleid verschwinden ließ. Eindringlich schien die Alte mit ihrer Kundin zu reden und diese nickte immer wieder, als würde sie Instruktionen erhalten. Danach bezahlte Avalinn die Nachtelfe offenbar mit allem, was sie hatte, denn sie überließ ihr ihren Münzbeutel. Letztlich kam sie wieder in Silas Richtung, suchte nach ihm und wirkte ernster, als noch zuvor. Trotzdem lächelte sie den Mischling nicht minder freundlich an, als sie wieder zu ihm stieß. „Habt ihr alles bekommen?“, hakte sie nach, ehe sie den Markt verlassen würde, wenn er so weit war.
Der Weg zurück zum Hause der Círenas verlief ruhig und Avalinn schien schweigsam, regelrecht nachdenklich. Sie blieb vor seiner Haustür stehen, bevor sie sich zum Mischling umwandte.

Ihr Lächeln traf ihn dann jedoch wie gewohnt warm und ehrlich. „Es war.. ein schöner Nachmittag, Silas. Ich danke euch, dass ihr mir… nunja, dass ihr mir diesen Teil eurer Vergangenheit gezeigt habt. Ich hatte..“, sie ließ kurz die Augen wegwandern von seinem Gesicht und einer ihrer Mundwinkel hob sich, als sie offenbar wusste, was sie sagen wollte: „ich hatte wirklich Spaß.“, sie sah ihn aus den hellen Augen an und nickte. Dann verlor ihr Gesicht etwas an Wärme. „Ich denke, ich werde euch nun alleine lassen. Ich bin überzeugt, dass eure Mutter stetig auf dem Weg der Besserung ist und sollte euch etwas auffallen, dann zögert nicht nach mir zu schicken. Ansonsten brechen wir morgen bei Sonnenaufgang auf, so jedenfalls der Plan von Amenion. Wir treffen uns am Aufgang zur Oberwelt. – Soll ich euch ausrichten.“, schloss sie. Die eldorische Elfe hob noch einmal den Blick zu Silas, ehe sie sich mit einem Nicken des Kopfes verabschiedete. Sie trat an dem Hochgewachsenen vorbei, um zu gehen, drehte sich aber doch noch mal um: „Habt einen schönen Abend, Silas.“, sie lächelte ehrlich. Daraufhin hob sie die Hand und berührte seinen rechten, nackten Unterarm mit den Fingerspitzen. Augenblicklich konnte Silas fühlen, wie ihn ein wohliges Gefühl von Wärme durchströmte. Zuversicht erfasste sein Herz, nicht übermäßig, aber dennoch spürbar. Es war fast so, als würden sich für einen Moment die Wolken verschieben und die Sonne hineinlassen, ohne befürchten zu müssen, dass sie Schaden anrichtete. Es erlöste Silas für den Moment von etwaigem Abschiedsschmerz oder eventueller Wehmut. Sie löste die weichen Fingerkuppen von seiner Haut und wirkte um einiges blässlicher, aber lächelte nach wie vor. Das wohlige Gefühl blieb tatsächlich bestehen und sollte Silas für einen Moment helfen, den Abend mit seinen Lieben tatsächlich genießen zu können. Es war nicht so, dass es fremde Empfindungen waren, die Avalinn gepflanzt hatte. Vielmehr nahm sie für einen sehr begrenzten Zeitraum die Schwere von seinen Schultern. Danach nickte sie ihm zu und verschwand auf dem Weg zu Amenions Hütte, um die nächste Häuserecke.

Weiter bei Silas' Wohnhaus
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Dienstag 26. November 2024, 13:51

Neri kommt von: Über die Schlucht

Nachdem sie die Brücke überquert hatten, schlossen Neri und Calhoun wieder zu den anderen auf. Es war schon seltsam gewesen, links und rechts von sich nichts als Abgrund gesehen zu haben und zu wissen, ein falscher Tritt des Tieres und sie würden womöglich fallen. Aber nachdem sie den Gargoyle besiegt hatten, verlief der Rest des Tages äußerst langweilig. Neri hatte Zeit noch über ihre kleine Spielerei mit Calhoun nachzudenken, bis sie auch endlich das Grasland hinter sich gelassen hatten. Irgendwann waren am Horizont die Spitzen von zyranischen Türmen aufgetaucht und erinnerten Neriélle und Calhoun, sowie Arunn daran, woher sie gekommen waren. Und was sie für eine seltsame Reise unternahmen. Dort hatte alles begonnen und sie drei zusammengeführt. Jetzt aber war ihr Ziel nicht mehr die Magierstadt. Zyranus verschwand hinter den nächsten Hügeln und schließlich verschwand auch der Himmel über ihren Köpfen. Sie hatten den Wald Arus erreicht und zumindest für die Shyánerin mochte das ein Aufatmen wert sein. Der dichte Laubwald war auf seine Weise beeindruckend und düster gleichermaßen. Kaum ein Licht drang hier durch die Baumkronen und sie wussten alle, dass in Richtung Norden das Reich der Nachtelfen irgendwo unter der Erde lag und auch Morgeria nicht weit wäre. Nach Süden kämen sie irgendwann wieder in die Wälder Neldoreth und Kapayu, sowie das Dorf der Waldmenschen. Jetzt aber wandten sie sich ein Stück nach Norden. Sie wollten ein Stück am Drachengebirge entlanggehen und so Richtung Mashmoor und schließlich nach Pelgar weiter. Nachdem sie bis in die Nacht geritten waren, beschwerte sich Arunn, dass sein Hintern mal eine Pause brauchte. Und auch Neri konnte die Anstrengungen deutlich spüren, obwohl sie anfangs so entspannt gewesen war. Inzwischen in tiefer Nacht, war es ratsam sich einen kleinen Ort zu suchen, wo sie rasten konnten.

Die Dunkelheit brachte allerlei Getier auf den Plan. Es knackte, raschelte und irgendwo rief ein Waldkauz. Die Atmosphäre mochte für manche unheimlich wirken und tatsächlich stellte sich eine seltsame Stimmung ein. Calhoun wirkte angespannt als normal und blickte ab und an umher, als suche er etwas. Und auch Pitt war zurück zu Neri gekommen, um sich bei ihr schutzsuchend einzunisten. Oder er war bloß faul und wollte nicht selbst laufen, nachdem sie die Pferde nur noch führten. Hier im Dunkel sollten sie sich nicht an einer Wurzel die Beine brechen. Aber auch die Vierbeiner wirkten angespannt, schnaubten des Öfteren. Irgendetwas lag da im Dunkel. Und noch bevor sich die Reisenden einen Unterschlupf erstellen oder finden konnten, bewahrheitete sich die Vorahnung: Plötzlich traten Arunn, der vorangegangen war, eine Handvoll Gestalten in den Weg. Sie waren lang, besaßen schmale Staturen und lange Haare. Ihre teilweise blassgrauen Augen funkelten trotz des spärlichen Lichts und Neri konnte erkennen, dass es sich um Elfen handelte. Sie waren mit Pfeil und Bogen ausgerüstet, die sie auch im Anschlag hatten und auf sie zielten. Dann trat ein Elf vor und unterschied sich von den anderen. Seine schwarze Lederkluft gab ihm einen Vorteil in Sachen Sichtbarkeit, während sein dunkles Haar kurz geschnitten war. Auch er besaß die typischen, elfischen Züge, hatte aber violette Augen. Die Haut der anderen sprach eine deutliche Herkunft: Nachtelfen. „Seht an, wer streift so spät durch unseren Wald?“, begann der Kurzhaarige und verschränkte lässig die Arme. Er hatte keinen Bogen bei sich, wohl aber war er nicht unbewaffnet. Jeder wusste, wie verschlagen die Nachtelfen sein konnten und dass sie nicht unbedingt für ihre Freundlichkeit bekannt waren. Auch wusste man, dass sie mit Morgeria im Bunde standen. War dies bereits das Ende ihrer Reise?
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- Laute spielen und Singen (überdurchschnittlich)
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Tierische Begleiter: RIP Pitt :(

Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Neriélle » Mittwoch 27. November 2024, 18:16

Calhoun und Neri wussten die wenige Zweisamkeit, die sie hatten, zu nutzen. Der Dunkle heizte ihr ordentlich ein und ließ gar keine trüben Gedanken zu. Auch nicht, als er sein Spiel erfolgreich beendet hatte, das sie offensichtlich genossen hatte. „Warte ab, dann darfst du so viel reiten, wie du willst!“ Neri schaute ihn daraufhin mit einem breiten Grinsen an und er konnte sicher sein, dass sie dieses Versprechen sicher nicht vergessen würde. Neri kam zurück in eine gerade Position und richtete auch den Blick wieder auf den Weg vor ihnen. Das Pferd verfiel in einen Trab und es forderte doch noch einmal mehr Konzentration ab, sich in dieser Gangart auf dem Rücken des Pferdes zu halten. Am liebsten hätte sie noch ein wenig den Nachwirkungen ihres reizvollen Spiel nachgehangen, aber das Leben war kein Ponyhof. Calhoun würde sicherlich dafür sorgen, dass sie nicht vom Pferd fiel, aber die Elfe wollte auch keinen schwachen Eindruck erwecken, weshalb sie sich besonders Mühe gab, eine gute Figur auf dem Pferderücken zu machen. Während sie über die Brücke ritten, huschten die goldenen Augen von links nach rechts. Das Geländer war nicht gerade hoch und die Schlucht darunter so tief, dass sie den Boden nicht mal sehen konnte. Es wäre wohl ein langer Fall. Sie war nur froh, dass dem Pferd das nicht bewusst war und Calhoun es unter Kontrolle hatte. Das ganze Unwohlsein verflog erst, als sie die Brücke gänzlich überquert hatten. Innerlich atmete Neri erleichtert auf.

Ihr Blick glitt über das Grasland, das sie nicht zum ersten Mal sah. Damals war sie aus dem Arus getreten und einfach in Richtung Zyranus' gestiefelt. Völlig naiv und unvorbereitet, wie sie inzwischen wusste, weil sie es hart gelernt hatte. Nachdenklich betrachtete sie die Türme der Magierstadt in der Ferne. Angetrieben von der Sehnsucht, die die Begegnung mit dem Schattenmagier im Kapayu in ihr ausgelöst hatte, hatte sie mehr darüber erfahren wollen. Wie sehr sie sich geirrt hatte. Es war das Dämonenblut in ihren Adern, das sie dorthin geführt hatte.. das sie zu Calhoun gebracht hatte. In Gedanken versunken, gab Neri einen unbestimmten Laut von sich, als sie darüber nachdachte, wie sie von ihrem Schicksal erfahren hatte und was alles geschehen war. "Dass wir hier noch einmal vorbeikommen", sinnierte sie. "Es war der Beginn unserer wunderbaren Reise." Sie schaute für einen Moment Calhoun und dann Arunn verschmitzt an. Dieser Ort, das Heerlager, und all die dunklen Eindrücke waren überhaupt nicht witzig gewesen. Aber auch sie hatten sie zu dem gemacht, was sie heute war. "Stell' dir mal vor, Dumm und Dusselig würden angewatschelt kommen." Sie wusste nicht, wieso ihr die beiden Orks in den Sinn kamen, aber ihr Grinsen zeigte, dass der Gedanke sie amüsierte. Vielleicht half es ja auch ein wenig, die Stimmung aufzuhellen. Sie schaute Arunn für einige Momente an und lächelte dann. Das Erlebte hatte sie definitiv zusammen geschweißt und sie hätte sich wohl keinen besseren Mitgefangenen vorstellen können. "Sag mal", drehte sie sich dann zu Calhoun, "was hättest du eigentlich mit uns gemacht, wenn nicht dieses ganze Chaos ausgebrochen wäre?" Neri kam die Frage so schnell über die Lippen, wie sie ihr in den Sinn kam. Hätte er einfach Asmodeus' Befehle befolgt? Und wie hätten diese ausgesehen? Andererseits erwähnte er damals, dass der Dämon nicht sein Herr gewesen war. So oder so.. die Dinge hatten sich sehr viel anders entwickelt als erwartet. Für sie alle. Und am meisten vielleicht für Calhoun, der sich von Asmodeus' Magiern Heilung erhofft hatte.

Als sie weiter ritten und Zyranus schon längst aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, dachte Neriélle noch immer darüber und über den Verlauf ihrer Reise zu dritt nach. Als sie in den Arus eintauchten, zierte ein Lächeln die Lippen der Elfe. Augenblicklich spürte sie das heimelige Gefühl der Natur, die sie umgab. Die Bäume wuchsen dicht und ließen nicht viel Licht durch ihr Blätterdach. Neri ging im Kopf die Route durch, die sie verfolgten. Sie würde sie mehr oder weniger direkt bis nach Pelgar führen. Und was würde sie dort wohl erwarten? Würden sie Erfolg haben und Calhoun von seinem Dämon befreien können? Und dann..? Was würde übrig bleiben, wenn sein Dämon gebannt war? Und wie würde sich das vor allem auf sie beide auswirken? Neriélle kaute nachdenklich auf ihrer Lippe. Die Sehnsucht wurde auch durch die Dunkelheit gespeist, das konnten sie beide nicht abstreiten. Neriélle konnte sich nicht vorstellen, dass diese Anziehung vollständig verblasste. Aber konnte sie sich sicher sein? Und was war, wenn mit Calhouns Dämon auch die Anziehung verschwand und die Gefühle des Elfen für sie schmählerte? Neriélle schon die Gedanken oft zur Seite, aber sie kamen so oder ähnlich doch immer wieder zurück. Sie hatte viel Zeit, um sich Gedanken zu machen. Der Weg durch den Wald war recht eintönig und unspektakulär. Dann aber senkte sich die Dämmerung über sie und es wurde schneller dunkel, als sie erwartet hatten. Jetzt mussten sie schnell sein, wenn sie noch einen geeigneten Platz für die Nacht ausfindig machen wollen. Sie wechselten sich ab mit dem Führen der Pferde und die aufziehende Dunkelheit erschwerte es zunehmend, auf den Weg zu achten, geschweige denn zwischen den engen Bäumen einen guten Rastplatz zu finden. Der dunkle Wald selbst machte Neriélle keine Angst. Sie hatte unzählige Nächte alleine im Wald verbracht. Weder die Dunkelheit noch die Geräusche der Tiere und der Natur machten ihr Angst. Allerdings war sie bei ihren nächtlichen Streifzügen nie wirklich weit weg von ihrem Zuhause gewesen. Hier war sie fremd und sie wusste, dass das Reich der Nachtelfen und auch Morgeria nicht weit weg waren. Die Männer hatten es ihr auf der Karte gezeigt und auch noch einmal auf die Verbindung der beiden Städte hingewiesen. Diese Umstände waren es, die ihr eher Sorgen bereiteten. Aber sie mussten nach Norden und konnten nur versuchen, das Nachtelfenreich so weit wie möglich zu umgehen. "Wir hätten viel früher einen Platz suchen sollen", murrte sie irgendwann in die Dunkelheit hinein. Dieser Vorwurf ging auch an sie selbst, denn sie hatte unterschätzt, wie schnell es zu dieser Jahreszeit dunkel wurde, und wie langsam man zu dritt voran kam und noch langsamer mit Reittieren. Auch Umstände, mit denen sie erst umgehen musste. Sie konnte nicht den genauen Zeitpunkt bestimmen, aber irgendwann hob Neri den Kopf und sah sich prüfend um. Etwas war anders. Sie konnte es nicht benennen oder erklären, aber es lag etwas in der Luft. Sie wusste es instinktiv. Sie spürte, dass auch Calhoun angespannt war, ebenso wie die Pferde, die sichtlich nervös wirkten. Sie hätte gerne Pitt beruhigt, der sich tiefer in ihre Kleidung verkroch, aber es umgab sie wie eine dunkle Vorahnung. Etwas Unheilvolles nahte.

Als sich ihnen plötzlich mehrere Gestalten in den Weg stellten, zuckte Neriélle überrascht zusammen. Sie hatte gedacht, über ein feines Gehör zu verfügen und extra aufmerksam gewesen zu sein, und doch kamen sie wie aus dem Nichts. Nachtelfen. Sie sah die Bögen in ihren Händen und ballte die Hände zu Fäusten, weil sie sich über sich selbst ärgerte. Sie trug ihren Bogen über der Schulter und hielt ihn nicht in der Hand. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, das jetzt nachzuholen, aber bis sie soweit kam, wäre sie vermutlich schneller ein getroffenes Ziel, als ihr lieb war. Außerdem war es viel zu dunkel. Sie sah die Gestalten ja kaum in der Dunkelheit. Also ließ sie die Arme hängen, während sich ihre Haltung mit dem Auftauchen der Elfen sichtlich anspannte. Neri wollte keine Furcht zeigen, auch wenn das Auftauchen der Nachtelfen sicherlich nichts Gutes zu bedeuten hatte. Sie hatte sich jedoch selten ihren Kampfgeist nehmen lassen. Jetzt beobachtete sie den Elfen, der vortrat, und musterte ihn ohne falsche Zurückhaltung. Sie versuchte, zu erkennen, ob er Waffen trug, um ihn besser einschätzen zu können. Als Anführer der Truppe schlich er bestimmt nicht waffenlos durch die Gegend. „Seht an, wer streift so spät durch unseren Wald?“ Lässig stellte er sich vor ihnen. Aus dem Augenwinkel sah sie kurz zu Calhoun und Arunn hinüber und hoffte, dass Letzterer keine Dummheit von sich gab. Dann schaute sie den Elfen mit den violetten Augen direkt an. "Nur drei Reisende", antwortete Neriélle mit fester Stimme, während ihre Begleiter vielleicht noch überlegten. Sie hatte dem Kommandeur eines ganzen Heerlagers die Stirn geboten, da würde sie auch keine Furcht irgendeinem Nachtelfen gegenüber zeigen. "Ich bin Neriélle", sprach sie weiter, da sie vermutete, dass der Nachtelf sich kaum mit drei Worten zufriedengeben und vermutlich sowieso danach fragen würde. Sie überließ es allerdings ihren Begleitern, sich selbst vorzustellen. Ihr war klar geworden, dass man Calhouns Name und seine Taten offenbar kannte. Und durch die Nähe zu Morgeria wollte sie ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. "Habt keine Sorge um euren Wald, wir werden ihm nichts tun. Und euch auch nicht." Neri bezweifelte, dass diese Elfen ein Anrecht auf diesen Wald hatten, aber da er es so betonte, tat sie es ihm etwas spitzzüngig gleich. Die goldenen Augen ließen den anderen Elfen nicht aus den Augen. "Wie gesagt, nur Durchreisende, die keinen Ärger wollen", bekräftigte sie und versuchte, seinem Blick standzuhalten. "Dürfen wir passieren?" Sie hatte auf ihrer Reise wenigstens etwas dazu gelernt und ging nicht mit üblicher Überheblichkeit vor. Neriélle hatte ihre Lektionen gelernt. Auch wenn sie keine Furcht zeigen wollte, wollte sie nicht provozieren. Und sie plapperte auch nicht fröhlich darauf los, sondern sah den anderen Elfen ernst an. Tatsächlich wollte sie einfach nur mit ihren Begleitern unbehelligt weiter reisen. Calhoun an ihrer Seite gab ihr dabei jedoch ein ganzes Stück Sicherheit und Selbstvertrauen. Er konnte kämpfen, er beherrschte Magie und er trug den Teil ihres Dämons. Wer sollte ihnen schon etwas anhaben können?

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 28. November 2024, 13:23

Der Wald gab Neriélle Sicherheit und ein Gefühl von Heimat. Die aufwühlenden Gedanken der letzten Stunden hatten zu keinem Ergebnis geführt. Wieso das alles geschehen war, mochte inzwischen auf der Hand liegen – oder? Oder war es nur eine dankbare Erklärung für ihr recht überstürztes Aufbrechen aus der Talsenke und den darauffolgenden Unwegsamkeiten? Neri war blindlings losgelaufen und hatte ein Bedürfnis verspürt, sich die Welt und ihre Dunkelheit genauer anzusehen. Dass jene Dunkelheit aber ausgerechnet in ihr wohnte, war befreiend aber auch beängstigend. Nun taten sich ganz neue Fragen zu ihrem Erlebnis vor Zyranus auf: "Sag mal, was hättest du eigentlich mit uns gemacht, wenn nicht dieses ganze Chaos ausgebrochen wäre?" Sein roter Blick traf sie pfeilschnell. Auch Arunn sah Neri an und hob die Augenbrauen. Wollte sie das wirklich wissen? Calhoun schien einen Moment auf der Frage herumzukauen, weshalb es auch still wurde. Dann aber richtete er seinen Blick wieder in den Wald. Er führte derweil das Pferd, auf dem Neri und er noch vor einigen Stunden Zweisamkeit genossen hatten. Sie waren vor kurzem in den Wald Arus eingetaucht und jetzt wurde es recht schnell düster. Nicht nur zwischenmenschlich. „Ich hätte euch in den Zellen verrotten lassen.“, antwortete der Dunkelelf mit der Empathie eines Eiszapfens. Arunn schnaubte. „Herzlichen Dank, Bastard!“ Calhoun engte die Augen. „Was hast du erwartet, Arunn? Begnadigung?“ Arunn zuckte die Schultern. „Ja, vermutlich so um ‚der alten Zeiten Willen‘, Blödmann!“, konterte der Mensch, ehe Calhoun brummte. „Die sind lange vorbei.“, meinte er unversöhnlich. Arunn presste die Lippen aufeinander und stampfte weiter.
Die Stimmung war noch immer nicht gut zwischen Ex-Schwager und Ex-Schwager. Neri wurde Zeugin ihrer unterschiedlichen Haltung. Arunn wollte weitermachen, während Calhoun buchstäblich alles hinter sich lassen wollte. Würde sie da überhaupt vermitteln können? Wünschenswert wäre es, aber konnte sie das? Oder würde sie einen von beiden früher oder später loslassen müssen? Diese und weitere Gedanken beschäftigten Neri, bis sie erkannte, dass sie viel zu spät begonnen hatten, ein geeignetes Lager für die hereinbrechende Nacht zu finden. Nun mussten sie durch die Finsternis stampfen und hoffen, dass sie nicht erfroren. Es war kühl geworden, trotz dichter Blätterdächer und die Dunkelheit war auch den dichtstehenden Bäumen geschuldet. Und schließlich kam es, wie es kommen musste: Aufgrund ihrer Unachtsamkeit, waren sie leichte Beute für… Jäger. Als die Nachtelfen plötzlich aus ihren Verstecken traten, musste Neri erkennen, dass es weitaus bessere Jäger hier draußen kam. Gerade die Nachtelfen, die es gewohnt waren zu schleichen, aus dem Hinterhalt zu agieren. Man hörte ja so einiges! Und sie konnten in der vollkommenen Dunkelheit sehr viel besser sehen! Ein unfairer Vorteil. Und so musste Neri sich beherrschen, dass sie nicht gleich lospolterte, sondern besonnen die Führung übernahm, als sich der Kurzhaarige aus der Gruppe löste und zum Anführer wurde.

"Nur drei Reisende", antwortete sie auf seine provozierende Frage und erntete ein schiefes Grinsen, was ihn beinahe schon sympathisch machen könnte, hätte er nicht etwas Hinterhältiges im Blick. „Niemand ist ‚nur‘ Reisender. Jeder hat ein Ziel vor Augen.“, erwiderte er sachlich. Calhoun trat vor und neben Neri, während Arunn einen Schritt zurück machte und ebenfalls neben der Elfe Aufstellung bezog. Nur Pitt verpennte alles. "Ich bin Neriélle“, stellte sie sich vor und sowohl Arunn als auch Calhoun schwiegen dazu. Der Kurzhaarige fixierte Neri und deutete eine Verbeugung an. "Habt keine Sorge um euren Wald, wir werden ihm nichts tun. Und euch auch nicht." Allgemeines Gelächter ertönte aus den Kehlen der Umstehenden. Kurzhaar grinste verschlagen auf. Es stand ihm wirklich gut, aber es ließ auch gewisse Alarmglocken schrillen. Vielleicht waren das aber auch nur Vorurteile, mit denen Neri ja bereits häufiger konfrontiert worden war. „Gut für uns, dass ihr uns nichts tut.“, nickte der Anführer und verschränkte seine Arme. Ein deutliches Zeichen, dass er sie für nicht in der Lage hielt, ihnen überhaupt etwas anzutun. Überheblichkeit, oder Wissen? "Wie gesagt, nur Durchreisende, die keinen Ärger wollen. Dürfen wir passieren?“, versuchte sie höflich zu bleiben. Erneut gab es ein leises Gelächter, das jedoch von dem Anführer mit einem kurzen Blick sofort unterbunden wurde. Kurzhaar trat auf Neri zu, was Calhoun sich anspannen ließ. Der Blick aus den violetten Augen traf den Dunklen. „Keine Sorge, mein Großer – ich will nur mal gucken“, schnurrte er, wie ein Straßenkater, der ein fremdes Revier auskundschaftete. Calhoun trat vor und musterte den Nachtelfen eindringlich. „Lasst uns vorbei.“, verlangte er nun und die Nachtelfen nahmen an ihren Bögen Spannung auf. „Sonst was?“, fragte Kurzhaar und hob etwas das Kinn an. Er war einen halben Kopf kleiner als Calhoun doch beide Ausstrahlungen waren fast auf Augenhöhe.
Dann kam Arunn und schob sich zwischen Calhoun und Nachtelf. „Meine Herren! Ich bitte euch…“, er lächelte breit. „Können wir das nicht anders klären?“, fragte er betont freundlich. Neri aber spürte, dass ihre Dunkelheit sich regte. Dabei war es jedoch gar nicht so, dass sie alarmiert wirkte sondern sehr viel mehr… Neugierig. Sie schien die Gefahr zu spüren und … gut zu finden. Dabei aber streckten sich die finsteren Fühler nach dem Nachtelfen aus, nicht nach Calhoun. Etwas interessierte die Dunkelheit an ihm. Und während sie dem Gefühl noch nachspürte, fiel etwas in ihr Blickfeld. Auf der Tunika des Kurzhaarigen, prunkte am Oberarm auf der Seite ein Emblem. Es stach ihr just in dem Moment ins Auge, da sich ihre Dunkelheit regte und der Nachtelf dichter stand, dass sie auch etwas erkennen konnte. Es sah aus, wie eine Sonne, die von einer Flamme oder einem Schatten verschlungen wurde. Beinahe so, als würde die Sonne gefressen werden. Ein kurzer Blick würde ihr zeigen, dass alle Nachtelfen dieses Emblem auf ihrer Kleidung trugen. „Macht Platz, sonst erlebt ihr den Sonnenaufgang an einen Baum gefesselt!“, knurrte Calhoun düster, was Neri’s Innerstes in Schwingung versetzte. Die Nachtelfen spannten erneut, doch Kurzhaar hob die Hand, damit sie innehielten. Er grinste wieder schief. „Hmm… Spannend. Mich würde interessieren, ob du die Drohung wahrmachen würdest.“, schnarrte er und sein Blick glitt zu Neri. „Würdest du?“, fragte er sie direkt. „Wenn ihr uns überwältigt, und dein Stecher sich die Hände schmutzig macht, würdest du helfen oder nur wegschauen?“ Er trat an Calhoun ein Stück vorbei und an Neri heran. So dicht, dass sie seinen feinen Geruch wahrnehmen konnte. Es war etwas Herbes, aber nicht unangenehm. Viel mehr baute sich eine Spannung auf, die schwer zu beschreiben war. Ihre Dunkelheit frohlockte aufgrund der Gefahr, die hier herrschte. Aber wie sah Neri das? „Würdest du deine Augen abwenden, wenn die Sonne unsere Haut verbrennt? Wenn sie ihre garstigen Strahlen nach uns schickt, um uns qualvolle Schmerzen zu bereiten?“, raunte er ihr zu. Arunn stand mit fragendem Blick und offenem Mund daneben. „Ehm…“, machte er und runzelte dann die Stirn. „Was zum Henker geht hier vor?“, fragte er schließlich und der Kurzhaarige blieb einen Moment dicht bei Neri, bevor er lächelte und sich zurückzog, die Hände etwas gehoben. „Nichts für ungut, liebe ‚Reisende‘.“, meinte er und warf Calhoun einen provokanten Blick zu. „Weiterreisen solltet ihr derzeit nicht. Hier wimmelt es von Patrouillen. Seid unsere Gäste, ich lade euch ein ins Reich der Nachtelfen.“, schlug er plötzlich vor. Dann senkten die Nachtelfen ihre Bögen. Calhoun schnaubte. „Wieso?“, fragte er und engte die Augen misstrauisch. „Weil ich es kann!“, gestand der andere wenig aussagekräftig und grinste erneut. „Ich bin K’alil. Und ihr seid auf die Bruderschaft der untergehenden Sonne getroffen. Jene, die sich der Dunkelheit verschrieben haben, sie zu stärken!“, rief er feierlich aus und erntete bestätigendes Nicken der anderen. „Und bei euch spüre ich wahrlich Dunkles!“, raunte er, beleckte sich die Lippen und blickte Neri direkt an, während sich in ihrem Innern etwas regte.
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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Neriélle » Donnerstag 28. November 2024, 15:49

Die Elfe wälzte nicht nur einige Gedanken und hinterfragte ihre eigenen Entscheidungen. Sie dachte auch darüber nach, wie ihre Reise wohl unter anderen Umständen verlaufen wäre. Die Frage an Calhoun, was er mit ihnen gemacht hätte, wenn nicht dieses ganze Chaos ausgebrochen wäre, kam ihr dabei schneller über die Lippen als es vielleicht gut war. Calhoun sah sie an, aber schwieg zuerst. Neriélle lief neben ihm her und nicht nur Arunn fragte sich plötzlich, ob sie die Antwort wirklich wissen wollte. „Ich hätte euch in den Zellen verrotten lassen.“ Zuerst hielt sie es für einen dummen Scherz, aber Calhoun verzog keine Miene. Arunn war offenbar ebenso überrascht wie sie von dieser Härte und machte seiner Empörung direkt Luft. „Was hast du erwartet, Arunn? Begnadigung?“ Neri schaute zu dem Dessarier. „Ja, vermutlich so um ‚der alten Zeiten Willen‘, Blödmann!“ „Die sind lange vorbei.“, gab Calhoun wenig mitfühlend zurück. "Er ist dein Schwager..", murmelte Neri an seiner Seite, während Arunn voraus stampfte. Und was war überhaupt mit ihr? Neri versuchte, den Kloß in ihrem Hals hinunter zu schlucken. Sie war damals eine Fremde für ihn gewesen, versuchte sie sich das Ganze schön zu reden. Nüchtern betrachtet, hatte es keinen Grund für ihn gegeben, genau das nicht mit ihr zu tun. Mit den Gefühlen, die sich zwischen ihnen entwickelt hatten, blieb dennoch ein fader Beigeschmack und Neri verging eine Weile die Lust auf Plauderei. Dass Calhoun einfach so zugab, dass er Arunn das gleiche angetan hätte, machte es nicht besser. Schließlich war er seine Familie, aber Calhoun schien sich diesen Halt immer noch nicht eingestehen zu können.

Bald lag noch mehr in der Luft als schlechte Laune. Die nächtliche Dunkelheit bot Platz für jene, die unerkannt bleiben wollten, und machten sie drei zu einfachen Zielen. Keiner von ihnen bemerkte die Nachtelfen rechtzeitig und plötzlich mussten sie sich erklären, was sie hier im Wald zu suchen hatten. Neris Miene blieb fest, während sie dem Anführer des kleinen Grüppchen antwortete. „Niemand ist ‚nur‘ Reisender. Jeder hat ein Ziel vor Augen.“ Neriélle biss sich auf die Zunge, bevor ihr eine wenig freundliche Erwiderung entwich. Stattdessen stellte sie sich vor, während ihre beiden Begleiter an ihre Seite traten. Es stärkte zumindest ihren Mut und gab ihr Selbstvertrauen im Angesicht des nachtelfischen Trupps. Der Kurzhaarige deutete eine Verbeugung an, die Neri zwar aufgrund ihrer Unpassenheit wunderte, aber sie versuchte, sich nichts von ihren Gedanken oder Gefühlen anmerken zu lassen. Sie wollte nicht wieder die Naive sein, die auf irgendwelche Tricks hereinfiel, die irgendeinem Menschen oder Elfen das Leben kosten könnte. Vielmehr wollte sie klar machen, dass keiner sie unterschätzen sollte und dass sie drei keineswegs wehrlos waren. Als sie versicherte, dass sie den Nachtelfen nichts tun würden, und daraufhin Gelächter ertönte, atmete Neriélle tief ein, in dem festen Versuch, sich nicht provozieren zu lassen. Sie starrte für einen Moment zu den Bogenschützen hinüber und schien sich schon einen Spruch zu überlegen. Dann aber besann sie sich. Sie wollte diese Situation zur Abwechslung ruhig klären, denn ihr war bewusst geworden, welche bösen Wesen es auf dieser Welt gab. Der Kurzhaarige war gewiss einer von ihnen. Sie sah das verschlagene Grinsen, das gut zur Hinterhältigkeit passte, die man diesen Elfen nachsagte. „Gut für uns, dass ihr uns nichts tut.“ Neri engte nur kurz die Augen, bevor sie um die heraus gezwungene Erlaubnis fragte, zu passieren. Sie war froh, dass der Anführer das daraufhin erneut erschallende Gelächter mit einem Blick unterband. Gleichzeitig machte er deutlich, wer hier das Sagen hatte. Dann trat er plötzlich auf sie zu und Neri schien noch ein Stück gerader zu werden, ebenso wie Calhoun, dessen Körper sich anspannte. „Keine Sorge, mein Großer – ich will nur mal gucken“ "Eure Augen sind gut genug", erinnerte Neri ihn direkt mit fester Stimme und war froh, als Calhoun an den Elfen heran trat. Sie war kein Objekt, das sich begutachten lassen wollte. „Lasst uns vorbei.“ Neri ließ die beiden Männer nicht aus den Augen. „Sonst was?“ Die Elfe setzte bereits zu einer Beschwichtigung an, aber Arunn war es, der sich einfach zwischen die beiden Männer schob, als wären sie alte Bekannte.

Während der Dessarier seine diplomatischen Verhandlungskünste auspackte, spürte Neri mit einem Mal, wie die Dunkelheit sich in ihrem Inneren bemerkbar machte. Die Elfe merkte auf, aber erstaunlicherweise wollte der dunkle Teil sie nicht warnen. Nein, das hatte sich völlig anders angefühlt. Er kroch hervor, um mehr zu erfahren, er war neugierig. Zu ihrer Überraschung spürte sie, wie die Dunkelheit in Richtung des Nachtelfen tastete, während ihr Blick auf dem Emblem an seinem Oberarm fiel. Sie musterte das Symbol, konzentrierte sich dann aber wieder auf das Dunkle und versuchte, diese zu unterdrücken. Es streckte die Fühler nach dem Nachtelfen auf und das gefiel ihr gar nicht. Gleichzeitig musste sie sich fragen, wieso es das tat? Den fehlenden Teil trug Calhoun in sich. Wieso reagierte ihre Dunkelheit dann so auf diesen anderen Elfen? „Macht Platz, sonst erlebt ihr den Sonnenaufgang an einen Baum gefesselt!“ Arunns Beschwichtigungsversuche waren offenbar gescheitert. Neri starrte Calhoun einen Moment an. Nicht wegen seiner Drohung, sondern weil sie herausfinden wollte, ob sich ihre Dunkelheit wieder auf ihn konzentrieren würde. „Hmm… Spannend. Mich würde interessieren, ob du die Drohung wahrmachen würdest. Würdest du?“ Neris Kopf ruckte zu dem Nachtelfen herum und von außen könnte es so wirken, als wäre sie mit ihren Gedanken gerade völlig woanders gewesen. Die Neugierde ihres dunklen Inneres lenkte sie ab, weil sie nicht verstand, wieso sie so reagierte - wieso sie überhaupt auf jemand anderen als Calhoun reagierte. „Wenn ihr uns überwältigt, und dein Stecher sich die Hände schmutzig macht, würdest du helfen oder nur wegschauen?“ Neris Herzschlag erhöhte sich, als er auf sie zukam, aber sie blieb tapfer stehen und reckte das Kinn wie er zuvor. Für einen Moment presste sie die Lippen aufeinander. "Er hat einen Namen", sagte sie dann nur. Dass der Nachtelf ihr so nahe kam, gefiel ihr gar nicht. Ihre Dunkelheit suggerierte ihr, dass keine Lebensgefahr von ihm ausging. Gleichzeitig schien sie sich über sein bedrohliches Gebaren zu erfreuen. „Würdest du deine Augen abwenden, wenn die Sonne unsere Haut verbrennt? Wenn sie ihre garstigen Strahlen nach uns schickt, um uns qualvolle Schmerzen zu bereiten?“ Sein Raunen kitzelte ihre Ohren und sie starrte ihm in die violetten Augen, immer noch auf der Suche nach dem Grund für das Verhalten ihres Inneren. "Wollt ihr jetzt Mitleid von einer Fremden?", stellte sie eine Gegenfrage und funkelte ihn an. Sie war die Letzte, die jemanden töten würde, jemanden solch einen Tod wünsche oder auch noch dabei zusehen wollte. Sie war nicht einverstanden mit Calhouns Drohung, aber sie würde nicht seine Autorität untergraben und dem Nachtelfen damit klar machen, dass er zumindest keine Angst um sein Leben haben brauchte - wenn es nach ihr ginge. Neri hatte sich fest vorgenommen, nicht so leicht einzuknicken. Da stand sie nun, so dicht an diesem Elfen, und versuchte, ihre Dunkelheit zurückzuhalten, weil sie befürchtete, dass er andernfalls irgendetwas davon spüren würde. Aber das war nicht möglich, oder?

„Ehm… Was zum Henker geht hier vor?“, mischte sich Arunn ein und Neri atmete innerlich auf, als der Elf die Spannung zwischen ihnen löste. „Nichts für ungut, liebe ‚Reisende‘ Weiterreisen solltet ihr derzeit nicht. Hier wimmelt es von Patrouillen. Seid unsere Gäste, ich lade euch ein ins Reich der Nachtelfen.“ Da öffnete sich der Mund der Elfe. Hatte er sie gerade eingeladen? Oder eher 'eingeladen' - festgesetzt und sie an ihrer Weiterreise gehindert, ohne Gewalt anzuwenden? Zunächst einmal war sie froh, dass seine Männer ihre Bögen senkten. Dennoch blieb sie trotz der Umstände weiter angespannt. „Wieso?“, fragte Calhoun, was sie dachte. „Weil ich es kann! Ich bin K’alil. Und ihr seid auf die Bruderschaft der untergehenden Sonne getroffen. Jene, die sich der Dunkelheit verschrieben haben, sie zu stärken!“ Neri dachte noch darüber nach, was das zu bedeuten hatte, als er sie wieder ins Visier nahm. „Und bei euch spüre ich wahrlich Dunkles!“ Erneut beschleunigte sich ihr Herzschlag. Sie fühlte sich ertappt. Und ihre Dunkelheit, die er zu spüren glaubte, gab ihm da absolut und ohne ein Zögern Recht. Augenblicklich streckte es seine Fühler nach dem Nachtelf aus. Neriélle versuchte, sie stattdessen in Richtung Calhoun zu lenken, aber ob das gelang? Für einen Moment starrte sie auf die Lippen, über die sich der Kurzhaarige leckte, bevor sie nach den Zügeln des Pferdes griff, um etwas zu tun und den Blick abwenden zu können. "Da muss euch die Nacht einen Streich spielen", erwiderte sie mit trockener Kehle und schaute zu Calhoun. Spürte er etwas ähnliches? Und sollten sie diesen Elfen nun einfach in ihr Reich folgen? "Was soll das sein, diese 'Bruderschaft der untergehenden Sonne'?", fragte sie dann frei heraus und verbarg auch nicht die Skepsis, die sie bei diesem Namen empfand. Ob ihre Dunkelheit deswegen neugierig auf den Elfen war, weil er von der Stärkung der Dunkelheit sprach..?

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Re: Spiel der Ratten

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 28. November 2024, 21:59

Vielleicht würden sie noch darüber reden müssen, ob Calhoun das ernstgemeint hatte als er sagte, er hätte sie verrotten lassen. Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt gekommen. Sie waren mitten hinein in einen Hinterhalt getappt und keiner von ihnen hatte es kommen sehen. Die Unterhaltung mit den Nachtelfen verlief alles andere als günstig. Während sich Calhoun nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollte, war es Neriélle, die mit ihrem Innersten in Konflikt geriet. Die Elfe stutzte, als sie erkannte, dass sich die Dunkelheit nicht nach Calhoun ausstreckte, sondern nach dem kurzhaarigen Nachtelfen, K’alil. Bisher war sie davon ausgegangen, dass dies einzig dem Dunkelelfen aufgrund seines Dämons galt. Für den Moment war sie dadurch abgelenkt und hätte fast die Frage von K’alil nicht bekommen. Aber Neri bewies wieder, wie schlagfertig sie sein konnte. Sie war noch nie auf den Mund gefallen und würde jetzt nicht damit anfangen es zu sein. "Wollt ihr jetzt Mitleid von einer Fremden?" Der Nachtelf lächelte anerkennend, sagte aber nichts darauf. Es war ohnehin Arunn, der sich einmischte und es immer zuverlässig schaffte, die Situation aufzuhellen. K’alil aber offenbarte, dass sie nicht weiterreisen sollten und er sie ins Reich der Nachtelfen einlud. Calhoun blieb misstrauisch und Neri konnte nicht erkennen, ob er etwas Ähnliches, wie sie spürte. Er schien in sich zu ruhen und wie immer die Oberhand über allem zu besitzen. Noch immer war Calhoun ein Buch mit sieben Siegeln und besaß seine ganz eigenen Geheimnisse. Als K’alil noch offenlegte, dass sie scheinbar einer besonderen Gruppierung angehörten, konnte Neri fühlen, wie die Dunkelheit neugieriger wurde. Sie bemühte sich, jene auf Calhoun zu konzentrieren, aber sie fühlte auch, dass sie kaum eine echte Macht darüber besaß. Es geschah einfach und ihre Versuche scheiterten letztendlich. Nie blieb der Fokus für länger auf dem Dunklen, auch wenn sie das gerne gehabt hätte. Ihre Finsternis schaute nach den Nachtelfen und K’alil insbesondere. "Da muss euch die Nacht einen Streich spielen", bemühte sich Neri die dunkle Situation aufzulösen und gab sich betont lässig. Calhoun aber drehte leicht den Kopf über seine Schulter, ohne sie direkt anzusehen. Die Geste genügte. K’alil grinste auf. „Sicher, das kann schon sein. In der Dunkelheit werden die Schatten größer, das Grauen greifbar, nicht wahr?“, er klatschte in die Hände.

„Manthala hat uns ein wundervolles Leben beschert! Nun kommt, wir wollen nicht trödeln!“, beschwor er die Weggefährten und deutete mit einer überheblich-freundlichen Geste in die Schwärze des Waldes. "Was soll das sein, diese 'Bruderschaft der untergehenden Sonne'?", ließ sich Neriélle nicht nehmen zu fragen und die Nachtelfen, die sich bereits umgewandt hatten, blieben erneut stehen. K’alil musterte Neri einen Moment. „Eine Gemeinschaft“, begann er und seine Stimme wurde wie ein hauchzartes, samtenes Seidentuch, das ihre Haut streichelte. „Jeder ist willkommen, der das Finstre schätzt. Der das Dunkel kennt und in ihm lebt. Wir sind ein Zuhause für all jene, die das Licht nicht haben will. Wir sind Frieden in tiefster Nacht, wenn andere Angst bekommen. Wir fürchten uns nicht. Wir lieben.“, säuselte er verführerisch und besaß die Fähigkeit einzunehmen. Er war charismatisch, das musste man ihm lassen. K’alil wirkte nicht grob oder plump. Er besaß Finesse. Dann neigte er leicht den Kopf und nickte in die Richtung, in die er sie führen wollte. „Folgt mir, Reisende – dann werdet ihr staunen und das Reich der Nachtelfen bewundern können!“, trug er abermals seine Einladung vor. Dabei blieben gewisse Zweifel, ob er sie nur locken oder wahrlich aufnehmen wollte. Einen Moment blieben Arunn und Calhoun, wo sie waren. Dann meldete sich der Dunkle zu Wort und drehte sich zu Neri und Arunn um. „Nachtelfen sind verschlagen, hinterlistig und heimtückisch. Sie sind auf ihren Vorteil bedacht und berauben dich“ …“Während du auf dem Scheißhaus sitzt!“, platzte Arunn dazwischen und erhielt seitens Calhoun einen fragenden Blick. Arunn zuckte nur mit den Schultern
„Hab‘ ich mal gehört“, murmelte er, als wäre das eine Entschuldigung, ehe Calhoun wieder fortfuhr: „Jedenfalls, sollten wir verdammt noch mal aufpassen. Aber es würde uns auch einen Moment der Rast gewähren. Wir könnten uns stärken und morgen frühzeitig weiterreisen.“, erwähnte er und blickte den Nachtelfen nach, die in einigen Schritten Abstand auf sie warteten. K’alil lehnte dabei lässig gegen einen Baum. „Wir dürfen uns nicht trennen, hört ihr?“, warnte er noch mal eindringlich und sah Arunn länger an als Neri. „Hast du das verstanden, Arunn?!“, der Mensch zuckte beleidigt, weil er offenbar nicht zugehört hatte. „Was? Ja! Niemand allein und so, verstanden!“, maulte er und schnaubte. „Du tust ja gerade so, als wäre das meine Schuld! Ich habe kein elfisches Gehör, ja?“, deutete er erst auf Calhoun, dann auf Neri und schnalzte mit der Zunge. Dann aber grinste er schon wieder und stiefelte los. Calhoun sah ihm nach, seufzte, ehe er sich an Neriélle wandte. „Alles in Ordnung?“, fragte er leise, ehe ein Pfiff ertönte. „Los jetzt! Ihr habt Zeit genug, sobald wir drin sind!“, meinte K’alil und Calhoun brummte kurz unwillig. Er streifte für einen Moment Neri’s Hand, ehe er ebenfalls folgte. Und Neri? Die Warnungen seitens Calhoun waren sicher berechtigt, aber er schien auch nicht das gespürt zu haben, was Neri fühlte. Ihre Dunkelheit war angetan von dem, was K’alil ausstrahlte, was er erzählte. Vielleicht von ihm? Es war eine Art Hunger, den sie fühlte. Hunger nach Anerkennung…

Neri weiter bei: Die Bruderschaft der untergehenden Sonne
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