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Re: Im Grasland

Verfasst: Dienstag 16. Januar 2007, 22:49
von Erzähler
Ja, der Drache war verschwunden. Aber guter Hoffnung ritten die beiden weiter. Sie wollten einfach nicht aufgeben. Außerdem hielt sie der Gedanke an den blinden Luca dazu an, jetzt bloß nicht umzukehren. Sie mussten es wenigstens versuchen.

Dennoch, nach einigen Tagen – es mussten schon 4 oder 5 sein – des Reitens und Nächten auf Blumen übersäten Wiesen sank die Moral zusammen mit der Stimmung.
Da sich auch der Drache nicht mehr hatte blicken lassen, schwand langsam die Motivation. Selbst Ventus trabte nicht mehr so energisch wie zu Beginn der Reise. Er spürte, wenn Anezka schlecht gelaunt oder trübsinnig war und es ging auf ihn über.

Wenigstens waren ihre Verletzungen soweit wieder verheilt und der Muskelkater fort. Dafür fühlten sich ihre Glieder langsam steif an. Das lag aber am ewigen Sitzen im Sattel.
Thror hatte zwischendurch darum gebeten, kurze Reiseabschnitte zu Fuß fortzusetzen, denn er war das ständige Sitzen auf einem Pferderücken so gut wie garnicht gewohnt – nicht unüblich für einen Zwerg.
Seine Beine und sein hinterster Teil schmerzten ihm. Da war ihm sogar Laufen eine Weile lieber.

Als der Mittag des fünften Tages anbrach, entdeckten die beiden in der Ferne mehrere Gestalten. Auch hörten sie Rufe, als schrie jemand Befehle.
Das Klingen von Metall auf Metall war zu vernehmen. Kämpfte dort in der Ferne etwa jemand?
Erfreut darüber, dass endlich Abwechslung eintrat und bestrebt, einer der beiden Seiten im Kampf beizustehen, ritten Anezka und Thror etwas schneller.

Überrascht waren sie schon, als sie mitten auf der Wiese mehrere kleine Truppen von Soldaten erkannten, allesamt in blaue Waffenröcke gekleidet. Sie kämpften gegeneinander, aber es schien sich nur um ein Training zu handeln. In ihrer Mitte stand ein breitschultriger Mann, das Schwert an der Hüfte hängend und sich den blonden Vollbart kratzend.
Er rief immer wieder Befehle und korrigierte das Fehlverhalten der Soldaten.

Re: Im Grasland

Verfasst: Mittwoch 17. Januar 2007, 16:24
von Erzähler
Einige der Männer unterbrachen ihr Training, als Thror den blondbärtigen Anführer grüßte. Andere jedoch waren so sehr in ihre Kämpfe vertieft, sie bemerkten nichts mehr um sich herum. Erst ein Schrei des breitschultrigen Kriegers ließ sie aus ihrem Rausch erwachen.

Endlich verstummte das klirrende Aufeinandertreffen der Schwerter. Thror stellte zunächst sich vor, wies dann auf Anezka und nannte auch ihren Namen.
Aus den Reihen der Jungen Soldaten kamen Pfiffe und gierige Blicke beim Anblick von Anezkas sportlicher Statur. Einer der jungen Männer winkte ihr sogar zu.

"Ruhe, ihr lüsternes Pack!", schrie der blonde Mann plötzlich in die Richtung seiner Meute. "Seid ihr ehrlose Barbaren oder disziplinierte Soldaten Dessarias? AUFSTELLUNG!"

Sofort reihten sich die Männer auf, Schwert und Schild griffbereit, den Blick geradeaus gerichtet. Verstummt waren die Pfiffe, verschwunden die lüsternen Blicke. Disziplin und Ordnung kehrte unter dem Kommando des Breitschultrigen ein.

Dieser salutierte vor Thror. "So lasst mich Euch nun auch grüßen. Ich bin Rouven Falknar, dritter Ausbilder der jungen Nahkämpfer zu Dessaria!" Rouvens Stimme dröhnte über die Wiese wie ein lauter Blasebalg. Zackig vollführte er eine Halbdrehung und kam dann auf Anezka zu. "Verzeiht den Rekruten ihr ungepflegtes Verhalten. Sind alle noch grün hinter den Ohren." Und wieder drehte er sich um. Dieses Mal seinen Männern zu. "Für die beleidigende und schandhafte Verhaltensweise, die einem Dessarier nicht würdig ist, marschiert ihr unverfrorenes Pack nun barfuß zurück! Los, SCHUHE AUS!!!"

Missmutig und maulend zogen die Soldaten ihre Stiefel aus, aber niemand erhob lauthals Einspruch gegen ihre Strafe. Die Schwerter wurden zurück in ihre Scheiden gesteckt, die Schilde befestigten sie an ihren Unterarmen. Dann nahm jeder sein Paar Stiefel in die rechte Hand und wartete auf weitere Befehle.

Re: Im Grasland

Verfasst: Mittwoch 17. Januar 2007, 20:08
von Erzähler
Rouven Falknar nickte. "Die Frage sei Euch gestattet, werte Dame. Es ist noch etwa ein Tagesmarsch bis nach Dessaria. Natürlich, ohne Pause. Allerdings seht Ihr und Herr Thrainssohn erschöpft aus. Ich biete euch die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft eines dessarischen Bürgers an und lade euch zum gemeinsamen Mahl mit meiner Truppe ein. Allerdings werden wir dieses erst auf halben Wege zurück einnehmen. Demnach erreichen wir Dessaria erst in den frühen Morgenstunden des kommenden Tages."

Dann wandte sich der Ausbilder wieder an seine Soldaten. Er wies sie an, sich in Zweierreihen aufzustellen und den Marsch zurück in die Heimat anzutreten.

"Herr Thrainssohn, Ihr lauft neben mir her. Ich hoffe, Ihr seid ein schnelles Tempo gewohnt. Ich mache keine Ausnahmen, tut mir Leid."
Ventus würde schon mithalten können. Ein Pferd gegen den schnellen Marschschritt einer kleinen Soldatentruppe, das war mit Leichtigkeit zu schaffen. Aber ob sich Thror noch entschied, wieder den Pferderücken vorzuziehen, würde sich zeigen müssen. Natürlich war er Wanderungen gewohnt, aber als Zwerg mit Menschen mitzuhalten könnte auf langen Strecken problematischer werden.

"UND LOS!", rief Falknar, sein Schwert gen Himmel gestreckt.
Die Soldaten setzen sich in Bewegung – noch immer barfuß, allesamt.

Re: Im Grasland

Verfasst: Mittwoch 17. Januar 2007, 21:52
von fremder Mann
Falknar lachte brummig und kratzte sich seinen Bart. "Diese Raufbolde von ungeübten Taugenichtsen soll kein chaotischer Haufen sein? Wollt Ihr Euch einen Scherz mit mir erlauben? Die Jungen sind so undiszipliniert und haben keinerlei Respekt! Haben sich alle erst vor knapp zwei Wochen im Lager gemeldet."

Eine Weile schwieg der Ausbilder. Er warf einen Blick über die Schulter, zurück zu seiner Truppe. Die Männer stapften mit grimmigen Mienen durch die Wiesen. Sie alle würden Blasen an den Füßen haben, wenn die Gruppe Dessaria erreichte. Aber in den Augen Rouvens war es eine gerechte Strafe.
Dessarias Krieger, Kämpfer und Soldaten waren wohl die best ausgebildetsten Männer ganz Celcias. Er würde nicht zulassen, dass sie Frauen flegelhaft hinterher pfiffen und anstößige Bemerkungen machten. Nein, er würde das bestimmt nicht zulassen.

"Ihr seid aus dem Osten, sagt Ihr?", setzte der Ausbilder das Gespräch schließlich fort. "Dessaria hat Botschafter nach Pelgar ausgesandt. Wir wollen ein Bündnis schließen und Handeln. In Pelgar gibt es diese ruhmreiche Halle der Helden. Wart Ihr schon einmal dort?"

Re: Im Grasland

Verfasst: Donnerstag 18. Januar 2007, 13:13
von fremder Mann
"Recht habt Ihr, Herr Thrainssohn", nickte Falknar. "Statuen stehen nur herum. Aber meist gehören sie Menschen, die bereits Großes vollbracht haben. Sie haben ihre Schuldigkeit Celcia gegenüber getan. Doch sprecht, welche Probleme gibt es? Steckt der Osten in Schwierigkeiten? Pelgar bat um militärische Unterstützung, deshalb wurde ich beauftragt, diese Grünschnäbel hinter uns auszubilden. Jedoch erfuhr ich bisher nicht mehr, wäre allerdings interessiert."

<b>Von welchen Problemen erzählt dieser Zwerg? Steht etwa ein Krieg bevor?</b>

Rouven schaute zu Thror und Anezka. Er versuchte, anhand ihrer Mienen etwas zu erkennen, das sie ihm bisher verschwiegen, jedoch konnte er nichts von ihren Gesichtern ablesen.
Vielleicht würden sie ihm noch von diesen besonderen Ereignissen berichten. Er war gespannt, davon zu erfahren.

Re: Im Grasland

Verfasst: Donnerstag 18. Januar 2007, 17:10
von fremder Mann
"Das sind schlechte Nachrichten, wenn es stimmt, dass die dunklen Götter ihre Finger im Spiel haben", meinte der Ausbilder. "Aber jetzt wird mir klar, weshalb Pelgar unsere Unterstützung angefordert hat. Sie werden Hilfe brauchen, auch in Dessaria kennt man die Aufzeichnungen über den <i>großen Krieg</i>, wenn auch nicht so detailgetreu wie sie wohl in Pelgars Archiven zu finden sein werden."

Rouven Falknar schaute nach Osten. Die pechschwarzen Wolken waren nur noch als hauchdünne Linie weit in der Ferne zu sehen. Niemand hier im Grasland, so weit ab vom Wald Neldoreth und den Städten dahinter, würde vermuten, unter welch dunklen Umständen die Bewohner Ost-Celcias im Augenblick standen.

"Und ihr beiden seid hier, um vor Dessarias hohe Regierung zu treten und zu sprechen, oder gibt es einen anderen Grund für eure Reise?"

Re: Im Grasland

Verfasst: Donnerstag 18. Januar 2007, 19:25
von fremder Mann
Rouven grinste breit, dass sich seine Augen zu kleinen Schlitzen verengten. Er unterdrückte ein Lachen, denn das war gewiss nicht respektvoll und hätte dem Ruf der Dessarier Soldaten geschadet.

<b>Einen Drachen suchen sie? Wer hat ihnen diese dumme Idee nur in den Kopf gefplanzt. Ich hätte jetzt nicht geglaubt, dass diese beiden Narren sind. Und dann wollen sie auch noch eine Drachenschuppe haben, bei den Göttern!</b>

Die Männer direkt hinter Rouven, Thror und Anezka mussten ebenfalls von dem Gespräch etwas mitbekommen haben. Sie tuschelten zunächst und dann hörte man sie kichern.
Der Ausbilder wandte sich mit grimmiger Miene und in überraschender Geschwindikeit um. Einer der Soldaten prallte gegen ihn, stoplerte zurück und riss sowohl sich als auch zwei weitere Kumpane um.

"Was seid ihr nur für ein erbärmlicher Haufen?! Zeigt etwas mehr Respekt! IHR SEID ZUKÜNFTIGE SOLDATEN DESSARIAS!!!"

Kleinlaut rappelten sich die jungen Rekruten auf und nahmen wieder ihre Positionen ein. Falknar beruhigte sich. "So ist es besser. Ich habe euch am Anfang der Ausbildung gesagt: Jeder wird mit Respekt behandelt. Jeder wird gleich behandelt. Und was erleben ich an einem einzigen Nachmittag? Zuerst bringt ihr diese Dame auf dem Pferd in Verlegenheit mit eurem Gepfeife und dann wird über die Aufgabe der beiden gelacht!!! Eine Schande. Jede Aufgabe ist wichtig und mag sie sich noch so scherzhaft anhören! Vielleicht werdet auch ihr eines Tages einen Drache suchen, soll ich euch dann verspotten?!"

Die Predigt endete mit einem tiefen Seufzen und dem Befehl, zunächst einmal Rast zu machen. Einige der Soldaten atmeten erleichtert aus. Ihre Füße brannten und erste Blasen bildeten sich.

Rouven ließ ein kleines Lager errichten und den Proviant verteilen. Auch Anezka und Thror bekamen etwas ab. Es handelte sich zwar nur um trockenes Brot und ein Stück Hartwurst, aber besser als nichts. Anschließend ging ein Bierschlauch herum.

Re: Im Grasland

Verfasst: Freitag 19. Januar 2007, 23:13
von fremder Mann
Die Soldaten, Thror, Anezka und Rouven Falknar aßen udn tranken, bis die Sonne bereits über dem Zenit stand. Die Rekruten pflegten ihre geschwollenen Füße. Man sah ihnen an, dass sie eine gute Ausbildung genossen, jedoch noch nicht lange mit von der Partie waren. Offensichtlich kannten sie die Strenge ihres Ausbilders, aber seine Strafen für flegelhaftes Verhalten noch nicht gut genug. Einige der jungen Männer rieben sich die Füße mit eingepackter Wundsalbe ein.
Sie ließen es sich dennoch nicht nehmen, immer wieder flüchtige Blicke auf Anezka zu werfen. Als gäbe es in Dessaria keine Frauen. Aber wer wusste schon, wie lange die Burschen keine hübsche Dame mehr zu Gesicht bekommen hatten.

Rouven hörte Thrors weiteren Worten interessiert zu. Er trank selbst noch einen Schluck aus dem Bierschlauch, reichte ihn weiter und meine schließlicht: "Natürlich kenne ich Zyranus. Die Magier handeln mit uns. Wir beliefern sie mit vielen Materialien, die es im Grasland nicht gibt, vorzüglich Stein aus den Stollen Dessarias. Die Stadt der Magier ist jedoch recht seltsam. Sie haben keinerlei militärische Verteidigung, vertrauen auf Magie. Ob sie mit ihrem Glauben da nicht bald untergehen. Ich befürchte es ja, und dann wird Dessaria nicht schnell genug sein, ihnen beizustehen."

Erneut ging Thror auf das fliegende Wesen, auf den Drachen ein. Falknar rümpfte leicht die Nase. "Drachen mag es vielleicht geben, aber warum sollte gerade jetzt einer am Himmel fliegen? Und warum nach Nordwesten? Was will das Geschöpf da? Aber wenn er wirklich diese Richtung gewählt hat, werden die Dessarier ihn gesehen haben. Ihr solltet uns begleiten, in der Stadt könnt ihr die Leute fragen."

Re: Im Grasland

Verfasst: Samstag 20. Januar 2007, 11:20
von fremder Mann
Anezka machte sich ein Spiel daraus, die Rekruten zu reizen. Und diese fielen natürlich prompt darauf herein. Immer wieder schauten sie zu ihre herüber, einige zwinkerten ihr sogar zu oder spitzten spielerisch die Lippen, wenn ihr Ausbilder nicht hinsah. Allesamt schienen sie ein triebhaftes Pack zu sein.

Da überlegte die Kriegerin entsetzt, was wohl passierte, müsste sie mit dieser Meute lüsterner Burschen hier auf den Wiesen des Graslandes übernachten. Kein Zweifel, Thror und Ventus hätten ein Auge auf sie, dennoch stellte sie sich diese Nacht als unangenehm vor. Daher fragte sie frei heraus, ob der ganze Trupp im Grasland nächtigte.

Rouven Falknar lachte daraufhin ein brummiges Lachen. "Wir haben schon die letzten drei Nächte hier verbracht. Nein. Es wird Zeit, dass diese Grünschnäbel wieder dessarische Stadtluft schnuppern. Wir werden gleich weiterziehen, damit wir die Stadt bei Anbruch der Nacht erreichen."

Welch gute Nachricht! Anezka stützte sich auf ihre Hände und schaute in den Himmel. Der Drache war nicht mehr zu sehen. Wie schade ...
Plötzlich wurde sie von den Rekruten abgelenkt. Thror und Rouven bekamen nichts mit, sie waren wieder in ihrem Gespräch vertieft. Aber Anezkas Aufmerksamkeit hatten die Soldaten erregt. Ein kleines Grüppchen aus vier Mann tuschelte audfgeregt miteinander und immer wieder warfen sie einen Blick zur Kriegerin. Sie schienen heftig zu diskutieren, doch das Thema konnte Anezka nur erahnen.
Schließlich erhob sich ein kräftiger Kerl mit dunkelblondem Haar. Es sah zu komisch aus, wie ein Mann seiner Statur sich ihr näherte: wie ein kleiner Junge, der etwas ausgefressen hatte. Direkt vor Anezka blieb er stehen, ging in die Hocke.

"Meine Dame, wenn Ihr den Drachen sucht, solltet Ihr uns bis Dessaria folgen. Meine drei Kameraden und ich sahen während der Nachtwache einen fliegenden Schatten am Himmel, der wie ein Kristall schimmerte und zwar in allen Farben des Regenbogens. Wenn das Euer Drache ist, so flog er Richtung Dessaria."